Kapitalismus

  • 18.5.1994

    Zu Jeremias: Die Herrschaft Babylons, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und der – hiernach endgültige – Verlust der politischen Autonomie Judas, war nicht nur „Anlaß“ (in einer sonst unveränderten Welt) für die Prophetie des Jeremias, sie hat vielmehr die Welt selbst verändert, und nur die prophetische Reaktion darauf hat dann die Prophetie, ihren Inhalt, verändert. Das Urteil der Geschichte, das Kohl ständig im Munde führt, ist ein Abkömmling der Hitlerschen Vorsehung. Im Paradies, im Garten der Tiere, war die Weltgrenze noch eine Grenze zwischen Tier und Pflanze; erst mit dem Sündenfall, nach der Vertreibung aus dem Paradies, ist sie zu einer Grenze zwischen den Gattungen geworden. Liegen darin nicht die Ursprungsbedingungen der Astrologie? Und ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs nicht das Symbol dieser Weltgrenze? Gehört nicht zur Geschichte mit dem roten und weißen Nilpferd (Ebach, Leviathan und Behemoth, S. 24) die Josefs-Geschichte: Josef, der ein Sohn Jakobs ist, aber nicht zu den zwölf Stämmen Israels gehört, ist der Erbauer des Sklavenhauses Ägypten (als Vollstrecker der „ursprünglichen Akkumulation“ des ägyptischen Staatskapitalismus), das allerdings als Sklavenhaus sich etabliert, nachdem Josef vergessen wurde. Diese Geschichte ist vorgezeichnet in der vom Mundschenk und vom Bäcker: Der Mundschenk (der den Wein ausschenkt, das Symbol des Gerichts) kehrt in Amt und Würde zurück, während der Bäcker (der das Brot, Symbol der Gnade, bereitet) hingerichtet wird (gibt es eine Beziehung diesr Geschichte zu der der beiden Schächer am Kreuz?). Ist nicht, was für Ägypten eine Chaosmacht ist, für Israel der Grund seiner Existenz? Das Tier aus dem Meer: Die Geschichte der Philosophie beginnt mit dem Satz: Alles ist Wasser; sie endet mit dem Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Enthält das nicht einen Hinweis auf das „Zeichen des Jona“ (auf die Geschichte mit dem „Walfisch“)? Ein ungeheuerlicher Hinweis: Die Deutschen haben den Namen der Heiden zu ihrem eigenen gemacht. Der Vorteil des Weltbegriffs ist die entlastende Distanz zur Welt: die eingebaute Exkulpationsautomatik. Der Weltbegriff schließt den der Gottesfurcht, den er durch die säkularisierte Herrenfurcht (durchs autoritäre Syndrom) ersetzt, aus.

