In der Geschichte vom Beelzebub und den Dämonen wird immer übersehen, daß das Wort von der Einheit des Reichs nur auf das Reich des Beelzebub sich bezieht, darüber hinaus aber nicht anwendbar ist. Im Reich des Beelzebub wären die Dämonen nicht zu vertreiben.
Gehört nicht die kabbalistische Interpretation des Werks des zweiten Tages, wonach die Wasser nicht „an einem Ort“, sondern „am Ort der Eins (der Einheit, der Identität)“ sich sammeln, in den gleichen Zusammenhang (und ist nicht dieser Ort der Eins das mystische Korrelat des Objektbegriffs)? Deshalb sind die Wasser ein Symbol sowohl der Völkerwelt als auch des Begriffs, und deshalb sind die großen Seeungeheuer das Symbol sowohl der Herren dieser Völkerwelt als auch der philosophischen Idee des Absoluten; und deshalb wird das Meer am Ende nicht mehr sein.
Heute sind alle Kriege Religionskriege. Jeder will nur noch auf der richtigen Seite stehen, der Unschuldtrieb ist stärker als der Wille zur Gerechtigkeit.
Könnte es nicht sein, daß es sich als wichtiger erweisen wird, die Bekenntnislogik zu durchschauen, als ihr zu gehorchen? Nur so, scheint mir, läßt die zerstörerische Gewalt, die von ihr ausgeht, vielleicht am Ende doch noch sich neutralisieren.
Mnemosyne zitiert das Wort aus den Minima moralia, wonach es ein richtiges Leben im falschen nicht gibt. Angesichts des Zustands der Welt, ist der Komfort, sich unschuldig zu fühlen, der mit Hilfe des Rechtfertigungszwangs und der Bekenntnislogik sich abzusichern versucht, nicht mehr zu rechtfertigen.
Die Rechtfertigung des Tötens verdrängt bloß das Grauen des Tötens, sie hebt es nicht auf.
Es kommt darauf an zu begreifen, daß der Begriff des Staatsfeinds eine paranoide Konstruktion ist: Der Staat ist kein Wesen, das man lieben oder hassen könnte; möglich und deshalb notwendig ist nur seine herrschaftskritische Reflexion. Das Freund-Feind-Denken ist ein Produkt der Instrumentalisierung der herrschaftskritischen Reflexion.
Merkwürdig und symptomatisch der Schrecken, den die „Kirchenleute“ auf beiden Seiten hervorrufen. Nur so lassen der Tenor des Beschlusses, mit dem das Gericht das seelsorgliche Gespräch zwischen Birgit Hogefeld und Hubertus Janssen (der sich nicht nur „Pfarrer nennt“) ablehnen zu müssen glaubte, als auch die Reaktion der InfoAG auf eine öffentliche Erklärung der „Kirchenleute“ zum Prozeß sich erklären.
Kabbala
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23.12.95
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16.12.95
Pilatus als Kirchenvater: Hat er nicht mit der Freigabe des Barabas die kirchliche Trinitätslehre begründet? Der Name Barabas bezeichnet die vergegenständlichte Selbsterfahrung Jesu, rückt diese in den Bannkreis des Herrendenkens. Als Jesus mit einer Gegenfrage sich weigerte, die Vollmacht, mit der er spricht, vor den Pharisäern und Schriftgelehrten zu benennen, hat er diese Vollmacht gegen ihre Vergegenständlichung verteidigt. Die Nicht-Antwort war die schärfste Kritik der Theologie. Diese Nicht-Antwort präludiert sein Schweigen vor dem Hohen Rat und dann vor Pilatus. Ist nicht die Theologie heute die Produktion dieses Schweigens? Vertritt nicht die Theologie die Pharisäer und Schriftgelehrten, den Hohen Rat und Pilatus gegen ihr eigenes Objekt, das sie zum Schweigen verurteilt (weil sein Wort ihr Angst macht)? Deshalb ist es zu einer der Hauptaufgaben der Theologie geworden zu beweisen, daß die Schrift das, was sie sagt, nicht so meint.
Ist nicht die Geschichte vom Steuergroschen eine Belegstelle für das Wort vom Greuel am heiligen Ort?
Theologie-Kritik: Die apologetische Suche nach einer Legitimation der Theologie beweist nur, daß niemand an die der Theologie immanente, sie überhaupt erst begründende Kraft der Selbstlegitimation mehr glaubt.
Begründung des Rechts: In den Verbrechern erkennt die staatlich organisierte Gesellschaft das projektive Bild ihres eigenen Tuns; das Rechtsurteil und die Strafe sollen die eigene Schuld und das Erschrecken davor durch projektive Bearbeitung aufheben.
Vgl. Hegels Satz „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ mit Spinozas Definition der Wahrheit: Verum est index sui et falsi. Liegt die Differenz zwischen den beiden Sätzen nicht im Problem der Beweislogik? Die Spinoza Wahrheit liegt in der Einsicht, sie unterliegt nicht der Beweislogik, während das Wahre Hegels das Wahre für andere ist, das bewiesen werden muß: die durch die Beweislogik vermittelte Wahrheit. Ist die Differenz nicht ein Beleg für das, was Levinas einmal die Asymmetrie zwischen Ich und Du (zwischen mir und dem Andern) genannt hat? Ist nicht Spinozas Definition eine theologische, Hegels Definition hingegen eine juristische?
Wenn der Apokalypse zufolge das Meer am Ende nicht mehr sein wird, muß man da nicht das Werk des dritten Schöpfungstags zur Erklärung mit hinzuziehen? „Und Gott sprach: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einen Ort, daß das Trockene sichtbar werde! Und es geschah also. Und Gott nannte das Trockene Land, und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer. …“ (Gen 19f). Hinweis: In Texten der Kabbala wird die Stelle, an der es heißt: … sammle sich an einen Ort, übersetzt: sammle sich am Ort der Eins. Bezieht sich das Nicht-mehr-Sein des Meeres auf das Ende des Identitätsbegriffs, auf einen Zustand, in dem es der Identität nicht mehr bedarf? – Vgl. auch die kabbalistische Unterscheidung im Namen des Himmels (schamajim), in dem die Namen von Wasser und Feuer enthalten sind, und das „Alles ist Wasser“ des Thales, mit dem die Philosophie, die Herrschaft des Identitätsbegriffs, beginnt, sowie das Jesus-Wort: „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“. -
26.11.95
Gegen Derrida: Der Benjaminsche Text bietet keinen realen Anlaß, im Begriff der „göttlichen Gewalt“ die Endlösung, den Holocaust, Auschwitz wiederzuerkennen. Diese Assoziation wird im Gegenteil durch eine genaue Lektüre des Textes definitiv ausgeschlossen. Was die Beziehung herstellt, ist ein Verfahren, zu dessen Kritik Levinas das durchschlagende Stichwort gegeben hat, als er bemerkte, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen. Die Kontamination der göttlichen mit der mythischen Gewalt, die der Derridaschen Assoziation die Basis liefert, ist das Werk Derridas, nicht Benjamins (in dessen Text er sein Verfahren dann hineinprojiziert), wenn er explizit theologische Texte Benjamins, die der Levinasschen Forderung genügen, zurückübersetzt in den Indikativ (das gleiche Verfahren gehört übrigens zur christlichen Begründung und Ausgestaltung des Dogmas, der Orthodoxie, und markiert deren Differenz zur Wahrheit).
Hilfreich zum Verständnis ist die Benjaminsche Unterscheidung von Ausdruck und Mitteilung. Wenn man sie auf die Derridasche Interpretation des Benjaminschen Textes anwendet, wird man schnell gewahr, daß mit der Übersetzung in den Indikativ das, was bei Benjamin sich ausdrückt, in eine Mitteilung umgeformt wird. Diese Umformung ist eine der Instrumentalisierung, die Rückübersetzung der Offenbarung in den Mythos (eine Übersetzung, die der Weltbegriff gleichsam automatisch leistet: der Weltbegriff ist der Inbegriff der transzendentalen Logik der Instrumentalisierung der Wahrheit und selber das Instrument der Zerstörung des Namens).
Wenn Derrida dem Benjaminschen Text hätte gerecht werden wollen, hätte er zumindest auf die zentrale Rolle des Satzes „Du sollst nicht töten“ in diesem Text eingehen müssen sowie darauf, daß die Idee der göttlichen Gewalt deren Instrumentalisierung schon im Ansatz ausschließt. „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, und die einzig legitime Konsequenz aus der Idee der göttlichen Gewalt wäre es gewesen, sie auf die Täter des Holocausts, in keinem Falle aber auf ihre Tat zu beziehen. Zu den letzten Manifestationen des katholischen Volksglaubens in Deutschland, bevor er endgültig ins Blasphemische sich aufgelöst hat, gehörte unmittelbar nach dem Krieg die Angst: Das wird sich einmal rächen.
