Der Voyeurismus, der die Regenbogenpresse vor allem kennzeichnet, ist die Kehrseite der allgemeinen und substantiellen Zerstörung des Privaten, eigentlich des Lebens überhaupt. In dem gleichen Maße, in dem Öffentlichkeit strukturell das private Dasein durchsetzt, zerstört es dieses von innen, macht es zugleich die entprivatisierten Individuen süchtig nach Anteilnahme am Privatleben der anderen, möglichst der Prominenz. Darin gründet nicht zuletzt der Erfolg von BILD. (Begonnen hat diese Vermischung von Privatem und Öffentlichen im Absolutismus, im Barock, als Herrschaft ihrer magischen Qualitäten entkleidet, entzaubert und verbürgerlicht, privatisiert wurde. Auch der Absolutismus ist Teil der Aufklärung – sozusagen die feudale Vorstufe des Kapitalismus.)
Kapitalismus
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10.06.88
Die Subsumtion der Arbeit unter das Tauschprinzip begründet nicht allein den Kapitalismus, sondern mit ihm den Schuldzusammenhang als abgeschlossenes System, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Projektion dieses Schuldzusammenhangs in eine vor aller Erfahrung gegebene und allem Handeln zugrundeliegende Objektivität (Natur) ist die moderne Naturwissenschaft.
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24.07.88
Marx‘ Feststellung, daß die Gesellschaft nur vor Aufgaben gestellt wird, die sie auch zu lösen vermag, hat auch eine sehr fatale Bedeutung: Der Kampf der Kolonisierten gegen den Kolonialismus setzte (mit Aussicht auf Erfolg) genau dann ein, als die Kolonialherren sich in die Lage versetzt sahen, die Abhängigkeit mit anderen, wirksameren Mitteln aufrechtzuerhalten: anstatt mit der direkten Gewalt von Militär und Polizei mit der indirekten des Kapitals (der Schuldenabhängigkeit). Einer ähnlichen Auslegung ist die „Sklavenbefreiung“ z.B. in den USA fähig (vorausgegangen ist in den Anfängen des Kapitalismus, in der Phase der „ursprünglichen Akkumulation“, die „Bauernbefreiung“). Die „Befreiung“ war jedesmal die Freisetzung von „Proletariat“ (Menschen, die außer ihrer Arbeitskraft kein Eigentum haben, insbesondere keine Produktionsmittel besitzen).
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22.4.1997
Die Ursprungsgeschichte der Philosophie ist die Ursprungsgeschichte einer theoretischen Beziehung zur Objektivität, die in Alexander praktisch geworden ist (die Ursprungsgeschichte der stoischen Ataraxia – die Keimzelle des „eliminatorischen Antisemitismus“ – ist im Kollosseum in Rom als Kulturdenkmal der Erinnerung präsent und sinnlich erfahrbar).
Die Geschichte der Häresien ist ein Indikator der inneren Geschichte des Christentums. Die Häresien waren ein projektiv entstellter Ausdruck der historisch-moralischen Probleme des Christentums. Mit der Verurteilung der Häresien sind diese Probleme nicht gelöst, sondern verdrängt – und eben damit perpetuiert – worden. Die Kirche hat ihre eigene Tradition zunächst in Isolationshaft, dann in Geiselhaft genommen: Das Dogma sind die Steine, die Bekenntnislogik der Mörtel und die Orthodoxie die Mauern des Gefängnisses, in die die Tradition eingesperrt worden ist. Der Schlüssel zu diesem Gefängnis ist die logische Figur von Schrecken und Verurteilung.
Die drei Leugnungen Petri, Maria Magdalena und die sieben unreinen Geister, der Kelch (Taumelkelch und Unzuchtsbecher, die Zebedäussöhne und Getsemane), der Weltbegriff und das Tier, Ankläger und Verteidiger (Satan und Paraklet).
Zum Kelch: Hegel ist nur bis zum Taumelbecher gekommen, seine Philosophie ist die Grenze und der Übergang zum Unzuchtsbecher.
Daß Jesus zur Rechten Gottes sitzt, heißt das nicht, daß Gott seitdem keine Rückseite mehr hat?
Gegen den Gebrauch des antisemitischen Begriffs Judenfrage (Marquardt) ist der Einwand durchschlagend, daß der Antisemitismus nichts mehr mit den Juden, sondern nur noch etwas mit den Antisemiten zu tun hat. Der Holocaust, die „Endlösung der Judenfrage“, war die Eröffnung in eine Sphäre, die sich seitdem nicht mehr schließen läßt. Nicht als ob es Vergleichbares nicht auch schon vorher gegeben hätte, nur hier ist der Durchbruch in die logisch-politische Sphäre der Öffentlichkeit gelungen, der irreversibel ist. Seitdem sind Menschenrechtsverletzungen, sind politische Unterdrückung und Verfolgung, Repression und Folter Objekte der „Weltöffentlichkeit“. Vor diesem Hintergrund sind die Habermas’sche Wendung zur Theorie des kommunikativen Handelns, ist das Motto „Dressur des inneren Schweinehunds“ so tief problematisch.
Die Welt ist die Gebärmutter des apokalyptischen Tiers. Wer ist die „Frau am Himmel“?
Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein: Wenn das Inertialsystem etwas mit der Feste des Himmels (mit der Scheidung der unteren von den oberen Wassern) zu tun hat, ist dann das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Hinweis auf die Identität von träger und schwerer Masse der Beginn der Lösung? Ist der zweite Schöpfungstag die Prophetie der Apokalypse?
Wie hängen der Ursprung der Schrift und die Astronomie, die Sternenkunde, zusammen? Wie wird der Himmel von den Naturvölkern, den schriftlosen Völkern, erfahren? Im Islam ist Gott ein schreibender, kein sprechender Gott: ein Gott ohne Angesicht (ist das nicht die Widerlegung des Islam?).
Läßt sich die Konstruktion der aristotelischen Philosophie nicht daraus ableiten, daß sie (wie dann wieder Hegel) das tode ti, das hic et nunc, unter dem Apriori der Logik der Schrift erfährt? Wird dadurch nicht zwangsläufig die noesis noeseos zum Ersten Beweger (und Alexander seine historische Verkörperung)? Und ist nicht die noesis noeseos zum Inbegriff der Logik der Schrift?
Die Aufklärung verdankt sich der Rückprojektion der Logik der Schrift in die Dinge (die so zu Dingen werden).
In der adäquatio intellectus ad rem ist die res der Reflex der Dinge in der Schrift, in der Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand ist der Gegenstand, das Objekt, der Statthalter des Subjekts in den Dingen.
Es gibt heute einen vulgärmaterialistischen Begriff des Idealismus, der schon das Begreifenwollen als idealistischen Trieb denunziert.
Man erkennt einen Menschen daran, was er erkennt, wie er die Dinge sieht. Was bedeutet dann der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, genauer: was bedeutet dieser Satz für die Gotteserkenntnis?
Das Bilderverbot und das Verbot, den Namen Gottes auszusprechen, sind drastische Hinweise darauf, daß Gott keine Rückseite hat (daß die Idee des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt). Ist der Anfang des Sterns der Erlösung nicht nicht eine deutliche Erinnerung daran, daß das – allerdings auf sehr unterschiedliche Weise – auch für Welt und Mensch gilt? Ist nicht darin das Nichtwissen von Gott Welt Mensch begründet?
Theologie ist der Versuch, im Imperativ den Indikativ zu entdecken, während der Aufklärung (der Kosmologie) gleichsam unter den Händen der Indikativ zum Imperativ wird.
