Justiz

  • 15.5.96

    Die Bekenntnislogik trennt das Erbauliche von der Wahrheit. Das Erbauliche ist das (leere, gereinigte und dann) geschmückte Haus, das offensteht für die Rückkehr der Dämonen. Erkennbar ist das Erbauliche an der Psychologisierung objektiver Vorgänge (an der Vorstellung, die Psalmen ließen sich unreflektiert auf private Erfahrungen und Konstellationen anwenden), an der Neigung zu kontrafaktischen Urteilen, an einem Textverständnis, daß von der Intention des Autors ausgeht („was will uns der Autor damit sagen“) anstatt von der Objektivität sprachlicher Gebilde: von einem Sprachverständnis, das vom Begriff der Information und von der Mitteilungsfunktion der Sprache ausgeht.
    Das Subjekt der Psalmen (und das Objekt der Prophetie) ist nicht eine individuelle Privatperson, sondern Israel (die private „Einfühlung“ in biblische Texte ist erbaulich). Die Austreibung Israels aus der Sprache und aus den Texten kehrt als subjektives Bedürfnis nach der „Gemeinde“ wieder.
    Die Jonas-Texte bei Miskotte sind ein Opfer dieser Erbaulichkeit. Erschreckend, mit welcher Verachtung Miskotte von Jonas spricht; trägt sie nicht allzudeutlich projektive Züge? Ist nicht seine Theologie eine Theologie im Bauch des Fisches, eine Theologie, die vor dem Handgemenge, in das sie sich hätte bei Erfüllung des prophetischen Auftrags einlassen müssen, zurückschrickt und nach Tarschisch flieht? Ist es nicht diese Theologie, der die „Gemeinde“ zur Zuflucht, und d.h. zum Bauch des Fisches, geworden ist? Ist nicht die „Verstockung“ des Jonas ein prophetisches Wort an die Kirche (die Gemeinde)?
    Weshalb erinnert mich das Wort Gemeinde an Behörde?
    Ist nicht das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ein Jonas-Wort? Sind nicht die, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, auch die, die nicht wissen, was sie tun? Und führt dieses Wort nicht ins „Handgemenge“ mit der Welt?
    Zur Geschichte der Verstockung des Herzens: Wenn der Infinitiv Sein mit dem (im Deutschen gleichlautenden) Possessivpronomen der 3. Pers. sing. m. zu tun hat, dann ist die Ontologie die philosophische Grunddisziplin des Patriarchats, aber zugleich auch eine, die nicht mehr weiß, daß sie es ist. Ist nicht Heideggers „Sein zum Tode“ und das „Vorlaufen in den Tod“ die Erfüllung des Worts „Laßt die Toten ihre Toten begraben“, das an einen erging, der, bevor er nachfolgte, erst seinen Vater begraben wollte?
    Das Sein, die Kopula des Urteils, an der schon Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ erkannt hat, ist ein Instrument des Patriarchats: Das Urteil ist nicht zu retten.
    Die Selbsterhaltung bedarf nicht der Rechtfertigung, wohl aber der Reflexion: Die unreflektierte Selbsterhaltung betreibt das Geschäft des Feindes.
    Das Prinzip, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen, läßt sich aus dem Stand der Aufklärung ableiten. Dem entspricht es, wenn das Recht nicht mehr die Tat, sondern das Erwischtwerden diskriminiert, wenn alle Straftatbestände aus Prinzipien der Beweislogik sich ableiten lassen. Ist diese Logik nicht im Prinzip des Strafens begründet? Die Strafe aber setzt an die Stelle der Versöhnung die Sühne, mit der der Staat sich an die Stelle des Opfers setzt: Nicht das Opfer ist das Objekt des Verbrechens, sondern der Staat, und dessen Recht wird nicht durch die Tat, sondern dadurch, daß sie öffentlich wird, verletzt.

  • 6.5.96

    Der Name des Menschensohns erscheint zuerst bei Ezechiel und bei Daniel, er reflektiert bei beiden die Situation im babylonischen Exil. Bei Ezechiel steht er offensichtlich im Zusammenhang mit der Individualisierung der Schuld. Ist dieser (theologische) Begriff des Menschensohns nicht immer mit dem (juristischen) der Person verwechselt worden? Die Individualisierung der Schuld bei Ezechiel bedeutet keine Entlastung (z.B. von der Schuld der Väter), sondern eher einer Verschärfung: Der ezechielische Begriff der Verantwortung schließt auch die für die Sünde des Andern mit ein (vgl. das „dixi et salvavi animam meam“): ein Vorgriff auf Joh 129?
    Der Name des Menschensohn unterscheidet sich vom Begriff der Person wie die Verantwortung von der Zurechenbarkeit: durch den Weltbegriff (und seine exkulpierende Funktion), durch das juristische Prinzip der Nachweisbarkeit (durch die Grenzen der Beweislogik; anders als der Menschensohn gilt die Person als schuldig nicht durch die Tat, sondern nur durch deren Nachweisbarkeit: durchs Erwischtwerden), nicht zuletzt durch ihr Verhältnis zur Gemeinheit: Während der Menschensohn seine moralische Integrität aus der Solidarität mit der Menschheit gewinnt, gewinnt die Person ihre Integrität aus einem strategischen Handlungsbegriff, der darauf abzielt, unter Ausnutzung der Grenzen der Beweisbarkeit die Vorwerfbarkeit von Handlungen auszuschließen. Personalistische Ethiken sind Urteilsethiken, keine Ethiken des richtigen Handelns; deshalb waren alle Wertethiken personalistisch.
    Zu den zehn ägyptischen Plagen: Die Geschichte des Objektivationsprozesses ist die Geschichte der Verstockung, die Entstehungsgeschichte des steinernen Herzens.
    Es ist irritierend, bei Miskotte all die Namen wiederzufinden, die mich in meiner theologischen Phase so verwirrt haben. Was mich ärgert ist, daß er das modische Geschwätz seiner „religiösen“ Kollegen (das Geschwätz, das verschweigt, was wirklich geschehen ist, und eigentlich nur noch als Objekt prophetischer Kritik Beachtung verdiente) ernst nimmt.
    Ist nicht jede Kosmologie, von den Mythen bis zum Urknall, Teil eines durch Verschiebung ins Ästhetische ichfremd und angstfrei gemachten apokalyptischen Gesellschaftsbegriffs? Insbesondere der modernen kosmologischen Konstrukte, die aus hastig zusammengebastelten naturwissenschaftlichen Versatzstücken bestehen, gewinnen ihre Überzeugungskraft nicht aus ihrer naturwissenschaftlichen Konsistenz, sondern aus den gesellschaftlichen Modellen, deren Deckbild sie sind. Hatten nicht schon das Entropiegesetz und die Marxsche Kapitalismus-Kritik eine gemeinsame Basis (deren Nicht-Reflexion dann so verhängnisvolle welthistorische Folgen hatte)?
    Die Privatisierung staatlicher Dienste schränkt die demokratische Kontrolle, die Kontrolle durch Vernunft, ein und ersetzt sie durch die Kontrolle durch die blinden Marktkräfte. Den Müll, den dieses System produziert, soll Verbrechensbekämpfung dann entsorgen. Was bedeutet es, wenn Ökonomie und Justiz auf diese Weise kurzgeschlossen werden; werden so nicht die Voraussetzungen für eine positivistische Rechtspraxis geschaffen, die die Urteilsfindung dann auf ein Verfahren der Konstruktion synthetischer Urteile apriori zusammenschnurren läßt und das Recht – ähnlich wie zugleich auch die Politik – immer mehr dem Verwaltungsverfahren angleicht? Die Kraft des reflektierten Urteils verschwindet im Recht wie in der Politik. Ist dies nicht der Zustand, auf den sich die biblische Geschichte von den zehn ägyptischen Plagen und den Verstockungen des Pharao bezieht?
    Im Exodus ist der Müll, den das Sklavenhaus Mizrajim produziert hat, im Namen Gottes zum befreienden Bewußtsein seiner selbst gekommen.
    Ist nicht jede Gefangenschaft (auch die strafrechtliche) eine Art der Kriegsgefangenschaft, und die „Strafe“ ein nach innen gewendeter Krieg? Deshalb läßt sich das Recht, Krieg zu führen, ohne die Existenz der Todesstrafe nicht begründen.
    Das Gewaltmonopol des Staates ist ein Erbe der Kriege, durch die es einmal begründet worden ist: es ist ein Kriegsrecht. Die Naturwissenschaften wenden dieses Kriegsrecht gegen die Natur; deshalb ist die Reflexion der Naturwissenschaften für den Staat, der die Erinnerung an seinen Ursprung nicht hochkommen lassen darf, so gefährlich.
    Hat das Tier vom Lande (der falsche Prophet) etwas mit der Beziehung von Adam und adama zu tun, und ist der Name des Menschen, auf den die Zahl des Tieres sich bezieht, der Name Adams? Was hat der ben adam mit dem bar enosch zu tun: Ist der ezechielische Menschensohn der ben adam und der danielische der bar enosch?
    17 = 10 + 7; 23 = 30 – 7; und 36?
    Im Englischen gibt es zwei Namen des Himmels, der eine bezieht sich auf den Himmel der Vögel, der andere auf den der Engel. Kann es sein, daß diese Unterscheidung mit der englischen Version des Infinitivs von Sein, mit dem to be, zusammenhängt?
    Ist nicht die Verstockung ein anderer Name für das pathologisch gute Gewissen (ein Sinnesimplikat der Ontologie), das ohnehin seit langem mit der Sündenvergebung und dem christlichen Verständnis der Erlösung verwechselt wird? Verstockung: das ist die Frucht der Opfertheologie und der „Entsühnung der Welt“.
    Das historische Christentum hat ohne es zu wissen die Sünde der Welt auf sich genommen; es käme darauf an, daß es endlich das Bewußtsein davon erlangt, daß es endlich erwacht.

