Ist die Schuld der Welt, die Jesus auf sich nimmt, nicht die Schuld des Vaters, und hat die homousia, das „Ich und der Vater sind eins“, nicht doch einen ganz anderen als jenen affirmativen Sinn, den dann die dogamtische Trinitätslehre daraus gemacht hat?
Das Geheimnis der Person ist die Gesellschaft. Der Personbegriff ist der imaginäre Schutz gegen das Bewußtsein „nackt zu sein“ („da gingen ihnen die Augen auf und sie sahen, daß sie nackt waren“). Die Aggression gegen den Schador, gegen die islamische Verhüllung der Frau, rührt daher, daß erst die Verhüllung wieder ins Bewußtsein ruft, daß man nackt ist, und daß die neue Verhüllung, die Charaktermaske der Person, bloßer Schein ist, eigentlich Teil des Akts der Selbstzerstörung.
Mit dem Bekenntnis wurde der Personbegriff zum Begriff der Charaktermaske.
Person und Charakter: Ist die Person die Form und der Charakter der Inhalt des Bekenntnisses?
Das Bekenntnis ist die verinnerlichte Idolatrie, das Medium und der Katalysator der Verinnerlichung des Opfers, Grund und Motor des historischen Objektivationsprozesses. Es ist Teil einer Subjektstruktur, die jene Objektivität begründet und stabilisert, gegen die das Nachfolgegebot steht. Es ist ein Knotenpunkt in der Geschichte der Schuld und der Scham (der Verinnerlichung des Opfers entspricht die der Scham: seitdem gibt es Verdrängungen).
Womit handeln die Banken: mit der Schuld, die die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, die Erblast der Vergangenheit reproduziert und potenziert; und zwar sowohl fürs Bewußtsein (Zusammenhang der Banken mit den Tempeln, der Idolatrie und dem Opfer; Erfindung der Null, doppelte Buchführung, Objektivierung und Verdinglichung des Debet und Ursprung der modernen Naturwissenschaften) als auch real (Schuldenkrise). Banco de Spiritu Santo: Banken und Ursprung des Bekenntnisses (der Vergeistigung des Martyriums).
Das Bekenntnis ist die falsche Auflösung der Erbschuld, eigentlich das Medium über das sie sich fortpflanzt. Das Bekenntnis ist Babel (sowohl Turmbau wie Hure). Luther hat’s gewußt, aber dadurch, daß er die Kritik nur von außen vollzog, ist er selber in ihren Bannkreis hineingeraten, ist er gleichsam zum Neubabylonier geworden.
Das Bekenntnis stabilisiert die Erfahrung des Liebesentzugs (nulla salus extra ecclesiam; salus ist femininum, nicht – wie im Deutschen – neutrum).
Die Schuld auf sich nehmen heißt, die Macht des Begriffs brechen (den Vater von der Last, Vater zu sein, befreien: das ist der erste Teil des Sinns des Gebots: Du sollst Vater und Mutter ehren).
Welt und Natur: oder Herrschaft und Symbiose?
Kernpunkt scheint immer mehr die Übersetzung des tollere im „qui tollit peccata mundi“ (Joh 129) zu werden (airho heißt – wie tollere – sowohl aufheben wie wegnehmen). Das „hinwegnehmen“ ist vermutlich falsch (ist agnus/amnos das Lamm oder der Widder?).
Wer eine Sache von außen kritisiert, gerät in ihren Bann, verfällt selber dem, was er kritisiert.
Daß die Richtungen im Raum nicht äquivalent sind, läßt sich am Verhältnis von vorn und hinten sowie an dem des Leuchtenden zum Beleuchteten nachweisen (äquivalent sind dagegen die Beziehungen der Dinge unterm Gravitationsgesetz). Und bei dem Satz „Es werde Licht“ darf man um Gottes willen nicht an einen Lichtschalter denken.
Kann es sein, daß die Berechnungen zur Entstehung der Erde oder zu den Entfernungen im Weltall einer ähnlichen Logik folgen, wie jener, die der Berechnung zugrunde liegt, die Richard Price im Jahre 1772 anstellte: „Ein Penny, ausgeliehen bei der Geburt unseres Erlösers auf Zinseszinsen zu 5 % würde schon jetzt zu einer größeren Summe herangewachsen sein, als enthalten wäre in 150 Millionen Erden, alle von gediegenem Gold.“? (Zitiert von Hinkelammert in „… in euren Häusern leigt das geraubte Gut der Armen“, Fribourg/Brig 1989, S. 168)
Islam
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10.09.91
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09.09.91
„Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher.“ (Mt 1243ff, Lk 1124ff) Aber es gilt auch: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 2442) und „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ (Mt 2641) – „Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria Magdalena, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.“ (Mk 169)
Beschreibt die Geschichte mit dem Tiefschlaf Adams und der Er-schaffung Evas aus einer Rippe einen innersprachlichen Vorgang, ein Hinweis auf den Ursprung der Sprache (nach der Namengebung das Du; Objekt und Adressat)? War die Benennung der Tiere ein Reflex der Benennung Adams, so bildet sich jetzt mit dem Du das Ich (vgl. den „Tiefschlaf“ Abrahams: „große, unheimliche Angst befiel ihn“ – Gen 1512).
Spenglers Hinweis, daß in der modernen Welt die Musik die Stelle einnimt, die in der alten Welt die Statue einnahm, gibt Sinn, wenn man an die Bedeutung der Statue denkt: die Abgeltung des Menschenopfers und die Erinnerung ans Opfer. Die Musik ist die Abgeltung des Opfers der Sprache und die Erinnerung an dieses Opfer (die Erinnerung ans verinnerlichte Opfer). Insoweit ist die Musik auf eine ganz vertrackte Weise christologisch (antimythisch).
Zum Begriff der Hebräer: „der Hebräer Abram“, seine Begegnung mit dem Pharao und Abimelech, dem Philisterkönig; bei welchen der zehn Plagen beruft sich Moses auf den „Gott der Hebräer“? An welchen Stellen in den Philisterkriegen werden die Israeliten von wem Hebräer genannt (Hebräer als Fremdbezeichnung, während die Selbstbezeichnung Israeliten ist – Zusammenhang mit der Abimelech-Geschichte bei Abraham und Isaak)? – Wer hat wann hebräisch gesprochen (die Schrift ist hebräisch, nur Zitate sind aramäisch)? – Steckt der Name Sara in Israel drin, ist Israel von Sara abgeleitet? Weshalb sind die Verwandten Abrahams keine Hebräer, sondern Aramäer?
Ist nicht die Tatsache, daß auch Levi als ein besonderer Stamm erscheint, ein Hinweis darauf, daß auch soziale Schichten in der Schrift völkerähnlichen Status haben können? In Indien ist dieses Verhältnis im Kastenwesen gleichsam geronnen und fixiert worden. Sprechen die indischen Kasten auch unterschiedliche Sprachen?
Was drückt sich darin aus, daß der Jahwist sowohl archaischer als auch jünger ist als der Elohist?
Spricht nicht die Geschichte vom Handel Abrahams mit Jahwe über die Strafe gegen Sodom (was war die Sünde Sodoms?) dafür das Hinkelammert mit seiner Interpretation der Opferung Isaaks recht hat?
In der Exodusgeschichte und in der Geschichte der Philisterkämpfe erweist sich die Selbstbezeichnung Israel als die Innenerfahrung dessen, was von außen Hebräer heißt. Hieran läßt sich die Differenz griechischen Geschichte aufzeigen: Während die Griechen nur den Unterschied zwischen der aktiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Hellenen und Barbaren) kannten, handelt es sich bei den Juden um den Unterschied zwischen der passiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Israeliten und Hebräer). – Grund zur Hoffnung, scheint mir, liegt darin, daß die Deutschgesinnten in aller Regel kein Deutsch können: Nur so ist der Sonderfall, daß ein Volk für sich nur die passive Fremdbezeichnung kennt (während der Gebrauch des Volksnamens als passive Selbstbezeichnung selbstzerstörerisch ist) nicht nur ein Verhängnis. Der Name der Deutschen ist nicht mehr als Name, nur noch als Reflexionskategorie verwendbar.
Ist die raf eine biblische Zelotenbewegung?
Das Objekt ist der besiegte Feind.
Wer sind die Völker Kanaans, von den Hetitern bis zu den Jebusitern (Ursprung in den Genealogien)?
– Gen 1519: Keniter, Kenasiter, Kadmoniter, Hetiter, Perisiter, Rafaiter, Amoriter, Kanaaniter, Girgaschiter, Hiwiter, Jebusiter;
– Ex 317: Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter;
– Ex 2323: ebenso
– Ex 2328: Hiwiter, Kanaaniter, Hetiter;
– Num 1329: Anakiter, Amalek, Hetiter, Jebusiter, Amoriter, Kanaaniter;
Gottesnamen:
– … aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen (sc. Abraham, Isaak und Jakob) nicht zu erkennen gegeben (Ex 63)
– vor Pharao, vor Beginn der Plagen: „der Gott der Hebräer … und Jahwe ….“ (Ex 52)
– Erste Plage (Wasser in Blut): „Sag zum Pharao: Jahwe, der Gott der Hebräer, hat mich zu dir gesandt …“ (Ex 716)
– zweite Plage (Frösche): „So spricht Jahwe“ (Ex 726)
– dritte Plage (Stechmücken): „… der Finger Gottes“ (Ex 815)
– vierte Plage (Ungeziefer): „So spricht Jahwe“ (Ex 816)
– fünfte Plage (Viehseuche): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 91)
– sechste Plage (Geschwüre): ohne (Ex 98)
– siebte Plage (Hagel): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 913)
– achte Plage (Heuschrecken): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 103)
– neunte Plage (Finsternis): ohne (Ex 1021)
– zehnte Plage (Tod der Erstgeburt): ohne (Ex 1229)
Melchisedech ist der König von Salem, die Opferung Isaaks fand auf dem Berge Morija statt.
Die Geschichte vom Traum mit den sieben fetten und den sieben mageren Jahren hat ihre Erfüllung in der Geschichte von den sieben fetten Jahren, in denen der Pharao sich die Überschüsse der Ernte des Landes aneignet, und den sieben mageren Jahren, in denen Joseph die Armut des Landes ausnützt, um die Bauern ins Eigentum des Pharao zu überführen, nachdem sie ihr Geld, ihr Vieh und schließlich ihr Land gegen das Getreide in Zahlung gegeben haben. Das ganze erinnert an den Satz Hegels, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut zu steuern, oder auch an die Geschichte von der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals. – Gab es in Ägypten Gefängnisse, und aus welchem Grunde? War es ein Ort für Schuldgefangene, für Straftäter, für politische Häftlinge?