Der am Objektbegriff gewonnene Begriff des Allgemeinen bezeichnet nicht das Allgemeine schlechthin, sondern das der Gattung. Deshalb konnte Hegel aus dem Begriff die Tatsache unterschiedlicher Arten und Gattungen der Tiere nicht ableiten. Deshalb kann Hegel zufolge „die Natur den Begriff nicht halten“. Hier ist er gezwungen einzubekennen, daß es die eine Welt nicht gibt. Die Idee der einen Welt ist im Angesicht der Geschichte nur zu halten, wenn die Weltgeschichte zum Weltgericht wird.
Das Theologumenon, daß Gott die Welt erschaffen hat, die creatio mundi ex nihilo, ist der Grund jeglichen Fundamentalismus. Eine Theologie, die vom Begriff der Weltschöpfung ausgeht, macht Gott zum Absoluten, in dem am Ende nur der Staat sich spiegelt.
Gibt es nicht einen Kirchen- und Gemeindebegriff, in dem die Kirche selber die Ghettomauern errichtet, in denen sie verrottet?
Was die Nazis Humanitätsduselei und Ludwig Erhard die „Sünde wider die Marktwirtschaft“ nannten, trägt den theologischen Namen Barmherzigkeit.
In den Worten Leib und Fleisch drückt die Differenz zwischen dem An sich und dem, was für andere ist, seiner Instrumentalisierung, sich aus (das Angesicht gehört zum Leib, wie die Person zur soma, niemals zum Fleisch). Das Blut hat nur diesen einen Namen, mit der Folge, daß wir allein das instrumentalisierte Blut darunter verstehen, während das An sich (die „Seele des Fleisches“) gegenstandslos geworden ist. Endgültig instrumentalisiert wurde das Blut – über die religiöse Vorgeschichte der Märtyrer- und Reliquienverehrung – in dem gleichen Säkularisationsprozeß, der diese religiöse Vorgeschichte beendete, in der Objektivierung des Blutkreislaufs, in dem gleichen Prozeß, in dem auch – im heliozentrischen System – die Objektivierung der Planetenbahnen sich vollendete. Das heliozentrische System ist das System der Subjektivierung und Instrumentalisierung der Zwecke. Es ist der gleiche Prozeß, in dem – in der Ursprungsgeschichte des Kapitalismus – die Zwecke zu Mitteln geworden sind, der transzendentalen Logik und dem Kausalitätsprinzip unterworfen wurden.
Im Kontext des heliozentrischen Systems wird die biblische Blutsymbolik nicht nur unverständlich: Das heliozentrische System rückt die Blutsymbolik in eine Logik, in der sie zu den Voraussetzungen des Faschismus, des Rassismus und des Antisemitismus gehört (die gleiche Logik hat die Barmherzigkeit endgültig in Hysterie transformiert und die Barbaren durch die Wilden ersetzt).
Das kopernikanische System hat mit der Teleologie die Idee des seligen Lebens, die Vorstellung des Endzwecks, in der Wurzel zerstört. Es hat sie durch die Rechtfertigungslehre ersetzt. Entscheidend war nicht mehr die Tat (und das göttliche Gericht über die Tat), sondern das Urteil über die Person („wie bekomme ich einen gnädigen Gott“), nicht mehr die Sünde, die ich zu meiden hatte, sondern die Schuld, der ich entgehen wollte.
Jesus hat die Welt nicht entsühnt, er hat nicht die Schuld der Welt hinweggenommen, sondern die Sünde der Welt auf sich genommen. Hierfür ist die Kirchengeschichte der Beweis, und hierzu gehört die Geschichte von den drei Leugnungen Petri, von Maria Magdalena und den sieben unreinen Geistern, aber auch die ganze Kelchsymbolik sowie Hegels Wort, er sei „von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein“.
Hat die fliegende Schriftrolle, „der Fluch, der über das ganze Land ausgeht“ (Sach 51) etwas mit dem Himmel, der wie eine Buchrolle sich aufrollt (Jes 344, Off 614), zu tun?
Die Zentralbanken haben Himmel und Erde ehern und eisern gemacht (Lev 2619, Dt 2823). Zu ihrer Vorgeschichte gehören das Dogma und die Bekenntnislogik, zu ihrer Begleitgeschichte die kopernikanische Wende und die Naturwissenschaften. Die Geschichte der Banken ist die Ursprungsgeschichte des Inertialsystems.
Das Urschisma und die Urhäresie (die Gnosis) gehören zu den Konstituentien der Bekenntnislogik, die Ausgrenzung der Frauen gehört zu ihren Folgen.
Wenn es stimmt, daß der deutsche Name des Himmels etymologisch mit dem des Hammers zusammenhängt, hat das etwas mit Lev 2619 und Dt 2823 zu tun?
Sind nicht das Inertialsystem, die subjektiven Formen der Anschauung und die Totalitätsbegriffe Natur und Welt Verkörperungen des „ehern“ und „eisern“ in Lev 2619 und Dt 2823? Spiegelt sich in der Differenz zwischen Lev und Dt die Differenz zwischen Kosmologie und Politik?
Der Wertbegriff stammt aus der Ökonomie. Er gehört zu den synthetischen Urteilen apriori, die der Neutralisierung der Teleologie, der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel (der Zukunft unter die Vergangenheit) sich verdankt. Er gehört in den Bereich der reflektierenden Urteile, die unterm Apriori der Gewalt (des Rechts und des in ihm sich verkörpernden Gewaltmonopol des Staates) zu bestimmenden Urteilen werden. Wertordnungen sind politische Ordnungen. Reflex dieses Aprioris der Gewalt sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist die transzendentale Ästhetik.
In der Kritik der Urteilskraft, in seiner Theorie der reflektierenden Urteile, die auf Ideen sich beziehen, die regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, steckt die kantische Kritik der Gewalt. Diese kantische Kritik der Gewalt ist durch den Faschismus in eine Engführung gebracht worden, aus der es nur dann einen Ausweg gibt, wenn es gelingt, den Bann zu brechen.
Wer Gott zum Herrn der Geschichte macht, rechtfertigt nur das transzendentale Subjekt und leugnet Auschwitz.
Wie hängt der Satz aus der Dialektik der Aufklärung über die Distanz zum Objekt (die vermittelt sei durch die Distanz die der Herr durch den Beherrschten gewinnt) mit dem Problem der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel zusammen?
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11.4.1997
Das Geld instrumentalisiert die Asymmetrie der Beziehungen zwischen mir und den Anderen, es trennt Natur und Welt, es teilt die Welt in innen und außen. Die Trennung der subjektiven Formen der Anschauung ist durch die Logik des Geldes vermittelt. Das Geld konstituiert den Naturbegriff durch seine Trennung vom Ausblick auf die Auferstehung, die nur für die Andern gilt: durch Instrumentalisierung und Verdinglichung.
Das Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist ein antikapitalistisches Wort.
Ist nicht der Pharao die Verkörperung der Logik des Geldes: „Faul seid ihr, faul“? Joseph hat geholfen, das Haus zu errichten, an das der Name des Pharao erinnert, und das zum Sklavenhaus geworden ist, als ein Pharao kam, „der Joseph nicht mehr kannte“. Zu dieser Geschichte gehört die Geschichte der Verhärtung des Herzens.
Das Resultat der christlichen Verarbeitung des „Alten Testamentes“ war die Zerstörung der Logik der Prophetie, das Instrument dieser Zerstörung war die Historisierung der Schrift, die implizite Leugnung der Offenbarung.
Das Geld begründet die Unendlichkeit des Triebs, den Wurm, der nicht sterben kann.
Golgatha hat den Exodus zugespitzt auf die Beziehung von Tod und Auferstehung.
Der Schlüssel zum Verständnis des Christentums liegt in den Häresien: Man wird zu dem, was man verurteilt. Der Akt der Verurteilung trifft nicht nur das Objekt der Verurteilung, er liefert zugleich das Alibi, selber dem Objekt sich angleichen zu müssen.
