Das Elend der Kommunikationstheorie (und der Linguistik) ist ihre Unfähigkeit, die erkennende und benennende Kraft der Sprache zu reflektieren. Das Nomen ist zum Substantiv geworden, und die Kommunikationstheorie zur Rache des Begriffs an der Sprache. Aber ist das nicht die logische Konsequenz daraus, daß in beiden die sprachlogische Struktur und Funktion der Grammatik vergessen wurde? Beide sind durchs Neutrum geblendet. Man könnte auch sagen: Die Kommunikationstheorie steht unter dem Bann der (Mono-)Logik der Schrift: Sie verwechselt die Welt im Kopf des Theoretikers mit der Welt.
Auschwitz ist ebenso unvergleichbar wie in der Sprache der Name unvergleichbar ist. Das schließt nicht aus, daß es andere Namen und daß es Metastasen von Auschwitz gibt.
Dem Ausdruck „gequälte Natur“, mit dem Habermas das Adornosche „Eingedenken der Natur im Subjekt“ glaubte berichtigen zu müssen, ist die Neutralisierung der Natur im Habermasschen Philosophiekonzept vorausgegangen.
Und sie erkannten, daß sie nackt waren: Wodurch unterscheidet sich der Rock aus Fellen von den Feigenblättern? Ist das Feigenblatt nicht der Anfang der verandernden Kraft, aus der der Weltbegriff erwachsen ist?
Die phonetische Aufschlüsselung der Buchstabenschrift im Hebräischen scheint auf die griechische und lateinische und auf die nachfolgenden europäischen Sprachen nicht anwendbar zu sein. Kann es sein, daß es prophylaktische Gründe sind, die die Anwendung verhindern, weil die Ergebnisse erschreckend wären? Hat das Neutrum die Sprache ihrem phonetischen Ursprung entfremdet hat? Und hat die Spiegelung am Neutrum auch die Etymologie tangiert und verfremdet? Die Logik der Schrift hat ihre verandernde, neutralisierende Kraft bis in diese Sprachschicht entfaltet (mit dem Ich als Statthalter des Neutrum im Subjekt)?
Sind die Differenzen zwischen den verschiedenen Gestalten der Mystik in den drei „Welt“-Religionen (Kabbala, christliche Mystik, Sufismus) sprachgeschichtlicher Natur? Das hic et nunc (grammatisch das Präsens) ist der (dem Neutrum und dem Ich korrespondierende) Reflexions- und Spiegelungspunkt, an dem Prophetie und Philosophie sowohl sich scheiden als auch auf einander sich beziehen. Diese Scheidung vollendet sich in den „subjektiven Formen der Anschauung“, den Reflexionsformen und Stabilisatoren des „intentionalen Akts“, der umkehrlosen Erkenntnis (des Wissens).
Die indoeuropäischen Sprachen haben das hic et nunc zum überzeitlichen Präsens gemacht.
Wie hängt die mittelalterliche Eucharistie-Verehrung (und die „Monstranz“) mit dem Stellenwert und der Konstruktion der bestimmten Artikel im Deutschen, mit der Verknüpfung des vom Nomen abgelösten Demonstrativum mit den Formen der Deklination, zusammen? Ist nicht in der Konstruktion des bestimmten Artikels im Deutschen, in dem „der da“, die Selektion, die Hybris der Säkularisation des Jüngsten Gerichts (des Hegelschen „Weltgerichts“) in Auschwitz, vorgebildet?
Der Faschismus war eine Knechtsrevolte: der Aufstand Kanaans.
Schuldgefühle nach Auschwitz hatten die Überlebenden aus dem Volk der Opfer, nicht die Täter; zur Infamie dieses Ereignisses gehörte es, daß es den Tätern und ihren Angehörigen die Möglichkeit offenhielt, durch Flucht in die Rolle des Zuschauers sich vor sich selbst freizusprechen, in die Opfern aber den Stachel des Bewußtseins einpflanzte, Komplizen des Verbrechens geworden zu sein.
Die Gottesfurcht ist die Furcht vor einem Gericht, in dem die Opfer unseres Handelns und unserer Versäumnisse gegen uns als Richter sich erweisen werden. So hängt die Gottesfurcht mit der Idee des Jüngsten Gerichts zusammen.
Mein Joch ist sanft und meine Last leicht: Würde auch nur einer noch diesem Satz glauben, würde er die ganze Theologie verändern.
Zum Problem des Gebets (zur Theologie als Gebet) vgl. Mk 1125.
Läßt sich das Problem der Dialektik an dem Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ demonstrieren? Dieser Satz ist nicht objektivierbar, er läßt sich nicht verallgemeinern. Nur das Opfer kann ihn sprechen; kein Täter darf ihn von seinem Opfer fordern. Was im Munde des Opfers das Humanste wäre, wird im Mund des Täters zur Waffe, die ihn ein zweites Mal erschlägt. Darauf bezieht sich das Prophetenwort vom Rind und Esel. Gründet nicht der Bann, der auf der christlichen Theologie lastet, darin, daß sie Last und Joch identifiziert?
Das Lamm, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, ist das Lamm, das für die Auslösung der Erstgeburt des Esels eintritt.
Das göttliche Gebot ist eine (befreiende) Last für mich, kein (verknechtendes) Joch für andere. Dazu wird es im Kontext des Urteils, dessen Kritik in dieser Konstellation gründet.
Hängt nicht die Urteilsform mit der Ursprungsgeschichte der indoeuropäischen Sprachen, mit dem Ursprung des Neutrum, der Struktur des Wissens, der Philosophie und des Natur- und Weltbegriffs, zusammen? Die Urteilsform. die über die subjektiven Formen der Anschauung (und in Wechselwirkung damit über die Geldwirtschaft und die Bekenntnislogik) in der Objektivität sich verankert, macht das befreiende Gebot zum verknechtenden Gesetz.
Die Bekenntnislogik, die die Neutralisierung der erkennenden Kraft der Sprache, ihre kommunikationstheoretische Denaturierung, voraussetzt, ist die geschichtliche Gestalt der dritten Leugnung.
Islam
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21.2.1995
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24.1.1995
Die katholische Theologie sollte endlich Kant zur Kenntnis nehmen (und das, ohne ständig die Transzendenz mit dem Transzendentalen zu verwechseln). Das setzte voraus, daß sie den wissenschaftskritischen Impuls mit aufnimmt. Das experimentum crucis wäre die Naturwissenschaft. Damit würde sie sich allerdings der eigenen Geschichte als Legitimationswissenschaft begeben (sic, B.H.), die dazu ohnehin nicht mehr taugt.
War nicht die kirchliche Sexualmoral seit je Ursprung und Transporteur des „islamischen“ Religionsverständnisses (zum Begriff des Islam vgl. Stern der Erlösung, S. 191). Eine rigide Sexualmoral und ein fundamentalistisches Schrift- (und Geschichts-) Verständnis haben sich seit je wechselseitig fundiert.
Der Stern der Erlösung ist die erste konsequente Entfaltung der Idee, daß die theologische Idee der Wahrheit mit einer Änderung des Subjekts einhergeht, daß zur Theologie eine Idee der Wahrheit gehört, die ins Bestehende eingreift, weil sie die Umkehr mit einschließt. Aber: Ist die Umkehr bei Rosenzweig nicht schon eine sechsfache, und kommt sie nicht in die Nähe der Lösung der sieben Siegel?
