Kant

  • 11.5.96

    Das Schuldverschubsystem gründet in der Angst. Die Apokalypse aber ist das einzige Mittel der Angstbearbeitung, während die gesamte Geschichte der Aufklärung eine Geschichte der Angstverdrängung ist. Das Instrument der Angstverdrängung ist das Urteil, die Trennung von Objekt und Begriff, Natur und Welt (Tiere sind urteilende Wesen).
    Die großartige Stelle im Jakobusbrief, in der es heißt, das Gott nicht schilt. Das Donnern und das Brüllen Gottes ist demnach kein Schelten.
    Die zehn ägyptischen Plagen sind für den Pharao ein Lernprozeß, der immer tiefer in die Verstockung hineinführt. Und erinnert dieser Lernprozeß nicht an den „Lernprozeß“, der für die Deutschen mit dem Namen Auschwitz verbunden ist (der als Objektivationsprozeß, über seine Historisierung, am Ende nur in die Verstockung führt)?
    Der Weltuntergang ist ein Weltuntergang nur für den Pharao und für Mizrajim, für die er in Finsternis und in der Tötung der Erstgeburt endet, während er für Israel der Weg der Befreiung ist. (Vgl. die christlichen Übersetzungen der zehn Plagen mit denen von Zunz und Buber.)
    War nicht die Untersuchung des autoritären Charakters von Adorno und anderen eine Material- und Konstruktionsanalyse des Kelchs?
    Ist nicht die Geschichte von Kreuz und Auferstehung Jesu seit je nach dem pharaonischen Modell verstanden worden: Der Oberbäcker wurde gehängt, der Mundschenk erhöht?
    Der Pharao, der Joseph nicht mehr kannte, kannte auch JHWH nicht, den „Gott der Hebräer“. Hängt die Trennung von Mizrajim und Israel (in der Geschichte der zehn Plagen) zusammen mit der Verstockung durch JHWH? Und ist nicht auch der Name Mizrajim (wie der des Pharao) ein Hinweis zum Verständnis der Verstockungsgeschichte?
    Sind Pharao und Mizrajim ein früher Hinweis auf Alexander und das Durchschlagen des gordischen Knotens? Das Durchschlagen des Knotens hat wie die Verstockung des Herzens des Pharao die Katastrophe instrumentalisiert und verdrängt, deren letztes Opfer das verstockte Herz selber ist.
    Natur und Welt: Die Lehre von der creatio mundi hat den Staat zum creator gemacht, während, wenn die Natur mit der Schöpfung gleichgesetzt wird, das Subjekt sich als Schöpfer über die Natur erhebt. Der Geniebegriff und das Selbstverständnis der Kunst in der modernen Welt (die sich als „schöpferisch“ versteht) gründen in diesem Naturbegriff.
    (Anmerkung zur Kritik der politischen Ökonomie: Das Wertgesetz und das Tauschparadigma entsprechen dem Naturbegriff, die Schuldknechtschaft und das Schuldparadigma dem Weltbegriff.)
    Das Jüngste Gericht ist das Gegenteil des Weltgerichts: Im Kontext der Idee des Jüngsten Gerichts ist die Vergangenheit nicht abgeschlossen. Die Idee des Jüngsten Gerichts revoziert das perfectum: die Vorstellung einer „vollendeten Vergangenheit“. Das Jüngste Gericht widerspricht der verdinglichenden Gewalt des Todes, die dem Begriff des Weltgerichts zugrundeliegt, und setzt dagegen die Idee der Auferstehung, das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht: die Sprengung der Verliese des Todes. Das Gericht der Barmherzigkeit ist auch darin das Gegenteil des Weltgerichts: Es spricht die Opfer frei, nicht die Täter.
    Das wirft ein Licht auf die 68er Wende: Sie hat das Jüngste Gericht mit dem Weltgericht verwechselt; sie hat an die magische Kraft des Urteils geglaubt und die Opfer vergessen.
    Die Erben der Reichen des Neuen Testaments sind die, die die Vergangenheit nur ausbeuten, den Mehrwert abschöpfen und das Vergangene insgesamt verdammen.
    Adam hat im Paradies die Tiere benannt, und es war keines daruntern, das ihm ein „Beistand gegen ihn“ war. Wäre die Geschichte vielleicht anders verlaufen, hätte Eva die Tiere benannt?
    Ist das Erstgeburtsproblem (das Erste, das den Mutterschoß durchbricht) ein Problem der Säugetiere, und hängt es mit der Urgeschichte der Domestikation zusammen? Kann es sein, daß die Domestikation über die Entwendung der Erstgeburt, die dann von Menschen aufgezogen wurde, gelaufen ist, und hängt die Bedeutung des Opfers der Erstgeburt damit zusammen, daß hier Gott die Schuld auf sich nimmt? (War die Erstgeburtsregelung eine gegen die Schuldknechtschaft und das Sklaventum gerichtete Regelung? Spricht dafür nicht auch der hebräische Name der Barmherzigkeit?)
    War es eigentlich so falsch, wenn die am fünften Tag von Gott „erschaffenen“ großen Meerestiere (die der Fisch im Buch Jona zitiert) als Walfische verstanden wurden, die Säugetiere waren?
    Bezieht sich nicht die Kritik der Naturwissenschaften auf ihr Verhältnis zur Sprache, zielt sie nicht auf die Revozierung der kantischen Definition der Wahrheit als „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“ (die redundant ist: auch der Gegenstand ist Begriff, und der Begriff Gegenstand)?
    Hat der letzte Satz des Jakobusbriefs etwas mit dem Gleichnis von dem einen Sünder und den 99 Gerechten zu tun, und kann es sein, daß das Wort vom Lösen sich auf die „Freude im Himmel“ über den einen Sünder bezieht, der sich bekehrt (nur der rettet seine Seele vom Tode, der mit dem einen Sünder die Welt vom Tode rettet)?