Sich von der Terrorisierung durch eine Logik, die dazu führt, daß es bis heute die Opfer waren, die die Zeche haben zahlen müssen, nicht überwältigen lassen!
(Was hat die Zeche <Entgelt> mit der Zeche <Bergwerk> und dem Zecher zu tun?)
Die Vögel des Himmels: Sind Vögel (vom Adler über die Raub- und Singvögel bis zum Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt) Geldtiere?
Der kantische Hinweis, daß das Geld die Vorstellung erweckt, was man damit alles machen könne, gilt eigentlich nur für das Geld der Andern (vgl. hierzu die Reaktion des Judas Ischarioth auf die „Verschwendung“ bei der Salbung Jesu durch die „große Sünderin“).
Wie sind die betriebswirtschaftliche, die nationaökonomische und die private Erfahrung des Geldes auf einander bezogen?
Die Verwaltung ist die institutionelle Umkehrung des Satzes „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu“. Die im Kontext des gegenwärtigen Sozialabbaus in Bewegung gesetzten Phantasien („Mißbrauch der Sozialhilfe“) werden von dieser Umkehrung organisiert und geleitet.
Laufen nicht die Versuche, sich die Befreiung unterm Bilde des Exodus vorzustellen, auf eine Verharmlosung hinaus? Was heute Befreiung heißen darf, dürfte eher der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft gleichen als der aus dem ägyptischen Sklavenhaus. Das Bild des Exodus überläßt die Verantwortung den Opfern (die „selber schuld“ sind).
Das Gebot der Feindesliebe votiert für den Namen und destruiert den Begriff. Es gibt keinen Begriff ohne das Moment der Feindschaft in ihm (der Feindschaft gegen das Objekt und gegen sich selbst). Der Begriff zerbricht sich den Kopf des Andern.
Triebleben des Begriffs: Gotteserkenntnis setzt die Entpsychologisierung des Begriffs der Verdrängung voraus, daß man im Begriff der Verdrängung das logische, begriffskonstituierende Element begreift. So steckt in Adornos Begriff der autoritären Persönlichkeit weniger ein psychologisches als vielmehr ein herrschaftslogisches Konzept.
Der Schlüssel zur Logik der Verdrängung liegt im Problem der Orthogonalität (die Orthodoxie ist das theologische Korrelat der Orthogonalität). Die Orthogonalität ist das Instrument der Veranderung (der logische Kern des Urteils und der Ontologie). Die Orthogonalität begründet die Logik der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Logik der subjektiven Form der inneren Anschauung, die Vorstellung des Zeitkontinuums. (Die Verräumlichung der Zeit, ihre Vergegenständlichung, die das Zeitliche zu dem, was es nicht ist, zum Gegenstand der Anschauung macht, ist der logische Kern des „Seitenblicks“, der in der kopernikanischen Wende universal geworden ist.)
Beschreibt der Traum des Pharao (von den sieben Kühen und Ähren, die eigentlich sieben Jahre sind) nicht den Ursprungspunkt des „Seitenblicks“, der Verräumlichung der Zeit, und benennt der Traum des Nebukadnezar das Moment der Verdrängung in diesem Seitenblick?
Merkwürdig, daß Joseph nach den Träumen Pharaos nur Vorräte von Getreide anlegt, das Fleisch (die „Kühe“) nicht mit einbezieht, während der Traum des Nebukadnezar auf Tiere sich bezieht. Die Erinnerung an die Kühe erscheint erst wieder in der Erinnerung der Israeliten an die „Fleischtöpfe Ägyptens“. Gibt es eine logische Beziehung der biblischen Tieropfer hierzu? Hatten die Ägypter überhaupt Viehbestände (und richtete sich der Widerstand der Ägypter nur gegen die Kleinviehherden der Israeliten)? Die fünfte und die sechste Plage (die Pest und die Beulen aus dem Staub) richteten sich gegen das Vieh (die Beulen auch gegen die Zauberer), in die Tötung aller Erstgeburt in Ägypten war auch das Vieh mit einbezogen.
Wie hängen der Begriff des Fleischs und das Opfer mit einander zusammen: ist Fleisch der Leib für andere (und zwar im Kontext der Sexualität wie in dem des Verzehrs)? Gehört nicht zum Begriff des Fleischs die Doppelbedeutung des „Gerichts“ (mit den logischen Konnotationen des Urteils und der Verurteilung, der Konstituierung des Objekts)? Gibt es eine logische Begründung für den Zusammenhang des Fleischessens mit der Ausbildung hierarchischer Strukturen und dem Ursprung der Herrschaftslogik (mit den „Wegen des Irrtums“)?
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10.4.1997
Die Auseinandersetzungen um die Errichtung einer theologischen Fakultät in der Stiftungs-Universität Frankfurt in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts werfen ein Licht auf den Zusammmenhang des Selbstverständnisses der universitären Theologie mit dem Nationalismus. Die Frage ist offen, wie weit z.B. Hermann Cohen und Franz Rosenzweig den logischen Prämissen dieses Selbstverständnisses verhaftet waren. Andreas Pangritz scheint die Reflexionen Benjamins, Horkheimers und Adornos u.a. deshalb nur bekenntnislogisch (als bloße Gesinnung) begreifen zu können, weil er die innere (ins Zentrum der Theologie hineinreichende) logische Brisanz dieser Geschichte nicht sieht.
Die „Gesinnung“ ist ein Teil des nationalistischen (und des bekenntnislogischen) Syndroms. Die Gesinnung bedient sich der Urteilsmagie: Sie ersetzt moralisches Handeln durch die Verurteilung des Bösen, durch „Distanzierung“ (durch Ausgrenzung, durch Distanz zum Objekt). Symbol der Gesinnung ist der „verdorrte Feigenbaum“.
Das „Kleiner- und Unsichtbarwerden der Theologie“ (und darin das Problem der Gesinnung) hängt mit der Katastrophe des Nationalismus zusammen.
Zur Geschichte der Privatisierung, die seit je (seit der „Erfindung“ der Barbaren) mit dem „Globalisierungsprozeß“ zusammenhängt, mit der Innenwirkung der der Außenmächte, gehören die Privatarmeen des Faschismus und die „Endlösung der Judenfrage“, der barocke Pomp (der Absolutismus und die katholische Gegenreformation, der Ursprung der Oper).
Verletzung des Bilderverbots: Der Staat, dem im Subjekt die Ausbildung der subjektiven Formen der Anschauung (das „da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“) entspricht, ist das Prisma, das den Namen in Begriff und Vorstellung aufgespalten hat. Dem Staat entspricht in der Natur der Himmel.
Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war ein Kampf gegen die religiösen Reflexionsformen des Staates und gegen die Instrumentalisierung der Religion, ihre Subsumtion unters Herrendenken. Hierauf bezieht sich das prophetische Symbol des Kelchs (bis hin zur Beantwortung der Frage der Zebedäussöhne und bis zu Getsemane).
Die Resignation, die in der Antwort an die Zebedäussöhne: „ihr werdet ihn trinken“, anklingt, weist schon vor auf das „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“.
Was hat das Rauchen mit dem Räucheropfer und den Gebeten der Heiligen zu tun?
Professionalität setzt die Anerkennung der Welt und die staatliche Lizenz voraus (der Professionelle ist nicht „selbsternannt“).
Das Eingedenken ist das Sich-selbst-im-Andern-Wiedererkennen: der fruchtbringende Boden der Barmherzigkeit.
Die Kollektivscham ist eine unverschämte Scham, sie bringt den Feigenbaum dazu, Blätter hervorzutreiben, aber sie verhindert die Frucht.