Hat Rosenzweig die Theologie nicht doch nur bis zur Schwelle, die sie jetzt überschreiten müßte, geführt? Vgl. hierzu den Satz über das Verhältnis von Barmherzigkeit und Liebe (S. 193) sowie die Aussparung der Apokalypse (die Nicht-Reflexion der Beziehung von Gericht und Gnade). Die Schwelle, die Rosenzweig nicht überschritten hat, ist die Schwelle von Gethsemane. Ist nicht der Rosenzweigsche Koffer (Stern, S. 124) in Wirklichkeit der Kelch, und hat nicht das Gott Mensch Welt mehr mit der Trinitätslehre zu tun, als Rosenzweig weiß?
Hängt nicht die Verdrängung der Barmherzigkeit bei Rosenzweig, die er unterm Islam abhakt, mit der Verdrängung der apokalyptischen Dimension der Theologie zusammen: die Barmherzigkeit hängt über den Namen der Gebärmutter (und durch die projektive Beziehung der Hysterie zur Barmherzigkeit) mit den messianischen Wehen zusammen.
Die Form des Raumes, das ist das gegenständliche Korrelat der List der Vernunft, die bewirkt, daß mit jeder Umkehr der alte Zustand sich wiederherstellt. Die Zusage, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden, bezieht sich hierauf.
Eine Erkenntnis, die nicht ins Bestehende eingreift, verdient diesen Namen nicht, aber mein Gefühl ist, daß Johann Baptist Metz sich seit einiger Zeit in die Ecke gedrängt fühlt und deshalb der Apologie verfallen ist. Bezieht sich nicht das Wort vom Binden und Lösen auf die Idee der eingreifenden Erkenntnis?
Ist nicht das Christentum immer wieder von seinen Vergangenheiten eingeholt worden, und das gerade von jenen, die es glaubte überwunden zu haben?
Die christliche Theologie hat eigentlich seit je alle Vorkehrungen getroffen, die es ihr ermöglichten, sich von der Schrift nicht angesprochen zu wissen. Das gilt für die ganze Breite von den Propheten bis Gethsemane.
Nicht die Ökumene (kein Multi-Kirchen-Konzern), sondern die Entkonfessionalisierung der Kirchen wäre das Ziel.
Ist nicht die in der Genesis vor dem ersten Schöpfungstag beschriebene Situation (wüst und leer, Finsternis über dem Abgrund, der Geist Gottes über den Wassern) ein Bild des gegenwärtigen Weltzustandes?
Wenn Auschwitz mit dem Kreuzestod zu tun hat, sind dann nicht auch wieder einmal die Jünger davon gelaufen (die dreifache Leugnung ließe sich hierauf beziehen)? Es ist vielleicht weniger wichtig, daran zu erinnern, daß in Auschwitz gebetet worden ist; wichtiger erscheint mir der Bezug zu dem Satz: Wer Euch anrührt, greift seinen Augapfel an.
Die verandernde Gewalt des Objektivationsprozesses hat sich zuerst in der Geschichte der Dogmenbildung, der opfertheologischen Verarbeitung der Erinnerung an den Kreuzestod, manifestiert.
Angst und Projektion: Sind es nicht generell unsere Ängste, die uns in die Projektion hineintreiben; ist nicht jede Projektion eine falsche Form der Angstverarbeitung? Gründen nicht alle Ängste in der Sünde der Welt. Die Aufarbeitung dieser Ängste, die Aufarbeitung des Empörungstriebs und seiner projektiven Wurzeln, sprengt die Herrschaft der Urteilsform über das Denken und begründet jene Sensibilität, die mit der Idee des Heiligen Geistes mehr zu tun hat, als das kirchliche Lehramt. -
21.12.1994
Die Trinitätslehre ist das Produkt der herrschaftslogischen Verarbeitung der Theologie (gleichsam die Isolationshaft Gottes); deshalb war sie der Kristallisationskern der Häresien.
Das Hegelsche Weltgericht (der Weltgeist in Aktion) ist ein anderer Ausdruck für die selbstlegitimatorische Kraft des Bestehenden.
Das Marktgleichgewicht ist die Nachbildung der Äquivalenzbeziehungen, die das Inertialsystem in die Natur induziert.
Kann es sein, daß der Himmel sich einmal als Realsymbol der Schrift und die Erde als das des Wortes enthüllen wird? Vgl. hierzu die Himmelsheere (Sabaoth), das Himmelreich, die Himmelfahrt, das Sich-Öffnen der Himmel, die Entrückung in den dritten Himmel, den Vater, „der du bist in den Himmeln“, dessen Wille geschehe „wie in den Himmeln so auf Erden“. Gehören in diesen Zusammenhang nicht die Vögel des Himmels und das Buch des Lebens? Am Ende wird der Himmel sich „wie ein Buch“ aufrollen.
Zur Kritik der Unmittelbarkeit in den Naturwissenschaften: Nach der „Dialektik der Aufklärung“ ist die Distanz zum Objekt vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt. Wer davon abstrahiert und (positivistisch) an der Unmittelbarkeit des Objekts festhält, gleichgültig, ob es sich um Billardkugeln, Planeten oder Elektronen handelt, verhält sich wie das naive Ökonomie-Verständnis, das die Tätigkeiten des Kaufmanns, des Angestellten und des Arbeiters unter den Oberbegriff Arbeit subsumiert und schließlich den Lohn des Arbeiters zu den Kosten zählt, die die „wirkliche“ Arbeit, nämlich die des Geldes, so erschweren und belasten. Aus diesem Geldbegriff wäre der horror vacui abzuleiten, auf dessen Realisierung der politisch-ökonomische Prozeß heute hinausläuft, aber auch das ökonomische Korrelat des physikalischen Energie- und Entropiebegriffs (und das physikalische Korrelat des Mehrwertbegriffs) zu bestimmen.
Aus welchen Ursprungsbedingungen stammt die Erfindung der Null (und der negativen Zahlen), und welche gesamthistorische Bedeutung hatte diese Erfindung (Indien, der Islam und die Scholastik)? -
20.12.1994
War die mittelalterliche Eucharistie-Verehrung nicht ein Stück Geldmystik, wie die Hostie nicht zufällig die Form der Münze hat?
Das Problem des Objekts (des räumlichen Punktes und der Orthogonalität) löst sich am Leib des Menschen.
Im Bilde des Punktes vereinigen sich die Taubheit und Blindheit, der Aussatz und die Besessenheit, und deren Verdrängungung zugleich. Beginnt nicht die Verdrängung mit der Entdeckung der „Tiefe“?
Die Dämonen sprechen Jesus als Sohn Gottes, der Blinde als Sohn Davids an (während Jesus zum Lahmen sagt: Deine Sünden sind dir vergeben).
Steht nicht die politische Theologie Carl Schmitts in der Tradition der Dämonen, die IHN als Sohn Gottes erkannten?
Hat der Tierkreis etwas mit dem Weltbegriff, die Planetenordnung etwas mit dem politischen Subjektbegriff zu tun?