Was reimt sich auf Dorn: Horn, Korn, Born, Zorn, vorn.
Schneisen durch den Dschungel der neuen Unübersichtlichkeit?
Andere führen ihren Hund spazieren, ich führe meinen Gott spazieren; aber der holt mir nicht jeden Knüppel zurück.
Ist es nicht so, daß die Kirche dort, wo sie zu lösen vorgibt, bis heute immer nur gebunden hat, und das aus eben jenem Kleinglauben, der sich heute zur realen Verzweiflung und zur Selbstverfluchung auswächst?
Die spezielle Relativitätstheorie rückt das Zentrum des Systems in jene Lücke im System, auf die das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hinweist, d.h. auf ein im strengen Sinne systemtranszendentes Element.
Es gibt auch eine historische Anwendung des Inertialsystems, deren Strukturgesetz wird einerseits durch die transzendentale Logik Kants, andererseits durch die Hegelsche Logik des Begriffs beschrieben.
Der Unterschied zwischen der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und der antiken Schuldknechtschaft scheint darin zu liegen, daß, während diese sich aus der Eigenlogik der wirtschaftlichen Entwicklung ergab, jene etwas Gewolltes und bewußt Angestrebtes war, wobei jedoch auch hier der Wille sich am Ende nur als ein Moment im System erwies.
In welcher Beziehung steht der Turmbau zu Babel zur Regenbogengeschichte?
Der Beweiszwang entspricht dem Bekenntniszwang, beide vertreiben die Erkenntnis, die Einsicht aus der Wahrheit. Das ist der Grund für das Mißlingen jeglicher Apologetik.
Die moderne Astronomie versündigt sich gegen das Herrschaftsgebot der Genesis, indem sie nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel versucht sich untertan zu machen. Allerdings hat hier die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung die nötige Vorarbeit geleistet. – Gott hat den Menschen nach seinem Bilde erschaffen; der Mensch hat den ganzen Kosmos dem Bilde der Erde nachgebildet (und so dem Totalitätsbegriff der Natur unterworfen).
Titelvorschlag: Objektivation und Instrumentalisierung?
Wie steht es mit den Realien zu den Geschichten Rut, Judit, Ester, Tobit, Hiob, Jonas? Sind die historischen Überlagerungen vergleichbar mit denen der Abraham-Geschichte? (Nach Franz von Baader hat die Schrift insgesamt apokalyptische Bedeutung.)
Die Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen (die babylonische Sprachverwirrung) in der Theologie.
Idolatrie und Opfer gehören zur Genese des Eigentumsbegriffs. Und diese Geschichte des Eigentumsbegriffs wird fundiert und abgesichert durch Geschichte und Struktur des Weltbegriffs. Die Phasen dieser Geschichte lassen sich ablesen an den Gestalten der Kulturen (der Religionen und der Kulturen, bevor sie durch den Säkularisationsprozeß neutralisiert und musealisiert worden sind). Religionen sind geronnene Formen der subjektiven Verarbeitung der Eigentums- und Rechtsgeschichte. Der heutige Atheismus ist darauf zurückzuführen, daß die Verdrängung heute soweit gediehen ist, daß man glaubt, diese Verarbeitung nicht mehr nötig zu haben.
Bei Heinsohn hängt die Naturkatastrophentheorie, aus der er dann die Genese des Opfers (den Ursprung des Monotheismus und des Geldes) ableitet, erkennbar mit seinem Ökonomiebegriff zusammen, aus dem er die genetischen Zusammenhänge weiterhin heraushalten möchte. Deshalb braucht er die Naturkatastrophen als Mittel der Erklärung.
Ist die lateinische Version des christlichen Dogmas römische Rechtsmystik (Person- und Eigentumsmystik)? Wenn die Person durch ihr Verhältnis zu anderen Personen und zum Eigentum definiert wird, und diese Verhältnis als allgemeines sich im Geld vergegenständlicht, dann gab es für das Christentum keine andere Form der Auseinandersetzung mit dem Mythos als die der Überwindung (nicht der Reflexion, die durch den geschichtlichen Kontext versperrt war). Die Reflexion des Mythos hätte zwangsläufig dem Dogma den Boden, den Grund entzogen. Durch die bloße Überwindung des Mythos hat dieser sich im Dogma (nachdem er unkenntlich geworden ist) reproduziert.
Entspricht das, was Hinkelammert als Schuldenautomatik analysiert, dem, was heute in der Astronomie „schwarze Löcher“ heißt?
Arbeit ist die Sühne für die Schuld, nicht Eigentümer zu sein; der Eigentümer ist der Erlöste; und Sünde ist alles, was dem Streben nach Eigentum im Subjekt selbst im Wege steht. Deshalb ist heute Mitleid, Empathie Sünde.
Die Opfertheologie stützt den Eigentumsbegriff und den Rechtsstaat.
Die endgültige Trennung von Begriff und Objekt gründet in der Verselbständigung des Objekts, die durch die reinen Formen der Anschauung vermittelt ist. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ In diesem Zustand ist der Islam geblieben, weil er das Verhältnis der Arbeit zum Sündenfall (Arbeit als säkularisierter Kampf gegen den Sündenfall) nicht kennt. (Vgl. die Hegelsche Bemerkung über den prosaischen Charakter der modernen Kleidung in seiner Ästhetik.)
Das „die Schuld der Welt auf sich Nehmen“ schließt den Abstieg zur Hölle mit ein.
Die Welt ist die Welt des potentiellen Eigentums (nach universaler Ausbreitung des Tauschprinzips), die Natur die der gegenständlichen Objekte (Produkt der unendlichen Ausdehnung des Raumes).
Daß sich Hegel zufolge der Begriff in der Natur nicht halten kann, reproduziert sich im Absoluten als die Trunkenheit aller seiner Glieder.
„Sein Erlauten“ (Buber) statt „Spruch des Herrn“: Buber ist nicht selten (sowohl in der Bibel-Übersetzung als auch in seinen theologischen Schriften) der Verführungskraft einer Archaik erlegen, die auf feudale Verhältnisse zurückweist; deren Erbe ist aber ist die Verwaltung, nicht die Theologie.
Büchner: „Wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten.“ – „Ich fühle mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte.“ – „Mit einem Lachen ergriff der Atheismus in ihm Platz.“ -
10.08.91
Der Satz „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ erhebt mit dem „mir“ auch den messianischen Anspruch des „Ich bin’s“. Und dieser Satz ist näher an der Realbedeutung des Bekenntnis des Namens als das kirchliche Credo.
Die Herrschaftsgeschichte – und mit ihr die Geschichte des Objektivationsprozesses – ist irreversibel.
Das Licht ist nicht selbst ewig, sondern ein Bild der Ewigkeit, das Ewige als vergangen gesetzt: das ist ableitbar aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Darin scheint der Herrschaftsauftrag an die Leuchten des Himmels begründet zu sein. Dann wären die Leuchten des Himmels Realsymbole der Last der Vergangenheit und insoweit geeignet, als Realsymbole weltlicher Macht benutzt zu werden (Problem: Beziehung der Sprache zur sichtbaren Welt!).
In der islamischen Version der Abraham-Geschichte liefert die Erkenntnis, daß weder die Sonne, noch der Mond, noch die Sterne göttlich sind, die Begründung für den Monotheismus.
Der Hinweis, daß der Gebrauch des Gottesnamens JHWH antisemitisch sei, ist vielleicht der schlimmste Satz bei Gunnar Heinsohn; er scheint mit dem verächtlichen Gebrauch des Namens der Hebräer zusammenzuhängen, der selber antisemitisch ist, und der vielleicht einmal sich auflöst in der Auflösung des Rätsel Abraham / Ibrahim. Ist Ibrahim vielleicht eine Parallelbildung zu Elohim (ein Singular-Plural, der sich auf die Hebräer, die Ibri bezieht – und dann die Isaak- und die Jakob-/Israel-Tradition adoptiert hat)?
Was heißt Israel? Bezieht sich Israel auf die Söldner-Vergangenheit (und Hebräer auf die Sklaven-Vergangenheit)? Wo heißt es im NT: „Ein wahrer Israelit“? (Joh 147: Jesus über Natanael; welche Bedeutung hat hier der Feigenbaum?)
Das Jesus-Wort „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 1030) und das andere „Ehe Abraham ward, bin ich“ (Joh 858): was bedeutet hier Vater? Die Juden kennen den Gott der Väter, sie kennen den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sie kennen den Gott der Hebräer und den Gott Israels, aber kennen sie auch den Vater-Gott (ja, im Deut, 2Sam, Ps, Jes, Jer, Mal)? Ist nicht der Vater-Gott ein Reflex der Vergöttlichung des Sohnes?
Gibt es eine Beziehung zwischen dem Zeugungsbegriff, den toledot (auch in der Schöpfungsgeschichte) und den Stammbäumen, den Genealogien (überhaupt den Bäumen in der Bibel, insbesondere in der Paradies- und Sündenfall-Geschichte)?
Wie wär’s mit dem Titel „Zwischenbericht“?
Die Philosophie ist die falsche Erfüllung des Bilderverbots; sie hat die Auflösung des Mythos nicht geleistet, sondern nur vertagt.
Ist es nicht ein Stück reiner Projektion, wenn wir aufgrund des heutigen Zustands der Dinge zu den altorientalischen Sprachen generell Völker hinzudichten. Kann es nicht ebenso sein, daß diese Sprachen in einer von Katastrophen geprägten Welt sich auch auf soziale Gruppen, soziale Schichten beziehen („sumerische“, „hebräische“, „aramäische“ Sprachen). Dann wäre der Turmbau zu Babel Teil einer Geschichte des Ursprungs der Klassengesellschaft (Abraham der Hebräer kam aus Ur in Chaldäa). Die Verwirrung der Sprache wäre dann die Urform des marxschen „falschen Bewußtseins“. Ebenso scheint die Idolatrie (einschließlich des astralen Kultes als einer spezifischen Gestalt des Herrendenkens) sprachlichen Ursprungs zu sein, ein Verhältnis des Bewußtseins zur Objektivität zu beschreiben, das zwangsläufig sich in bestimmten sprachlich-grammatischen Strukturen ausdrückt und sedimentiert.