  • 1.5.96

    Kriege haben nach dem Ende des Nationalsozialismus ihre ökonomische raison d’etre verloren. Kriege können heute nur noch als irrationale „heidnische“ Religionskriege geführt werden.
    Die Logik der Vorstellung vom „goldenen Zeitalter“ ist die Logik des Geldes (des „Goldes“), die den Schöpfungsrhythmus umkehrt, das „Gute“ (die Rettung) ideologisch an den Anfang setzt und die Katastrophe ans Ende.
    Der Begriff des Testaments bezeichnet im Ursprung die Besiegelung des Kaufvertrags, der von beiden Seiten zu testieren ist. Zum Testament, und d.h. autoritär, wird er, wenn an die Stelle gleichberechtigter Parteien die einseitige Erbschaftsbeziehung tritt. Dieses Testament bedarf nur noch der Unterschrift des Erblassers, die dann mit seinem Tode wirksam wird. Das Testament gehört zur Vater-Sohn-Beziehung, die autoritär, nicht partnerschaftlich ist.
    Ist nicht die trinitarische Vater-Sohn-Beziehung, in der die Mutter nicht vorkommt, eine Adoptivbeziehung, und ist nicht die „Zeugung“ eine Adoption? Wie hängt das mit der welthistorischen Wendung im Naturbegriff, der im Griechischen auf die Zeugung, im Lateinischen auf die Geburt verweist, zusammen (und mit dem Ursprung des Begriffs der „Materie“, der an die mater, die Mutter erinnert, während die griechische hyle eher an die pharaonische „Verstockung“ gemahnt)?
    Fällt der Schwur rechtsgeschichtlich in die Ursprungsgeschichte der Blutrache? Und hat der Schwur etwas mit dem Siegel (oder der Siegel mit dem Schwur) zu tun (vgl. die Geschichte des Brunnens Beescheba und die Bedeutung seines Namens)?
    Gehören die beiden Elemente des Strafrechts, wonach nicht der Mord, sondern der Mörder bestraft wird, während Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (die Personalisierung und die moralische Grenze der Beweislogik), zusammen, sind sie nicht für die Konstruktion und die Funktion des Strafrechts konstitutiv?
    Ist die Kritik des „altorientalischen Rachegotts“ nicht ein Indiz dafür, daß die Kritiker auf die Befriedigung des eigenen Rachetriebs nicht verzichten wollen? Der Rachetrieb ist ontologisch fundiert: Er hängt mit der die Ontologie fundierenden Weigerung, den Begriff des Eigentums (oder im „Sein“ den Zusammenhang des Infinitivs mit dem gleichnamigen Possessivpronomen) zu reflektieren, zusammen.
    Hat der Ort Kana in Galiläa (der Ort der „Hochzeit zu Kana“, der Ort, von dem Heilung des Sohns des königlichen Beamten ausgeht, und der Ort, aus dem Nathanael, ein „wahrer Israelit“, kommt) etwas mit dem Begriff Kana (Eifer, auch mit Simon Kananaeus, und dieser mit Nathanael) zu tun? Verweist dieser Ort auf die Beziehung Jesu zu den Zeloten? – Was hat die Bezeichnung Nazoräer mit Nazareth zu tun; und was hat es mit Iskariot auf sich?
    „Standort Deutschland“: Die Getreidespekulation, Grundlage des Romans von Frank Norris und der Begründung landwirtschaftlicher Marktordnungen, war eine Zeitspekulation, ihr Kern war das Warentermingeschäft, die Terminspekulation. Sind nicht die Geldspekulationen heute vor allem Währungsspekulationen, die in den unterschiedlichen Inflationsraten der nationalen Währungen und in den daraus resultierenden Währungsgefällen gründen: letztlich in den divergierenden Handelsbilanzen, in den Mechanismen der nationalen Konkurrenz, die den Kolonialismus abgelöst und weit effektiver ersetzt haben? Rühren nicht die Probleme der Agrarmarktordnungen, ihr ökonomisches Umkippen, aus diesem Sachverhalt: aus dem Eindringen der Geldspekulation in die Getreidespekulation, die dann im Rahmen einer Marktorganisation nicht mehr aufzufangen war; und läßt sich der Zeitpunkt dieses Umkippens nicht genau bestimmen, ebenso wie seine politischen Folgen
    – das Scheitern der „Entwicklungspolitik“,
    – die Explosion des Bankengeschäfts und die Schuldenkrise der Dritten Welt,
    – das roll back des Neoliberalismus (der „Marktwirtschaft“),
    – die fortschreitende Ersetzung der Politik durch Verwaltung, in der die Gewalt der entfesselten Ökonomie (national und international) sich ausdrückt,
    – der Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten,
    – der Abbau des „Sozialstaats“,
    – das Flüchtlingsproblem und seine gnadenlose Regulierung.
    Zur Geldspekulation scheint es keine den (anfänglich durchaus wirksamen) Regelungen der Agrarmarktordnung entsprechenden Lösungen zu geben? Wodurch unterscheidet sich die Geldspekulation von der Getreidespekulation, aus der sie hervorgegangen ist?
    Verweist nicht das Problem der Geldspekulation, das an seinen ökonomischen Folgen zu messen ist, zurück auf die „außenpolitische“ Ursprungsgeschichte der politischen Ökonomie: auf den Zusammenhang von Raub, Handel und Krieg; Ursprung des Staates: Ursprung der Warenform im Fernhandel (Außenhandel, Krieg und Eroberung, Beute, Tribut, Kriegsgefangene, Deportation und Sklavenwirtschaft, Schatzgeld und Zirkulationsgeld; Privateigentum, Tausch und Schuldknechtschaft; pax romana: Recht als Sicherung des Privateigentums.