Wie hängen die Benennung der Tiere durch Adam, die Beziehung von Tier, Urteilsform und Welt, das Tieropfer und die Idee des Menschensohns mit einander zusammen? Verweist der Titel des Menschensohns nicht auf den Satz: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer?
Der Ursprung der Sexualmoral hängt mit dem des Weltbegriffs zusammen. Mit der „Entsühnung“ der Welt wurde die Urteilslust freigesprochen, dafür die Sexuallust diskriminiert.
Ist nicht der Islam die Verkörperung der Unreflektierbarkeit der Welt (und des männlichen Sexualtriebs)? Und liegt hier nicht die Wurzel des Zusammenhangs von repressiver Sexualmoral und Fundamentalismus?
Hat nicht Eric Voegelin, als er die radikaldemokratischen Bewegungen in der Geschichte auf die Gnosis zurückführte, ein wichtiges Moment erkannt, zugleich aber aufs gefährlichste ideologisiert?
Rind und Esel: Man soll die Last auf sich nehmen; nur so befreit man sich nach Rosenzweig von ihr. Wer sie als Joch den anderen auferlegt, vermehrt noch die eigene Last.
Durch die falsche Übersetzung von Joh 129 sind die Gottesfurcht und das Nachfolgegebot neutralisiert und der Weg der Befreiung verstellt worden. Bezieht sich darauf nicht das Paulus-Wort, wonach die ganze Schöpfung auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet?
Zu J.B.Metz: In seinem Konzept einer Kultur der Empfindlichkeit wäre die Empfindlichkeit durch Sensibilität zu ersetzen. Der Begriff der Empfindlichkeit verwechselt Rind und Esel. Die Empfindlichkeit ist pathologisch, die Befreiung beginnt erst mit der Sensibilität.
War nicht schon die devotio moderna – im Kontext jener Kirchenreform, zu der auch die Einführung des Zölibats und der Ohrenbeichte gehörte – Ausdruck der Rückkoppelung der Sensibilität in der Empfindlichkeit?
Als der Hahn krähte, erkannte Petrus in der dritten Leugnung die Wiederholung der Sünde Adams. Läßt sich die Geschichte der drei Leugnungen an der Geschichte der Gnosis, des Islam und der Aufklärung festmachen (die übrigens auch auf Änderungen im Begriff der Häresie verweisen; mit dem Protestantismus war die häresienbildende Kraft des Christentums erschöpft: mit der Unfähigkeit, in der Aufklärung sich selbst, das eigene Erzeugnis, wiederzuerkennen)?
Die Vergöttlichung des Wortes gehorcht der Zwangslogik der Schrift (während der Name JHWHs die Anwesenheit Gottes in der Schrift bezeugte).
Ist die griechische Sprache Ausdruck und Produkt der Objektivation der hebräischen (ihrer Projektion in die Vergangenheit), verhalten sie sich wie Schrift und Wort?
Gilt nicht der Satz „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ auch für das Dogma, für die kirchliche Orthodoxie: die Isolationshaft der Wahrheit?
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalls setzt das Gravitationsfeld voraus; geht nicht in ihren Wert der Wert der Schwerebeschleunigung mit ein? Liefert dieser Sachverhalt nicht (über die Beziehung zur Planckschen Strahlungsformel) einen Hinweis auf die Beziehung der Lichtgeschwindigkeit zur Gravitation? -
10.12.1994
Wenn die Philosophie das Produkt der Verinnerlichung des Schicksals ist, dann ist das Christentum das Produkt seine Personalisierung. Die Opfertheologie war die gleichsam natürliche Folge dieses Konstrukts; sie reflektiert die dämonischen Züge dieser Gottesidee: Die Versöhnung durch Unterwerfung (die „Islamisierung“ des Christentums) hebt die Idee der Versöhnung auf.
Heldenfriedhof: Die Märtyrer-Verehrung (mit dem zugehörigen Reliqienkult) war das früheste Symptom der Remythisiserung des Christentums. Sie setzt das Verständnis des Leidens Jesu als Sühneleiden (an dem das Leiden der Märtyrer, deren ermordete Körper unter den Altären lagen, Anteil haben sollte) voraus. Eines der frühesten Zeugnisse des Reliqienkults war das durch Helena, die Mutter Konstantins wiedergefundene Kreuz Jesu. Durch den Begriff des Märtyrers wurde das Leiden zu einem „Zeugnis der Wahrheit“, zu einem Teil der Beweislogik, die den christlichen Glauben zu begründen fähig sein sollte. Die Logik dieses Konstrukts ist die der Opfertheologie, deren politischer Mißbrauch seitdem ebenso so entsetzliche wie unermessliche Folgen hatte. Wenn der Tod Jesu etwas „beweist“, dann die Tatsache, daß ungerechtes Leiden sich in dieser Welt nicht ausschließen läßt, daß vom Leiden eines Opfers nicht auf die Schuld des Leidenden zurückgeschlossen werden darf. Er beweist auf keinen Fall die Gerechtigkeit der Sache, für die er einstand. Das Heldentod-Syndrom, das aus der Logik der Opfertheologie sich herleitet, spekuliert eigentlich nur auf die angebliche „Unerträglichkeit“ des Gedankens, daß der Tod der Opfer der Kriege nicht mehr durch den Hinweis auf eine „gute Sache“ sich begründen und rechtfertigen läßt; es spekuliert auf das Fortleben der Logik der Blutrache. Mit der „Kriegsgräberfürsorge“ (die in dem Augenblick begann, als sie eigentlich nicht mehr zu begründen war: nach dem Ende des Ersten Weltkriegs) wird eigentlich nur der Nationalismus gepflegt, der durch die gleichen Kriege widerlegt worden ist, deren Opfer dann für die irrsinnige Rechtfertigung des Nationalismus herhalten müssen. Die Folgen werden uns mit den Bürgerkriegen, über die die Medien aus Gründen, die nichts mehr mit der Sache, aber sehr viel mit politischen Interessen und politischer Opportunität zu tun haben, täglich berichten, in diesen Berichten immer wieder vor Augen geführt. Die Opfer im Sudan interessieren (wie die Opfer der Fremdenfeindschaft in diesem Lande) niemanden, die des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien hingegen sollen offensichtlich wieder die „Wahrheit“ des gleichen Irrsinns beweisen, dessen Opfer sie in Wirklichkeit sind.
War nicht das Märtyrer-Konstrukt die historische und sachliche Voraussetzung der geschlechtsspezifischen Aufteilung der Heiligen in Bekenner und Jungfrauen?
Der Historismus ein Produkt der Opfertheologie: Er hat die Instrumentalisierung des Todes universal gemacht, er erzeugt und reprodziert die organisierte Erinnerungslosigkeit (führt der Vergleich der jüdischen mit der griechischen Geschichtsschreibung nicht auf die gleiche Differenz, die die Prophetie von der Philosophie unterscheidet?). -
1.12.1994
„Der Nomos einer Gesellschaft legitimiert zu allererst sich selbst, durch sein bloßes Vorhandensein“ (Peter L. Berger, zitiert nach Hinkelammert, Kritik, S. 47). Gründet diese Selbstlegitimation nicht im Erkenntnis- und Wahrheitsbegriffbegriff der Naturwissenschaften, nachdem sie mit Hilfe der neopositivistischen Erkenntnistheorien und der metaphysischen Absurditäten der Kopenhagener Schule die letzten Erinnerungen an ihre gesellschaftliche Vermittlung gelöscht hat?
