Islam

  • 17.9.1994

    Die Spuren der zukünftigen Welt liegen in der Vergangenheit, und hier liegt die Kraft zu lösen. Und wenn es von der Sünde wider den Heiligen Geist heißt, daß sie „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben“ wird, so bezieht sich dieses Vergeben auf die Sünde Adams als die Sünde der Welt: auf das Problem der vergangenen Zukunft.
    Liegen nicht die Fehler der bisherigen Kritik des Werkes von Carl Schmitt darin, daß die Erkenntnisses Carl Schmitts als Bekenntnisse auffaßt: daß sie dieses Werk verharmlost.
    Hat Carl Schmitt nicht recht: Schließt nicht jedes Urteil ein dezisionistisches Moment mit ein, das die Lücke schließen soll, die die Beweislogik nicht schließen kann, und gründet nicht alle gesellschaftliche Ordnung in der Kraft der Urteilslogik (und bezieht das Urteil diese Kraft nicht aus dem Gewaltmonopol des Staates)? Deshalb gehört zum Dogma – ebenso wie eine Opfertheologie – das Dogma der Unfehlbarkeit (das theologisch-kirchliche Pendant der Souveränität).
    Liegt nicht ein Grundfehler der kirchlichen Schriftauslegung in der fehlenden Problematisierung der neutestamentlichen Gemeinschafts-Bezeichnungen Kirche und Synagoge, die eher auf Strukturen der Vergesellschaftung der Religion verweisen als auf die Unterscheidung von Christen und Juden. Kann es nicht sein, daß die dem neutestamentlichen Bild der Synagoge zugrundeliegenden Strukturen heute eher die christlichen Gemeinschaften treffen als die jüdischen, auch wenn diese noch den gleichen Namen tragen?
    Liegen nicht die Gefahrenpunkte des Weltprozesses überall dort, wo die caesarische Tradition mit hereinspielt: das gilt außer für Deutschland auch für die Schah-Tradition im Iran und für die Zaren-Tradition in Rußland und deren politische Folge-Strukturen. NB: Hat die islamische Tradition nicht schon in ihren Anfängen mit dem Weltbegriff und dem Konzept der Bekehrung durch Eroberung (das dann vom westlichen europäischen Christentum fortgeführt und in die Fundamente der westlichen Zivilisation mit hereingenommen worden ist) dieses caesarische Erbe als religiöses Erbe übernommen? Sind nicht alle „Welt-Religionen“ caesarisch? Ist nicht die Bekenntnislogik die Logik des Caesarismus?
    Daß man in Deutschland keine Lüge aussprechen kann, ohne sie selber zu glauben, hängt mit der caesarischen Tradition (mit der caesarisch instrumentierten Sprachlogik des Deutschen) zusammen.
    Nicht-Ich: Die Struktur der Welt selber erzwingt einen Begriff der Religion, der Religion nur noch als „Religion für andere“ (das wäre übrigens die präziseste Definition der „Weltreligion“) zuläßt, in der aber jeder von den Forderungen der Religion sich dispensiert weiß.
    Was bedeutet der Begriff des „Samen“ („Nachkommen“) in der Sündenfall-Geschichte?
    In welchen Sprachen gibt es ein Neutrum? Wie ist es im Russischen oder im Persischen?
    Sind nicht alle Kosmologien Produkte des Exkulpationstriebs, des Rechtfertigungszwangs, des Schuldverschubsystems (und dessen Ursprungsgeschichte die Geschichte vom Sündenfall)?
    „Das mußt du mir büßen!“ Ist nicht dieser Satz Ausdruck einer blasphemischen Hybris, die die Umkehrforderung auf sich anstatt auf Gott bezieht; aber steht er nicht in der Tradition der christlichen Opfertheologie? Und ist nicht das Geld die säkularisierte Gestalt dieses instrumentalisierten, blasphemischen Opferverständnisses? Vgl. den Titel „Büßerin“ für Maria Magdalena.
    „Herr“ ist, wer sich das Recht erworben hat, Opfer zu fordern und Bußen aufzuerlegen.
    Wie hängt die Bekenntnislogik mit der Logik der Schrift zusammen, und wie verhalten sich beide zum Weltbegriff und zur caesarischen Tradition?
    Zum letzten Stück der „Minima Moralia“: Es ist wahr, „Erkenntnis hat kein Licht, als das von der Erlösung her auf die Welt scheint“ (S. 480). Aber ist die Quelle dieses Lichts nicht in Joh 129 bezeichnet, und käme es nicht endlich darauf an, dieses Licht unter dem Scheffel, unter den die Kirche es gestellt hat, hervorzuholen?

  • 13.8.1994

    Die Logik der Schrift begründet die Theorie, das Wort Gottes die Lehre. Das Dogma ist die Lehre in der Form der Theorie.
    Die Kritik der reinen Vernunft ist der Anfang der Kritik der Logik der Schrift.
    Gründen der Ursprung und die Geschichte der Sexualmoral darin, daß mit der Einführung des Neutrum (der dritten Person Neutrum, des Es) die zweite Person, das Du, geschlechtsneutral geworden ist: auf die abstrakte Person, auf die Eigenschaft, Eigentümer zu sein, reduziert worden ist?
    Über die grammatischen Strukturen sind die Herrschaftsbeziehungen in die Sprache mit eingegangen; das läßt sich sowohl an den Deklinationen nachweisen, als auch an den eingreifenden Veränderungen im Bereich der Konjugation. Das Neutrum ist ein Produkt der Logik der Schrift, und die flektierenden Sprachen sind ein Produkt der Anpassung der Sprache an diese Logik, die über die Flexionen in die Sprache eindringt, in ihr sich ausbreitet und entfaltet. Die erste Schriftsprache war eine agglutinierende Sprache. – Ist die Logik der Schrift die Logik des Eigentums?
    Die Erscheinungen und die Dinge, wie sie an sich selbst sind: Das Neutrum (die Quelle des Begriffs) ist das Zeichen an Stirn und Hand, das die Dinge in Eigentum verwandelt und dem Tauschprinzip unterwirft, sie in ein System verstrickt, in dem, was sie immer an sich selbst sein mögen, gegenstandslos geworden ist.
    Ist nicht das ad litteram bei Augustinus – Grund des fundamentalistischen Wortverständnisses – der Repräsentant der Logik der Schrift in der christlichen Theologie (und ist das homousia, das vorher da war, schon eine präventive Konsequenz aus diesem Schriftverständnis)? Nur auf der Grundlage dieses Schriftverständnisses war es möglich, die Prophetie zu neutralisieren, sich selbst aus dem Kreis der Adressaten der Prophetie herauszustehlen (und die sogenannte „Unheilsprophetie“ allein auf die Juden zu beziehen). Die Lehre, daß die Prophetie in Jesus sich erfüllt habe, schien es zu erlauben, sie insgesamt ins Vergangene (in das dann auch die Juden gehörten) abzudrängen. – Gibt es nicht ein Wörtlichnehmen der Schrift, das blasphemisch ist?
    Der Antisemitismus ist ein Blitzableiter, der am Ende den Blitz auf sich zieht.
    Gilt nicht das Verbot der Hexerei auch für die Logik der Schrift, die das reale Subjekt und Objekt zum Verschwinden bringt und beide durch ein Bildersystem ersetzt, durch eine Phantasmagorie, die durch den Weltbegriff sich ihren eigenen Grund erschaffen hat?
    Ist nicht die Geschichte von Sem, Japhet und Ham Symbol einer innersprachlichen Geschichte? Die aufgedeckte Blöße Noahs (des Trösters), in der das „und sie erkannten, daß sie nackt waren“ nachklingt und variiert wird, gehört zur Geschichte des Ursprungs des Urteils: des Ursprungs der von allen Attributen abgelösten Objektvorstellung. (Die Geschichte mit Sem, Japhet und Ham liegt vor der babylonischen Sprachverwirrung.)
    Was bedeutet beim Japhet der Hinweis auf den weiten Raum und die Zelte Sems?
    Steckt im Namen des Sem der Name des Namens (Sem – Nomen, Fama, Positus; Japhet – Dilatatus; Ham – Calidus, Calor: der Name, der Raum und die Hitze, die Wärme)? – Antisemitismus: Wer in diesem Lande die Dinge beim Namen nennt, setzt sich dem Vorwurf aus, ein Nestbeschmutzer zu sein.
    Das Licht ist ein Realsymbol der Prophetie.
    Durch das homousia ist die Verletzung des Bilderverbots zum Kern der christlichen Theologie gemacht worden.
    Ist die Unterscheidung von „Gottes Bild“ und „Seinem Bild“ (bei der Erschaffung des Menschen) nicht vorbezeichnet in der vorausgehenden Unterscheidung von „unserm Bild und Gleichnis“?
    Ist nicht die Idee der Allmacht Gottes ein islamisches Konstrukt, wie überhaupt die Bildungen mit All- (allmächtig, allwissend, allbarmherzig) auf den Koran verweisen? Durch das Konstrukt der creatio ex nihilo ist der Zusammenhang von Katastrophe im Begriff der Schöpfung verdrängt, die Schöpfung zu einem diktatorischen Akt geworden; darin ist der Gehorsamsbegriff angelegt, der das Hören halbiert, das dialogische Moment aus dem Hören (ähnlich wie die Theorie – die „Anschauung“ – das Gesehenwerden und mit ihm das Licht aus dem Sehen) austreibt.
    Das Ganze ist das Unwahre: Sind die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt nicht schon deshalb unwahr, weil sie den Anspruch erheben, abschließende Begriffe zu sein? Und ist nicht das Abschlußhafte dieser Begriffe, ihr Totalitätscharakter, vermittelt durch den Objektbegriff, durch seine Beziehung zur neutralisierenden Gewalt des Raumes? (Ist nicht in der logischen Konstruktion des Schlusses der Weltuntergang enthalten?)
    Heute ist von der Theologie nur noch das Retten übriggeblieben.