  • 30.4.96

    Das Christentum hat mit der Rezeption des Weltbegriffs den Rhythmus der Schöpfung umgekehrt: Es hat die Rettung an den Anfang und die Katastrophe ans Ende gesetzt. Aber hat nicht, der das Licht gebildet hat, zuvor die Finsternis erschaffen? Der Weltbegriff gründet in der Logik einer Sprache, in der das Vergangene das Vollendete ist, und in der das Vollendete nicht im Handeln, sondern dem Anschauen (dieser wissensbegründenden Einheit von Sehen und Gesehen-Haben) gegeben ist. Im Ursprung des Weltbegriffs liegt der Begriff des Wissens, die Logifizierung des Gesehenhabens. Das Anschauen (und in seiner Folge der Welt- wie auch der Naturbegriff) ist das institutionalisierte falsche Zeugnis. Deshalb gehört die Vorstellung des Zeitkontinuums, Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, zu den Voraussetzungen des Weltbegriffs. Ihren logischen Halt findet das Zeitkontinuum an der mathematischen Raumvorstellung. War nicht die Astrologie ein notwendiges Moment in der Vorgeschichte der Aufklärung in Europa, und zwar dadurch, daß sie (in den Beziehungen von Sonne und Mond, Jupiter und Mars, Venus und Merkur) den Schöpfungsrhythmus von Katastrophe und Rettung als reversibel vor Augen gestellt und damit seine Umkehrung vorbereitet hat? Nach jeder der neun ersten Plagen, heißt es, daß Gott das Herz des Pharao verstockte. Kann es sein, daß die Folge dieser Herzensverhärtungen verstanden werden muß als Ursprungsgeschichte des Herrendenkens? Sollte die Geschichte der ägyptischen Plagen unter diesem Gesichtspunkt nicht genauer untersucht werden, auch unter Berücksichtung der Umstände (welchen Gottesnamen zitiert Moses gegenüber Pharao, welche Plagen werden dem Pharao angekündigt, welche nicht, wie verhalten sich die Wahrsager und Zauberer des Pharao, wie unterscheiden sich die Plagen)? In welcher Beziehung stehen die ersten neun zur letzten Plage, zur Vernichtung aller Erstgeburt bei Mensch und Vieh in Ägypten, zum vorausgehenden Passah-Opfer und Passah-Mahl (Lamm, Fladen, Bitterkräuter) und zur Mitnahme des Schmucks und der Kleider der Ägypter? „Der Herr verstockte das Herz des Pharao“: Verweist der biblische Name Ägyptens (Mizrajim) auf die Ursprungsgeschichte der Trennung von Natur und Welt und auf den Grund des verstockten Herzens, und sind die Plagen die mit dieser Trennung verbundenen und durch sie (durch das dadurch erzeugte pathologisch gute Gewissen) zugleich unkenntlich gemachten Plagen: ist der Pharao der Prototyp derer, die den Herrn gekreuzigt haben und nicht wußten, was sie tun? Haben die zehn Plagen etwas mit den zehn Hörnern (des Drachens und des Tiers aus dem Meere) zu tun: Sind die Hörner (auch die der Opfertiere) nicht Verstockungen des Herzens (wie die zehn Verstockungen des Herzens des Pharao)? Was bedeutet es dann, wenn das Lamm, das geschlachtet wurde, und das würdig ist, die sieben Siegel zu lösen, sieben Hörner hat, während das Tier vom Lande zwei Hörner hat wie ein Lamm und redet wie ein Drache? Sind nicht die Umstände der zehn ägyptischen Plagen wichtiger als die Plagen selbst (der Nil, der zu Blut wird und aus dem die Frösche kommen; der Staub, der zu Mücken wird etc.; auf wen Moses gegen Pharao sich beruft: auf den Gott der Hebräer; auf JHWH, den Gott der Hebräer; „in der Frühe, wenn der Pharao zum Wasser geht“; der Hinweis auf das „Scheusal Ägyptens“). Gehört die Abfolge der pharaonischen Verstockungen zu den Konstituentien des Weltbegriffs? Spiegelt sich in der Verstockung des Pharao (von dem es vorher hieß, daß er Josef nicht mehr kannte) nicht die Josefsgeschichte (die als Karrieregeschichte, mit einer sentimentalen Wiedersehensgeschichte am Ende, sich präsentiert: auch eine Verstockungsgeschichte, hinter der die ökonomische Geschichte verschwindet)? Haben die zehn Sephirot etwas mit den zehn Hörnern und den zehn Plagen zu tun? War David der siebte (1 Chr 215) oder der achte Sohn des Isai (1 Sam 1610, 1712)? Die ungeheure Bedeutung der Kritik der reinen Vernunft liegt darin, daß sie die Logik, ohne ihren Zwang zu leugnen, erstmals zum Gegenstand der Reflexion gemacht hat. Es ist der erste Versuch, die Blindheit der Logik, die uns beherrscht und lähmt, durch Reflexion aufzuheben. Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Blick der Andern, machen sich ihn aber (im gemeinsamen Blick aufs Objekt) als systemische, die Form der Anschauung konstituierende Kraft zu eigen. Sie vergesellschaften und verinnerlichen die Zeugenschaft des Andern, indem sie sie in die Form des Anschauung integrieren. Die Formen der Anschauung sind das Produkt der Verweltlichung des Schwurs. Und dieser Schwur ist falsch (falsches Zeugnis). Es gibt einen Schrecken, den wir nur in kleinen Dosen an uns herankommen lassen können. Aber wenn er uns erreicht hat, bleibt nur der Spruch des Jonas: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört. In der Justiz sind synthetische Urteile apriori bewußt produzierte Irrtümer. Auch das hat etwas mit den Planeten zu tun, und mit dem Systemgrund der Astrologie. Zur Kritik des Zeitkontinuums: Nicht die geometrische Normale, sondern die Farbe bezeichnet die Tiefendimension der Fläche.