Ist nicht die transzendentale Ästhetik der Grund aller Ästhetik: der Grund, aus dem sie hervorgeht und in den sie zurück (zugrunde) geht? Aber leugnet nicht auch hier – wie im Verhältnis der christlichen Orthodoxie zu den Häresien (zuletzt zur Geschichte der Aufklärung, und innerhalb der Logik der Aufklärung im Verhältnis der Natur zu ihren Hervorbringungen) die Mutter ihr eigenes Kind?
Die subjektiven Formen der Anschauung konstituieren, begründen die Urteilsform (heißt das aber nicht eigentlich, daß sie durch die Urteilsform vermittelt sind?). Deshalb zielt die Kritik der Naturwissenschaften ab (nicht auf ein „wahres Bild der Natur“, das es nicht gibt, sondern) auf die Rekonstruktion der benennenden Kraft der Sprache, auf die Restituierung des Namens.
Islam: Ein Gott, der (nachdem mit Mohammed das Ende der Prophetie eingetreten war) nicht mehr mit den Menschen spricht, sondern nur noch in der Schrift (im Koran) sich den Menschen mitteilt, dem man nicht mehr antworten, sondern nur noch sich unterwerfen kann (Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam). Das Christentum war der Anfang der Emanzipation des Wortes von der Schrift, aber es hat sich bis heute noch nicht als diesen Anfang begriffen. In diesem Nichtbegreifen (in dieser Islamisierung des Christentums) gründet der „Logozentrismus“: Die babylonische Gefangenschaft des Wortes in der Schrift, die Selbstverwerfung (Selbstverfluchung) des Christentums. -
30.11.1994
Das Tier ist der Fürst dieser Welt.
Die aristotelische Prämisse: „Alle Menschen streben nach dem Glück“ wäre durch die Definition des Glücks zu ergänzen: Glücklich ist, wer die Möglichkeit hat, gut sein zu können. Nur so gewinnt die daraus abgeleitete christliche Idee des seligen Lebens Inhalt.
Der Weltbegriff ist der Quellpunkt und der Inbegriff der Staatslogik, deren Ursprungsgeschichte die mythischen Kosmologien und Kosmogonien zu beschreiben suchten.
Taucht der Naturbegriff bei Rosenzweig in systematischem Zusammenhang nur in der „Metaphysik“, bei der Konstruktion des mythischen Gottes auf? Interessant wäre die Rekonstruktion der Stellung und des Schicksals der drei kantischen Totalitätsbegriffe, Wissen, Natur und Welt.
– Das Wissen erscheint in der Gestalt des Nichtwissens (zu dessen Konstituentien die Todesangst gehört),
– die Natur erscheint im Kontext der Konstruktion des mythischen Gottes, und
– nur die Welt ist (als eines der Objekte des Nichtwissens) eines der drei „Elemente“, in die das All mit der Reflexion der Todesangst zerspringt.
Wenn die Philosophie (die Selbstreflexion der Herrschaftsgeschichte) der mystische Leib Christi ist, wirft das nicht ein neues Licht auf das Bild der Pieta?
Der Kelch: Nachdem die Kirche mit der Opfertheologie sich auf die Seite der Täter der Ermordung Jesu gestellt hat, wiederholt sie zwangshaft dieses Tätersyndrom im Säkularisationsprozeß. Ist nicht dieses Tätersyndrom der Grund einer Gnadenlehre, die die Christen zur Ohnmacht (und die Attribute Gottes, die nach Hermann Cohen Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, zum spurlosen Verschwinden) verurteilt? Und war diese Gnadenlehre nicht die christliche Transformation des Islam (das Handeln eine Form der Ergebung)? Aber hatte Jesus nicht seine „Vollmacht“ auf die Jünger und Apostel übertragen, und bezieht sich diese Vollmacht nicht auf die Taten, mit denen Jesus die Frage des Täufers beantwortete, ob er es sei, der da kommen soll?
Hätte Jesus länger gelebt, wenn er seinen Vater, der nach seiner Kindheit aus der Geschichte Jesu spurlos verschwindet, und seine Mutter, die er mit dem „was habe ich mit dir zu schaffen“ abfertigt, geehrt hätte?
Das Christentum ist der Verführung durch die Sexualmoral erlegen: einer Verführung, die in dem Glauben sich ausdrückte, es gebe so etwas wie Unschuld in dieser Welt. Indem nur die Frauen an der Idee der Virginitas gemessen wurden, wurden zwei Effekte erzielt:
– Die Politik wurde aus dem Bereich der Idee der Keuschheit ausgegrenzt, und
– die (an das Organ der Gebärmutter gebundene) Idee der Barmherzigkeit wurde theologisch gegenstandslos (um dann im projektiven Konstrukt der Hysterie wiederzukehren).
Bezieht sich der apokalyptische Unzuchtsbecher auf diesen Sachverhalt?
Ist die Beziehung des Femininum zum Plural (beim bestimmten Artikel im Deutschen) nicht im Begriff der Materie vorgebildet (dem Begriff der Materie einbeschrieben)? Und ist dieser Gedanke nicht der Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungstheorie (des Planckschen Wirkungsquantums)? (Hatte Hitlers Instinkt nicht die Masse als Weib erkannt?)
In welcher Beziehung stehen im Planckschen Strahlungsgesetz die zeitbezogenen Energiequantelungen (der Korpuskelt-Welle-Dualismus) und die raumbezogenen Materiequantelungen (die Atome)? Drückt nicht das Plancksche Strahlungsgesetz die Beziehung der mechanischen Bewegung zur Lichtgeschwindigkeit (der kinetischen Wärmeenergie zur Strahlungsenergie) nach dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus? Und sind nicht die Gleichungen der Lorentz-Transformation nur ein anderer Ausdruck der Form dieser Beziehung? -
29.11.1994
Die göttliche Macht gründet in der Sprache, weltliche Herrschaft in der Logik der Schrift.
Die Form des Raumes homogenisiert die Zeit und materialisiert die Dinge.
War nicht der Tempel die Geburtsstätte des Geldes?
Der parvus error des Islam liegt darin, daß er die Unterscheidung von Schrift und Sprache nicht kennt (oder sie verdrängt).
Die Logik der Schrift abstrahiert vom Zeitkern der Wahrheit und ersetzt ihn durch das Objekt. Sie verfängt sich in den Netzen des Inertialsystems, aus denen sie dann nicht mehr sich lösen kann.
Ist die Höhle Platos nicht eine dreifache Höhle, und sind es nicht (mindestens) drei Umkehrungen, die aus dieser Höhle herausführen? Oder führt nicht heute jede Umkehrung wieder in die Höhle zurück?