Gilt das „filius meus es tu, hodie genui te“, das ja wohl auch ein Adoptionsverhältnis mit ausdrückt, auch schon für die Genealogien, so daß z.B. Abraham nachträglich den Isaak und Jakob und mit dem Jakob die zwölf Stämme Israels (als Hebräer) gleichsam adoptiert hat?
Der Corpus Christi Mysticum ist in Auschwitz vernichtet, vergast worden.
Könnte es sein, daß die Geschichte der Verleugnungen auf die apokalyptischen drei Zeiten und eine halbe Zeit paßt?
Die Vorstellung, daß Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat, ist eines der folgenreichsten theologischen Dogmen; indem sie voraussetzt, daß Sein und Nichts gleichsam als Totalitätsbegriffe einander gegenüber stehen, streng getrennt werden können, verhindert sie die Reflexion, die Hegel dann gewaltsam der traditionellen Philosophie abringen mußte. Ein spätes Echo dieser Vorstellung vom Nichts ist die Frage Heideggers: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?
Teilhard de Chardin hat einmal darauf hingewiesen, daß Tiere hypertrophe Bildungen der Selbstinstrumentalisierung sind, aus dem Gefängnis ihrer Selbstinstrumentalisierung nicht mehr herauskommen. Paßt das zu Adams Benennung der Tiere und zu dem Satz aus der DdA, daß alle Tiere an eine Katastrophe in der Urzeit erinnern?
Zur Schlange (dem schlauesten unter den Tieren): Welche Funktion hatte die eherne Schlange des Moses beim Exodus, und wann wurde diese eherne Schlange aus dem Kult herausgenommen? -
06.08.91
Die Geschichte der drei Verleugnungen und die Geschichte der Philosophie: Ist das nicht die Entwicklung vom An sich über das Für sich zum An und für sich? Und hört man nicht im Hegelschen An und für sich das „aber“ mit, vergleichbar dem juristischen „grundsätzlich“. – Die Verleugnungsgeschichte beschreibt exakt die Genesis des Begriffs (und der Geltung: die Trennung von Genesis und Geltung hängt mit dem Ursprung des Begriffs zusammen).
Ist es nicht bezeichnend, daß die Kirche ihren Part in der Abtreibungsdebatte so führt, als käme es nur darauf an, einen Strafrechtstatbestand zu schaffen (oder zu erhalten), während sie zugleich bei der anderen Frage sich dumm stellt: Wie kommt es daß das Strafrecht nicht nur sich fortschreitend immunisiert gegen die Gemeinheit, die von ihm ausgeht, sondern daß die Kirche hier gerade den Punkt scharfsichtig entdeckt und nützt, in dem diese Gemeinheit gründet, wenn nicht kulminiert.
Basisgemeinde als Knast-, Penner- und Hurengemeinde, ist das nicht auch ein Teil der negativen Trinitätslehre.
Kann es sein, daß der Ekel gegen das Fleischessen, der sich bei konsequent vegetarischer Lebensweise irgendwann einstellt, mit Herrschaftskritik zusammenfällt, und daß die Gefahr, daß der Vegetarismus (Über sein Verhältnis zur Eucharistie) ins Antichristliche umschlägt, mit der Figur des Rebellen zusammenhängt?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen
– dem Händlertum der Kanaaniter, der Purpurproduktion, dem Molochdienst und dem Kinderopfer,
– oder den sieben kanaanitischen Völkern, den Stadtstaaten, und den sieben hellenistischen Diakonen in der Apg.?
Übrigens ist der Tempel an der Stelle gebaut worden, an dem Abraham das Kinderopfer durchs Tieropfer abgegolten hat (Beziehung zum Tier: Adams Namengebung, Behemoth und Leviatan etc.).
Das Sein
– der Inbegriff der Macht der Vergangenheit, durch die die Schuld Gewalt über die Mensachen gewinnt,
– der Inbegriff der Idolatrie,
– der Kristallisationskern der Begriffe (durchs Urteil, durch das „ist“ werden die Prädikate zu Begriffen).
Es gibt kein Sein (und keine „Welt“) ohne das Gewaltmonopol des Staates. Der hypostasierte Begriff ist männlich (und das namenlose Objekt weiblich: so tief steckt das Patriarchat in der transzendentalen Logik).
Es gibt zwei Formen der Beziehung zur Vergangenheit:
– die Anpassung ans Vergangene: sie führt direkt in den Faschismus hinein,
– und die Erinnerungsarbeit: sie führt in die Theologie hinein.
De ente et essentia: Das Wesen ist der abgestorbene, begrabene und verwesende Name (der babylonische Turm: Architektur und Fundamentalontologie). Was bedeutet und welche Funktion hat der Begriff des Scheins in der Hegelschen Logik?
Kritik des Schriftbeweises: Sie hören nicht mehr, sondern sie nutzen die Schrift als totes (instrumentalisiertes) Material.
Die Schuld der Welt auf sich nehmen, heißt die entfremdete Last der Vergangenheit, die die Welt konstituiert: Grund der Entfremdung von Natur und Subjekt, endlich begreifen.
In welcher Beziehung steht die sumerische Sprache zur semitischen Sprache in Assur und Babel? Hängt die Geschichte der Sumerer mit der Geschichte vom Turmbau zu Babel zusammen?
Die Prophetie ist vorweltlich, die Apokalyptik die Antwort der jüdischen Tradition auf die Verweltlichung der Welt (ihren Ursprung): eine Antwort übrigens, in der Schöpfungslehre und Eschatologie sich erkennen.
Die vorweltliche Religion war keine Religion, sondern sie war Teil der Geburtswehen der Welt, zu denen auch die Idolatrie gehört (oder, in Anlehnung an die negative Trinitätslehre: der Sternendienst, der Molochdienst und die Idolatrie. Zu klären wären die Beziehungen des Sternendienstes zum Antisemitismus (vgl. Ester), des Molochdienstes zur Ketzerverfolgung (vgl. die Opferung Isaaks) und der Idolatrie zur Hexenverfolgung (Hurerei).
Die Genesis des Futur, des Plusquamperfekt und der Hilfszeitwörter gehören zusammen? Aber was wurde hierbei unterdrückt und verdrängt?
Zu den Hilfszeitwörtern: Beachte die „verandernde Kraft“ des Seins sowie die Doppelbedeutung von Haben (Perfektbildung und Besitz) und Werden (Futur und Bestimmung) – wie lautet das hebräische Wort im „es werde Licht“?
Ist es eigentlich so falsch, wenn innerhalb des Islam der Westen, die säkularisierte Welt als satanisch erfahren wird? Denn der Satan ist der Ankläger, und die säkularisierte Welt hat das Prinzip der Anklage in die Konstruktion der Institutionen und ihrer Beziehungen zum Objekt (in ihr Sprach-, Denk- und Handlungssystem) mit eingebaut.
Religion heute ist Folklore, ist Vergangenheitstourismus (Museum, Zirkus und Zoo). Deshalb fahren die Christen heute so gerne nach Israel und sehen und hören dort nichts. -
01.08.91
Das „tu es Petrus“, die Schlüsselgewalt und die Verheißung, daß die Pforten den Hölle die Kirche nicht überwältigen werden, gehören zusammen. – Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, aber die dritte Leugnung geht bis zu Selbstverfluchung (präzise Beschreibung dieser Selbstverfluchung im Kontext der Eucharistie: wer dieses Brot und diesen Wein unwürdig genießt, der ist und trinkt sich das Gericht?). – Die Pforten der Hölle: Sind das nicht Physik, Ökonomie und das Bekenntnis? Und hängt nicht insbesondere das Bekenntnis mit der Eucharistie zusammen?
Ist das Bekenntnis-Problem erst dem durch Faschismus und Auschwitz geschärften Blick sichtbar geworden?
Das Unverständnis dessen, was der Name in der jüdischen Tradition bedeutet, des Kontextes, in dem dann auch im NT der Begriff des Bekenntnisses des Namens steht, war der Preis, der für das Urschisma, für die Trennung des Christentums von seiner jüdischen Vergangenheit, gezahlt worden ist. War dieser Preis nicht zu hoch?
Der Begriff spricht das Objekt nicht an, sondern spricht über das Objekt, d.h. er entspricht präzise der Situation bei der zweiten Leugnung des Petrus.
Ist es von Bedeutung, daß die Geburt Jesu zusammenfällt mit einer Volkszählung, zu der Maria und Josef in ihre Heimatstadt Bethlehem gehen mußten?
Lukas: „Denkt an Lots Weib“.
Was ist der Unterschied zwischen Gewalt, Macht und Herrschaft? Gibt der Spruch: „Anarchie ist Macht ohne Herrschaft“ Sinn?
Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist das Prinzip der urteilenden Erkenntnis. Darauf ist das „Richtet nicht …“ eine späte Antwort.
Was heißt conjugare und declinare? Haben Konjugation und Deklination etwas mit der Dreidimensionalität des Raumes (mit Orthogonalität und Irreversibilität) zu tun? Ist der Begriff der Umkehr nicht präzise definiert durch das Verhältnis von „im Angesicht“ und „im Rücken“ (statt Rechtfertigung: die Verteidigung des andern)?
Ist die Definition der Geraden im Raum nicht selbstreferentiell: die Gerade wird durch die Bahn des Lichtstrahls definiert; danach kann man erst sagen, daß das Licht geradlinig sich ausbreitet?
Die Stelle mit Assur, Ägypten und Israel: wer war das Werk seiner Hände? Gibt es hier eine Beziehung zur Trinitätslehre und zum dreidimensionalen Raum?
Es gibt nur zwei legitime Positionen zur Prophetie: Entweder man ist selbst ein Prophet, oder man ist Adressat der Prophetie. Die Position des objektiven, unbeteiligten Zuschauers gibt es nicht (es sei denn um den Preis des Antisemitismus). Kann es sein, daß im Christentum diese beiden legitimen Positionen zu Prophetie zusammenfallen, Jesus sowohl Prophet als auch Adressat der Prophetie ist, und diese Verbindung im Nachfolgegebot an die Christen weitergegeben wird? Repräsentieren Islam und Christentum diese beiden Momente getrennt (das Christentum den vergöttlichten Adressaten, der Islam einen der Propheten)? Der Islam macht halt, schrickt zurück vor der Vereinigung des Propheten mit dem Adressaten der Prophetie; für ihn ist Jesus nur einer der Propheten und Mohammed dann der letzte. Aber da ist kein Messias, kein Erlöser: keine Umkehr. Der Islam ist gleichsam die positivistische Religion.
