Die Logik des Hinter dem Rücken ist eine Logik mit eingebauter Gemeinheitsautomatik. So wird auch die Theologie vom Bann erst befreit sein, wenn sie als Theologie im Angesicht Gottes sich erneuert.
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist ein Herrschaftsinstrument (sie steht unter dem Bann des Weltbegriffs); sie ist die Brutstätte der Bekenntnislogik.
Enthält nicht die Beelzebub-Geschichte einen deutlichen Hinweis darauf, daß, wer immer die Einheit und Geschlossenheit zum Prinzip erhebt, das Reich des Beelzebub fördert? – Vgl. dazu Jer 3134: „Da wird keiner mehr den andern, keiner seinen Bruder belehren …“ Die Einheit der Gotteserkenntnis ist nicht die Einheit des Bekenntnisses. Ein Bekenntnis, zu dem man sich bekehrt, ist das Bekenntnis zu einer Schicksalsgemeinschaft, ein Instrument der Komplizenschaft. Jede Bekenntnisgemeinschaft (auch die kirchliche) trägt völkische Züge.
Der Staat ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Schicksals.
Einer der verhängnisvollsten Übersetzungsfehler war die Übersetzung des Begriffs Völker mit dem Namen der Heiden. Seiner Sprachlogik zufolge entspricht dieser Name eher dem der Barbaren: Christen verhalten sich zu Heiden wie Hellenen zu Barbaren. Waren nicht die Muslime die ersten „Heiden“ (vgl. den Titel „Summa contra gentiles“)? Und war nicht mit dem Namen der Heiden die projektive Verschärfung im Namen der Wilden mitgesetzt (der Name der Wilden hat sich im Kontext der Konfessionalisierung des Christentums, mit der es die Abgrenzung nach außen ins eigen Innere mit aufgenommen hat, herausgebildet)?
Ist nicht das Christentum über die Projektionsfolien der Heiden und dann der Wilden selber zu dem geworden, wovon es glaubte sich absetzen und distanzieren zu müssen?
Wenn in der Essay-Sammlung „Vierzig Jahre Flaschenpost“ die Inszenierung des Weltuntergangs durch die Nazis Weltpolitik genannt wird (in dem Beitrag von Martin Seel?), wird der Faschismus durch Neutralisierung, die in der Konsequenz seiner Verurteilung liegt, verharmlost. Dazu paßt der Satz: „Gäbe es kein richtiges Leben im falschen, wäre das falsche nicht falsch“ (S. 37): Dann wäre die Hölle keine Hölle mehr. Einen Spiegel widerlegt man nicht, wenn man ihn zerschlägt, weil man sein eigenes Bild nicht erträgt.
Der Versuch, die projektiven Moment im Objektivierungs- und Erkenntnisprozeß zu entwirren, mag schwierig sein, aber es gibt keine Alternative.
Das ungeheuerliche Zitat aus der Odyssee:
Da der edle Odysseus die Freier jetzo bestraft hat,
Werde das Bündnis erneuert, er bleib‘ in Ithaka König;
Und wir wollen dem Volke der Sühn‘ und Brüder Ermordung
Aus dem Gedächtnis vertilgen; und beide lieben einander
Künftig wie vor, und Fried‘ und Reichtum blühen im Lande.
(24, 481-483; Zitat S. 69)
ruft Konnotationen wach, die eher die Interpretation der Dialektik der Aufklärung bestätigen als den Text von Helga Geyer-Ryan und Helmut Lethen. Blühen nicht auch nach der „Strafaktion“ der Nazis „Fried‘ und Reichtum … im Lande“, nachdem „dem Volke der Söhn‘ und Brüder Ermordung aus dem Gedächtnis getilgt“ wurden? Man muß wohl wirklich einmal das Erschrecken in sich verspürt haben bei der Erinnerung, daß man in der Zeit der „Endlösung“ in der Kirche das Lied mitgesungen hat: „Hilf uns hie kämpfen, die Feinde dämpfen, Sankt Michael“.
Wenn Horkheimer und Adorno auf die „schwarzen Schriftsteller“ rekurrieren, auf Nietzsche und de Sade, dann kann man dem nicht entgegenhalten: Ja, aber was hatten die für Anschauungen! So schnappt wieder einmal nur die Verurteilungsfalle (die der Begriff der Anschauung insgesamt bezeichnet) zu, in der jedesmal der, der glaubt, sich ihrer bedienen zu können, selber mitgefangen wird.
Erweckt nicht der Aufsatz über das Verhältnis Horkheimers und Adornos zu Nietzsche den Eindruck, als wollte hier einer nachträglich die Erkenntnis Adornos belegen, daß heute alle nur noch heraushören, wofür oder wogegen einer ist?
Die Opfertheologie hat uns zu Konsumenten des Kreuzestodes gemacht, zu theologischen Kannibalen. Der Bann wird erst gelöst sein, wenn die Eucharistie entsakralisiert und zu dem wird, als was sie vielleicht einmal gemeint war: zum Brotbrechen und zum Teilen des gebrochenen Brotes mit den Armen; nur durch Entsakralisierung wird die Eucharistie auf eine neue und andere Weise geheiligt (wäre nicht auf diesen Hintergrund – zugleich als Hinweis auf die Differenz von Essen und Trinken, Brot und Wein <Schrift und Wort> – auch Mt 2629 zu beziehen?).
Wenn die Lichtgeschwindigkeit sich auf eine Bewegung bezieht, die nicht mehr mechanisch, sondern nur noch teleologisch (durch ihre Beziehung auf das Ende, nicht auf den Anfang der Bewegungsrichtung) sich verstehen läßt, so berührt das zugleich die Frage der Konstituierung der mikrophysikalischen Objekte, die dann keine mechanischen Objekte mehr sind.
Sind nicht die physikalischen Aggregatzustände (gasförmig, flüssig, fest) Stufen der Konstituierung des mechanischen Objekts, und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die „Thermodynamik“, die Wärme, das Feuer und das Licht?