„Alles ist Wasser“, und der Versuch des Thales, in dieser Lage wieder festen Grund unter die Füße zu bekommen, führte über die Astronomie und die Geometrie zur Philosophie. Für das Verständnis des Ursprungs der Philosophie ist es nicht unerheblich, wenn man sich daran erinnert, daß Thales den ersten Lehrsatz der Geometrie entdeckt und formuliert und er als erster eine Sonnenfinsternis vorausgesagt hat. Er hat als erster begriffen, daß die Astronomie nicht im Kontext der kosmologischen Spekulationen des Mythos zu begründen ist, sondern allein mit Hilfe der exakten mathematischen Phantasie. Es ist überhaupt wichtig zu begreifen, daß die Geschichte der Mathematik ein Teil der Geschichte der Naturwissenschaften (und wie diese ein Teil der Geschichte der Ökonomie) ist. Die Entdeckung der Null (durch die Inder, die dann über die Araber nach Europa gelangt ist) gehört in den Kontext der Konstituierung des Inertialsystems. Die Null war die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit positiver und negativer Zahlen; sie war sowohl eine der Voraussetzungen der doppelten Buchführung (der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip) als auch der mathematischen Darstellung und Analyse der Reversibilität aller Richtungen im Raum (der Konstituierung der Form des Raumes). In der Antike war die Beziehung der positiven und negativen Zahlen durch ihre Beziehung zum Besitz (Reichtum und Schuldknechtschaft) qualitativ bestimmt und noch nicht durch das Gesetz ihrer rein mathematischen Beziehung vergegenständlicht (einer der Gründe, aus denen die antiken Erlösungsreligionen sich herleiten). Der Abstraktionsschnitt, der die moderne von der alten Welt trennt, ist theologisch vermittelt.
Opfertheologie und Vergöttlichung Jesu waren zwangsläufige Folgen der theologischen Rezeption des Weltbegriffs, die diesen Abstraktionsschnitt vorbereitet hat. Mit dem Weltbegriff hat die Philosophie sich gegen den Mythos durchgesetzt, ist sie aber zugleich erneut in seinen Bann hineingeraten.
War nicht die Übersetzung von adonai/JHWH mit „Herr“ eine Rückübersetzung in den baal? Wodurch unterscheiden sich adonai und baal?
Wird der Schöpfungsbericht in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern widerrufen, oder wird er korrigiert? Dieser Widerruf wäre allerdings von dem durch Astronomie und Deszendenztheorie zu unterscheiden.
Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich eingeht: Kann das nicht auch heißen, daß der Durchgang eines Kamels durchs Nadelöhr die Bedingung des Himmelreichs ist, das dann das Erbe der Reichen antreten wird? Ist das Bild vom Kamel und vom Nadelöhr – ähnlich wie das Wort von der Übernahme der Sünde der Welt – zu früh verworfen worden? -
23.11.1994
Die semitischen und die indoeuropäischen Sprachen unterscheiden sich durch ihre Beziehung zur Zeit: Während die semitischen Sprachen handlungsorientiert sind (Konjugationsparadigma: Perfekt und Imperfekt, vollendete und unvollendete Handlung), orientieren sich die indoeuropäischen Formen der Konjugation am abstrakten Zeitablauf (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft), an der Vorstellung des Zeitkontinuums, mit der unterstellt wird, daß die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Im Hebräischen ist das Zeitkontinuum nur symbolisch präsent: im Bild der Schlange, der Dornen und Disteln und im Kelchsymbol. Eine der Folgen dieser sprachlogischen Differenz scheint zu sein, daß die semitischen Sprachen kein ausgebildetes Neutrum, aber auch die Begriffe Welt und Natur nicht kennen. Kann es sein, daß der Koran von der Bibel sich dadurch unterscheidet, daß er eine symbolische Repräsentation des Weltbegriffs nicht kennt und den Bestand der Welt durch einen permanenten göttlichen Eingriff garantieren muß (und müssen nicht aus den gleichen sprachlogischen Gründen die göttlichen Attribute all-bezogen reformuliert werden)? Im Islam erschafft Gott die Welt jeden Tag neu, wird die Welt zum Inbegriff des unmittelbaren göttlichen Handelns und der Islam, die Ergebenheit, zur sprachlogisch notwendigen Form der Beziehung der Menschen zur Welt. Die Islamisierung des Christentums ist nicht zufällig über die Opfertheologie, über das Theologumenon der „Entsühnung der Welt“ durch den Opfertod Christi (insgesamt: durch die den welthistorischen Prozeß der Verinnerlichung der Scham im Kontext der scholastischen Reformulierung der orthodoxen Tradition), gelaufen: Hierin gründen u.a. (zusammen mit den korrespondierenden organisatorischen und inhaltlichen Änderungen nach der Jahrtausendwende) die christliche Gnaden- und Sakramentenlehre (die Ritualisierung der christlichen Religion). Ist nicht der Faschismus ein Produkt der Islamisierung des Christentums? Die Philosophie beginnt mit dem Satz: Alles ist Wasser. Kann es sein, daß der Naturbegriff, mit dem die Philsophie sich entfaltet, das Tier aus dem Wasser repräsentiert, und der Weltbegriff das Tier vom Lande? Hängt nicht die Täuschung mit dem Tausch zusammen, und ist die Hegelsche List der Vernunft die Duftmarke des Tauschprinzips in Hegels Logik? Gibt es beim Fernando Belo als Folge seiner Interpretation der Reinheitsgesetze, in die er u.a. einen so unbiblischen Begriff wie den der „Reinheit des Bluts“ mit hereinnimmt, so etwas wie einen latenten Rassismus? Fällt diese Interpretation nicht unter das Blut-Tabu, das Verbot, Blut zu genießen? Die Familie ist nicht die Keimzelle, sondern die Isolationszelle des Staates. Insoweit hat die Familienbande auch etwas mit der „Baader-Meinhof-Bande“ zu tun. Getsemane: War die Angst nicht Ausdruck des Bewußtseins, daß sein „Opfer“ eine unermeßliche Folge anderer Opfer nach sich ziehen würde? Leidet das Christentum heute nicht generell an der Übersetzung der zentralen Symbole ins Banale (auch eine Gestalt der Banalität des Bösen, die im übrigen sehr viel mit der von Hannah Arendt beschriebenen zu tun hat)? Vgl. u.a. Belos „Im Anfang schuf Gott die Welt“ (mit der Stellenangabe Gen 1). War nicht die creatio mundi ex nihilo das möglicherweise verhängnisvollste Theologumenon in der Geschichte der Theologie? (Dazu noch eine andere Banalitätsstelle-Stelle?) Ließe sich die Revolution nicht als „Gericht der Barmherzigkeit“ (über das gnadenlose Weltgericht Hegels) definieren?
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22.11.1994
Ist nicht schon die Magie ein Produkt einer Exkulpationsstrategie auf der Basis eines Schuldverschubsystems? Und rührt nicht das Wunder an diese gefährliche Grenze der Aufklärung?
Ist das quantenmechanische Kausalitätsproblem nicht schon in allen Wellenerscheinungen enthalten? Würde die heute kanonisierte Interpretation der Quantenmechanik stimmen, wäre dann nicht jedes Musikwerk ein chaotisches Zufallsergebnis? Und wäre dann die kinetische Gastheorie die Widerlegung der Akustik? In allen Wellenbewegungen wird Energie transportiert („fortgepflanzt“). Die Fortpflanzung ist das Prinzip der Wellenbewegung.
Zeugenschaft, Beweis (Logik der Schrift), Fälschung, Gemeinheit. Der stichhaltigste Beweis ist der schriftliche: das Dokument, die „Urkunde“ (der Kaufvertrag, das Symbolum). In welcher Beziehung steht die Logik der Schrift zur Blutzeugenschaft und die Schrift zum Blut?