  • 9.5.96

    Joseph und Moses haben mit dem Haus des Pharao zu tun, Daniel und Esther mit dem des Königs von Babylon.
    Das Dogma war der erste Versuch der Begründung einer transzendentalen Logik, der Konstruktion synthetischer Urteile apriori. Hierbei hatte die Opfertheologie die Funktion, die bei Kant die subjektiven Formen der Anschauung hatten.
    Ist nicht das Dogma die Rekapitulation Ägyptens, die Rekonstruktion des Sklavenhauses, des Eisenschmelzofens und der Verhärtung des Herzens?
    Daß Himmel und Erde auch sprachlicher Natur sind, daß der Himmel, der im Anfang erschaffen wurde, am zweiten Tag als Name verwandt wird.
    Das Erzählen verhält sich zur Geschichtsschreibung wie das Wort zur Schrift. Beide unterscheiden sich durch ihre Sprachlogik.
    Beschreibt nicht die Auferstehung, die Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes das Verhältnis der Evangelien zur Thora?
    Die Logik der Schrift ist der Quellgrund des Weltbegriffs; beiden liegt die Logik des Seins für Andere zugrunde. Sind nicht die Schlange und das Neutrum, die Verstockung und der Kelch allesamt Explikationen der Logik der Schrift?
    Namen wie die des Armen, des Fremden, der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, der Wahrheit sind mit einem Bedeutungsüberschuß aufgeladen, den man nicht ungestraft verwerfen darf. – Unterscheidet sich nicht Buber (und das gilt auch für die Endgestalt seiner Übersetzung der Schrift) von Rosenzweig dadurch, daß er vor der Übermacht dessen, was ist, kapituliert, und drückt sich das nicht in seiner Sprache aus?
    Haben wir nicht das, was in den Evangelien Vollmacht heißt, zur Metaphorik entmächtigt und domestiziert?
    Wer ist in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern „der Mensch“, und was hat es mit dem (am Ende „leeren, gereinigten und geschmückten“) Haus auf sich? Sind beide nicht auf einander bezogen wie in der Philosophie Subjekt und Welt? Und ist nicht die Welt das Haus? Die Konstituierung und Entfaltung des Weltbegriffs ist die Geschichte der Austreibung des einen unreinen Geistes und zugleich die Vorbereitung der Rückkehr der sieben unreinen Geister. Hat diese Geschichte nicht etwas zu tun mit der anderen Geschichte vom Sünder und den 99 Gerechten (den Bewohnern des leeren, gereinigten und geschmückten Hauses) und mit der Geschichte von der verlorenen Drachme? – „Und die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten“: Steckt darin nicht ein Hinweis auf Off 1318?
    Liegt nicht die Bedeutung der transzendentalen Ästhetik für die transzendentale Logik darin, daß sie das Urteil unter das Gesetz des Objekts zwingt?
    Der Weltbegriff macht die Vernunft zur instrumentellen Vernunft; deshalb können die Freunde der Welt keine Freunde Gottes sein.
    Hat nicht die Philosophie erst den Samen zu etwas Männlichem gemacht, ist nicht in der Schrift der Same der Same der Frau – und nur als Same der Schlange männlich?
    Wer ist im Zoo hinter Gittern: die Tiere oder die Menschen (die Besucher), und wer blickt wen an: die Menschen die Tiere oder die Tiere die Menschen? Die gleiche Frage gilt auch für Museen und Kunstausstellungen. – Nur im Objekt blicken wir uns selbst an; deshalb sind Objekte Gegenstand der Anschauung (bzw. vor Gericht Gegenstand des „Augenscheins“).
    Miskotte hat mir noch einmal die Wolken vor Augen geführt, aus denen mich Adorno wie ein Blitz getroffen hat.
    Wird Dieter Georgi nicht zum Opfer einer Äquivokation, wenn er den Bekenntnischarakter des Rechts mit dem Hinweis darauf begründet, daß dieses Recht sich „am Recht des Nächsten“ orientiert? Gehört es nicht zur Logik des Rechts, daß (zusammen mit dem Recht des Eigentums) nur das eigene Recht gesetzlich sich objektivieren läßt? Dem „Recht des Nächsten“ würde ein „Gericht der Barmherzigkeit“ entsprechen, das nur auf der Grundlage des Gebots, nicht auf der des Gesetzes sich bestimmen läßt.

  • 30.4.96

    Das Christentum hat mit der Rezeption des Weltbegriffs den Rhythmus der Schöpfung umgekehrt: Es hat die Rettung an den Anfang und die Katastrophe ans Ende gesetzt. Aber hat nicht, der das Licht gebildet hat, zuvor die Finsternis erschaffen? Der Weltbegriff gründet in der Logik einer Sprache, in der das Vergangene das Vollendete ist, und in der das Vollendete nicht im Handeln, sondern dem Anschauen (dieser wissensbegründenden Einheit von Sehen und Gesehen-Haben) gegeben ist. Im Ursprung des Weltbegriffs liegt der Begriff des Wissens, die Logifizierung des Gesehenhabens. Das Anschauen (und in seiner Folge der Welt- wie auch der Naturbegriff) ist das institutionalisierte falsche Zeugnis. Deshalb gehört die Vorstellung des Zeitkontinuums, Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, zu den Voraussetzungen des Weltbegriffs. Ihren logischen Halt findet das Zeitkontinuum an der mathematischen Raumvorstellung. War nicht die Astrologie ein notwendiges Moment in der Vorgeschichte der Aufklärung in Europa, und zwar dadurch, daß sie (in den Beziehungen von Sonne und Mond, Jupiter und Mars, Venus und Merkur) den Schöpfungsrhythmus von Katastrophe und Rettung als reversibel vor Augen gestellt und damit seine Umkehrung vorbereitet hat? Nach jeder der neun ersten Plagen, heißt es, daß Gott das Herz des Pharao verstockte. Kann es sein, daß die Folge dieser Herzensverhärtungen verstanden werden muß als Ursprungsgeschichte des Herrendenkens? Sollte die Geschichte der ägyptischen Plagen unter diesem Gesichtspunkt nicht genauer untersucht werden, auch unter Berücksichtung der Umstände (welchen Gottesnamen zitiert Moses gegenüber Pharao, welche Plagen werden dem Pharao angekündigt, welche nicht, wie verhalten sich die Wahrsager und Zauberer des Pharao, wie unterscheiden sich die Plagen)? In welcher Beziehung stehen die ersten neun zur letzten Plage, zur Vernichtung aller Erstgeburt bei Mensch und Vieh in Ägypten, zum vorausgehenden Passah-Opfer und Passah-Mahl (Lamm, Fladen, Bitterkräuter) und zur Mitnahme des Schmucks und der Kleider der Ägypter? „Der Herr verstockte das Herz des Pharao“: Verweist der biblische Name Ägyptens (Mizrajim) auf die Ursprungsgeschichte der Trennung von Natur und Welt und auf den Grund des verstockten Herzens, und sind die Plagen die mit dieser Trennung verbundenen und durch sie (durch das dadurch erzeugte pathologisch gute Gewissen) zugleich unkenntlich gemachten Plagen: ist der Pharao der Prototyp derer, die den Herrn gekreuzigt haben und nicht wußten, was sie tun? Haben die zehn Plagen etwas mit den zehn Hörnern (des Drachens und des Tiers aus dem Meere) zu tun: Sind die Hörner (auch die der Opfertiere) nicht Verstockungen des Herzens (wie die zehn Verstockungen des Herzens des Pharao)? Was bedeutet es dann, wenn das Lamm, das geschlachtet wurde, und das würdig ist, die sieben Siegel zu lösen, sieben Hörner hat, während das Tier vom Lande zwei Hörner hat wie ein Lamm und redet wie ein Drache? Sind nicht die Umstände der zehn ägyptischen Plagen wichtiger als die Plagen selbst (der Nil, der zu Blut wird und aus dem die Frösche kommen; der Staub, der zu Mücken wird etc.; auf wen Moses gegen Pharao sich beruft: auf den Gott der Hebräer; auf JHWH, den Gott der Hebräer; „in der Frühe, wenn der Pharao zum Wasser geht“; der Hinweis auf das „Scheusal Ägyptens“). Gehört die Abfolge der pharaonischen Verstockungen zu den Konstituentien des Weltbegriffs? Spiegelt sich in der Verstockung des Pharao (von dem es vorher hieß, daß er Josef nicht mehr kannte) nicht die Josefsgeschichte (die als Karrieregeschichte, mit einer sentimentalen Wiedersehensgeschichte am Ende, sich präsentiert: auch eine Verstockungsgeschichte, hinter der die ökonomische Geschichte verschwindet)? Haben die zehn Sephirot etwas mit den zehn Hörnern und den zehn Plagen zu tun? War David der siebte (1 Chr 215) oder der achte Sohn des Isai (1 Sam 1610, 1712)? Die ungeheure Bedeutung der Kritik der reinen Vernunft liegt darin, daß sie die Logik, ohne ihren Zwang zu leugnen, erstmals zum Gegenstand der Reflexion gemacht hat. Es ist der erste Versuch, die Blindheit der Logik, die uns beherrscht und lähmt, durch Reflexion aufzuheben. Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Blick der Andern, machen sich ihn aber (im gemeinsamen Blick aufs Objekt) als systemische, die Form der Anschauung konstituierende Kraft zu eigen. Sie vergesellschaften und verinnerlichen die Zeugenschaft des Andern, indem sie sie in die Form des Anschauung integrieren. Die Formen der Anschauung sind das Produkt der Verweltlichung des Schwurs. Und dieser Schwur ist falsch (falsches Zeugnis). Es gibt einen Schrecken, den wir nur in kleinen Dosen an uns herankommen lassen können. Aber wenn er uns erreicht hat, bleibt nur der Spruch des Jonas: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört. In der Justiz sind synthetische Urteile apriori bewußt produzierte Irrtümer. Auch das hat etwas mit den Planeten zu tun, und mit dem Systemgrund der Astrologie. Zur Kritik des Zeitkontinuums: Nicht die geometrische Normale, sondern die Farbe bezeichnet die Tiefendimension der Fläche.