Die Revolution der verlorenen Generation (insbesondere in der BRD) ist eine Folge der unaufgearbeiteten Vergangenheit: eine Revolution aus dem Blickwinkel frustierter Konsumenten (die an der Vorstellung festhalten, der Staat sei der Ernährer der Menschen); für das, was ihnen entgeht, halten sie sich schadlos an der Realität. Der Marxsche Revolutionsbegriff, der sich auf das Proletariat bezieht, bezieht sich damit auf die gesellschaftliche Schicht der Produzenten, erwartet damit, daß in der Revolution dieses produktive Element zu sich selber kommt und die Alternative zur bestehenden Gesellschaft dann auch realisiert, während bei der lost generation die Alternative nicht einmal im Ansatz sichtbar ist. Das Anarchie-Konzept trägt nicht. – Das Wahrheitsmomment in der verlorenen Revolution heute liegt in der Wahrnehmung, in der Einsicht, daß das, was heute Produktion heißt, die Lebensgrundlage derer, die hier in den Metropolen leben, die Zerstörung der der Lebensgrundlagen der überwiegenden Mehrheit der Menschen in der Dritten Welt mit einschließt, d.h. in einem alle Vorstellung übersteigenden Maße kontraporduktiv geworden ist.
Dieses schlimme christliche Harmonie-Bedürfnis: wir tun so, als brauchten wir nur ergriffen sein, und wenn wir spüren, daß wir in Gottes Hand sind, wären wir es auch schon. Dieses Harmonie-Bedürfnis (insbesondere in Deutschland) ist eine der Folgen der unbewältigten Vergangenheit. Wir können diese Vergangenheit nicht mehr abwerfen, wir haben nur diese eine. Wir können keine Vergangenheit mehr abwerfen; der einzige Weg führt durch die Erinnerungsarbeit hindurch.
Idolatrie: Entlastung, Exkulpierung durch Projektion der eigenen Schuld nach draußen, durch Delegation der Verantwortung: Schuldig sind die Götter; Freiheit gibt es nur durch Komplizenschaft. Dieses Konzept hat das Christentum durch die Opfetheologie in seine Theologie mit hereingenommen. Das jedoch war nur möglich unter gleichzeitiger massiver Verletzung des Nachfolge-Gebots.
Franz Rosenzweig ist wirklich der Mann, der unter die Räuber fiel. Vor allem eines macht die erkenntnistheoretische Rezeption des Begriffs der Umkehr so wichtig. Franz Rosenzweig gebraucht hier das Bild mit dem Koffer: was zuerst hineingetan wurde, wird nachher in umgekehrter Reihenfolge wieder entnommen. D.h. es geht nichts verloren (und es wird nichts überwunden)! – Die „Überwindung“ von Vergangenem ist der Einlaß des Heidnischen, des Vergangenen, ins Christentum; er bezeichnet die genaue Gegenposition zur Umkehr. Hier ist Umkehr vonnöten.
Das Hegelsche Absolute ist in der Jotam-Fabel beschrieben worden.
Es gibt eine Schuld, die nicht mehr beichtfähig ist. Diese Schuld („die Schuld der Welt“) ist der genaue Gegenstand des Nachfolgegebots (und der Schlüsselgewalt der Kirche). Die Welt ist der Inbegriff der unaufgelösten Last der Vergangenheit. Sie trifft alles, was in ihren Bannkreis hineingerät, von hinten. Der Kristallisationskern, an den sich der Weltbegriff, die Struktur und die Ausgestaltung der Philosophie und auch die Institution des Staates anschließt, ist das Prinzip der Selbsterhaltung; in der aus der Philosophie stammenden Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wird dieses Prinzip der Selbsterhaltung über das zeitliche Ende des Lebens, den Tod, hinaus verlängert: verankert sich die Welt im Jenseits (und vergiftet es).
Früher haben die Philosophen die Schrift allegorisch gelesen. Heute sollten die Theologen die Philosophie allegorisch lesen.
Die Abtreibungsdebatte: der moralische Aufhänger, an dem man so schön die eigene Gemeinheit wieder ausleben kann. Wo steckt der Grund, die Ursache für den Projektionszwang; was motiviert diese Debatte und heizt sie an? Auf welche Abtreibung bezieht sich die Kampagne objektiv?
Woran hängt die Logik der kantischen Antinomien der reinen Vernunft; wird sie getroffen durch die Kritik des Objektivierungsprozesses (Zusammenhang mit den Hegelschen Reflexionsbegriffen, mit dem Beginn der Hegelschen Logik; nur hier sind die Dinge mit dem Begriff des Seins schon gelaufen, ist die Philosophie schon der ontologischen Sucht verfallen)?
Im Säkularisationsprozeß verlängert sich mit der Konstituierung der Welt das Gedächtnis, während die Erinnerung verschwindet (auch ein Problem der Zeitdilatation?). -
17.07.91
Die Geschichte des Objektivationsprozesses ist eine einheitliche Geschichte, die von der Opfertheologie, vom Bekenntnis, bis hin zur Existenzphilosophie reicht.
Erst die Säugetiere (oder schon die Saurier?) sind Warmblüter, d.h. sie sind nicht auf den Wärmehaushalt der sie umgebenden Natur angewiesen, sondern sie reproduzieren ihn selber. Das ist die Voraussetzung dafür, daß sie sich dann vom Jahresablauf emanzipieren.
Bildet die Evolution des Lebens die Evolution, die Struktur und die Abfolge der Bildung des Kosmos ab?
Rosenzweigs Verständnis des Islam ist begründet in der Logik seines Systems und daraus nicht abzulösen. Sollten wir nicht aufhören mit der Erwartung, daß Religionen sich verhalten wie Standesverbände, die auch Kritik nicht ertragen (mit Abwehr darauf reagieren)? Die Selbstbesinnung ist fällig für alle Religionen.
Das „de mortuis nihil nisi bene“ läßt sich nicht auf die Religionen anwenden. (Die Religionen sind heute allesamt teils parfürmierte Mumien, teils stinkende Leichen – tourismusfördernde Folklore.)
Das „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“, diese beiden Halbsätze sind im Mittelalter getrennt verkörpert worden durch den Dominikaner- und den Franziskanerorden.
Theologie hinter dem Rücken und Theologie im Angesicht Gottes sind zwei verschiedene Aggregatzustände der Erkenntnis. Theologie hinter dem Rücken Gottes stabilisiert die verschuldete Welt, macht sich gemein mit der Schuld und blendet sie ab: ist der Kern und der Grund der Heuchelei. Sie vergrößert die Last, die auf dem Messias ruht.
Wer die Wahrheit von der Beweislogik abhängig macht, begibt sich der Kraft zur Unterscheidung der Geister.
Als ich Theologie studierte, auch in der Zeit des Noviziats, hatte ich mir eigentlich nie vorstellen können, einmal Priester zu werden, mich zum Priester weihen zu lassen. Aber ich hatte auch das – in meiner apokalyptischen Zeitstimmung begründete -Gefühl, daß es hierauf auch garnicht mehr ankomme.
(FR-Serie über George Steiner: Von realer Gegenwart) … Da sieht man die spitzen Finger und den Papierkorb, da sieht man die Wölfe, die dem Lamm auflauern, da sieht man die Schlangen, die die Arglosigkeit der Tauben nur noch als Dummheit wahrnehmen (während es heute die Klugheit der Schlangen ohne die Arglosigkeit der Tauben schon nicht mehr gibt: sie in der Dummheit der Tauben den Beginn ihrer eigenen Dummheit anschauen.) Es ist zu offenkundig: Man fühlt sich angegriffen und glaubt sich durch Gegenaggression rechtfertigen zu können. In Wahrheit setzt die etablierte Zunft ihre Duftmarken, gibt Tabu-Hinweise für die eigenen Schüler. So erfüllt man aufs präziseste den tiefenpsychologischen Begriff der Abwehr.
Nochmals zu dem Satz „seid klug wie die Schlangen …“: Die Welt gleicht sich immer mehr der Paranoia an, die sie falsch abbildet, und es kommt alles darauf an, dieser Paranoia nicht zu verfallen.
Die Trennung von Futur und Imperfekt, von Zukunft und Vergangenheit, wird stabilisert durch das Plusquamperfekt. Sie verhindert das Verständnis der Prophetie und ist der Tod der Theologie. Sind die Bäume das Gestalt gewordene Plusquamperfekt, die Tiere das Futur und die Pflanzen das Imperfekt? (Gehört das Verbot von den Bäumen in der Mitte des Gartens zu essen, zum biblischen Nahrungsgebot?) Liegt hier der Grund, weshalb die Namengebung, die benennende Kraft Adams, sich nur auf die Tiere, nicht auf die Pflanzen sich bezieht?
Erst die Kritik der Physik eröffnet den Problemstoff, der in der Bibel steckt.
Die Bekenntnislogik ist das Medium der Vergesellschaftung des Herrendenkens. Die Vorbildtheorien gehören zur Bekenntnislogik.
Mein Eindruck ist, daß Entziehungskuren für Katholiken eingerichtet werden müßten: sie sind alle süchtig, sie stehen alle unter der Droge Kirche.
Das sogenannte naturwissenschaftliche Weltbild, das seine innere Konsistenz längst verloren hat, und nur noch deshlab weiterbesteht, weil keiner die Naturwissenschaften mehr versteht, ist ein Reflex des naturbeherrschenden Subjekts.
Die entsetzliche Verwechslung der sogenannten künstlichen Intelligenz mit der menschlichen Vernunft ist nur möglich, weil das Fehlen der Spontaneität, der Erfahrung, der Verarbeitung von Erfahrung nicht mehr wahrgenommen wird. Aber das ist (nicht zufällig insbesondere an katholischen Hochschulen) nur deshalb möglich, weil von dem gleichen Effekt heute die Kirche lebt, sich durch die Reproduktion dieses Effekts (über ihren Bekenntnis-, Lehr- und Glaubensbegriff, nachdem sie das Nachfolgegebot endgültig verworfen hat) selber reproduziert.