Wenn Auschwitz eine theologische Bedeutung hat, dann die, daß es der Instrumentalisierung des Kreuzestodes Jesu, und damit der Opfertheologie, der Bekenntnislogik, dem Dogma und der verdinglichten Orthodoxie (der Konfundierung der Theologie mit dem Weltbegriff), endgültig den Boden entzogen hat.
Die Benjaminsche Unterscheidung von rechtsetzender und rechtserhaltender Gewalt rührt an den Grund der Unterscheidung von Natur und Welt, die als Totalitätsbegriffe im Erkenntnisprozeß genau diese Funktionen: die Bindung der Erkenntnis ans Urteil, abdecken. (Die Geschichte der Naturerkenntnis ist die ins Innere transformierte Fortsetzung der heroischen Gründungsgeschichte des Staates und der Zivilisation, und der Naturbegriff selber das Korrelat und die Stütze des Gewaltmonopols des Staates.)
Die Polizei ist das Paradigma des Hoheitlichen (der Repräsentation der staatlichen Gewalt). Sie gehört zur staatlichen Verwaltung wie das Militär zur Nationalökonomie. Stammt nicht der Name der Polizei aus den Anfängen der Verwaltungswissenschaft?
Rührt nicht Walter Benjamins These vom mythischen Charakter des Rechts an den Grund des Prinzips, demzufolge Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist? Die Aufnahme der Gemeinheit in den Kanon strafrechtlicher Tatbestande hätte die Selbstauflösung des Rechts zur Folge. Genau hier wird deutlich, weshalb der Benjaminsche Begriff der göttlichen Gewalt niemals auf die Endlösung Anwendung finden kann. Auschwitz hat das Recht durch Reduktion auf ihren Gemeinheitskern (auf den Kern der rechtsbegründenden und -erhaltenden mythischen Gewalt) zerstört, der Begriff der göttlichen Gewalt hingegen zielt auf die Auflösung des Rechts durch Zerstörung seines Gemeinheitskerns. (Das Jüngste Gericht ist der Widerpart des Hegelschen Weltgerichts: das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht.)
Aus dem gleichen Grunde wäre abzuleiten, daß der Antisemitismus niemals als Anwendungsfall des Rassismus oder des Vorurteils sich begreifen läßt, sondern nur als deren Wurzel.
Das Obszöne an den raf-Prozessen ist der offene Gebrauch, den Gericht und Bundesanwaltschaft vom Gewaltmonopol des Staates machen. In der Konsequenz dieses Verfahrens liegt es, daß die Angeklagte nur noch als Feind wahrgenommen wird. (Die Verteidung wird im Lichte des Grundsatzes wahrgenommen: Wer sich verteidigt, klagt sich an.) Hier gibts nicht nur keine „Waffengleichheit“ mehr, sondern hier geht die Vorverurteilung soweit, daß Verteidung und Besucher apriori zur Sympathisanten-Szene gezählt werden.
Gehören nicht die drei Formen des gewaltsamen Todes im Neuen Testament zusammen: die Enthauptung des Täufers, die Kreuzigung Jesu und die Steinigung des Stephanus?
Sind der Orion und die Plejaden die Repräsentanten des Tierkreises und der Planeten am Fixsternhimmel? Und auf wen bezieht sich das Binden, und auf wen das Lösen (vgl. Hiob 3831 und 99)?
Kinder haften für ihre Eltern: Der biblische Satz „Wenn dein Sohn dich fragt …“ bezieht sich auf die Weitergabe der Lehre vom Vater auf den Sohn, der 68er Satz „Wenn meine Kinder mich einmal fragen …“ dagegen auf den Rechtfertigungszwang, unter dem das Bewußtsein in Deutschland seit dem Ende des Faschismus steht. Dieser Satz gehört zu dem Schwarzen Loch, das der Faschismus erzeugt hat, das die Lehre nur noch in sich hereinsaugt und ihre Vernichtung befördert, aber nicht mehr ausstrahlt.
Holgers Waschsalon: Sind heute nicht alle religiösen Positionen besetzt von Gruppen, die die Religion als Exkulpationsmaschine (als Hilfe, ihre Schuldgefühle loszuwerden, als synthetische Kuschelecke) brauchen? Dem hat die Theologie schon seit der Zeit der Kirchenväter vorgearbeitet. Aber konvergiert nicht dieser Exkulpationstrieb auf eine ebenso erschreckende wie verhängnisvolle Weise mit der Tendenz, die Religion zugleich in eine Religion für andere umzuformen: in ein Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft?
Creatio mundi ex nihilo: Produkt einer projektiven Erkenntnislogik, die eigentlich auf ein Stück Urgeschichte des Kapitalismus sich bezieht, auf die Vorgeschichte der Kreditschöpfung der Banken? Die Risiken der Banken sind die Risiken der Sparer, die Risiken der Unternehmer sind die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz auf dem Spiel steht, und die Risiken des Krieges sind die der Bevölkerungen, deren Anteil an den Opfern der Kriege den des Militärs inzwischen weit übersteigen. Die Risiken der Entscheidungen haben heute nicht mehr die zu tragen, die sie treffen, sondern die, für die sie getroffen werden (Anmerkung zu den Begriffen Verantwortung und Repräsentation).
„Soll aber der Mensch noch einmal in die Nähe des Seins finden, dann muß er zuvor lernen, im Namenlosen zu existieren“ (Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, S. 150, zitiert nach Derrida, Die Schrift und die Differenz, S. 208). Die Begründung ist einfach: Weil das Sein den Namen löscht, alles gleichnamig macht. Wenn Derrida in diesem Zusammenhang auf die Kabbala verweist (auf die „unaussprechbare Möglichkeit des Namens“), so weiß er nicht, wovon er redet. Das Ziel der Kabbala war die Heiligung des Gottesnamens, während die Ontologie seit je darauf abzielte, den Gottesnamen zu tilgen.
War die Ontologie (das „Sein“: die Installierung des Urteils) das Schwert, mit dem Alexander den gordischen Knoten durchschlagen hat? -
19.10.1995
Greuelmärchen: Der bei den 68ern beliebte Satz „Unsere Kinder sollen uns später nicht vorwerfen können, wir hätten nichts getan“ bezeichnet genau die Falle des hilflosen Antifaschismus der Nachgeborenen. Schrecklich am Faschismus ist nicht der Vorwurf, dem er uns Überlebende aussetzt, sondern das Grauen, das unsere Erinnerung durchherrscht und (mit der Gewalt der Rechtfertigungszwänge und des Pathologieverdachts) verhindert zugleich. Die Verdrängung des Grauens ist der Nährboden des neuen, angepaßten Faschismus, der mit dem alten nicht einfach identisch ist, der sein Erscheinungsbild (sein „Image“) so beherrscht, daß er dem Vorwurf keine Angriffsfläche mehr bietet (er kann es sich nicht nur leisten, er ist vielmehr sogar interessiert daran, die Gewalt zu provozieren, die ihn dann in der Öffentlichkeit rechtfertigt). Die Nazis nannten Berichte über die Greueltaten, die sie verübten, „Greuelmärchen“. Heute ist die Realität selber zum Greuelmärchen geworden; Realität und Öffentlichkeit fallen beziehungslos auseinander, die Realität hat keine Öffentlichkeit mehr. Hier liegt der wirkliche Strukturwandel der Öffentlichkeit, den Habermas nie begriffen hat. Die Medien lassen sich heute als eine Einrichtung zur Verhinderung des Bewußtseins begreifen. Dieser „Fortschritt“ des Bewußtseins entspricht dem Fortschritt vom Rundfunk zum Fernsehen. Schlimmer als die faschistische Hörigkeit ist die durchorganisierte Bilderwelt, die über das Vorstellungsvermögen jeden Ausweg verstopft. Zur Gewalt des Pathologieverdachts: Der angepaßte Faschismus ist die Normalität, an der heute jede Abweichung gemessen wird. So entfaltet sich eine Situation, in der der Verrückte normal und der Normale verrückt ist, nur daß beide es nicht mehr wissen. Die raf hat sich zu einem Instrument des Staates machen lassen, mit dessen Hilfe es ihm gelungen ist, jegliche Kritik zu diskriminieren. Zu den Fallen des angepaßten Neofaschismus gehört – die Selbsthistorisierung oder die präventive Scham (sich selbst im Blick der Nachfahren sehen: unsere Kinder sollen uns später nicht den Vorwurf machen können, …), – die Opferfalle (ich bin Opfer, ergo unschuldig) und – die Gewaltfalle (in die die raf hineingerannt ist; Instrumentalisierung