  • 7.7.1994

    Als die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist die Sprache zugleich die Verheißung der Auferstehung.
    Als zentrales Moment der Konstituierung des Objekts gehört die Scham zur Urteilsform. „Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht“: Diese Freiheit von Scham ist der genaueste Ausdruck des seligen Sprachgeistes im Paradies. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Mit der Einbeziehung des Blicks des andern in die eigene Wahrnehmung entspringt die urteilende Erkenntnis. Die Scham – und mit ihr die Urteilsform – entspringt im Sündenfall: Sie ist wie der Sündenfall ein sprachliches Phänomen. Deshalb ist auch das Keuschheitsgebot ein Sprachgebot, vielleicht das wichtigste. Zentraler Einwand gegen Hegel: Die Scham beherrscht seine Logik, wird jedoch selbst nicht reflektiert.
    Keuschheit, Armut und das Hören (nicht der „Gehorsam“) sind die Konstituentien der Arglosigkeit.
    Man sollte die Sprache nicht mit der „Rede“ verwechseln: Es gibt keine „Rede von Gott“ (das ist eine Professoren- und Predigerübersetzung von Theologie, schamloses Geschwätz: ihr Modell ist die monologisierende Vorlesung oder Predigt, die die Schamgrenze zum Andern nicht mehr kennt).
    Nur Gott sieht ins Herz der Menschen. Wer über andere urteilt, verflucht Gott, fällt ihm in den Arm.
    Weltuntergang: Der Weltbegriff gründet im Exkulpationstrieb, er wird mit dem Exkulpationstrieb untergehen.
    Das Schuldverschubsystem ist die Grundlage und der Reflex eines paranoiden Verschwörungskonzepts, das im Kern des Weltbegriffs steckt. Was bedeutet der Schwur im Begriff der Verschwörung (und damit im Weltbegriff)? Eine verschworene Gemeinschaft ist eine Bekenntnisgemeinschaft (deshalb hat die SS sich als Orden verstanden). Auf diesen Zusammenhang bezieht sich der Satz: Du sollst nicht schwören.
    Der Schwur ist der Dampf in der Empörung (kein besserer Gemeinschaftskitt als die gemeinsame Empörung über einen gemeinsamen Feind).
    Beerscheba: Was hat die Sieben mit dem Schwur zu tun?
    Zu den Prämissen der Konstruktion des Raumes gehörte die Erfindung der Null (die über den Islam aus Indien nach Europa gekommen ist). Ist der Raum ein Schamkonstrukt (das Medium der Konstruktion des Objektbegriffs und der Verinnerlichung der Scham)?
    Die Apologetik oder der Rechtfertigungszwang ist der steinerne Grund, aus dem das steinerne Herz erwächst.
    Bezeichnet nicht der Begriff der concupiscentia das Selbsterhaltungsprinzip, das dann, weil es sich selbst im blinden Fleck stand, auf die sexuelle Begierde verschoben wurde? Mit dieser Verschiebung auf die Sexualität, ein entscheidender Schritt auf dem Weg der Begründung und Konsolidierung des Schuldverschubsystems, wurden die Schleusen geöffnet für die Überschwemmung der Erkenntnis insgesamt durchs Selbsterhaltungsprinzip: zur Durchsetzung des Weltbegriffs, zur Materialisierung der Welt. Hier wurde der Schöpfer zum Demiurgen, wovor ihn auch das ex nihilo nicht mehr hat retten können.
    Die Ontologie ist die hypostasierte Killerphrase.
    Zum Gürtel des Petrus (Joh 2118): Hat das etwas mit dem Gürtel des Jeremias in der Felsspalte am Euphrat (Jer 13) zu tun, und hat das wieder etwas mit Off 914 und 1612 zu tun?
    Bei den Kirchenvätern war das Bild vom Kreuz als Teufelsfalle beliebt: Ist das Kreuz (als Bekehrungs- und zugleich Umkehrverhinderungs-Mittel) nicht zur Heidenfalle geworden?