  • 24.4.96

    Zwischen Theorie und Praxis, zwischen Kopf und Hand, liegt die ganze Welt. Deshalb sind wir nicht Herr über die vegetativen Vorgänge in uns.
    Der historische Objektivationsprozeß, der in den Weltbegriff mit eingebaut ist, ist die logische Grundlage des Personbegriffs.
    Der letzte Satz des Jakobus-Briefs ist eine Radikalisierung des Ezechiel-Worts „dixi et salvavi animam meam“.
    Kant-Seminar: Steckt nicht in der Meldung (FR von heute), daß das Frankfurter Oberlandesgericht die Ladung von Steinmetz als Zeuge abgelehnt hat, weil „sein Wissen für die Entscheidung des Gerichts unerheblich“ sei, der Schlüssel zu dem ganzen Verfahren: Dieses Gericht weiß ohnehin eh schon alles und möchte sich durch Zeugen, auch durch den einzigen Zeugen der Vorgänge von Bad Kleinen, nicht verunsichern lassen? – Das Faszinierende dieses Prozesses ist es, daß er es den Beobachtern ermöglicht, real der Konstruktion eines synthetischen Urteils apriori beizuwohnen.
    Hängt die Exodus-Geschichte mit dem Schöpfungsbericht zusammen? Das Sabbat-Gebot bezieht sich auf beide. Hat außerdem der Durchzug durchs Schilfmeer vielleicht etwas mit dem zweiten Schöpfungstag, der Trennung der Wasser durch die Feste des Himmels, zu tun?
    Nephesch, der biblische Name der Seele, auf den bei dem Verbot, Blut zu vergießen oder gar zu essen, verwiesen wird, hängt mit dem Aufatmen zusammen (vgl. die bei Veerkamp, in dem Sammelband „… so lernen die Völker des Erdkreises Gerechtigkeit“, zitierten Stellen über das Aufatmen Davids, der Sklaven und des Viehs und schließlich Gottes). Ist nicht der Inbegriff dieses Aufatmens der Geist, und atmet Gott nicht in uns auf?
    Die Apokalypse ermißt die Distanz zwischen den Völkern und dem Sabbath. Die Braut, das „himmlische Jerusalem“, ist Israel.
    Sind es die Knechte und Mägde, die „rechts und links nicht mehr unterscheiden können“?
    Hat nicht das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit den Begriff „Lichtjahre“ schon widerlegt, ehe er erfunden wurde? Aber dieser Begriff Lichtjahre stützt das Konzept der Tiefenzeit, ohne das die Naturwissenschaften ihren Rechtfertigungsauftrag, den sie dem Bestehenden schuldig sind, nicht erfüllen können.

  • 16.3.96

    Der „erbauliche Ton“ macht es sich in der Bibel gemütlich.
    Der Raum, die Welt und die Logik der Säkularisation.
    Definition der Ökonomie: Die, die oben sind, werden von denen, die unten sind, getragen, aber sie sind verblendet von dem Schein, daß die die unten sind, von ihrer Gnade leben. Das Geld stellt die realen Verhältnisse auf den Kopf.
    Projektive Natur: Bei Rosenzweig gibt es den Begriff der Natur nur im Kontext der „Vorwelt“. Hier ist sie der logische Grund der Objekte des Nicht-Wissens, der aber in der Umkehr (im Kraftfeld der Schöpfung, Offenbarung, Erlösung) sich auflöst. Der Begriff der Umkehr bei Rosenzweig wäre ohne den Naturbegriff gegenstandslos.
    Die ezechielische Individualisierung der Schuld ist nicht identisch mit der juristischen, mit dem Begriff der Person; sie schränkt den Begriff der Schuld nicht ein, sondern erweitert ihn: sie ist die messianische. Nach Ezechiel hat jeder die Verantwortung nicht nur für sein eigenes Tun und Lassen, sondern für das Ganze.
    Erinnert nicht der Begriff der Zunge bei Jakobus an die Feuerzungen des Pfingsttages?
    Ist nicht der Name des Petrus griechischen und der des Paulus lateinischen Ursprungs?
    Die Nichtobjektivierbarkeit des Antlitzes des andern ist die Widerlegung der subjektiven Formen der Anschauung.
    Haben Rechnen und Linken etwas mit rechts und links zu tun?
    Heidegger, das war der katastrophische Einsturz der Philosophie, die Wahrheit des Urknalls, der am Ende sein wird und eigentlich eine Implosion beschreibt. Heidegger hat den Weg freigemacht zu jenem Mißbrauch der Naturwissenschaften, in dem die Theologie verbrannt ist. Ist die Fundamentalontologie nicht das Feuer, das Jesus vom Himmel holen wollte, und er wollte, es brennte schon; nur daß es zu diesem Feuer erst wird, sobald es das Bewußtsein seiner selbst gewinnt.
    Das Angesicht, der Name und das Feuer: Beziehen sie sich nicht auf die Rettung des Sinnlichen, der Kritik und der Erlösung (Sündenvergebung und Befreiung durchs Auf-sich-Nehmen der Schuld)?
    Ist das Angesicht Repräsentant der Kritik der Ästhetik (der Kritik der Urteilskraft), der Name Repräsentant der Kritik der Logik (der Kritik der reinen Vernunft) und das Feuer Repräsentant der Kritik der Ethik (der Kritik der praktischen Vernunft)?
    Es gibt nicht nur eine transzendentale Logik, sondern es gibt drei Logiken, die in einander wie die drei Dimensionen des Raumes sich reflektieren. Zentren der drei Logiken sind der Raum, das Geld und das Bekenntnis (die „Weltanschauung“).
    Wie hängen die drei Dimensionen des Raumes, das Vorne-Hinten, Rechts-Links, Oben-Unten, mit den drei Modi der Zeit: mit Dauer, Folge und Zugleichsein, und wie hängen beide mit den drei Totalitätsbegriffen der kantischen Philosophie, mit dem Wissen, der Natur und der Welt, zusammen?