der Methode: Haltet den Dieb). Diese Konstellation gründet in einer Gestalt der Erkenntnis, die zu den Formen der Anschauung und zur Herrschaft der apriorischen Urteilsformen keine Alternative mehr kennt (hat sie nicht einen trinitarischen Hintergrund: Vater-, Sohn- und Geistfalle)? Hat die nachfaschistische Beziehung der Realität zur Öffentlichkeit (zum Bewußtsein) etwas mit der Beziehung des Tieres aus dem Meer zum Tier vom Lande zu tun? Erinnerungsarbeit ist Trauerarbeit, der Kampf gegen die neutralisierende, vergegenständlichende Gewalt der Vergangenheit. Wer den Faschismus als das Grauen, das er war, erfahren hat, dem wird der Satz, daß die Pforten der Hölle sie (die „Kirche“) nicht überwältigen werden, kostbar. Sind die Planeten Brennpunkte einer siebendimensionalen Ellipse? Bezieht sich die Vorstellung aus dem Sohar, nach dem die sechs Richtungen des Raumes auf Gottesnamen versiegelt sind, auf die Planeten, hat diese Vorstellung einen astrologischen Hintergrund? Ist der Tierkreis ein Realsymbol der urzeitlichen Katastrophe, an die der Dialektik der Aufklärung zufolge jedes Tier erinnert, und war diese Katastrophe nicht eine des Verstummens (die Finsternis über dem Abgrund)? Verweist nicht die Astrologie (der Geist über den Wassern) auf die erste Stufe der Rettung: das Sechstagewerk? Die Sonne herrscht über den Tag (das Werk des ersten Tages), der Mond und die Sterne über die Nacht (die im Anfang erschaffene Finsternis über dem Abgrund). Haben die drei ersten Sephirot (die Krone, die Weisheit und die Intelligenz) etwas mit der Schöpfung vor der Schöpfung: mit dem tohu wa bohu, der Finsternis über dem Abgrund und dem Geist über den Wassern, zu tun? Umwelt- und Naturschutz stopfen der Kreatur, die seufzt und in Wehen liegt, den Mund. Die Metamorphosen des Faschismus begreift nur, wer dem Grauen seine Sprache leiht, und das tun u.a. Autoren wie Huidobro und Rosencof. Gibt es eigentlich Unterlagen darüber, in welchem Umfange nach dem Krieg – die Verwaltungen, – der Militärhaushalt, – der Umsatz der Banken, – die Belegung der Knäste, – die Differenz zwischen den Einkommen der Selbständigen und den Einkommen der Lohnabhängigen, – der Anteil der Werbungs- und Vermarktungskosten im Verhältnis zu den Herstellungskosten im „Endverbraucher“-Preis der Waren sich ausgeweitet haben? Versöhnung bezieht sich auf das Verhältnis des Vaters zum Sohn, sie verbleibt innerhalb des Patriarchats. Heute hat sich der Kern des Generationen-Konflikts jedoch auf die Beziehung der Väter zu den Töchtern verschoben. Versöhnung setzte das Opfers voraus, während es nach der Verschiebung des Konflikts zur Barmherzigkeit keine Alternative mehr gibt (der Feminismus rührt an den Grund der Welt, an die Beziehung von Welt und Natur). Barmherzigkeit, nicht Opfer: Dem wird nur noch eine Theologie im Angesicht Gottes gerecht. Ist nicht der Positivismus, die Vereidigung der Wissenschaft auf die intentio recta und die Ausschaltung der Reflexion, letztlich ein Instrument der Verdrängung der Erinnerung des Grauens (das die Gegenwart des Grauens unsichtbar macht und seinen Urhebern das gute Gewissen verleiht): der Trennung von Realität und Öffentlichkeit? Anfrage zu Benajmins Einbahnstraße: Ist der kosmische Rausch nicht barbarisch? Die Physik ist selber das schwarze Loch, und der Urknall wird ihr Ende sein.
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23.9.1995
Die Personalisierung (zu der es seit der kopernikanischen Wende, seit der Installation der subjektiven Formen der Anschauung, keine Alternative mehr zu geben scheint) greift den Himmel an. Sie verwechselt Wasser und Feuer, Begriff und Namen, das Was und das Wer (vgl. Sohar, Ausgabe Diederichs, S. 70, sowie Lk 1249: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon).
Gibt es einen logischen Zusammenhang und eine logische Folge der Stellen der Schrift, an denen vom offenen Himmel die Rede ist (von der Merkaba-Vision bei Ezechiel über die Taufe und die Verklärung Jesu bis zum Tod des Stephanus)?
In welcher Beziehung steht der Kampf Jakobs mit dem Engel zu seinem Traum von der Leiter, die bis an den Himmel reicht?
In den Eltern sind einem auf verschlüsselte Weise Vergangenheit und Zukunft präsent. Hat der „Generationenkonflikt“ (der
Abbruch der Kommunikation mit den Eltern), in den auch die raf verstrickt ist, nicht etwas mit der Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (durch Vergegenständlichung) zu tun, mit der Vorstellung, man könne den Ballast abwerfen und wäre dann frei, mit dem Problem der Personalisierung? Aber nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
Die Trinitätslehre ist ein Konstrukt zur Absicherung der Bekenntnislogik: Sie setzt die Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (den Antijudaismus) voraus. Mit der Kritik der Bekenntnislogik fällt auch die Trinitätslehre.
Der Abgrund zwischen der Logik der Schrift und der Erfüllung des Worts wird überbrückt durch das Wunder (die Freiheit ist das Wunder in der Erscheinungswelt).
Wird schon in der hebräischen Bibel zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Worts unterschieden, oder erst im Neuen Testament?
Das Präsens ist eine ästhetische Kategorie. Es hat die vergegenständlichte Vergangenheit und die verräumlichte Zukunft zur Grundlage: Der Raum verkörpert die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft. Gegen ihn steht die Erkenntnis (die Heiligung, die Einung) des Gottesnamens.
In der Sache beginnt die Philosophie mit dem Satz: Alles ist Wasser. Ist die Philosophie nicht der strampelnde Frosch, nur daß, was in diesem Wasser dann fest und greibar wird, keine Butter ist, sondern der Begriff (vgl. Dt 2823: Und der Himmel, der über deinem Haupte, wird Erz sein, und der Boden, der unter dir, Eisen; sh. auch Lev 2618f: … werde den Himmel über euch sein lassen wie Eisen und euern Boden wie Erz)?
Ist nicht der Unzuchtsbecher in der Apokalypse der Schritt über den letzten Satz des Buches Jona hinaus? Dort wurde auf die 120.000 verwiesen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können; der Unzuchtsbecher instrumentalisiert diese fehlende Unterscheidungsfähigkeit: er symbolisiert die neutralisierende Gewalt des Begriffs.
Die Nicht-Unterscheidung von Rechts und Links trennt das Was vom Wer, den Begriff vom Namen. Die Gemeinheit instrumentalisiert diese Trennung.
Der Raum und der Gottesname: Steckt im hebräischen Namen des Himmels, schamajim, nicht der Raum; ist das Feuer nicht die Normale auf der Angleichung des Wer an das Was, der Grund der Reversibilität beider?
Daß – so Thomas von Aquin – Geister „an sich böse“ sind, läßt an einer Theologie sich ablesen, die die Lehre von den Engeln und Dämonen unter dem Oberbegriff Geister abhandelt. Daß Geister an sich böse sind, gilt auch noch für den Hegelschen Weltgeist, den Antipoden des Paraklet.
Parusieverzögerung: Der Fehler der Trinitätslehre war es, daß sie als Theologie im historischen anstatt im prophetischen Indikativ (in einem Indikativ, der den Imperativ in sich enthält) sich begreift. Die Übersetzung des prophetischen in den historischen Indikativ (mit der Opfertheologie als Zentrum) ist die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann. Nicht die Ontologie, sondern die Ethik ist die prima philosophia (aber diese prima philosophia trägt das Antlitz der Apokalypse).
Nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit: Das war der Grund und die Urfassung des Satzes, daß die Attribute Gottes nicht auf ein Sein, sondern aufs Handeln sich beziehen, daß sie nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen.