Die Bibel ist kein System. Der Versuch, sie dazu zu machen, hat in die Dogmatik, in die Trinitätslehre hineingeführt. Die Bibel ist vielmehr ein Wortfeld, gleichsam der Acker, dessen Bearbeitung uns auch aufgegeben ist. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Wort „Schwerter zu Pflugscharen“, angewandt auf Dogma und Bekenntnis, plötzlich eine sehr erhellende Bedeutung.
Die Trinitätslehre ist die Form der Verpuppung der Wahrheit; sie hat, ohne daß die Theologen es bis heute gemerkt hätten, in der Hegelschen Logik, in seinem Begriff des Absoluten, sich selbst als leere Hölle zurückgelassen, ohne daß bisher der Schmetterling, der daraus entflogen ist, wahrgenommen worden wäre.
Eine Sache zum Objekt machen, heißt, sie da fassen, wo sie schuldig ist: sie in den Anklagezustand versetzen.
Ecce agnus dei, qui tollit paccata mundi:
– Es heißt peccata mundi, nicht peccata hominum; es geht also nicht um die zurechenbare Schuld, sondern um die Schuld, in die man hineingerät: den Zustand und die Verfassung der Welt, in die man hineingeboren wird.
– Und das tollit heißt nicht wegnehmen, sondern auf sich nehmen.
Nach dem Nachfolgegebot ist es diese Schuld der Welt, die der Christ auf sich zu nehmen hat
Der vom Nachfolgegebot befreite Bekenntnisbegriff liefert das Medium, in dem die Ausrede: „Die Andern tun’s auch“, möglich wird. Er kann so zur Entlastung von der eigenen Verantwortung genutzt werden, zur falschen und unwirksamen Exkulpierung. So gerät das Bekenntnis in den Wiederholungszwang des schlechten Gewissens. Die Logik des Bekenntniszwangs ist die Logik der Urteilslust aus schlechtem Gewissen: des Geredes, zu dem auch die Theologie heute verkommt. So induziert der Bekenntniszwang das Trägheitsprinzip in die Bekennenden und wird zum sozialen Kitt, der die Bekenntnisbedürftigen an die Gemeinschaften, an die sie gebunden sind, fesselt, aus denen sie nicht mehr herauskommen (auch wenn sie sich formal davon lösen). Das schlechte Gewissen, das dem Bekenntniszwang zugrundliegt (und durch ihn fixiert wird), objektiviert sich in dem vom Bekenntnis nicht abzulösenden Feindbild (primär im christlichen Antisemitismus).
Adornos Bemerkung, daß die Welt sich immer mehr der Paranoia angleicht, die sie zugleich falsch abbildet, ist eine präzise Beschreibung des Grundes der Naturwissenschaft.
Die Bekenntnislogik und die Logik des Inertialssystems konvergieren miteinander.
Zum Problem der Benennung der Tiere:
– Wenn die Katastrophe der Urzeit, an die Max Horkheimer zufolge die Tierwelt erinnert, näher bestimmt werden kann, dann dürfte sie mit der Benennung der Tiere durch Adam zusammenhängen.
– Die Benennung der Tiere durch Adam steht im zweiten Schöpfungsbericht; im ersten werden die Tiere – je nach ihrer Art -durch Gott erschaffen.
– In der Sintflut erhält Noah den Auftrag, die Tiere in Paaren mit in die rettende Arche zu nehmen.
– Im Buch Hiob führt Gott dem Hiob am Ende die apokalyptischen Tiere vor Augen, mit dem zusätzliche Hinweis: Warst du dabei, als ich sie schuf? (Löst sich das Rätsel des Endes des Buches Hiob durch die doppelte Gestalt der Schöpfungslehre?)
– Vgl. auch die Geschichte mit der Schlange beim Sündenfall (Staub fressen / zu Staub werden).
Zum Sündenfall:
– Adam hat den Tieren ihren Namen (ihre Bestimmung) gegeben, also auch der Schlange (der klügsten unter den Tieren): ist somit die Schuld der Schlange (die Schuld der Welt) die Schuld Adams?
– Die Schlange „wird Staub fressen“, Adam „ist Staub und wird wieder zu Staub werden“: Frißt die Schlange Adam?
– Das Weib dagegen ist in Feindschaft mit der Schlange, ihr Nachkomme wird der Schlange den Kopf zertreten.
– Vgl. auch
. Noach (Gen 9), die Arche und der Bund mit den Tieren,
. die Nahrungsgebote,
. Hiob / Apk,
. Hos 220: endzeitlicher Bund mit den Tieren.
– DdA: Tiere erinnern an Katastrophe in der Urzeit. -
26.06.91
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik: Franz Rosenzweig, Existenzielles Denken und gelebte Bewährung, Freiburg/München 1991:
– „Existentielles Denken“ apriori falsch; aus der einen Bemerkung über Heidegger nach dem Davoser Gespräch läßt sich das nicht ableiten, ohne den Ernst des „Stern“ zu desavouieren, ihn dem Jargon der Eigentlichkeit unterzuordnen;
– ebenso „gelebte Bewährung“: bei Franz Rosenzweig geht es um die Bewährung der Wahrheit, die den Weg ins Leben eröffnet; gelebte Bewährung: er hat sich bewährt, ihm wird die Reststrafe erlassen?
Als ich den „Hinweis“ schrieb (mit dem ich überhaupt nicht zufrieden war), habe ich nur dunkel geahnt, worauf ich mich da eingelassen hatte. Mir war nur eines unzweifelhaft klar: hier war die einzige theistische Philosophie, die dem Anspruch des Stands der Aufklärung standhielt. Benjamins Wort über R., er habe es vermocht, „die Tradition auf dem eigenen Rücken zu befördern, anstatt sie seßhaft zu verwalten“, war mir schlicht einleuchtend. Aber es hat mir den Zugang zu diesem doch sehr spröden und unzugänglichen Werk nicht erleichtert. Hinzu kam, daß mir sehr früh klar war, daß eine unmittelbare Rezeption nach Auschwitz nicht mehr (und wahrscheinlich auch vorher nicht) möglich war. Dieses Buch war (schon vor dem Eintritt der Katastrophe) eine jüdische Antwort auf den Antisemitismus; es von der Opfer- auf die Täterseite herüberzubringen, erschien mir (auch angesichts meiner Erfahrungen mit der Theologie) zwingend notwendig, aber auch fast unmöglich. Den leichteren Weg der existentiellen Adaptation mochte und konnte ich nicht gehen (vor R. hatte ich Adorno gelesen, über den ich an Walter Benjamin und dann an R. geraten bin).
Der Fall Rosenstock ist für mich eigentlich die rätselhafteste (wenn nicht die peinlichste) Geschichte in meiner Beziehung zu Rosenzweig: Ich habe Eugen Rosenstock-Huessy noch in Münster anläßlich einer Gastvorlesung in den fünfziger Jahren gehört, habe es dann aber, nach dem, was ich von ihm an wilden Spekulationen über Rosenzweig (so meine Erinnerung) zu hören bekam, vorgezogen, ihn nicht auf sein Verhältnis zu Rosenzweig anzusprechen. – Ich habe übrigens den Briefwechsel Rosenzweig-Rosenstock nie als einen Beitrag zum „jüdisch-christlichen Dialog“ verstanden, sondern, soweit er Rosenstocks Beitrag betrifft, als eine wenig interessante Privatangelegenheit.
R.’s Sprachphilosophie ist Ergebnis, Resultat seiner Kritik der Philosophie des Begriffs, auf die seine Kritik des „All der Philosophie“ abzielt. Hier findet die Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Prophetie nach dem Ende der Geschichte der Philosophie erstmals ihre Stelle (unterschiedliche Stellung von Sprache und Begriff zum Objekt, Kritik des Wissens – vgl. hierzu Benjamins theologische Formulierung dieser Kritik im „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ -, unterschiedliche „Aggregatzustände“ der Erkenntnis).
Was ist „unvordenkliche Existenz“ (S. 30)? – Wer Adorno gelesen hat, weiß, daß der Begriff der Existenz aus dem Idealismus nicht herausführt, vielmehr in ihm (sowohl bei Kant wie auch bei Hegel) seinen präzise bestimmbaren Stellenwert hat; Existenz ist eine idealistische Kategorie. Was Rosenzweig anspricht (ich mit Vor- und Zunamen, nicht das Ich mit seinem Palmenzweig), ist eigentlich nur im Rahmen seiner Sprachphilosophie, im Zusammenhang mit der erkenntniskritischen Rehabilitierung des Namens (der Name ist nicht Schall und Rauch) gegen den von der Philosophie sonst nicht abzutrennenden Bann des Begriffs (der Subsumtions- wie der dialektischen Logik) zu verstehen, d.h. eher vor dem Hintergrund von Benjamins erkenntniskritischer Vorrede zum „Ursprung des deutschen Trauerspiels“, als im Kontext der Fundamentalontologie Heideggers, gegen die Rosenzweigs Hinweis auf die „verandernde Kraft des Seins“ (im „Neuen Denken“) immer noch das entscheidende Argument liefert.
Das „ich mit Vor- und Zunamen“ ist übrigens nicht die „Person“, deren Begriff aus der lateinischen Theologie (Tertullian) stammt und heute zu einer verwaltungstechnischen Kategorie geworden ist. Die Differenz ist minimal, fast nicht mehr zu bestimmen, aber zugleich eine ums Ganze: Aufhebung der Differenz zwischen mir und den anderen, Resultat und Grund der Instrumentalisierung des Subjekts, Angleichung des Subjekts ans vergegenständlichte Objekt. Nicht zufällig definiert die Person das Subjekt der Schuld; Grund der Zurechenbarkeit. In der Theologie (zuerst in der Trinitätslehre) bezeichnet die Einführung des Personbegriffs den Ursprungspunkt des apologetischen Denkens, des Theodizee-Zwangs: Der Personbegriff setzt die Menschen und Gott unter Rechtfertigungszwang, gleichsam unter ständigen Anklagedruck. Er ist so nur mit einer Opfertheologie zu begründen, in der am Ende die Gottesidee selber untergeht.
Kann man die Stellung des Islam aus dem R.schen System herauslösen (S. 36), ohne das System selbst zu zerstören? Wird es nicht so wieder zu dem, was es doch um keinen Preis sein will: zur Religionsphilosophie, zur Weltanschauung?