  • 30.6.1994

    Durch ihr Verhältnis zur Philosophie war die christliche Theologie in die Geschichte des Weltbegriffs und in die Herrschaftsgeschichte verstrickt. Das Tabu auf der Herrschaftskritik (die Verteufelung der Herrschaftskritik), das mit dem Weltbegriff mitgesetzt war, hat zur Verdinglichung (Privatisierung und Biologisierung) der Sexualmoral geführt: es hat die Erinnerung an die messianischen Wehen verdrängt. Die Vergangenheit ist (ebenso wie die Physik) nicht wirklich stillgestellt und tot; stillgestellt und tot ist unser Blick auf die Vergangenheit (und auf die Natur). Die Logik dieser Stillstellung ist die Logik des Weltbegriffs (ihre Akteure sind die Urteilsform, die Bekenntnislogik und die Opfertheologie, das Inertialsystem). Der gordische Knoten: Ist nicht der Objektbegriff die Folge davon, daß er nur durchschlagen, nicht gelöst wurde? Durchschlagen hat den Knoten die Philosophie; Aufgabe der Theologie heute wäre es, ihn endlich zu lösen. Ein Hinweis dazu: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben. Oder: Verfallt nicht der Paranoia, zu der die Klugheit der Schlange verführt. Die Paranoia ist der Grund des Mythos: der Schicksalsidee wie auch des Begriffs. Die erste Aufklärung (der Ursprung der Philosophie) verdankt sich der Verinnerlichung des Schicksals: die Allgemeinheit des Begriffs gründet darin, daß hier jeder zur Quelle des Schicksals aller geworden ist. Die zweite Gestalt der Aufklärung, die aus der Theologie hervorgegangen ist, verdankt sich der Verinnerlichung der Scham. Hier gründet die veränderte Beziehung zur Vergangenheit, in der sie durch Entfernung nahe gerückt wird (und aufs neue in Bewegung gesetzt wird). Die Vergangenheit ist nicht das ruhende Tote, sondern der bacchantische Taumel, der Hexentanz der letzten Walpurgisnacht. Die Einheit von Teufel und armer Seele gründet in der Verinnerlichung der Scham, während der Name des Dämons, des unreinen Geistes, der Besessenheit, zurückweit auf die Verinnerlichung des Schicksals (den Ursprung des Weltbegriffs). Steckt nicht in der Beziehung des einen zu den sieben unreinen Geistern die Beziehung der Verinnerlichung des Schicksals zu der der Scham (der Philosophie zum Ursprung der modernen Naturwissenschaft)? Durch die Kollektivscham (die eher auf den „verlorenen Krieg“ paßt als auf das ungeheuerliche Verbrechen des Judenmords) ist Deutschland zum Objekt der Welt geworden (Ursprung der Xenophobie: die Angst vor dem Blick des andern). Liegen die sexuellen Phantasien im Kontext des Pflichtzölibats nicht in der Konsequenz der Schamlogik (der Unfähigkeit zur Reflexion ihres herrschaftsgeschichtlichen Grundes)? Wenn bei Hegel die Idee die Natur frei aus sich entläßt, diese Natur dann aber den Begriff nicht halten kann: ist das nicht das genaueste Bild der Katastrophe (und die Widerlegung der Idee und des Absoluten, die sie freilich nicht gegenstandslos macht)? Die homousia hat das homologein entmächtigt: zum Bekenntnis neutralisiert (wie heißen das Bekenntnis und der Bekenner, die Confessio und der Confessor, auf griechisch?). Ist nicht die Confessio das vergeistigte Martyrium (Produkt der Vergeistigung des Leidens im „Opfer“)? Steckt darin nicht der Schlüssel der ganzen Geschichte: im sprachlichen Übergang von der hyle zur materia, von der physis zur natura, vom kosmos zum mundus? Hat hier nicht eine ungeheure sprachlogische Verschiebung stattgefunden (die gleiche Verschiebung die auch der tertullianischen Begründung der lateinischen Fassung der Trinitätslehre zugrunde liegt, wenn er dem hypokeimenon den lateinischen Namen des prosopon beilegt)? In der tertullianischen Übersetzung berühren sich die Logik der Tragödie und die des Kosmos; war dieser Konnex nicht überhaupt erst innerhalb des Christentums möglich? Hier wurde der Kosmos in den hochdramatischen Geschichtsprozeß mit einbezogen. Die Geschichte von den drei Leugnungen sprengt den Autoritätsbann der Kirche, ohne die Kirche selbst zu verwerfen. Sie begründet im Symbol des Hahns ein neues Selbstbewußtsein, sie gibt dem Heiligen Geist Raum. Wer die Schrift insgesamt als Prophetie liest, verändert (berichtigt) damit nicht nur den Sinn der Schrift, sondern auch den der Prophetie. Wenn die Idee des Absoluten der Schatten ist, den das Subjekt auf Gott wirft, berührt sich das nicht mit jener Auslegung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, wonach niemand über seinen eigenen Schatten springen kann? Ist nicht das Verhältnis von Schuldknechtschaft (Lohnarbeit), Tauschprinzip und Privateigentum ein Reflex der Orthogonalität des Raumes und ebenso das Verhältnis von Opfertheologie, Bekenntnislogik und Dogma? Alle drei, das Tauschprinzip, die Form des Raumes und die Bekenntnislogik, sind dem selbst auferlegten Zwang der Instrumentalisierung unterworfen (sie gehören zu den Konnotationen der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“). Ist nicht die Mathematik (das Inertialsystem) die Finsternis über dem Abgrund? Hat nicht im Konflikt zwischen Peter Eicher und seiner Tochter diese „den besseren Teil erwählt“? Die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels: Sind nicht die Vögel akustische Blumen? Und ist nicht das Naturschöne Ausdruck von Wiederholungszwängen: Ausdruck des Seufzens und Harrens der Kreatur? Der Gehorsam ist ein Produkt der Verräumlichung des Hörens und die Sexualmoral ein Produkt der Verdinglichung der Keuschheit (die Zwischenstufe beider war die Logik der Schrift); beide sind Teil einer Beziehung von Theorie und Praxis, die im Verhältnis von Naturwissenschaft und Technik sich erfüllt (und Freiheit nicht kennt). Theologie im Angesicht Gottes erfüllt sich in einer Theologie von Angesicht zu Angesicht (als Reflexion der Scham, nicht als Unterwerfung unter ihr Gesetz: wie im Islam): Sie setzt die Freiheit der Kinder Gottes voraus.