Der Weltbegriff oder die Ontologie ist Objekt einer Kritik, in deren Kontext der Naturbegriff und die Geschichte seiner Entfaltung (die Geschichte der Naturbeherrschung) als Objekt der Umkehr und als Grund einer apokalyptischen Ethik sich erweisen. -
19.8.1995
Zur Unterscheidung der Idee des Ewigen vom Begriff des Überzeitlichen: Es ist der gleiche Unterschied, der die Prophetie (die Schrift) von der Philosophie, die Lehre vom Dogma trennt. Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; das Ewige läßt sich nicht als vergangen denken. Sie gründet darin, daß eine ursprüngliche Vergangenheit sich nicht denken läßt: Jede Vergangenheit ist die Vergangenheit von etwas, das einmal war. So muß jedes Vergangene einen Anfang haben, dessen Vergangenheit es ist, einen Ursprung. Ohne diese Beziehung des Vergangenen zu seinem Ursprung in einer vergangenen Gegenwart gäbe es keine Erinnerung. Das Gegenbild der Idee des Ewigen ist eine Vorstellung der Zeit, in der jede Zukunft einmal vergangen sein wird: Produkt der Subsumtion der Zeit insgesamt, die Zukunft eingeschlossen, unter die Vergangenheit. Während die Idee des Ewigen durch die Erinnerung der vergangenen Zukunft sich bestimmen läßt, steht der Begriff des Überzeitlichen unter dem Gesetz der Vergangenheit, ihrer Gewalt über alles Zeitliche, auch über die Zukunft. In dieser Konstellation gründet der Begriff des Wissens (und des Sehens), der der Philosophie (und dem historischen Objektivationsprozeß) zugrunde liegt, während die Idee des Ewigen die der Offenbarung (und des Hörens) begründet. Die Trinitätslehre ist das Produkt der Übersetzung der Theologie in eine Logik, die an den Begriff des Überzeitlichen sich anschließt: in die Sprache des Indikativs, die unter der Herrschaft der Vergangenheit steht. Die Trinitätslehre steht am Beginn der Geschichte einer Logik, an deren Ende das Inertialsystem steht (nur deshalb ist es möglich, gleichsam trinitarische Strukturen in der Mikrophysik zu entdecken). Der traditionelle theologische Topos der Unterscheidung des Ewigen vom Überzeitlichen ist die Unterscheidung von Barmherzigkeit und strengem Gericht. Bezieht sich hierauf nicht 1 Kor 1522-28?
Der Name des Logos ist ambivalent: Nur im Kontext der Vorstellung des Überzeitlichen wird er zum Begriff, im Kontext der Idee des Ewigen erweist er sich als Name (als erkennende Namenskraft der Sprache). Als Begriff führt er über die Trinitätslehre in den Säkularisationsprozeß. Wiederzugewinnen wäre die im Kontext dieser Logik verdrängte und verloren gegangene (zum Bekenntnis neutralisierte) Idee des Namens.
In der Kabbala gibt es das Motiv, daß die sechs Richtungen des Raumes auf den göttlichen Namen versiegelt sind. Hat nicht die Trinitätslehre eine ähnliche Bedeutung? Und wäre hieraus nicht die Bedeutung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens und dessen Beziehung zur Sprache insgesamt zu abzuleiten? -
19.5.1995
Hodie, si vocem eius audieritis: Ist nicht Seine Stimme die der schreienden Ungerechtigkeit? Aber die Allgegenwart dessen, was man heute Musik nennt, verstopft die Ohren, anstatt sie zu öffnen.
Sein, Haben, Werden: Kategorien der Selbstbehauptung der Dinge gegen den horror vacui, den Schrecken des Raumes.
Im Rechtsstreit gibt es synthetische Urteile apriori nur mit Hilfe falscher Zeugen. Darin liegt die besondere, aus allen Rechtskodifikationen der Alten Welt herausragende Bedeutung des achten Gebots im Dekalog. In der transzendentalen Logik wird die Zeugenschaft ersetzt durch die subjektiven Formen der Anschauung; diese sind die falschen Zeugen in dem gegen Gott geführten Rechtsstreit um die Schöpfung.
Ist nicht die Begründung, die Argumentation, die letzte Gestalt der Reflexion auf den Andern in der Philosophie? Aber sie ist zugleich eine Form der Reflexion auf den Andern, die schon durch das agonale Prinzip, durch das Konkurrenzprinzip, verhext ist: Deshalb geht, was aus dem Grunde kommt, wieder zugrunde. Und deshalb bleibt aus der Grundbeziehung nur die Reflexion, der Schein und das Wesen.
Die Hegelsche Logik zeichnet sich dadurch aus, daß sie das, wovon die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren, über die Reflexion in die Logik wiederum mit aufnimmt, wobei sie vergißt, daß die Logik insgesamt unter dem Bann der subjektiven Formen der Anschauung steht, der in ihr nicht gebrochen. sondern nur reflektiert wird. Damit hängt es zusammen, daß die geschichtliche Seite der Hegelschen Logik die herrschaftsgeschichtliche ist, und daß die Hegelsche Logik nur bis zum Bewußtsein der Freiheit, aber nicht zur Freiheit führt.
Ist nicht das Bewußtsein der Reflex der Öffentlichkeit (der Logik des Weltbegriffs) in der Subjektivität, und die Sexualmoral eine Moral zur Etablierung und Stabilisierung dieses Bewußtseins (und des Weltbegriffs, von dem es abhängt)?
Rassismus: Ein durch die Logik des Weltbegriffs (und der Sexualmoral) determinierter Kurzschluß eines sprachlogisch begründeten Sachverhalts. Stammt dieser Kurzschluß nicht aus dem gleichen logischen Kraftfeld, aus dem auch der Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre hervorgegangen ist?
Das Lateinische hat die Kraft der Erinnerung in die grammatischen Begriffe verlegt: Der Akkusativ verweist durch seinen Namen auf seine objektkonstituierende Kraft; das ne-utrum ist der Statthalter der Logik des Raumes in der Sprache, Instrument der „Neutralisierung“ der Richtungsdifferenzen (vorn und hinten, rechts und links, oben und unten), erst durchs Neutrum ist der Sprachgrund für das Bewußtsein der Reversibilität aller Richtungen im Raum geschaffen worden. Ähnliches gilt für Genitiv und Dativ, Praesens, Praeteritum, Plusquamperfekt, Gerundium, Gerundivum etc.
Im Hebräischen und im Deutschen gründet der Name des Wassers in der Pluralisierung des auf Sachen (nicht Personen) bezogenen Fragepronomens Was, während das lateinische aqua das Wasser in eine logische Abhängigkeit vom sächlichen Fragepronomen rückt. Auf welchen Sprachhintergrund verweist das griechische hydor? – Gibt es einen vergleichbaren sprachlichen Kontext zum Feuer (ist im Hebräischen die Beziehung zum Namen des Mannes: esch/isch nachweisbar: die Beziehung zum Wer; vgl. die in der Kabbala notierte Beziehung des Namens des Himmels zu Feuer und Wasser, zu Wer und Was)?
Hat der über den Wassern brütende ruach etwas mit dem Symbol des Kelchs zu tun: Ist es der Kelch, der den ruach in den Zorn, den Grimm transformiert, macht der ruach den Kelch, den die Herrschenden trinken, zum Taumelkelch und am Ende zum Unzuchtsbecher? – Der Kelch: Ist das die Mathematik, die Beziehung der Mathematik zur Sprache?
Zorn und Grimm: Drückt der Zorn in den Augen, der Grimm in der Mundpartie sich aus?
Was ist das: Im Magen bitter und im Munde süß (Off 109, vgl. Ez 28 bis 33)? -
17.4.1995
Die mathematische Rationalität ist eine der Ebene (die ihr Gegenteil als Spiegelung in sich enthält). Das Problem kommt herein mit der Tiefe, die die Mathematik als Physik realisiert: mit dem Plastischen, mit dem Widerstand, mit der Schwere. Hierbei verweist die Schwere auf die Gravitation, der Widerstand auf die Mechanik und das Plastische auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Die dritte Dimension ist als deren Norm das Innere der Fläche. Und verhalten sich nicht Norm und Fläche wie die Gravitation zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit?
Ethik: Ist das nicht heute der Versuch, Perspektiven und Rechtfertigungen für institutionelles Handeln zu gewinnen (allgemeingültige Normen)? Ethik richtet sich an Institutionen; das gilt auch für die „personalistische Ethik“ (für die Wertethik, die sich an die Repräsentanz der Institutionen in Subjekt richtet, an die „Person“). – Merkwürdig, daß ich Adornos Satz zur Sexualethik als einen Satz zur Sexualmoral in Erinnerung habe: Verhält sich die Ethik zur Moral wie die Ästhetik zur Kunstphilosophie? Schließen nicht Moral und Kunstphilosophie die Vergegenständlichung dessen mit ein, was Adorno in der Reflexion halten möchte? Aber sind nicht Vergegenständlichung und Reflexion siamesische Zwillinge, die sich nicht von einander trennen lassen, ohne daß beide sterben?
An welchen Stellen kommt der Kaiser im NT vor? (Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, Mt, Mk, Lk. – Wir haben keinen König als den Kaiser, Joh. – Vgl. die Kindheitsgeschichte bei Lk und Paulus in der Apg.)
Ist die Sünde wider den Heiligen Geist nicht aus ihren Folgen zu erschließen: Sie wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben. Nicht vergeben aber wird dem, der selber nicht vergibt, der zur Verteidigung des Andern nicht bereit oder fähig ist, weil er mit dem Ankläger sich identifiziert. Das aber ist das Prinzip der Welt, der Grund ihrer Verführungsgewalt.