  • 5.3.96

    Der Indikativ, das Wissen und die Gewalt: Gestern gab Birgit Hogefeld zu den Pressemeldungen über den suspendierten BKA-Beamten, der gegen das BKA den Verworf erhoben hat, Akten, die Klaus Steinmetz belastet und Birgit Hogefeld entlastet haben sollen, unterdrückt und vernichtet zu haben, eine Erklärung ab, die sehr deutlich von ihren bisherigen Prozeßerklärungen sich unterschied. Zum erstenmal war, so mein Eindruck, so etwas wie ein RAF-Ton zu vernehmen. Während ihre bisherigen Erklärungen vorrangig ihre eigenen Motive (weshalb sie sich der RAF angeschlossen hat) und Positionen (Verurteilung der Ermordung des GI’s Pimental) zum Gegenstand hatten und in der Sprache der Reflexion vorgetragen wurden, versuchte sie hier, die in den Pressemitteilungen bekanntgewordenen Fakten einzuordnen und zu interpretieren, das jedoch in der Sprache des Indikativs, in einem Ton, der nach außen „Wissen“ demonstrierte, in einer Sprache, die leicht als Echo der Sprache des Staatsanwalts sich identifizieren ließ. (Dieser staatsanwaltliche Indikativ ist reflexionslos, er bricht den Dialog ab, läßt nur noch den Weg der Gewalt offen, der „Bestrafung“.) Steht diese Änderung des Tons in Zusammenhang mit dem Besuch von Antje Vollmer, war sie die Reaktion auf den Senatsbeschluß zur Verlegung von Monika Haas in ein Gefängniskrankenhaus? Vgl. hierzu die Ankündigung eines Hungerstreiks, gemeinsam mit Eva Haule.
    Staatsschutzprozesse, Verwaltungsentscheidungen, der Indikativ und die RAF: Sind die sprachlichen Formen, in denen sie sich ausdrücken, nicht allesamt Formen des „kurzen Prozesses“: des Verzichts auf Reflexion, des bestimmenden Urteils (des synthetischen Urteils apriori)? In jedem Falle ist der, über den das Urteil, die Entscheidung ergeht, bloßes Objekt. Das „Wissen“, das in diesen Sprachformen sich ausdrückt (und das den gleichen logischen Anspruch erhebt wie die wissenschaftliche Erkenntnis, in deren logischen Kontext auch das Dogma gehört), läßt grundsätzlich keinen Einspruch mehr zu.
    Ist nicht das Konstrukt des stellvertretenden Opfers das logische Modell eines Staates, der seinen Bürgern (in den Kasernen, Knästen, Irrenhäusern und Schulen) die Drecksarbeit abnimmt? Wenn der Staat für Ordnung sorgt und durchgreift, kann der Bürger in seinem privaten Bereich verständnisvoll und voller Mitleid sein. Nur daß es auch wiederum Bürger sind, die für den Staat die Drecksarbeit tun, für die der Staat dann allerdings die Verantwortung übernimmt, wobei er zugleich diese Bürger vor dem Vorwurf in Schutz nimmt, ihre Arbeit sei Drecksarbeit. Dafür erwartet er dann ihren Dank. Der Staat ist das Instrument der Vergesellschaftung einer Sündenvergebung, die der Reue und der Umkehr nicht mehr bedarf (der apriorischen „Rechtfertigung“ der Sünde, die in seinem Namen getan wird).
    Ist das Sklavenhaus Ägypten nicht auch der Eisenschmelzofen (Dt 420, 1 Kön 851, Jer 114, vgl. auch Ez 2220), und sind dem nicht die subjektiven Formen der Anschauung vergleichbar, die den Indikativ erzwingen?
    Der RAF-Ton ist der verbitterte Indikativ, aber ist nicht die Verbitterung von der Erbitterung zu unterscheiden? Erbittert ist, wer am Ziel festhält und sich dabei nicht verbittern läßt. Der Verbitterte hat schon kapituliert.
    Der „Glaube an das Gute im Menschen“ ist naiv, er wäre zu ersetzen durch die Lehre vom Feuer (vgl. den Eisenschmelzofen).
    Ist nicht das Bekenntnis des Namens das christliche Äquivalent des Tempels: der das Haus des Namens Gottes war? Das reale Bekenntnis des Namens ist die Nachfolge, die in den Bereich hineinreicht, den die Theologie seit je ausgeblendet hat. Ist nicht das Dogma das Instrument dieser Ausblendung (der Feigenbaum, der nur Blätter, keine Früchte trägt)?
    Die Theologie im Angesicht Gottes zielt ab auf die Heiligung des Namens, sie holt das Feuer vom Himmel, von dem er wollte, es brennte schon.
    Es ist schlimm, aber der Indikativ der RAF ist die Fortsetzung des Stammtischs mit anderen Mitteln: die Anwendung des Vorurteils, das seit je terroristisch war, auf die Quelle des Vorurteils, den Staat.
    Der Indikativ ist die Sprache der Verbitterung; verbittert aber wird, wer an dem Schmerz der Erbitterung verzweifelt.
    Die Kopenhagener Schule hat die moderne Physik wieder in den Indikativ (in die Herrschaftsform des Inertialsystems) zurückübersetzt, sie braucht die Gewißheit, sie scheut das Feuer. War nicht Weizsäckers Theorie der Energieerzeugung in der Sonne das Werk eines Staatsanwalts? Und stehen nicht alle physikalischen Theorien mit kosmologischem Anspruch seitdem in dieser Tradition (der Urknall, die schwarzen Löcher, das „expandierende Weltall“)?
    „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht runken ist“: Die dogmatische Tradition, die bis in die modernen Naturwissenschaften hineinreicht, verdrängt diesen Taumel, sie verdrängt ihn nach innen, sie verwirrt. Die Flucht vor dieser Verwirrung endete im Positivismus. So hängen der Indikativ des Anklägers und die diabolische Verwirrung (der Taumelkelch) mit einander zusammen.
    Lassen sich Strafprozesse nicht danach unterscheiden, wem jeweils Narrenfreiheit gewährt wird? In RAF-Prozesse sind es die Ankläger, während im Auschwitzprozeß die Verteidiger dieses „Privileg“ hatten.
    Die Unterscheidung der Narrenfreiheit des Anklägers (im RAF-Prozeß) von der des Verteidigers (im Auschwitz-Prozeß) hat etwas mit der Unterscheidung von Satan und Teufel zu tun. Und gründen nicht beide Formen der „Narrenfreiheit“ im logischen Problem des Beweises, sind nicht beide Instrumentalisierungen des Verfahrens der Beweisumkehr?
    Läßt sich der Indikativ (und mit ihm die sprachlogische Form der indoeuropäischen Grammatik insgesamt, insbesondere das Neutrum und der Kernbestand der indoeuropäischen Formen der Konjugation, das Präsens und das Präteritum) nicht als Instrumentalisierung des Verfahrens der Beweisumkehr begreifen? Und ist das nicht die sprachlogische Wirkung der subjektiven Formen der Anschauung, die erstmals Kant in der Antinomie der reinen Vernunft ins Licht gehoben hat? Ist diese Beweisumkehr nicht der innere Motor des Taumels (das Gesetz der Beziehung von Begriff und Gegenstand unter der Herrschaft der subjektiven Formen der Anschauung, das sprachlogische Wertgesetz)?
    Blut und Boden: Als Kant die Achtung vor dem Geld aus der Vorstellung, was man damit machen könnte, ableitete, war das Geld noch in erster Linie ein Produktionsmittel, aber nur in Ansätzen eines der Subsistenz; dazu ist es erst in unserer Zeit geworden. Heute ist aus dem Fundament, auf das die Menschen einmal ihr Haus gebaut haben, der Schlund geworden, der sie verschlingt. War der Faschismus, und war insbesondere Auschwitz nicht der Versuch der projektiven Verarbeitung dieser Erfahrung?
    Steckt in der kantischen Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises (in dem Hinweis auf den Unterschied zwischen dem Geld in meinem Beutel und dem nur gedachten Geld) nicht schon eine Ahnung des ökonomischen Bruchs, der in seiner Philosophie bewußtlos (als Erkenntniskritik) sich ausdrückt?