  • 17.5.1994

    Die Logik der Scham, das Anderssein, der Weltbegriff und die Ausbildung und Entfaltung der Raumvorstellung (das Aufdecken der Blöße oder das Sklavenhaus Ägypten):
    – Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht; da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    – (Sintflut, Arche) Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und die Knechtschaft (gehört die Ham/Kanaan-Geschichte zur Vorgeschichte der Kafkaschen Erzählung „Das Urteil“?).
    – Erkenntnis der Nacktheit und Ursprung des Weltbegriffs: Scham als verinnerlichter Blick des Andern; in diesem Blick und als Inbegriff der Logik seiner Objektivation konstituiert sich der Weltbegriff.
    – Der Raum als die zwangshafte Rekonstruktion des verinnerlichten Blicks des Andern; die kopernikanische Wende, die Vernichtung des Angesichts Gottes durch den „unendlichen Raum“ (Abwehr, Verdrängung des Angeblicktwerdens), Grund der kantischen Erkenntniskritik.
    – „Kollektivscham“ als kollektive Isolationshaft, die Unfähigkeit zu trauern und die zweite Schuld; Kollektivscham und Xenophobie, Ausländerfeindschaft und neue Rechte. Der Begriff der Kollektivscham hat die Erinnerung mit der Welt versöhnt und somit zur Folgenlosigkeit verdammt (und dieses Land zum „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ gemacht).
    – Das Fernsehen (die institutionelle Aufspaltung des Sehens durch Trennung des Sehens und Gesehenwerdens) oder die Blinden und die Lahmen (2 Sam 56ff, Mt 115).
    – Die Logik der Scham und die Ausbildung und Entfaltung der Logik des Raumes.
    – Ist die am zweiten Tag geschaffene Feste, die die oberen von den unteren Wassern (die Prophetie von der Philosophie) trennt, das kosmische Realsymbol der Scham?
    – Scham und Verdinglichung, Ursprung der Exkulpationsmechanismen, Scham und Gewalt: Ist die Scham die Materie des Absoluten?
    – Die Philosophie ist mit der Verinnerlichung des Schicksals entstanden (Ursprung des Begriffs), die mathematische Naturwissenschaft mit der der Scham (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, der Raumvorstellung).
    – Scham und Schuldverschubsystem (Exkulpation durch Projektion: Prinzip der Anklage, Grund des Objektivationsprozesses), Ursprung des katholischen Mythos (der traditionellen Höllenlehre: stammt der Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel die Anschauung des Leidens der Verdammten dazugehört, den Nietzsche auf Thomas von Aquin zurückführt, nicht schon von Augustinus? Vgl. das Nietzsche-Zitat bei Jürgen Ebach: Apokalypse, in: Einwürfe 2, S. 45).
    – Die Scham als gemeinsamer Grund des Mythos und der Kunst (der Ästhetik). Konstruktion der Farben (die Sintflut und der Bogen am Himmel).
    – Sind die sekundären Sinnesqualitäten nicht stellvertretende Opfer für das eigentliche Opfer: die benennende Kraft der Sprache (der Logos), und liegt dem nicht die Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam (die säkularisierte Gestalt des Islam, mit der augustinischen „Wörtlichkeit“ als Vorstufe des Koran) zugrunde? – Wäre das Gehorsamsgebot nicht endlich beim richtigen Namen zu nennen: als Heiligung des Gottesnamens? Das Credo hat das Niederfahren Gottes beim Turmbau zu Babel zu einem Akt der Kirche gemacht: sie zieht ihn in ihre Verstrickungen (in die Verstrickungen der Bekenntnislogik, der Logik des Absoluten) mit herein. Ist nicht die Kirchengeschichte die endlose Ausdehnung der descensio ad inferos?
    – Scham, Sexualität und Urteil (Begriff der Erbsünde). Als Urteilslogik ist die transzendentale Logik eine Logik der Scham (und bedarf zu ihrer Begründung der transzendentalen Ästhetik: der Logik der Abstraktion vom Gesehenwerden).
    – Die Scham und die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (oder die Heiligung des Gottesnamens).
    – Scham hat einen Adressaten, Scham ist Scham vor einem anderen: Mit dem Weltbegriff ist dieser Andere verinnerlicht worden. Gibt es Stufen der Scham (Entschlüsselung der sieben unreinen Geister)? Die Geschichte der drei Leugnungen ist in die Geschichte der Scham verstrickt.
    – Die Kollektivscham und die Pforten der Hölle (oder Kollektivscham und Naturbegriff).
    – Die Grenze zwischen Natur- und Weltbegriff ist eine Schamgrenze, starr und gleichsam orthogonal verbunden mit dem Ursprung und der Geschichte der Sexualmoral.
    – Der Weltbegriff unterläuft die Herrschaftskritik und begründet die Sexualmoral durch Herstellung von Komplizenschaft (er unterwirft die Herrschaftskritik dem Schuldverschubsystem; die Theologie hat dieses Schuldverschubsystem im Dogma kanonisiert: mit der Opfertheologie und dem Konstrukt der „Entsühnung der Welt“, begründet in der falschen Übersetzung von Joh 129).
    – Durch die Einbeziehung der Übernahme der Sünde der Welt ins Nachfolgegebot wird das „wörtliche“ Verständnis ins prophetische Verständnis transformiert (Wahrheit der Lehre von der Transsubstantiation), gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück (apokalyptische Enthüllung).
    – Scham und Sprache: Sollte mit der Heiligung des Gottesnamens die Anonymität des Angeblicktwerdens aufgehoben (der Mensch in den Anblick Gottes gerückt) werden? Die Anonymität gründet in der Abstraktion der Form des Raumes (Zusammenhang mit der Geschichte der drei Leugnungen).
    – Steckt im kantischen Begriff des Erhabenen die Erinnerung an den leeren Weltenraum, und gründet darin die Assoziation des „moralischen Gesetzes in mir“ mit dem „gestirnten Himmel über mir“?
    – Die Scham, das Feigenblatt und der Rock aus Fellen.
    – Wie hängt die Logik der Scham mit der des Feuers zusammen (auch die Scham brennt wie Feuer)? Gründet das Feuer im Namen des Himmels (und im brennenden Dornbusch: in der brennenden Innenerfahrung der Profangeschichte) in dem, was die Scham objektiv bezeichnet?
    – Der brennende Dornbusch als brennende Innenerfahrung der Profangeschichte setzt die Gotteserkenntnis (die Selbstoffenbarung Gottes) in Beziehung zur Bewegung der Profangeschichte (vgl. Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragement: „Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reiches, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens“). Der brennende Dornbusch ist
    – „Absolutum est prius relativo secundum esse, et est posterius secundum dici“ (Thomas von Aquin, S.Th. I 2, q. 16.4 ad 2). Der newtonsche „absolute Raum“ hat seine Wurzeln in der Scholastik; er findet seine Vollendung in der Hegelschen Idee des Absoluten.
    – Die Verstrickung der Theologie in die Dialektik der Aufklärung ist symbolisiert in der Geschichte von den drei Leugnungen. Leugnet nicht die aus der Philosophie rezipierte Idee der Anschauung Gottes das Angesicht Gottes?
    – Die subjektiven Formen der Anschauung entspringen in der (praktischen) Abstraktion vom Gesehenwerden, sie sind ein Produkt der Schamverarbeitung. Mit dem Ursprung der Naturwissenschaften wurde der Blick des andern tabuisiert, verdrängt, gelöscht; als Produkt projektiver Schuldverschiebung erscheint er dann wieder in dem bösen Blick, der den Hexen nachgesagt wurde: So gehört die Geschichte der Hexenverfolgung zur Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften. Der wirkliche böse Blick aber ist der, den die Naturwissenschaften auf die Dinge werfen; dieser Blick hat eine eingebaute Exkulpationsautomatik: es ist der Blick des Herrn (des Absoluten).
    – Das „naturwissenschaftliche Weltbild“, die kopernikanische Wende als Katalysator des gesellschaftlichen Fortschritts, hat die (intellektuellen und moralischen) Hemmnisse beseitigt, die der „freien Entfaltung“ des Kapitalismus im Wege standen.
    – Der Herrenblick oder das verinnerlichte Babylon und die projektive Verschiebung des „Grauens um und um“ (Jeremias). Gehört heute nicht die descensio ad inferos zu den Prämissen theologischer Erkenntnis?
    – Ergänzung zum Stern der Erlösung: Die Philosophie verschweigt nicht nur den Tod, sondern seit ihrem Bündnis mit der Theologie hat sie ihn instrumentalisiert: War das nicht der Kelch (der Kelch der Opfertheologie), von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Mit der Instrumentalisierung des Kreuzestodes wurde die Strafe der Steinigung (zur subjektiven Form der äußeren Anschauung und zum Prinzip der Verdinglichung) vergeistigt (und der Feuertod zur Strafe für Juden, Ketzer und Hexen).
    – Es genügt nicht, daß die Christen sich irgendwo im Stern der Erlösung wiederfinden, es käme darauf an, den Stern der Erlösung ins Christliche zu übersetzen (nach Walter Benjamin: die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern, nur daß Christen sie überhaupt erst auf die eigenen Schultern heben müssen).
    – Merkwürdig, daß aus einem Buch, das die Lösung der sieben Siegel zum Gegenstand hat, ein „Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist.
    – Der Name Gottes bildet sich in der Lösung der sieben Siegel, in der Lösung des Banns, den der Raum auf Mensch und Welt legt.
    – Der Prototyp der neuen Gestalt der Religionskriege war der Weltanschauungskrieg der Nazis gegen Rußland, und der war schon ein Vernichtungskrieg („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“).
    – Leben wir nicht heute nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Aber diese Kälte ist die des steinernen Herzens. Dagegen wäre der Satz zu setzen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249).
    – Zum letzten Satz des Buches Jona: Wer rechts und links nicht mehr unterscheiden kann, unterscheidet sich nicht mehr vom Vieh (sh. Behemoth), das deshalb in die Buße Ninives ebenso wie in die Barmherzigkeit Gottes mit hereinzunehmen ist.
    – Daß niemand das Licht unter den Scheffel stellt, stimmt nicht: Die moderne Aufklärung hat es getan, weil sie das Licht mit dem Scheffel verwechselte. So ist sie zum Scheffel über dem Licht geworden.
    – Das Lachen instrumentalisiert die Scham, macht sie zur Waffe.
    – Die Waffen der Schlange: ihr Blick und das Gift (gleicht sich die Sprache der Politiker nicht immer mehr dem Blick der Schlange an?).
    – Zu Jes 271: Ist der Leviatan, „die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange“, Produkt der Mimesis an den Grund der Raumvorstellung (die erste Gestalt des „Korpuskel-Welle-Dualismus“, Reflex dessen, daß jede Gerade im Raum sowohl Trägheitsbahn als auch Rotationsachse ist – daß beide Bewegungen die Zukunft mit der Vergangenheit kurzschließen, indem sie die Gegenwart ausschließen: „Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und wird (wieder) heraufkommen aus der Unterwelt und geht hin ins Verderben“, Off 178)?
    – Gibt es eine Beziehung der astrologischen Planetentheorie und der kirchlichen Sakramentenlehre zur Logik der Scham (Venus und Eucharistie)?
    – Schicksal und Scham: Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs) mußte abgesichert und stabilisert werden durch den projektiven Namen der Barbaren; die Absicherung der Verinnerlichung der Scham (und des Ursprungs der Naturwissenschaften) erfolgte über den projektiven Namen der Wilden (war die kopernikanische Wende der Anfang eines kosmologischen Kolonialismus und die kantische Philosophie der Beginn des kritischen Selbstbewußtseins davon?).
    – Hat die Scham mit der Eitelkeit zu tun, mit dem Nichtigen?
    – Die gleiche Logik der Scham, die die Raumvorstellung konstituiert, liegt auch der Bekenntnislogik zugrunde (über die Logik der Scham hängt der Greuel der Verwüstung mit der Sünde Adams zusammen: der Greuel der Verwüstung ist aus der Sünde der Welt ableitbar).
    Woher kommt konkret der Name Palästina, welchen historischen Weg hat er genommen? Wie lange hat es die Philister gegeben, wer waren ihre Nachfahren, und haben nicht die Römer dann das Land Israel Palästina genannt?
    Wie wäre es mit dem schönen Titel: Ein Vorschlag zur Güte?