Auf andere Weise ist dann freilich doch das „System zu zerstören“ – um es zu retten: Nach Auschwitz (und im Kontext einer Kritik des Herrendenkens in ihrem Kern: in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung) haben sich die elliptischen Zentren so verlagert, daß das System nur über eine Neukonstruktion zu retten ist. Die bloße Konservierung, die nützlich ist zum Verständnis, vergißt das Beste, trägt bei zur Zerstörung.
Franz Rosenzweigs „Stern der Erlösung“ ist auch ein Genie- und Gewaltstreich. Und genau von diesem Bann wäre es zu befreien. (Vgl. dazu auch die Bemerkungen Scholems zum Stern.)
Bei Heidegger ist von der Philosophie nur der autoritäre Gestus übriggeblieben, und dessen Begründung und Erhaltung dient die gesamte Fundamentalontologie. Die strategische und taktische Absicherung dieses Gestus ist ihr einziger Inhalt.
Meine Intention ist der des Historikers genau entgegengesetzt: mir geht es nicht um die Vergegenständlichung der Vergangenheit, sondern um ihre Entgegenständlichung: um das Eingedenken, um die Erinnerung, darum, auch in den fremdesten und chockierendsten Dingen noch meine eigene Geschichte zu erkennen. Was ich in mir selber aufarbeiten muß, steckt in dieser Vergangenheit.
Der raf ins Album: Die terroristischen Aktionen haben die ihrer Absicht genau entgegengesetzten Wirkungen; sie exkulpieren die Strukturen und Handlungen, die sie angreifen. So, wie nach den Morden an der Startbahn alles, was vorher passiert ist, vergeben und vergessen war. D.h. mit in Rechnung zu stellen ist immer die antiaufklärerische Wirkung, die Tatsache, daß im Rahmen des Schuldverschubsystems die andere Seite am stärkeren Hebel sitzt. Der Terrorismus macht die Charaktermasken des Bestehenden zu Opfern, und damit unangreifbar. -
30.05.91
Gegen die rabbinische Lehre vom bösen Trieb steht im NT das Gebot der Nachfolge, der Übernahme der Schuld der Welt; weiterhin: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“; ebenso das Gebot der Feindesliebe; aber das ganze zusammen mit dem Verbot, das Unkraut vor der Zeit auszureißen.
Grund dieser Differenz ist der Umkehrpunkt, der in der Zeitenwende erreicht ist: das römische Imperium, die hierdurch im Ansatz realisierte Einheit der Welt, die zur Folge hat, daß es diese unmittelbare Beziehung nicht mehr gibt, daß alles vermittelt ist, daß in die Begriffe des Individuums, der Person, dann des Subjekts und des Objekts, die Geschichte der ganzen Welt mit eingeht. Die Beziehung zum Anderen, zum Objekt ist durch die ganze Weltgeschichte, durch die Struktur der Gesellschaft vermittelt (und diese Vermittlung heißt in der Schrift „Babel“?). Hier liegt der Grund für die leichte Veschiebung vom Konzept des bösen Triebs zu den utopischen, scheinbar unrealisierbaren moralischen Forderungen des Christentums, aber das mit der Folge, daß diese utopischen moralischen Forderungen dann wirklich zur Utopie verkommen sind, während in der Praxis und im Dogma die Rückkehr erfolgte zu jener Pseudo-Unmittelbarkeit, die den Inhalt vernichtet hat und durch den Schein einer Erlösung ohne Umkehr absolut böse geworden ist.
Horkheimers Bemerkung, daß es keine menschenfreundlichere Religion gibt, als das Christentum, aber auch keine, in deren Namen so schlimme Untaten begangen worden sind, hat genau hier ihren Grund.
Aber was ist dann im Islam passiert?
Der Begriff der Umkehr hat einen moralischen und einen zeitlichen Sinn. Umkehr leitet ihre Notwendigkeit daraus ab, daß im historischen Prozeß die vergangene Zukunft und die zukünftige Vergangenheit korrelativ immer weiter anwachsen. Wenn die Vergangenheit die Zukunft endgültig überformt: das wäre die Hölle. Die Gemeinheit ist genau die prophylaktische und präzise Anpassung an diese Hölle (deshalb ist sie leichter begründbar als das Gutsein): das Herrendenken.
Zum Zeitsinn der Umkehr: Das verinnerlichte Opfer ist das Opfer der Erinnerung. Und das ist der Preis für das Bewußtsein, wie weit wir es doch gebracht haben, der Preis für die installierte und kaum noch wegzuarbeitende generelle Empörung, die die westliche Zivilisation insgesamt mittlerweile kennzeichnet.
Der Objektbegriff ist der Korken auf der Flasche, in die wir den Geist eingesperrt haben.
Ist Hiob ein Araber; wer sind dann die drei Freunde des Hiob?
Die gesamte Physik ist eine Veranstaltung zur Erhaltung des Inertialsystems.
Ungeklärt ist eigentlich immer noch das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit zur Gravitation.
Den ruhenden Raum, der die Dinge nicht affiziert, in dem sie unberührt sich aufhalten, gibt es nicht. Genau das ist die Gewalt die den Dingen angetan wird, wenn wir sie „hinter ihrem Rücken“, im Verhältnis der „reinen Äußerlichkeit“, unter „Laborbedingungen“ erforschen.
Zur speziellen Relativitätstheorie Einsteins: die Zeitdilatation und die mit ihr systematisch verbundene Längenkontraktion sind richtungsbezogen, nicht objektbezogen.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit macht das Moment der Gewalt kenntlich, das im Inertialsystem steckt. Dagegen hat Einstein Zeit seines Lebens aufbegehrt, während die, die aus der Quantenphysik glaubten, philosphischen Honig schlecken zu können, in Wirklichkeit nur die Ideologie zur Anpassung an die Gewalt geliefert haben (und zum Teil aus diesem Grund fromm geworden sind: religiös, ohne die Last der Umkehr auf sich nehmen zu müssen).
Strukturalismus und Dekonstruktivismus haben ihr Vorbild in der protestantischen Bibelkritik und Exegese. Das, was diese mit biblischen Texten anstellt, haben die Franzosen dann generell auf Literaturkritik, Schriftkritik, Sprachkritik ausgedehnt.
Wichtiger als die Suchen nach Autor, Quellenschriften, Sinn scheint mir die Untersuchung des Sprachgestus, z.B. der Wendung „Spruch des Herrn“ oder dessen, was die Exegeten den poetischen Teil im Jeremias nennen: eine Sprachgestalt, in der der Autor sich gleichsam kleinmacht, in der er fast nicht mehr vorkommt, während in den Prosatexten bereits moderne Subjektivität sich ankündigt, der Autor sozusagen als transzendentales Subjekt zu diesem Text dazugehört.
Die heutige Neigung, Prophetie als „gefährlichen Text“ zu begreifen, müßte um ein geringes korrigiert werden, um der Wahrheit näher zu kommen. Gefährlich ist nicht die Prophetie, sondern ihre Nichtwahrnehmung, die dann zu Folgen wie Auschwitz führt.
Bileams Esel: Welche Bewandnis hat es überhaupt mit dem Esel in der Schrift, z.B. damit, daß der Messias auf einem Esel nach Jerusalem hereinreitet?
Die historisch-kritische Untersuchung der Bibel ist als deren Neutralisierung tendentiell antisemitisch. Der Gegenstand der Bibelkritik, das was durch Bibelkritik freigelegt werden soll, sollte nicht das Unvermögen, sondern die Kraft des biblischen Autors sein.
Das Gebot der Feindesliebe wird durch zugrundegelegtes Harmoniebedürfnis nicht erfüllt, sondern unterwandert. Die Aufhebung der Feindschaft gibt es nicht, wer sie anstrebt, intendiert die Vernichtung des Feindes.
Welche Aggressionen in der Exkulpierungssucht schlummern, läßt sich an manchen neudeutschen Bewegungen studieren.
Am Beispiel des Kruzifixes ließe sich leicht die Bedeutung des Bilderverbots (und die Folgen seiner Übertretung) nachweisen.
Die christliche Tradition dringt noch durch in der Politik unserer Bekenntnis-Parteien, die die Bekenntnislogik (z.B. das Personalisierungssyndrom) nutzen, um dahinter ihre dann nicht mehr kritisierbare Politik zu treiben.
Der transzendentale Idealismus ist die babylonische Gefangenschaft der Theologie (und die negative Dialektik ist ein Äquivalent des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit; sie verhält sich zur Hegelschen Dialektik wie das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindkeit zum begrifflichen Kontinuum der Physik).
Die Sonne beherrscht den Tag, der Mond die Nacht, aber die Erde bewegt sich (mit den Planeten) um die Sonne, der Mond um die Erde. Stellenwert von Wachen, Schlaf und Traum?
Der Logos und die Vergöttlichung des Opfers (oder das Opfer und die Sprache): Die benennde Kraft der Sprache ist allein wiederzugewinnen im Rahmen der Nachfolge; jeder Versuch, das im Rahmen einer Opfertheologie zu instrumentalisieren, führt in die Dialektik des Richten und Gerichtet-Werdens. Das instrumentalisierte Opfer verhext die Sprache, das reflektierte Opfer erneuert sie: Das „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ war der Systemgrund der Prophetie.
Was ist der Unterschied zwischen den Pluralformen Elohim, Haschamajim und Sefirot, Sabaot?
Die sogenannten Anthropomorphismen in der Schrift, die im Übrigen dazu ja erst vor dem Hintergrund des „naturwissenschaftlichen Weltbildes“ geworden sind, sind die eigentliche Erfahrungsquelle der Theologie. Wer diese Erfahrungsquelle verschüttet, läßt die Theologie verdorren, schickt sie in die Wüste, zu der die Welt geworden ist.
Hat Velikovskys Venus-Katastrophen-Theorie einen ähnlichen Stellenwert und eine ähnliche Bedeutung wie Freuds psychoanalytischer Mythos von der Brüderhorde und der Tötung des Urvaters?
Das Problem der Gemeinheit in der Justiz ist aus beweislogischen Gründen nicht aufhebbar.
Stammheim und Velikovskys Venus-Katastrophen-Theorie: Die Selbstmorde in Stammheim waren vielleicht tatsächlich Selbstmorde; aber gleichwohl waren sie auch Morde: induziert (und auch zu verantworten) durch das Verhalten des Staates, durch die Art, wie die Verfolgung, die Ermittlungen und die Verfahren durchgeführt worden sind. Die Katastrophen-Theorie erinnert an die Mord-Theorie insofern, als beide nicht nur Tatsachen-Fragen, sondern auch Schuldfragen beantworten sollen; beide dienen auch der Entlastung, der Exkulpation (und es gibt kein beweglicheres Element als die Schuld).