Waren die vorschriftlichen Gemeinschaftsformen (die Formen der Stammesgemeinschaft) Vorformen der Schrift, und die Magie der Beleg dafür? Gibt es für die Schrift (als Verkörperung der Logik der Schrift) ein kosmisches fundamentum in re? Sind Natur und Welt Produkte der Spiegelung von Himmel und Erde an der Logik der Schrift?
Die Bemerkung von Emmanuel Levinas, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, schließt die Allmacht Gottes (nicht die omnipotentia) aus. Die Eigenschaften Gottes im Koran sind indikativisch; deshalb sind sie auf das All bezogen (allmächtig, allwissend, allbarmherzig: das sind Attribute der Islamisierung). Wo der Imperativ neutralisiert wird, bleibt nur die Ergebenheit in Gottes Willen, der zum Schicksal wird.
Das fiat voluntas tua wird zum Feigenblatt, zum bloßen Lippenbekenntnis, wenn es den imperativischen Charakter verliert.
Grenzen die Thesen Paul Formans nicht an Verschwörungstheorien, so als wäre die gesamte Kultur eine Verschwörung gegen die Naturwissenschaft. Aber steckt darin nicht ein Stück Wiederholungszwang; reproduziert sich darin nicht das vorausgegangene Verhältnis der Theologie zur Aufklärung (Ursprung der Apologetik)? Die Souveränität würde in der Fähigkeit (und Bereitschaft) bestehen, das argumentative Potential der Kritik aufzunehmen und zu reflektieren, anstatt aus der Kritik nur die Feindschaft herauszuhören. Aber diese Fähigkeit wurde ja bereits mit der Formalisierung der Mathematik und der Logik getilgt: Das erste Opfer der Formalisierung war nicht zufällig der Begründungszusammenhang, aus dem das Denken sich speist, der Bereich der hypothetischen Urteile.
War vielleicht der Intuitionismus ein Versuch, in der Mathematik wieder die Begründung, die Logik der Argumentation, zu restituieren? Leider ein mißlungener und – wie es der Erfolg der Hilbertschen Formalisierung (Algebraisierung) der Mathematik beweist – „leicht“ zu entkräftender Versuch (weshalb war die Widerlegung so „leicht“ und wirksam?). Spielte hier nicht der Bruch zwischen Geometrie und Algebra mit herein; war die Algebraisierung nicht seit je das Medium der Selbstanwendung der Naturbeherrschung aufs Denken, seiner Technisierung? War nicht ein entscheidender Schritt die Diskussion des euklidischen Parallelenaxioms: Beginn der Formalisierung der Geometrie, der Konstruktion „nichteuklidischer“ Geometrien aus den Bruchstücken der euklidischen? Euklid war, wenn man so will, ein naiver Intuitionist: Das Medium seines Beweisverfahrens war die Anschauung (die Bildebene). Die „nichteuklidischen“ Geometrien verwerfen den Anschauungsbeweis, ersetzen ihn durch Definitionen und bringen dadurch ein dezisionistisches Element herein, daß nicht mehr herauszubringen ist: Dieser Dezisionismus (die Verwerfung der Anschauung) verwirft das Argument, die Logik der Begründung. Kehrseite dieses Verfahrens ist eine Logik, die aus einem Argument nur noch heraushört, wogegen oder wofür einer ist; jede inhaltliche Diskussion ist gegenstandslos geworden. Der Vorteil der Formalisierung liegt darin, daß mit dem letzten Anschauungsrest der letzte Rest an Subjektivität aus dem Denken ausgetrieben wird: Begründung eines Denkens, das (wie die Form der Anschauung) ohne Denken funktioniert. Ist hier nicht die Stelle, an der sich die Logik der Physik der Logik angleicht, die auch dem Gewaltmonopol des Staates zugrundeliegt? (War die Kritik des Intuitionismus nicht in seinem elitären Charakter real begründet?)
Berührt sich dieser Problemkreis nicht mit dem der kantischen Antinomien, die Kant in der transzendentalen Ästhetik lokalisiert hat, während Hegel versucht hat, sie in die transzendentale Logik zu übertragen, die so zur dialektischen Logik geworden ist? Wiederholt sich diese Geschichte nicht in der Ursprungsgeschichte des Neopositivismus, im Übergang von Mach zum Wiener Kreis? Während Mach noch am Problem der Konstituierung des Objekts sich abarbeitete, hat der Wiener Kreis vor der Übermacht des Objekts kapituliert, die Aggression nach innen, gegen die Sprache und das Denken selbst gerichtet. Das läßt sich an der Linguistik, die daraus sich herleitet, noch ablesen.
Es fällt in diese Geschichte herein, wenn mit der Verwerfung des Problems der Empfindungen in der Physik die Orientierung an der sinnlichen Organisation der Erfahrung (in Mechanik, Optik, Akustik) ersetzt wird durch die Orientierung an anderen (teils systematischen, teils methodischen) Kriterien (Mechanik, Elektrodynamik, Statistik, Quantenmechanik, Festkörperphysik u.ä.).
Läßt sich diese Entwicklung nicht aus der Unfähigkeit, die Schuldreflektion in den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß mit aufzunehmen, herleiten? Und hängt das nicht damit zusammen, daß in einer Welt, in der es Unschuld nicht mehr gibt, die Verstrickung in Rechtfertigungszwänge nur tiefer in die Verstrickungen der Logik der Schuld hineinführen?
Haben nicht alle ökonomischen Kategorien (wie Ware, Zirkulation, Monopol, Kredit, aber auch die Beziehung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen bis hin zum Begriff des Imperialismus) ihre Entsprechungen in der Logik der Naturwissenschaften?
Die Kausalitätsdiskussion in der Quantenmechanik war ein Teil (und eine Folge) der Kriegsschulddiskussion, ein Versuch, nicht den Kriegsschuldvorwurf zu entkräften oder zu widerlegen, sondern ihn dadurch gegenstandslos zu machen, daß man ihm den logischen Grund entzog: Der Kriegsschuldvorwurf gehört zu den Dingen, zu denen Wittgenstein festgestellt hat, „davon muß man schweigen“. In einer Welt, die „alles (ist), was der Fall ist“, ist Schuld ein gegenstandsloser (weil den Weltbegriff fundierender) Begriff.
Die Kriegsschulddiskussion hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf neuer Ebene in der Kollektivschulddiskussion wiederholt. Steht nicht die Heussche Lösung (Kollektivscham) in einer inhaltlichen Beziehung zur Ideologie der Quantenmechanik?
War nicht die Kollektivscham die Schiene, auf der der faschistische Modernisierungschub weiterbefördert werden konnte (vgl. das Bild von der Lokomotive, die auf den Abgrund zurast)? Die Anerkennung der Kollektivschuld wäre die Bremse gewesen: Zur Scham gehört nur die Buße, während zur Schuld die Umkehr gehört. Über die Scham erneuert sich nur das schlau gewordene autoritäre Syndrom: zur Scham gehört einer, „vor dem“ man sich schämt. Mit der Kollektivscham wurde der Blick der Welt ins Innere installiert, und damit die Xenophobie.