  • 12.5.1994

    Kehrt nicht in den modernen Universitäten die Logik der Schrift zwangshaft in ihre Ursprünge zurück: in Technologie und Ökonomie? Und ist nicht die Kopenhagener Physik-Mythologie der letzte Ausläufer der Astrologie?
    Das Problem der Eigentumsübertragung verweist das Tauschprinzip auf seinen Ursprung in der Geschichte des Tempels. Steckt nicht in jedem Tausch etwas von der Geschichte des Mords am vorherigen Eigentümer? So hängt das Geld mit der Geschichte des Opfers zusammen.
    Die Ursprungsgeschichte des Tauschprinzips fällt in die Geschichte der alten Welt, die des Trägheitsprinzips in die der neuen. Und was der Tempel in der alten Welt war, das ist das Bekenntnis (die Bekenntnislogik) in der neuen (und werden nicht alle religionsgeschichtlichen Untersuchungen verhext durch das Apriori der Bekenntnislogik).
    Wird nicht auch die Astrologie in ein ganz neues Licht gerückt, wenn man sie als ein Konstrukt in der Urgeschichte des Eigentumsbegriffs (des Staats, des Weltbegriffs) begreift? Erst die Griechen haben das Eigentum ontologisiert; in diesem Kontext ist die Idee des Absoluten (als Erbe der Götter, als Produkt der Verinnerlichung des Stoffes, aus dem die Götter einmal gebildet worden sind) entsprungen. Gehört nicht das Opfer, und zwar das Tieropfer als Ablösung des Menschenopfers, in die Urgeschichte des Eigentums? Und sind die nicht die Sakramente die Erben der Astrologie (mit der Eucharistie als Nachbild der Sonne): die Beziehung beider ist vermittelt durch den Prozeß der Verinnerlichung des Opfers, in dem der Gesamtbegriff der Objektivität sich verändert hat. Diese Veränderung wurde besiegelt durch die Sakramente, in ihrem Zentrum das Brotbrechen und der Kelch. Die Sakramente verhalten sich zur Astrologie wie der Weltbegriff zu den mythischen Kosomologien.
    Hängt nicht das Problem des Ursprungs der Schrift mit dem Problem der Eigentumsübertragung zusammen? Konstituiert sich mit der Schrift nicht erst das Allgemeine, auf dessen Basis (wie auf der des Geldes) eine Eigentumsübertragung überhaupt erst möglich ist. Zur Tauschbarkeit gehören: der Tempel, die Opfer und der Götzendienst.
    Zum Eigentum: Das Ding hat Eigenschaften, oder: die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann. (Mt 820)
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist gleichsam die Innenseite der Geschichte der Rezeption des Weltbegriffs.
    Ließe sich nicht unter dem Aspekt von Joh 129 so etwas wie eine johanneische Botschaft herauspräparieren, auf die sich insbesondere die Geschichten von dem Jünger, „den der Herr lieb hatte“, beziehen würden und das Wort: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an. Folge du mir nach!“ (Joh 2122)
    Die genealogische Logik ist in der Schrift nicht streng durchgehalten: Abraham war ein Hebräer, aber auch ein „umherirrender Aramäer“; die Bewohner Jerusalems waren Jebusiter, aber ihr Vater mar ein Amoriter, ihre Mutter eine Hethiterin.
    Die Schrift (die Bibel) aus der babylonischen Gefangenschaft des Historismus befreien. Das Binden und Lösen bezieht sich auf die Orthodoxie, und über die Orthodoxie auf das Problem der Orthogonalität: der Form des Raumes. Diese ist der Knoten, den Alexander nur durchschlagen, nicht gelöst hat.
    Kehrt um, denn das Gottesreich ist nahe: Werden im historischen Prozeß nicht auch Kräfte freigesetzt, die, indem sie die Welt weitertreiben, auch das Vergangene bewegen, so daß Korrespondenzen sich herstellen, durch die das Gottesreich näher gebracht wird? Vielleicht darf man es sich so vorstellen: Je mehr die Zukunft unter die Herrschaft der Vergangenheit gebracht, umso näher rückt uns die vergangene Zukunft, die Erfüllung der vergangenen Hoffnungen.
    Der Drache und das Tier: Sind das Leviathan und Behemoth? Der eine hat die Diademe auf den sieben Köpfen, der andere auf den zehn Hörnern.
    War nicht der Absolutismus insofern eine Vorstufe des Kapitalismus, als er Menschen zu Privateigentum, und damit tendentiell zu Handelsware gemacht hat? Und der barocke Pomp war ein Maß für den Druck des Exkulpationstriebs.
    Sind Sprachreflexionen zur Genesis des Neutrum nicht etwas ähnliches wie das Wechseln der Windeln in Kafkas Allegorie vom Schauspieldirektor?
    Raum und Umkehr: Die drei Freiheitsgrade des Raumes, als Freiheitsgrade der Richtungen im Raum, sind zugleich Freiheitsgrade der Umkehr: Jede Richtung des Raumes ist auch eine Drehachse. Nur durch alle drei Drehungen hindurch läßt sich die ursprüngliche Orientierung des Raumes wiederherstellen.

  • 15.4.1994

    Intersubjektivität ist nicht nur ein Versteck vor dem Angesicht Gottes (unter den Bäumen des Gartens), sie wird am Ende zum Institut der kollektiven Isolationshaft. Die vorwerfbare Schuld – als Schuld im Blick der andern – ist der gemeinsame Grund des Mythos, der Natur und des Rechts. Umkehr ist das Instrument der Auflösung der vorwerfbaren Schuld: der Sünde der Welt (des projektiven Schuldverschubsystems). Alle Weltbegriffe sind, auch wenn sie es nicht wissen, nationalistisch: konkrete Anwendungen und Ausgestaltungen des Schuldverschubsystems: Es gibt keinen Weltbegriff ohne das Feindbild der Barbaren, Heiden oder Juden (der Fremden – nicht der Andern, die vielmehr Teil des Weltbegriffs sind). Dem Namen der Barbaren entspricht im Kontext der Naturerkenntnis der Begriff der Materie, der nicht zufällig an den Namen der Mutter – mater – erinnert. Zu prüfen wäre, ob und wie die Begriffe hyle und materia auch inhaltlich und genetisch sich unterscheiden (und ggf. mit den Unterschieden zwischen den Begriffen physis/natura bzw. kosmos/mundus zusammenhängen). Materie: Ist das nicht die von der schmutzigen Sinnlichkeit gereinigte und dadurch finster gewordene Materie, das genaue Pendant der sexualmoralischen Verstrickung der kirchlichen Theologie? Die Apokalypse ist ebenso wie ein historisches auch ein gnoseologisches Problem: die letzte Gestalt des Begriffs der Offenbarung. Der mechanische Stoß ist das gegenständliche Korrelat der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft, Grund eines Systems von Äquivalenzbeziehungen, aus dem die Möglichkeit mathematischer Naturerkenntnis sich herleitet. Einzig vergleichbar der Macht des Tauschprinzips, der Herstellung von Äquivalenzbeziehungen im Bereich der gesellschaftlichen Reproduktion des Lebens auf der Grundlage des Privateigentums. Bei beiden wird ein Systemmoment impliziert, das mit den Begriffen Orthogonalität, Schuldknechtschaft und Lohnarbeit sich genauer bezeichnen läßt. Heinsohn hat recht, wenn er die Erfindung des Geldes auf das Institut der Schuldknechtschaft zurückführt, den frühesten Vorboten des Kapitalismus und der Lohnarbeit in der Vorvergangenheit. In der Lohnarbeit ist die Schuldknechtschaft instrumentalisiert worden. Ist die Wahrnehmung nicht faszinierend, daß das Institut der Schuldknechtschaft zur Ursprungsgeschichte der Hebräer gehört (und wirft sie nicht ein Licht auf den Namen der „hebräischen“ Schrift)? Hat der Vergleich des Dogmas mit den zwei Seiten eines Blattes (von denen wir nur die eine kennen, die nicht die der Wahrheit ist) eine sehr präzise Bedeutung? Hat die Theologie nicht insofern auch etwas mit der Idee der Auferstehung zu tun, als es in ihr um die Wiedergewinnung der vergangenen Zukunft geht? Die opfertheologische Instrumentalisierung des Kreuzestodes gehört zu den Mächten der Vergangenheit über die Zukunft (zu den „Pforten der Hölle“). Die Zukunft unter dem Verschluß der Vergangenheit halten: Darauf bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen; und das Lösen ist das Lösen der Zunge, die vergangene Zukunft das Objekt der Sprache, des Namens. Erst wenn ich begreife, daß die Welt der Abgrund ist, der mich von den andern trennt, begreife ich, was es heißt, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen. Die Idee des Absoluten ist der Greuel am heiligen Ort: das sich auf sich selbst beziehende Anderssein Gottes, seine Leugnung. Ist die Geschichte der drei Leugnungen die Geschichte der Idee des Absoluten? „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt …“ (vgl. Joh Kap. 630ff.54ff)? Mein ATARI hat nicht nur einen Mülleimer, er ist ein Mülleimer, in den ich alles ablade: Aber sind Mülleimer nicht die Lebensquelle der Ausgeschlossenen, der Slumbewohner? Ist nicht der Antisemitismus, der Druck, der ihn produziert, ein Hinweis darauf, wie nahe die Lösung ist? Der Begriff der verwalteten Welt ist ein Pleonasmus: Ohne Verwaltung gibt es keine Welt (gibt es kein Allgemeines, wie auch die Verwaltung die Brutstätte der Gemeinheit ist – das Gemeine ist der Grund des Allgemeinen).