Zu Stammheim ist es nicht notwendig, Partei zu ergreifen, an eine der beiden Versionen zu „glauben“. Notwendig ist allein, beide Versionen reflexionsfähig zu halten. Als Adorno schrieb, daß die Welt immer mehr der Paranoia sich angleicht, die sie gleichwohl falsch abbildet, hat er diese Reflexionsfähigkeit gemeint. Ist Stammheim nicht ein letzter Abkömmling des Marx’schen „Klassenkampfs“? Die Kraft der Reflexion sprengt die verdinglichende Gewalt des Glaubens, sie löst den Bann der Erbaulichkeit (oder: Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht).
An einer Stelle nennt Pangritz den ersten Kafka-Essay Benjamins (mit Hilfe einer nicht unproblematischen Verwendung eines Benjamin-Satzes) „unausgegoren“ (S. 149). Gehört diese Metapher nicht zur gleichen Sphäre, zu der auch der ägyptische Mundschenk gehört?
Erinnert das „Christum treiben“ Luthers nicht an den Hund, der die Herde treibt?
Wer lernt, im Gesicht des Andern zu lesen (jemandem „einen Wunsch von den Augen ablesen“), mag erfahren, was mit dem Angesicht Gottes gemeint ist. Gibt es nicht heute Berufe (insbesondere in Verwaltung, Justiz, Polizei), zu deren Eingangsvoraussetzungen die Verhärtung dagegen gehört? Wo jeder Fall ein Präzedenzfall ist, gibt es kein Gesicht. Wer in dem, den er vor sich hat, alle andern sieht, sieht den Einen nicht mehr. Rosenzweigs Kritik des Alls bezieht sich auf diese logische Konstellation. Das Gesicht ist kein Objekt des Wissens. Die wissenbegründende Orthogonalität (die in die Theologie mit dem Begriff der Orthodoxie eingedrungen ist) macht aus dem Angesicht und dem Namen das Objekt und den Begriff, sie verwechselt das Wahre mit dem Richtigen und begründet eine Ordnung des Lebens, in der alle nur noch ihre Pflicht tun, aber keiner mehr weiß, was er tut. Die Unterscheidung der Wahrheit vom Richtigen gründet in der Unterscheidung des Im Angesicht vom Hinter dem Rücken, der Barmherzigkeit vom Gericht.
Die Apokalypse ist das kostbare Instrument des aufgedeckten Angesichts.
Auch wenn man das Bestehende nicht ändern kann, muß man es nicht auch zusätzlich noch rechtfertigen.
Natürlich steckt in der Reflexion ein auf Realisierung drängendes Moment, aber ich kann die Reflexion nicht davon abhängig machen, ob die Realisierung hier und jetzt möglich oder auch nur denkbar ist.
Haben nicht alle Initiationsriten etwas mit der Bindungskraft der Komplizenschaft zu tun? Steckt nicht in allen gemeinschafts- und staatsbildenden Kräften der Religionen, auch des Christentums, etwas davon?
Steckt in der Beziehung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zum Relativitätsprinzip nicht der verborgene Name des Himmels, die Beziehung von Feuer und Wasser?
Bezogen auf 1948 ist 1997 ein Jobeljahr.
Der Begriff der Natur im Subjekt wird verständlich nur, wenn man darin das Zitat aus der Kritik der Urteilskraft mit hört, die diesen Begriff auf die Sphäre der ästhetischen Produktion (der Hervorbringung des Genies) bezieht. Dieser Naturbegriff ist in sich selber historisch-gesellschaftlich vermittelt, er ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte, er bezeichnet den Objektbereich von Herrschaft, der in die Geschichte der Herrschaft verflochten ist, mit ihr sich ändert. Erst im Bann des Weltbegriffs wird die Natur zu etwas Festem, Unveränderlichen. Die Sonne Homers scheint auch uns, aber wir leben nicht in der gleichen Natur.
Ist nicht die Vermutung begründbar, daß die naturwissenschaftliche Medizin heute in eine Krise gerät, die auf die innere Logik der Herrschaftsgeschichte zurückweist und u.a. auch an der RAF sich ablesen läßt, eine Krise, die mit der Konstellation von Objektverlust, Autismus und Geiselnahme sich bezeichnen läßt? Der Autismus wäre z.B. an der „Gen-Forschung“, in der – in der Konsequenz rassistischer Konstruktionen der „Erbforschung“ – die Forschung beginnt, ihre Objekte selber zu produzieren und die Kranken, die, was mit ihnen passiert, nicht mehr zu durchschauen vermögen, unterm Vorwand medizinisch notwendiger Maßnahmen, zur Experimentalmasse tendentiell paranoider Forschungen macht. In wie hohem Grade das auch ökonomisch determiniert ist, mag man an der Tendenz der Apparatemedizin erkennen, die die Nutzung der Geräte nicht mehr an den diagnostischen Erfordernissen der Krankheit, sondern an der Begründbarkeit im Rahmen der kassenärztlichen Abrechnungsmöglichkeiten, der Gebührenordnung, orientiert. Zu untersuchen wäre, in welchem Maße das, was heute „Gesundheitsreform“ heißt, durch Zwänge dieser Entwicklung determiniert ist.
Die Konstellation von Autismus und Geiselnahme gründet in der Logik der fortschreitender Instrumentalisierung, einer Logik, in der Mittel und Zwecke ununterscheidbar sich vermischen und nicht mehr „objektiv“ sich trennen lassen.
Ist nicht die Geschichte vom Traum des Nebukadnezar ein Schlüssel zu diesem Vorgang, der nicht auf die genannten Bereiche sich beschränkt, sondern die gegenwärtige Phase der Herrschaftsgeschichte insgesamt charakterisiert (und ist nicht die RAF ein Indikator der Nachkriegs-Herrschaftsgeschichte, des gegenwärtigen Stands der Geschichte der Naturbeherrschung, auch der Nachkriegsgeschichte der Beziehung der Naturwissenschaften zum Staat, die nur sich begreifen läßt, wenn man die darin sich reproduzierende Geschichte des Faschismus erkennt)?
Modell der Konstellation von Autismus und Geiselhaft ist die Beziehung des Staats zur Wirtschaft, die ökonomische Konstruktion des Lebens in einer Welt, in der nicht mehr nur die Produktions-Einrichtungen, sondern zugleich auch die sie regelnden staatlichen Institutionen ihre Autonomie endgültig eingebüßt haben und zu einem Anhängsel der davon unabhängigen Kapital-Gesetze und -Bewegungen geworden sind.
Ontologischer Trieb: Heute ertragen es die Menschen nicht mehr, daß andere Menschen – Menschen außerhalb des Definitionsbereichs, dem sie sich selber zurechnen: der Familie, der Nation, dem Geschlecht, dem Stand, dem Beruf, der Religion – sich herausnehmen, auch Menschen zu sein. Sie sollen bleiben, was sie sind: Ausländer, Arbeiter, Frauen, Geschäftsführer, Väter, Verkäufer, Juden, Beamte.
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9.4.1997
Heute wird auch die Philosophie zum Markenartikel: Es gibt weder die Kritische Theorie noch die Theologie.
Adornos Programm der „vollständigen Säkularisierung aller theologischen Gehalte“ ist zweideutig: Die christliche Theologie, die orthodoxe dogmatische Theologie, ist bereits – als Theologie hinter dem Rücken Gottes (als „Rede von Gott“) – das Produkt ihrer vollständigen Säkularisierung, während Adornos Konzept auf das genaue Gegenteil: auf das Ende der verdinglichten Theologie und die Realisierung der Theologie als eine Gestalt eingreifender Erkenntnis abzielte, auf eine Theologie im Angesicht Gottes.
Die Orthodoxie ist der Inbegriff der 99 Gerechten, die Geschichte der Häresien der des einen Sünders und seiner Wege des Irrtums. Über die Bekehrung dieses einen Sünders herrscht mehr Freude im Himmel als über die 99 Gerechten.