Müßte nicht insbesondere die Kirche endlich begreifen, was der Satz bedeutet: Mein ist die Rache, spricht der Herr? Dieser Satz schließt jede kirchliche Komplizenschaft mit der Rechtsordnung, der gesellschaftlichen Organisation des Rachetriebs, aus. Hiernach dürfte sich die Kirche durchs Gewaltmonopol des Staates nicht mehr dumm machen lassen. Die Idee des Staates gründet im Prinzip der Vergesellschaftung der Rache, und das Gewaltmonopol des Staates („Alle Gewalt geht vom Volke aus“) hat seine Wurzeln im unaufgelösten Rachetrieb der Menschen. Ist nicht der Staat selber der Terrorist, den er projektiv mit dem 129a verfolgt? Müßte nicht endlich der Faschismus zum Gegenstand einer Selbstaufklärung der staatlich organisierten Gesellschaft werden (zum Gegenstand einer Selbstaufklärung, die die Sensibilisierung für Gewalt zum Ziele hat)?
Rotes Tuch: Ein Staat, der geliebt werden will, ist wie ein Stofftier, das die Liebe instrumentalisiert und ausbeutungsfähig macht (war nicht die goldene Statue des Nebukadnezar das erste Stofftier?). Der Staat, der geliebt werden will, ist eine Projektion derer, die den Staat (den „Schöpfer der Welt“) als Ich-Stütze brauchen: Ihnen werden alle, die dieser Stütze nicht bedürfen, zu Objekten der Wut. Ist das nicht ein Hinweis auf Bölls Sakrament des Büffels (und auf das Verständnis der Tatsache, daß das Symbol des Rindes in der christlichen Symbolwelt nicht mehr vorkommt, weshalb das Symbol des Esels unverständlich geworden ist).
Der „Götzendienst“ gehört (wie die antiken Kosmologien) zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs.
Beruht nicht die gesamte Physik auf der Übertragung des Tauschprinzips auf die Erscheinungen der Natur (die in diesem Akt zur Natur erst wird)? Das Instrument dieser Übertragung war einmal der Begriff, der dann im Inertialsystem sich entfaltete und vollendete, sich aus seinem eigenen Grunde selbst erzeugte und begriff. Das Inertialsystem hat die Natur in ein System mathematischer Äquivalenzbeziehungen aufgelöst (sie damit in einen mathematischen und einen dynamischen Teil aufgespalten).
Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“: War das nicht eine Paraphrase zum Thema „Im Angesicht und Hinter dem Rücken“?
Theologie wird wieder möglich, wenn es gelingt, die Beziehung von oben und unten aus dem Räumlichen ins Sprachliche zurück zu transformieren.
Im 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums steht ein Satz über Petrus, mit dem „angedeutet“ werden soll, „durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde“ (V. 18f), während es über Johannes heißt: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“
Haben sich die Gewichte nicht schon so verschoben, daß es nicht mehr um das Neue unmittelbar, um das zukünftige Neue, sondern nur noch um das Neue im Alten, um das vergangene Neue geht? Nicht, daß die Vergangenheit uns hilft, wir müssen dem Vergangenen helfen.
Herrschaft, Gewalt und Macht: Auch Frieden und Gerechtigkeit sollen herrschen. Eine ähnliche Bedeutung von Gewalt und Macht scheint es nicht zu geben. Wie es Herrschaft über andere (und mit ihr Knechtschaft) gibt, gibt es auch Gewalt über andere (Sklaverei); Macht hingegen wird an anderen ausgeübt. Herrschaft ohne Beherrschte wäre denkbar, wenn sie die Herrschaft aller ist. Gewalt und Macht hingegen enthalten (wie die transzendentale Logik) eine apriorische Beziehung zum Objekt in sich, von dem sie (wie das Urteil) abhängig sind.
Der Satz „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ wäre zu korrigieren: Es kommt darauf an, das Erbe zu reflektieren, daß man nicht davon besessen wird.
Tiere haben die Scham (den Blick der Andern) verinnerlicht und instrumentalisiert: In der Farbe ihres Fells oder ihres Federkleids, aber auch in ihren wesentlichen (Flucht- und Aggressions-) Merkmalen. Die Scham gehört zum logischen Existenzgrund und zu den Formbestimmungen der Gattung.
Zu dem Titel „Die Autorität der Leidenden“ (J.B.Metz): Wäre hier nicht zu unterscheiden zwischen dem Leiden der Anderen und dem eigenen Leiden, zwischen Last und Joch (das Leiden der Anderen ist meine Last, die ich auf mich zu nehmen habe, mein Leiden ist ein Joch, das ich anderen auferlege)? In jedem Fall ist die Verführung durchs Selbstmitleid zu reflektieren. Dieser Unterschied rührt an die Differenz zwischen dem steinernen Herzen und dem Herzen aus Fleisch, zwischen Barmherzigkeit und strengem Gericht.
„Die Autorität der Leidenden“: Gibt der Begriff der Autorität die Intention von J.B.Metz korrekt wider?
Der Satz aus den Passionsgeschichten „Den Andern konnte er helfen, sich selbst nicht“ liefert den Schlüssel zum Verständnis des Ganzen. Durch diesen Satz werden die Richtenden überführt.
Sind die Disteln und Dornen nicht das Symbol des Staates (der zum Fluch über Adam nach dem Sündenfall gehört)?
Sind nicht die sieben unreinen Geister die durch Selbstbezogenheit verunreinigten Geister: das Inertialsystem?
Das Bekenntnis ist die geheuchelte Nachfolge, seine pharisäische Form (das „getünchte Grab“).
Dritte Leugnung: Die Selbstverfluchung beginnt dort, wo die Paranoia anfängt, von den Freunden sich verfolgt zu fühlen, um sie dann präventiv zu Feinden zu erklären („Viel Feind, viel Ehr“). Zugleich wird man sich jedoch selbst zum Feind: Prinzip des Faschismus, der darin sein eigenes Gemeinschaftsprinzip, das Band, das alle „zusammenschweißt“, erkennt.
Das Sakrament des Büffels: Der Büffel ist eine Art des Rindes. Es verweist auf das im Christentum verschwundene Stieropfer. Hat nicht die Kirche den Opferbegriff seit je zweideutig gehalten, so daß beides, das Sakrament des Lammes und das des Büffels darunter verstanden werden konnte? Vgl. Horkheimer: Das Christentum ist die menschenfreundlichste Religion; aber es gibt keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen worden sind.
Der Letzte, der den Himmel offen sah, aber nicht mehr genau zu beschreiben vermochte, was er dort sah, war Swedenborg.
War nicht die Auferstehung, das Hervorgehen aus dem Felsengrab, in das ihn Joseph von Arimathäa gelegt hatte, auch ein Bild der Geburt?
Die Väter der Apostel:
– Simon (und Andreas?) war der Barjonas, der Sohn des Johannes;
– Jakobus und Johannes waren die Zebedäussöhne;
– war Nathanael der Bartholomäus (und wer ist Tholomäus)?
– der kleine Jakobus war (der Sohn) des Alphäus (und der andere Judas, nicht Ischarioth, sein Bruder?).
Zu Judas Ischarioth: Steckt in dem Beinamen „isch“, der Mann, und die Pluralendung -oth? Und hat das -ari- etwas mit dem Löwen (vgl. Ariel: leo dei, symbolischer Name für Jerusalem) zu tun? Verweist diese Zusammensetzung (Judas als einer der „Löwenmänner“) auf zelotische Herkunft? (War Paulus ein Judas redivivus, mit Stephanus anstelle von Jesus: Beide, Judas und Paulus, handelten im Sold bzw. im Auftrag der Hohenpriester?)
Vulgata, hebraicorum, chaldaeorum et graecorum nominum interpretatio:
– Joseph – Augmentum, Domini Augmentum,
– Simon – Obediens,
– Andreas – Fortissimus,
– Jacob – Supplantator,
– Johannes – Gratiosus, Pius, Misericors,
– Nathanael – Donum Dei,
– Bartholomaeus – Filius suspendentis aquas,
– Matthaeus – Donatus,
– Levi – Copulatus,
– Thomas – Abyssus, Geminus,
– Judas – Laudatus,
– Thaddaeus – Laudans,
– Zebedaeus – Dos, Dotatus,
– Iscariot – Vir occisionis,
– Jonas – Columba,
– Lazarus (Eleazar) – Dei adjutorium,
– Barthimaeus – filius caecus,
– Israel – Praevalens deo,
– Hebraeus – Transiens,
– Amalek – Populus lambens
– Aegyptus (hebr. Misraim) – Angustiae, sive tribulationes,
– Pharao – Dissipans,
– Nabuchodonosor – Planctus judicii,
– Gog (Agag) – Tectus,
– Magog – De tecto,
– Saul – Postulatus, Commodatus,
– David – Dilectus,
– Daniel – judicium Dei,
– Cana – Zelus, Aemulatio.