  • 24.4.96

    Zwischen Theorie und Praxis, zwischen Kopf und Hand, liegt die ganze Welt. Deshalb sind wir nicht Herr über die vegetativen Vorgänge in uns.
    Der historische Objektivationsprozeß, der in den Weltbegriff mit eingebaut ist, ist die logische Grundlage des Personbegriffs.
    Der letzte Satz des Jakobus-Briefs ist eine Radikalisierung des Ezechiel-Worts „dixi et salvavi animam meam“.
    Kant-Seminar: Steckt nicht in der Meldung (FR von heute), daß das Frankfurter Oberlandesgericht die Ladung von Steinmetz als Zeuge abgelehnt hat, weil „sein Wissen für die Entscheidung des Gerichts unerheblich“ sei, der Schlüssel zu dem ganzen Verfahren: Dieses Gericht weiß ohnehin eh schon alles und möchte sich durch Zeugen, auch durch den einzigen Zeugen der Vorgänge von Bad Kleinen, nicht verunsichern lassen? – Das Faszinierende dieses Prozesses ist es, daß er es den Beobachtern ermöglicht, real der Konstruktion eines synthetischen Urteils apriori beizuwohnen.
    Hängt die Exodus-Geschichte mit dem Schöpfungsbericht zusammen? Das Sabbat-Gebot bezieht sich auf beide. Hat außerdem der Durchzug durchs Schilfmeer vielleicht etwas mit dem zweiten Schöpfungstag, der Trennung der Wasser durch die Feste des Himmels, zu tun?
    Nephesch, der biblische Name der Seele, auf den bei dem Verbot, Blut zu vergießen oder gar zu essen, verwiesen wird, hängt mit dem Aufatmen zusammen (vgl. die bei Veerkamp, in dem Sammelband „… so lernen die Völker des Erdkreises Gerechtigkeit“, zitierten Stellen über das Aufatmen Davids, der Sklaven und des Viehs und schließlich Gottes). Ist nicht der Inbegriff dieses Aufatmens der Geist, und atmet Gott nicht in uns auf?
    Die Apokalypse ermißt die Distanz zwischen den Völkern und dem Sabbath. Die Braut, das „himmlische Jerusalem“, ist Israel.
    Sind es die Knechte und Mägde, die „rechts und links nicht mehr unterscheiden können“?
    Hat nicht das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit den Begriff „Lichtjahre“ schon widerlegt, ehe er erfunden wurde? Aber dieser Begriff Lichtjahre stützt das Konzept der Tiefenzeit, ohne das die Naturwissenschaften ihren Rechtfertigungsauftrag, den sie dem Bestehenden schuldig sind, nicht erfüllen können.

  • 3.4.96

    Das Fernsehen ist die ironische Erfüllung der Idee der seligen Anschauung Gottes.
    Eine Theologie im Angesicht Gottes läßt sich nur noch aus dem imperativischen Charakter der Attribute Gottes begründen. Wenn die Theologie aufhört, sich als Theologie hinter dem Rücken Gottes zu begreifen, wird das Geschwätz aufhören: die Intrige, das Reden über andere hinter ihrem Rücken.
    Das aber wäre auch das Ende einer Theologie, die die Schrift nur noch projektiv, mit Hilfe der Logik des Schuldverschubsystems, verarbeitet. Das projektive Moment, die Logik des Schuldverschubsystems, steckt als ein konstitutives Moment im Begriff der Realität heute, die nur noch unter Zu-Hilfe-Nahme der Theologie (als Reflexion und Kritik des Schuldverschubsystems) noch zu durchdringen ist.
    Widerlegung des Begriffs der „objektlosen Angst“: Die Fähigkeit, die Angst zu reflektieren, hängt zusammen mit der Fähigkeit, die Schuld zu reflektieren. Rosenzweigs Anfang mit der Todesfurcht steht in logischem Zusammenhang mit dem Satz, daß nur, wer die Last auf sich nimmt, sich von ihr befreit.
    Zu den Dingen, die der raf vorzuwerfen sind, gehört nicht zuletzt, daß sie sich bewußtlos zum Agenten des Staatsterrorismus, den sie zu bekämpfen glaubte, hat machen lassen (die Herrschenden kennen keine Solidarität und keine Trauer: der Tod Schleyers hat nur eine attraktive Stelle freigemacht).
    Die Vorstellung einer Natur, die die Menschheit überleben wird, ist ein Spiegelbild des Kapitalismus.
    Als Schelling die Weltalter schrieb, hatte – so darf vermutet werden – das Verb „ahnden“ sicher schon die gleiche strafrechtliche Bedeutung, die es auch heute noch hat. Daß „die Zukunft geahndet“ wird, wie es im ersten Satz der Weltalter heißt, ist aber nicht nur die Folge einer Verwechslung des Ahndens mit dem Ahnen, sondern gehorcht einer bewußtlosen Logik, die ihren Grund in der Fichteschen Identifizierung der Philosophie mit der Wissenschaft hat. Die geahndete Zukunft ist die durch Subsumtion unter die Vergangenheit, unter den Begriff und die Logik des Wissens, verurteilte Zukunft, eine Zukunft, die die Zeche zu zahlen haben wird.
    Ist nicht das Horkheimer-Wort: Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen, heute (nach Auschwitz) zu radikalisieren: Wer die Auferstehung leugnet, sollte von der Utopie schweigen?
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Herrschaft über den Himmel (der dadurch vermittelten Vergesellschaftung von Herrschaft: die antike Astronomie hat dazu beigetragen, Herrschaft zu begründen, die kopernikanische Wende, der himmlische Reflex des Ursprungs des Kapitalismus, hat sie vergesellschaftet).
    Wenn Name und Begriff durch ihre Beziehung zur Schuld sich unterscheiden, worauf beziehen sich dann das „Bekenntnis des Namens“ und die „Heiligung des Gottesnamens“?
    Ist die Samson-Geschichte im Buch der Richter nicht auch eine prophylaktische Ironisierung der Jesus-Geschichte (vgl. z.B. die „Verkündigung“ der Geburt an die Mutter, die Rolle des Vaters und den „Opfertod“ am Ende)? Wird nicht das Moment der Ironie im Buch der Richter überhaupt erst erkennbar im Kontext der Reflexion und Kritik von Herrschaft, mit der Heraustreten aus dem autoritären Bann (der u.a. unser Bibel-Verständnis ans nationalistische Apriori, das aber heißt: an den Historismus, bindet und den Blick auf das, was im Ernst Offenbarung heißen darf, verstellt)?
    Zu den letzten Kapitel des Buchs der Richter vergleiche die anderen biblischen Stellen zu Pinchas, Sohn des Eleazar, und zu Jabesch-Gilead.
    Beerscheba: Was haben der Schwur und die („heilige“) Zahl sieben mit einander zu tun? Vgl. hierzu Lillian R. Klein, S. 186 (shaba: to swear; to seven oneself, or bind oneself by seven things, Brown-Driver-Briggs-Gesenius: Hebrew/Aramaic Lexicon, 1979, p. 989).
    Die Justiz fördert den Rachetrieb und verhindert die Schuldreflexion. Deshalb bedarf das Recht des Schwurs.