Es gibt zwei Aspekte des Rechts, die sich deutlich unterscheiden lassen: den ökonomischen, der auf die Sicherheit des Eigentums und die Verbindlichkeit von Verträgen abzielt, und den politischen, dessen Hauptziel die Konstituierung und Sicherung der Staatsgewalt ist. Ist nicht die unterschiedliche Ausgestaltung der Funktion der Anklage in den westlichen Ländern ein Indiz dafür, welches der beiden Momente als vorrangig angesehen wird? Den „öffentlichen Ankläger“ scheint es vor allem in den Staaten zu geben, deren Hauptziel die Eigentumssicherung ist, während die Institutionalisierung der Aufgabe des „Staatsanwalts“ in dem Ziel der Verteidigung des Staates begründet zu sein scheint. Dann aber sind Staatsschutzsenate bloße Verdoppelungen der Staatsanwaltschaft, hier ist der Richter vom Änklager nicht mehr zu unterscheiden – wie unter dem Bann der gleichen Logik dann auch der Verteidiger vom Angeklagten nicht mehr zu unterscheiden ist; beide werden vom Gericht als Feinde wahrgenommen.
Die Logik der Staatsschutzprozesse ist die des kurzen Prozesses; deshalb dauern sie so lange.
Justiz
-
12.2.96
-
10.2.96
Der Reni-Blick ist feinsinnig, aber unsensibel.
Sind Staatsschutz-Prozesse nicht Fundstätten für Beispiele des apagogischen Beweises (wenn eine Sache als bewiesen angesehen wird, wenn die gegenteilige Behauptung nicht widerlegt werden kann)? Ist der apagogische Beweis nicht ein Konstituens der transzendentalen Ästhetik, und damit eine der Grundlagen synthetischer Urteile apriori? In juristischem Zusammenhang gehört er zu den Begründungen des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Gehorcht nicht die „Aufklärung“ der Vorgänge in Bad Kleinen genau dieser Beweislogik (oder, wenn im Hogefeld-Prozeß eine Zeugin zunächst sagt, die Frau, die sie gesehen hatte, habe blaue Augen gehabt, dann aber solange bekniet wird, bis sie sagt, so genau wisse sie es nicht mehr; oder, wenn Zeugen geladen und vernommen werden, bei denen aus den Akten erkennbar ist, daß seine jetzige Aussage im Verlauf von zehn Jahren die dritte Version ist, merkwürdigerweise aber jede Version genau zum jeweiligen „Erkenntnisstand“ der Ermittlungsbehörden paßt)?
Die Sexualmoral gewinnt ihre politische Bedeutung zurück, wenn sie aus dem Bann des Weltbegriffs (der Urteilsmoral) erlöst wird. Erfüllt nicht der theologische Begriff der Entsühnung der Welt den apokalyptischen Tatbestand der Unzucht?
Die organische Chemie ist eine politische Wissenschaft: Im wissenschaftshistorischen Paradigmenwechsel vom Darwinismus zur organischen Chemie spiegelt sich die Normalisierung des Faschismus wider, die „Anorganisierung des Organischen“ (die Durchsetzung der Herrschaft der Ökonomie als anorganische Natur der Staatenwelt, Voraussetzung der Dekolonialisierung der Dritten Welt).
Bezeichnet nicht das bara, der Schöpfungsbegriff der Genesis, eigentlich eine Abfolge von Katastrophen: Geschaffen werden „Himmel und Erde“, die „großen Seetiere“ und die Menschen.
Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Naturbeherrschung, und die Entsühnung der Welt ist die Entsühnung der Naturbeherrschung, die die Grundlage jeglicher Herrschaft ist.
Zur Genese und zum Begriff der Gemeinheit: In der vollends aufgeklärten Welt gibt es keine Schuldzusamenhänge mehr zwischen Objekten, sondern nur noch Sachzwänge. Schuld wird – wie zuvor die sinnlichen Qualitäten und wie die Kritik, jene zu Empfindungen, diese zur Meinung – subjektiviert zu Schuldgefühlen, die apriori irrational und pathologisch: durch Therapien zu beseitigen sind. In diesem Kontext trennt sich das Verbrechen von der Tat, es wird zu einer Folge des Erwischtwerdens (für das die Beweisbarkeit steht). So wird man normal; aber ist diese Normalität nicht die des alltäglichen Faschismus?
Der ungeheuerliche Satz bei Lk (117), daß „er (Johannes der Täufer) die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehren wird“.
Der protestantischen Bekenntnistheologie zufolge ist der Staat der weltliche Arm der Kirche. Ist nicht heute der Staat zu einem einarmigen Banditen geworden?
Zum „Tier aus dem Meer“: Der Weltbegriff ist aus dem Meer, dem Inbegriff der Völkerwelt, hervorgegangen. Ist das „Tier vom Lande“ (der falsche Prophet) die Bekenntnislogik?
Der Drache und das Tier aus dem Meer unterscheiden sich eigentlich nur durch die Plazierung der Kronen: Der Drache trägt sie auf den sieben Köpfen, das Tier auf den zehn Hörnern.
Wie hängen die sieben Siegel und die sieben Donner, die sieben Posaunen und die sieben Zornesschalen mit einander zusammen, gibt es nur diese vier Siebenerfolgen (die den sieben Köpfen des Drachen und des Tiers aus dem Meer entsprechen)? Die ganze Apokalypse ist von Siebenergruppen durchsetzt, gibt es auch Zehnergruppen?
Der Naturphilosophie geht die Kosmologie voraus: Natur, das war zunächst die Außenwelt der Völker, die zur Natur durch die Unterwerfung und Beherrschung anderer Völker, durch die Hereinnahme in den Herrschaftsbereich des eigenen Volkes wird (durch den „Handel“, der in seiner ersten Form Fernhandel ist: die Griechen haben die Natur erfunden).
Ist der Weltbegriff der Spiegelungspunkt, durch den Kosmos und Natur (Mythos und Philosophie) aufeinander sich beziehen?
-
6.2.96
Zur Verwechslung von Genitiv und Dativ gibt es auch die Umkehrung: „Der erste, der sich dem Gestapo-Thema in seiner gesellschaftsgeschichtlichen Erweiterung annahm, war der kanadische Historiker Robert Gallately“ (Norbert Frey: Kein Angst vor der Gestapo, FR vom 6.2.96).
Das Prinzip der Legitimation durch Verfahren ist die Grundlage der Konstruktion synthetischer Urteile apriori in der Justiz. Gerechtigkeit ist nur zu retten durch Reflexion der Verführungsgewalt dieses Prinzips (durch Reflexion des Schuldzusammenhangs). Das selektive Hören im Hogefeld-Prozeß, das dazu führt, daß die Erklärungen von Birgit Hogefeld oder auch die wichtigsten Anträge der Verteidigung inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen werden, gründet in diesem Prinzip: Wahrgenommen wird nur, was die legitimatorische Kraft des Verfahrens (die „Formalitäten“) berührt; das Urteil, das am Ende herauskommt, braucht nicht gerecht, es muß revisionsicher sein.