  • 2.3.96

    Der Positivismus, der nicht nur eine „Richtung“ in der Philosophie, sondern die herrschende Tendenz des Wissenschaftsbetriebs heute insgesamt bezeichnet, ist das Instrument der Rückbildung der organisierten Erkenntnis ins Anorganische. Schlimm ist nicht diese Rückbildung, sondern die Unfähigkeit ihrer Reflexion. Genau dadurch aber unterscheidet sich beispielsweise Mach (und auch wiederum Wittgenstein) vom Wiener Kreis, daß sie ernsthaft daran sich abgearbeitet haben, den Vorgang bewußt zu machen, während der Wiener Kreis sich offensichtlich gern als Kommandoebene des Positivismus etabliert hätte. Gleicht er darin nicht der Intention und der Funktion des Neoliberalismus in der Ökonomie? Hier liegt nicht die Wurzel des „Kausalitätsproblems“: Als Apologet des kapitalistisch organisierten Eigeninteresses, in dessen eingeschränktem Wahrnehmungsfeld er selbstverständlich von der Geltung des Kausalprinzips ausgehen muß, muß er, um das hypostasierte Eigeninteresse irritationsfrei zu halten, zugleich versuchen, die Anwendung des Kausalprinzips auf die Erkenntnis der objektiven, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Folgen des Handelns zu unterbinden, was am einfachsten durch Verschiebung von der Ökonomie auf die Physik, die ohnehin zur Metaphysik der Ökonomie geworden ist, möglich ist (die Vernebelung der ersten Natur macht auch die zweite unsichtbar, wobei als sicherstes Mittel der Vernebelung immer noch die Verdinglichung logischer Sachverhalte sich erweist).
    Verwaltung gründet in der Umformung von Exkulpationsmechanismen in Handlungsmechanismen. Sie liefert das Modell subjektlosen Handelns: Man tut seine Pflicht, weiß aber nicht mehr, was man tut.
    Definition der Verwaltung: Der Bock als Gärtner.
    „Leistung muß sich wieder lohnen“: Die Kehrseite des staatlichen Sparzwangs, der neben dem Sozialbereich insbesondere die Verwaltung trifft, ist der unaufhaltsame Verschwendungstrieb derer, die davon profitieren. Dort, wo die Leistung nur noch am Verdienst gemessen wird, sind die Besserverdienenden eo ipso auch die Leistungsträger (auch ein Problem der Beweislogik).
    Das unterscheidet den Gehorsamen vom Hörenden, daß der Gehorsame die Verantwortung an den Herrn abgegeben hat: an das blinde Gesetz, das die Welt beherrscht, während der Hörende sein Handeln in die eigene Verantwortung übernimmt.
    Das Schuldverschubsystem ist das Resultat des widersinnigen Versuchs, Barmherzigkeit zu delegieren. Barmherzigkeit ist die Substanz der Autonomie, sie ist grundsätzlich nicht delegierbar.
    Der Beleidigte bleibt in die Infantilität gebannt: Er glaubt an die Kraft des Liebensentzugs.
    Das kopernikanische System ist der kosmische Reflex (und die kosmische Legitimation) des Selbsterhaltungsprinzips und der staatlich organisierten Gesellschaft von Privateigentümern (aus der das Proletariat definitionsgemäß herausfällt).
    „Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Den ersten Teil dieses Satze zitiert auch Jesus (Mt 2322) in einem gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gerichteten Text über das Schwören (das Schwören beim Tempel, beim Altar, beim Himmel).
    Kant hat den Raum als subjektive Form der äußeren Anschauung definiert, Hegel hat diesen Begriff zugespitzt zur Form der Äußerlichkeit. Darin drückt sich der logische Sachverhalt aus, daß alles Räumliche dem Gesetz des Seins für Andere(s) unterworfen ist. Der räumliche Punkt ist das Bild des Objekts: Indem ich eine Sache objektiviere, mache ich sie zu einem Sein für Andere.
    Adjektiv (that’s the question): Habermas hat in dem falsch zitierten Adorno-Wort „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“, das vom Original nur durch das Adjektiv „gequält“ sich unterscheidet, das Wort insgesamt verfälscht. Das Adjektiv, indem es dem Objekt eine Eigenschaft beilegt, objektiviert und verdinglicht das Objekt. Erst durch ihre (in den indoeuropäischen Sprachen entfaltete) Steigerungsfähigkeit wird das Adjektiv zum Adjektiv, gewinnt es seine grammatische, die Sprachlogik verändernde Funktion. (Vgl. das tob meod im Hebräischen, das „gut, gar sehr“, und die Rosenzweigsche Bemerkung hierzu, aber auch die merkwürdige Tatsache, daß die Steigerung des Adjektivs „gut“ (und welcher anderen in welchen Sprachen?) in den indoeuropäischen Sprachen von der allgemeinen Steigerungs-Regel abweicht, für die Steigerungsformen neue Stammformen (gut, besser, am besten) genommen werden; vgl. hierzu auch das Problem des Neutrums, seinen Ursprung im Fragepronomen <das keine geschlechtliche Unterscheidung, nur die von Person und Sache kennt, eine Unterscheidung, die im Hebräischen auf den Namen des Himmels verweist> und die hethitische, an die Logik des Fragepronomens anschließende Zwischenstufe der grammatischen Genus-Regelung, die ebenfalls nur die Unterscheidung von Person und Sache kennt (ohne Trennung von Männlichem und Weiblichem): gibt es Steigerungsformen im Hethitischen; wie verhält es sich mit den Personalpronomina – auch im Hebräischen? Wo entspringt das „Wie“, der mit der Steigerung sprachlogisch verbundene Vergleich, der im Deutschen an die weibliche Form des bestimmten Artikels <an das „die“, so wie Wer an „der“ und Was an „das“> erinnert? – Vgl. hierzu die Hypostasierung der Frage im Begriff der Judenfrage, der Seinsfrage, schließlich der Frage überhaupt, die bei Heidegger gleichsam durch Redundanz zum Grund der Eigentlichkeit metaphysisch aufgeladen wird: Ist „die Frage“ die letzte Gestalt des Wassers, mit dem die Philosophie einmal begonnen hat? Sind die Seinsfrage, die Judenfrage, die Frauenfrage u.ä. die schwarzen Löcher der Grammatik?).
    Wie verhält sich die Frage zu den sprachlogischen Formen der Konjugation (zu den Dimensionen der Zeit, zur Abtrennung des Handelns vom Subjekt)? Wie verhalten sich Frage und Problem? Was bedeutet der Ursprung des Wissens für die Geschichte des Begriffs der Frage? In welche Engführung bringt der Weltbegriff den Begriff der Frage? Wodurch unterscheiden sich Frage und Problem (Antwort und Lösung), und wie verhalten sich das Binden und Lösen zu Frage und Problem?