  • 28.3.1994

    „Gott, wie zuträglich muß es erst sein, wenn Nachdenkender vom Betrunkenen lernt.“ (Kafka: Erzählungen, S. 223)
    „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, Herr.“ Ist diese Tiefe der Abgrund, der die Andern von mir trennt? Und ist die Intersubjektivtät nicht bloß der Poesche Maelstrom?
    Wenn die Trunkenheit ein sprachlicher Sachverhalt ist, was ist dann der Wein (Noe, Hochzeit von Kana)? Und was ist die aufgedeckte Blöße, und hat die Decke, mit der Sem und Japhet die Blöße Noes bedecken, etwas mit dem Fell von Tieren und mit den Zelten Sems zu tun?
    Die Philosophie ist die erzwungene Selbstreflexion jener Verstrickung, in die das Bewußtsein durch den Weltbegriff gerät.
    DAs Absolute rührt an die Wahrheit ähnlich, wie die beiden Seites eines Blattes sich berühren.
    Die Zauberei, die an den Hexen verfolgt wird, ist die Zauberei des Absolutismus, der in den Hexen die eigene Beziehung zum Totenreich wiedererkennt.
    Schon beim Pharao wittert das Herrendenken im Befreiungstrieb einen konkurrierenden Machtanspruch.
    Hat nicht der deutsche Michel das Quis ut Deus immer schon auf seinen Wilhelm bezogen, der am Ende Adolf hieß? Bindeglied war der säkularisierte Heroismus: der durch Verdrängung irrational gewordene Freiheits- und Revolutionstrieb.
    Wie hängen die Infinitivbildungen (die Verbalsubstantive) mit dem Sein zusammen:
    – paideuein/ einai
    – facere/ esse.
    Sind die Infinitivsuffixe aus den Infinitiven von Sein hervorgegangen? (Ist das Sein, oder das Seiende Gegenstand der griechischen Ursprünge der Philosophie von Parmenides bis Aristoteles?)
    Der obszöne Kern der Naturwissenschaften: Das Inertialsystem als die Einheit von Vergewaltigung, Masturbation und Exhibitionismus. Der Weltbegriff bezeichnet die durch Trunkenheit aufgedeckte Blöße (vgl. auch das Aufdecken der Blöße bei den Propheten).
    Der projektive Charakter des Vorwurfs einer metabasis eis allo genos: Die Befolgung dieser Warnung endet in der Rassentheorie und im Antisemitismus. Gehört nicht die Fähigkeit, auch in eine andere Gattung und in ein anderes Geschlecht sich hineinzuversetzen, zu den Vorzügen und zur Würde der Menschen? Darauf, auf die Aufhebung der Gattungsgrenze, die eine Todesgrenze ist, bezieht sich die Idee der Auferstehung der Toten.
    Zum Pazifismus: Darf der Tierschutz auch für den Behemot und den Leviatan gelten (für den totalitären Staat oder den Kapitalismus)?
    Der Begriff und die Polizei machen ihre Objekte dingfest, während die Ausbilder und Aufseher sie fertigmachen.
    Zum Begriff des Bekenntnisses: Die virgo (das weibliche Pendant des confessor) verkörpert die Keuschheit, nicht die Unschuld; darin liegt (im Gegensatz zur sexualmoralischen) ihre politisch-theologische Bedeutung. Die Verknüpfung von Keuschheit und Unschuld (Grund der zentralen Funktion der Sexualmoral in der verdinglichten Theologie und Folge der Rezeption des Weltbegriffs, der Opfertheologie und der damit verknüpften Bekenntnislogik) hat eine der gefährlichsten und verhängnisvollsten Entwicklungen in der religiösen Tradition eingeleitet. Diese gegen ihre politischen Bedeutung immunisierte Keuschheit ist im Zölibat instrumentalisiert (zu einem Herrschaftsmittel gemacht) worden. Nicht die Sexualität, sondern das Herrendenken (zu dessen Implikationen der Sexismus gehört) ist das, was in der Prophetie mit Unzucht und Hurerei (wie auch mit der Trunkenheit und dem Kelch des göttlichen Zorns) gemeint war.