  • 28.6.1994

    Die Erinnerung des Leidens (Metz) ist nur die eine, „objektive“ Seite der Sache (die für sich nur das Selbstmitleid, die fatale Tradition der christlichen Leidensmystik, begründet), das verteidigende, parakletische Denken die andere: ihr Symbol ist die Idee der Auferstehung der Toten (vgl. hierzu die grandiose Stelle in Büchners „Lenz“).
    Die Erlösung kommt „wie ein Dieb in der Nacht“: Die Totalität der Nacht (die Finsternis über dem Abgrund) ist das Objekt.
    Es genügt nicht zu sagen, daß der Schöpfungsbericht sich auf einen anderen Bereich bezieht als die Naturwissenschaften. Es käme vielmehr darauf an, die Beziehung beider zu bestimmen. Diese Beziehung ist bestimmbar über den Begriff der Umkehr.
    Welche und wieviel Siebener-Gruppen gibt es in der Apokalypse, und in welcher Beziehung stehen sie zu einander?
    Die Lösung der sieben Siegel: die Peripherie ist das Zentrum, und der Ursprung das Ziel. Die intentio recta ist das Medium des Sündenfalls (der Verstrickung ins richtende Denken).
    Ist nicht der Name des Universums der deutlichste Name der Welt, gleichsam die logische Handlungsanweisung zur Konstituierung des Weltbegriffs? Die Logik des Universums, die schon den antiken Kosmologien zugrundeliegt, ist die Logik der Geldwirtschaft (ablesbar an der Geschichte der Banken: hier gründet das Sein, auf das die Hegelsche Logik als ihren Ursprung sich bezieht).
    Wer die Substanz zum Subjekt (und die Menschen zu einem Teil der Welt) macht, leugnet die Freiheit der Kinder Gottes und damit den Heiligen Geist.
    Ist nicht der Heilige Geist der „Gegenstand“, auf den das Wort vom Binden und Lösen sich bezieht; und gewinnt nicht in diesem Zusammenhang die These, daß die Kirche bis heute nur gebunden, nicht gelöst hat, ihren ungeheuren Sinn? Gehört nicht zum Wort vom Binden und Lösen das apokalyptische Wort vom Lamm, das allein würdig ist, die sieben Siegel des Buches zu lösen; das Wort, das Joh 129 in die Perspektive der Nachfolge rückt?
    Die Vorstellung einer absoluten Vergangenheit leugnet Gott. Auch die Toten gehören als dessen Abbild zum Angesicht Gottes. Die Erfindung der Tiefenzeit gehört zu den Voraussetzungen der Vergesellschaftung von Herrschaft.
    Sind nicht die sieben Siegel Totalitätsbegriffe, auf die unsere Sprache, unser Bewußtsein und unser Denken versiegelt ist? Dazu gehören die drei kantischen Totalitätsbegriffe: Wissen, Natur und Welt, aber auch schon die griechischen (die projektiven Urbegriffe der Philosophie): die Barbaren und die Materie, insbesondere aber das Sein.
    Wie oft und an welchen Stellen kommt der Name der Barbaren in der Schrift vor (wie in 2 Makk und in der Apg, beim Schiffbruch vor Malta)?
    Die Drehung des Raumes um jede seiner drei Achsen führt ihn in seine Ursprungsgestalt zurück: deshalb ist die Raumvorstellung der Generator der neutralisierten Dingvorstellung (des Objektbegriffs, der der Urteilsform zugrunde liegt).
    Ist die Kritik der Orthogonalität (Kritik der Urteilsform) der Grund der Kritik der Naturbeherrschung? Die Dreidimensionalität des Raumes ist der Grund des Objektbegriffs: Der Objektbegriff ist der Grund, auf dem der babylonische Turm erbaut wurde, und zugleich der Wirbel, der die Sprache verwirrt.
    Die Vorstellung, daß die Sprache auf eine außer ihr (und ohne sie) bestehende Wirklichkeit sich bezieht, ist wahr und unwahr zugleich: Sprache konstituiert ebensosehr die Wirklichkeit, wie diese Wirklichkeit zugleich als mächtiger als unsere Sprache sich erweist. Im Kontext dieser (durchs Inertialsystem definierten) Vorstellung ist die Welt alles, was der Fall ist. Die darin begründete Entmächtigung der Sprache ist die Selbstzerstörung ihrer benennenden Kraft.
    Die Ablösung der Sprache von der Wirklichkeit ist eine Leistung des Weltbegriffs (der so Sprache und Welt zugleich verändert: der neue „Welt-Katechismus“ der Kirche verdient diesen Namen in der Tat).
    Die hebräische Sprache ist keine Ursprache, sondern Ausdruck einer Beziehung zur Sprache (einer gegen die Logik der Schrift sich behauptenden Sprachlogik), die den Keim der Utopie in sich enthält. Sind nicht die sogenannten Quellen der biblischen Texte (J, E, Dt) Ausdruck differierender Sprachlogiken, die erst in ihren wechselseitigen Beziehungen, in ihren Reflexionsbeziehungen, Anteil an der Wahrheit gewinnen? Drückt nicht im Namen des Hebräischen diese gespannte und kritische Beziehung zur Logik der Schrift (der Zwang zur Symbollogik) sich aus?
    Kann es sein, daß, was in den „Quellen“ des biblischen Textes nebeneinander sich präsentiert, in der Geschichte des Christentums in eine zeitliche Folge (in die Geschichte der drei Leugnungen) transformiert wurde?
    Die Vätertheologie war eine monastische, ein Mönchs-Theologie, Resultat einer Flucht vor der Welt, aus der als einer heidnischen Welt die Christen in der Erwartung ihrer apokalyptischen Umgestaltung in die Glaubensgestalt der Utopie sich zurückgezogen hatten. Der Glaube blieb der Welt ebenso feindlich, wie er gegen sie hilflos war. Nur als Kirche war der Glaube gezwungen, sich in der Welt zu etablieren. Die Welt, in der sie sich vorfand, war die Welt des Römischen Imperiums, mit der sie nach der „Bekehrung“ Konstantins glaubte, sich aussöhnen zu können und zu müssen. Auf dieser Grundlage hat die Theologie in der Scholastik – und der Anstoß dazu kam vom Islam – als kirchen-imperialistische Weltphilosophie sich etabliert (mit dem mönchischen Hintergrund der Bettelorden und der Inquisition).