Die Kritik der Metaphysik, wenn sie nicht im Mythos enden soll, ist nur möglich durch Kritik der Ontologie, an deren Stelle die Ethik zu treten hätte, im Kontext einer Theologie, die den Satz zur Richtschnur der Erkenntnis macht, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen. Dem entspricht der Benjamin’sche Begriff der Lehre.
In dem die Geschichte der Dogmenbildung begleitenden Prozeß der Auseinandersetzung des Christentums mit den Häresien ist dieser Imperativ externalisiert, zum Instrument der Verurteilung und zum logischen Kern eines Schuldverschubsystems gemacht worden, mit den bekannten fürchterlichen Folgen fürs Christentum.
Modell war die Internalisierung des Mythos, des Schicksalsbegriffs, in der Ursprungsgeschichte der Philosophie (des Begriffs). Anhand der Ursprungsgeschichte der Philosophie wäre der Zusammenhang des Ursprungs des Schuldverschubsystems mit der Konstituierung der Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt zu demonstrieren.
Der Begriff der Größe hängt mit dem des Erhabenen zusammen. Deshalb ist bei Kant der Sternenhimmel über mir ebenso „erhaben“ wie das moralische Gesetz in mir. Das Erhabene ist das über alles, was der Fall ist, Erhabene, das über die Welt Erhabene. Aus der gleichen Logik stammt das historische Attribut der Größe, das den historischen Prozeß der Konstituierung der Welt (von Alexander bis zum preußischen Friedrich) begleitet.
Der Begriff des Erhabenen erinnert ans Erhobene und ans Haben.
Ist das Erhabene der selber nicht säkularisationsfähige Grund des Säkularisationsprozesses, ein Moment der inneren Logik des Eigentums?
Wird die „irre Fahrt zu den Sternen“ heute nicht im Ernst zum Menetekel?
Der biblische Fluch ist ein Instrument der Verurteilung, der Inbegriff seiner Logik (der biblische Reflex des Schicksals). Hat er nicht in der Tat etwas mit der Idee des Himmels zu tun?
Wie hängt der zweite Schöpfungstag mit Lev 26 und Dt 28 zusammen?
Das Problem der Theologie heute ist von dem der Apologie irgend einer der kirchlichen Denominationen streng zu trennen. Eine andere Frage ist, ob, was heute noch Theologie heißen darf, überhaupt an einer der akademischen Einrichtungen, seien sie kirchlich oder seien sie staatlich, noch seinen Ort finden kann. Theologie heute wäre
– prophetische, und d.h. sowohl staats- als auch kirchenkritische Theologie,
– messianische, auf Realisierung, Erfüllung zielende Theologie und
– parakletische Theologie, das Organ des verteidigenden, das Gericht überwindenden, ihm enthobenen Denkens, das Organ des aufrechten Gangs.
Das Buch der Richter ist ein prophetisches Buch, und als solches hat Lillian Klein es erstmals wieder begriffen (über der Prophetie steht der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen).
Zur Begründung des Kausalitätsprinzips: Die gemeinsame Logik der modernen Naturwissenschaft und des Kapitalismus ist die Logik der „List der Vernunft“, sie ist im genauesten Sinne hinterhältig (sie konstituiert sich hinter dem Rücken der Dinge). Der Listige spannt den Andern, ohne daß er es merkt, für seine Zwecke ein. Das biblische Symbol des Subjekts dieser Vernunft ist die Schlange, ihr grammatisches, sprachlogisches Korrelat das Neutrum.
Wie hängt die List mit dem Unschuldssyndrom und dem Schuldverschubsystem zusammen?
Die Fähigkeit zur Schuldreflexion entgründet den Universalismus, destruiert das Überzeitliche und bindet die Erkenntnis an die Aktualität, an ihren Zeitkern. Das Unum ist nicht die Grundlage, sondern – in dem Gebot der Einigung des Gottesnamens – das Ziel.
Was geschieht, wenn der westliche Antizionismus und die antiislamischen Tendenzen sich vereinigen?
Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet: Der „Hinterkopf“, die Fähigkeit, mit offenen Fragen zu leben und das Urteil zurückzustellen, ist das Organ der Gottesfurcht.
Zu einer Theorie des Feuers: Sind die Objekte der Mikrophysik gemeinsame Abkömmlinge des „Wärmestoffs“ und des „Äthers“?
Die Bundesanwaltschaft: das suizidale Experiment der gnadenlosen Anklage.
Die kleine Veränderung, die der Messias an der Welt vornehmen wird, ist die Selbstreflexion des Hinter dem Rücken und die Selbstbegründung des Angesichts. Das wäre die endgültige Umkehr und die Befreiung von den sieben unreinen Geistern. Diesen Vorgang beschreibt die Apokalypse.
Die Siebenzahl bezeichnet keine Fülle, sondern die Gesamtheit der Wege des Irrtums.
Teufel und arme Seele: Wer den Begriff der Schöpfung auf die Welt bezieht, hält die Frage offen, ob die Menschen zur Welt oder auf die Seite des Schöpfers gehört. Das ist der Preis für die Vorstellung der Einheit der Welt.
Der Historismus ergreift die Partei des Todes.
Reflektierende Urteile – und die sind das Element, in dem die Theologie sich bewegt – sind nicht konstitutive, sondern regulative Urteile.
Wäre es nicht notwendig, nachträglich noch einmal die Diskussion zwischen Benjamin und Horkheimer über die Vergangenheit des Vergangenen aufzunehmen? – Vgl. hierzu Horkheimers Frage, ob auf dem riesigen Leichenberg, auf dem wir stehen, die Idee einer richtigen Gesellschaft überhaupt noch sich denken läßt.
Hat der Satz, daß Auschwitz uns umso näher zu rücken scheint, je weiter wir uns historisch von ihm entfernen, nicht etwas mit dem Satz Karl Thiemes, daß Hitler nicht der Antichrist, sondern nur die Generalprobe war, zu tun?
Der letzte Satz des Jakobusbriefs ist das christliche Äquivalent zu Jer 3134. Zwischen beiden Worten liegt der Ursprung des Weltbergriffs.
Die kopernikanische Wende hat die Differenz zwischen Himmel und Erde zwar nicht aufgehoben, aber so verwirrt, daß davon auch die Theologie nicht unberührt geblieben ist. Als die Erde unter die Planeten, und damit an den Himmel, versetzt wurde, ist auch der Himmel und mit ihm die Theologie endgültig entgegenständlicht worden. Seitdem sind wir selbst zum Gegenstand der Theologie, ist das zentrale Thema der Theologie, die Beziehung von Gericht und Barmherzigkeit, zu einem inneren Problem der Erkenntnis geworden.
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26.3.1997
Ist das Ende des Sündenfalls ein Echo des Anfangs der Schöpfung? Beziehen sich der Acker, der Dornen und Disteln trägt, der Staub, aus dem Adam geworden ist und zu dem er wieder werden wird, und die Wehen der Geburt auf das Tohuwabohu, die Finsternis über dem Abgrund und den über den Wassern brütenden Geistes?
Hängt die Scham mit der Grenze der Individualität, mit der inneren Beziehung von Individuum und Gattung zusammen, mit der Beziehung von Objekt und Begriff? Ist der Boden, in dem der Sich Schämende versinken möchte, die Allgemeinheit des Begriffs, ist die Kollektivscham die Wurzel des Nationalismus?
Hiermit hängt es zusammen, daß die schlimmsten Gemeinheiten die sind, die man selbst nicht mehr wahrnimmt.
Sich den Kopf anderer Leute zerbrechen: Heißt das nicht, den andern die Erfahrung verbieten?
Ist nicht der Antikommunismus immer noch ein Alibi für den Antisemitismus, verschärft seit dem Zusammenbruch des Ostblocks? Nur ist das keine Rechtfertigung des real existierenden Sozialismus.