Die Frage, ob es Gott gibt, ist untheologisch; das „es gibt“ ist auf die Theologie nicht anwendbar.
Ist nicht der Blochsche Satz „nur die Bösen bestehen durch ihren Gott, während die Guten: da besteht Gott durch sie“, eine Explikation des Cohenschen Satzes, daß die Attribute Gottes keine Attribute des Seins, sondern Attribute des Handelns sind? Und rührt nicht der Geist der Utopie stellenweise tatsächlich an den imperativischen Gehalt der Attribute Gottes? Und gilt nicht der Satz von der Sünde wider den Heiligen Geist für diesen Sachverhalt? Hat die kritische Theorie (ihr „Negativismus“) nicht hierin ihre gemeinsame Wurzeln mit dem Aktualitätsbezug der Prophetie: im Zeitkern der Wahrheit, den die Philosophie durch das tode ti neutralisiert (unter Narkose gesetzt) hat? Erst das tode ti, als der Grund der Trennung von Sprache und Objekt, hat den Raum für den Ursprung und die Geschichte von Philosophie und Wissenschaft geschaffen.Ästhetik, Bloch, Blut, Cohen, Forman, Gemeinheit, Hegel, Heuß, Hilbert, Islam, Kant, Kausalität, Levinas, Mathematik, Musik, Naturwissenschaft, Ökonomie, Sprache, Wittgenstein, Xenophobie -
4.11.1994
Wie hängt das Konzept der Gewaltenteilung mit dem Inertialsystem zusammen, mit der Beziehung von Begriff, Erscheinung und Gesetz?
Nimmt nicht bei Hegel der Begriff der Aufhebung die Stelle ein, die bei Rosenzweig (der Sache nach) der der Umkehr innehat? Das Bindeglied zwischen beiden, oder das, was die Hegelsche Aufhebung von der Umkehr unterscheidet, ist das Moment des Scheins – und die List der Vernunft, die im übrigen heute längst zu einem Teil der Sprache selbst geworden ist, die „Verwirrung“, die die Sprache im Kern ergriffen hat, begründet: sie nimmt den Schein für die Wahrheit. Der Schein wird zu einem Teil der „Wahrheit“, wenn das herrschaftskritische Moment verdrängt, suspendiert wird.
Bezeichnen nicht der Begriff des Scheins und die List der Vernunft das Moment der Verführung in Hegels Philosophie (und sind nicht schon bei Hegel die politische Ökonomie und die technische Nutzung der Naturwissenschaften durch die List der Vernunft auf einander bezogen)?
Hegel hat die kantischen Antinomien durch Radikalisierung entschärft. So hat Hegel die kantische Idee der Freiheit (das „Wunder in der Erscheinungswelt“) durch Subsumtion unter den Weltbegriff zum bloßen „Bewußtsein der Freiheit“ idealisiert und verhext (Zusammenhang der „Wahlfreiheit“, des liberum arbitrium, mit der Raumvorstellung: mit den „Freiheitsgraden“ des Raumes). Das Bewußtsein der Freiheit ist mit der Raumvorstellung gegeben, es gewinnt Realität durchs Geld (Grund des Existenzbegriffs). Das liberum arbitrium bezeichnet die Freiheit der Herrschenden; es entfaltet sich mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft und des Marktes (und mit der Entfaltung der Raumvorstellung), seine Geschichte ist Teil der Herrschaftsgeschichte (der Geschichte der Verinnerlichung von Herrschaft). Reale Freiheit setzt das Bewußtsein der Freiheit (das liberum arbitrium) voraus, zugleich aber auch die Fähigkeit zur Reflexion seiner herrschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen und Implikationen: die Fähigkeit zur Reflexion der „Sünde der Welt“.
Ist die Auseinandersetzung zwischen Idealismus und Materialismus nicht eine Folge der Differenz im Naturbegriff (der Differenz zwischen Zeugung und Geburt, physis und natura)? Der griechischen Naturphilosophie korrespondiert systemlogisch das Römische Recht.
Wie hängt der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, mit der Feststellung zusammen, daß, wenn traditionsgebundene katholische Theologen von der Natur des Menschen reden, in der Regel eine Gemeinheit dabei herauskommt?
Gründet nicht die logische Figur einer messianischen Berufung und Kraft des Proletariats (insbesondere bei Georg Lukacs) in der Verwechslung des Armen mit dem Fremden?
Das Neutrum ist der Sprachgrund des Mythos, sein Fehlen und seine symbolische Repräsentation durch die Schlange hingegen die Konstellation, in der die Idee der Offenbarung entspringt.
Gibt es das Schlangensymbol im Islam (und in seiner Folge eine Apokalypse), oder treten an seine Stelle die Dämonen? Und verdankt sich diese Transformation dem Ursprung und der Rezeption des Weltbegriffs (ist die creatio mundi ex nihilo ein islamisches Konstrukt)? -
22.9.1994
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat das Verfahren gegen den 38-jährigen Siegfried Nonne „mit Rücksicht auf die Kronzeugenregelung“ eingestellt. Siegfried Nonne hatte Anfang 1992 ein „Geständnis“ über eine angebliche Beteiligung an dem Mord an Alfred Herrhausen abgelegt, und hierbei Namen von Leuten genannt, die die Tat begangen haben sollen. Später hat er dieses „Geständnis“ öffentlich (u.a. in der ARD-Sendung „Brennpunkt“) mit dem Hinweis widerrufen, er sei „von hessischen Verfassungsschützern gezwungen“ worden. Das Oberlandesgericht unterstellt, daß das erste Geständnis stimmte. Wer wurde damit freigesprochen: Siegfried Nonne, der Generalbundesanwalt oder der hessische Verfassungsschutz? Und außerdem: Liegt diese Entscheidung nicht in der Linie der Konsequenz aus dem dezisionischen Souveränitäts-Begriff Carl Schmitts, der immer mehr und immer deutlicher aus dem politischen in die juristische Ebene sich verlagert? Souverän ist nicht mehr das Staatsoberhaupt („Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“), sondern die Justiz, die im Verfassungs- und im Staatsschutzbereich immer mehr politische Kompetenzen übernimmt. Grund ist ein Rechtsstaatsverständnis, das die Lücke im Recht durch eine gnadenlose und in ihrer Konsequenz selbstmörderische Staatsmetaphysik zu schließen versucht (hier liegt der systemische Grund für den Titel Staatsanwalt).
Liegt in den Sätzen des Hiob und des Jeremias, in denen sie wünschen, schon vor ihrer Geburt gestorben zu sein, nicht die Geburt der modernen Naturwissenschaft: der Ursprung der der Vorstellung einer homogenen Zeit, die, indem sie die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, den Tod vor die Geburt verlegt (Zusammenhang mit der Reichsidee und dem babylonischen Caesarismus)?