  • 5.6.1994

    Die Lichtgeschwindigkeit ist als Grenze zugleich ein Moment der Beziehungen zwischen thermischen und optischen Erscheinungen. Und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist der Grund der Existenz des Planckschen Wirkungsquantums (und der elektrischen Elementarladung).
    Hängt der Rock aus Fellen mit dem Bogen in den Wolken zusammen (und das Feigenblatt mit der Sintflut)? Ist die Farbe ein Schamprodukt (aufgrund ihrer Beziehung zum Licht)?
    Die Bewußtlosigkeit unserer Theologie ist der Grund ihrer Selbstzerstörung.
    Das Über-Ich ist der Schatten, den das Ich auf das Gewissen wirft. Dagegen richtet sich das vierte Gebot.
    Bezieht sich die Frage der Frauen, als sie zum Grabe gingen: „Wer wird uns den Stein wegräumen?“, auf Petrus?
    Stecken nicht in dem „leer, gereinigt und geschmückt“ die drei Leugnungen? Und kann man nicht die drei Adjektive ersetzen durch Universum, mundus und kosmos?
    In den modernen europäischen Sprachen haben sich die Suffixe, die Grundlage der Konjugationen, zu selbständigen Personalpronomina und Hilfsverben gegen die Verben verselbständigt; zugleich hat sich die sprachliche Gestaltung der Verben verändert, während die Nomen zu Substantiven geworden sind: So hat sich das Ding von der Sache getrennt.
    Im griechischen „einai“ wurde das Infinitiv-Suffix zum Sein verselbständigt. Definieren nicht die Infinitivbildungen des Hilfsverbs Sein (der Kopula des Urteils) des Status der Verben in den Sprachen? Das gilt fürs deutsche Sein ebenso wie fürs englische to be (verbale Hypostasierung eines für die Organisation der Sprache zentralen Präfixes: des be-; Zusammenhang mit der den Empirismus fundierenden Logik der englischen Sprache).
    Nichts gefährlicher, als wenn einer, der in der christlichen Tradition aufgewachsen ist, die Bibel aus dem Gedächtnis zitiert (sh. Theodor Haecker und Johann Baptist Metz).
    Hat Theodor Heuß, ohne es zu wissen, mit dem Begriff der Kollektivscham nicht den parvus error in principio getroffen? Ist diese Kollektivscham nicht der Kern eines Weltbegriffs, der den Anblick aller durch alle fixiert und dem keiner mehr entrinnt; ist sie nicht eine Konsequenz aus der falschen Übersetzung von Joh 129? Seitdem sind die Deutschen auf den Blick und das Urteil „des Auslands“ fixiert, und seitdem verweisen sie zur Selbstentlastung immer wieder darauf, daß sie (die andern Länder) ja auch nicht besser sind.
    Ist nicht die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern ein Hinweis darauf, daß wer nach der absoluten Untat sich (wie die andern) endlich einmal auch unschuldig fühlen möchte (wie unter anderem auch in der Ökologie-, der Friedensbewegung u.ä.), Gefahr läuft, Opfer noch ärgerer Dinge zu werden? Die Frage ist nicht mehr, wie bleibe ich unschuldig, sondern: wie kann ich produktiv und ohne Selbsttäuschung mit dieser Schuld umgehen? Der Unschuldstrieb endet im Geschwätz und in der projektiven Verarbeitung der Wirklichkeit.
    Analyse der politischen Farben: Es gibt die Schwarzen, die Roten, die Gelb-Blauen und die Grünen.
    Die Hegelsche Logik ist die konsequenteste Selbstexplikation des durchschlagenen Knotens (des gordischen Knotens, nachdem der Aristotelesschüler Alexander ihn durchschlagen hat). Das Schwert, mit dem dieser Knoten durchschlagen wurde, war das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Eingang des Paradieses.
    Zur Sintflut und zur Arche gehört die doppelte Version der Rettung der Tiere: einmal (so Elohim) sollte von allen Tieren je ein Paar mit in die Arche genommen werden (Gen 619), dann aber (so JHWH) von allen reinen Tieren je sieben, Männchen und Weibchen, von den unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen, auch von den Vögeln des Himmels je sieben, Männchen und Weibchen (72f). Vgl. hierzu die Bindung Isaaks (Aufforderung zum Sohnesopfer durch Elohim, der Engel JHWHs hält Abraham dann zurück).
    Antisemitismus, Xenophobie und Frauenfeindschaft sind die Fundamente der Bekenntnislogik. Was für die Griechen die Barbaren waren, das waren für die Christen die Heiden und die Ketzer (wobei der Islam beides in sich vereinigte, auch wenn der Aquinate sie unter den gentes, den Heiden, subsumierte: Folge der Rezeption des häretischen Elements in der Islamisierung des Christentums, die dann die Ursache für das Ende der häresienbildenden Kräfte im Christentum war).
    Gibt es nicht ein Systemprinzip, aus dem
    – die Häresien (ihre Abfolge seit der Gnosis) sich ableiten lassen, oder auch
    – die Momente des antisemitischen Vorurteils (vom Ritualmord, über den Hostienfrevel und die Brunnenvergiftung, bis hin zur zionistischen Weltverschwörung).
    Im Zentrum müßte das projektive Moment und das Schuldverschubsystem (im Kontext der Rezeption der Philosophie, des Ursprungs des Weltbegriffs) stehen.
    Das Systemprinzip der Frauenfeindschaft scheint dagegen auf einer anderen Ebene zu liegen: Während Antisemitismus und Fremdenfeindschaft in der Logik des Weltbegriffs liegen, liegt die Frauenfeindschaft dieser Logik zugrunde. Zusammenhang mit dem Kelchsymbol (und seinen Konnotationen)?
    Merkwürdige Affinität der Worte Welt und Kelch: Ersetzung der gutturalen Konsonanten durch labial-dentale.
    Neben den Etymologien gibt es auch Etymogeleinen. Dazu gehören die „Ableitungen“ von: Sein, Würde, Wasser, Sinn, to be. Und wie ist das eigentlich mit der Heiterkeit und dem Ungetüm? Haben diese Etymogeleien etwas mit dem zweischneidigen Schwert zu tun?
    Die Hegelsche Logik wird zur dialektischen Logik durch die Entfaltung der Differenz von Ding und Sache. (Welches griechische Äquivalent gibt es zur lateinischen res? Hat das pragma die gleiche Bedeutung wie die lateinische res?) Der Dingbegriff ist in sich selber theologisch vermittelt; er hat sich aus der Rezeption der Philosophie (der Logik des Weltbegriffs) in der Theologie (bzw. der Weiterbildung und Umgestaltung der Philosophie durch die Theologie, durch Opfertheologie und Bekenntnislogik) ergeben. Insbesondere verdankt sich die Rezeption der Philosophie im Römischen Reich, die Übersetzung der griechischen Kategorien der Metaphysik ins Lateinische durch Tertullian, dem Bedürfnis der Übersetzung der Trinitätslehre.
    Voraussetzung für die Entfaltung der Dialektik von Ding uns Sache war die kantische transzendentale Logik, die Hereinnahme des Objekts in die Urteilsform im Kontext der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung.
    Frage: An welchem Ort ist das Vergangene:
    – In der Unterwelt,
    – in Himmel, Hölle und Fegfeuer,
    – in den Bibliotheken oder
    – in unserm Kopf?
    Aber tun wir nicht alles, das Vergangene zum endgültig Vergangen zu machen (um dem Schuldzusammenhang und der Last der Erinnerung zu entrinnen, zur Absicherung des Inertialsystems und der Naturbeherrschung, zur Konstituierung einer Welt, die nur noch als Reflex des Prinzips der Selbsterhaltung sich manifestiert): Wir halten uns unsere Vergangenheit wie exotische Tiere im Zoo, wie Kunstwerke im Museum, als Mittel der Unterhaltung im abendlichen Fernsehprogramm. Domestiziert im historischen Objektivationsprozeß, zugerichtet zum Objekt des bloßen Zuschauens, der folgenlosen Neugier, neutralisiert zum Panoptikum, fremd und banal wie die Sternenwelt (zu den Folgen der Logik der Schrift gehörte einmal die gemeinsame Entdeckung der Astronomie und der Geschichte).
    Berichtigung: Das Absolute ist der Schatten, den das Subjekt auf den Namen Gottes wirft (nicht auf Gott, der jenseits aller Schatten ist).