Das Problem des Rechts liegt darin, daß es den Begriff und das Problem der Sünde nicht kennt: Das „Verbrechen“ ist die Widerspiegelung der Sünde im Spiegel des Schuldzusammenhangs.
Symbolisiert nicht das Feigenblatt den Ursprung des Weltbegriffs (die Logik, die Gott blind macht)?
Die Bemerkung im Buch Henoch, wonach Leviathan weiblich und Behemoth männlich ist, enthält einen noch unentfalteten Hinweis auf den symbollogischen Grund der „Hure Babylon“ und des Begriffs der Unzucht (des Bechers der Unzucht) in der Johannes-Apokalypse. Das Tier aus dem Meer wäre danach weiblich, das Tier vom Lande, der falsche Prophet, männlich?
Die Heiligkeit des Heiligen Geistes gründet in der Reflexion und Kritik des Schuldzusammenhangs (der objektivierenden und instrumentalisierenden Eigentumslogik und ihrer Verkörperung im Staat). Deshalb ist der Weltgeist in allen Stücken das Gegenteil des Heiligen Geistes.
Kritik der Verurteilung: Ist nicht jede Gemeinheit Folge und Symptom einer Verletzung, die der Verletzte projektiv abzuarbeiten versucht? Die Vorstellung, ein Verhalten, bei dem man den Frust als Wut abzureagieren versucht, ließe sich psychohygienisch begründen, ist nicht mehr zu halten. Die Begründung wird in der Regel eine mechanische sein, nach dem Modell: Ventil öffnen, Dampf ablassen. Soweit ein solches Verhalten als Erleichterung empfunden wird, handelt es sich um eine Erleichterung, die man empfindet, wenn man die Last, in den andern sich hineinzuversetzen, bloß abwirft: Es ist die Erleichterung der Lust an der Gemeinheit. Eine solche Erleichterung mögen Folterknechte bei ihrer „Arbeit“ empfinden, die vorher durch entsprechenden Druck konditioniert worden sind. – Ist es heute nicht schon so weit, daß, wer sich weigert, sich auch in einen Folterknecht noch hineinzuversetzen, Folterknechte produziert?
Die Verurteilung ist der Schlüssel zum Schuldverschubsystem (der Schlüssel zum Abgrund, Off 201). -
5.2.96
Wenn Recht „im Namen des Volkes“ gesprochen wird, so verweist das auf die Definition des Volkes als einer Schicksalsgemeinschaft. Hat diese Konstellation in der germanischen Institution des Thing ihren Ursprung (vgl. auch den Zusammenhang mit der Versammlung am Tor, mit dem Kohelet, der Ursprungsgeschichte des Begriffs der Kirche)? Gehört zur Ursprungsgeschichte des Rechts nicht auch das Institut des vom Volk gewählten, dann genealogisch sich „fortpflanzenden“ Königs? Setzt das durch Zeugung sich fortpflanzende Erbrecht des Herrschens nicht an die Stelle des Volks die Gattung (und die Diskriminierung der Sexualität)? In welcher Beziehung steht diese Geschichte zur Ursprungsgeschichte des Dings, des Objektbegriffs, der transzendentalen Logik?
Das Ding: Heißt das nicht auch, daß das Gerichtete der Richter sein wird (ist die Robe des Richters ein Schutz gegen das Wiedererkanntwerden durch das im Angeklagten präsente Jüngste Gericht)?
Die Verurteilung der Nazis führt mitten in den faschistischen Bann (in den Schuldzusammenhang, in dem der Faschismus gründet) hinein, ebenso der Hinweis auf das Urteil der Nachwelt (das „Urteil der Geschichte“ oder der Satz: „Meine Kinder sollen mir nicht einmal vorwerfen können, …“). Aus dem Bann heraus führt einzig das Bewußtsein, daß die Opfer unsere Richter sein werden: die Reflexion der Sünde, nicht der Schuld. -
3.2.96
Das Cliché von der „postmodernen Beliebigkeit“ trägt aufs deutlichste projektive Züge: Die Informationsgesellschaft zementiert das Bestehende und macht jede Kritik zur Meinung, zu etwas Subjektivem, Beliebigem. Objektiv ist nur das, was ist, worüber man andere (wertneutral) informieren kann. Ist nicht das Konstrukt des „kommunikativen Handelns“ ein Haus der Beliebigkeit? Fehlt nicht im Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ die Reflexion auf die Außenbeziehungen der Gründe und auf die Außenwirkung seines Ergebnisses, müßte nicht die Herrschaftsfreiheit des herrschaftsfreien Diskurses auch diese Außenbeziehungen mit einbeziehen? Jeder reale Diskurs (jedes Gespräch am Bankschalter, im Büro des Chefs, im Amtszimmer einer Verwaltung) bezieht sich auf Sachverhalte, die bis in die innerste Struktur hinein durch Herrschaftsbeziehungen bestimmt sind, und in der Regel sind es diese Herrschaftsbeziehungen, die das Ergebnis des Diskurses bestimmen. Aber auch der herrschaftsfreie Diskurs am Stammtisch kann durchaus diskriminierende Außenwirkungen, etwa eine Ausländerhatz, zur Folge haben. Die Logik des herrschaftsfreien Diskurses schließt das Vorurteil nicht aus.
Die subjektive Form der äußeren Anschauung verwandelt die Natur in Ausland (die der inneren Anschauung transformiert ihre Objekte ins Vergangene).
Enthält nicht der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, um der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, die Begründung der Notwendigkeit des Strafrechts und der Knäste, ist er nicht ein Produkt der Säkularisation der Höllenvorstellung?
Die positivistische Subjektivierung der Kritik ist die letzte, sprachlogische Konsequenz aus der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“, der „Empfindungen“.
Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist: Hängt die Bedeutung dieses Satzes nicht vom Verständnis des perfectum ab, davon, ob das perfectum als vergangenes Sein oder als vollendete Handlung verstanden wird? Müßte es nicht heißen: Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen sein wird?
Wer das perfectum ins Vergangene transformiert, muß dann auch das perfectum wiederum als Vergangenes reflektieren, und zwar sowohl als Plusquamperfekt, als Vorvergangenheit, wie auch als Futur II, als zukünftige Vergangenheit. Ist der Schritt vom Plusquamperfekt zum Futur II der Schritt von der griechischen zur lateinischen (von der dogmatischen zur postdogmatischen) Sprachlogik?