  • 7.3.96

    Wer den Terrorismus aufarbeiten will, muß den Schrecken aufarbeiten, aus dem er hervorgegangen ist. Auf keinen Fall aber sollte man die Urheber des Schreckens zu Richtern über ihre Opfer machen. Spielt hier nicht der Modernisierungsprozeß, der der Faschismus auch war, mit herein: Was im Faschismus naturwüchsig war (das „gesunde Volksempfinden“), ist zu einem technischen Instrument geworden: zum Rechtspositivismus.
    Ist nicht die gegenwärtige ökonomische Entwicklung die höhnische Verwirklichung dessen, was Marx einmal intendiert hatte. Auch die Privatisierung ist eine Form der Vergesellschaftung. Der Staat ist längst abgestorben, er weiß es nur noch nicht: er verrottet und verfault.
    Die Erfahrung, aus der der verzweifelte Genius der Kritischen Theorie hervorgegangen ist, daß nämlich das Proletariat nicht mehr das Subjekt der Revolution ist – eine Erfahrung, die bis zu Marcuse die Reflexion durchzieht und beherrscht -, gründet in diesem Sachverhalt. Sie hängt zusammen damit, daß die subjektlose Form der Vergesellschaftung der Produktionsmittel Teil einer allgemeinen Proletarisierung ist: Auch die, die an den Hebeln der Macht sitzen, sind Lohnabhängige. Die Ökonomie ist der Feuerofen, in dem die Barmherzigkeit verbrennt; und das Leiden daran wird solange der Grund des Faschismus bleiben, wie es sich nicht selbst begreift, wie es nur den Weg der projektiven Verarbeitung kennt.
    Georg Büchners Frage: Was ist das, was in uns mordet, stiehlt, hurt und lügt, drückt das aufs genaueste aus. Gibt es noch eine Möglichkeit, dieses Marionettenspiel, in dem wir nur noch Puppen in den Händen und an den Fäden einer subjektlosen Regie sind, zu begreifen?
    Der strafrechtliche Tatbestand des Mords läßt sich aus dem mosaischen Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht ableiten. Der Mord ist kein Tat-, sondern ein Täterdelikt: Strafrechtlich verfolgt wird der Mörder, nicht der Mord, verfolgt wird die Person, die sich ein Recht anmaßt, das der Staat als sein eigenes begreift und um keinen Preis aufgeben kann, an dem er sein Monopol nicht aufgeben will und auch nicht kann: das Recht zu töten. Der biblische Gründungsakt des Staates ist der Brudermord Kains an Abel. Jürgen Ebach hat darauf hingewiesen, daß der Fluch „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“ ein sprachliches Echo hat in der Jotham-Fabel, in der Charakterisierung der „wurzellosen“ Königsherrschaft „Soll ich … hingehen, über den Bäumen zu schweben?“ (J.Ebach: Ursprung und Ziel, S. 59) Kain ist der Gründer der ersten Stadt, der er den Namen seines Erstgeborenen (Henoch!) gibt (Gen 417), während zur Zeit, da der Erstgeborene Seths geboren wurde, erstmals der Name Gottes angerufen wird (Gen 426).
    War das Ziel des historischen Objektivationsprozesses die Neutralisierung der Prophetie (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Neutralisierung der vergangenen Zukunft)? Ist der Historismus aufgrund seiner eigenen Logik antisemitisch?
    Der Begriff der Gesinnung gehört zu Bekenntnislogik; jede Gesinnung ist nationalistisch (wohlgesonnen ist in allem das Gegenteil von national gesinnt).
    Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang von Sonne und Sinn (gesonnen/gesinnt, Sinnlichkeit)? Ist die Feminisierung der Sonne im Deutschen in dieser sprachlichen Konstellation begründet (Reflex des männlich-heroischen Sinns)?
    Ist nicht die Suche nach dem Sinn der Versuch, der zweiten Natur eine Sonne einzubilden? Der Sinn lebt (wie die Gesinnung) von der Bekenntnislogik, die ebenso zwangshaft wie vergeblich versucht, sich als Zentrum zu etablieren.
    Hat das lateinische sol etwas mit solus zu tun; welche Wurzeln hat helios; steckt im hebräischen schemesch schem, der Name? Und gibt es neben Sonne/Sinn auch die Beziehung von Sonne und Sohn (vgl. im Englischen son und sun, aber auch sin, die Sünde)?

  • 5.3.96

    Der Indikativ, das Wissen und die Gewalt: Gestern gab Birgit Hogefeld zu den Pressemeldungen über den suspendierten BKA-Beamten, der gegen das BKA den Verworf erhoben hat, Akten, die Klaus Steinmetz belastet und Birgit Hogefeld entlastet haben sollen, unterdrückt und vernichtet zu haben, eine Erklärung ab, die sehr deutlich von ihren bisherigen Prozeßerklärungen sich unterschied. Zum erstenmal war, so mein Eindruck, so etwas wie ein RAF-Ton zu vernehmen. Während ihre bisherigen Erklärungen vorrangig ihre eigenen Motive (weshalb sie sich der RAF angeschlossen hat) und Positionen (Verurteilung der Ermordung des GI’s Pimental) zum Gegenstand hatten und in der Sprache der Reflexion vorgetragen wurden, versuchte sie hier, die in den Pressemitteilungen bekanntgewordenen Fakten einzuordnen und zu interpretieren, das jedoch in der Sprache des Indikativs, in einem Ton, der nach außen „Wissen“ demonstrierte, in einer Sprache, die leicht als Echo der Sprache des Staatsanwalts sich identifizieren ließ. (Dieser staatsanwaltliche Indikativ ist reflexionslos, er bricht den Dialog ab, läßt nur noch den Weg der Gewalt offen, der „Bestrafung“.) Steht diese Änderung des Tons in Zusammenhang mit dem Besuch von Antje Vollmer, war sie die Reaktion auf den Senatsbeschluß zur Verlegung von Monika Haas in ein Gefängniskrankenhaus? Vgl. hierzu die Ankündigung eines Hungerstreiks, gemeinsam mit Eva Haule.
    Staatsschutzprozesse, Verwaltungsentscheidungen, der Indikativ und die RAF: Sind die sprachlichen Formen, in denen sie sich ausdrücken, nicht allesamt Formen des „kurzen Prozesses“: des Verzichts auf Reflexion, des bestimmenden Urteils (des synthetischen Urteils apriori)? In jedem Falle ist der, über den das Urteil, die Entscheidung ergeht, bloßes Objekt. Das „Wissen“, das in diesen Sprachformen sich ausdrückt (und das den gleichen logischen Anspruch erhebt wie die wissenschaftliche Erkenntnis, in deren logischen Kontext auch das Dogma gehört), läßt grundsätzlich keinen Einspruch mehr zu.
    Ist nicht das Konstrukt des stellvertretenden Opfers das logische Modell eines Staates, der seinen Bürgern (in den Kasernen, Knästen, Irrenhäusern und Schulen) die Drecksarbeit abnimmt? Wenn der Staat für Ordnung sorgt und durchgreift, kann der Bürger in seinem privaten Bereich verständnisvoll und voller Mitleid sein. Nur daß es auch wiederum Bürger sind, die für den Staat die Drecksarbeit tun, für die der Staat dann allerdings die Verantwortung übernimmt, wobei er zugleich diese Bürger vor dem Vorwurf in Schutz nimmt, ihre Arbeit sei Drecksarbeit. Dafür erwartet er dann ihren Dank. Der Staat ist das Instrument der Vergesellschaftung einer Sündenvergebung, die der Reue und der Umkehr nicht mehr bedarf (der apriorischen „Rechtfertigung“ der Sünde, die in seinem Namen getan wird).
    Ist das Sklavenhaus Ägypten nicht auch der Eisenschmelzofen (Dt 420, 1 Kön 851, Jer 114, vgl. auch Ez 2220), und sind dem nicht die subjektiven Formen der Anschauung vergleichbar, die den Indikativ erzwingen?
    Der RAF-Ton ist der verbitterte Indikativ, aber ist nicht die Verbitterung von der Erbitterung zu unterscheiden? Erbittert ist, wer am Ziel festhält und sich dabei nicht verbittern läßt. Der Verbitterte hat schon kapituliert.
    Der „Glaube an das Gute im Menschen“ ist naiv, er wäre zu ersetzen durch die Lehre vom Feuer (vgl. den Eisenschmelzofen).
    Ist nicht das Bekenntnis des Namens das christliche Äquivalent des Tempels: der das Haus des Namens Gottes war? Das reale Bekenntnis des Namens ist die Nachfolge, die in den Bereich hineinreicht, den die Theologie seit je ausgeblendet hat. Ist nicht das Dogma das Instrument dieser Ausblendung (der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Früchte trägt)?
    Die Theologie im Angesicht Gottes zielt ab auf die Heiligung des Namens, sie holt das Feuer vom Himmel, von dem er wollte, es brennte schon.
    Es ist schlimm, aber der Indikativ der RAF ist die Fortsetzung des Stammtischs mit anderen Mitteln: die Anwendung des Vorurteils, das seit je terroristisch war, auf die Quelle des Vorurteils, den Staat.
    Der Indikativ ist die Sprache der Verbitterung; verbittert aber wird, wer an dem Schmerz der Erbitterung verzweifelt.
    Die Kopenhagener Schule hat die moderne Physik wieder in den Indikativ (in die Herrschaftsform des Inertialsystems) zurückübersetzt, sie braucht die Gewißheit, sie scheut das Feuer. War nicht Weizsäckers Theorie der Energieerzeugung in der Sonne das Werk eines Staatsanwalts? Und stehen nicht alle physikalischen Theorien mit kosmologischem Anspruch seitdem in dieser Tradition (der Urknall, die schwarzen Löcher, das „expandierende Weltall“)?
    „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht runken ist“: Die dogmatische Tradition, die bis in die modernen Naturwissenschaften hineinreicht, verdrängt diesen Taumel, sie verdrängt ihn nach innen, sie verwirrt. Die Flucht vor dieser Verwirrung endete im Positivismus. So hängen der Indikativ des Anklägers und die diabolische Verwirrung (der Taumelkelch) mit einander zusammen.
    Lassen sich Strafprozesse nicht danach unterscheiden, wem jeweils Narrenfreiheit gewährt wird? In RAF-Prozesse sind es die Ankläger, während im Auschwitzprozeß die Verteidiger dieses „Privileg“ hatten.
    Die Unterscheidung der Narrenfreiheit des Anklägers (im RAF-Prozeß) von der des Verteidigers (im Auschwitz-Prozeß) hat etwas mit der Unterscheidung von Satan und Teufel zu tun. Und gründen nicht beide Formen der „Narrenfreiheit“ im logischen Problem des Beweises, sind nicht beide Instrumentalisierungen des Verfahrens der Beweisumkehr?
    Läßt sich der Indikativ (und mit ihm die sprachlogische Form der indoeuropäischen Grammatik insgesamt, insbesondere das Neutrum und der Kernbestand der indoeuropäischen Formen der Konjugation, das Präsens und das Präteritum) nicht als Instrumentalisierung des Verfahrens der Beweisumkehr begreifen? Und ist das nicht die sprachlogische Wirkung der subjektiven Formen der Anschauung, die erstmals Kant in der Antinomie der reinen Vernunft ins Licht gehoben hat? Ist diese Beweisumkehr nicht der innere Motor des Taumels (das Gesetz der Beziehung von Begriff und Gegenstand unter der Herrschaft der subjektiven Formen der Anschauung, das sprachlogische Wertgesetz)?
    Blut und Boden: Als Kant die Achtung vor dem Geld aus der Vorstellung, was man damit machen könnte, ableitete, war das Geld noch in erster Linie ein Produktionsmittel, aber nur in Ansätzen eines der Subsistenz; dazu ist es erst in unserer Zeit geworden. Heute ist aus dem Fundament, auf das die Menschen einmal ihr Haus gebaut haben, der Schlund geworden, der sie verschlingt. War der Faschismus, und war insbesondere Auschwitz nicht der Versuch der projektiven Verarbeitung dieser Erfahrung?
    Steckt in der kantischen Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises (in dem Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Geld in meinem Beutel und dem nur gedachten Geld) nicht schon eine Ahnung des ökonomischen Bruchs, der in seiner Philosophie bewußtlos (als Erkenntniskritik) sich ausdrückt?