Kommt nicht bei Velikovsky und bei Heinsohn (in Abhängigkeit von der Geschichte der Ökonomie) die Rechtsgeschichte zu kurz? Hängt das zusammen mit der Unfähigkeit, das Katastrophische, die Einbrüche in der Gesellschaftsgeschichte zu begreifen. Kriege und andere Katastrophen sind oft nur Folgen von gesellschaftlichen Gewichts- und Gesteinsverschiebungen, von Umschichtungen, Verspannungen, die in normalen, „friedlichen“ Zeiten eingetreten sind, aber mit den damals zur Verfügung stehenden rationalen Methoden nicht zu bewältigen waren.
Gilt das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“ auch für die gesamte nachfolgende Täter-Gemeinde: die Kirche?
Zu den grammatischen Strukturen der alten Sprachen: Gab es im Griechischen auch einen Vokativ? Und im Hebräischen?
Der „Aufsatz“, diese Einübung in Heuchelei, ist etwas für Pfarrer, Richter und Lehrer. Themen wie „Der Wald im Spätherbst“ oder „Mein schönstes Ferienerlebnis“ waren Aufgaben, in denen der Schüler zeigen sollte, ob er gelernt hatte „sich auszudrücken“. Er mußte fähig sein, sich selbst ohne reale Objektvorgabe auszuquetschen. Und es waren die gleichen Lehrer, die dann am Ende mit der Frage „Was wollte der Dichter damit sagen“ jede Beziehung zur Literatur im Ansatz zerstörten. Richter, die die Anwendung der Gemeinheit narrensicher machen, Pfarrer, die den Atheismus unter dem Vorwand der Religion lehren, und Lehrer, die die Bildung so substituieren, daß sie danach nicht mehr vorkommt: das sind wohl im Augenblick die perversesten Berufe.
Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“, das die Sachverhalte sehr präzise beschrieben hat, ist möglicherweise deshalb bei den Lesern nicht angekommen, weil der Systempunkt, daß nämlich Gemeinheit kein strafrechtlicher, sondern nur ein theologischer Tatbestand ist, nicht deutlich genug angesprochen wurde.
Sonnemanns Aufforderung, mit den Ohren zu denken, wäre dahin zu ergänzen: und mit den Augen zu hören (in den Dingen zu lesen). Das würde etwas wie ein mimetisches Sehen voraussetzen und mit einschließen, etwas, das bisher nur einmal in der Geschichte aufgetreten ist, in der Frühphase der Entwicklung der Schrift. Wie verhält sich die Geschichte der Schrift zu den kulturellen und politischen Entwicklungen der Völker: Welcher Phase gehört die arabische Schrift an; was drückt sich in der chinesischen, in der indischen, in der ägyptischen Schrift aus; wie verhalten sich Keilschrift und Buchstabenschrift, welche Schrift hatten die Babylonier? Gibt es Objektschriften (China, Ägypten: Vorrang der Substantive), Prädikatschriften (Indien, Arabien: Vorrang der Verben)? Hängt die Entwicklung der Buchstabenschrift mit dem Bilderverbot zusammen, welche Auswirkung hatte die Einführung der Majuskel in der deutschen Schrift?
Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann kann sie nicht nur auf Vergangenheit sich beziehen, dann muß sie eine Gegenwartsbedeutung haben. Konsequenz: das typologische Schriftverständnis?
Drückt in der Unterscheidung zwischen starker und schwacher Deklination sich der Unterschied zwischen dem Subjekt und seiner Vergegenständlichung, und im Verfall der schwachen Deklination (in Verbindung mit dem Verfall des Konjunktivs) eine Auswirkung des Objektivationsprozesses aus, ein Verfall des Humanen, eine Folge des „Hinter-dem-Rücken-Redens“, des Geschwätzes?
Was ist an Spenglers Hinweis, daß die Wikinger, die Normannen das Rechnungswesen und die Buchhaltung eingeführt haben? (etwa S. 1010/20?) -
25.03.91
Das Bild vom Hirten und den Schafen wäre zu beziehen auf die Schafe, die (nach dem Agnus Dei – Joh. 129, Jes. 534ff) die Schuld der Welt auf sich nehmen. Handelt es sich hier um Lämmer, Schafe oder junge Widder (Opfer Abrahams – Gen. 22, islamisches Opferfest)? Ist hierin das Bild des Schafes, das zur Schlachtbank geführt wird, und das vom Sündenbock (Lev. 16) mit enthalten (nur in veränderter Konstellation)? Und sind die Hirten (die Episkopoi) die, die die Schafe zur Schlachtbank führen, oder die, die durch Lehre Hilfe leisten bei der „Nachfolge“? Kritik des christlichen Bildes vom dummen, subjekt- und bewußtlosen Schaf (Agnus ist in der christlichen Tradition ein Frauenname geworden!).
Katholizismus, Bekenntnis und Sexualmoral: Die Angst und die Wut, die sich einmal (in der Ketzerverfolgung) gegen das abweichende Bekenntnis richteten, wendet die Kirche heute gegen Empfängnisverhütung und Abtreibung; die Aggression wird aus dem Erkenntnisbereich in den moralischen Bereich verschoben. Von der frühkirchlichen (männlichen) Heiligengestalt des Bekenners (deren Pendant die Jungfau als weibliche Heiligengestalt war) ist die Lust am moralischen Urteil Übriggeblieben; zugrunde liegt die Vorstellung, Unschuld sei in dieser Gesellschaft möglich, eine Vorstellung, die nur unter der Voraussetzung funktioniert, daß der gesellschaftliche Schuldzusammenhang (die „Schuld der Welt“, Grundlage und Reflexionsobjekt des Nachfolgegebots) verdrängt, geleugnet wird. Die Lust am moralischen Urteil aber (und nicht ihr Gegenstand) ist im strengen Sinne obszön; sie legitimiert die Gewalt, die sie von sich (vom Urteilenden, der sich durch das Urteil selbst freispricht) auf das Objekt des Urteils ablenkt (er ist schuldig und hat die Strafe verdient); die Lehre der Kirchenväter, daß in der Lust die Erbschuld sich fortpflanzt, trifft auf diese Urteilslust und nicht auf die sexuelle Lust zu. Anmerkungen hierzu:
– Erstes Objekt des moralischen Urteils ist nicht zufällig die Sexualität; dagegen gilt: „Erstes Gebot der Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht.“ (Adorno: Minima Moralia)
– Ursprung und Geschichte der „Urteilslust“ hängt zusammen mit der materiellen Geschichte der Gesellschaft, mit der Geschichte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur (Exkulpation der Selbsterhaltung, in letzter Konsequenz der Macht: des Gewaltmonopols des Staates, das pauschal der Kritik entzogen wird; Konstituierung der Gemeinheitsautomatik; Ursprung des modernen Naturbegriffs: nur im Bereich der Sexualmoral gibt es den Schein natürlicher Unschuld: die Keuschheit).
– Anwendung auf die Kirchengeschichte: Der skandalöse Teil der Papstgeschichte (und die mittelalterliche kirchenpolitsche Konsequenz des Zölibats, mit Auswirkungen auf die Eschatologie, die Systematisierung des „Jenseits“, mit deutlichem Vorrang von Hölle und Fegfeuer; Konsequenz der Opfertheologie und der Gnadenlehre) ist eine zwangsläufige Folge aus der Verschiebung der Erbsünde von der Urteilslust auf die sexuelle Lust (erklärbar durch die Mechanismen des Wiederholungszwang). Unter diesem Aspekt die Kirchengeschichte neu schreiben:
. Urteilslust Folge des Verzichts auf Herrschaftskritik; Kirche Teil der Herrschaftsgeschichte (Funktion der Schöpfungslehre und unkritische Rezeption des Weltbegriffs; Geschichte der Häresien wird durchsichtig und ableitbar).
. Zusammenhang von Antjudaismus, Ketzerverfolgung und Frauenfeindschaft;
. Ursprung des Faschismus.
– „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 71):
. Urteilslust und moralisches Urteil als Selbstverfluchung (Umkehrung des Nachfolgegebots nur durch Umkehr heilbar; die dritte Verleugnung des Petrus: und er ging hinaus und weinte bitterlich – Mt 2634);
. Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Objektivations- und Erkenntnisprozeß.
– „Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe, seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ (Mt 1016): .Parakletisches (theologisches) Denken unterscheidet sich vom anklagenden und richtenden Denken (vom Herrendenken) nur durch die „Arglosigkeit“ (durch Verzicht auf Personalisierung von Schuld, Verzicht auf Verdrängung und Projektion, Verzicht auf Feinddenken: Ziel ist nicht das Dingfestmachen der Bosheit, das Schuldigsprechen, sondern die Auflösung der Dummheit in der Bosheit);
. der Verteidiger muß die Fakten und die Gesetze besser kennen als der Ankläger;
. Konsequenz ist nicht die Enthaltung des Urteils, sondern die Umkehr der Intention (Parteinahme für die Opfer, Votum für die Armen und die Fremden und deren Nachfolger und Erben);
. Zusammenhang von Herrschafts- und Selbstkritik im Zeitalter der Vergesellschaftung des Herrendenkens (pathologische Auswirkungen nachweisbar in der Vergesellschaftung dessen, was einmal Majestätsbeleidigung hieß: Abwehr von Kritik durch Aggression; psychotische Reaktionen liegen heute der Normalität, dem herrschenden Realitätsprinzip, näher als neurotische: paranoische Verletzbarkeit Grund des autoritären Denkens).