Was haben Visionen und Träume mit dem Exil (und mit der politischen, herrschaftsgeschichtlichen Konstellation, zu der das Exil gehört)? War (neben den Träumen des Pharao) der Traum des Nebukadnezar das Urbild des Traumes? Ezechiel hatte seine Vision „am Flusse Chebar, unter den Verbannten“ (Kap. 1 u. 10), aber nach Jerusalem wurde er (durch den Geist Gottes) „entrückt“ (Kap. 11), um dort die Greuel zu sehen, während der Tempel am Ende Gegenstand von „Gottesgesichten“ im Land Israel, auf einem sehr hohen Berg, war (Kap. 40-48).
Gründet das Problem, daß Apokalypsen unter fremden Namen geschrieben wurden (ähnlich der Pseudodionysius und der Sohar), in der logischen Konstruktion von Vision und Traum?
Konstruktion eines parakletischen Begriffs der Kritik: In der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften, von Kopernikus bis Newton, wurde der Himmel (zusammen mit Hölle und Fegefeuer) aus dem Raum hinauskomplimentiert. Newtons „absoluter Raum“ (der bei Kant zur subjektiven Form der Anschauung geworden ist) war das „leere Grab“ des christlichen Himmels. -
6.4.1995
Naturwissenschaften als Umkehr der Prophetie: Theoretisches Handeln (das Handeln des Begriffs und die Entfaltung der Raumvorstellung) ist symbolisches Handeln, das umso wirksamer ist, als es namenlos ist: Es hat kein Bewußtsein seiner selbst. Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist das Produkt der Neutralisation der Umkehr und zugleich Symbol der Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (darauf bezieht sich das Wort vom horror vacui, den wir längst erinnerungslos verinnerlicht haben). Die Geschichte der Entfaltung der Raumvorstellung gehört zur Geschichte der Konfessionalisierung des Symbolums. Die Säkularisierung aller theologischen Gehalte: Das ist schon geleistet in den Naturwissenschaften. Umkehr- und Spiegelpunkt dieser Geschichte war das Symbolum (das Dogma, in dem die Vergangenheit verdrängt, die Zukunft verdunkelt, der prophetische Geist gelöscht wurde). Der verworfene Eckstein: Joh 129. Das Symbolum ist die Erinnerungsspur des vergessenen Traums des Nebukadnezar.
Die Reversibilität aller Richtungen im Raume und die Neutralisierung der Unterschiede zwischen den einander entgegengesetzten Richtungen ist eine Folge der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, sie ist das Werk der Neutralisierung aller theologischen Gehalte.
Woher stammt der Ausdruck „nordische Rasse“? Hat er etwas mit der biblischen Richtungssymbolik zu tun (mit dem Norden der Schrift)?
Ist nicht die Idee des Absoluten der Inbegriff der vergessenen göttlichen Namen, auf die die sechs Richtungen des Raumes nach einer kabbalistischen Tradition versiegelt sind?
Die Sodomie ist ein anderer Ausdruck für Xenophobie: Auch der Fremdenhaß hat etwas mit der Unzucht mit Tieren zu tun.
Verweisen nicht die Frauen im Stammbaum Jesu darauf, daß im Christentum (aufgrund seiner Beziehung zum Weltbegriff und durch die Kraft des Neutrum) das Fremdheitsmotiv auf die Frauen übertragen worden ist und seitdem durch sie repräsentiert wird? Merkwürdig auch die Rolle der Frauen in den drei Xenophobie-Geschichten: In Sodom Lots Frau und Töchter, in Jericho die Hure Rahab und in Gibea die bethlemitische Nebenfrau des Leviten.
Die Schrift ist ein durchsichtiger Körper, dessen Dimensionen im Objektivationsprozeß um den Preis der Verdunkelung des Körpers herausgearbeitet worden sind.
Zur Abtreibungsdebatte: Der Biologismus der kirchlichen Sexualmoral ist nicht weit vom Rassismus. Das Keuschheitsgebot scheidet sich wie das Gehorsamsgebot am Weltbegriff: Im Bann der Logik des Weltbegriffs sind sie Instrumente der Neutralisierung (der Desexualisierung und Dinge und ihrer Entfremdung gegen die Sprache), während sie im Lichte der göttlichen Verheißungen als Grund der Gewaltkritik und als Mittel der Barmherzigkeit sich enthüllen. Die gnadenlose und gewaltevozierende Abtreibungsdebatte ist ihr eigener Gegenstand, sie weiß es nur noch nicht.
Die Verwandlung des Singulars tän hamartian in den Plural peccata mundi bezeichnet genau den Ursprung des Symbolon: Die (gegenwärtige) Sünde der Welt ist in der gleichen Bewegung zu „Sünden der Welt“ vergegenständlicht und pluralisiert worden, als die symbolische Erkenntnis durch ihre Dogmatisierung ins Vergangene des toten Bekenntnisses verdrängt worden ist (Sterben: ire ad plures).
Islamisierung und und Objektivationsprozeß: Das All ist das Viele, das dem Prinzip der Einheit unterworfen worden ist. Bezieht sich hierauf (und auf die logische Beziehung von Materie und Form, die im Inertialsystem sich vollendet) der Begriff der Unzucht? -
5.3.1995
Keine Wand ohne Rückseite, oder: Bemerkung zur Bekenntnislogik (zu Jer 3134 und Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“): Hat nicht jeder nur seinen eigenen Zugang zum Gesetz (zur Gotteserkenntnis)? Wer glaubt, einen allgemeinen Zugang gefunden zu haben und ihn allen anderen vorschreiben will, steht nicht nur selbst vor einer verschlossenen Tür, sondern versperrt sie auch für andere.
Von der Pflicht zur Gotteserkenntnis kann sich niemand freisprechen. Aber wer nach Gotteserkenntnis strebt, hat es auch mit der Wand zu tun, die die andern vorm Gesetz aufrichten, mit der sie allen den Zugang versperren. Unterscheidet sich nicht die philosophische von der mystischen Schöpfungslehre dadurch, daß, während diese mit dem vierten Tag endet, jene mit dem fünften beginnt? Die Welt, die Gott aus dem Nichts erschaffen hat, ist das große Seeungeheuer, das Tier aus dem Wasser (das Korrelat des hegelschen Absoluten). Und die Kirche in der Welt: das ist der Bauch des großen Fisches, der Jonas verschlungen hat. Die Gottesfurcht, die der Anfang der Weisheit ist, ist das Ende der Dummheit, die aus der Herrenfurcht stammt.
Der Rechtfertigungszwang, unter dem heute alle stehen, ist der Schatten von Auschwitz. Die Frage „Warum Auschwitz?“ setzt den historisierenden Blick voraus. Wichtiger wäre, den Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, und der in diesem historisierenden Blick sich reproduziert, zu durchdringen. Der Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, ist die Reflexion des Schattens, den das Subjekt in der Idee des Absoluten auf Gott wirft. Gehört nicht die Geschichte der Fälschungen zu den Ursprüngen (zur Selbstbegründung) und das kontrafaktische Urteil zum Ende (zur Selbstwiderlegung) des historisierenden Blicks, der objektivierenden Geschichtsschreibung (der Verdrängung des Bewußtseins, daß die Toten unsere Richter sein werden)? Steht das kontrafaktische Urteil in der Logik der Geschichtsschreibung an der Stelle, an der das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit – oder das der Identität von träger und schwerer Masse? – in der Logik der Naturwissenschaften steht? Sind die Geschichtsfälschungen säkularisierte Formen der Mystik (vgl. die Apokryphen, den Pseudodionysius und den Sohar)?
Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; dadurch unterscheidet sie sich vom Begriff des Überzeitlichen, der unterm Primat der Vergangenheit steht. Die Idee des Ewigen hält die Vergangenheit offen, der Begriff des Überzeitlichen verschließt die Zukunft. Der Unterschied läßt sich sinnfällig machen am Verhältnis zur Prophetie: Im Licht des Ewigen ist die Prophetie nicht vergangen, sondern immer gegenwärtig: das Wort, das Gott durch die Propheten spricht und das auf seine Erfüllung (daß wir es hören und tun) wartet, während der Begriff des Überzeitlichen (der auf andere Inhalte, auf einen anderen Wahrheitsbegriff sich bezieht) an die Vorstellung anknüpft, daß die Prophetie in der Menschwerdung des Gottessohns sich erfüllt hat und daß sie für uns vergangen ist (als Unheilsprophetie nur noch auf die Juden sich bezieht, so als bestünde die Erlösung darin, daß Jesus uns gegen den Fluch des Gesetzes gleichsam abschirmt).