  • 3.3.96

    Zum Brief von Antje Vollmer/Felix Ensslin: Der Verzweiflung die Mahnung auf den Weg mitzugeben „Verhärtet euch nicht“ ist zynisch (insbesondere wenn die Vermutung zutrifft, daß die hier Angeklagte zu denen gehört, die in der RAF zur Auflösung der Verhärtung beigetragen hat, und wenn die Befürchtung begründet ist, daß sie allein wegen ihrer Weigerung, sich als Kronzeugin zur Verfügung zu stellen, verurteilt werden sollte).
    Dieser Prozeß ist nun wirklich alles andere als ein Dialog (Erklärungen der Angeklagten werden nicht zur Kenntnis genommen, bewußt und gezielt fehlinterpretiert, Fragen der Verteidigung an Zeugen und Beweis-Anträge, die darauf abzielen, die Vorgänge in Bad Kleinen (die Grundlage der Anklage sind) aufzuklären, werden unterbunden, abgelehnt. Der Eindruck, daß die Angeklagte als Feind und nicht als Angeklagte wahrgenommen wird, gründet u.a. in der offenkundigen Unterbindung jedes dialogischen Elements in der gesamten Verfahrensführung durch das das Verfahren beherrschende Gericht, das es nicht mehr für nötig hält, den Eindruck, Herr des Verfahrens sei die Bundesanwaltschaft, zu vermeiden.
    (Das poker-face der „Persönlichkeit“, die „über der Sache“ steht, weil sie sich nie in die Sache eingelassen hat.)
    Paßt hierzu nicht das Wort aus dem Lukas-Evangelium von der Bekehrung der Väter zu ihren Kindern?
    Zum Begriff der Sünde: Die Abstraktion vom Gegenblick, die zu den Konstituentien der subjektiven Formen der Anschauung gehört, kehrt als subjektloser Blick der Welt wieder. Dieser subjektlose Blick der Welt ist es, der den Raum nach allen Seiten ins Unendliche öffnet (das kopernikanische System begründet).
    Das Theologumenon der „Entsühnung der Welt“ ist die theologische Verführung zum Konformismus. Es ist zugleich Teil der Gottesfurcht-Vermeidungs-Strategie, die die Theologie hinter dem Rücken Gottes begründet, und die Begründung des Schuld-Verschub-Systems, das im Christentum immer wieder mit der Sündenvergebung verwechselt worden ist.
    Zwei Dinge, die schwer auseinander zu halten sind: die persönliche und die moralische Verletzlichkeit.
    Ich wünschte mir eine Theologie wie auch einen politischen Diskurs, die endlich aus den Rechtfertigungszwängen sich befreien.
    Subjektlosigkeit ist Herzlosigkeit. Deshalb gründet die Autonomie in der Barmherzigkeit.
    Anmerkung zur Bekenntnislogik: Es gibt kein Bekenntnis ohne Feindbild, ohne Ketzerverfolgung und ohne Frauenfeindschaft. Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff; hängt es nicht damit zusammen, wenn Juden an sich schuldig waren, während für Ketzer und für Hexen das Prinzip der Beweisumkehr galt: ihnen brauchte die Schuld nicht nachgewiesen zu werden, sie mußten, wenn sie in Verdacht geraten waren, ihre Unschuld beweisen (nach der gleichen Logik war das Gegenstück zum Confessor die Virgo; und deshalb ließ der Name der Büßerin für Maria Magdalena den Umkehrschluß zu: Sie muß es wohl schlimm getrieben haben).
    Wie hängt diese Konstellation (Feind, Ketzer, Hexen und deren Beziehung zur Beweislogik) mit der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere mit der Selbstbegründung der Form des Raumes, zusammen (das Objekt ist das neutralisierte Feindbild, Repräsentant des an sich Schuldigen)?
    Was bedeutet es eigentlich, wenn niemand mehr etwas dabei findet, daß im Bereich des § 129a die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten (durch entsprechende Gestaltung der Haftbedingungen, durch restriktive Besuchsregelungen, durch Überwachung der Post und durch Behinderung des Verkehrs mit den Verteidigern) weitestgehend eingeschränkt werden, während gleichzeitig den Ermittlungs- und Anklagebehörden ein Riesenapparat, den niemand mehr kontrolliert, und dessen Arbeit selbst im Strafprozeß, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit ins Beweisverfahren mit einfließen, gegen den Einblick der Verteidigung durchs Gericht abgeschirmt wird, zur Verfügung steht? Geführt werden diese Prozesse von „Staatsschutz“-Senaten, also von politischen Gerichten, zu deren Aufgabe es dann aber zugleich gehört, ihre eigene Grundlage zu verleugnen. Es gehört zu den praktischen Prämissen des Verfahrens, daß die subjektive Dimension der angeklagten Handlungen (z.B. die wirklichen Ziele und Motive der Angeklagten) strikt ausgeblendet bleibt. So gerät das Verfahren unterm Zwang seiner eigenen Voraussetzungen in eine Engführung der Sachverhaltsermittlung, der Beweiserhebung und der Gesetzesanwendung, die nur noch die reine Objektbeziehung zur Angeklagten zuläßt (sie nicht durch die „Gesinnung“ der Richter, sondern durch die eigene Logik des Verfahrens, zum „Feind“ macht), ein gerechtes Urteil aber von vornherein ausschließt. Oder, um die Sprache von Frau Dr. Vollmer aufzunehmen: Ist es nicht diese „Logik des Verfahrens“, die zu den Verhärtungen beiträgt, die den Dialog so unendlich erschweren, wenn nicht ausschließen? Bekommt der Hinweis auf die Notwendigkeit des Dialogs angesichts dieses Verfahrens nicht einen zynischen Klang?