Strukturwandel der Öffentlichkeit: Die Doppelbödigkeit der faschistischen Öffentlichkeit, das Zusammenwirken des öffentlichen Gerüchts (in dem Wahrheit und Paranoia untrennbar sich mischten) mit seinem macht- und terrorgestützten Dementi (die offizielle Leugnung der Wahrheit, das Verbot, über das offenkundige Grauen zu reden), war ein Produkt des politisch instrumentalisierten double bind. Liegt nicht der eigentliche Strukturwandel der Öffentlichkeit in dem perfektionierten Gebrauch dieses Instruments, insbesondere in den Fortschritten seiner rechtlichen Absicherungen (der gesamte Apparat der Geheimhaltung, des Staats- und Verfassungsschutzes)? Auf das, was die beiden Öffentlichkeitsebenen trennt, verweist der Begriff der Kollektivscham, die Grundlage des neuen Nationalismus, der tiefer gründet, als in einer bloßen Gesinnung: nämlich im logischen Kern der politischen Ökonomie.
Was die Nazis Volksgemeinschaft nannten, heißt heute Standort Deutschland. Damit hängt es zusammen, wenn heute alle sich die Köpfe aller anderen zerbrechen (wenn die Religion unwiderruflich zur Religion für andere geworden ist, deren blasphemische Struktur den Nachkriegs-Atheismus fundiert). Entsetzliche Mischung von Empfindlichkeit und Unsensibilität im Bann der Abwehrmechanismen und Rechtfertigungszwänge. Vgl. hierzu (vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Vergesellschaftung) die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos.
Haben Kreuz und Kelch etwas mit der Beziehung der Orthogonalität zur Form der äußeren Anschauung zu tun (gehört das Kreuz zur babylonisch-römischen Tradition)?
Zum Ursprung des Begriffs des Wissens (zu seinen logischen Konstituentien) gehört der Name der Barbaren. Gibt es dazu ein Äquivalent im Sanskrit, in der indischen Urgeschichte (vgl. hierzu die logische Stellung Indiens im Stern der Erlösung)? Oder dringt der Feindbegriff erst in der griechischen Vollendung der mythischen Logik (mit der Schicksalsidee, die dem Ursprung der Philosophie vorausgeht) in den Begriff des Wissens ein? Sind die chinesische und die indische Welt getrennte Formen der Wendung des Feindlichen nach innen und außen?
Der Kapitalismus hat die teleologische Logik der Selbsterhaltung durch Instrumentalisierung in eine Kausallogik transformiert. -
18.3.1997
Das Modell der Beziehung von Gattung und Exemplar ist das der Beziehung von Geld und Ware.
Ist es nicht eigentlich konsequent, wenn erst nach der Sintflut der „Bogen in den Wolken“ erscheint, wenn erst, nachdem der Begriff die Welt überflutet hat, der Begriff der Farbe in den Wolken sichtbar wird?
Das Horn ist das Symbol einer Gewalt, die aus der Bedrängnis erwächst.
Der Atheismus heute leugnet den Imperativ, das Gebot.
Das, was Ferdinand Ebner den Traum nannte, die Logik der Ich-Einsamkeit, ist der Traum des Nebukadnezar. Diesen Traum, den der, der ihn träumt, zwangsläufig vergißt, rekonstruiert und deutet Daniel.
Die Schlange oder das Neutrum ist ein Instrument zur Vermeidung der Gottesfurcht.
Ismaeliten waren es (Midianiter), die Joseph nach Ägypten verbrachten, wo er als Sklave verkauft wurde. Midianiter waren es, die Moses, als er aus Ägypten floh, aufnahmen (die Frau des Moses war eine Tochter des Midianiter-Fürsten, der Moses aufgenommen hatte).
Den Namen geändert haben Abram/Abraham und Sarai/Sara, Jakob/Israel. Danach erst wieder Simon/Petrus und Saulus/Paulus?
Trägt von den Aposteln nur Johannes, der „Lieblingsjünger“ (und Nathanael, „ein wahrer Israelit“) einen theophoren Namen?
Wer klare Fronten haben will, will wissen, wofür und wogegen einer ist. Will nicht die „Aufklärung“ klare Fronten, wie die subjektiven Formen der Anschauung sie dann schaffen (Aufklärung ist auch Verbrechens- oder Feindaufklärung)? Aber: Die Sonne bescheint Gerechte und Ungerechte; die Sonne Homers bescheint auch uns; und: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
Die Bekenntnislogik usurpiert die Definitionsmacht über die Unterscheidung von Licht und Finsternis. Wer diese Deifinitionsmacht verliert, fürchtet, in die Finsternis zurückzusinken.
Heute will niemand mehr ein Gerechter sein, aber alle wollen unschuldig sein, an der Unschuld der Kollektive, die sie durch die Bekenntnislogik zu gewinnen glauben, teilhaben. Darin gründet die logische Attraktionskraft der Nationen, der Kirchen, der Parteien.
Welche Rolle spielen in der Logik der RAF-Unterstützer die Geschichte der RAF und die Gefangenen? Ist es nicht die Sprengkraft dieser Logik, die heute so drastisch sich manifestiert?
Die RAF fällt, gemessen an den Feuerbach-Thesen Marx‘, unter die Philosophien, die die Welt nur verschieden interpretieren. Zur Änderung der Welt reichen die bloße Absicht und der bloße Wille nicht aus. Es hilft nicht, der anderen Interpretation nur eine dezisionistische Praxis anzuhängen.
Schrumpft das Handeln der RAF nicht auf Reflexe des Verfolgungsdrucks zusammen? Und wie schützt sie sich vor der Gefahr, diesen Verfolgungsdruck zu verinnerlichen und zu reproduzieren?
Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Das Herz der Menschen, ist das nicht die Barmherzigkeit? Und wartet Gott nicht darauf, daß er endlich in den Herzen der Menschen sich selbst erkennt? Bezieht sich nicht das Wort vom Binden und Lösen und das von dem einen Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel herrschen wird als über 99 Gerechte, auf diesen Sachverhalt?
Zentral ist nicht die Frage Luthers: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, sondern die Frage Gottes: Wann werden die Menschen barmherzig, wann wird das steinerne Herz der Welt in ein fleischernes Herz verwandelt.
Der Kapitalismus, die Naturwissenschaften und die Bekenntnislogik sind Instrumente der Versteinerung des Herzens.
„Und er ging hinaus und weinte bitterlich“: Dieses Weinen löst die Wut. Ist das das Lösen?
Das vor der Schlange erstarrende Kaninchen erstarrt aufgrund seiner fehlenden Reflexionsfähigkeit. – Jonas war nicht „im Angesicht“, sondern im Bauch des großen Fisches.
Die Bekenntnislogik gründet in der Unfähigkeit zur Selbstreflexion der Beweislogik.
Der Dezisionismus ist falsch; aber gibt es zu ihm eine Alternative? Das gleiche gilt für die nachkopernikanische Naturerkenntnis. -
6.1.1997
Haben die Duftmarken, die Hunde an ihre Wege setzen, etwas mit symbolischen Eigentumsansprüchen zu tun, und ist dann nicht das Sein eine solche Duftmarke? Fällt der Ursprung des Hilfsverbs Sein nicht in der Ursprungsgeschichte des Staates: der gesellschaftlichen Organisation des Privateigentums? Der Allgemeinheitskern des individuellen Eigentums (des „Seins“) ist der Staat (bezeichnet der Staat in der Gesellschaft von Privateigentümern nicht die gleiche logische Stelle und Funktion wie das Planetensystem in der Natur?). Sind nicht Wasser und Feuer Symbole der inneren Beziehung von Allgemeinem und Einzelnen? Ist nicht Hegels Logik die Entfaltung dieser Beziehung von Allgemeinem und Einzelnem, und ist die Hegelsche Indifferenz die von Wasser und Feuer, und seine Idee des Absoluten der Versuch, das Feuer zu bannen?