Apokalyptische Sprachlogik: Wenn der Drache (die Schlange) das Neutrum ist (das Präsens der vollendeten Vergangenheit: Kristallisationskeim der verdinglichten, instrumentalisierten Welt), ist dann das Tier aus dem Meer das Plusquamperfekt und das Tier vom Lande (der falsche Prophet) das Futur II?
Mein ist die Rache, spricht der Herr: Im Licht des Ewigen ist die Justiz das Verbrechen, das zu verfolgen sie vorgibt.
Der Knast ist das Produkt der Identifizierung des Plusquamperfekt mit dem Futur II, das Inertialsystem das logische Abbild des Knasts: Die Vorstellung des leeren Raumes verbindet die Offenheit der Zukunft mit dem Nichtsein des Vergangenen.
Ist der leere Raum das Realsymbol des Rosenzweigschen Nichtwissens, und sind die Gegenstände des Nichtwissens (Gott, Welt, Mensch) die Namen des Nichtobjektivierbaren, des nicht unter die Vergangenheit Subsumierbaren? -
31.1.96
Verhält sich nicht die Verwaltung zur Ökonomie wie das Inertialsystem und die in ihm ausdifferenzierten Begriffe und Gesetze zu den naturwissenschaftlichen Erscheinungen? Und konstituiert sich die naturwissenschaftliche Erscheinungswelt nicht erst durch die Rationalisierung der Schwerkraft (durchs Gravitationsgesetz) – so wie das Tauschprinzip durchs Institut der Lohnarbeit, durch die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip?
Mit dem Begriff des Verfassungspatriotismus hat Habermas die Erkenntniskritik (den Kern der Gesellschaftskritik) aus der Philosophie ausgeschieden.
Zur Frage, ob (neben Zacharias und Joseph) im NT Väter als handelnde Personen vorkommen:
– Ist der Synagogenvorsteher, dessen Tochter Jesus zum Leben erweckt (Mt 918), der einzige (er heißt Jairus <Mk 522>; hat er etwas mit der Sippe Jairs zu tun, die in Zelten wohnt)?
– Die Zebedäus-Söhne verlassen, als sie Jesus folgen, „das Schiff und den Vater“ (Mt 422).
– Als einer, der, bevor er ihm nachfolgt, erst seinen Vater begraben will, antwortet Jesus: „Laß die Toten ihre Toten begraben“ (Mt 821).
– Bei der Heilung des epileptischen Sohnes ist es der Vater, der Jesus um Hilfe bittet („Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben“, Mt 921).
– Simon von Kyrene war der Vater des Alexander und des Rufus (Mt 1521).
– Der Vater in der Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 1512).
– Bei Johannes wird aus der Geschichte vom Hauptmann und seinem Knecht die Geschichte des königlichen Beamten und seines Sohnes (Joh 446).
Der Vater der Zebedäus-Söhne erscheint nur am Anfang; ihn lassen sie „mit dem Schiff“ zurück. Die Mutter der Zebedäus-Söhne erscheint erst am Ende: Sie bittet Jesus, er möge ihre Söhne in seinem Reich zu seiner Rechten und Linken sitzen lassen; und sie gehört zu den Frauen unterm Kreuz (im Mt-Evangelium).
Staatsschutzsenat: Aufgabe des Rechts wäre es, die Gerechtigkeit im Staat, nicht aber den Staat mit den Mitteln des Rechts zu schützen. Hier liegt einer der Gründe, die die Institution des Staatsanwalts so tief unsittlich machen. Notwendig wäre, den Staatsanwalt endlich durch einen öffentlichen Ankläger (der sein Tun als Person und nicht qua Amt zu verantworten hat) zu ersetzen. Es ist kein Zufall, daß, nachdem in Stammheim die Verteidigung zu einem Hilfsorgan der „Rechtspflege“ (was immer das sein mag) gemacht worden ist, im Hogefeld-Prozeß (und offensichtlich auch im Prozeß gegen Monika Haas) der Eindruck immer stärker wird, daß hier in wachsendem Maß das Gericht sich selbst zu einem Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft macht? Steckt darin nicht ein Stück institutioneller Logik in einem Lande, in dem der öffentliche Ankläger Staatsanwalt heißt und ein Staatsschutzsenat eben den Staat zu schützen hat, dessen Anwalt der Staatsanwalt ist? Im Hogefeld-Prozeß läßt sich die Macht- und Rollenverteilung der Beteiligten inzwischen an ihrem Verhalten ablesen. -
29.1.96
Die Theorie des kommunikativen Handelns gründet in der Abstraktion von den Folgen des Handelns. Sie setzt voraus, daß die realen Folgen durch die Rechtsfolgen bereits ersetzt, substituiert, sind. Seitdem sind alle Handlungen folgenlos, die keine rechtlichen Folgen haben. Ausgeblendet werden insbesondere alle Folgen, die unter dem Begriff der Gemeinheit sich zusammenfassen lassen. Säkularisation: Verhält sich der Glaube zum Wissen wie die Erde zur Natur und der Himmel zur Welt? Ein Objekt wird zum Objekt, wenn es durch dreifache Spiegelung (durch dreimalige Umkehr) in sich selbst zurückgeführt werden kann. In der realen Zeit des Naturkreislaufes drückt diese dreifache Umkehr in den Einheiten Tag, Monat und Jahr sich aus. Kann es sein, daß der Satz, wonach vor Gott ein Tag wie tausend Jahre ist, auf den Tierkreis (die „Sothis-Periode“) sich bezieht? Die alte Theologie hat die vier Evangelien im Bilde der vier Tierwesen aus der Vision Ezechiels (aus der Merkaba-Vision, Ez 15ff und 10) erkannt. In diesem Bilde erscheinen sie auch wieder in der Apokalypse (Off 46ff). Der Personbegriff, der zusammen mit der Etablierung und Ausbreitung des römischen Rechts sich konstituiert, ist ein Produkt der Vergesellschaftung des anklagenden Prinzips, er ist ein Teil der Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft. Gemeinheit (das rechtliche Äquivalent des horror vacui) ist kein strafrechtlicher Tatbestand, aber gibt es nicht heute schon Gesetze, die Gemeinheit legitimieren? Sind es nicht die gleichen Gesetze, die ein rechtliches Äquivalent der „subjektiven Formen der Anschauung“ ins Recht einführen, um auch hier den Grund für die Konstruktion synthetischer Urteile apriori zu legen, und gehören sie nicht zu jenem Bereich, in dem der Angeklagte zum Feind (dem Äquivalent des Objekts in der transzendentlane Logik) wird?