  • 17.5.1994

    Die Logik der Scham, das Anderssein, der Weltbegriff und die Ausbildung und Entfaltung der Raumvorstellung (das Aufdecken der Blöße oder das Sklavenhaus Ägypten):
    – Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht; da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    – (Sintflut, Arche) Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und die Knechtschaft (gehört die Ham/Kanaan-Geschichte zur Vorgeschichte der Kafkaschen Erzählung „Das Urteil“?).
    – Erkenntnis der Nacktheit und Ursprung des Weltbegriffs: Scham als verinnerlichter Blick des Andern; in diesem Blick und als Inbegriff der Logik seiner Objektivation konstituiert sich der Weltbegriff.
    – Der Raum als die zwangshafte Rekonstruktion des verinnerlichten Blicks des Andern; die kopernikanische Wende, die Vernichtung des Angesichts Gottes durch den „unendlichen Raum“ (Abwehr, Verdrängung des Angeblicktwerdens), Grund der kantischen Erkenntniskritik.
    – „Kollektivscham“ als kollektive Isolationshaft, die Unfähigkeit zu trauern und die zweite Schuld; Kollektivscham und Xenophobie, Ausländerfeindschaft und neue Rechte. Der Begriff der Kollektivscham hat die Erinnerung mit der Welt versöhnt und somit zur Folgenlosigkeit verdammt (und dieses Land zum „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ gemacht).
    – Das Fernsehen (die institutionelle Aufspaltung des Sehens durch Trennung des Sehens und Gesehenwerdens) oder die Blinden und die Lahmen (2 Sam 56ff, Mt 115).
    – Die Logik der Scham und die Ausbildung und Entfaltung der Logik des Raumes.
    – Ist die am zweiten Tag geschaffene Feste, die die oberen von den unteren Wassern (die Prophetie von der Philosophie) trennt, das kosmische Realsymbol der Scham?
    – Scham und Verdinglichung, Ursprung der Exkulpationsmechanismen, Scham und Gewalt: Ist die Scham die Materie des Absoluten?
    – Die Philosophie ist mit der Verinnerlichung des Schicksals entstanden (Ursprung des Begriffs), die mathematische Naturwissenschaft mit der der Scham (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, der Raumvorstellung).
    – Scham und Schuldverschubsystem (Exkulpation durch Projektion: Prinzip der Anklage, Grund des Objektivationsprozesses), Ursprung des katholischen Mythos (der traditionellen Höllenlehre: stammt der Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel die Anschauung des Leidens der Verdammten dazugehört, den Nietzsche auf Thomas von Aquin zurückführt, nicht schon von Augustinus? Vgl. das Nietzsche-Zitat bei Jürgen Ebach: Apokalypse, in: Einwürfe 2, S. 45).
    – Die Scham als gemeinsamer Grund des Mythos und der Kunst (der Ästhetik). Konstruktion der Farben (die Sintflut und der Bogen am Himmel).
    – Sind die sekundären Sinnesqualitäten nicht stellvertretende Opfer für das eigentliche Opfer: die benennende Kraft der Sprache (der Logos), und liegt dem nicht die Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam (die säkularisierte Gestalt des Islam, mit der augustinischen „Wörtlichkeit“ als Vorstufe des Koran) zugrunde? – Wäre das Gehorsamsgebot nicht endlich beim richtigen Namen zu nennen: als Heiligung des Gottesnamens? Das Credo hat das Niederfahren Gottes beim Turmbau zu Babel zu einem Akt der Kirche gemacht: sie zieht ihn in ihre Verstrickungen (in die Verstrickungen der Bekenntnislogik, der Logik des Absoluten) mit herein. Ist nicht die Kirchengeschichte die endlose Ausdehnung der descensio ad inferos?
    – Scham, Sexualität und Urteil (Begriff der Erbsünde). Als Urteilslogik ist die transzendentale Logik eine Logik der Scham (und bedarf zu ihrer Begründung der transzendentalen Ästhetik: der Logik der Abstraktion vom Gesehenwerden).
    – Die Scham und die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (oder die Heiligung des Gottesnamens).
    – Scham hat einen Adressaten, Scham ist Scham vor einem anderen: Mit dem Weltbegriff ist dieser Andere verinnerlicht worden. Gibt es Stufen der Scham (Entschlüsselung der sieben unreinen Geister)? Die Geschichte der drei Leugnungen ist in die Geschichte der Scham verstrickt.
    – Die Kollektivscham und die Pforten der Hölle (oder Kollektivscham und Naturbegriff).
    – Die Grenze zwischen Natur- und Weltbegriff ist eine Schamgrenze, starr und gleichsam orthogonal verbunden mit dem Ursprung und der Geschichte der Sexualmoral.
    – Der Weltbegriff unterläuft die Herrschaftskritik und begründet die Sexualmoral durch Herstellung von Komplizenschaft (er unterwirft die Herrschaftskritik dem Schuldverschubsystem; die Theologie hat dieses Schuldverschubsystem im Dogma kanonisiert: mit der Opfertheologie und dem Konstrukt der „Entsühnung der Welt“, begründet in der falschen Übersetzung von Joh 129).
    – Durch die Einbeziehung der Übernahme der Sünde der Welt ins Nachfolgegebot wird das „wörtliche“ Verständnis ins prophetische Verständnis transformiert (Wahrheit der Lehre von der Transsubstantiation), gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück (apokalyptische Enthüllung).
    – Scham und Sprache: Sollte mit der Heiligung des Gottesnamens die Anonymität des Angeblicktwerdens aufgehoben (der Mensch in den Anblick Gottes gerückt) werden? Die Anonymität gründet in der Abstraktion der Form des Raumes (Zusammenhang mit der Geschichte der drei Leugnungen).
    – Steckt im kantischen Begriff des Erhabenen die Erinnerung an den leeren Weltenraum, und gründet darin die Assoziation des „moralischen Gesetzes in mir“ mit dem „gestirnten Himmel über mir“?
    – Die Scham, das Feigenblatt und der Rock aus Fellen.
    – Wie hängt die Logik der Scham mit der des Feuers zusammen (auch die Scham brennt wie Feuer)? Gründet das Feuer im Namen des Himmels (und im brennenden Dornbusch: in der brennenden Innenerfahrung der Profangeschichte) in dem, was die Scham objektiv bezeichnet?
    – Der brennende Dornbusch als brennende Innenerfahrung der Profangeschichte setzt die Gotteserkenntnis (die Selbstoffenbarung Gottes) in Beziehung zur Bewegung der Profangeschichte (vgl. Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragement: „Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reiches, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens“). Der brennende Dornbusch ist
    – „Absolutum est prius relativo secundum esse, et est posterius secundum dici“ (Thomas von Aquin, S.Th. I 2, q. 16.4 ad 2). Der newtonsche „absolute Raum“ hat seine Wurzeln in der Scholastik; er findet seine Vollendung in der Hegelschen Idee des Absoluten.
    – Die Verstrickung der Theologie in die Dialektik der Aufklärung ist symbolisiert in der Geschichte von den drei Leugnungen. Leugnet nicht die aus der Philosophie rezipierte Idee der Anschauung Gottes das Angesicht Gottes?
    – Die subjektiven Formen der Anschauung entspringen in der (praktischen) Abstraktion vom Gesehenwerden, sie sind ein Produkt der Schamverarbeitung. Mit dem Ursprung der Naturwissenschaften wurde der Blick des andern tabuisiert, verdrängt, gelöscht; als Produkt projektiver Schuldverschiebung erscheint er dann wieder in dem bösen Blick, der den Hexen nachgesagt wurde: So gehört die Geschichte der Hexenverfolgung zur Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften. Der wirkliche böse Blick aber ist der, den die Naturwissenschaften auf die Dinge werfen; dieser Blick hat eine eingebaute Exkulpationsautomatik: es ist der Blick des Herrn (des Absoluten).
    – Das „naturwissenschaftliche Weltbild“, die kopernikanische Wende als Katalysator des gesellschaftlichen Fortschritts, hat die (intellektuellen und moralischen) Hemmnisse beseitigt, die der „freien Entfaltung“ des Kapitalismus im Wege standen.
    – Der Herrenblick oder das verinnerlichte Babylon und die projektive Verschiebung des „Grauens um und um“ (Jeremias). Gehört heute nicht die descensio ad inferos zu den Prämissen theologischer Erkenntnis?
    – Ergänzung zum Stern der Erlösung: Die Philosophie verschweigt nicht nur den Tod, sondern seit ihrem Bündnis mit der Theologie hat sie ihn instrumentalisiert: War das nicht der Kelch (der Kelch der Opfertheologie), von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Mit der Instrumentalisierung des Kreuzestodes wurde die Strafe der Steinigung (zur subjektiven Form der äußeren Anschauung und zum Prinzip der Verdinglichung) vergeistigt (und der Feuertod zur Strafe für Juden, Ketzer und Hexen).
    – Es genügt nicht, daß die Christen sich irgendwo im Stern der Erlösung wiederfinden, es käme darauf an, den Stern der Erlösung ins Christliche zu übersetzen (nach Walter Benjamin: die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern, nur daß Christen sie überhaupt erst auf die eigenen Schultern heben müssen).
    – Merkwürdig, daß aus einem Buch, das die Lösung der sieben Siegel zum Gegenstand hat, ein „Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist.
    – Der Name Gottes bildet sich in der Lösung der sieben Siegel, in der Lösung des Banns, den der Raum auf Mensch und Welt legt.
    – Der Prototyp der neuen Gestalt der Religionskriege war der Weltanschauungskrieg der Nazis gegen Rußland, und der war schon ein Vernichtungskrieg („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“).
    – Leben wir nicht heute nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Aber diese Kälte ist die des steinernen Herzens. Dagegen wäre der Satz zu setzen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249).
    – Zum letzten Satz des Buches Jona: Wer rechts und links nicht mehr unterscheiden kann, unterscheidet sich nicht mehr vom Vieh (sh. Behemoth), das deshalb in die Buße Ninives ebenso wie in die Barmherzigkeit Gottes mit hereinzunehmen ist.
    – Daß niemand das Licht unter den Scheffel stellt, stimmt nicht: Die moderne Aufklärung hat es getan, weil sie das Licht mit dem Scheffel verwechselte. So ist sie zum Scheffel über dem Licht geworden.
    – Das Lachen instrumentalisiert die Scham, macht sie zur Waffe.
    – Die Waffen der Schlange: ihr Blick und das Gift (gleicht sich die Sprache der Politiker nicht immer mehr dem Blick der Schlange an?).
    – Zu Jes 271: Ist der Leviatan, „die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange“, Produkt der Mimesis an den Grund der Raumvorstellung (die erste Gestalt des „Korpuskel-Welle-Dualismus“, Reflex dessen, daß jede Gerade im Raum sowohl Trägheitsbahn als auch Rotationsachse ist – daß beide Bewegungen die Zukunft mit der Vergangenheit kurzschließen, indem sie die Gegenwart ausschließen: „Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und wird (wieder) heraufkommen aus der Unterwelt und geht hin ins Verderben“, Off 178)?
    – Gibt es eine Beziehung der astrologischen Planetentheorie und der kirchlichen Sakramentenlehre zur Logik der Scham (Venus und Eucharistie)?
    – Schicksal und Scham: Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs) mußte abgesichert und stabilisert werden durch den projektiven Namen der Barbaren; die Absicherung der Verinnerlichung der Scham (und des Ursprungs der Naturwissenschaften) erfolgte über den projektiven Namen der Wilden (war die kopernikanische Wende der Anfang eines kosmologischen Kolonialismus und die kantische Philosophie der Beginn des kritischen Selbstbewußtseins davon?).
    – Hat die Scham mit der Eitelkeit zu tun, mit dem Nichtigen?
    – Die gleiche Logik der Scham, die die Raumvorstellung konstituiert, liegt auch der Bekenntnislogik zugrunde (über die Logik der Scham hängt der Greuel der Verwüstung mit der Sünde Adams zusammen: der Greuel der Verwüstung ist aus der Sünde der Welt ableitbar).
    Woher kommt konkret der Name Palästina, welchen historischen Weg hat er genommen? Wie lange hat es die Philister gegeben, wer waren ihre Nachfahren, und haben nicht die Römer dann das Land Israel Palästina genannt?
    Wie wäre es mit dem schönen Titel: Ein Vorschlag zur Güte?