So konnte der Eindruck entstehen, daß die Prophetie als vergangene ohne Rest der historischen Forschung freigegeben sei, bis hin zum bibelwissenschaftlichen Mißbrauch des Gottesnamens, der zu einem unter vielen toten Götternamen geworden ist, die mit den Völkern, an die sie erinnern, der Vergangenheit angehören. So ist auch Israel am Ende zu einem toten Volk geworden, das noch nicht gemerkt hat, daß es sich selbst überlebt hat (und Hitler hat nur versucht, dieses „Urteil der Geschichte“ an den Juden vollstrecken). In diesen Zusammenhang gehört es, wenn in christlichen Texten der Name Israel von der Kirche usurpiert wird, während die Israeliten (wie für den Pharao und die Philister) für christliche Autoren wieder zu Hebräern geworden ist. Äquivalenzen: – Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht:
– Stoß: vorn und hinten (Zerstörung des Angesichts),
– Gravitation: oben und unten (Aufhebung der Unterscheidung von Herrschaft und Religion, Zerstörung der Sprache, ihrer dialogischen Struktur durch die Schrift, Zerstörung des Namens),
– Lichtgeschwindigkeit: rechts und links (Trennung des richtenden Prinzips von der Barmherzigkeit, Ursprung des Feuers).
– Inertialsystem als Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: Zerstörung des Lichts, des Namens, der Barmherzigkeit, insgesamt der sinnlichen Welt; Konstruktion des Totenreichs (Schattenreich, Scheol).
– Naturwissenschaft als Instrument der Legitimation des Bestehenden (Naturwissenschaft und Kapitalismuskritik).
– Das Gravitationsgesetz und die Vergesellschaftung von Herrschaft,
– die Elektrodynamik und der Zivilisationsbruch (Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Der Name des Himmels:
– schamajim, Wasser und Feuer (Was und Wer), – die Feste (die Einheit des Was und Wer) und die Trennung der Wasser (oberhalb und unterhalb),
– Tierkreis und Planetensystem,
– Spiegelung des Himmels im Inertialsystem: die Todesgrenze im Namen des Himmels,
– Himmel als Buch, das Buch des Lebens (die nicht vergangene Vergangenheit), Jüngstes Gericht, „Weltuntergang“ als Entmächtigung des Begriffs und Befreiung der Namen (der verdrängten vergangenen Zukunft).
– Der neue Himmel und die neue Erde, die Auferstehung der Toten. Die Welt als System von Instrumentalisierungen (Selbsterhaltung im Kern des Weltbegriffs): Welt und Tier. Differenzierung im Begriff der Instrumentalisierung: Das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande. -
2.3.1995
Die Opfertheologie (und die Tradition des Menschenopfers, mit dem Ziel der „Entsühnung der Welt“) gehört zu den Konstituentien des Weltbegriffs.
Zentral scheint bei Heinsohn das Tabu auf der Gesellschaftskritik zu sein, die er insgesamt der „Linken“ zuordnet. Dieses Tabu gründet in der Unfähigkeit, den Bann, der auf dem Bestehenden liegt, zu brechen, die Logik der Selbstlegitimation des Bestehenden zu durchschauen.
Durch das Symbol des Kelches sind Prophetie und Apokalypse aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Auf dieses Verhältnis bezieht sich die Geschichte von Traum und Vision im Buch Daniel. Der Fundamentalismus, den es erst unter nachapokalyptischen Verhältnissen gibt, ist der Unzuchtsbecher: die Subsumtion des Kelches unter den Kelch.
Die erste Traumgeschichte, in der Nebukadnezar einen Traum hatte, ihn dann aber vergessen hat (das bezieht sich schon auf das „denn sie wissen nicht, was sie tun“), Daniel dann diesen Traum nicht nur deuten, sondern vorab überhaupt erst finden soll, ist die Eröffnungsgeschichte zum Verständnis der Apokalypse insgesamt: einen vergessenen Traum finden und dann auslegen.
Der Schrecken der Tiere (nach der Sintflut): Ist das nicht der Schrecken, von dem Walter Benjamin spricht in seiner Bemerkung, daß die Tiere sich erkannt wissen von einem Namenlosen (als Objekte einer subjektlosen Erkenntnis). Und ist es nicht der gleiche Schrecken, der nach der Bemerkung Rosenzweigs über die „verandernde Kraft“ des ‚ist‘, der Kopula, von jedem Urteil (von der objektivierenden Gewalt des Urteils) ausgeht und in jedem „Wissen“ als dessen innere Qualität sich niederschlägt (auf die Auflösung dieses „Schreckens“ zielt das Adornosche Konzept des Eingedenkens der Natur im Subjekt). Es gibt kein Urteil, dessen Objekt nicht in diesem Urteil sich mißverstanden weiß; deshalb ist das Urteil kein Mittel theologischer Erkenntnis (es sei denn einer Theologie „hinter dem Rücken Gottes“). Der Schrecken der Tiere rührt an einen zentralen sprachgeschichtlichen und -philosophischen Sachverhalt: an das in der Sprache verborgene Problem des Weltbegriffs. Am deutlichsten manifestiert sich der Ursprung dieses Schreckens im Lachen (zu einer Theorie des Urteils gehört der Hinweis, daß die Beziehung von Objekt und Begriff als Beziehung von Schrecken und Lachen sich begreifen läßt, wobei das Objekt, die Materie, durch den Schrecken, den das Lachen des Begriffs in ihnen erzeugt, zum Objekt, zur entqualifizierten Materie, erstarrt). Jedes Lachen hat Teil an der Erzeugung des Schreckens, dessen Subjekt im Weltbegriff sich konstituiert, und als dessen Objekt die Natur sich erweist. Vgl. hierzu Büchners „Lenz“, Nietzsches „Fröhliche Wissenschaft“, das Victor Hugo-Zitat in der „Dialektik der Aufklärung“ und den Sohar (Lachen schlimmer als Zorn).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, weshalb Jesus in den Evangelien niemals lacht, wohl aber die Dämonen austreibt.
Kommunikationstheorie des Lachens: Lachen ist Ausdruck sowohl der Freude als auch ihrer „anderen Seite“. Das Lachen über einen Witz bedarf ebenso eines Objekts (über das gelacht wird) wie auch des Zeugen, der zugleich der Adressat des Witzes ist. Der, der den Witz erzählt, darf bei einem „guten Witz“ nicht lachen. Umgekehrt kann man lachen auch, ohne daß ein Witz vorausgeht: Lachen ist unmittelbar „ansteckend“, sich aus eigener Kraft selbst fortzeugend wie die Form des Raumes. Das Lachen bringt die subjektive Form der Anschauung, die historisch-genetisch auf die kommunikative Struktur des Lachens sich zurückführen läßt, auf ihren Begriff.
Als Moment in der Konstituierung des Objekts gehört das Lachen zur Geschichte der Aufklärung: Es setzt die Distanz zum Objekt, die der Aufklärung zugrunde liegt. Die Welt ist das neutralisierte Lachen, die Natur der im Objekt neutralisierte Schrecken.
Der leere Raum ist das Realsymbol der Beziehung von Lachen und Schrecken (der unreine Geist findet das Haus, in das er dann mit sieben weiteren unreinen Geistern zurückkehrt, „leer, gereinigt und geschmückt“).
Herrschaft wird erkauft mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die dann auch das Vergangene nicht unangetastet läßt. Das „stark wie der Tod“ und „schwer wie die Gruft“ (Martin Buber: „gewaltsam wie der Tod“ und „hart wie das Gruftreich“) im Hohenlied der Liebe drückt genau das aus.
Drückt nicht das Wort passio beides aus, das Leiden und die Leidenschaft (wie die Geschichte das vergangene Geschehen und den Bericht darüber)?