-
28.1.96
Die subjektiven Formen der Anschauung sind automatisierte Formen der Verurteilung (der Konstituierung des Objekts). Das ist das Erbe der Opfertheologie. Der gleichen Opfertheologie, die Gott in die Masken des Personseins gebannt hat (wie auch im Namen des „persönlichen Gottes“ Gott als mein Eigentum <mein persönlicher Gott> nicht mehr von Gott als Person sich unterscheiden läßt).
Der Personalismus ist ein logischer Bestandteil der Wertethik, d.h. einer Ethik, die sich im Kern nur noch als Maßstab des Urteils, nicht mehr als Richtschnur des Handelns begreift. Die Person ist die Hypostase der Unbarmherzigkeit (und die theologische Lehre von der Personalität des Heiligen Geistes die theologische Sünde wider den Heiligen Geist). Deshalb ist die Person der Grund der Verletzlichkeit.
Die tiefe Zweideutigkeit des Rechtsgrundsatzes „ohne Ansehen der Person“. Das positivistische Recht (und das Prinzip der Legitimation durch Verfahren) trifft apriori die Schwachen. Der Rechtspositivismus ist ein Objektrecht, das den zum Objekt Gewordenen apriori verurteilt. Objektrecht ist Subsumtionsrecht, bei dem es nur auf die richtige Anwendung ankommt.
Enthält nicht die Idee der Auferstehung die Umkehrung des Historismus? Nicht wir urteilen über die Vergangenheit, sondern die Vergangenheit wird über uns urteilen.
Für die Theorie des kommunikativen Handelns sind die Folgen des Handelns gegenstandslos geworden. Darin, in dieser Entlastung von der Verantwortung, liegt die Verführung dieser Theorie. Die Theorie des kommunikativen Handelns begründet eine Theorie der immanenten Logik des Handelns, die sich in dem Augenblick konstituiert, in dem von den Folgen des Handelns (von seiner Beziehung zur Wirklichkeit) abstrahiert wird.
Verweist nicht der Aufsatz von Hinkelammert in der „Jungen Kirche“ (1/96) auf den gemeinsamen Grund der Ökonomie (des Marktes) und der Naturwissenschaften (des Inertialsystems), durch den die Naturwissenschaften zu einem Instrument der Rechtfertigung des Bestehenden geworden ist (deshalb hat Habermas, als er die Idee einer Kritik der Naturwissenschaften verwarf, der Kritik des Bestehenden den Boden entzogen)? -
24.1.96
Wenn die Welt schlecht ist, ist alles erlaubt, was nicht durch Gesetz verboten ist. Die Unlösbarkeit des Beweisproblems begründet den Satz, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen. Bestraft wird das Erwischtwerden (die Nachweisbarkeit), nicht die Tat. Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand (weil sie aus beweistheoretischen Gründen rechtlich nicht fassbar ist: sie liegt außerhalb der Grenzen des Erwischtwerdenkönnens). In diesem Kontext, nämlich auf der Grundlage der Instrumentalisierung der Grenzen der Beweisbarkeit, ist die Logik, die in Staatsschutzprozessen den Angeklagten zum Feind, die Verteidiger zu Parteigängern des Feindes und die Besucher zu Sympathisanten macht, rekonstruierbar.
Bei Habermas findet sich ein sonst nur in den Medien gebräuchlicher Genitiv nach „gemäß“: „Diese (sc. Systemdifferenzierung, H.H.) wiederum legt er sich gemäß seines Vierfunktionenschemas zurecht, …“ (Bd. 2, S. 426). Dieser Genitiv ist ein Symptom der Objektsprache, der Verdrängung des Freiheitsraums, den die Sprache eröffnet, der Zernichtung der benennenden Kraft der Sprache, der Trennung von objektiver Welt und subjektiver Meinung (von Realität und kommentierendem Raisonnement). Zerstört ist die Kraft des Namens: Hier wird der Atheismus zum Prinzip der Selbstzerstörung der Erkenntnis.
Wenn irgend etwas, so beweist die Habermassche Theorie des kommunikativen Handelns die Notwendigkeit kritischer Selbstreflexion der Wissenschaft. Hierbei wäre zu demonstrieren, daß und auf welche Weise der vergegenständlichende Blick (die subjektiven Formen der Anschauung) idealisierend wirkt, d.h. die Theorie von ihren realen Wurzeln trennt. Gründet nicht darin die Notwendigkeit der Theologie, und zielt nicht die Rosenzweigsche Darstellung der wechselseitigen Begründung von Philosophie und Theologie, sein Nachweis, daß die Philosophie um des Objekts willen der Theologie bedarf, auf diesen Sachverhalt?
Wissenschaftskritik: Die Habermassche Theorie bezieht ihre Namenskraft nicht aus den Objekten, auf die sie sich bezieht, sondern aus dem Verfahren und aus der Vorgeschichte, in denen diese Objekte sich konstituieren. Es gehört zu Habermas‘ Instinkt, an die allerdings seine Einsicht nicht ganz heranreicht, wenn er in der Konstruktion seiner Theorie eigentlich sehr deutlich zu erkennen gibt, daß das politische Subjekt dieser Theorie die amerikanische Weltmacht ist. So war es ihm möglich, den Anschluß an die bundesrepublikanische Wirklichkeit über sein Konstrukt des „Verfassungspatriotismus“ ins Bekenntnishafte zu transformieren. Es war die Bekenntnislogik, die zwar „klare Verhältnisse“ in der Theorie geschaffen, dafür aber die „Neue Unübersichtlichkeit“ der Wirklichkeit begründet, die den Erkenntnisanspruch der Theorie verwirrt hat.
Ist das Grundgesetz nicht in der Geschichte seiner Änderungen immer realitätsferner, immer bekenntnishafter geworden, bis hin zum Asylrecht, in dem die in den Artikel 16 neu eingefügten Bestimmungen dessen ersten Satz außer Kraft gesetzt haben. (Interessant und wichtig wäre eine Geschichte der Grundgesetzänderungen, in der im einzelnen die Anlässe und die Gründe der Änderungen chronologisch und im Kontext einer kritischen Geschichte der Bundesrepublik entfaltet würden.) Inzwischen hat die bundesrepublikanische Realität das (nicht zuletzt durch den Begriff des „Verfassungspatriotismus“) zum bloßen Bekenntnis depotenzierte Grundgesetz längst besiegt.