Wie hängen die Hiob- und die Jeremias-Stelle mit der anderen Stelle bei Jeremias (15: Noch ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erwählt) zusammen? Und hat diese Konstellation etwas mit dem Ursprung des Weltbegriffs (und seiner Vorankündigung bei Jeremias) zu tun? Die Verfluchung der eigenen Geburt und das Motiv des Schreckens um und um sind die Innenansicht der Verzeitlichung der Konjugation und des Ursprungs des Neutrum, beide sind durch die Geschichte der Reichsbildung vermittelt. Herrschafts- und sprachgeschichtlich gehört das zusammen wie Nebukadnezar und der Turmbau von Babel. Die babylonische Sprachverwirrung gehört zur Ursprungsgeschichte der Zivilisation: die Bibel hält die Erinnerung an die Schreckenserfahrung fest, die die Zivilisationsgeschichte (unterm Vorzeichen der Philosophie) in der Sprache selber (durch ihr ihre eingeschriebene Logik und Struktur) verdrängt. Diese Erfahrung wird durch den Weltbegriff neutralisiert.
Bezieht sich Deut 2210 „Du sollst nicht Ochse und Esel zusammen vor den Pflug spannen“ (wie auch die damit zusammenhängenden Gebote der Vermischung) auf die „Vermischung“ von Vergangenheit und Zukunft in der Vorstellung einer homogenen Zeit (auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit)? Hat diese Stelle (das Verbot, Joch und Last gleichzusetzen: die Diskriminierung des mechanischen Materiebegriffs) etwas mit dem gordischen Knoten (der Joch und und Deichsel verbindet) zu tun?
Gibt es in der Bibel das Gebot: Du sollst nicht lügen? Vgl. Lev 1911: „Ihr sollt nicht stehlen und nicht ableugnen und nicht einer den andern betrügen“ (Zürcher Bibel)/ „Ihr sollt nicht stehlen, nicht täuschen und einander nicht betrügen“ (Einheitsübersetzung).
Nicht aufs Ansehen (auf den Ruf), sondern aufs Tun kommt’s an.
Ist der Katholizismus heute nicht endgültig zur Weltreligion geworden (und geht er daran nicht zugrunde)?
Die Zukunft aus der Herrschaft der Vergangenheit befreien (die Zukunft freischaufeln), das kann niemand allein. Deshalb kann niemand alleine Christ sein.
Die Personalisierung des Teufels hat (wie jede Verteufelung seitdem) nur zur Stabilisierung von Herrschaft beigetragen (Verteufelung als Blitzableiter der Herrschaftskritik). Besser als hinter seiner Personalisierung konnte sich der Teufel nicht verstecken. Aber das funktionierte nur solange, wie das Bild des Teufels aus der Sexualmoral sich nährte. Die Schrecken der Hölle waren nur solange wirksam, wie es möglich war, die Schrecken der Herrschaft in der Phantasie noch zu steigern.
Die Opfertheologie ist das Produkt der Theologisierung der Logik der Ausbeutung.
Hegels Philosophie heult mit den Wölfen (und das Weltgericht ist das Heulen der Wölfe). – Wie hängt die Klugheit der Schlange mit dem Heulen der Wölfe zusammen?
Hat das Gebot, den hebräischen Sklaven nach dem sechsten Jahr freizulassen, etwas mit der Geschichte der hebräischen Schrift (mit der Geschichte der Logik der Schrift als Grund und Spiegel der Herrschaftsgeschichte) zu tun?
Mit der kopernikanischen Wende ist die Erde ein zur kapitalistischen Aneignung freigegebenes „herrenloses Gut“ geworden. Darin liegt die theologische Bedeutung des Konzepts eines unendlichen Raumes. Insofern gehören Kopernikus und die „Entdeckung Amerikas“ (als Paradigma der Kolonialisierung der Welt) zusammen.
„Spruch des Herrn“: Ist das nicht der Versuch, die Logik der Schrift von ihrem Fluch, an die Adresse des Allgemeinen gefesselt zu sein, zu befreien? Rosenzweigs Kritik des „All“ wäre durch die Kritik der Gemeinheit (die Kritik der Logik der Schrift) zu ergänzen (und als Kritik des Allgemeinen, des Weltbegriffs zu entfalten).
Die Allgemeinheit des schriftlich fixierten Rechts hat zum Grund die Souveränität dessen, der das Gesetz erlassen hat (nach Heinsohn des gleichen, der auch als erster in seinem Namen Geld geprägt hat: Hammurabi = Darius).
Hat der Rekurs der Heinsohn-Gruppe auf eine Naturkatastrophe (die Venus-Katastrophe) nicht seine eigene Logik in der Konsequenz, die ihn mit seinem historistischen Ansatz verbindet? Hier wird gleichsam ein zweitesmal die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert.
Handelt nicht der „Sündenfall“ von der Geschichte, in der die Sprache (auf dem Wege von Jerusalem nach Jericho) unter die Räuber (unter die Logik der Schrift) gefallen ist („die zogen ihn aus und schlugen ihn und gingen davon und ließen ihn halbtot liegen“)? Der Priester und der Levit sahen ihn und gingen vorüber.
Der Weltbegriff ist der Ursprung, das Instrument und das Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
Die kopernikanische Wende hat die Verinnerlichung der Schicksalsidee zur Verinnerlichung der Scham weitergetrieben, ein Prozeß, in dem die Scham gegen das Subjekt selber sich wendet, es tendentiell auslöscht.
Nur die deutsche Sprache hat die kopernikanische Wende in ihre Sprachlogik mit aufgenommen, während die anderen modernen Sprachen, insbesondere die romanischen Sprachen, in der Logik der Islamisierung der Sprache steckengeblieben sind. (Ist nicht die gesamte osteuropäische Orthodoxie insofern ein Archaismus, als sie die Lehre in einem vorislamischen Stand konserviert?).
Sünde wider den Heiligen Geist: Das Inertialsystem hat mit der Natur gemacht, was die Schrift mit der Sprache (und die Bekenntnislogik mit der Theologie) gemacht hat.
Gott und Teufel, Feindbild und Opfertheologie: Zur Bekenntnislogik gehört das Feindbild wie das Idol zum Götzendienst; über die Bekenntnislogik gleicht deren Subjekt dem Bild seines Feindes ebenso sich an wie umgekehrt das Feindbild auch als Projektion dessen, was das Subjekt in sich selber verdrängen muß, begriffen werden muß. Über das Feindbild stellt eine Reflexionsbeziehung sich her, die den Inhalt des Bekenntnisses mit bestimmt. In seiner entfalteten Form leistet die Bekenntnislogik
– die Sicherung der Verdrängungsleistung (durch Projektion des Verdrängten auf den Feind),
– den Schein der Schuldfreiheit (Befreiung durch Bestrafung des Feindes als Sündenbock) und
– die Abfuhr der Aggression, deren Ursprung ins Objekt verlegt wird, die dem Täter gleichsam nur objektiv und schicksalshaft widerfährt: Schuldig ist das Opfer, dessen stellvertretendes Leiden den Täter von der Schuld befreit.
Dieser Mechanismus hat über die Opfertheologie (den transzendentallogischen Kern der Bekenntnislogik) den Weltbegriff nicht nur begründet, sondern zugleich „entsühnt“, den herrschaftslogischen Kern des Weltbegriffs (die poltische Theologie der Staatsmetaphysik) unsichtbar und unangreifbar gemacht.
Die Tatsache, daß Jesus ein Jude war, wird sich erst dann produktiv in der Reflexion und Auflösung des Antijudaismus verwenden lassen, wenn sie als Teil der Kritik der Bekenntnislogik (und als Grundlage der Rekonstruktion eines prophetischen Erkenntnisbegriffs) begriffen wird.
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