  • 27.3.1994

    Kai epestrepsa blepein tän phonän hätis elalei met‘ emou. – „Ich wandte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir redete. Und als im mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und inmitten der sieben Leuchter einen, der einem Menschensohn ähnlich war, …“ (Apk 112f) Macht die Umkehr das Wort sichtbar (Beziehung des Lichts zur Sprache)?
    Ist die „eine Meinung“ der zehn Könige (mian gnomän, Apk 1713.17) das Dogma, das Bekenntnis?
    Hängt das Wort Stuhl mit stehlen zusammen (nach Kluge mit stehen, ähnlich die Ableitung von Thron, übers Französische vermittelt)? Ist nicht der Stuhl das Symbol des Besitzes (in der Schrift wird mit den Schuhen, durch Betreten, Besitz von etwas ergriffen)? Wie verhält sich hierzu das Wort: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße (haben wir IHN nicht in beiden Teilen enteignet). Wer hat wann den Stuhl erfunden (spielt hier die herrschaftsbegründende Entwicklung der Astronomie und der Geldwirtschaft, zusammen mit der späteren Vergesellschaftung des Stuhls, mit herein)? Und hängt die Vergesellschaftung des Stuhls mit der Trennung von Ding und Sache (und diese mit der Unterscheidung von Besitz und Eigentum) zusammen? Vgl. im Lateinischen: possidere, occupare -in Besitz nehmen; facere c. gen. – zum Eigentum machen. Während das Eigentum zu den Grundlagen des Staates gehört, gehört der Besitz zu den Ursprungsbedingungen des Kapitalismus (Lohnarbeit als organisierter und legalisierter Raub: Grundlage des Inertialsystems; Zusammenhang der Verräumlichung mit der Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten; das Relativitätsprinzip gründet in einer begrifflichen Eigenschaft des Geldes: Grund dafür, daß es keinen Reichtum ohne die Erzeugung von Armut gibt).
    Der Stuhl, der Ursprung des Inertialsystems und die sieben unreinen Geister („Besessenheit“ als Folge der Neutralisierung des Raumes).
    Wie verhalten sich:
    – die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals und die Entstehung des Proletariats in England,
    – der Merkantilismus in Frankreich und
    – der Absolutismus in Deutschland
    zueinander? Sind sie nicht drei Seiten ein und derselben Sache? (Die Freisetzung der Bauern: die Trennung der primären von den sekundären Sinnesqualitäten?)
    Ist der Thron durch den Tisch zum Stuhl geworden? Vor dem Stuhl fällt niemand mehr auf die Knie, aber dafür wird auf dem Tisch angerichtet. Erst der Tisch (als Abkömmling des Altars und der Tische der Händler und Geldwechsler, die SEIN Haus zur „Räuberhöhle“ gemacht haben) hat das Essen vom Opfer getrennt (das Opfer verinnerlicht), er hat es zum Gericht gemacht.
    Mit dem Besitz hängt auch die Besessenheit, das Dämonische, zusammen: Reflex der Objektseite. Hier gründet die Geschichte von den sieben unreinen Geistern.
    Thing, Gericht und Ding (das als Objekt verurteilte Ding): Die Hegelsche Logik entfaltet das Urteil, das das Ding zum Ding gemacht hat.
    Unterscheiden sich Heidegger und Rosenzweig nicht dadurch, daß Heidegger aus Angst vor dem Tod (aus objektloser Angst) Selbstmord begeht, während Rosenzweig der Ausbruchsversuch ohne den Preis der Verdrängung, den die Philosophie seit ihrem Ursprung gezahlt hat (und deren gegenständliches Korrelat und Erzeugnis das Inertialsystem ist), gelingt?
    Schuld durch Nichthandeln (die Schuld von Auschwitz) ist strafrechtlich nicht faßbar, weil sie die Grundlage der Geldwirtschaft, des Kapitalismus ist (Handeln aus Mitleid ist existenzgefährdend). Hier liegt der systemlogische Grund, weshalb Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand sein darf.

  • 20.01.94

    Die Juden sind Hebräer für die anderen (für die Welt), Israeliten hingegen für Gott und für sich selbst.
    Ist nicht die Argumentation beim Loretz deshalb unverständlich, weil er es nicht zulassen kann anzuerkennen, daß die Beziehung der Hebräer zu Israel auf einer Ebene liegt, die durch den szientifischen Objektivitätsbegriff neutralisiert, gegenstandslos wird. Ist nicht der ganze Eiertanz um die Frage, ob der Name der Hebräer ein Appelativum oder ein Gentilizium sei, dadurch verursacht, daß das Eingehen auf die Sache den wissenschaftlichen Objektivitätsansatz sprengen würde? Dieser Objektivitätsansatz macht sich gemein mit der Welt, für die die Israeliten Hebräer sind, die sie haßt. An dieser Konstellation krankt die gesamte historische Bibelkritik (die „Quellentheorie“, die nicht zufällig an der Beziehung der Begriffe Stämme, Sprachen, Völker und Nationen, in deren Kontext die Namen der Israeliten und Hebräer gehören, sich desinteressiert zeigt).
    Die „Völker“ (als Schicksalsgemeinschaften, die mit dem Ursprung des Weltbegriffs entstehen) sind die Heiden. Gleicht die Unterscheidung von Völkern und Nationen nicht der von natura und physis? Die Sprachen beziehen sich auf Babylon, die Völker auf die Völkertafel, die Stämme auf die Genealogien, und die Nationen? Kann es sein, daß zwischen Völkern und Stämmen und zwischen Nationen und Sprachen genetische Beziehungen bestehen?
    Da wird Israel zu einem völkisch-nationalen Begriff, da werden die „späten Bearbeiter“ (Loretz, S. 122) zu dummen Kerlen (die gleichen Redaktoren übrigens, die Franz Rosenzweig mit dem Namen Rabbenu ehrt), die die „Materialien“, mit denen sie umgehen, nicht mehr verstehen und sich von den „kritischen“ Wissenschaftlern vorrechnen lassen müssen, wie die Stellen, die sie nur, wie der Assistent das Buch seines Professors oder der Lektor das Manuskript eines Autors, redaktionell „bearbeitet“ haben, eigentlich hätten lauten müssen.
    Merkwürdig, daß der Widerspruch zwischen dem „Hebräer“ Abraham und der „aramäischen“ Verwandschaft, bei der Isaak und Jakob sich ihre Frauen holen, überhaupt nicht erwähnt wird. Er paßt in das Schema der Fragestellung, die sich in voreilendem Gehorsam dem apriorischen Antworthorizont anpaßt, nicht herein. (Vgl. Deut 265: Ein umherirrender Aramäer war mein Vater …) Hierzu gehören Wendungen wie „er lebte als Fremder im Land“ oder auch die mit der Erinnerung an die eigene Vergangenheit als Fremde in Ägypten begründeten Regelungen für die Fremden in Israel.
    S. 125: Erinnert nicht das Alt-Zitat, im Namen der Hebräer schwinge „ein Ton der Selbstdemütigung“ mit, niemals aber ein „nationales Hochgefühl“, an das Argumentationsschema, mit dem heute die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt wird?
    Ist die Trinitätslehre das dreidimensionale Gegenstück zur noesis noeseos des Aristoteles. Verhält sich die aristotelische Metaphysik zur euklidischen Geometrie wie die Trinitätslehre zum Inertialsystem (und zum kapitalistischen Wertgesetz)?
    Hatte nicht Sacharja nur die vier „apokalyptischen Reiter“, die erst in Johannes-Apokalypse durch den Hinweis auf den Einsturz des Himmels und die Märtyrer unter dem Altar ergänzt, vervollständigt werden?
    Hat der hebräische Sklave etwas mit dem Gottesknecht zu tun? Oder soll es deshalb keine hebräischen Sklaven geben, weil Israel der Knecht Gottes ist (ist Nietzsches Begriff der jüdisch-christlichen Sklavenmoral ein Hebraismus)?
    Nach der Selbstzerstörung der Welt (nach den Weltkriegen?) war das Innere „leer, gereinigt und geschmückt“.
    Verdankt sich nicht die Verdreifachung der altorientalischen Chronologie dem gleichen Mechanismus, dem in der Bibelwissenschaft die Quellentheorie sich verdankt?
    Hat nicht die historische Bibelkritik etwas mit Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern zu tun: Da werden Stoff, Farbe und Faltenwurf der Kleider untersucht und beurteilt; in Wahrheit aber ist der Kaiser nackt (und die zum Feigenblatt naturalisierte Schrift wird mit den nicht vorhandenen Kleidern verwechselt).
    Ist nicht das Stück Wut, das bei Heinsohn und Illig sich zeigt, der Drewermannschen Wut (die ihn an die Kirche bindet) vergleichbar: in beiden Fällen Ausdruck des blinden Flecks in der Theorie?
    Der Positivismus legt ein Minenfeld vor die Wahrheit.
    Wenn Jesus in seiner Botschaft an den Täufer mit den Blinden und Lahmen ein Detail aus der Geschichte der Eroberung Jerusalems durch David zitiert, gewinnen dadurch nicht beide Stellen prophetische Qualität? Von den Blinden und Lahmen, „die David in der Seele verhaßt waren“, heißt es da: „Sie werden dich (sc. David) vertreiben“ und „Es soll kein Blinder noch Lahmer in das Haus kommen“ (2 Sam 56ff).
    Die Strafverfolgung gegen den Stasi-Chef Wolff ist Heuchelei, aber die Nichtverfolgung wäre Zynismus. Wo liegt da die Lösung?
    Macht Heidegger nicht die gleiche Sorge, gegen die sich u.a. die Bergpredigt richtet, zum Existential?