  • 1.5.1994

    Müßte nicht die 40-jährige Wüstenwanderung bald beendet sein und die „Eroberung Jerichos“ beginnen? Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist eine Theologie, zu deren Konstituentien die Furcht vor der Auferstehung gehört, eine Theologie, die nicht daran glaubt, daß Gott ins Herz der Menschen sieht: eine Feigenblatt-Theologie. Mit der Rezeption des Weltbegriffs wurde diese Angst in die Theologie installiert, mit dem auf die Welt bozogenen Schöpfungsbegriff, mit der Opfertheologie und mit der Vergöttlichung Jesu. Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist die Theologie der Lahmen und Blinden (der durch die subjektiven Formen der Anschauung Gelähmten und Geblendeten). Die Geschichte dieser Theologie wäre anhand der Geschichte vom Nomen zum Substantiv zu demonstrieren. Hängt das Konjugations-Paradigma Perfekt/Imperfekt mit dem Deklinationsparadigma Genitiv/Akkusativ zusammen? Die subjektiven Formen der Anschauung sind ein Produkt der Identifikation mit dem Aggressor, der Verinnerlichung des Hasses der Welt: der Wut-, Empörungs- und Urteils-Generator und der Repräsentant des Sexismus. Stammen die den Evangelisten in der Tradition zugeordneten Tiersymbole aus der Vision des Ezechiel, der Merkaba-Vision? Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe: Wäre es nicht Aufgabe der Theologie, auf diesen Umkehrpunkt hinzuarbeiten? Wenn Jesus nicht gestorben wäre, wären das Nachfolgegebot und die Idee der Auferstehung gegenstandslos, und nur die Unsterblichkeitslehre und der Islam wären wahr. Das Matriarchat beschreibt keine historische Realität, sondern das im Anblick der ersten Katastrophe aufblitzende Bild der Utopie. Die Sintflut und die drei Söhne Noahs gehen der Geschichte vom Turmbaus zu Babel voraus. Bezeichnet Mose den ägyptischen und Abraham den chaldäischen Teil der israelischen Tradition? Der Vergewaltiger (der Staatengründer) versucht, den Satz: „Stark wie der Tod ist die Liebe“ auf den Kopf zu stellen. Das „Alles ist Wasser“ ist Ausdruck der Welterfahrung im Banne der Schicksalsidee. Die griechische Lösung war der Prozeß der Verinnerlichung des Schicksals: Geburt des Subjekts, des Begriffs, der Philosophie, der Wissenschaft. Die israelische Lösung steht im Schöpfungsbericht: im Bild der Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt. Benannt werden nicht die Wasser, sondern benannt wird die Feste: mit dem Namen des ersten Schöpfungsobjekts, des Himmels. Die Geschichte des Ursprungs des Begriffs hingegen wird beschrieben in der Geschichte vom Paradies und vom Sündenfall (mit dem Staub als frühestem Symbol des Positivismus). Steckt nicht im Begriff der Barbaren das antisemitische, im Begriff der Materie das frauenfeindliche Moment der Philosophie und im Begriff der Natur ihr projektiver Anteil am Klassenkampf (paranoide Verarbeitung des biblischen Votums für die Fremden, die Witwen und die Waisen)? Zusammengehalten werden diese drei Momente durch den Weltbegriff. Haben die drei evangelischen Räte (das Hören, die Keuschheit und die Armut) etwas mit den Fremden, Witwen und Waisen zu tun? Bekommt nicht der Materialismus Inhalt und Farbe durch das Bild des Matriarchats, der ersten Utopie? Die katastrophischen Phasen der Geschichte waren Phasen, in denen die projektiven Verfahren der Erfahrungsverarbeitung eskaliert, in Paranoia umgeschlagen sind.

  • 30.4.1994

    Auch der Extremismus des Rechts ist ein Rechtsextremismus, und das, weil Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (es aus Systemgründen: aus Gründen der Beweislogik, auch nicht sein kann).
    Gibt es nicht eine Beziehung des Matriarchats zum Ursprung der Geldwirtschaft? Liegt nicht im Geld der Ursprung des Materiebegriffs (auch das Geld wurde im Anfang nicht gezählt, sondern gewogen)? Und ist das Geld das verdinglichte und entfremdete Matriarchat? Hat der Moloch, dem Menschen geopfert wurden, etwas mit dem Mammon zu tun? Und haben nicht der Baal und die Idee des Absoluten eine gemeinsame Wurzel?
    Der Begriff des Absoluten ist eine mit dem Begriff des Wissens gemeinsam, zu seiner Begründung und Absicherung, entsprungene Kategorie. – Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang des Wissens mit dem Wasser (und einen sachlichen Zusammenhang des Wissens mit der Sintflut)?
    Die Ursprungsprobleme im Kontext des Weltbegriffs (die Probleme des Ursprungs der Schrift, des Geldes, der Astronomie, des Staates, der Philosophie) weisen allesamt auf katastrophische Ereignisse.
    Sind nicht die klassischen Sprachen der Antike allesamt Schriftsprachen (die „sumerisch“-chaldäische als Keilschriftsprache die erste); läßt ihre Ausbildung und Entfaltung nicht erst im Kontext ihrer Beziehung zur Schrift sich begreifen? Die modernen europäischen Sprachen, die durch die klassischen Sprachen hindurchgegangen sind, haben diese Schriftbindung vergegenständlicht, in die Objektivität eingesenkt und verinnerlicht zugleich. Darin liegt das Geheimnis ihres innersten Bildungsprinzips verborgen. Hier vor allem liegt der Ursprung des Dingbegriffs (und des Substantivs, das das Nomen ersetzt hat). Ein Bindeglied in dieser Geschichte bildet die arabische Sprache, der Koran, der Islam, die eine Vermittlerfunktion hatten. Eines der vermittelnden Elemente war zweifellos die Kanonbildung, die Etablierung Heiliger Schriften.
    Das „Quod non est in actis, non est in mundo“ gilt nicht nur für die Akten, sondern für die Schrift insgesamt, für ihre Beziehung zum Ursprung und zur Geschichte des Weltbegriffs. In diesen Kontext gehört die Kanonbildung (als Weltstabilisator).
    Das rückt das Problem der Deklination („die Welt ist alles, was der Fall ist“) in ein neues Licht: Verweist es nicht zurück auf die „chaldäische“ Astrologie? Und hat nicht der Satz der Magier „Wir haben seinen Stern gesehen“ hiermit zu tun, ähnlich der „Kampf der Sterne“ im Debora-Lied sowie das Bild von dem wie eine Buchrolle sich aufrollenden Himmel?
    Die Geldwirtschaft erzeugt mit der eingebauten Todesdrohung den Unschuldstrieb (als autoritär instrumentalisierten Auswegersatz).
    Das Rätsel der Drittel-Ladungen bei den Quarks (-1/3, +2/3) scheint auf den Korpuskel-Welle-Dualismus zurückzuweisen (auf die darin sich manifestierende Beziehung zu den beiden komplementären Aspekten des Inertialsystems: der linearen Bewegung des Strahls und der Flächen-Ausbreitung der Welle). Begründet ist dieser Dualismus in der Struktur der Minkowskyschen vierdimensionalen Raumzeit (mit der Wurzel aus -(ct)2 als imaginärer vierter Dimension).
    Steht nicht die Vorstellung, daß, wenn ich ein Ding mit Gewalt aufbreche, ich auf sein Inneres stoße, in der Tradition der Opfertheologie (vgl. auch Hegels Bemerkung über das sein Spielzeug zerstörende Kind; Hinweis auf die opfertheologische Tradition der Hegelschen Philosophie: Ursprung des Konzepts der List der Vernunft).
    Gegen die „Elementarteilchen“: Wenn aus Schweinen Wurst gemacht wird, heißt das, daß Schweine aus Wurst bestehen?
    In der Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt, im Bilde des Himmels, ist die Scham- und Todesgrenze, die uns das Angesicht und den Namen Gottes verstellt, für die Wahrnehmung präsent. Ist das nicht der Grund, weshalb Hunde den Mond anbellen und Schimpansen mit Drohgesten den Himmel bedrohen? Kann es sein, daß hinter dem Sothis-/Sirius-Problem das Orion-Problem steht (das Problem nicht des chronologischen Ursprungs der ägyptischen Geschichte, sondern des Ursprungs der Zeit überhaupt)?
    Gehören die drei Gürtel-Stellen zusammen:
    – beim Jeremias (Kap. 13),
    – bei Hiob („oder lösest du den Gürtel des Orion“, 3831) und
    – bei Petrus („Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst, …“, Joh 2118)?