  • 27.2.96

    Der „zwanglose Zwang des Arguments“ ist nicht identisch mit der Einsicht. Die Zweideutigkeit des Begriffs des „zwanglosen Zwangs des Arguments“ rührt daher, daß er als petitio principii die Zustimmung des Andern in Begriffen wie Intersubjektivität oder Konsens schon voraussetzt.
    Liegt nicht das Problem der Beweislogik, das der kantischen Antinomie der reinen Vernunft (und seiner Analyse der „apagogischen Urteile“) zu entnehmen ist, in der Levinasschen Asymmetrie? Die Leugnung dieser Asymmetrie macht die Beherrschten stumm und die Herrschenden zu apriorischen Siegern.
    Wer die Einsicht, weil sie der demokratischen Kontrolle sich nicht fügt, als privilegierte Form der Erkenntnis diskriminiert, fördert die Gemeinheit, macht das Herrendenken alternativlos.
    Modell der transzendentalen Logik waren der christliche Antijuduaismus und sein Erbe, der politische Antisemitismus. Die Juden waren das erste – aufs transzendentallogisch umgeformte prophetische Urteil bezogene – apriorische Objekt. Nur durch die apriorische Beziehung auf die Juden, die mit dem Konstrukt einer „Erfüllung der Prophetie“ in Jesus systemlogisch zusammenhängt, ließ die Prophetie sich neutralisieren, war das Christentum apriori gegen die prophetische Kritik gefeit (vgl. auch die merkwürdige Konvergenz dieser Systemlogik mit der sprachlogischen Differenz zwischen der hebräischen und den indoeuropäischen Sprachen!). Der Antisemitismus war seit je ein Mittel, das Gebot und seine prophetische, herrschaftskritische Entfaltung zu neutralisieren. Der Preis waren das Dogma und die Bekenntnislogik (zusammen mit der Historisierung der prophetischen Bücher).
    Seit wann wird in christlichen Übersetzungen der Schrift Völker mit Heiden übersetzt? Hiermit hat sich das Christentum endgültig aus der Zone der prophetischen Kritik herausgeschlichen (und zugleich den Antisemitismus stabilisiert).
    Begründet nicht der Antijudaismus die Theologie hinter dem Rücken Gottes, der Antisemitismus aber darüber hinaus sowohl die Naturwissenschaften als auch den Historismus, den Objektivierungsprozeß insgesamt? In dieser Konstellation erweist sich die Trinitätslehre als eine Vorstufe der subjektiven Formen der Anschauung, mit der sie systemlogisch über das Konstrukt der Rechtfertigungslehre (die Wurzel des Pharisäismus in der christlichen Theologie) zusammenhängt.
    Die transzendentale Logik ist eine projektive Rechtfertigungslogik, darin gründet ihre apriorische Konstruktion.
    Ist nicht das Dogma ein riesiges kontrafaktisches Urteil (und wie dieses der Schatten oder der Preis der Objektivierung)?
    Lassen die Zahlen 666 (18×37) oder 616 (8x7x11) sich auf Paulus/Saulus beziehen?

  • 22.2.96

    „Ist das Ihne Ihren Hund?“: An der Deklination des Personalpronomens (am Dativ und Genitiv 3. Pers. plural) läßt sich ablesen, daß der grammatische Adressat (der Dativ) aufs maskuline und der objektivierende Genitiv aufs feminine Geschlecht zurückgreift.
    „Du sollst den Herrn, Deinen Gott, nicht versuchen!“ Wer ist gemeint mit dem Du: benennt Jesus sich selbst (als Adressaten des göttlichen Gebots), oder den Teufel, und damit dann aber sich selbst als den Herrn, seinen Gott (den Gott für den Teufel), den man nicht versuchen soll? Geht es um die Versuchung Jesu durch den Teufel, oder um die Versuchung Gottes durch Jesus? Hintergrund ist die Aufforderung des Teufels, Jesus solle sich von der Zinne des Tempels stürzen (Mt 45ff).
    Jeder Indikativ ist ein (verdeckter oder offener) Imperativ. Jede Feststellung enthält einer Handlungsanweisung (sei es als „normative Kraft des Faktischen“ oder als Feststellung von materiellen Bedingungen, auf die das Handeln zu beziehen wäre). Die Trennung von Indikativ und Imperativ (Natur und Welt) erzeugt eine Sprache, in der Theologie nicht mehr möglich ist. Es ist die Sprache des Zuschauers, die die Erkenntnis zum Wissen depersonalisiert; sie steht unter dem Bann des Neutrums. Was mit hereinspielt, ist ein zeitliches Moment (das gleiche, das die indoeuropäische Sprachlogik konstituiert): die Trennung der Vergangenheit von der Gegenwart unterm Prinzip der Selbsterhaltung. Jedes Urteil, insbesondere jede Verurteilung, begründet die Macht der Vergangenheit über die Gegenwart, indem es das Vergangene verdrängt. Hier liegt die Differenz zwischen der geisteswissenschaftlichen „Einfühlung“, die immer in die Herrschenden, die Sieger, sich einfühlt, und der Erinnerungsarbeit, die die Sache der Beherrschten, der Besiegten, zu ihrer eigenen macht.
    Sind wirklich „nicht-intendierte Folgen dem philosophischen Lehrer sowenig wie irgend einem anderen Autor, wie man sagt: subjektiv zuzurechnen“? (Habermas: Philosophisch-politische Profile, erweiterte Ausgabe, Frankfurt ’87, S. 19) Und was meint Habermas, wenn er anmerkt, daß „inzwischen …, ironischerweise vorbereitet durch sozialstrukturelle Umwälzungen, unterm Naziregime, die Bundesrepublik während der Rekonstruktionsperiode die Ungleichzeitigkeiten ihrer Entwicklung wettgemacht (hat) … Man hat immer noch eine magische Furcht es auszusprechen: wir leben heute in einem der sechs oder sieben liberalsten Staaten …“ (ebd. S. 24)? Diese Sätze stehen in einem Zusammenhang, der den Schluß nahezulegen scheint, die Philosophie müsse vielleicht doch endlich aus der „Fixierung an das zeitgeschichtliche Phänomen des Faschismus“ (S. 18) heraustreten.
    Das Konzept des „herrschaftsfreien Diskurses“ und des „zwanglosen Zwangs des Arguments“ lebt von der Prämisse, daß die Wahrheit „beweisbar“, daß „Intersubjektivität“ ein Konstituens der Idee der Wahrheit sei. Unterm Bann des Positivismus aber laßt sich die Wahrheit einer Erkenntnis (eines „propositionalen Satzes“) von der Instrumentalisierung des Erkannten nicht mehr unterscheiden. Damit hängen die Probleme der Beweislogik (ein zentrales Motiv der Kritik der reinen Vernunft), die Habermas bloß verdrängt, zusammen. Ausdruck dieser Probleme ist u.a. der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist: Der Grund liegt darin, daß sie nicht beweisbar ist. In diesen Zusammenhang gehören die Fälle von Kameraderie bei Übergriffen durch die Polizei, die Erfahrung, daß, wer Opfer eines Übergriffs geworden ist, aber keine Zeugen hat, im Falle einer Anzeige mit einer Gegenanzeige rechnen muß. Die Logik dieses Verfahrens läßt als Instrumentalisierung der Logik, die Kant unter dem Titel „Antinomie der reinen Vernunft“ analysiert hat, sich begreifen. Auf der alleinigen Grundlage der Beweislogik lassen ungerechte Urteile in der Justiz und falsche Urteile in der Wissenschaft, wenn man die „privilegierte Erkenntnis“ des „eingebildeten Zeugen“ ausschließt, sich nicht vermeiden.
    Die Historismus, die Objektivierung der Geschichte, rückt das Vergangene in eine Position, in der man unbehelligt vom Einspruch derer, die tot sind, darüber reden kann; das aber mit der Folge, daß man selber zum Opfer seinen eigenen Urteile wird. Ist das der Hintergrund der Übersetzung des Namens der Theologie mit der „Rede von Gott“?
    Astrologie und Mythos sind das falsche Bewußtsein eines Problems, das mit Astrologie und Mythos selbst mit verdrängt worden ist. Hierauf bezieht sich der Satz, es komme darauf an, den Knoten, den Alexander durchschlagen hat, endlich zu lösen.