  • 18.01.94

    Zu Orion und den Plejaden, „deren Verschwinden die Trockenheit anzeigt“, sh. Loretz, Ugarit, S. 164 (Anm. 535). – Kommen Orion und die Plejaden auch in „Saturn und Melancholie“ vor?
    Die Astrologie war eine an den Himmel projizierte Gesellschaftstheorie. Und das Verbot der Astrologie hängt sicherlich auch damit zusammen, daß mit fortschreitender Säkularisation die gesellschaftliche Reflexion mit einem Tabu belegt wurde.
    Der Name des Menschensohns ist antitotemistisch. Freud: „Totem und Tabu“ prüfen: Enthält es den Schlüssel zum Rätsel des apokalyptischen Tieres?
    Erst, wenn das „interesselose Wohlgefallen“, das kantische Prinzip der Kunst, aus der passiven in die aktive Form: in die Liebe übersetzt wird, wird die Grenze zur Theologie überschritten.
    Die Kabbalah unterscheidet sich von der christlichen Mystik dadurch, daß sie keine Vereinigungsmystik ist, daß sie die keusche Distanz zu Gott (die Distanz der Keuschheit) wahrt.
    Im Zuge seiner Hellenisierung hat das Christentum die Sprachwurzeln der Metaphorik durchschnitten; besiegelt wurde dieser Akt durch die Rezeption des Weltbegriffs: Liegt hier der Grund der Vereinigungsmystik, der Unkeuschheit der christlichen Theologie?
    Der Weltbegriff hat die Trunkenheit und die Unzucht im Kern, er ist in sich selber orgiastisch. Der Taumelbecher und die Hurerei bezeichnen eher ein logisches als ein moralisches Problem: einen herrschaftslogischen Sachverhalt (die „Sünde der Welt“).
    Die Probleme der Physik, der Naturwissenschaften, des Inertialsystems, sind allein mit Hilfe der drei evangelischen Räte zu lösen.
    Ist nicht die Josefs-Geschichte eine Erläuterung zu Hegels Satz, wonach die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern? Und gehört nicht die Josefs-Geschichte zur Urgeschichte der Marxschen Kapitalismus-Kritik?
    Nach Walter Benjamin ist die jeweils jüngst vergangene Mode das Veraltetste. Ist das nicht ein Kehrbild des anderen Sachverhalts, daß im historischen Prozeß das Allerälteste, der Anfang, sich nicht immer weiter von uns entfernt, sondern immer näher an die Gegenwart heranrückt?
    In der Konstitution und Begründung der subjektiven Formen der Anschauung steckt nicht nur ein psychologisches, sondern ein kosmologisches und politisches Problem zugleich.
    Hat das Bild von den vier apokalyptischen Reitern etwas mit dem anderen Bild von dem wie eine Buchrolle sich aufrollenden Himmel zu tun?
    Das Hosanna in excelsis im Sanctus ist falsch: Hier wird ein Hilfeschrei als Jubelruf mißverstanden.
    Oswald Loretz (S. 169) sieht in Ps 19A einen Widerspruch darin, daß, nachdem die Himmel und das Firmament laut die Herrlichkeit ihres Schöpfers verkünden, dann in V 4 – so Loretz – „folgende gegenteilige Behauptung aufgestellt“ wird:
    Keine Worte, keine Sprache,
    nicht vernimmt man ihren Laut!
    Er unterschlägt dabei, daß unmittelbar davor der Vers steht:
    Tag dem Tag sprudelt Worte,
    Nacht der Nacht kündet Wissen.
    Könnte es nicht sein, daß die Sprache dem Tag und (ebenso wie das Denken und das Wissen und gemeinsam mit ihnen) die Stummheit, die Lautlosigkeit, der Nacht zuzuordnen sind, daß das Wissen dem Schlaf entspricht, am Traum partizipiert? Ist das Wissen die „Kunde der Nacht“, die die Tage (siebenfach) voneinander scheidet (die Finsternis über dem Abgrund und das Warten auf die Morgenröte und den Hahnenschrei)?