Ein anderes Paradigma für die politische Wendung der Bekenntnislogik in der Bundesrepublik ist die fatale Geschichte der „Wiedervereinigung“, ein Beispiel dafür, wie aus einem Lippenbekenntnis, an dessen Realität bis unmittelbar vor dem Eintritt des Ereignisses, niemand, am wenigsten die, die dieses Bekenntnis immer im Munde führten, geglaubt hat, „wie durch ein Wunder“ (ein Stichwort dafür war „Wahnsinn“) Realität geworden ist.
Es gibt eine Theologie hinter dem Rücken Gottes, aber gibt es auch eine Theologie im Angesicht Gottes, würde diese nicht aufhören, Theologie zu sein? In einer Theologie im Angesicht Gottes wäre Gott kein Objekt mehr, diese Theologie wäre der Anfang der Heiligung des Gottesnamens. Das Problem gleicht dem der Naturphilosophie, die erst sich erschließt, wenn die Natur nicht mehr als Natur, wenn sie nicht mehr als Objekt begriffen wird.
Ist der Objektbegriff, der sich der objektiven Erkenntnis in den Weg stellt, die „Pforte der Hölle“, von der es heißt, daß sie sie (die „Kirche“) nicht überwältigen werde?
Zu Rosenzweigs Kritik des All: Verweist der Begriff des Allgemeinen nicht auf das All als die Wurzel des Gemeinen?
Bezieht sich nicht die kopernikanische Geldtheorie auf ein Problem der Inflation: auf die Frage, wie es möglich ist, Realwert und Nominalwert der Münze (ähnlich wie die Maße der Entfernungen in unterschiedenen Dimensionen des Raumes) dauerhaft zur Deckung zu bringen? Und hängt dieses Problem nicht in der Tat zusammen mit der astronomischen Lösung des Problems der Planetenbewegung durch Substitution eines einheitlichen Raumes im heliozentrischen System?
Was ist der Unterschied zwischen den biblischen Namen für Erde und Land? Das „Trockene“ ist die logische Opposition zum Wasser. Steckt nicht im Namen der Erde die Beziehung zum Himmel, in dem des Landes (des Namens für das Trockene) hingegen die zu anderen Ländern? Das Trockene ist das, was dann „sichtbar“ wird. Für wen wurde es sichtbar, nachdem Tiere und Menschen erst am fünften und sechsten Tage erschaffen wurden? Begleitet nicht das Sehen Gottes die ganze Schöpfungsgeschichte („und Gott sah, daß es gut war“, ein Satz nur am zweiten Tag fehlt, als Gott die Feste schuf, die er Himmel nannte). Aber Gott sah nicht „in dem“ Licht, das er am ersten Tag geschaffen hat, sondern er sah „das“ Licht. Gehört in dieses Sehen Gottes nicht auch der Begriff des Ebenbildes: Sieht Er sich in diesem Ebenbild nicht selbst? Zum Sehen aber gehört auch das Werk des ersten Tages, das Licht und seine Unterscheidung von der Finsternis, die nur fürs Sehen gilt.
Mit dem Satz: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand hängt es zusammen, wenn Verbrechen (strafrechtliche Tatbestände) in letzter Instanz keine tatbezogenen, sondern beweisbezogene Tatbestände sind. Die Nachweisbarkeit ist rechtssystemisch ein Konstituens des Verbrechens. Hier liegt der Ansatzpunkt für die Konstruktion synthetischer Urteile apriori im Recht (vgl. Lyotards Bemerkung zum Zeugenproblem im Kontext des „vollkommenen Verbrechens“, das kein Verbrechen mehr ist, weil es mit den Opfern auch die Zeugen „aus der Welt schafft“: Gehört nicht die Vorstellung einer Natur, die unabhängig von den Menschen da ist, zu dieser Vorstellung eines vollkommenen Verbrechens, ist nicht der Weltbegriff selber die Verkörperung des vollkommenen Verbrechens?). -
19.1.96
„Kommunikatives Handeln“: Zum Gewaltmonopol des Staates gehört das Informationsmonopol der staatlichen Verwaltung, das durch Geheimhaltungsregelungen abgesichert wird.
Das juristische Verfahren (insbesondere im Licht der Rollenverteilung im Strafrechtsprozeß) ist der manifeste Beweis, daß ein herrschaftsfreier Diskurs nur im Rahmen eines durch Zwangsregelungen und Gewalt abgesicherten Verfahrens möglich ist. Der Knast gehört zu den logischen Fundamenten des Strafrechts.
Zerstört nicht das Kronzeugen-Gesetz, unabhängig von der Frage, ob es nicht verfassungswidrig ist, den moralischen Grund der Rechtsordnung, wenn es wirklich den Gebrauch, den die BAW jetzt davon zu machen scheint, legalisiert (legitimieren kann es ihn nicht)? Durch Erpressung erzwungene Zeugenaussagen, deren Wahrheit mit Grund in Zweifel gezogen werden kann, sind juristisch unbrauchbar; die Urteile, die darauf gründen, werden in den Strudel dieser Zweifel mit hereingezogen; sie begründen keinen Rechtsfrieden, sondern zerstören dessen Grundlagen, indem sie diese Urteile zu Waffen des politischen Kampfes machen (die BAW hält es nicht für nötig, Vorwürfe über zutiefst unsittlichen Anträge an Birgit Hogefeld und Monika Haas zu entkräften, im Prozeß gegen Monika Haas ist die Erpressung der Aussage der einzigen Belastungszeugin offenkundig).
Der ästhetische Raum ist ein Vergangenheitsraum; das hat die Bühne im Theater mit dem Raum des Inertialsystems gemeinsam. Es ist der gleiche Raum, der im Rücken des historischen Objektivationsprozesses sich bildet (als subjektive Form der inneren Anschauung), der das Einmalige vergleichbar macht und das Medium und die Grundlage des kontrafaktischen Urteils ist.
Gehört nicht das kontrafaktische Urteil zu den logischen Implikationen des Inertialsystems?
Der prophetische Charakter jener Bücher, die das Christentum dann als Geschichtsbücher mißverstanden hat (von Josue bis 2 Könige), gründet in einer Form der Darstellung, die das kontrafaktische (und mit ihm das moralische) Urteil schon im Ansatz ausschließt. Angesichts dieser Texte verbietet sich die Vorstellung, die Ereignisse hätten auch anders verlaufen können. Nur in ihrer wörtlichen Gestalt sind sie ein Teil der Prophetie, der Lehre.
War nicht die Verführung durch die Schlange im Paradies eine Verführung zum kontrafaktischen Urteil (als Grundlage der „Erkenntnis des Guten und Bösen“)?