  • 20.2.96

    Verrottung des Staates: Der deutsche Staat hat den Sieg als Basis. Deshalb konnte er den Versailler Friedensvertrag nicht ertragen, und deshalb hat es nach dem Zweiten Weltkrieg einen Friedensvertrag überhaupt nicht mehr gegeben, dafür das Wirtschaftswunder, das die faschistische Weltherrschaft auch nach der militärischen Niederlage als ökonomische noch als reales Ziel vor Augen hatte, während auf der Seite der Sieger die westlichen Mächte den Sieg mit dem Verlust der Kolonien bezahlen mußten, die östliche Siegermacht mit dem Zerfall der Herrschaftsinstitutionen. Der Zerfall sowohl des Kolonialsystems als auch der Sowjetmacht verdankt sich der gleichen Ursache:
    – Die unmittelbare Kolonialherrschaft wurde überflüssig, als nach der Globalisierung des Marktes sich herausstellte, daß die ökonomischen Zwänge (die „Sachzwänge“) das Gleiche, ohne die Hilfe unmittelbarer politischer Herrschaft, nur noch sehr viel effektiver, zu leisten vermochten.
    – Die Grundlage der Sowjetmacht: das Konzept eines Sozialismus in einem Lande, seiner nationalistisch eingeschränkten Realisierung, zerfiel zwangsläufig mit dem Zerfall der nationalen Souveränität in der politischen Explosion des Faschismus; sie zerfiel zwangsläufig an der blinden Gewalt der Ökonomie (der anorganischen Gestalt politischer Macht).
    Was bedeutet das im Hinblick auf die Prozesse der inneren Verrottung der Staaten (Neoliberalismus, Sieg der Verwaltung über die Politik und Angleichung des Rechts an die Verwaltung: positivistisches Rechtsverständnis).
    Ein Vertreter der BAW im Hogefeld-Prozeß, der die Kategorien „möglich“ und „nicht auszuschließen“ (die affirmative Möglichkeit und die doppelte Negation in dem Ausdruck „nicht auszuschließen“) nicht unterscheiden kann, hält gleichwohl eine Beweisantrag der Verteidigung für nicht zulässig, weil er auf den Nachweis einer „negativen Sachbehauptung“ abzielt: Mit dieser Logik werden die Behauptungen der Anklage einfach unwiderlegbar, und auf dieser Basis wäre in der Nazizeit auch ein Antrag abzulehnen gewesen, der den Nachweis hätte erbringen sollen, daß Juden „keine Angehörige einer minderwertigen Rasse“ sind.
    Als sich auf sich selbst beziehende Subsumtionslogik ist der Raum die Form der Äußerlichkeit und das Instrument der Konstituierung des Objekts, seiner Apriorisierung (vgl. die Bedeutung und Funktion der Orthogonalität).

  • 19.2.96

    Der Verdacht drängt sich immer mehr auf, daß im Bereich der Staatsschutz-Verfahren Leute, die in der Lage wären, zur Aufklärung kritischer Sachverhalte beizutragen (wie z.B. Klaus Steinmetz oder Frau Andrawes), vorsorglich unter Anklage gestellt werden, um
    – entweder ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, von ihrem mit der Anklage gegebenen Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen zu können,
    – oder aber der BAW ein Druck- und Erpressungsinstrument gegen sie an die Hand zu geben: Wenn Du aussagst, wirst Du die Folgen zu spüren bekommen.
    Synthetische Urteile apriori oder der Unzuchtsbecher: Das normale Verfahren, zu einer Entscheidung zu kommen, ist es, einen Sachverhalt so genau zu analysieren, daß die Entscheidung aus der Analyse der Sache selbst sich ergibt. Ist nicht das Verwaltungsverfahren (und in Analogie dazu das Beweiserhebungsverfahren in Staatsschutzprozessen) heute in der Regel umgekehrt: Die Entscheidung ist vorgegeben, an die Stelle der Sachverhaltsermittlung aber tritt die nachträgliche Rechtfertigung (Begründung) der vorgegebenen Entscheidung (des Urteils)? Ankläger und Richter in Staatsschutzverfahren aber scheinen ihre Aufgabe nicht nur darin zu sehen, ein vorgegebenes Urteil (ein Vorurteil) nachträglich zu rechtfertigen, sondern dieser nachträglichen Rechtfertigung den Schein einer vorurteilslosen Sachverhaltsermittlung und -feststellung zu geben.
    Urteile in RAF-Prozessen sind keine bloßen Urteile mehr, sondern selber bereits Strafen: Sie zielen auf Existenz-Vernichtung.
    Im Strafrecht hat die Strafe die gleiche synthetisierende und apriorisierende Funktion, die in der transzendentalen Logik am Objektbegriff und am Kausalitätsprinzip (den Problemen David Humes) sich festmachen lassen. Die Schuld, die das Gericht (als transzendentales Rechtssubjekt) im Urteil feststellt, ist die Schuld, zu der es den Angeklagten verurteilt.
    Der Faschismus ist die Explosion jener Logik, deren Grundlage die Todesstrafe ist.