  • 11.01.94

    Das Präteritum bezeichnet eine abgeschlossene, das Imperfekt eine noch nicht abgeschlossene Handlung. Wann wurde das Imperfekt zum Präteritum? Nach dem Verschwinden des Aorist (beim Übergang vom Griechischen zum Lateinischen)? Zusammenhang mit dem Ursprung des Futur II und der Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs (vom kosmos zum mundus; Voraussetzung des Inertialsystems)? Die Philosophie und als ihr logischer Ausdruck der Weltbegriff, und in der Praxis dann der Staat, schließt die Vergangenheit ab, macht die Natur zur Natur.
    Nach Hans Krahe (Indogermanische Sprachwissenschaft, II S. 83) geht das „Präteritum“ der starken Verben des Germanischen auf das indogermanische Perfekt zurück (Abstufung im Vokalismus der Wurzelsilben).
    Interessant (S. 86), daß das Futur eine spätere Bildung und vorrangig aus dem Konjunktiv hervorgegangen ist (das Futur II ist eine altlateinische Bildung). – Hängt der Zerfall des Konjunktivs im modernen Deutsch damit zusammen (das Futur läßt keinen Raum mehr zum Wünschen)?
    Zum sanskritischen Infinitiv auf -tum im Zusammenhang mit dem lateinischen Supinum I (i-tum, da-tum, S. 86): Hängt das mit dem deutschen Suffix -tum (Heiden-, Christen-, Juden-, Eigen-, Reich- und Deutschtum) zusammen: bilden die „-tümer“ das genetische Material, aus dem die apokalyptischen Tiere (die Ungetüme) hervorgehen? – Auch ein Beitrag zur Kritik der Gen-Technologie.
    Wie kommen die modernen semitischen Sprachen (auch das moderne Hebräisch) ohne das Neutrum aus (liegt hier nicht der Grund des Fundamentalismus in den islamischen und jüdichen Orthodoxien)?
    Zur Beziehung der grammatischen Strukturen zum Raum: Analyse der Präpositionen, der Prä- und Suffixe, der Deklination, Zusammenhang mit dem Ursprung der Urteilsform und der Trennung von Raum und Zeit (Sprache und Materie: die Materie ist das Grab der Sprache; auch hier erweist sich die Bedeutung der Idee der Auferstehung).
    Hängt nicht die Geschichte der Sprache (insbesondere ihre grammatische Durchbildung) mit der Geschichte der Scham zusammen: Ursprung der indogermanischen Sprache, Entwicklung der Deklinationen und Konjugationen, Ursprung des Neutrum, des Futur, der Casus? In der Sprache wird der Blick des andern antizipiert und in den grammatischen Formen reflektiert: der Bruch zwischen der benennenden Kraft und der mitteilenden Funktion der Sprache ist hier begründet.
    Dei Neutralisierung der Grammatik als Folge ihrer zweiten Verräumlichung (Begriffe als Markenzeichen, Löschung der Reflexionsbeziehungen, gleichgültiges Nebeneinander der Regeln und Vorschriften). Kritik der Naturwissenschaften, Kritik des Inertialsystems, als Voraussetzung einer Erneuerung einer zugleich historischen und spekulativen Grammatik (Befreiung der Grammatik vom Bann des Inertialsystems).
    Merkwürdige Funktion des Dativ, das sowohl den Adressaten des Schenkens bezeichnet als auch den eines Befehls, eines Handlungszwangs (das „Müssen“: er muß, es obliegt ihm). Auch die Unfreiheit steht im Dativ. Auflösung in der Idee der Liebe („Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“)? Das „Lasse Dein Angesicht leuchten über uns“ erfüllt sich nur für die Liebenden.
    Fragen werden beantwortet, Probleme gelöst: Heideggers Begriff einer „absoluten“ Frage: einer antwortlosen Frage, ist das nicht die Abrogation der Sprache (Konsequenz des Vorlaufens in den Tod: der Kapitulation vor der nicht mehr benennbaren Natur)? Für absolute Fragen, für Fragen, die ins Problem zurückgestaut werden (wie die Seins- oder Judenfrage), gibt es keine Antworten mehr, sondern nur noch Endlösungen. Heideggers Philosophie, die die Asymmetrie im Verhältnis zum andern (Grund der Asymmetrie in der Sprache) durch das „Mitsein“ neutralisiert, darf keine Antwort mehr kennen.
    Die synthetischen Urteile apriori Kants beantworten keine Fragen, sondern lösen Problem: Im Bereich der Erscheinungen gibt es keine Fragen mehr, sondern nur noch (lösbare?) Probleme.
    Ehrt nicht die Majestätsbeleidung den König mehr als ihr Verbot?
    Im Angesicht Gottes ist nichts Vergangenes nur vergangen (deshalb gehört die Idee der Auferstehung zum Begriff des Angesichts).
    Gott hat nicht die Welt erschaffen, die Jesus dann entsühnt hat, sondern Gott hat Himmel und Erde erschaffen, die durch Verweltlichung (durch die Sünde der Welt) entstellt worden sind, während Jesus die Sünde der Welt auf sich genommen hat.
    Zu den neuen Vorschlägen zur Gesundheitsreform: Wird jetzt neben dem Wohnen auch die Gesundheit dem Punkt der Unbezahlbarkeit immer näher gebracht? Auch dies ein Nebeneffekt des Siegs der „freien Marktwirtschaft“ (die das Epitheton ornans „sozial“ längst aufgegeben hat).
    Gehört nicht zur Geschichte des Ursprungs der Schrift und des Geldes auch die des Ursprungs der Medizin (die Geschichte der Naturalisierung der physis)?
    Wie verhalten sich die sieben Siegel zu den sieben Plagen?
    Halsstarrigkeit, das steinerne Herz und die eherne Stirn, wie verhalten die drei sich zueinander (wie Orthogonalität, Verdinglichung und Stoß)? Grundlage ist die Trennung von Sprache, das Gesetz der Gleichnamigkeit des Ungleichnamigen, der Ursprung des Nominalismus. Entspricht der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen nicht das Gesetz von Projektion und Verschiebung, das Schuldverschubsystem: mit dem Selbstmitleid, das dem realen Mitleid, der parakletischen, empathischen Erfahrung, keinen Raum mehr läßt, im Kern (mit den eigenen Problemen können für uns die der anderen nicht konkurrieren; wegen der eigenen Leiden haben wir im Krieg die Leiden, die wir anderen zugefügt haben, nicht mehr gesehen). Gründet nicht der Konfessionalismus der Kirchen, der an die Stelle des Votums für die Armen das für die Kirche setzt, im Schuldverschubsystem, in der Logik der Identifikation mit dem Kollektiv und des kollektiven Selbstmitleids (der Logik der Vergöttlichung des Opfers)?
    Wird nicht unter dem Begriff der Blasphemie nur noch die eigene Empfindlichkeit (die pathologische Struktur des religiösen Subjekts) zwangshaft verteidigt und kultiviert, die wirkliche Blasphemie hingegen, die im Zustand der Welt liegt, und die Sensibilität hierfür verdrängt?
    Sensibilität ist eine intellektuelle Qualität.
    Zur Struktur des Konfessionalismus: Instrument der Exkulpationsautomatik, der Abwehr der „Schuldgefühle“, die ihren Ursprung in der Existenz der Armen und in dem Bewußtsein, daß diese Armut systemlogisch mit der Selbsterhaltung im Kapitalismus verknüpft ist, hat (Abwehr der Gottesfurcht). Der Faschismus ist die Orgie der Siege über die eigenen Schuldgefühle; nicht zufällig sind die apriorischen Objekte der faschistischen Wut, des faschistischen Vernichtungstriebs, die Armen, die Schwächsten, die Behinderten, die Fremden, die Toten, die Frauen, die Juden.
    Ist das Gravitationsgesetz (Grund der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen: der Verdinglichung der Sternenwelt, das naturale Äquivalent der Schuldknechtschaft in der Ökonomie) das steinerne Herz der Unendlichkeit?
    Solange wir versuchen, uns in den Trümmern, die die Katastrophen dieses Jahrhunderts hinterlassen haben, häuslich einzurichten, fördern wir nur die bevorstehenden, neuen Katastrophen, bei denen noch offen ist, ob sie mit den alten vergleichbar sein werden.
    Die Zusammenbruchstheorie von Rosa Luxemburg ist nicht widerlegt, sie ist durch den Faschismus bestätigt worden; nur daß dieser Zusammenbruch nicht zum Sozialismus geführt hat, sondern zu einem Modernisierungsschub, zu einer neuen Stabilisierung, deren theoretische Entschlüsselung bis heute nicht gelungen ist.
    Zusammenhang der Kronen der Könige mit den Kronen der Bäume: Als Kränze der Heroen (Lorbeer- und Dornenkranz), als Kapitäle der Säulen, die aus den Kronen der Bäume hervorgegangen sind. Sind die Kronen der Bäume die Luft-Wurzeln des Baums der Erkenntnis?
    Was ist der Unterschied zwischen
    – Krone und Diadem und
    – einem gekrönten und einem gehörnten Haupt?
    Ist nicht der zweite Schöpfungsbericht eine Ergänzung und Erläuterung des ersten? Sind Paradies und Sündenfall, und hier insbesondere die Erschaffung Adams, seine Benennung der Tiere und dann die Erschaffung der Eva, nicht ein Echo auf das „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, als sein Bild schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er sie“?
    Hat es (im Schöpfungsprozeß) „eine Zeit“ gegeben, in der die Trennung von Vergangenheit und Zukunft noch nicht abgeschlossen war, und auf die das Kriterium der eindeutigen Zeitfolge deshalb nicht anwendbar ist? Wann wurde Hören und Sehen (Rechts und Links, Vergangenheit und Zukunft) getrennt: Wann sind aus den Pflanzen die Tiere – und mit ihnen die Welten – entstanden (am fünften Schöpfungstag: mit der Erschaffung der Seeungeheuer)?