Der Objektbegriff ist die Selbstverurteilung der Dinge in einer gnadenlosen Welt. Im Namen des Dings steckt immer noch die objektive Erinnerung an das Thing, die germanische Gerichtsstätte.
Die kopernikanische Wende war die Wende zur Selbstverurteilung der Dinge; sie ist eins mit der Logik, die im Ursprung des Kapitalismus gesellschaftlich sich entfaltet. Die kopernikanische Wende hat der kapitalistischen Organisation der Ökonomie den Weg freigeschaufelt.
Gehört nicht der staatsanwaltschaftliche Begriff des „Selbstbezichtigungsschreibens“ zur Logik der Selbstverurteilung?
Weltgericht: Die Welt ist das richtende Subjekt der Selbstverurteilung der Dinge. Und die Selbstverurteilung der Dinge ist zugleich der Grund des Weltbegriffs.
Ob Barmherzigkeit heute, im Zeichen der universalen Verdinglichung (und ihrer eigenen Instrumentalisierung), ihre Adressaten noch erreicht, ob die Forderung der Barmherzigkeit noch erfüllbar ist, ist nicht mehr im voraus zu garantieren, sicher ist nur noch, was der Unbarmherzige sich selbst antut.
Die „Erkenntnis des Guten und Bösen“ begründet den Schuldzusammenhang, in dem sie sich selbst konstituiert.
Die absolute Verurteilung, auch die des Faschismus, verlegt der Selbstreflexion den Weg. Oder auch: Das Gericht verlegt der Barmherzigkeit den Weg. Aber eben deshalb bezeichnet die Barmherzigkeit den Weg, der aus dem Bann des Gerichts herausführt.
Isolationsfolter: Wer (wie das Berliner Prozeßbüro im Nachwort zum Hogefeld-Buch, S. 183) aus der Ohnmachtserfahrung ein Ohnmachtsgefühl macht, bestreitet den Anspruch auf Objektivität, den der Erfahrungsbegriff erhebt, macht daraus ein subjektives Gefühl, das dann nur noch verdrängt werden kann, während die Erfahrung zu reflektieren wäre (ähnlich wie Angst, Schuld und Schrecken gehört auch die Ohnmacht zu den Begriffen, denen in der naturwissenschaftlichen Welt nichts mehr entspricht, die zu Gefühlen subjektiviert geworden sind, nicht mehr reflexionsfähig sind und eigentlich nur noch pathologische Züge tragen).
Ein Satz, den ich nicht verstehe: „Wer Die Avantgarde kritisiert, ist counter.“ (S. 182) Begründet wird er mit dem Hinweis auf den „Einsatz“, den die Avantgarde einbringt: das eigene Leben, das Risiko lebenslanger Haft. Hier werden – in der opfertheologischen Tradition, die zur Geschichte des Christentums als Staatsreligion gehört, die dann zur Legitimation auf die Märtyrer sich berief, eine Tradition, die in Auschwitz und den „Heldenfriedhöfen“ der Weltkriege endete – die Ziele durch die Mittel legitimiert. Aber Ziele werden nicht dadurch, daß die einen ihr Leben für sie einsetzen, während andere geopfert werden, sakrosankt, auch diese Ziele müssen reflektionsfähig bleiben, wenn sie nicht den Wiederholungszwängen verfallen sollen. Den Satz „Wir hoffen, daß mit einer Diskussion über die Geschichte der RAF auch die Gefangenen wieder in den Mittelpunkt rücken“ (S. 188) kann ich nur noch opfertheologisch zu verstehen, er ratifiziert das Ende der RAF. -
28.12.1996
„Die unterscheidungstheoretischen Überlegungen können kommunkationstheoretisch umgesetzt werden, wenn man sich fragt, wie die längst schon laufenden Bemühungen um eine die Produktorientierung ersetzende oder ergänzende stärkere Markt- und Kundenorientierung der Bankorganisation im Lichte des Problems der Unterscheidung riskanter Kommunikation zu bewerten sind.“ (Dirk Baecker, S. 155) Steckt nicht in diesem Satz das ganze Problem der Kommunikationstheorie und ihrer Fundierung in der gegenwärtigen Phase der Geschichte der politischen Ökonomie (der Ablösung der Geldbewegung von der „Produktorientierung“ des Kapitals)?
Die Wüste und das Meer sind Symbole der Mathematik (die symbolische Bedeutung der Zahl Vierzig hängt mit der Wüste zusammen, die der Zahl Siebzig mit der Völkerwelt, dem Meer).
Tragheit und Gravitation machen das Ungleichnamige gleichnamig.
Wer ist der „Fürst dieser Welt“ (Joh 1231, 1430, 1611)?
Die Theologie wird heute als Angriff erfahren und deshalb abgewehrt. Die herrschende Gestalt der Theologie heute ist selbst schon ein Produkt dieser Abwehr.
Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, ist dann nicht das Paradies das Realsymbol der Sprache, und die Vertreibung aus dem Paradies eine Vorstufe der Sprachverwirrung, des Turmbaus zu Babel? Was bedeuten dann die vier Arme des Stroms, der in Eden entspringt:
– Pison, welcher das Land Hawila umfließt, wo das Gold ist;
– Gihon, welcher das Land Kusch umfließt;
– Hiddekel <Tigris>, welcher östlich von Assur fließt;
– und der Euphrat?
Haben die „Stämme, Völker, Sprachen und Nationen“ etwas mit den vier Armen des Stromes aus dem Paradies zu tun (in der Apokalypse ist es der Euphrat, dessen Wasser den Königen vom Aufgang der Sonne den Weg versperren – 1612)?
Ich weiß nicht, ob das Rot, das ich sehe, dem Rot gleich ist, das ein anderer sieht. Aber ich weiß, daß ich mit den Andern eine gemeinsame Sprache spreche, in der wir beide verstehen, was wir meinen, wenn wir eine Farbe rot nennen.
Das Kriterium des Erwachsenseins ist die Fähigkeit zur materiellen Selbsterhaltung. Hierauf bezieht sich der Begriff der Existenz, dessen hilflose und verwirrte Reflexion Gegenstand der „Existenz-Philosophie“ einmal war. Grund der Hilflosigkeit war die double-bind-Konstellation, aus deren Bann die Existenz-Philosophie nie herausgetreten ist; sie war nur noch ein Indiz dafür, daß die double-bind-Konstellation zu einem Element der gesellschaftlichen Logik des Lebens geworden ist: Alle stehen unter der absoluten Forderung der Selbsterhaltung, zu der es keine Alternative mehr gibt (und die jede Regung der Barmherzigkeit ausschließt); zugleich erzeugt die ökonomische Logik dieser Gesellschaft objektive, durch Einzelne nicht mehr veränderbare Existenzbedingungen, die einen immer größeren Teil der Gesellschaft von den Möglichkeiten der Erfüllung dieser Forderung ausschließt. Nachdem dieser Ausschluß bisher auf Regionen draußen in der Welt, außerhalb der eigenen Grenzen, sich bezog, greift er jetzt erstmals auf das Generationenverhältnis über. Das Stichwort „Standort Deutschland“ ist eigentlich schon veraltet, seine Spitze richtet sich nicht mehr gegen die Konkurrenz draußen, sondern erstmals gegen die Bedrohung von innen: u.a. gegen die nachwachsende Generation. War die 68er Generation die erste, für die es aus diesem Konflikt keinen Ausweg mehr gab, und zugleich die letzte, die glaubte, ihn noch einmal zu ihrem Vorteil nutzen zu können? -
7.12.1996
Hat die Zahl 666 etwas mit den 99 Gerechten zu tun?