  • 15.2.96

    Das Gewaltmonopol des Staates ersetzt den Begründungszwang staatlichen Handelns.
    Die Vergesellschaftung des Proletariats, die Übertragung des Warencharakters auf alle ökonomisch Tätigen mit der daraus abgeleiteten Hierarchisierung der Waren (Luxusgüter und Wegwerfprodukte), enthält eine Bestimmung, die mit zu reflektieren ist: Die Proletarisierung derer, die oben sind, ist begleitet von einer explosiven Ausbreitung von Gemeinheit. Zugleich drückt in der Erscheinung ganzer Gruppen von Jugendlichen heute ein instinktiver Ekel vor denen sich aus, die dazu gehören, insbesondere vor denen, die oben sind; dazu gehört ein Bild, in dem die Selbsterfahrung des Punk sich ausdrückt, das Bild des angemalten Abfalls, zu dem als Symboltier nicht zufällig die Ratten gehören, die in der Realität die Müllhalden bevölkern.
    Im Buch Josue erscheint die Lade beim Durchgang durch den Jordan, bei der Eroberung Jerichos und bei der Versammlung zwischen den Bergen Garizim und Ebal, bei der Verlesung des Segens und des Fluches aus dem Gesetzesbuch. Im Buch der Richter wird die Lade nur in der Geschichte des Kampfes gegen die Benjaminiten erwähnt, bei der Befragung des Herrn in Bethel – „dort befand sich nämlich zu jener Zeit die Bundeslade Gottes“ (Ri 2027).
    Hegels Logik ist eine Entfaltung der transzendentalen Logik auf der Grundlage der Übertragung der Antinomien aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik. Ist nicht dadurch die transzendentale Ästhetik der Reflexion entzogen und zu einem Absoluten (zum blinden Fleck der Philosophie) geworden?
    Verdankt sich nicht der Schein, seine Stellung in der Logik des Begriffs, jener Veränderung der Logik, die sich aus der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ergibt (aus der Objektivierung der Zeit, der gleichen Veränderung, der sich auch die Apriorisierung des Objektbegriffs verdankt)?
    Im Namen erlischt der Schein, in der Kraft des Namens wird die Bodenlosigkeit des Begriffs aufgedeckt.
    Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff, es ist mit diesem seinem Rechtsgrund dem Schuldzusammenhang verhaftet.
    RAF-Prozesse unterscheiden sich von anderen Verfahren der Rechtsprechung vor allem durch die Verwandlungen des Angeklagten in den Feind und durch die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers. Diese Transformation ergibt sich zwanglos aus der kantischen Unterscheidung des reflektierenden vom bestimmenden Urteil (die in seinem Werk in der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft <der transzendentalen Logik> sich ausdrückt). Ist nicht der gesellschaftliche Grund dieser Differenz in der Unterscheidung von Verwaltung und Rechtsprechung vorgegeben? Verweisen nicht die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers und die Verwandlung des Angeklagten in den Feind (die Ausblendung seiner Subjektqualität und seine Reduzierung auf die Funktion des reinen Objekts) tatsächlich auf eine Tendenz der Angleichung der Rechtsprechung ans Verwaltungshandeln (entspricht nicht die tendentielle Ausschließung der Öffentlichkeit, die die Medien in vorauseilendem Gehorsam, gleichsam durch Identifikation mit dem Aggressor, inzwischen schon verinnerlicht haben, dem logischen Trieb zur Rückbildung des offenen Gerichtssaals in eine abgeschlossene Amtsstube)? Aber sind die Staatsschutzverfahren damit nicht der zwangsläufig unendliche, weil nie wirklich gelingende Versuch, aus dem reflektierenden ein bestimmendes Urteil zu machen (der Versuch der Konstruktion synthetischer Urteile apriori), aus dem prozessualen Recht ein Subsumtionsrecht, ein Verwaltungsrecht, zu machen? Staatsschutzprozesse sind keine Schauprozesse, deren Zeit ist abgelaufen.
    Schließt das Subsumtionsrecht nicht die Umkehr der Beweislast mit ein?
    Die Gesetzesbindung der Verwaltung begründet ein Recht ohne Öffentlichkeit (ein monologisches Verfahren der Urteilsfindung): Die verwaltete Welt ist das Korrelat der Wittgensteinschen Definition; diese Welt ist alles, was der Fall ist.
    Führen nicht die Staatsschutzprozesse den realen Beweis, daß kommunikatives Handeln monologisch ist? Und ist nicht die Ausscheidung der Reflexion aus dem Urteil (im Konstrukt des propositionalen Satzes, dem grammatischen Grundelement der Linguistik) die zwangsläufige Folge eines Objektivitätsbegriffs, der neben der Information nur noch die Meinung, das unverbindliche Raisonnement, kennt (vgl. Habermas‘ Begriff der Öffentlichkeit)? Die Objektivität (die Welt) ist – nach dem Modell einer Natur, die auch ohne die Menschen da ist – zu einem festzementierten Konstrukt, zu einem Betonklotz, geworden, gegen den der Gedanke, die Sprache, die Argumentation nichts mehr ausrichtet.
    Hat dieser Betonblock etwas mit dem Namen des (Simon) Petrus zu tun (mit dem Namen des Felsen, auf den die Kirche gebaut werden sollte)? Ist dieser Betonblock das steinerne Herz der Welt (das am Ende in ein fleischernes Herz umgewandelt werden wird)? Kann es sein, daß der transzendental-ästhetische Grund dieses Blocks, die subjektive Form der äußeren Anschauung, seine Ausscheidung aus dem Bereich der Reflexion (die Verwerfung der kantischen Antinomie der reinen Vernunft, der einzigen Stelle, an der ein Versuch der Definition der Totalitätsbegriffe Welt und Natur vorkommt), mit den sieben Siegeln der Apokalypse (und mit den sieben unreinen Geistern, von denen Maria Magdalena befreit wurde) zu tun hat? Ist der „Fels“ das gegenständliche Korrelat der ungelösten Siegel? – Wer ist die „Schwiegermutter des Simon Petrus“?
    Läßt sich nicht die Hegelsche Logik, die auch eine Staatslogik ist, unter diesem Aspekt begreifen: als Versuch, das bestimmende mit dem reflektierenden Urteil zu verschmelzen, das reflektierende Urteil ins bestimmende Urteil mit hereinzunehmen? Vorausgesetzt ist eine Zeitvorstellung, die das (unendliche) Ende antizipiert: Deshalb gehört zu Hegels Philosophie das Weltgericht (die Gegenwart des antizipierten Endes, dessen Verkörperung der Staat ist).
    Rührt die Subsumtion des reflektierenden unter das bestimmende Urteil (auf die das Adorno-Wort „Das Ganze ist das Unwahre“ sich bezieht) nicht an den Grund des Symbols des apokalyptischen Tieres?
    Hat sich Habermas mit der Theorie des kommunikativen Handelns nicht freiwillig (in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor) in die Isolationshaft begeben, vor der zu fliehen versuchte, als er von der kritischen Theorie sich verabschiedet hat?
    Sind nicht Bad Kleinen und die Durchführung der Asyl-Regelung ein Beleg dafür, daß mit der „Wiedervereinigung“ etwas qualitativ Neues eingetreten ist: Die Grenze, auf die definitionsgemäß der BGS sich bezieht, ist von außen nach innen verlagert worden. Bad Kleinen ist Mogadischu, der Frankfurter Flughafen die alte „Zonengrenze“. Der BGS, dieses hybride Konstrukt aus Militär und Polizei, ist das polizeiliche Äquivalent der Staatsschutzsenate und der Geheimdienste.
    Hängt der Satz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ mit dem Testament-Begriff (in den Paulus-Briefen, vor allem aber im Hebräer-Brief) zusammen, und bezieht er sich nicht auf die theologische Wendung, die der Testament-Begriff belegt (ist nicht der Testament-Begriff das Begräbnis der Toten durch die Toten, die Selbstzerstörung der Offenbarung durch Anpassung an die Logik des Weltbegriffs, die Wurzel der Logik des Inertialsystems; durch seine Beziehung zum Begriff des Erbes erinnert der Name des Testaments nicht grundlos an den Begriff der Erbsünde, den der Weltbegriff instrumentalisiert; die Welt ist die Welt der Väter, ihr Testament)?
    Der Hebräer-Brief läßt sich zwanglos als Konsequenz aus dem Urschisma begreifen: als Darstellung und Produkt der Introversion des Opfers, dessen Realität mit den Juden verworfen wurde. Der Hebräer-Brief ist ein Beispiel dafür, daß jede Verurteilung den Urteilenden in den Bann seines eigenen Urteils hereinzieht.
    Ist nicht der Versuch, die Probleme, die Frauen mit einer Sprache haben, in der sie „nicht vorkommen“, durch Sprachregelungen zu lösen, erkauft mit der Sprachlogik eingebauter, automatisierter Verurteilungsmechanismen?

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