Christentum: die Systematisierung des Fluchtwegs aus der Gottesfurcht.
Das Wunder ist das Wunder der Erfüllung des prophetischen Worts; die Erfüllung der Schrift ist kein Wunder, sondern das bittere Ergebnis der Logik der Schrift (das kontrafaktische Urteil entspringt mit der Logik der Schrift).
Der Weltbegriff ist das Instrument des Urteils über die Vergangenheit; der Säkularisationsprozeß, der eins ist mit dem Prozeß der Objektivation, hat sein Maß am Fortschritt dieses Urteils. Nur im Bann des Weltbegriffs (des mathematischen Totalitätsbegriff nach Kant) erscheint die Vergangenheit in ruhender Gegenständlichkeit.
Der Logik des Weltbegriffs ist die Logik der Selbstbegründung des Antisemitismus. (Metaphysischer Hintergrund der Kronzeugenregelung, der Instrumentalisierung des falschen Zeugnisses: das Urschisma, die erpreßte Ablösung des Christentums von der jüdischen Tradition, war der Eintrittspreis für die Anpassung an die Welt. Das Kronzeugengesetz, wenn es zur Erpressung von Zeugenaussagen benutzt wird, rührt an den moralischen Grund des Staates.)
Die Selbsterhaltung hat nach dem Krieg die Anpassung an den Irrsinn des Bestehenden erzwungen. Ob es möglich ist, diese Anpassung unbeschädigt zu überstehen, ist die Frage; aber gab es eine Alternative?
Der Rassismus ist keine Weltanschauung, sondern ein Mittel, der Erkenntnis der Logik des Systems, mit dessen Hilfe diese Gesellschaft ihre materielle Reproduktion betreibt, sich zu entziehen. Der Rassismus ist die Widerlegung des Satzes: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Er ist die Verkörperung des Nichtwissens, das heiß macht.
Sind nicht die drei Welten in der Kommunikationstheorie von Habermas Verdinglichungen der zusammengehörenden Momente: Selbsterhaltung, Objektivation und Instrumentalisierung?
„Eine solche Autonomisierung (sc. durch den verständigungsorientierten Diskurs) kann nur in dem Maße eintreten, wie sich die Zwänge der materiellen Reproduktion nicht mehr hinter der Maske eines rational undurchdringlichen normativen Grundeinverständnisses, also hinter der Autorität des Heiligen verbergen.“ (Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, S. 219) Das „also“, mit dem Habermas die „Autorität des Heiligen“ mit einem „rational undurchdringlichen normativen Grundeinverständnis“ identifiziert, ist faschistisch. Wer die Idee des Heiligen – in einer sehr deutschen Tradition – undifferenziert als irrational denunziert, wer das darin verborgene herrschaftskritische Moment nur verwirft, hat nichts von der Theologie begriffen, er hat offensichtlich die Theologie immer nur im Kontext der faschistischen Ausbeutung ihrer herrschaftsgeschichtlichen Deformationen erfahren (bezeichnend für diesen Zusammenhang der Webersche Begriff des „Charisma“, der die Propheten Israels und Hitler unter einem Begriff vereinigt, aber auch die habermassche Subsumtion der jüdischen und der christlichen Tradition unter dem Stichwort Weltbeherrschung). Das unsägliche quid pro quo des zeitgenösseischen Atheismus: Das Urteil über den Faschismus trifft die theologische Tradition gleich mit: So wird die Faschismus-Kritik zum Vollstrecker des Faschismus. -
14.1.96
Privateigentum ist durch Raub, Erbschaft oder Tausch erworbenes fremdes Eigentum. Die Urform der Aneignung ist der Raub, der durch den Tausch nur reversibel gemacht worden ist. Diese Reversibilität ist das logische Fundament des Privateigentums, der Säkularisationsprozeß der Prozeß der Herstellung und universalen Durchsetzung dieser Reversibilität (Grund des Weltbegriffs). Das Armutsgebot (in der Fassung der indischen Mystik: Mein ist dein, und Dein ist dein) gründet in der (nicht moralischen, sondern logischen) Kritik dieser Reversibilität und hält die Einsicht in die Asymmetrie des Eigentumsbegriffs fest: Eigentum gründet nicht in der Unmittelbarkeit des Besitzens, sondern in der Anerkennung durch andere (seit dem Ursprung der Zivilisation in der staatlich organisierten Anerkennung des Privateigentums durchs Recht).
Das Armutsgebot rührt an die Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs, hält diese Ursprungsgeschichte und damit den Weltbegriff selber (die „Sünde der Welt“) reflexionsfähig.
Die staatlich organisierte Anerkennung des Privateigentums ist der logische Grund der Entfaltung der Raumvorstellung, der „subjektiven Formen der Anschauung“. Der Ursprung und die Entfaltung der mathematischen Naturwissenschaft sind in die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der staatlichen Institutionen verflochten.
Der Levinassche Satz über die Attribute Gottes, die nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, gilt auch in der umgekehrten Anwendung (als Grundlage der Kritik der Idolatrie): Der Gott des Anklägers ist der Ankläger, der des Richters ist der Richter. Der Götzendienst war die erste projektive Verkörperung des Rechtfertigungszwangs – sein Preis war die Schicksalsidee -, das begriffliche Denken die zweite.
Isolationshaft: Mit der Vergesellschaftung von Herschaft ist der horror vacui zu einem Instrument des Terrors geworden.
Der Name der Barbaren gehört zur Präventivideologie des antiken Imperialismus, der der Wilden zur Präventivideologie des modernen Kolonialismus.
Die Habermassche Intersubjektivität gründet in der Abstraktion vom Gesicht, sie sperrt das Subjekt ein ins Für-sich-Sein des Nebeneinander, in dem alle nur Objekte für einander sind. Darin gründet sein Universalismus, ein Universalismus der Theorie, gegen den die Theologie den Universalismus der Lehre setzt.
Die Leugnung des Gesichts ist der Preis für die Anerkennung der schlechten Unendlichkeiten der subjektiven Formen der Anschauung.
Hat der Rock aus Fellen, den Gott den ersten Menschen zur Bedeckung ihrer Blöße gab, etwas mit den Schuppen der Fische zu tun, die gegessen werden dürfen? Wie wird die Haut des Leviatan und des Behemoth im Buch Hiob beschrieben?
Zum Menschensohn auf den Wolken:
– Erscheint der Menschensohn nicht an der Stelle, an der bei Noe der Bogen in den Wolken stand?