  • 15.2.96

    Das Gewaltmonopol des Staates ersetzt den Begründungszwang staatlichen Handelns.
    Die Vergesellschaftung des Proletariats, die Übertragung des Warencharakters auf alle ökonomisch Tätigen mit der daraus abgeleiteten Hierarchisierung der Waren (Luxusgüter und Wegwerfprodukte), enthält eine Bestimmung, die mit zu reflektieren ist: Die Proletarisierung derer, die oben sind, ist begleitet von einer explosiven Ausbreitung von Gemeinheit. Zugleich drückt in der Erscheinung ganzer Gruppen von Jugendlichen heute ein instinktiver Ekel vor denen sich aus, die dazu gehören, insbesondere vor denen, die oben sind; dazu gehört ein Bild, in dem die Selbsterfahrung des Punk sich ausdrückt, das Bild des angemalten Abfalls, zu dem als Symboltier nicht zufällig die Ratten gehören, die in der Realität die Müllhalden bevölkern.
    Im Buch Josue erscheint die Lade beim Durchgang durch den Jordan, bei der Eroberung Jerichos und bei der Versammlung zwischen den Bergen Garizim und Ebal, bei der Verlesung des Segens und des Fluches aus dem Gesetzesbuch. Im Buch der Richter wird die Lade nur in der Geschichte des Kampfes gegen die Benjaminiten erwähnt, bei der Befragung des Herrn in Bethel – „dort befand sich nämlich zu jener Zeit die Bundeslade Gottes“ (Ri 2027).
    Hegels Logik ist eine Entfaltung der transzendentalen Logik auf der Grundlage der Übertragung der Antinomien aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik. Ist nicht dadurch die transzendentale Ästhetik der Reflexion entzogen und zu einem Absoluten (zum blinden Fleck der Philosophie) geworden?
    Verdankt sich nicht der Schein, seine Stellung in der Logik des Begriffs, jener Veränderung der Logik, die sich aus der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ergibt (aus der Objektivierung der Zeit, der gleichen Veränderung, der sich auch die Apriorisierung des Objektbegriffs verdankt)?
    Im Namen erlischt der Schein, in der Kraft des Namens wird die Bodenlosigkeit des Begriffs aufgedeckt.
    Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff, es ist mit diesem seinem Rechtsgrund dem Schuldzusammenhang verhaftet.
    RAF-Prozesse unterscheiden sich von anderen Verfahren der Rechtsprechung vor allem durch die Verwandlungen des Angeklagten in den Feind und durch die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers. Diese Transformation ergibt sich zwanglos aus der kantischen Unterscheidung des reflektierenden vom bestimmenden Urteil (die in seinem Werk in der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft <der transzendentalen Logik> sich ausdrückt). Ist nicht der gesellschaftliche Grund dieser Differenz in der Unterscheidung von Verwaltung und Rechtsprechung vorgegeben? Verweisen nicht die Angleichung der Funktion des Richters an die des Anklägers und die Verwandlung des Angeklagten in den Feind (die Ausblendung seiner Subjektqualität und seine Reduzierung auf die Funktion des reinen Objekts) tatsächlich auf eine Tendenz der Angleichung der Rechtsprechung ans Verwaltungshandeln (entspricht nicht die tendentielle Ausschließung der Öffentlichkeit, die die Medien in vorauseilendem Gehorsam, gleichsam durch Identifikation mit dem Aggressor, inzwischen schon verinnerlicht haben, dem logischen Trieb zur Rückbildung des offenen Gerichtssaals in eine abgeschlossene Amtsstube)? Aber sind die Staatsschutzverfahren damit nicht der zwangsläufig unendliche, weil nie wirklich gelingende Versuch, aus dem reflektierenden ein bestimmendes Urteil zu machen (der Versuch der Konstruktion synthetischer Urteile apriori), aus dem prozessualen Recht ein Subsumtionsrecht, ein Verwaltungsrecht, zu machen? Staatsschutzprozesse sind keine Schauprozesse, deren Zeit ist abgelaufen.
    Schließt das Subsumtionsrecht nicht die Umkehr der Beweislast mit ein?
    Die Gesetzesbindung der Verwaltung begründet ein Recht ohne Öffentlichkeit (ein monologisches Verfahren der Urteilsfindung): Die verwaltete Welt ist das Korrelat der Wittgensteinschen Definition; diese Welt ist alles, was der Fall ist.
    Führen nicht die Staatsschutzprozesse den realen Beweis, daß kommunikatives Handeln monologisch ist? Und ist nicht die Ausscheidung der Reflexion aus dem Urteil (im Konstrukt des propositionalen Satzes, dem grammatischen Grundelement der Linguistik) die zwangsläufige Folge eines Objektivitätsbegriffs, der neben der Information nur noch die Meinung, das unverbindliche Raisonnement, kennt (vgl. Habermas‘ Begriff der Öffentlichkeit)? Die Objektivität (die Welt) ist – nach dem Modell einer Natur, die auch ohne die Menschen da ist – zu einem festzementierten Konstrukt, zu einem Betonklotz, geworden, gegen den der Gedanke, die Sprache, die Argumentation nichts mehr ausrichtet.
    Hat dieser Betonblock etwas mit dem Namen des (Simon) Petrus zu tun (mit dem Namen des Felsen, auf den die Kirche gebaut werden sollte)? Ist dieser Betonblock das steinerne Herz der Welt (das am Ende in ein fleischernes Herz umgewandelt werden wird)? Kann es sein, daß der transzendental-ästhetische Grund dieses Blocks, die subjektive Form der äußeren Anschauung, seine Ausscheidung aus dem Bereich der Reflexion (die Verwerfung der kantischen Antinomie der reinen Vernunft, der einzigen Stelle, an der ein Versuch der Definition der Totalitätsbegriffe Welt und Natur vorkommt), mit den sieben Siegeln der Apokalypse (und mit den sieben unreinen Geistern, von denen Maria Magdalena befreit wurde) zu tun hat? Ist der „Fels“ das gegenständliche Korrelat der ungelösten Siegel? – Wer ist die „Schwiegermutter des Simon Petrus“?
    Läßt sich nicht die Hegelsche Logik, die auch eine Staatslogik ist, unter diesem Aspekt begreifen: als Versuch, das bestimmende mit dem reflektierenden Urteil zu verschmelzen, das reflektierende Urteil ins bestimmende Urteil mit hereinzunehmen? Vorausgesetzt ist eine Zeitvorstellung, die das (unendliche) Ende antizipiert: Deshalb gehört zu Hegels Philosophie das Weltgericht (die Gegenwart des antizipierten Endes, dessen Verkörperung der Staat ist).
    Rührt die Subsumtion des reflektierenden unter das bestimmende Urteil (auf die das Adorno-Wort „Das Ganze ist das Unwahre“ sich bezieht) nicht an den Grund des Symbols des apokalyptischen Tieres?
    Hat sich Habermas mit der Theorie des kommunikativen Handelns nicht freiwillig (in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor) in die Isolationshaft begeben, vor der zu fliehen versuchte, als er von der kritischen Theorie sich verabschiedet hat?
    Sind nicht Bad Kleinen und die Durchführung der Asyl-Regelung ein Beleg dafür, daß mit der „Wiedervereinigung“ etwas qualitativ Neues eingetreten ist: Die Grenze, auf die definitionsgemäß der BGS sich bezieht, ist von außen nach innen verlagert worden. Bad Kleinen ist Mogadischu, der Frankfurter Flughafen die alte „Zonengrenze“. Der BGS, dieses hybride Konstrukt aus Militär und Polizei, ist das polizeiliche Äquivalent der Staatsschutzsenate und der Geheimdienste.
    Hängt der Satz „Laß die Toten ihre Toten begraben“ mit dem Testament-Begriff (in den Paulus-Briefen, vor allem aber im Hebräer-Brief) zusammen, und bezieht er sich nicht auf die theologische Wendung, die der Testament-Begriff belegt (ist nicht der Testament-Begriff das Begräbnis der Toten durch die Toten, die Selbstzerstörung der Offenbarung durch Anpassung an die Logik des Weltbegriffs, die Wurzel der Logik des Inertialsystems; durch seine Beziehung zum Begriff des Erbes erinnert der Name des Testaments nicht grundlos an den Begriff der Erbsünde, den der Weltbegriff instrumentalisiert; die Welt ist die Welt der Väter, ihr Testament)?
    Der Hebräer-Brief läßt sich zwanglos als Konsequenz aus dem Urschisma begreifen: als Darstellung und Produkt der Introversion des Opfers, dessen Realität mit den Juden verworfen wurde. Der Hebräer-Brief ist ein Beispiel dafür, daß jede Verurteilung den Urteilenden in den Bann seines eigenen Urteils hereinzieht.
    Ist nicht der Versuch, die Probleme, die Frauen mit einer Sprache haben, in der sie „nicht vorkommen“, durch Sprachregelungen zu lösen, erkauft mit der Sprachlogik eingebauter, automatisierter Verurteilungsmechanismen?

  • 11.2.96

    Kants Kritik des apagogischen Beweises ist ein Versuch, die Gemeinheitslücke zu schließen. Diese Lücke ist heute zum offenen Scheunentor, zum Schlund, zum Abgrund geworden.
    „Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“: Ist das nicht das Lied der Bekenntnislogik? Kommen in der Schrift Fahnen vor, und seit wann gibt es Fahnen (lt. Meyers Taschenlexikon, Bd. 6, S. 315, „als Kampf- und Siegeszeichen und als Herrschaftssymbol schon den altorientalischen Völkern, den Römern, Germanen und Arabern bekannt“)? Sind Fahnen nicht Einheitssymbole, und gehört dazu nicht der Satz, daß die Wasser am Ort Eins sich sammeln, und neutestamentliche Beelzebub-Geschichte, wonach die Einheit ein Indiz des Reichs des Beelzebub ist (das „zerfällt, wenn es mit sich uneins wird“, während das Himmelreich verschiedene Wohnungen in sich enthält)?
    Der Topos „zur Rechten Gottes/des Vaters“: Wer sitzt wem zur Rechten? Sind die Formulierungen gleichlautend, welche Unterschiede gibt es, in welchen Konstellationen?
    „Meine Rechte möge verdorren, wenn ich Dein vergesse, Jerusalem“ (Ps 1375): Ist die Kirche die verdorrte Rechte (Barmherzigkeit, Feigenbaum?), und der Staat der einarmige Bandit (der linkshändige Benjaminite)?
    Rätselhafter Hebräerbrief, seine ungeheuerliche ambivalente Symbolik: Hat er nicht das Christentum durch Rejudaisierung antijudaistisch gemacht? Hier taucht zum erstenmal der Begriff des (alten und neuen) Testaments auf, der den des Bundes ersetzt; und das mit dem Hinweis, daß ein Testament Rechtskraft erst mit dem Tod des Erblassers erlangt (und daß das alte mit dem neuen „veraltet“ ist). Heißt das nicht in letzter Konsequenz, daß Israel am Kreuz gestorben ist? Ist nicht der Hebräerbrief, und sind nicht in seinem Licht erst die Paulus-Briefe die Grundlage der Väter-Theologie (und trennt nicht der Hebräerbrief die Paulus-Briefe von den Pastoralbriefen)? Das Neue Testament ist nicht der neue Bund.
    Ist nicht der Hebräerbrief das Paradigma der Verinnerlichung des Opfers, und ist er nicht das Paradigma der Ursprungsgeschichte des Symbolons?
    Gehört nicht der Hebräerbrief zum Verständnis der Wendung „zur Rechten“ (hier heißt es „zur Rechten der Majestät <megalosyne>“)? Aber ändert sich nicht der Sinn des Hebräerbriefes, und mit ihm der Sinn der gesamten christlichen Theologie, im Lichte des Rosenzweigschen Satzes, wonach Gott „nicht die Religion, sondern die Welt erschaffen“ hat.


  • 28.1.96

    Die subjektiven Formen der Anschauung sind automatisierte Formen der Verurteilung (der Konstituierung des Objekts). Das ist das Erbe der Opfertheologie. Der gleichen Opfertheologie, die Gott in die Masken des Personseins gebannt hat (wie auch im Namen des „persönlichen Gottes“ Gott als mein Eigentum <mein persönlicher Gott> nicht mehr von Gott als Person sich unterscheiden läßt).
    Der Personalismus ist ein logischer Bestandteil der Wertethik, d.h. einer Ethik, die sich im Kern nur noch als Maßstab des Urteils, nicht mehr als Richtschnur des Handelns begreift. Die Person ist die Hypostase der Unbarmherzigkeit (und die theologische Lehre von der Personalität des Heiligen Geistes die theologische Sünde wider den Heiligen Geist). Deshalb ist die Person der Grund der Verletzlichkeit.
    Die tiefe Zweideutigkeit des Rechtsgrundsatzes „ohne Ansehen der Person“. Das positivistische Recht (und das Prinzip der Legitimation durch Verfahren) trifft apriori die Schwachen. Der Rechtspositivismus ist ein Objektrecht, das den zum Objekt Gewordenen apriori verurteilt. Objektrecht ist Subsumtionsrecht, bei dem es nur auf die richtige Anwendung ankommt.
    Enthält nicht die Idee der Auferstehung die Umkehrung des Historismus? Nicht wir urteilen über die Vergangenheit, sondern die Vergangenheit wird über uns urteilen.
    Für die Theorie des kommunikativen Handelns sind die Folgen des Handelns gegenstandslos geworden. Darin, in dieser Entlastung von der Verantwortung, liegt die Verführung dieser Theorie. Die Theorie des kommunikativen Handelns begründet eine Theorie der immanenten Logik des Handelns, die sich in dem Augenblick konstituiert, in dem von den Folgen des Handelns (von seiner Beziehung zur Wirklichkeit) abstrahiert wird.
    Verweist nicht der Aufsatz von Hinkelammert in der „Jungen Kirche“ (1/96) auf den gemeinsamen Grund der Ökonomie (des Marktes) und der Naturwissenschaften (des Inertialsystems), durch den die Naturwissenschaften zu einem Instrument der Rechtfertigung des Bestehenden geworden ist (deshalb hat Habermas, als er die Idee einer Kritik der Naturwissenschaften verwarf, der Kritik des Bestehenden den Boden entzogen)?

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