Barmherzigkeit und Erkenntnis:
– Die Frage, ob reflektierende Urteile nur regulative oder auch konstitutive Bedeutung haben, ist bei Kant vorentschieden durch die transzendentale Ästhetik, durch sein Konzept der „subjektiven Formen der Anschauung“. Kant zufolge haben konstitutive Bedeutung nur Urteile, die sich auf Erscheinungen in Raum und Zeit beziehen. Die Einsicht in die Subjektivität von Raum und Zeit eröffnet zwar den Spielraum für reflektierende Urteile, diese haben aber keine konstitutive Bedeutung für mögliche Gegenstände und ihre Erkenntnis.
– Konstitutive Bedeutung haben demnach nur synthetische Urteile apriori, hat nur das Kategoriengeflecht, das mit den subjektiven Formen der Anschauung eigentlich schon mitgesetzt ist.
– Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht: Das Gericht verwandelt alles, worüber es ergeht, in Natur (darin gründet die Beziehung des Rechts zum Mythos, auf die Walter Benjamin hingewiesen hat). Konstitutive Urteile, in deren Kontext der Naturbegriff sich bildet, sind richtende Urteile; Inbegriff dieser richtenden Gewalt sind die „subjektiven Formen der Anschauung“, ihr Repräsentant in den Dingen sind die Formen von Raum und Zeit als Formen der Selbstentfremdung der Dinge, als Grund ihres Seins-für-Andere (ihrer Instrumentalisierung); Natur ist der Inbegriff aller Objekte von richtenden Urteilen. Es gibt kein Inneres der Natur, der Naturbegriff selber schließt jedes „Sich-Hineinversetzen“ in die Objekte, auf die er sich bezieht, a limine aus. Die einzige Identifikation, die der Naturbegriff zuläßt, ist die Identifikation mit den Mächten der Naturbeherrschung: die Identifikation mit dem Begriff, der das Objekt außer sich (und unter sich) hat: die „Anpassung an die Welt“.
– Die Kraft der Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen und den Bann der Fremdheit zu sprengen, sprengt den Bann der subjektiven Formen der Anschauung und mit ihm den Bann, der auf der Natur liegt: Sie öffnet den Himmel und erneuert das Antlitz der Erde (sie begründet die „größere Freude“ über die Bekehrung des einen Sünders und rettet, indem sie den Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, die eigene Seele).
– Die erkennende Kraft der Barmherzigkeit bewährt sich an der Beziehung des Staates zur Astronomie (in der die Geschichte als Herrschaftsgeschichte und als Geschichte der Verstockung des Herzens erinnert wird).
– Ist die Zahl 666 der Knoten, der zu lösen wäre?
katakauchatei eleos kriseos (Jak 213) – Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht (so übersetzen die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und Karrer). katakauchaomai – rühme mich; tue groß, brüste mich.
Barmherzigkeit und Naturerkenntnis: Welche Folgen hat die Kritik des Naturbegriffs für die Naturerkenntnis selber?
Es gibt nicht nur ein Inertialsystem, sondern das Inertialsystem hat im Kontext der Mechanik (die dem frühbürgerlichen Handel und dem Handwerk korrespondiert) eine andere Bedeutung als im Kontext des Gravitationsgesetzes (das dem politischen Absolutismus entspricht), und beide sind unterschieden von der Gestalt des Sytems, das der Elektrodynamik und der Mikrophysik zugrunde liegt (dem Korrelat der globalen Durchsetzung der Marktgesetze und ihrer Vorstufe, des Imperialismus).
Ist die Orthogonalität das logische Symbol der Grenze (und ist deshalb die Gerade, die Verkörperung der Richtung, grenzenlos, unendlich)?
Tarschisch ist der Name eines Ortes am Ende der Welt. Salomo hat mit den Tarschischschiffen aus Tyrus aus Tarschisch das Gold für den Bau des Tempels holen lassen. Jona, der Ninive den Untergang künden soll, versucht, nach Tarschisch zu fliehen, woran ihn der Sturm hindert, mit den bekannten Folgen.
Wenn im Begriff der Ware im wörtlichen, außenpolitischen Sinne des Wortes die Beziehung auf eine Grenze, ein Stück Fremdheit und ein Moment des Barbarischen (das im Begriff der rohen Natur, aus der die Waren durch Bearbeitung gewonnen sind, nachklingt) enthalten ist, was bedeutet das für die Logik des Geldes, auf dessen Begriff der der Ware bezogen ist? Hängt es nicht hiermit zusammen, daß an den einzigen Stellen der Schrift, an denen es den Kauf von Grundstücken geht (um die Subsumtion des Bodens unters Tauschprinzip), es sich um Grundstückkäufe von Nicht-Israeliten, von Bewohnern Kanaans handelt (das Grab Saras und den Grund, auf dem dann der Tempel erbaut wurde).
Wie hängt der Tempel, die Geschichte des Tempels, mit der Ursprungsgeschichte des Geldes zusammen?
Die Logik des Geldes ist astrologisch: das Geld verweist auf die „Enden“ der sechs Richtungen des Raumes, die die Planeten verkörpern, konkret: die Sonne und der Mond (Gold- und Silberwährung), aber auch die anderen Planeten (Jupiter, Mars, Venus und Merkur, oder auch die vier apokalyptischen Reiter).
Ist es nicht merkwürdig, daß Kopernikus und Newton mit dem Münz- und Finanzwesen zu tun hatten? Haben nicht die kopernikanische Wende und das newtonsche System den Weg für die Entdeckung, Eroberung und Ausbeutung der außereuropäischen Welt und für den Kapitalismus in Europa freigemacht?
Hängen nicht Geld und Schwur mit einander zusammen, und beziehen sich nicht beide auf den Himmel?
Das Geld hängt mit dem Inertialsystem auf ähnliche Weise zusammen wie das Foto im Personalausweis mit dem Angesicht des Menschen: es ist eine Abbildung, die das Abgebildete unkenntlich macht.
Die endlichen Bilder des Unendlichen sind Bilder des Schreckens. Die Götterbilder versuchen diesen Schrecken zu bannen, indem sie ihn instrumentalisieren, als Schrecken für andere verwenden. Götzen sind Schreckverschubsysteme. Deshalb lehrt die Schrift die Gottesfurcht, erkennt sie in ihr den Anfang der Weisheit.
Gegen das Leichte: Vom Schweren hat die göttliche Herrlichkeit ihren Namen. Nur wenn ich die Last auf mich nehme, wird diese Herrlichkeit für mich erkennbar. Das Schuldverschubsystem ist das System der Verblendung.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Voraus geht der Cherub, der mit dem kreisenden Flammenschwert das Tor des Paradieses bewacht (und auf den Cheruben thront Gott).
Die Grundgeschichte der Aufklärung müßte sich an der Geschichte der Banken (deren Ursprung mit dem der Tempel zusammenfällt) demonstrieren lassen. Welchen Punkt in dieser Geschichte bezeichnet die Vertreibung der Geldwechsler und der Taubenhändler (so bei Matthäus und Markus, bei Lukas nur allgemein der „Verkäufer“, bei Johannes zusätzlich zur Vertreibung der Geldwechsler und Taubenhändler auch die der „Verkäufer von Ochsen und Schafen“)?
Zur Bedeutung der Zahl zehn: Aus welchem Grunde hatte das römische Jahr zehn Monate, und was bedeuten die Namen der Monate?
Der Weizen, der unter die Dornen fällt, ist das nicht das Wort, das unter die subjektiven Formen der Anschauung fällt? Hat nicht Heidegger die Sorge, in der Jesus die Dornen erkennt, unter die der Weizen fiel, zum Zentrum der Fundamentalontologie gemacht?
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist, ohne daß sie es weiß, eine Geldtheorie.
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