  • 10.4.1994

    Das Absolute ist der Gott für andere.
    Sind nicht die drei „großen Weltreligionen“ in der Tat die einzigen, die an den Grund der Welt rühren, und gründet ihre Trennung nicht im Bann des Absoluten?
    Muß nicht der Satz, daß wir uns selbst im blinden Fleck stehen, ergänzt werden durch den Hinweis, daß die genaueste Bestimmung dieses blinden Flecks die Idee des Absoluten ist.
    Antlitz und Gestalt: Gehört nicht das Antlitz zur Theologie, die Gestalt aber zur Welt (Tiere unterscheiden sich durch ihre Gestalt)?
    Der Raum ist nicht die Form der Gleichzeitigkeit (das ist ein Redundanz-, ein Rückkoppelungseffekt), sondern der Stabilisator der Vorstellung einer homogenen Zeit. Er neutralisiert die Differenzen und macht das Ungleichnamige gleichnamig.
    Die falsche Übersetzung von Joh 129 ist der Quellpunkt aller „unbegrenzten Zumutbarkeiten“.
    Wo die transzendentale Logik beginnt, hat die transzendentale Ästhetik ihr Werk schon getan. Und ist nicht die Bekenntnislogik ein Ableger der transzendentalen Logik? Daß die transzendentale Logik außer dem wissenschaftskritischen auch einen gesellschaftskritischen Aspekt hat, ist schon länger bekannt, während die Anwendung auf Erkenntnis im emphatischen Sinne auf die Kritik der Bekenntnislogik führt: Hier reicht sie in den Kern der Theologie hinein.
    Aus Petrus, der die Vollmacht hat, den Himmel aufzuschließen, ist durch den Nichtgebrauch dieser Vollmacht ein Kerkermeister geworden.
    Bezieht sich die Dewekut auf die Einigung des göttlichen Namens (die Heiligung des Namens) oder auf die unio mystica (die Vergöttlichung des Mystikers)? Durch die Antwort auf diese Frage unterscheidet sich die Prophetie von der Philosophie.

  • 4.4.1994

    Hegel verwechselt das Andere mit dem Selbst (substituiert dem Andern das Selbst: Ursprung der verandernden Kraft der Hegelschen Logik).
    Gott und das Absolute unterscheiden sich durch die Umkehr: Das Abolute verdankt sich dem Schein, Gott ohne Umkehr erkennen zu können; allein im Bannkreis des Absoluten verwandeln sich die Attribute des Handelns in Attribute des Seins: der göttlichen „Natur“ (ontologisches Vorurteil).
    Unterm Bann des Weltbegriffs hat das Christentum (mit der Vorstellung einer absoluten Vergangenheit, mit der Trennung der Zeiten vor und nach Christus) die negativen Zahlen erfunden (und damit die Form der äußeren Anschauung, die Form des Raumes begründet und konsolidiert und der Idee der Umkehr den Weg verstellt). Voraussetzungen waren:
    – die Entdeckung des Winkels durch die Griechen (Orthogonalität und Philosophie) und
    – die Entdeckung der Zahl Null durch die Araber (den Islam); die Erfindung der negativen Zahlen war selber dann die Voraussetzung der
    – Konstituierung des Inertialsystems (Grund der modernen Aufklärung).
    Die Phasen dieser Geschichte haben ihre theologische Entsprechung
    – in der Begründung des Dogmas (der Orthodoxie),
    – der Lehre von der creatio mundi ex nihilo (mit der Ausgestaltung durch den katholischen Mythos: insbesondere durch die in den Raum projizierte – und so instrumentalisierte – Eschatologie: Himmel, Hölle und Fegfeuer) und
    – am Ende in der Konstituierung der Bekenntnislogik (mit der endgültigen Subjektivierung des Glaubens verschwindet die Kraft zur Häresienbildung, da sie in den Kern der Orthodoxie selber eingewandert ist: der Greuel am heiligen Ort).
    Orgelmusik: Läßt sich der Charakter christlicher Gottesdienste nicht am deutlichsten daran ablesen, daß selbst das Singen alle Zeichen der Passivität (der Trägheit, der das Singen gleichsam von außen aufgeprägt wird, der es nur widerfährt) aufweist? In diesen Gottesdiensten ist das Wirken der Bekenntnislogik, ihrer selbstentfremdenden und zugleich welt- und gemeinschaftsbildenden Kraft, mit Händen zu greifen. – Nimmt das entsetzliche Blockflötenspiel in „modernen“ Gottesdiensten nicht das Orgelspiel (das musikalische Pendant der Konfession) nur in eigene Regie (und entspricht es nicht einer kirchlichen Architektur, die nach dem Kriege die Außenwände nach innen gekehrt: die Außenwelt zur Innenwelt gemacht hat, gegen die keine Widerstandskräfte mehr zugelassen werden; beides Formen der Identifikation mit dem Aggressor)?

  • 19.03.94

    Läßt sich die Unterscheidung von Rechts und Links an der Bekenntnislogik demonstrieren? Sucht die Kirche unterm Bann der Bekenntnislogik nicht Jesus zur Linken, während er doch zur Rechten des Vaters sitzt. Darauf bezieht sich das Bekenntnis des Namens, der verdrängte Wahrheitsgrund des Glaubensbekenntnisses.
    Zum Problem des Ebenbilds: Gründet nicht die Unterscheidung zwischen Seinem Bild und dem Bilde Gottes im Schöpfungsbericht in der zwischen Gericht und Barmherzigkeit: zwischen Rechts und Links)?
    Das Absolute ist der Rücken Gottes: der apriorische Gegenstand einer Theologie hinter dem Rücken Gottes.
    Zur Beziehung der Bekenntnislogik zur Scham: War nicht die Islamisierung des Bekenntnisses mit der Durchsetzung des Zölibats verbunden (sowie mit dem Ursprung der Eucharistie-Verehrung, der Konsolidierung der Lehre vom Fegfeuer, mit der Einführung der Ohrenbeichte, insgesamt mit der Übernahme der caesarischen Tradition in Theologie und Kirche und ihrer gesellschaftlichen Entsprechung in der devotio moderna)?
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte der Verinnerlichung der Scham (und somit ein Teil der Geschichte der kirchlichen Sexualmoral).
    Die Konsistenz der Welt geht heute zu Bruch. Es gibt keinen Begriff der Welt mehr, der noch haltbar wäre ohne Reflexion des projektiven Moments in ihm (eines realprojektiven Anteils, dem auf der Erkenntnisseite der Begriff eines objektiven realsymbolischen Anteils entspricht).
    Es sind die Wasser des Thales, die am Ende als Feuer sich erweisen: Das Feuer ist das Ansich des Wassers, nicht der Luft (Typos der Beziehung der Wassertaufe zur Geisttaufe).
    Zur Genesis des Neutrum (Ursprung des Weltbegriffs): Bis zur Kritik des Anthropomorphismus reicht das Streben, die Dinge von jeder Beziehung zum Subjekt zu reinigen, einen Begriff der Objektivität zu etablieren, zu dem das Subjekt nur äußerlich, ohne jede Schuldbeziehung, sich verhalten kann. Aber das im Ursprung Hinauskomplimentierte kehrt am Ende wieder: Hinter den Dingen sind keine Geheimnisse mehr, nur das Subjekt selber, das Selbst, findet sich hinter allem wieder. Dieses Geheimnis der Philosophie hat Hegel ausgeplaudert; und die Vermutung erscheint nicht unbegründet, daß eben das es war, was die Hegelsche Philosophie hat obsolet werden lassen. Nichts ist anthropomorpher als das Absolute: der Schatten, den das Subjekt auf den Namen Gottes wirft, der zur Totalität sich aufspreizende blinde Fleck, das Subjekt, das sich nur noch überall selbst im Wege steht und gegen die einzige Erkenntnis, die diesen Namen tragen darf, ohne das Recht der Dinge zu verletzen: die Gotteserkenntnis, sich verstockt.

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