– „Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. … Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und der Verlorenheit befreit werden zur Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.“ (Röm 819ff)
. Der naturwissenschaftliche Objektbegriff ist Repräsentant der Gewalt, mit der die Natur (ohne Wissen und hinter dem Rücken der Erkennenden) instrumentalisiert und der gesellschaftlichen Herrschaft unterworfen, in den Prozeß der Naturbeherrschung hereingezogen wird. Sprachlicher Ursprung des Objektbegriffs ist der Akkusativ: naturwissenschaftliche Erkenntnis Inbegriff des Systems eines anklagenden, richtenden Denkens (Erbe der Inquisition); dagegen müßte verteidigendes (parakletisches) Denken sich zum Organ der Klage (der Sehnsucht, des Seufzens) der Kreatur machen. Dem … -
23.03.91
Kirchenkritik als Papstkritik (zu Peter de Rosa: Gottes erste Diener): PdR bleibt im Bannkreis des autoritären kirchlichen Denkens, wenn er Papstkritik auf der Grundlage der Kriterien des moralischen Urteils (für deren Begründung und Erhaltung die Institution des Papsttums – Inbegriff des kirchlichen Personalismus – unerläßlich ist) betreibt, anstatt den geschichtsphilosophischen (und theologischen) Stellenwert dieses Moralbegriffs zu untersuchen. Zu den historischen Gründen dieses kirchlichen Selbstverständnisses gehört jene Phase der Papstgeschichte so notwendig dazu wie das Fegefeuer zur Hölle. Die Funktion dieser Kritik ist stabilisierend (sie gehört zum kirchlichen double-bind-Syndrom; nur wenige Theologie-Studenten, bei denen die erste Kenntnisnahme dieser Dinge nicht systemerhaltend gewirkt hätte). Ein Nebeneffekt: Die Darstellung dieser Geschichte nach den Kriterien ihrer moralischen Beurteilung (die mit hämischen Nebenbemerkungen nicht spart) unterstellt, daß die heutigen Verhältnisse, unter denen die System-Voraussetzungen dieser Moral als säkularisierte fast unangreifbar geworden sind, als Naturverhältnisse auch in die Vergangenheit projiziert werden können: So wird der blinde Fleck verewigt, der dann die historische Erkenntnis verhindert (der Nachgeborene als Richter der Vergangenheit: das ist die Wahrheit der Gnade der späten Geburt; die Toten haben die Drecksarbeit für uns erledigt, zum Dank werden sie von uns verurteilt).
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Geschichte der „Ver-leugnungen“ (der Herrschaftsgeschichte des Christentums – die u.a. in der Fortsetzung des Caesarismus in der Papstgeschichte sich manifestiert) und dem Ursprung und der Geschichte des Islam? -
22.03.91
Verteidigendes Denken ist kein apologetisches Denken; es ist keine Rechtfertigung (die das Selbstmitleid stabilisiert und fördert), sondern die Verteidigung des Anderen, des Anderen in dem Sinne, in dem beispielweise Levinas diesen Begriff gebraucht.
Wenn in Bendorf darauf hingewiesen wurde, daß die säkulare Welt so säkular garnicht ist, sondern (aus der Sicht des Islam) zutiefst christlich vorgeprägt und determiniert, so hängt das in der Tat mit den christlichen Ursprüngen des modernen, aufgeklärten, bürgerlichen Subjekts zusammen (Konstitutierung des Subjekts auf der Grundlage der technischen Säkularisierung der Opfertheologie im Kapitalismus: das Geld verdinglicht und verbirgt die realen Schuldbeziehungen – die Beziehungen von Gnade und Macht -, Grundlage der Definition des Realitätsprinzips).
Der Islam kennt nur das eine Opfer zur Erinnerung an das Opfer Abrahams, die Abgeltung des Menschenopfers. Dieses Opfer ist ein reines Erinnerungsopfer, kein Entsühnungs- oder Versöhnungsopfer. Es scheint, daß der Islam das Prophetenwort „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ auf seine Weise (die abweicht von der jüdischen Tradition) ernst nimmt, während das Christentum durch seine Opfertheologie, durch das verdinglichte Konstrukt des Sühneleidens (Modell des kapitalistischen Wertgesetzes), hinter das Prophetenwort zurückfällt.
Es scheint, daß die letzte Bastion, die fallen muß, angezeigt wird durch das „er ging hinaus und weinte bitterlich“: Aufhebung des Zwangs, daß Männer nicht weinen, des patriarchalischen Elements in der christlichen Tradition, Grund der sexistischen Praxis und Theorie. Diese Tradition ist allerdings wohl allen drei Buchreligionen gemeinsam (jedoch in keiner mit so fürchterlichen Auswirkungen wie im Christentum).
In ihrer unreflektiert positiven Bedeutung verletzen die Dogmen das Bilderverbot.
Kann man die Bitten des Herrengebets in Beziehung setzen zum Dekalog? Das „adveniat regnum tuum“ würde dann dem Sabbat-Gebot, und das „fiat voluntas tua …“ dem Gebot, die Eltern zu ehren („auf daß es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden“), entsprechen.
Ex 201-21/Mt 69-13:
Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
Pater noster:
Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten und im Wasser unter der Erde.
Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.
Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
Qui es in caelis:
Du sollst den Namen deines Gottes nicht mißbrauchen; denn der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht.
Sanctificetur nomen tuum:
Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!
Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht.
An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und dein Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.
Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde und Meer gemacht und alles, was dazu gehört; am siebten Tage ruhte er.
Darum hat den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
Fiat voluntas tua:
Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.
Sicut in caelo et in terra:
Du sollst nicht morden.
Panem nostrum cottidianum da nobis hodie:
Du sollst nicht die Ehe brechen.
Et dimitte nobis debita nostra:
Du sollst nicht stehlen.
Sicut et nos dimittimus debitoribus nostris:
Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.
Et ne nos inducas in tentationem:
Du sollst nicht nach dem Haus Deines Nächsten verlangen.
Sed libera nos a malo:
Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört. -
17.03.91
Liegt der Unterschied zwischen Judentum und Islam an der gleichen Stelle, an der auch der Unterschied zwischen Namen- und Begriffslehre begründet und zu suchen ist, und ist die „Islamisierung“ des Christentums nicht schon vor der Entstehung des Islam eingetreten, vom Islam dann nur auf „reinere“ Weise rezipiert und danach ans Christentum wieder zurückgegeben worden? Drückt sich diese Beziehung auch im Gottesbegriff aus: Allah wird immer nur in der dritten Person bestimmt, bleibt immer gegenständlich; er spricht nicht selbst, sondern spricht durch den Heiligen Geist, der ein Engel ist. Bezeichnend auch die adjektivische Struktur der Namen Gottes, die hier zu Eigenschaften werden und aus diesem Grunde im Islam immer mit dem Zusatz All- gebildet sind: der Allbarmherzige, der Allverzeihende, der Allmächtige, der Allwissende etc (insgesamt 99 Gottesnamen).
Islam ist die Ergebenheit in den Willen Gottes, und der Wille Gottes ist das, was geschieht. Ein letztes Echo davon ist Hegels „die Vernunft ist wirklich, das Wirkliche ist das Vernünftige“ (Rechtsphilosophie).
Die Opfertheologie als Ursprung des Idealismus: Vgl. hierzu die Bemerkung in der DdA.
Das islamische Opfer ist eigentlich nur die Erinnerung an das Opfer Abrahams, die Abgeltung des Menschenopfers. Damit hängt es möglicherweise zusammen, daß nach dem Koran Jesus nicht selbst am Kreuz gestorben ist.
Das Bilderverbot ist das Verbot, Gott und die Welt hinter ihrem Rücken zu begreifen.
Für mich war die massive, konzentrierte und brutale Wut auf die Taten der raf schlimmer als die raf und ihre Taten. Und hierin ist etwas, was ich nicht vergessen kann.
Der Zwang, die Probleme nur noch auszusitzen, der in den noch unabsehbaren Folgen der deutschen Einigung möglicherweise noch einmal verhängnisvoll sich auswirken wird, rührt her von dem unaufgearbeiteten „deutschen Herbst“.
Peter de Rosas „Gottes erste Diener“ bleibt selbst in den Folgekategorien dessen, was er kritisiert, befangen. Die Darstellung der Dinge im 7. bis 9. Jahrhundert urteilt nach den gleichen moralischen Kriterien, an denen die Kirche selber leidet, aus denen auch der Zustand der Dinge in jener Zeit sich ableiten läßt. Auch hier gilt: der Ankläger hat immer Unrecht.
Der real existierende Sozialismus ist daran gescheitert, daß er den „dialektischen und historischen Materialismus“ gleichsam glaubte als naturwissenschaftlich-technische Lehre nutzen zu können, daraus politisch anwendbare Gesetze ableiten zu können. Aufgrund dieser Voraussetzung war er gezwungen, seine eigene Basis nochmals zu verraten. Sein Fehler war zu glauben, es gebe einen Standpunkt außerhalb, und dieser Standpunkt außerhalb (hinter dem Rücken der Gesellschaft) sei durch die „Ideologie“, die er dann auch noch so nannte, definiert. So hat er sich dann durch sein Macht- und Politikverständnis unter Rechtfertigungszwänge gesetzt, die zwangsläufig dazu führten, daß er die eigene Basis verraten hat und verraten mußte.
Die Naturwissenschaften produzieren heute so viele dem Weltzustand angemessene, ihn aufschlüsselnde Bilder, daß es eher der Erklärung bedarf, wieso niemand darauf anspricht, als wenn heute jemand sie wahrnimmt. Zu diesen Bildern gehört
– das „schwarze Loch“, dessen Gravitationskräfte so groß sind, daß es alles in sich aufsaugt, aber nichts mehr, auch keine Strahlung, nach außen herausläßt, und
– die sogenannten Teilchenbeschleuniger: dieses Bild des unablässig gegen eine Wand Anrennens und darin soviel Energie, Intelligenz und materielle Ressourcen hineinzustecken, ohne daß dabei die Lösung der Fragen, mit denen Aufwand begründet wird, im Ernst weitergebracht wird (Heideggers Begriff der Frage gewinnt hier gegenständliche Realität).
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (und seine Bedeutung für die Mikrophysik und für die Erkenntnisbasis der Naturwissenschaften insgesamt, das Inertialsystem) läßt sich erst lösen, wenn es gelingt, die Struktur des Raumes in seiner Beziehung zur naturwissenschaftlichen Begriffsbildung aufzuschlüsseln.
Diese unendliche Last der Faschismus-Erfahrung, dieses unendliche Gravitationsfeld, das alles in sich aufsaugt und nicht mehr nach außen strahlt.
Parakletisches Denken und das Antlitz der Erde: Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae.
Vgl. Gen 11: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ und Gen. 24b: „Zur Zeit, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte, …“ Was bedeutet die unterschiedliche Reihenfolge (Himmel und Erde bzw. Erde und Himmel) im Kontext von „schuf“ und „machte“ sowie von Jahwe und Elohim?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie