Ist der „Seitenblick“ der Sturz vom Tempel, und wird das telos dieses Sturzes nicht aufs genaueste beschrieben in dem fahrenden Zug, dem frei fallenden Fahrstuhl und in dem Planckschen Hohlraum? Verweist der Sturz von der Zinne des Tempels auf den Bann des Objektbegriffs?
Haben die drei Versuchungen Jesu etwas mit den drei Leugnungen Petri zu tun? Haben nicht die Kirchenväter Steine in Brot zu verwandeln versucht, ist nicht die Scholastik der Verführung der Weltherrschaft erlegen, und hat nicht die Aufklärung sich von der Zinne des Tempels gestürzt? Und sind die beiden letzten Leugnungen/Versuchungen nicht austauschbar (war nicht der scholastische Universalismus schon der Sturz von der Zinne des Tempels, und hat nicht die Aufklärung den Grund für eine neue Gestalt der Weltherrschaft gelegt?
Die Naturwissenschaften beantworten nur die Frage nach dem Wie, nicht die Frage nach dem Was.
Hegel, Hölderlin und Schelling haben sich mit der Parole „Reich Gottes“ in Tübingen getrennt. Sie haben vergessen, daß das Reich Gottes auch das Himmelreich ist.
Ist das Planetensystem (das System der Wege des Irrtums) die Ursprungsgestalt des Inertialsystems?
Gibt es einen Zusammenhang der Geschichte der mittelalterlichen Engellehre (der Lehre von den Engelhierarchien) mit der Geschichte der Fälschungen im Mittelalter, sind nicht beide schon durch den Namen des Pseudodionysius mit einander verknüpft?
Die Einstein’schen Relativitätstheorien sind Konstrukte, die die Naturwissenschaften im Kern angreifen: die spezielle Relativitätstheorie das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum, und damit den Raum selber, und die allgemeine Relativitätstheorie die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, und damit die den Naturwissenschaften zugrunde liegende Zeitvorstellung?
Zielt nicht der Unschuldstrieb auf die Leugnung des Jüngsten Gerichts? Jedoch: Nicht die Unschuld, sondern die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht. Der Unschuldstrieb mobilisiert die Rechtfertigungszwänge, die zu den beschleunigenden Kräften des fallenden Fahrstuhls gehören, während die Barmherzigkeit den Schleier des Verblendungszusammenhangs, dem der Unschuldstrieb verfallen ist, zerreißt. Die Barmherzigkeit ist der Anfang der Erfüllung des Wortes „Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae“.
Was heißt das: Stephanus sah den Himmel offen, während Paulus, der in den dritten Himmel entrückt war, Kenntnis von den Elementarmächten hatte?
Von den sieben Hellenisten werden drei später noch in den Schriften genannt: Stephanus, der gesteinigt wurde, und Philippus, der den äthiopischen Kämmerer taufte und später vier prophetische Töchter hatte, in der Apostelgeschichte, und am Ende Nikolaos in der Apokalypse.
Die Welt ist alles, was der Fall ist: Die Geldwirtschaft rückt die subjektiven Zwecke in ein Kausalitätssystem: Deshalb gibt es für die moderne Aufklärung keine Zweckursachen mehr. In diesem Kontext gibt es zur Gravitation keine Alternative, ist die Vergangenheit nur noch vergangen.
Die kopernikanische Theorie wird mir immer unheimlicher und Kant, der erste Ansatz der Reflexion dieser Theorie, immer wichtiger.
Der Gott der Hebräer, ist das nicht der Gott der Fremden, den die Ausländerfeindschaft nicht mehr erträgt?
Das ist meine Utopie:
– Wenn der Geist die Erde erfüllt, wie die Wasser den Meeresboden bedecken,
– wenn keiner mehr den andern belehrt, weil alle Gott erkennen,
– wenn das steinerne Herz durch das fleischerne ersetzt wird,
– wenn die Greise Träume träumen, die Jünglinge Gesichte sehen und über die Knechte und Mägde Sein Geist ausgegossen wird, und
– wenn am Ende die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehrt werden.
Die großen Seeungeheuer (die die Schlange im ersten Schöpfungsbericht repräsentieren) symbolisieren das Neutrum: Ist der Fisch, in dessen Bauch Jonas saß, und ist der andere Fisch, den Raphael und Tobias im Tigris gefangen haben, dieses Neutrum? – Ist das Christentum der Jonas im Bauch des großen Fisches, und ist das Dogma der Bauch des großen Fisches?
Ist das Neutrum aus dem Perfekt entstanden, hat es mit ihm eine gemeinsame Wurzel: Gründet das Neutrum in der (staatlichen) Expropriation des Handelns, der Transformation des Handelns in ein objektives, subjektloses, allein am Zeitablauf sich orientierendes „Sein“ und „Geschehen“, in Natur? Der Transformator ist der Mythos, in seinem Kern die Schicksalsidee.
Zum Begriff des Zuschauers: Sehen ist ein kollektiver Akt, ein Gattungsakt. Wenn ich sehe, sehe ich mit den Augen der Andern, deren Gemeinschaft ich mich zurechne. Deshalb ist Sehen Urteilen (identitäts- und gemeinschaftsstiftend wie das Feindbild).
Kant
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23.12.1996
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21.12.1996
Zur Feindbildlogik gehört nicht nur die Enthemmung der Moral, die mit dem Verhalten des Feindes begründet wird, die Wahrnehmung und Legitimierung des Bösen, das in einem selber steckt, am Feind, an dem es zugleich zu bestrafen ist: Der Kampf gegen den Feind ist Teil eines Mechanismus, der mich dem Feind gleich macht. Dafür ist der Feind zu verurteilen und zu bestrafen: So wird meine Bosheit legitimiert und durch die Bestrafung des Feinds zugleich entsühnt (der Judenmord war ein hygienischer Akt). Der Heldentod, zu dem das Martyrium am Ende verkommen ist, legitimiert sich selbst: Die Erinnerung wäre nicht zu ertragen, wenn das umsonst gewesen wäre.
Der Satz „Soldaten sind Mörder“ ist noch zu harmlos: Sie sind es mit gutem Gewissen, und um das zu schützen, wird dieser Satz unter Strafe gestellt. Das Problem ist nicht die Tat, die nicht rückgängig zu machen ist, sondern das gute Gewissen, mit dem sie verknüpft ist: Es fügt zur Tat den Wiederholungszwang hinzu.
Heute tun alle ihr Pflicht, aber keiner weiß mehr, was er tut: Ist das nicht der Grund des subjektlosen Lebens?
Nicht das Opfer Kains, sondern das Abels war dem Herrn wohlgefällig. Welches ist das Opfer Kains, und welches ist das Abels? Hat die RAF das Opfer Kains gebracht?
Verbirgt sich hinter den „klaren Positionen“ und den „klaren Fronten“ nicht immer ein Stück Gemeinheit, der Versuch, sich der Solidarität der Andern als eines Instruments, als einer moralischen Zwangssolidarität zu bedienen: einer Solidarität durch Komplizenschaft?
In einem Essay über Ingeborg Bachmann (in Lettre 35, IV/96) erwähnt Dorothea Dieckmann den Angriff einiger Studentinnen auf Adorno, der übrigens nach meiner Erinnerung in einer Vorlesung und nicht im Seminarraum des Instituts stattfand; und Adorno hatte nicht bei diesem Angriff der Studentinnen, sondern schon vorher, anläßlich der Besetzung des Instituts durch Studenten, die Polizei gerufen. Das aber rückt den Vorgang in eine Perspektive, die den daran anschließenden Bemerkungen der Autorin die Grundlage entzieht. Aber wie auch immer: Den Satz „Welche Geste obszöner ist, diese (nämlich Adornos Ruf nach der Polizei, H.H.) oder die der Studentinnen, ist nicht auszumachen – wohl aber, welche intelligenter ist. Die Angreiferinnen haben, wenn auch unfreiwillig, den restriktiven Verteidiger des Besonderen in der Kunst an der ‚richtigen‘, eben der Schwachstelle getroffen“ (Hervorhebung von mir), kann ich nur verstehen, wenn ich den Grad der Intelligenz an dem der Gemeinheit, die den Andern „an der ‚richtigen‘, eben an der Schwachstelle“ trifft, messe. Und hier war Adorno nun wirklich leicht zu übertreffen. Gibt dieser Satz nicht den erschreckend falschen Ansatz des ganzen Essays preis, der auch bei Ingeborg Bachmann Leiden in eben das Feuilleton transformiert, unter dem Ingeborg Bachmann, die sich nicht mehr wehren kann, gelitten hat? Es gibt heute eine Verzweiflung, die verraten und geschändet wird, wenn man sie in die Nähe des Martyriums rückt. Die Märtyrertradition war einmal der Anfang der Heldenverehrung. Leiden ist kein Wahrheitsbeweis.
Der Kampf gegen die „Weltordnung“, das ist so, wie wenn man einen Kampf gegen die transzendentale Logik führen wollte, die am Ende als der Grund jeder „Weltordnung“ sich erweist. Dieser Kampf wird, wenn er die Reflexion verwirft, zwangsläufig zum Gespensterkampf.
Die Kollektivscham war die Schiene, über die der Mechanismus installiert worden ist, durch den der Faschismus sich rekonstruieren konnte. Die größte Gefahr für den Faschismus war die Selbstreflexion, die durch die Kollektivscham gebannt und in die Logik der Verurteilung umgeleitet worden ist. Der Verhinderung dieser Selbstreflexion dienen u.a. die Verwirrung der Kritik, die die Selbstreflexion unter Rechtfertigungszwänge setzt, gegen die sie nur als erwachsene, über die Fähigkeit der Reflexion im Andern, sich zu behaupten vermag. Genau das aber verhindert die Scham, die die sich Schämenden infantilisiert.
Sind nicht durch diese Logik inzwischen die Hardliner der RAF zu Sympathisanten und Unterstützern der BAW geworden? Heute ist jede Front eine verkehrte Front.
Es vielleicht doch einmal sinnvoll und notwendig, die Geschichte der Naturwissenschaften als eine Geschichte des Frontbegriffs zu beschreiben. An ihr wäre zu zeigen, daß heute jede Front eine verkehrte Front ist. Die Fronten der Naturwissenschaften heute: Mikrophysik, Weltraumforschung, Genforschung?
Augenlust: Die „nackten Tatsachen“ sind das Alibi der Gemeinheit. Sie bedürfen der Feigenblätter, aber Gott hat ihnen einen Rock aus Fellen gemacht. Wäre es nicht unsere Sache, ihnen das Kleid zu fertigen? Das Wort von der Bedeckung der Sünden bezieht sich auf die nackten Tatsachen. Die Nackten bekleiden, das gehört zu den Werken der Barmherzigkeit. Die nackten Tatsachen korrespondieren dem Begriff der rohen, unbearbeiteten Natur und dem Namen der Wilden. Die nackten Tatsachen korrespondieren der Urteils- und Empörungslust: der Augenlust. Es war Ham, der die Brüder auf die Blöße des Vaters hinwies, und es waren Sem und Japhet, die die Blöße bedeckten. – Die Medien vermarkten die Urteils- und Empörungslust, sie bannen ihre Konsumenten in die Augenlust des Zuschauers.
Fleischeslust: Die Entdeckung und Unterwerfung Amerikas hat den Zusammenhang der Bekehrungs- mit der Mordlust erstmals vor Augen gestellt. Diese Logik ist am Ende im Holocaust explodiert (synthetisches Urteil apriori: in der „Unbekehrbarkeit“ der Juden, die der Rassismus nur begründen sollte, während in ihr in Wahrheit nur die eigene Unbelehrbarkeit der Antisemiten sich widerspiegelte, war die „Endlösung der Judenfrage“, der Genocid, bereits vorentschieden).
Hoffahrt des Lebens: Die Anschauung, die vom Gegenblick abstrahiert (und so sich selbst blind macht), macht das Objekt zur Folie der Projektion, des Begriffs.
Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht: Barmherzigkeit, nicht schon die Solidarität.
Es gibt zwei Begriffe des Verstehens, die deutlich unterschieden sind: Das Verstehen, das vor dem Holocaust versagt, ist eines, das auf die Ethik als prima philosophia sich gründet; dagegen wird der Holocaust verständlich, ja ableitbar, im Kontext der Ontologie als prima philosophia. Diese Unterscheidung korrespondiert der kantischen Unterscheidung des reflektierenden und bestimmenden Urteils.
Ist die Justiz die Verkörperung des nachtragenden Prinzips? Der Beruf des Staatsanwalts schließt jeden Gedanken an eine Vergebung der Schuld aus. Ein Staatsanwalt würde seine Pflicht verletzen, wenn er eine ermittelte Verletzung des Gesetzes nicht einem Verfahren zuleiten würde, das darauf abzielt, die im Gesetz für diese Verletzung vorgesehenen Folgen eintreten zu lassen. Der Staatsanwalt ist der Anwalt eines Staates, der – wie der Rachetrieb, aus dem er sich speist – nicht vergißt, weil er der Erinnerung nicht fähig ist. Dem Nicht-Vergessen entspricht eine Verdrängung, dessen institutionelle Verkörperung der Knast ist. Das Strafrecht ist eine Verdrängungsmaschine. -
16.12.1996
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“: Die Bekenntnislogik war das Instrument der Auflösung des Naturbegriffs durch eine Zwangsreflexion, die durch die Opfertheologie (und durch die Geschichte des Weltbegriffs, in der diese gründet) vermittelt ist. Die Bekenntnislogik reflektiert einen Bekenntnisbegriff, der seinem Ursprung im Schuldbekenntnis hat, aus ihm durch ihm durch eine systematische logische Umkehrung hervorgegangen ist (sic, B.H.). In der Bekenntnislogik wird das Schuldbekenntnis, das auf die Fähigkeit zur Schuldreflexion als Selbstreflexion sich gründet, zum Fremdbekenntnis, zum Schuldverschubsystem, zu einem systematischen Instrument der Abwehr, Verschiebung und Projektion. Es ist die gleiche Umkehr, die bei Kant das Verhältnis von reflektierendem und bestimmendem Urteil in der Sache bestimmt (das Instrument dieser Umkehr ist die transzendentale Ästhetik, sind die subjektiven Formen der Anschauung und in ihnen die durch Orthogonalität und Reversibilität definierten Beziehungen der Richtungen im Raum, die das Ungleichnamige gleichnamig machen). Zu den Wirkungen der Bekenntnislogik (aus denen ihre Ursprungsgeschichte sich ablesen läßt) gehört die Selbstzerstörung der an die Sprache gebundenen Sensibilität, die sie durch Empfindlichkeit ersetzt. Die Empfindlichkeit (die insgesamt pathologisch ist) gründet im Rechtfertigungszwang, der selber als Umkehrung der Fähigkeit zur Schuldreflexion, als Produkt der Verdrängung und Unterdrückung dieser Fähigkeit, sich begreifen läßt. Im Kontext dieses Rechtfertigungszwangs gründet eine Logik, unter deren Bann die Differenz zwischen Verstehen und Verzeihen sich verwischt, unkenntlich wird: die Logik der Verurteilung (die dem Satz „Alles verstehen heißt alles verzeihen“ zugrundeliegt). So bleibt Auschwitz unter moralischem Apriori „unverständlich“, während das, was hier geschehen ist, ohne daß das an dem Urteil über das Grauenhafte etwas ändert, unter den Prämissen der Schuldreflexion (die durch den Weltbegriff außer Kraft gesetzt werden) sehr wohl sich verstehen läßt.
(Hierzu:
– Verurteilung des Nationalsozialismus ohne Reflexion des Schreckens nicht möglich;
– Reflexion des Schreckens und Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung;
– Schuldverschubsystem, „Entsühnung der Welt“, Entlastung und Enthemmung, das Problem des Strafrechts und die Ohrenbeichte, Kirche und Staat als Produkte der Vergesellschaftung des Opfers und der Rache;
– das Dogma, die Orthodoxie, das Geld, das Inertialsystem und die Logik der Verurteilung, des Schuldverschubsystems;
– das Gebot der Feindesliebe und der imperativische Gehalt der Attribute Gottes;
– die Astronomie und der Name des Himmels.)
Das Problem der Bekenntnislogik ist ein lateinisches (und in der Folge dann ein deutsches) Problem. Die confessio ist ein halbiertes homologein. Sie unterscheidet sich wie das Bekenntnis vom homologein durch die Abstraktion von der Nachfolge (dem christlichen Äquivalent der Umkehr). Augustinus‘ Confessiones stellen dann die Beziehung zum „Sündenbekenntnis“, zur Schuld, her. Das homologein ist als Name der Umkehr aufs zukünftige Handeln bezogen, die confessio aufs vergangene, auf die „Bekehrung“, deren Geschichte Augustinus in seinen Confessiones erzählt, am Ende nur noch auf den Taufakt. Die confessio hat das homologein der Herrschaftslogik unterworfen. Erst als Bekenntnis wird das Bekenntnis endgültig und unentrinnbar zu einem Instrument der Herrschaftslogik: Durch die Umkehr des Schuldbekenntnis im Glaubensbekenntnis bekenne ich die Schuld der Andern, die ich weder bekennen kann noch darf. Durchs Glaubensbekenntnis wird das Christentum zum Christentum für Andere, hat es sich selbst instrumentalisiert. Diese Logik der Instrumentalisierung, die in der Theologie sich entfaltet hat, ist dann zum Modell der naturwissenschaftlichen Aufklärung geworden.
Die Bekenntnislogik reprodziert und stabilisiert die Gewalt des Begriffs, während die Nachfolge den Begriff zurückübersetzt in den Namen (die Blätter des Feigenbaums zurückübersetzt in die Frucht).
Gewinnt die Tatsache, daß nach dem Ende der Märtyrerzeit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligen in (männliche) Bekenner und (weibliche) Jungfrauen erfolgt, im Kontext dieser Logik nicht eine ungeheure symbolische Bedeutung?
Es gibt keinen Weltbegriff ohne das projektive (feindbildlogische) Moment, das in dem Namen der Barbaren erstmals sich ausdrückt. Dieses projektive Moment ist in der Bekenntnislogik zur logischen Automatik geronnen: Deshalb gehört zur Bekenntnislogik ein eliminatorischer Wahrheitsbegriff: das Feindbild, die Ausgrenzung der Verräter (der Häresien) und die Frauenverachtung.
Sind nicht die Christen reflektierte Barbaren, und gehörte zur Rehellenisierung des Christentums nicht die erneute projektive Ableitung dieses Syndroms im Namen der Wilden (auch im Begriff der „rohen Natur“, die nur durch Bearbeitung zu humanisieren ist)?
Wer mit dem Verurteilen das Verstehen tabuisiert, die Fähigkeit, auch ins Verurteilte noch sich hineinzuversetzen, unterdrückt, fördert die Barbarei, die aus dem Vorurteil folgt. Und diese Geschichte (die Geschichte des Vorurteils) hat angefangen in der Geschichte der Dogmas, im Kampf gegen die Häresien, die auch nur verurteilt, aber nie verstanden wurden. Wer heute eine transzendentale Logik schreiben wollte, müßte sie als Reflexion der Bekenntnislogik schreiben, ihr Ziel wäre eine Theorie des Antisemitismus, der Xenophobie und des Sexismus. Diese Reflexion könnte dann allerdings vor dem Naturbegriff nicht halt machen, sie würde ihn sprengen.
Im Bekenntnisbegriff ist das Pharisäische zu einem Teil des logischen Systems und damit instrumentalisiert worden. Und die kirchliche Rezeption Pharisäer-Kritik, der Verurteilung der Pharisäer, gehörte zu den Grundlagen des Bekenntnisbegriffs. Das Symbol dieser Geschichte ist das biblische Symbol des Feigenbaums.
Zur Logik der Verurteilung gehört Walter Benjamins These vom mythischen Charakter des Rechts, und es ist nun wirklich ungeheuerlich, daß es – soweit ich sehe – zu Derridas „Gesetzeskraft“, zu seinen Reflexionen zu Benjamins Kritik der Gewalt, aus dem Bereich der Frankfurter Schule keine Erwiderung gibt.
Das Problem, die Geschichte der RAF zu verstehen, gehört in den Umkreis der Reflexion der Logik der Verurteilung (und der Bekenntnislogik). Die RAF ist in extremer und signifikanter Weise (für sich selbst wie für die staatliche Verfolgung) zum Opfer der Logik der Verurteilung geworden. An den RAF-Prozessen wäre nachzuweisen, daß das Problem RAF auf diesem Wege nicht zu lösen ist, es sei den über die Selbstzerstörung der Gesellschaft.
Die Reflexion der Bekenntnislogik schließt die Revision der Geschichte der Aufklärung, die mit der Dialektik der Aufklärung begonnen wurde, mit ein.
Die Bekenntnislogik und das Dogma sind Stabilisatoren der Rechtfertigungszwänge, die durch Reflexion aufzulösen wären.
Der Satz „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ widerlegt die Bekenntnislogik, entzieht ihr die Grundlage.
Die Logik der Verurteilung ist ein Sinnesimplikat der Geschichte des Begriffs. Deshalb ist die Weltgeschichte das Weltgericht. Und deshalb konnte Hegel diesen Schiller’schen Satz als Schlußstein seines Systems verwenden. – Aber dagegen steeht der Satz aus dem Jakobus-Brief: Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
Aufgabe einer Theologie heute wäre es, das Dogma zurückzuübersetzen in eine Theologie der Erfahrung, in eine Logik-Kritik, die eins wäre mit dem Konzept, die Theologie hinter dem Rücken Gottes zurückzuübersetzen in eine Theologie im Angesicht Gottes. Das wäre zunächst ein sprachlogisches Problem, in dem ein reales Problem sich verbirgt: das der Apokalypse. Hierzu hat Franz Rosenzweig die ersten Stichworte geliefert: der Name ist nicht Schall und Rauch, und das Problem des Gottesnamens ist gründet in dem logischen Problem des Namens überhaupt. Das logische Problem der Verurteilung ist in der Logik des Begriffs selber präsent in der Frage der Konstituierung des Objekts, in der die Identität des Begriffs gründet. Oder anders: Das Problem des Gottesnamens, das Ton Veerkamp zu Recht ins Zentrum seiner „Autonomie und Egalität“ gerückt hat, ist das Problem der Selbstreflexion des Nominalismus, das in der Philosophie als das Problem der Rettung Kants durch seine Hegel’sche Widerlegung hindurch sich beschreiben läßt. Die Logik selber verändert sich, sie wird mit der Reflexion der Logik der Verurteilung, ihres blinden Flecks (des blinden Flecks, in den allein die Prophetie Licht zu bringen vermag), selber zum Medium der Reflexion. Ein sprachlogisches Hilfskonstrukt der Logik der Verurteilung, das zur Ursprungsgeschichte der Philosophie (und zur Konstituierung des Naturbegriffs) gehört, war der Name der Barbaren. Durch ihn ist der Objektbegriff als Repräsentant des Verurteilten, in dem der Begriff des Begriffs gründet, vermittelt.
Die Reflexion der Verurteilung ist ohne die Reflexion des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs, in dem der Objektbegriff im Kontext seiner Konstituentien sich entfaltet, nicht mehr möglich. Deshalb ist das Kant-Studium immer noch unerläßlich.
Die Fundamentalontologie ist der Statthalter des Fundamentalismus in der Philosophie. Merkwürdig, daß dieser Fundamentalismus, der einmal als weit folgenreicher sich erwiesen hat, weniger Widerstand hervorruft als der religiöse.
Hat nicht der Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ etwas mit dem Traum des Nebukadnezar zu tun? Ist nicht die Klugheit der Schlangen der Traum des Nebukadnezar? Oder anders: Ist nicht die Hegel’sche Philosophie einer der Verkörperungen sowohl der Klugheit der Schlangen als auch des Traums des Nebukadnezar, und war nicht Hegel ein halbierter Daniel, dem nur die Arglosigkeit der Tauben fehlte, um als ganzer Daniel den Traum seiner Philosophie auch deuten zu können?
Die Instrumente der Subjektivierung (der Sinnesqualitäten, der Kritik und der Schuld) wird innerhalb der Gersamtzusammenhangs der transzendentalen Logiken repräsentiert durch die Form des Raumes, durch das Geld und durch die Bekenntnislogik, die das Subjekt in die Rechtfertigungszwänge und deren projektive Verarbeitung hineintreiben.
Die Feindbildlogik transformiert die transzendentale Logik in die Urteilsmoral, sie verwandelt die Moral in eine Herrschaftsinstrument (in die Universalität einer Moral für andere).
Das verteidigende Denken ist nicht nur auf Gesellschaftliches bezogen: Emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae. Die Logik der Naturwissenschaften ist als reine Objektlogik die Logik der Verurteilung, einer Verurteilung, die heute dahin tendiert, das verteidigende Denken schon vom Grund her auszuschließen.
Die Logik der Verurteilung ist die Logik des Vorteils, sie lebt von der Gewalt des Feindbildes.
Der Staat reproduziert sich durch die Sanktionierung und Ausbeutung des Rachetriebs in der Institution des Rechts, während die Kirche sich über die Sanktionierung und Ausbeutung Unschuldtriebs reproduziert.
Gab es in Israel Knäste (und waren die Schuldknechtschafts-Regelungen wie Sabbatjahr und Jubeljahr Institute zur Knastvermeidung)? Haben die Brunnen, in die Joseph und Jeremias geworfen wurden, etwas mit den Knästen zu tun?
Die Landesgrenze ist wie jede Abstraktionsgrenze eine Verurteilungs- und Schuldgrenze. -
14.12.1996
Ist nicht der erste Satz aus den Weltaltern, darin das „die Zukunft wird geahndet“, der Schlüssel zur Schelling’schen Naturphilosophilosophie? Hat nicht Habermas, der dann später die Idee einer Reflexion der Natur wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen, über Schelling promoviert?
Sind nicht die kantischen Totalitätsbegriffe, Wissen, Natur und Welt, die Stützpunkte, an denen der mathematische Imperialismus seine Herrschaft über die Sprache in der Sprache selbst begründet und absichert? Und die subjektiven Formen der Anschauung sind sowohl das Sklavenhaus und der Eisenschmelzofen Ägypten als auch der Ort der babylonischen Gefangenschaft der Sprache.
Als die Evangelien griechisch verfaßt wurden, als das Christentum seine eigene Schrift nachlieferte, ist das Wort, daß das Lamm die Sünde der Welt auf sich genommen hat, auf eine sehr ironische Weise wahrgemacht worden.
Hat nicht die Verbalisierung des Tetragrammaton, gegen die der Name des Namens als außerordentlich keusch sich erweist, einen hämischen Klang? Ist vielleicht die gegenwärtige Gestalt des Atheismus in Deutschland eine Zuspitzung und Radikalisierung des „eliminatorischen“ Antisemitismus?
Hegels Geschichte des Begriffs ist die Geschichte des Schuldverschubsystems, die Geschichte von Entlastung durch Projektion, deren logisches Zentrum der Staat ist. Die Begriffe Natur und Welt bezeichnen den Installationsapparat des Schuldverschubsystems; wer „die Sünde der Welt auf sich nimmt“, entzieht dem Naturbegriff den Grund (während die Idee der Entsühnung der Welt, die Vorstellung, die Sünde der Welt sei schon „hinweggenommen“, die Logik des Naturbegriffs stabilisiert).
Wer den Exodus historisiert, in die Vergangenheit bannt, leugnet ihn. Wir leben immer noch im Sklavenhaus, im Eisenschmelzofen Mizrajim. Hat nicht die Eucharistie etwas mit den Fleischtöpfen Ägyptens zu tun? Erst vor diesem Hintergrund wird die Geschichte der ägyptischen Plagen und der Verhärtung des Herzens Pharaos aktuell und wichtig (einschließlich des Motivs, daß das Opfer, das das Volk Israel in der Wüste darbringen will, den Ägyptern ein Greuel ist).
In der ganzen Schrift steckt etwas immer noch Unabgegoltenes. Nur mit dieser Einschränkung wird man sagen dürfen, daß in Geschichte Jesu die Prophetie sich erfüllt habe: Auch in dieser Erfüllung steckt noch etwas Unabgegoltenes.
Es gibt nicht eine Vergangenheit, sondern es gibt Stufen der Vergangenheit: Der Hierarchiebegriff gilt allein für die Vergangenheit. War nicht die Astrologie das Bild, in dem diese Stufend der Vergangenheit erstmals wahrgenommen worden sind? Ebenso ist der Tod nicht ein einfacher Tatbestand, sondern auch er verkörpert sich in verschiedenen Gestalten. Und sind nicht die Grenzen der Astrologie Todesgrenzen? Das Ungeheuerliche der speziellen Relativitätstheorien liegt darin, daß sie die Richtungsabhängigkeit der Zeit, ihre innere Differenzierung erstmals aufs deutlichste kenntlich gemacht und der Vorstellung einer einheitlichen Zeit, die gleichwohl besteht, den logischen Grund entzogen haben: Die Vergangenheit ist nicht nur vergangen. Hier ist die Zeit erstmals reflexionsfähig geworden. Die Vorstellung des Zeitkontinuums, der Einheit der Zeit, ist der Grund der Orthogonalität des Raumes, des Grundes der Abstraktion. Ist vielleicht hierin (in dieser Beziehung zu den kantischen „subjektiven Formen der Anschauung“) die Lösung des Rätsels der Zahl 666 beschlossen?
Das Inertialsystem ist das zerstörte Antlitz, der zerstörte Name und die Ursprungsgestalt des Feuers. Die Naturwissenschaften haben das Feuer vom Himmel geholt (darauf weist die Apokalyps schon hin).
Das Christentum hat mit der dies dominica den Begriff der Ruhe vom Saturn auf die Sonne verschoben. Hat nicht Tarschisch, woher Salomo das Gold für den Tempel holte, etwas mit der Sonne zu tun? Beide repräsentieren das „Ende der Welt“.
Hat die Entrückung des Paulus (in den dritten Himmel) etwas mit der Verschiebung des Sabbat auf die dies dominica zu tun?
Der Geist muß heute durch die Engführung der Erinnerung hindurch. Die Welt wird unverständlich, wenn man glaubt, man könne die Vergangenheit (auch die Vergangenheit anderer) auf sich beruhen lassen und so, als wäre heute der erste Tag, jeden Tag neu beginnen. Dieser erste Tag: Das wäre in der Tat der letzte.
Aber hat nicht das Inertialsystem genau diese Funktion, ist es nicht der Turm von Babel, der bis an den Himmel reicht, und der zum Grund der Verwirrung der Sprachen geworden ist.
Was bedeuten die Namen von Euphrat und Tigris, und wie unterscheiden sie sich? Der Euphrat findet sich in der Apokalypse wieder, der Tigris im Buch Tobit (Tobias und Rafael haben aus ihm den Fisch gefangen, aus dem sie die Mittel nehmen, mit deren Hilfe Sara vom Dämonen Asmodai und Tobit von seiner Blindheit befreit werden); beide entspringen im Paradies.
Bezeichnen nicht der fahrende Zug, der fallende Fahrstuhl und der Hohlraum Plancks drei Aspekte ein und derselben Sache (das Plancksche Strahlungsgesetz ist so etwas wie das Gravitationsgesetz zur speziellen Relativitätstheorie Einsteins)?
Die Bekenntnislogik ist eigentlich eine Rechtfertigungslogik, und diese Logik konvergiert mit der transzendentalen Logik Kants, die sowohl auf die Naturwissenschaften wie auf die ökonomische Struktur der Gesellschaft sich bezieht.
Was hat es mit der Frucht des Feigenbaums auf sich? Aus Weizen wird Brot, aus der Frucht des Weinstocks wird Wein und aus der Frucht des Ölbaums das Öl hergestellt, mit dem der Messias gesalbt wird. Als Produktionsstätten kommen in der Schrift nur die Kelter vor (bei den Propheten und in der Apokalypse) und der Backofen und der Backtrog (bei den ägyptischen Plagen: die Frösche, die die Backöfen und die Backtröge heimsuchen, gehen auch ins Schlafgemach und aufs Lager). Die Ölpresse scheint nicht vorzukommen, während es zu den Friedensbilder gehört, daß einer unter dem Feigenbaum sitzt (oder wie Nathanael, der „wahre Israelit“, unter dem Feigenbaum steht).
War es nicht eine entsetzliche fundamentalistische Umkehrung, wenn die Kirche die Eucharistie als Transsubstantiation verstanden hat, die auch durch die reformatorische Korrektur nicht besser geworden ist? Was die Kirchen mit dem kannibalistischen Syndrom in die Köpfe und ins Unterbewußte der Gläubigen eingesenkt haben, ist fast nicht mehr reflexionsfähig zu machen. -
11.12.1996
Wenn der Satz stimmt, daß der Klügere nachgibt, sind dann nicht die Richter die Dummen?
Wenn die Attribute Gottes im Imperativ stehen, dann ist der Satz, daß etwas „nicht geht“ (weil es unmöglich ist), als Ausrede nicht mehr brauchbar: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Ist nicht der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ stehen, nur ein anderer Ausdruck dafür, daß die erste Philosophie die Ethik ist?
Es gehört zu den Aprioris der RAF-Prozesse, daß die Lücken der Beweislogik zu Lasten der Angeklagten ausgenutzt werden.
Barmherzigkeit und Erkenntnis: Nicht die (passive) Hoffnung, sondern die (aktive) Barmherzigkeit löst die Probleme der Beweislogik.
Heute ist die Konstruktion des Lebens selber herzzerreißend. Der Zustand der Welt nimmt alle in Geiselhaft.
Hat nicht Heidegger die Hegel’sche Idee des Absoluten auf die kürzeste Formel gebracht: auf das „Vorlaufen in den Tod“? Nur: Hegel war noch verzweifelt über das Resultat seiner Philosophie, er wußte sich „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“; Heidegger hingegen ist ein begeisterter Sympathisant des Seins.
Der Bann, unter dem die Natur steht, der Bann des Naturbegriffs selber, hat seine Wurzel in dem gesellschaftlichen Primat der Selbsterhaltung; er hat mit der Instrumentalisierung der Vernunft einen gemeinsamen Ursprung. Gegen diese Instrumentalisierung der Vernunft stehen die drei evangelischen Räte (die von der Kirche durch Instrumentalisierung nochmals verraten worden sind).
Zu den Einsichten, die der Sprachreflexion sich verdanken, gehört, daß Gott nicht stumm ist. Das Wort Gottes drückt aufs deutlichste in dem imperativischen Charakter der göttlichen Attribute sich aus.
Wenn wir den gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft wirklich begreifen würden, würde es uns dann nicht „wie Schuppen von den Augen fallen“? Stammt das Wort, daß einem etwas wie Schuppen von den Augen fällt, nicht aus dem Buch Tobit? Die Salbe, mit deren Hilfe die Schuppen von den Augen des Tobit lösten, wurde aus der Galle des Fisches gewonnen, den Tobias und Rafael, als der Fisch den Tobias verschlingen wollte, aus dem Fluß Tigris gefangen hatten.
Als Jesus zur Samariterin vom Quell des lebendigen Wassers sprach, hat er da nicht Jesaias zitiert?
Zum Zug, der in den Abgrund rast: Die Schienen dieses Zuges sind die subjektiven Formen der Anschauung (und mit ihnen das Geld und die Bekenntnislogik). Jürgen Habermas hat, als er den kritischen Naturbegriff der kantischen Tradition verwarf und die Natur aus dem Bereich der Reflexion ausschied, dazu beigetragen, den Zug auf diese Schiene zu setzen. Damit hat er dem reflektierenden Urteil die Erkenntniskraft abgesprochen.
Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae. Dieser Geist, der das Antlitz der Erde erneuern wird, ist der Geist der Barmherzigkeit, der Geist, der über das Gericht triumphiert, in dessen Bann das Antlitz der Erde steht, dessen Bann dieses Antlitz entstellt. – Ist nicht das kopernikanische System (als Säkularisationsprodukt des Pantheons) das entstellte Antlitz der Erde?
Haben nicht die subjektiven Formen der Anschauung Kants etwas mit den paulinischen Elementargeistern zu tun?
Im Feindbild-Clinch betreibt jede Seite, auch wenn keine es weiß, das Geschäft des Feindes. Und die Staatsschutzsenate sind nur noch Institute des Feindbild-Clinchs. Der Satz Jutta Ditfurths, daß der Staat seine Terroristen braucht, ist heute dahin zu ergänzen, daß ebenso die Terroristen, nachdem sie aus ihren Rechtfertigungszwängen nicht mehr sich lösen können, den Staat brauchen. Für den Zug, der in den Abgrund rast, war die RAF ein Energie-Lieferant.
Wenn die Begriffe der Pflicht und der Verantwortung den Gesetzen der Selbsterhaltung untergordnet werden, dann weiß keiner mehr, was er tut. Die Vorstellung, daß der Markt es schon richten werde, ist gemeingefährlich und am Ende selbstmörderisch.
Heute wird die Religion von denen verraten, die in ihr Trost suchen.
Die Frage nach falsch oder richtig, die heute im Allgemeinen mit der Frage nach der Wahrheit verwechselt wird, wird grundsätzlich im Nachhinein (nicht beantwortet, sondern) entschieden: sie gilt (wie der Begriff des Wissens) nur für Vergangenes, und für Zukünftiges nur in dem Maße, in dem seine Vergangenheit sich antizipieren läßt. Es ist dieser Begriff des Richtigen, der Begriffen wie Orthodoxie, Orthogonalität ihre Schlüssigkeit und ihre objektive Bedeutung verleiht. Der Begriff des Richtigen ersetzt das Was durch das Wie; das Referenzsystem, auf das er sich bezieht, ist das Inertialsystem (der Inbegriff des Richtigen). Im Kontext des Richtigen lassen sich Rechts und Links nicht mehr unterscheiden. Hat hiermit das „Sitzen zur Rechten des Vaters“ (die Rechte ist die Seite der Barmherzigkeit, die Seite des Heiligen Geistes, die der Begriff des Richtigen ins Gegenstandslose verflüchtigt) etwas zu tun? -
7.12.1996
Hat die Zahl 666 etwas mit den 99 Gerechten zu tun?
Barmherzigkeit und Erkenntnis:
– Die Frage, ob reflektierende Urteile nur regulative oder auch konstitutive Bedeutung haben, ist bei Kant vorentschieden durch die transzendentale Ästhetik, durch sein Konzept der „subjektiven Formen der Anschauung“. Kant zufolge haben konstitutive Bedeutung nur Urteile, die sich auf Erscheinungen in Raum und Zeit beziehen. Die Einsicht in die Subjektivität von Raum und Zeit eröffnet zwar den Spielraum für reflektierende Urteile, diese haben aber keine konstitutive Bedeutung für mögliche Gegenstände und ihre Erkenntnis.
– Konstitutive Bedeutung haben demnach nur synthetische Urteile apriori, hat nur das Kategoriengeflecht, das mit den subjektiven Formen der Anschauung eigentlich schon mitgesetzt ist.
– Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht: Das Gericht verwandelt alles, worüber es ergeht, in Natur (darin gründet die Beziehung des Rechts zum Mythos, auf die Walter Benjamin hingewiesen hat). Konstitutive Urteile, in deren Kontext der Naturbegriff sich bildet, sind richtende Urteile; Inbegriff dieser richtenden Gewalt sind die „subjektiven Formen der Anschauung“, ihr Repräsentant in den Dingen sind die Formen von Raum und Zeit als Formen der Selbstentfremdung der Dinge, als Grund ihres Seins-für-Andere (ihrer Instrumentalisierung); Natur ist der Inbegriff aller Objekte von richtenden Urteilen. Es gibt kein Inneres der Natur, der Naturbegriff selber schließt jedes „Sich-Hineinversetzen“ in die Objekte, auf die er sich bezieht, a limine aus. Die einzige Identifikation, die der Naturbegriff zuläßt, ist die Identifikation mit den Mächten der Naturbeherrschung: die Identifikation mit dem Begriff, der das Objekt außer sich (und unter sich) hat: die „Anpassung an die Welt“.
– Die Kraft der Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen und den Bann der Fremdheit zu sprengen, sprengt den Bann der subjektiven Formen der Anschauung und mit ihm den Bann, der auf der Natur liegt: Sie öffnet den Himmel und erneuert das Antlitz der Erde (sie begründet die „größere Freude“ über die Bekehrung des einen Sünders und rettet, indem sie den Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, die eigene Seele).
– Die erkennende Kraft der Barmherzigkeit bewährt sich an der Beziehung des Staates zur Astronomie (in der die Geschichte als Herrschaftsgeschichte und als Geschichte der Verstockung des Herzens erinnert wird).
– Ist die Zahl 666 der Knoten, der zu lösen wäre?
katakauchatei eleos kriseos (Jak 213) – Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht (so übersetzen die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und Karrer). katakauchaomai – rühme mich; tue groß, brüste mich.
Barmherzigkeit und Naturerkenntnis: Welche Folgen hat die Kritik des Naturbegriffs für die Naturerkenntnis selber?
Es gibt nicht nur ein Inertialsystem, sondern das Inertialsystem hat im Kontext der Mechanik (die dem frühbürgerlichen Handel und dem Handwerk korrespondiert) eine andere Bedeutung als im Kontext des Gravitationsgesetzes (das dem politischen Absolutismus entspricht), und beide sind unterschieden von der Gestalt des Sytems, das der Elektrodynamik und der Mikrophysik zugrunde liegt (dem Korrelat der globalen Durchsetzung der Marktgesetze und ihrer Vorstufe, des Imperialismus).
Ist die Orthogonalität das logische Symbol der Grenze (und ist deshalb die Gerade, die Verkörperung der Richtung, grenzenlos, unendlich)?
Tarschisch ist der Name eines Ortes am Ende der Welt. Salomo hat mit den Tarschischschiffen aus Tyrus aus Tarschisch das Gold für den Bau des Tempels holen lassen. Jona, der Ninive den Untergang künden soll, versucht, nach Tarschisch zu fliehen, woran ihn der Sturm hindert, mit den bekannten Folgen.
Wenn im Begriff der Ware im wörtlichen, außenpolitischen Sinne des Wortes die Beziehung auf eine Grenze, ein Stück Fremdheit und ein Moment des Barbarischen (das im Begriff der rohen Natur, aus der die Waren durch Bearbeitung gewonnen sind, nachklingt) enthalten ist, was bedeutet das für die Logik des Geldes, auf dessen Begriff der der Ware bezogen ist? Hängt es nicht hiermit zusammen, daß an den einzigen Stellen der Schrift, an denen es den Kauf von Grundstücken geht (um die Subsumtion des Bodens unters Tauschprinzip), es sich um Grundstückkäufe von Nicht-Israeliten, von Bewohnern Kanaans handelt (das Grab Saras und den Grund, auf dem dann der Tempel erbaut wurde).
Wie hängt der Tempel, die Geschichte des Tempels, mit der Ursprungsgeschichte des Geldes zusammen?
Die Logik des Geldes ist astrologisch: das Geld verweist auf die „Enden“ der sechs Richtungen des Raumes, die die Planeten verkörpern, konkret: die Sonne und der Mond (Gold- und Silberwährung), aber auch die anderen Planeten (Jupiter, Mars, Venus und Merkur, oder auch die vier apokalyptischen Reiter).
Ist es nicht merkwürdig, daß Kopernikus und Newton mit dem Münz- und Finanzwesen zu tun hatten? Haben nicht die kopernikanische Wende und das newtonsche System den Weg für die Entdeckung, Eroberung und Ausbeutung der außereuropäischen Welt und für den Kapitalismus in Europa freigemacht?
Hängen nicht Geld und Schwur mit einander zusammen, und beziehen sich nicht beide auf den Himmel?
Das Geld hängt mit dem Inertialsystem auf ähnliche Weise zusammen wie das Foto im Personalausweis mit dem Angesicht des Menschen: es ist eine Abbildung, die das Abgebildete unkenntlich macht.
Die endlichen Bilder des Unendlichen sind Bilder des Schreckens. Die Götterbilder versuchen diesen Schrecken zu bannen, indem sie ihn instrumentalisieren, als Schrecken für andere verwenden. Götzen sind Schreckverschubsysteme. Deshalb lehrt die Schrift die Gottesfurcht, erkennt sie in ihr den Anfang der Weisheit.
Gegen das Leichte: Vom Schweren hat die göttliche Herrlichkeit ihren Namen. Nur wenn ich die Last auf mich nehme, wird diese Herrlichkeit für mich erkennbar. Das Schuldverschubsystem ist das System der Verblendung.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Voraus geht der Cherub, der mit dem kreisenden Flammenschwert das Tor des Paradieses bewacht (und auf den Cheruben thront Gott).
Die Grundgeschichte der Aufklärung müßte sich an der Geschichte der Banken (deren Ursprung mit dem der Tempel zusammenfällt) demonstrieren lassen. Welchen Punkt in dieser Geschichte bezeichnet die Vertreibung der Geldwechsler und der Taubenhändler (so bei Matthäus und Markus, bei Lukas nur allgemein der „Verkäufer“, bei Johannes zusätzlich zur Vertreibung der Geldwechsler und Taubenhändler auch die der „Verkäufer von Ochsen und Schafen“)?
Zur Bedeutung der Zahl zehn: Aus welchem Grunde hatte das römische Jahr zehn Monate, und was bedeuten die Namen der Monate?
Der Weizen, der unter die Dornen fällt, ist das nicht das Wort, das unter die subjektiven Formen der Anschauung fällt? Hat nicht Heidegger die Sorge, in der Jesus die Dornen erkennt, unter die der Weizen fiel, zum Zentrum der Fundamentalontologie gemacht?
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist, ohne daß sie es weiß, eine Geldtheorie. -
4.12.1996
Muß man nach dem Hogefeld-Prozeß und nach der Rückkehr von Christoph Seidler vielleicht doch das Undenkbare denken? „Die von ihm gemachten Aussagen … bringen auch das Fahndungskonzept von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft ins Wanken: Das Gesicht der RAF hat mit den Gesichtern auf den Fahndungsplakaten mutmaßlich nicht allzuviel zu tun“ (so in der FR von heute). Was wäre, wenn die nie aufgeklärten Aktionen der RAF gar nicht von ihr kamen, daß sie von den Gefangenen der RAF, von denen, die sich im Untergrund als „Mitglieder der RAF“ verstanden und von denen, die sie unterstützten, die es alle nicht besser wußten, nur dafür gehalten worden sind, weil sie an diesen Aktionen, am Bild der Kontinuität ihres „Kampfes“, eine Stütze ihres Selbstbewußtseins, ihrer „Identität“ zu finden glaubten? War das „Aussteiger-Programm“ vielleicht ein Programm, daß sicherstellen sollte, daß niemand mehr aus dem „Untergrund“ sich ans Licht traute, weil das möglicherweise das ganze Konstrukt hätte platzen lassen? Was ist gemeint, wenn, der FR zufolge, „in Sicherheitskreisen … der Fortbestand des ‚Aussteigerprogramms‘ damit begründet“ wird, daß man „auf diese Art Illegale ‚der Justiz zu(führe)’“?
Sind nicht die Bilder vom fahrenden Zug oder vom frei fallenden Fahrstuhl, an denen Einstein das Grundproblem seiner Relativitätstheorien demonstriert hat: das Problem der Beziehung des ruhenden zum bewegten Inertialsystem, Bilder der Beziehung des Naturbegriffs zum Weltbegriff, die Kant einmal durch die Beziehung des dynamischen zum mathematischen Ganzen der Erscheinungen zu definieren versucht hat?
Heute sind nicht mehr nur die Kapitalisten „Charaktermasken des Systems“, sondern ebenso die, die glauben, durch Feindschaft gegen das System, durch seine Verurteilung und Bekämpfung, dem Bann schon entronnen zu sein. Wenn es einen Fortschritt gibt, dann den, daß heute – in einem noch aufzuklärenden Zusammenhang mit der Verurteilungslogik – beide Seiten zu Marionetten des Systems geworden sind, daß sie beherrscht. -
30.11.1996
Wenn Habermas Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ widerlegen will, rückt er dann nicht die Welt in eine Perspektive, in der es Reflexion nicht mehr gibt? „Ganz“ ist nur die abgeschlossene Vergangenheit, die dann auch die Zukunft unter sich begräbt. Der Hegelsche Satz ist ebensowenig wie der Widerspruch Adornos ein metaphysischer Satz, sondern beide sind Erkenntnis leitende und vorprogrammierende Sätze. Wobei allein Adornos Satz die Intention mit einschließt, Erfahrungsfähigkeit und Sensibilität lebendig zu erhalten, der objektivierenden Gewalt nicht das letzte Wort zu geben.
Welche Rolle hat eigentlich Hans Magnus Enzensberger in der Kolportation und Diskussion des Adorno-Satzes, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, sei barbarisch, gespielt? Wie hat Enzensberger diesen Satz, dessen Quelle später keiner mehr zu kennen schien, zitiert? Kommt von ihm die Version, die seitdem in der Öffentlichkeit herumspukt (vgl. die Beispiele in „Auschwitz als Herausforderung“ oder in Ruth Klügers „weiter leben“): Es war kein Urteil übers Gedichteschreiben (so könnte es von Enzensberger, von dem auch der Titel „verteidigung der wölfe“ stammt, erfahren worden sein?), sondern Teil einer Reflexion Adornos über Auschwitz, für die die kantische Unterscheidung von reflektierendem und bestimmendem Urteil gilt.
Ist Hegel ein halbierter Daniel: Ist seine Philosophie die Entfaltung des Traums Nebukadnezars, zu der nur die Deutung noch fehlt?
Zu den Wirkungen der Medien gehört es, daß heute allen das Hören und Sehen vergeht: Sie leisten die Verdrängungsarbeit, die keiner mehr allein zu leisten vermöchte.
Wenn ein Gericht sich zum Hilfsorgan der Anklage macht, erfüllt das nicht auch den Tatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung?
In welcher Beziehung steht die Astrologie (die Hilfsdisziplin des babylonischen Staatsbegriffs) zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit (des Weltbegriffs)? Ist der Begriff der Öffentlichkeit ein anderer Name für die „Wege des Irrtums“, als welche die Planetenbahnen im Kontext der Astrologie sich enthüllen? Hat die Astrologie etwas mit der Tätigkeit des Himmel-Aufspannens (dem Werk des zweiten Tages) zu tun? Wird der (Sonnen-)Tag der Öffentlichkeit „aufgespannt“ durch die Institutionen, die in der Astrologie (in den heidnischen Sternenreligionen) durch die Planeten verkörpert werden. Und ist diese Öffentlichkeit nicht in allen Stücken das Gegenteil des Herzens, in das nur Gott schaut (Israel, der Tempel, die Prophetie): der Inbegriff des verhärteten Herzen? Was bedeutet der Name des „Himmelreichs“ (der basileia tou ouranou) bei Matthäus?
Hat der Jubel im Himmel über den Untergang Babylons (Off 1820) etwas mit der Freude im Himmel über die Bekehrung des einen Sünders (Lk 157) und mit dem letzten Satz des Jakobusbriefs zu tun: Wer einen Sünder von seinen Wegen des Irrtums bekehrt, der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken (Jak 520)? Ist Babylon (der Ursprungsort der Astrologie, der mit der Errichtung des Pantheons nach Rom übertragen wurde) die Verkörperung des einen Sünders und der Inbegriff der Wege des Irrtums? -
26.11.1996
Hegels Begriff der Philosophie gründet darin, daß eine philosophische Einsicht als vergangene sich vergegenständlicht und damit ihren Erkenntnischarakter verliert, sie wird zwangsläufig zum Objekt der Reflexion und der Kritik. So aber hat die Zeit Gewalt über die Erkenntnis erlangt.
Unterscheidet sich nicht die mathematische Erkenntnis (und damit auch die mathematische Naturerkenntnis) von der Philosophie dadurch, daß sie diesen Akt der Vergegenständlichung als ihr Apriori in sich aufgenommen und so geglaubt hat, dem kritischen Prozeß, dem die Philosophie unterworfen ist, sich entziehen zu können? Durch diesen Akt der Vergegenständlichung aber verschließt sie sich der Einsicht (sie ersetzt das Was durch das Wie), wird sie blind: Sie wird zum vergessenen Traum, der nur durch Erinnerungsarbeit noch zu rekonstruieren und zu deuten ist (der Traum des Nebukadnezar).
Der Gegenpol der mathematischen Erkenntnis ist der Erkenntnisbegriff, der der Kabbala zugrundeliegt, die darauf abzielt, die vergangenen Gestalten der Erkenntnis (die Tradition) zu retten. In diesem Sinne hat Walter Benjamin einmal über Franz Rosenzweig gesagt, er habe „es vermocht, die Tradition auf dem eigenen Rücken zu befördern anstatt sie seßhaft zu verwalten“.
Kant hat die Wurzeln der vergegenständlichenden Kraft der Mathematik in den subjektiven Formen der Anschauung erstmals rein herauspräpariert und damit reflexionsfähig gemacht. Es gibt keine Abstraktion ohne Vergessen; diese Konstellation ist in die für die subjektiven Formen der Anschauung konstitutive Orthogonalität mit eingebaut. Dieses Prinzip der Orthogonalität ist der Grund der Unfähigkeit, rechts und links zu unterscheiden; sein theologischer Reflex ist die Orthodoxie (und die Orthodoxie eine Vorstufe des Inertialsystems, in dem die Orthogonalität zur Totalität sich entfaltet).
Zu Derrida, Gesetzeskraft: Das Wunder ist eine Manifestation der göttlichen Gewalt (vgl. hierzu René Girard, Das Heilige und die Gewalt, S. 185). Dem korrespondiert der Rosenzweig’sche Begriff des Wunders: die Erfüllung des prophetischen Worts.
Der Zwang, die Juden, bevor sie ermordet wurden, zu demütigen und zu quälen, auf den Goldhagen verweist, hängt auch damit zusammen, daß die Täter auch die Demütigung, die sich selbst antun mußten, noch zu externalisieren gezwungen waren, durch Verschiebung auf die Opfer loszuwerden suchten. Genau das hat die Täter süchtig gemacht.
Hat das erste Wunder Jesu in Kana, die Verwandlung von Wasser in Wein, etwas mit der ersten der ägyptischen Plagen zu tun: mit der Verwandlung von Wasser in Blut; und der Kreuzestod etwas mit dem Tod der Erstgeburt?
(Beitrag von Claus Leggewie auf der Wissenschaftsseite der FR von heute:) Ist nicht der Topos, daß das Verlangen nach und die Zustimmung zur Einführung des Königtums in Israel der Beginn des gleichen Politikverständnisses sei, das heute im Staat Israel sich vollendet, ein Konstrukt des gleichen Fundamentalismus, dessen christliche Variante der Antisemitismus ist, der sich auch zu gerne auf die Geschichte der Landnahme im Buch Josue beruft? Es liegt in der Konsequenz dieser Konstruktion, wenn dann genau die Autoren (wie Benjamin und Bloch), die die Katastrophe schon in ihren Anfängen wahrgenommen haben, zu ihren Verursachern gerechnet werden (ähnlich schon Derrida, in dem Buch Gesetzeskraft). Wie es aussieht, gibt es niemanden mehr, der Kant gelesen hat; und wenn er ihn gelesen hat, hat er den Unterschied zwischen dem bestimmenden und dem reflektierenden Urteil nicht begriffen.
Ist die Verurteilung des Nationalsozialismus der Exorzismus des Staates, mit dem er die Reflexion auszutreiben versucht, die im Nationalsozialismus das „wahre Gesicht des Staates“ erkennt?
Haben nicht die Lichterketten anläßlich der fremdenfeindlichen Ausschreitungen etwas mit dem Pfeifen im Walde und mit dem Spruch, der in der Nazizeit in fast jeder Wohnung zu finden war, zu tun: „Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her …“?
Die Verwaltung, in der alle nur noch ihre Pflicht tun, aber keiner mehr weiß, was er tut, ist das genaueste Exempel der Innensicht in dem frei fallenden Fahrstuhl.
Die Staatsschutzsenate unterscheiden sich vom Volksgerichtshof, in dem Ankläger und Richter eins waren, eigentlich nur dadurch, daß sie formell an der Unterscheidung von Anklage und Gericht festhalten; aber zugleich erwecken sie den Eindruck, das Gericht sei nur ein Hilfsorgan der Anklage, Herr des Verfahrens sei die BAW. Auch das ein Effekt der Rationalisierung, der Domestizierung des Faschismus: seine Instrumentalisierung, nicht seine Aufhebung. -
25.11.1996
Der durch die Ökonomie instrumentalisierte und verwüstete Staat gewinnt im Nationalismus die mythische Qualität seines Ursprungs zurück: die Gewalt der Verrottung und der Ausblendung dieser Verrottung aus dem Bewußtsein. Aufgabe des Staatsschutzes ist es, diesen Vorgang mit Hilfe der remythisierten Logik des Rechts zu stabilisieren.
Die gekreuzigte, gestorbene und begrabene Sinnlichkeit wird, wenn es ihr gelingt, den Bann der Anschauung zu sprengen, im Leib der Sprache wieder auferstehen.
Die Sinnlichkeit aus dem Bann der Anschauung befreien heißt, die Empfindlichkeit in Sensibilität transformieren. Diese Sensibilität sprengt den Bann des Naturbegriffs, sie erneuert das Antlitz der Erde.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Instrumentalisierung der Vernunft.
Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße: Haben wir nicht den Himmel zum Schemel unserer Füße gemacht und sitzen mit dem Arsch im Dreck?
Der Begriff der Reinheit wird durch das definiert, was er ausschließt: durch das Unreine. Das können die Sexualität und der Schmutz sein, es kann aber auch die Befleckung durch Gewalt sein. In beiden Fällen muß, allerdings mit konträren Folgen, das Opfer rein und makellos sein.
Zur Kritik der reinen Vernunft: Was verunreinigt die Vernunft? Ist die reine Vernunft eine, die sich mit dem, was außer ihr liegt, nicht mehr beschmutzt, die sich nur mit dem, was sie aus sich selbst hervorbringt, befaßt: eine Vernunft, die nichts mehr erkennt?
Vor den Staatsschutzsenaten geht es nicht mehr um die Taten, sondern nur noch ums Erwischtwerden (das Gericht muß nicht mehr die Tatbeteiligung beweisen, sondern der Angeklagte muß die Konstrukte der Anklage widerlegen). Zugrunde liegt die Logik des Sündenbocksyndroms, in dem die Unschuld dessen, der nach dieser Logik verfährt, durch die Unwiderlegbarkeit der Schuld des Sündenbocks (nicht durch den Nachweis ihrer Realität) bewiesen wird. Aufgabe der Staatsschutzsenate ist es, die Unschuld des Staates zu beweisen, damit beweist er die Schuld des Sündenbocks (der Hexe, des Juden). Die Sündenbocklogik ist ein Teil der Bekenntnislogik, die aus der Umkehr des Schuldbekenntnisses sich herleitet, aus dieser Umkehr das Bewußtsein der eigenen Schuldosigkeit gewinnt.
Ist nicht die Pluralisierung der Sünde der Welt (Joh 129), die übrigens nicht schon in der Vulgata erfolgte, sondern erst in der Liturgie erscheint, die im Agnus Dei aus dem peccatum mundi die peccata mundi gemacht hat, das genaueste Indiz für den postdogmatischen Status der ins Lateinische übersetzten Theologie? Diese Übersetzung gehört zur Geschichte der drei Leugnungen Petri.
Sind die Planeten die Pferde, die den Sonnenwagen ziehen? Und hat nicht der Tierkreis etwas mit dem Sündenbocksyndrom zu tun, sind im Tierkreis nicht alle Motive dieses Syndroms versammelt (Steinbock, Wassermann, Fische, Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze)? – Vgl. Girard, Das Heilige und die Gewalt, S. 237f (im Kontext der Zitate aus Euripides‘ Bakchen).
Das kabbalistische Motiv, wonach die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, bezieht sich nicht allein auf ihre Unendlichkeit, sondern ebensosehr auf ihren Ursprung in der Orthogonalität. Die Orthogonalität bezeichnet den Verhärtungs- und Verblendungspunkt, dem die „schlechte Unendlichkeit“ des Raumes sich verdankt, ihr Ursprung fällt in die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos. Beziehen sich hierauf nicht insbesondere die Insekten-Plagen: die Mücken, die Bremsen und die Heuschrecken?
Welche Zeichen konnten auch die Zauberer tun, und welche konnten sie nicht mehr tun, weil sie von ihnen selber befallen waren? Und an welcher Stelle kommt der Satz, daß, was die Israeliten opfern werden, den Ägyptern ein Greuel ist (liefert hierzu nicht das Sündenbocksyndrom den Schlüssel)?
Gehören nicht das Sklavenhaus Ägypten und der Eisenschmelzofen in die Vorgeschichte des Sündenbocksyndroms? Der Sklave ist der instrumentalisierte (nicht mehr real geopferte) Sündenbock, die Sklaverei eine der ersten Stufen der Geldwirtschaft: Sklaven sind Waren, die arbeiten (im Kapitalismus arbeitet das Geld). Und Frauen sind Sklaven, die man genießt.
Die Frau des Potiphar kehrt die durch die Sklaverei definierte Geschlechterbeziehung um: Sie will mit dem Sklaven tun, was sonst nur der Herr mit der Sklavin tut; und sie kehrt, als es ihr mißlingt, das Argument um: sie denunziert den Sklaven, daß er sie, wie es nur der Herr mit seiner Sklavin darf, hat mißbrauchen wollen. Gehört diese Geschichte nicht zur Mythoskritik: zur Auflösung des Vatermord/Inzest-Motivs (in dem der Sohn an die Stelle des Sklaven tritt: Ist nicht der Gottessohn der Gottesknecht)?
Die Schlange und der Drache beziehen sich auf Babylon.
Der Personbegriff, dem im Griechischen noch ein logischer Begriff korrespondiert, tritt rein erst im Lateinischen hervor, er vollendet die Arbeit des Begriffs, indem er dessen Formgesetz auf den Namen überträgt: so löscht er (in der Trinitätslehre) den Namen.
Nach Emmanuel Levinas ist das Angesicht die Verkörperung des Gebots: „Du sollst nicht töten“. Sind dann nicht Fahndungsplakate und Personalausweise (als sozialisierte Fahndungsplakate) blasphemisch? Der Personalausweis ist der Beweis der Identität von Verfolger und Opfer. Jedes Fahndungsplakat denunziert das Angesicht.
Zu den Terroristen-Plakaten (die – seit wann eigentlich? – in jedem deutschen Krimi gezeigt werden): Wieviele der dort Abgebildeten waren gar nicht in der RAF, und sind nicht etliche, nur weil sie auf Plakaten gestanden sind, für Taten verurteilt worden, die sie nicht begangen haben?
Hat nicht Fichte den Personal-Ausweis erfunden, und war diese Erfindung nicht eine zwangsläufige Folge des Begriffs des Nicht-Ich?
Der Geist ist das „Feuer vom Himmel“, von dem er wollte, es brennte schon.
Erst der Paraklet befreit das apologetische Denken vom Rechtfertigungszwang.
Ist nicht die Welt der Traum Nebukadnezars, und fehlt uns nicht nur noch der Daniel, der diesen Traum dem Vergessen entreißt und deutet? Propheten sind keine Träumer, sondern Traumdeuter.
Der Satz aus dem Hebräerbrief: Der Gastfreundschaft vergeßt nicht, denn durch diese haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt (Hebr 132), ist ein Schlüssel zur Engellehre: Er verweist auf die Konvertibilität der Namen des Fremden und der Engel. Hat er nicht damit die Engel der Apokalypse und den Namen des Evangeliums in ein neues Licht gerückt?
War nicht Joseph für den Pharao ein Engel, und ist nicht für den Pharao, der Joseph nicht mehr kannte, Moses zum Gott und Aaron zum Propheten geworden? Ist diese Konstellation nicht auch ein Symbol der Kirche? -
21.11.1996
René Girard, Ausstoßung und Verfolgung: Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung die letzten Repräsentanten des kollektiven Mords? Klingt nicht in der Urteilsformel „Im Namen des Volkes“ dieser kollektive Mord, der den Staat begründet, nach?
Das Sündenbock-Paradigma schlüsselt den Mythos, und in seinem Kern den Schicksalsbegriff, von innen auf.
Alle Mythen sind Ursprungsmythen, und deren Reflexion ist ein Teil der notwendigen Erinnerungsarbeit.
Das Sündenbock-Paradigma ist ein Teil der Feindbild-Logik, die erstmals im Namen der Barbaren sich stabilisierte. Der Name der Barbaren ist zugleich die erste Manifestation der „subjektiven Form der äußeren Anschauung“, des Prinzips der Veräußerlichung der (subjektiven wie nationalen) Außenwelt.
Wie paßt in dieses Sündenbock-Syndrom die Exodus-Geschichte hinein, mit der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos?
Ist nicht die Daniel-Geschichte eine Fortführung und Erweiterung der Joseph- und Exodus-Geschichte (in der der Feuerofen dem Eisenschmelzofen Ägypten entspricht)? Ist Daniel der Joseph redivivus unter den veränderten Bedingungen Babylons?
Unterscheidet sich nicht der Pharao von den Königen Babylons durch seine Anonymität? Er ist der Pharao, der König Ägyptens, während die Könige Babylons Nebukadnezar bzw. Belsazar (und die Könige Persiens Darius, Artaxerxes und Kyros) heißen.
Der Staat ist die Institutionalisierung des kollektiven Mords, in dem er (wie das Nachkriegs-Deutschland in Auschwitz) seinen Gründungsakt erkennt und zu „vertuschen“ sucht. Die Vertuschungsarbeit ist der Mythos, in dem die Erinnerung jedoch durchscheint.
An der Stelle, an der Rene Girard Plato zitiert, zitiert er den „Staat“, und zwar nicht nur das platonischen Werk, das unter diesem Titel überliefert ist, sondern auch die Institution.
Der Staat ist die objektive Realität des Begriffs (das objektive Korrelat der subjektiven Formen der Anschauung). Insofern hat die gegenwärtige Phase der Geschichte der politischen Ökonomie ihre fundamentale Bedeutung für die Selbstverständigung der Philosophie.
Der real existierende Sozialismus und – als es mit ihm zu Ende ging – die 68er Marxismus-Rezeption in der BRD haben, als sie sich der Selbstreflexion entzogen, deren Medien der eigenen Feindbildlogik angepaßt und zu den Waffen umgeschmiedet, an denen sie dann zugrunde gegangen sind.
Die Begriffe, mit denen wir glauben, die Welt zu verstehen, und die Logiken, die wir mit diesen Begriffen rezipieren und verinnerlichen, sind in Wahrheit die Fäden, die uns zu Marionetten der Welt machen. Es gibt keine Selbstreflexion mehr ohne die Reflexion der Strukturen, die die Welt beherrschen, und wir verstehen die Welt nicht, wenn wir uns selbst nicht verstehen. Die Selbstreflexion ist ein zentrales Element der Kritik der politischen Ökonomie. Und wenn diese Selbstreflexion dahin führt, daß es sich als notwendig erweisen sollte, die erste der geschichtsphilosophischen Thesen Walter Benjamins zu korrigieren, indem man sie umkehrt, so wird man’s auch tun müssen: nämlich in dem Sinne, daß nicht die (als Zwerg unterm Tisch versteckte) Theologie dem historischen Materialismus dient, sondern daß der Zwerg unterm Tisch mit Hilfe des historischen Materialismus aus seiner Zwangslage sich befreit.
Oder anders: Die kantische Vernunftkritik ist als Wissenschaftskritik zugleich Gesellschaftskritik, aber man kann die Gesellschaftskritik von der Wissenschaftskritik nicht trennen. Mit der Verwerfung und Preisgabe der Wissenschaftskritik haucht die Gesellschaftskritik ihren Geist aus. Auch das Projekt Moderne darf nicht dogmatisiert, es muß reflexionsfähig gehalten werden.
Das Sündenbock-Paradigma wird durch die subjektiven Formen der Anschauung und die daraus hervorgegangene transzendentale Logik, in die sie mit eingeht, automatisiert und unkenntlich gemacht. In der transzendentalen Logik scheint jener Vertuschungseffekt, der den Mythos durchherrscht, endgültig geworden zu sein. Die Hinweise Kants, daß dieser transzendentale Apparat noch zu reflektieren wäre, sind schon von seinen Nachfolgern, die ihn nur perfektioniert haben, verdrängt worden. (Hegel, der die Reflexion bis zu den durch den Weltbegriff gesetzten Grenzen vorgetrieben hat, ist im Gelingen seines Projekts gescheitert.)
Die subjektiven Formen der Anschauung haben den parvus error in principio der Theologie, des Dogmas, der Orthodoxie, der Opfertheologie, das Entsühnungskonzept und die Bekenntnislogik, rein herauspräpariert, er ist damit erstmals analysierbar geworden.
Worauf es heute ankäme wäre: das Resultat der Kritik der Urteilskraft, das Konzept des reflektierenden Urteils, auf die transzendentallogischen Fundamente des bestimmenden Urteils, auf das Resultat der Kritik der reinen Vernunft, rückwirkend anzuwenden.
Zielte nicht der Satz: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ auf eine Erkenntnisfigur, die in der Beziehung Daniels zu Nebukadnezar vorgebildet ist: zu lernen, den Traum des Andern, den dieser vergessen hat, zu rekonstruieren und zu deuten?
In Girards Sündenbock-Syndrom gibt es den entscheidenden Akt, in dem sich der Kreis um das Opfer schließt, bevor es ermordet, zerrissen und zur gemeinschaftsbildenden Grundlage der Brüderhorde wird. Ist nicht die Philosophie und die aus ihr hervorgegangene Geschichte der Aufklärung in diesen Kreis und in diese Tat gebannt, und zwar in eben diesem Akt, in dem sie das Bewußtsein der Tat verloren hat?
Ist nicht das Bild des kollektiven Mords das präzise Bild dessen, was mit Auschwitz in Deutschland passiert ist? Und ist nicht das letzte Rätsel dieser Geschichte die kollektive Verdrängungsgeschichte, eine Verdrängungsgeschichte, an der alle teilhaben, in die alle verstrickt sind, der keiner sich entziehen kann, es sei denn, er versucht, diesen Bann durch Reflexion zu sprengen?
Paßt nicht zu René Girard der Satz (Produkt eines reflektierenden, nicht eines bestimmenden Urteils), daß die Geschichte der Naturwissenschaften mit der Hexenverfolgung begonnen und mit Auschwitz geendet hat?
Läßt nicht die Flucht des Jonas nach Tarschisch aus dem Sündenbock-Syndrom sich herleiten, und erinnert nicht die Szene auf dem Schiff, als die Schiffsleute ihn ins Meer werfen, an den kollektiven Mord? -
20.11.1996
Wie hängen das Angesicht, der Name und das Feuer zusammen mit der Subjektivierungsgeschichte der Sinnlichkeit, der Kritik und der Schuld?
Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion hängt zusammen mit der Unfähigkeit zur Kritik der Verwaltung: des Instrumentariums der Herrschaft (Problem des real existierenden Sozialismus, auch des 68er Marxismus).
Daß Hegels Philosophie nur bis zum Bewußtsein der Freiheit reicht, ist in der systemlogischen Funktion und Bedeutung des Weltbegriffs begründet. Diese wären zu reflektieren, und in ihnen die Logik der Schuld (die Wurzeln des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs).
Die Verwaltung ist das Instrument der Herstellung der Welt.
Was die Nazis einmal das „gesunde Volksempfinden“ nannten, war nichts anderes als der faschistisch entfesselte Rachetrieb; und der hat den Faschismus überlebt.
Als Habermas den „Verfassungspatriotismus“ erfand, hat er sich selbst von der Reflexion der Natur ausgesperrt. Seitdem kreist er auf den Planetenbahnen seiner Kommunikationstheorie.
Kant hat noch zwischen dem Endzweck der Natur (den es nicht gibt) und dem Endzweck der Schöpfung (der im Menschen als einem moralischen Wesen sich verkörpert) unterschieden (Kritik der Urteilskraft, § 86). Mit dem Naturbegriff ist die universale Geltung des Kausalitätsprinzips – und damit der Ausschluß jeder Teleologie – mit gesetzt; nur der Begriff der Freiheit fährt aus dem Bann der Natur heraus: dieser Freiheitsbegriff ist der Grundbegriff des Handelns und der Moral.
Vgl. hierzu Kants Begründung der Subjektivität der Formen der Anschauung und die Konsequenzen dieser Reflexion. Erinnert diese Begründung nicht an die (dreifache) Orthogonalität und damit an die die transzendentale Logik und den Begriff der Erscheinungen begründende dreifache Abstraktion: die Abstraktion von der Sinnlichkeit, von der objektiven Kraft der Kritik (auf deren Rekonstruktion die kantische Philosophie abzielt) und von der Objektivität der Schuld? Diese drei Abstraktionsschritte stützen sich wechselseitig, sie vollenden sich in den subjektiven Formen der Anschauung. Gehört der römische Triumph, der Dreischritt, von dem er den Namen hat (vgl. die Bemerkungen Florens Christian Rangs hierzu in seinem „Shakespeare als Christ“), zur Ursprungsgeschichte der subjektiven Formen der Anschauung, waren die in ihm mitgeführten Gefangenen und die Beute das Modell der dann neutralisierten „trägen Masse“, war das caesarische, imperiale Rom die Geburtstätte des Inertialsystems?
War nicht das kirchliche Verständnis des Bindens und Lösens, der Sündenvergebung, insbesondere das Institut der Ohrenbeichte, ein wesentlicher und notwendiger Schritt auf dem Wege zur Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung?
Als Levinas auf den imperativen Gehalt der Attribute Gottes hingewiesen hat, hat er dem fundamentalistischen Schriftverständnis, das diesen imperativen Gehalt in die unreflektierte Gestalt der Schrift verlegt, endgültig den Boden entzogen. Das fundamentalistische Schriftverständnis ist die Flucht vor dem Imperativ, der in den Attributen Gottes sich manifestiert. Deshalb bezieht sich die „Erfüllung der Schrift“ in erster Linie auf die Passion.
Steckt nicht eine gewaltige Symbolkraft darin, daß Hegel an der newtonschen Gravitationstheorie und Goethe an der newtonschen Farbenlehre sich abgearbeitet haben? Ich meine, es ist eine arge Vereinfachung, wenn man den Abschluß dieser Geschichte darin zu erkennen glaubt, daß Newton gesiegt hat, während Hegel und Goethe gescheitert seien.
Zur Kritik der Subsumtionslogik: Der Antisemitismus ist kein Anwendungsfall einer allgemeinen Vorurteilstheorie, sondern er ist die Wurzel des Vorurteils.
Die Venus-Katastrophe ist die Katastrophe, die eingetreten ist, als die Barmherzigkeit durch die Liebe und eine Sexualmoral, die als Urteilsmoral sich etabliert hat, ersetzt worden sind. Diese Katastrophe ist ein Ereignis der Herrschaftsgeschichte, sie ist eins mit dem Ursprung der Begriffe Natur und Welt. Der Preis für die Transformation der Sexualmoral in eine Urteilsmoral war die Heuchelei (vgl. hierzu die Beziehung der Gemeinheitslogik zu dem Begriff der Schwere der Schuld).
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