Es gibt eine List der Herrschenden und eine List der Schwachen. Sie unterscheiden sich dadurch, daß, während die List der Herrschenden die Dummheit derer, die sie betrügt, erst produzieren muß, die List der Schwachen die substverschuldete Dummheit der Herrschenden bereits vorfindet. Die erste gehört zu den Ursachen und Gründen des Schuldzusammenhangs, die zweite zu den Auswegen aus ihm. -
1.3.1995
Die 42 Auschwitz-„Theorien“, die Heinsohn zusammenstellt und „widerlegt“, erinnern nicht zufällig an die kantischen Antinomien der reinen Vernunft, die Argumente Heinsohns an die „apagogischen“ Argumente Kants: Sowohl die (meisten der) „Theorien“ als auch deren Widerlegung sind wahr. Das ungute Gefühl, das einen beschleicht, wenn man sieht, wie Heinsohn die „Elemente des Antisemitismus“ aus der Dialektik der Aufklärung zur „Theorie“ zusammenstutzt, gründet darin. Für die Gesamtkonstruktion Heinsohns scheint die Verarbeitung des apokalyptischen Elements entscheidend zu sein. Durch einen Trick wird es vorab „unschädlich“ gemacht: durch das naturhistorische Konstrukt der Venus-Katastrophe, auf deren Erinnerung die Apokalypse generell reduziert wird; so verliert die Apokalypse durch Projektion ins Vergangene (als Erinnerung an eine vergangene Naturkatastrophe) jede „prophetische“, auf die Zukunft bezogene Bedeutung. Nur, was Heinsohn übersieht: Die Apokalypse ist zwar seit je (in der Urgeschichte des Fundamentalismus seit Augustinus) als Angst-Generator, als ein Mittel, die Menschen in einen Zustand zu versetzen, in dem sie beherrschbar sind, genutzt worden (in diesem Sinne war auch Hitler ein Apokalyptiker) – und gegen diesen Gebrauch richtet sich das Verfahren, das in der Geschichte der Aufklärung ebenfalls seit je als Mittel der Angstbearbeitung genutzt worden ist: die Projektion ins Vergangene. So, durch die gleichen Formen der Verdrängungsarbeit, hat die Aufklärung in der Ursprungsgeschichte der Philosophie den Mythos und das Schicksal, und mit dem Ursprungskonstrukt der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung (mit dem Inertialsystem) die Projektionen der Angst und des schlechten Gewissens in einer keineswegs „entsühnten Welt“ zu bewältigen versucht. Etwas anderes ist es jedoch, wenn man versucht, in der Apokalypse, in ihren Symbolen und Bildern, den rationalen Kern zu entdecken, sie als ein Mittel der Angstbearbeitung zu nutzen.
Der Preis für seine (von ihm nicht reflektierte) apagogische Beweisführung ist die Identifizierung des jüdischen „Monotheismus“ mit dem philosophischen und die Ausscheidung der Apokalypse aus der Prophetie.
Die heinsohnsche „Ursachenforschung“ trägt gleichsam bekenntnis-technische Züge: Wer die Ursache kennt, kann sie abstellen. Das Ergebnis ist eine Knopfdruck-Philosophie. Zugleich scheint ihr Motto zu sein: „Dixi et salvavi animam meam“, ein Satz, der bei Ezechiel eine ganz andere Funktion und Bedeutung hatte, jedenfalls nicht auf die Rechtfertigung derer abzielte, die glauben, doch nichts ändern zu können, und deshalb wenigstens rechtbehalten wollen.
Adorno hat einmal auf die ihn erschreckende Erfahrung aufmerksam gemacht, daß Studenten weithin nur noch auf eine sehr instrumentalisierte Weise erfahrungsfähig sind, daß sie aus dem, was einer sagt, nur noch heraushören, wofür oder wogegen es sich richtet. Unter dem Bann dieser Fixierung scheint auch das heinsohnsche Konzept zu stehen; das ist es, was er aus den Auschwitz-Theorien vorab herauszuhören scheint. So entartet Kritik zum Grabenkrieg im Bekenntniskampf.
Das apagogische Argument (dessen Logik damit zusammenzuhängen scheint) rührt an die Grenzen der Beweislogik, wie auch der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Das aber verweist darauf, daß die Explosion von Gemeinheit, als welche der Faschismus in der Erinnerung sich enthüllt, außerhalb der Beweislogik liegt. Es gibt keinen Wahn, der nicht auch von einer nur ihm eigenen Logik beherrscht wird. Und um einen Wahn aufzulösen, bedarf es auch der Kritik der Logik, die ihn beherrscht. Diese Kritik der Logik ist nicht irrational, sondern die Freisetzung einer Rationalität, die den Bann des Wahns bricht. Zentral in der Kritik der Logik ist die Kritik des Rechtfertigungszwangs, die die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit einschließt. Logische Zwänge sind auch Rechtfertigungszwänge, sie gehorchen dem Exkulpationstrieb. Ihre Überzeugungskraft gründet in der exkulpatorischen Wirkung des Objektivationsprozesses. Insofern hängt Auschwitz in der Tat mit dem, was in Joh 129 die „Sünde der Welt“ heißt, zusammen.
Zur Auflösung der Problems des apagogischen Beweises (die ein Problem der Logik der Schrift ist) trägt das Jesaia-Wort vom Rind und Esel bei, die Unterscheidung von Joch und Last, die Reflexion der Asymmetrie im dialogischen Kern der Sprache, von der das geschriebene Wort abstrahiert (die Logik der Schrift neutralisiert die Asymmetrie von Ich und Du, Zukunft und Vergangenheit, Himmel und Erde). Hierzu gehört der ungeheure Gedanke Kants, daß allein die Hoffnung das Gleichgewicht der apagogischen Beweise, das die Antinomie der reinen Vernunft begründet, zu stören vermag.
Habermas: Die subtilste Art des Vatermords ist die, sich selbst zum Erben zu erklären. Eine Erbschaft kann nur antreten, wer davon ausgeht, daß der Erblasser tot ist. Das Erbe setzt die Enteignung der Toten, die Aufhebung ihrer Eigentumsfähigkeit, voraus. Steht nicht das Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren, gegen die Form der Erbschaft unterm Gesetz des Privateigentums, die das uneingeschränkte Verfügungsrecht mit einschließt (und jeden Anspruch der Toten gegen uns ausschließt)? Vater und Mutter ehren heißt, aus der Rolle des Erben heraustreten. Vgl. dagegen die auf das Erbschaftsinstitut reflektierenden Erörterungen bei Paulus, aus denen u.a. der Begriff des „Neuen Testaments“ sich herleitet. Das Testament regelt die Erbschaft und setzt den Tod des zu Beerbenden voraus, während der Bund auf das Verhältnis freier Partnern sich bezieht. Die Vorstellung, das Christentum habe Israel beerbt, ist der Grund des christlichen Antijudaismus (mit der Folge der Neutralisierung der Prophetie, die im Antisemitismus, im Judenmord, endet).
Zum Kontext des Begriffs des Erbes gehört der Weltbegriff, der aufgrund der Erbschafts-Konstellation in ihm den (am Ende eskalierenden) Generationenkonflikt aus sich entläßt.
Nietzsches Wort „Gott ist tot, wir haben ihn getötet“ ist keine theoretische Feststellung, sondern Ausdruck einer verzweifelten Erfahrung. Die christliche Theologie war seit ihrem Ursprung eine Tod-Gottes-Theologie, ein nekrophiles Konstrukt. Das Wort „Gott ist tot“ steht erstmals in der „Fröhlichen Wissenschaft“. Hier ist erstmals das Lachen als Argument erfahren worden, dem Nietzsche nichts mehr entgegenzusetzen hat, und an dem er zugrunde gegangen ist. Der Sohar hat es noch gewußt: Lachen ist schlimmer als Zorn. Nietzsches Philosophie: Der verzweifelte Ausdruck der Hilflosigkeit und Ohnmacht im Angesicht des Lachens; darin gründet sowohl die Lehre vom Übermenschen und vom Willen zur Macht als auch deren metaphysisches Korrelat, die Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen.
Das apokalyptische Symbol des Lachens ist der Unzuchtsbecher.
Haß der Welt: Die Scham macht den Andern (und der Inbegriff aller andern ist die Welt) zum Richter über das Subjekt, setzt das Weltgericht an die Stelle des Jüngsten Gerichts.
Traum und Vision haben im Buch Daniel eine Entwicklungsgeschichte:
– Vom Traum des Nebukadnezar, über den das Buch Daniel objektiv, in der dritten Person, berichtet, den Nebukadnezar vergessen hat, und den Daniel, bevor er ihn erklären kann, erst rekonstruieren muß,
– über den Traum, den Nebukadnezar (in der ersten Peron) selbst erzählt, und den Daniel dann auslegt,
– über Belsazar und die Schrift an der Wand, die Daniel erklärt,
– über das Traumgesicht des Daniel,
– bis zu den Gesichten Daniels.
Beschreibt diese Geschichte die Ursprungsgeschichte des „Gesichts“, der apokalyptischen Vision?
Die Getsemane-Geschichte wird unauflösbar, wenn das Kelch-Symbol in dieser Geschichte nur auf den privaten Tod Jesu, auf das Schicksal, das ihm widerfährt, bezogen wird. Vor diesem Hintergrund verdampft das Kelch-Symbol zu einem erbaulichen Vergleich, wird der Kelch gleichsam „innerhalb“ des Kelchs verstanden (der Kelch auf sich selbst angewendet): So wird der Kelch zum Unzuchtsbecher (Subsumtion des Kelches unter den Kelch: die Verwechslung von Joch und Last, Rind und Esel). Hiermit hängt es zusammen, wenn in den Texten des Christentums nur Esel und Lamm (das im Opfer für die Erstgeburt des Esels eintritt) noch erinnert werden, die Erinnerung ans Rind aber verschwunden ist.
Klingt nicht im philosophischen Begriff der Erscheinung (und im Namen der Phänomenologie) der Name des Festes der Epiphanie, der „Erscheinung des Herrn“, nach?
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