  • 07.01.94

    Ist die schechina das Reich Gottes? Und ist die Nähe des Reiches Gottes eine zeitliche?
    Die Umkehr ist das genaue Gegenteil all der Fluchtbewegungen, als welche die Religionen sich heute anbieten. Jede Fluchtbewegung führt nur in die Verstrickungen wieder herein, aus der nur die Umkehr herausführen kann.
    Das liberale Motto: Leistung muß sich wieder lohnen, wäre an seiner Umkehrung zu messen: Ist alles, was sich heute „lohnt“ damit als Leistung ausgewiesen? Interessante Fragen: In welcher Relation stehen die Geldbewegungen und Gewinne an der Börse zu den leistungsbezogenen „Personalkosten“ eines Unternehmens? Und in welcher Beziehung stehen sie zu den („arbeitsplatzschaffenden“) „Investitionen“, auf die sie ideologisch bezogen werden? Der spekulative Anteil an den Geldbewegungen im Spätkapitalismus (in dem u.a. die Leistungen des Staates, der Gesellschaft, die die Infrastruktur bereitstellen, mit gerechnet werden) verweist fast direkt auf dessen astronomischen Hintergrund.
    Wurden die Sparkassen erfunden, als man wegen der spekulativen Zirkulation für die effektiven Kredite (für „Investitionen“) billiges Geld brauchte? Haben Börsen- und Bodenspekulation nicht einen gemeinsamen (ökonomischen und transzendentallogischen) Grund?
    Irrationale (vom Leistungsprinzip abgelöste) Geldbewegungen finden statt im Show-Business (einschl. der Fernsehreligion, zu der auch der Sport gehört), im Bankengeschäft, insbesondere im spekulativen Geschäft (paradigmatisch das Termingeschäft: Brecht und die Getreidebörse, Herstatt-Krise, VW-Krise, Metallgesellschaft).

  • 31.12.93

    Ist Schönheit (auch in ihrer vulgären Gestalt, als Kitsch) inverse Scham, Teil der Geschichte der Vergegenständlichung (der Neutralisierung der Umkehr)? Und liegt darin der Grund des Mythos wie der Kunst? Das Naturschöne wäre dann ein Schlüsselphänomen. Die beiden Begriffe der Ästhetik (als Kunstphilosophie und als Grund der traszendentalen Logik) hängen über diese strukturelle Beziehung zur Scham miteinander zusammen.
    Die Transformation der Naturwissenschaften in Technik ist erst über die Lösung des Problems der technischen Nutzung der Energie, der Erzeugung und des Transports der Energie, erfolgt (Dampfmaschine und dann Elektrizität). Gleicht nicht die Logik dieses Energietechnikproblems der des Kapitals (und die Logik der Dampfmaschine der der Banken: beide abstrahieren von der Lohnarbeit, in der sie gründen)? War nicht der Kampf gegen die Atomkraftwerke, so wichtig und notwendig er in der Sache war (und immer noch ist), zugleich auch ein Alibi für die unmögliche Korrektur des Kapitalismus: für die nicht gelungene Revolution (der Linken ist es nie gelungen, eine ernsthafte, ihrem Gegenstand angemessene Theorie der Banken zu entwickeln: sie hätte begreifen müssen, was es mit dem „Greuel am heiligen Ort“ auf sich hat)?
    Zu den Konstituentien des Inertialsystems gehören die Erhaltungssätze: der Masse und der Energie. Die logische Analyse beider steht noch aus. Zu ihrer Voraussetzung gehört die Einsicht, daß die Dimensionen des Raumes nicht an sich, sondern nur aufgrund der abstraktiven Gewalt der Mathematik ununterscheidbar sind. Zu den Konsequenzen aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gehört die Einsicht, daß die Beziehungen der Dimensionen des Raumes zur Zeit nicht äquivalent sind: Nicht der Raum, sondern die in sich dynamische Struktur der Raum-Zeit (die u.a. in den mikrophysikalischen Strukturen und in den dazugehörigen „Naturkonstanten“, wie z.B. dem Planckschen Wirkungsquantum, der elektischen Elementarladung u.ä. sich vergegenständlicht) gehorcht dem Gesetz der Gleichzeitigkeit.
    Liegen die Anfänge der Schrift in der Buchhaltung? Und wie hängt die Geschichte der Buchhaltung mit der der Astronomie (und die Sklaven mit dem Namen der Barbaren und der Apotheose der Heroen) zusammen?
    Nur durch den stringenten Aktualitätsbezug vermag die Erkenntnis der verwirrenden Gewalt des Nominalismus sich zu entziehen: wird sie zur Prophetie.
    Wenn man an den hessischen Löwen im Startbahnkonflikt und an die fette Henne im deutschen Bundestag, die sich für einen Adler hält, denkt: gehört dann nicht die Verunglimpfung staatlicher Symbole, als Erbe der Blasphemie, zu den Grundlagen und Voraussetzungen der Theologie?

  • 21.12.93

    Wie es scheint, ist von der gesamten theologischen Tradition nur die Sohn-Gottes-Theologie übriggeblieben: der letzte Statthalter des Absoluten in der Theologie, Garant der Exkulpation ohne Umkehr. Welche Rolle spielt hierbei der Umstand, daß sich in dieser Theologie alle Herren als allmächtige Väter fühlen können (sie alle haben ihn gezeugt)? Nichts komischer (aber auch nichts entsetzlicher) als die Vorstellung, Jesus sei in die Welt gekommen um zu verkünden, er sei der Sohn Gottes. Ist die Sohn-Gottes-Theologie der Abfalleimer der verworfenen Tradition?
    Kafkas Landarzt: „Einmal dem Fehlleuten der Nachtglocke gefolgt, es ist nicht wieder gutzumachen“. Eine Allegorie des Christentums?
    Was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein; und was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein: die präziste Bestimmung der metaphysischen Bedeutung des Objektbegriffs, zu dessen letzten theologischen Emanationen die Sohn-Gottes-Theologie gehört.
    Die biblischen Gebote sind keine absoluten Gebote: Zu dem „Macht euch die Erde untertan“ gehört das „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“.
    Ist nicht die nach dem Vaticanum II erfolgte Verwerfung der Tradition die Besiegelung der Kapitulation vor dem naturwissenschaftlichen Erkenntnis- und Weltverständnis, in deren Kontext der theologische Rest (und seine unterschiedlichen Ausprägungen) allein verständlich wird?
    Gibt es nicht eine verblüffende Parallele zwischen dem Generationenwechsel in der Lehrerschaft durch den Ersten Weltkrieg und dem Generationenwechsel in der Theologie nach dem Zweiten Weltkrieg?
    Wollte man die Grenze des Sterns der Erlösung bestimmen, müßte man von der Ausblendung des Sündenfalls und der Apokalypse ausgehen (aber war das nicht die Grundlage der Buber-Rosenzweigschen Zusammenarbeit?).
    Hängt die Logik der Vergöttlichung des Opfers (und der Ursprung des modernen Naturbegriffs) mit der Geschichte der Beziehung von Kausalität und Teleologie zusammen? Der aristotelische Kompromiß: die Neutralisierung des Widerspruchs zwischen Kausalität und Teleologie, war die Grundlage seiner Metaphysik. Nur so konnte Gott zugleich als die noesis noeseos und als der Erste Beweger begriffen werden. Im Rahmen dieses Konzepts war es unmöglich, einen dem Trägheitsgesetz entsprechenden Begriff der Bewegung zu definieren. Die Entwicklung dieses Begriffs in der Spätscholastik (unter dem Druck frühkapitalistischer Strukturen in der Gesellschaft) hat die aristotelische Tradition gesprengt und die Grundlage gelegt für die Transzendentalphilosophie Kants.

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