– Sind die Wolken nicht die Manifestation der Herrlichkeit Gottes am Tag (die in der Nacht als Feuersäule erscheint)?
Hat Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ etwas mit dem zu tun, was Schelling in den Weltaltern die „Demut der Materie“ genannt hat?
Himmel und Erde: Bäume ziehen ihre Lebenskräfte nicht nur aus der Erde, sondern ebenso auch aus dem Himmel.
Was dem Bischof sein Kreuz, ist dem Arzt sein Stethoskop. Und warum müssen Richter und Priester bei ihrer Tätigkeit sich verkleiden?
GSG 9: Die Autonomen des Staates.
Sollte nicht auch die raf einmal überlegen, ob und in welchem Maße sie zum Lehrmeister dieses Staates geworden ist? Die einzige Waffe, gegen die der Staat ohnmächtig ist, ist die der Reflexion.
Es sollte nicht vergessen werden, daß das Recht (wie im Auschwitz-Prozeß) auch als Instrument der Aufklärung genutzt werden kann. In Staatsschutzprozessen ist es zu einem Instrument der Gegenaufklärung geworden. Die Gründe sind analysierbar.
In jeder Verurteilung steckt ein Keim der Paranoia, der nur durch Reflexion unschädlich zu machen ist. So wie ein Gericht keinen Beschluß fassen dürfte, bevor es nicht der Selbstaufklärungspflicht nachgekommen ist (einer Pflicht, die der 5. Senat nachweislich verletzt hat, als es Hubertus Janssen als einen, „der sich selbst als Pfarrer bezeichnet“, bezeichnete). Zur Selbstaufklärungspflicht eines Gerichts, scheint mir, gehört auch der erkennbare Wille und die Fähigkeit, sich in den Angeklagten hineinzuversetzen. Wer das vorab verdrängt, macht den Angeklagten zum Feind und begibt sich selbst der Möglichkeit, zu einem objektiven Urteil zu gelangen. Würde es nicht auch zu den Selbstaufklärungspflichten des Gerichts gehören, wenn es schon eine Anklage zuläßt, die den Vorwurf des Mords und des versuchten Mords (an Newrzella u.a.) mit beinhaltet, daß die Umstände der Todesschüsse in Bad Kleinen insgesamt aufgeklärt werden? Wenn ein wesentlicher Teil des Geschehens durch Gerichtsbeschluß von der Beweiserhebung ausgeschlossen wird, heißt das nicht, daß das Gericht sich selbst von seiner Aufklärungspflicht entbindet? Erklärt hiermit nicht das Gericht, daß es in diesem Punkte an der Wahrheitsfindung nicht interessiert ist? -
4.1.96
Die Asymmetrie zwischen mir und den andern ist unvermeidbar. Auch der Universalismus ist asymmetrisch, er glaubt nur, von der Reflexion dieser Asymmetrie absehen zu können. Die Habermassche Intersubjektivität ist ein Richterkollegium (ein Gemeinschaft von Richtenden).
Hat nicht der Jakob Boehmesche Gebrauch des Symbols des göttlichen Zorns und Grimms etwas mit dem Symbol des Kelchs zu tun?
Wenn Habermas die Individualität an die Personalpronomina bindet, so vergißt er, daß die durchs Eigentum vermittelte Individualität eine privilegierte und durch die staatliche Organisation des Eigentums vermittelte Individualität ist. Die jüdische Tradition hingegen gründet die Individualität und die Autonomie in der Gottesfurcht. Das in der Kabbala wie im Christentum tradierte Armutsmotiv („Mein ist dein und dein ist dein“) hält die Erinnerung daran fest, daß mein Eigentum kein originäres Eigentum ist (ich bin nicht Gott), sondern das jedes Eigentum durch die Anerkennung durch andere und durch die Organisation dieser Anerkennung durch den Staat und das Recht vermittelt ist. Die strafrechtliche Sanktionierung der Verletzung der Eigentumsrechte anderer zielt nicht auf die Wiederherstellung der Rechte des andern, sondern vergesellschaftet nur das Rachebedürfnis als Strafbedürfnis. Ihr Grundprinzip ist nicht die Versöhnung der Beteiligten, sondern deren Versöhnung mit dem Staat: die Monopolisierung der Rache durch den Staat.
Die Verführung des Verurteilens ist die Verführung des Rechts: Sie ändert nichts, befriedigt nur das Rache- und Strafbedürfnis, das die Bürger an den Staat bindet (Anwendung auf den wissenschaftlichen Objekt- und Erkenntnisbegriff).
„Wahr und falsch“: In der Schrift gibt es das „falsche Zeugnis“ und den „falschen Propheten“ (sowie dessen apokalyptische Verkörperung im „Tier vom Lande“ – Off 1311ff, vgl. auch 152 und 179). Die analytische Philosophie hat sie neutralisiert zu „falschen Sätzen“, für die keiner mehr verantwortlich ist. „Falsche Sätze“ sind das Korrelat des apriori exkulpierten „fallibilistischen“ Bewußtseins, das seinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht mehr verantworten muß (nur noch seine politische Gesinnung, die zwar objektiv, gegen die Übermacht dessen, was ist, gegen die Imperative des Marktes und der Verwaltung, nichts mehr vermag, dafür aber exkulpatorische Kräfte freisetzt).
Hat nicht der Fachjargon (auch bei Habermas) den Zweck einer strategisch-taktischen Verwirrung des Leser (und – im Kontext eines „Universalismus“, der die Grenzen zwischen Autor und Leser verwischt – auch der Selbstverwirrung)?
Beitrag des Kohelet zur Logik der Schrift: Hängt nicht der Satz über das Bücherschreiben mit dem (systematisch zu verstehenden) Begriff der Eitelkeit zusammen?
Alle Weltreligionen sind Buchreligionen. Bezeichnet nicht die Eitelkeit das gleiche systematische Element im Begriff der Welt, dessen zentrale logische Funktion Hegel im Begriff des Scheins bezeichnet und beschrieben hat? Dieser Schein, ein Produkt der Logik der Schrift, trennt die Schrift vom Wort. Im Banne dieses Scheins ist in der Tat „des Bücherschreibens kein Ende“.
Ist die Eitelkeit die biblische Wurzel des Fernsehens?
Eitelkeit und Welt: Der Eitle spiegelt sich im Blick der andern; die Totalität dieser Spiegelung ist die Welt, in ihrem Schein ist alles nur, was es für andere ist. Deshalb ist die Welt alles, was der Fall ist.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie