Die Blüte und das Angesicht sind Widerlegungen der kopernikanischen Wende, der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung; gäbe es den unendlich ausgedehnten Raum, so würde es die Blüte und das Antlitz des Andern nicht geben.
Das Angesicht Gottes finde ich im Antlitz des Andern (in Seinem Ebenbild), nicht in mir selbst (und nicht im Spiegel): Da stehe ich mir selbst im blinden Fleck.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Produkt der Verinnerlichung des Blicks des Andern. (Die Verwaltung ist das Produkt der gesellschaftlichen Institutionalisierung des Blicks des Andern. Insofern hängt die Geschichte der Verwaltung mit der Geschichte des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, des Inertialsystems, zusammen.)
Läßt sich die Abstraktion vom Blick des Andern, Voraussetzung der Konstruktion der subjektiven Formen der Anschauung, nicht am Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit demonstrieren, mit seiner Hilfe nachweisen?
Die Bekenntnislogik gründet in der Umkehr und Instrumentalisierung der Schuld, das Geld in der Umkehr und Instrumentalisierung der Herrschaft, das Inertialsystem (die subjektiven Formen der Anschauung) in der Umkehr und Instrumentalisierung der Erkenntnis. – Wie hängen diese drei mit den drei Totalitätsbegriffen, mit Natur, Welt und Wissen, zusammen?
Verweist die Stelle im neuen Welt-Katechismus, in dem es heißt, daß Maria „mit liebender Zustimmung“ dem Kreuzestod ihres Sohnes beiwohnte, nicht auf eine Versuchung, die im Konstrukt des „stellvertretenden Leidens“ mit enthalten ist: daß nämlich die Theologie nur noch das instrumentalisierte Leiden kennt, den Ausdruck des unmittelbaren Leidens aber nicht mehr erträgt.
In der Mathematik und in seiner Beziehung zu den Medien ist jeder für sich; die Mathematik und die Medien begründen das Kollektiv der Einsamen, das stumme Kollektiv (Produkt der Trennung von Sprache und Realität).
Thomas von Aquin hat noch gewußt, daß die Seligen im Himmel an ihrer Trennung vom Leib leiden. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff des Leibes!
Katechismus
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17.4.96
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26.2.1995
Falsch an der Astrologie ist nicht ihr Widerspruch gegen die Naturwissenschaften, gegen das kopernikanische System, sondern falsch ist ihre Zuordnung zum individuellen Schicksal der Menschen. Aber ist sie nicht genau dadurch, durch ihre Anbindung ans Prinzip der Selbsterhaltung, zur Vorstufe der wissenschaftlichen Naturerkenntnis, die aus dem Prinzip der Selbsterhaltung sich herleitet, geworden?
Nicht die Seelen, sondern die Namen der Verstorbenen sind im Himmel, der am Ende als Buch des Lebens sich enthüllt, aufbewahrt.
Das Substantiv ist der Repräsentant der namenlos gewordenen Toten in einer Grammatik, in der die Kraft des Namens erloschen (der Himmel gegenstandslos geworden) ist. Eine Vorstufe dieses Sprachverständnisses war der Ursprung des Weltbegriffs und dessen theologische Rezeption in der Lehre der creatio mundi ex nihilo. Vgl. hierzu den katholischen „Weltkatechismus“, der glaubt, den ersten Satz der Genesis durch den Hinweis, daß Himmel und Erde nur ein mythischer Ausdruck für alles, was ist, sei, erklären zu können.
Daß der Himmel aufgespannt ist: Ist das nicht auch ein Hinweis darauf, daß diese fast unerträgliche Spannung des Symbolischen zum Wörtlichen (im realhistorischen Sinne) auszuhalten ist, wenn die Idee des Himmels nicht ganz verloren gehen soll?
Der Fundamentalismus nimmt die Schrift wörtlich, nachdem er das Wort vergessen (gelöscht) hat; er ist die Rache der Opfertheologie an der Schrift (dessen erste Manifestation war der Islam, der der Opfertheologie nicht mehr bedurfte, weil er sie schon im „Islam“, im Opfer der Vernunft, verinnerlicht hatte).
Das Dogma hat den Knoten durchschlagen, nicht gelöst (und die Kirche hat seitdem nur gebunden, nicht gelöst). Das Schwert, mit dem der Knoten durchschlagen worden ist, läßt sich genaue bezeichnen: es steckt im Begriff der homousia, einem Vorboten des Inertialsystems. – Bezieht sich der gordische Knoten nicht auch auf das Verhältnis von Rind und Esel (von Joch und Last), und löst nicht das Wort des Jesaia das gordische Rätsel?
Die Sünde der Theologie: Das Dogma ist das vergrabene Talent.
Der Rosenzweig-Benjaminsche Begriff des Mythos, der ihn in Widerspruch zu Offenbarung anstatt zur Auklärung setzt, findet deshalb so schwer Eingang in die christliche Theologie, weil deren Tradition selber in die Geschichte der Aufklärung verstrickt ist. Und diese Verstrickung reicht bis in den Kern der theologischen Inhalte hinein. Die christliche Theologie ist in den Säkularisationsprozeß verstrickt; so sie ist zur Theologie hinter dem Rücken Gottes geworden.
Zum Ursprung des Neutrum: Gibt es nicht für den Tod den Ausdruck „ire ad plures“? Und verweist dieser Ausdruck nicht sowohl auf den Ursprung des Objektivationprozesses wie auch auf den des Begriffs der Materie (sowie der Begriffe Welt und Natur)? Heidegger hat dieses „ire ad plures“ in seinem „Vorlaufen in den Tod“, das dann in der völkischen Fundamentalontologie sich wiederfindet, wörtlich genommen. In Getsemane erscheint dieses „ire ad plures“ unter dem Symbol des Kelches.
Gibt es nicht eine ganze Gruppe frühchristlicher Häresien, die sich alle um das Verständnis des Kreuzestodes gruppieren, an der die Ursprünge des Projekts der opfertheologischen Instrumentalisierung des Kreuzestodes sich ablesen und demonstrieren lassen? Lassen nicht alle diese Häresien daraus sich ableiten, daß das Ereignis in einer vom Neutrum beherrschten Sprache in der Tat unverständlich ist (dem inneren Objektivationstrieb dieser Sprache sich widersetzt)?
Zum Säkularisationskonzept von Johann Baptist Metz (zu seinem affirmativen Verständnis der „Verweltlichung der Welt“) wäre differenzierend auf die „Dornen und Disteln“ (und deren Interpretation durch Eleazar von Worms) sowie auf Walter Benjamins Bemerkung über die Beziehung des Messianischen zum Profanen hinzuweisen. Die Verweltlichung der Welt ist eins mit der Vergesellschaftung von Herrschaft, deren Reflexion die Theologie vom Bann der Herrschaft befreien könnte.
Haben wir nicht längst vor dem Problem, das Verhältnis der drei Dimensionen im Raum zu begreifen, kapituliert? Und ist nicht alles weitere eine Folge dieser Kapitulation?
Ist nicht der Begriff der „Rede“ (in der „Rede von Gott“) ein im schlechten Sinne politischer (die säkularisierte Gestalt der ebenfalls schon monologischen Predigt)? Dieser Begriff der Rede hat in Hitler seine apokalyptische Dimension offenbart. Ist er danach (als „Rede von Gott“) auf den Begriff der Theologie noch anwendbar? Er hat mehr mit der propaganda fidei und dessen göbbelsschen Ausläufern zu tun, als der Theologie lieb sein darf. „Rede von Gott“: Das ist der „Schrecken um und um“ der Theologie. Theologie würde sich in einer Sprache erfüllen, die die Kraft des Namens wieder erweckt, und in der der Name – als Sprache der Erkenntnis – wieder theophore Züge annimmt: in der Heiligung des Gottesnamens. Das „Heute, wenn ihr seine Stimme hört“ ist das Heute, an dem wir unsern Namen hören (deshalb gehört das „Ich, mit Vor und Zunamen“, „Ich, Franz Rosenzweig“, zu den objektiven Gründen des Sterns der Erlösung). -
31.8.1994
Die Logik der Schrift trennt nicht nur Welt und Natur, sondern auch Öffentlichkeit und Privatsphäre (sie konstituiert den Weltbegriff und die Öffentlichkeit, und macht damit überhaupt erst die Natur zur Natur und die unmittelbare Existenz zur Privatexistenz).
Das Objekt ist ein Produkt der Schrift.
Ist nicht die Logik der Schrift das Buch mit sieben Siegeln, deren Lösung die Sprache (das Wort) aus den Verstrickungen der Logik der Schrift befreit?
War nicht die paulinische Gesetzeskritik eigentlich eine Kritik der Logik der Schrift, und war nicht das Wort vom Ende des Gesetzes die voreilige Ankündigung des Endes der Logik der Schrift, das (außer in der Erinnerung des Kreuzestodes) noch nicht eingetreten war? Aber der Kirche ist es dann „gelungen“, den Kreuzestod durch seine opfertheologische Neutralisierung zu neutralisieren und zu domestizieren.
Gründen nicht die Probleme der paulinischen Theologie darin, daß er keine andere Wahl hatte: die Mittel der Kritik der Logik der Schrift (des Gesetzes) waren die Mittel der Logik der Schrift.
Unterscheidet sich das Himmelreich vom Gottesreich wie die Erfüllung der Schrift (der Kreuzestod) von der Erfüllung des Wortes (der Erneuerung des Antlitzes der Erde)?
Zur Thora: Ist die Lehre nicht in dem Augenblick, als „die Schrift sich erfüllte“, zum Gesetz geworden?
Mit dem homousia ist die Logik der Schrift endgültig im Dogma verankert und Jesus nochmals gekreuzigt worden.
Erfüllung der Schrift:
– auf dem Wege nach Emmaus hat Jesus den Jüngern (deren Augen „gehalten wurden“ und die ihn dann erst am Brotbrechen erkannten) anhand der Schriften (Moses und der Propheten) nachgewiesen, daß Christus „dies alles leiden“ mußte, bevor er in seine Herrlichkeit eingehen konnte (Lk 2425ff); und zu Maria Magdalena sagte er: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren“ (Joh 2017);
– die Reden in der Apostelgeschichte (die des Petrus am Pfingsttag, die des Stephanus vor seiner Steinigung, aber auch das Gespräch des Philippus mit dem Aethiopier) beziehen sich, wie es scheint, ausschließlich auf das, was man die Erfüllung der Schrift nennen könnte, nicht aber auf die Erfüllung des Worts, die noch aussteht.
Ist nicht das Feuer ein Symbol der Gottesfurcht, und sind Fegfeuer und Hölle nicht projektive Verkörperungen der verdrängten Gottesfurcht?
Ist nicht am neuen Welt-Katechismus im Detail abzulesen, in welche Engführungen und in welche Verstrickungen (oder: in welche Versuchungen) die Logik der Schrift heute hineinführt?
Wie verhält sich das: Im Schöpfungsbericht, der sich begreifen läßt als eine Geschichte von Katastrophe und Rettung, ist die Schöpfung das Werk Elohims; der Geschichte vom Sündenfall zufolge ist das katastrophische Element in der Schöpfung bedingt, verursacht durch die Sünde Adams (nach Joh 129 die „Sünde der Welt“).
Über die neutralisierende Gewalt der Orthogonalität (die Neutralisierung der Differenz zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion).
Et ne nos inducas in tentationem: Diese Versuchungen, sind das nicht (wie die Versuchungen Jesu nach seinem Aufenthalt in der Wüste) die Versuchungen der Logik der Schrift?
Ist nicht die scientia, der Ursprung der Wissenschaft im Kern der christlichen Theologie, die Rache der Gnosis an der Theologie?
Die drei Leugnungen beziehen sich auf das Verhältnis des Wortes (des Logos) zur Logik der Schrift (deren Vollstreckerin die Kirche seit ihrem Ursprung gewesen ist). -
23.8.1994
Ist die Logik der Schrift idealistisch und männlich: die Sünde der Welt?
Die Existenz der Kirche ist der Beweis dafür, daß die Sünde wider den Heiligen Geist in dieser Welt nicht vergeben wird.
Die Vorstellung einer homogenen Zeit ist ein Produkt des Seitenblicks; zu ihrer Ursprungsgeschichte gehört die Geschichte der Verinnerlichung des Schicksals und der Scham. Hiermit hängt es zusammen, wenn in der Johannes-Apokalypse die prophetische Verknüpfung des Taumelbechers mit dem Kelch des göttlichen Zorns ergänzt wird durch den Unzuchtbecher. Dokumentiert wird diese Geschichte in der Geschichte des Ursprungs der Raumvorstellung, in dem Prozeß, in dem der Raum zur subjektiven Form der äußeren Anschauung geworden ist (von der griechischen Winkelgeometrie, der Entdeckung der Orthogonalität, zum modernen Inertialsystem). Es sind die subjektiven Formen der Anschauung, die zur Bindung der Erkenntnis an die Urteilsform keine Alternative mehr zulassen, und die dann das Sprachverständnis bis in den Kern verhext haben (Trennung der Welt da draußen von der Sprache in meinem Kopf, die doch diese Welt da draußen zugleich fürs Bewußtsein organisiert: das Kelch-Symbol und sein Sprachgrund).
Liegt nicht das Problem der Blutsymbolik im Problem des Kelchs. Wenn das Blut in den Taumelkelch, in den Kelch des göttlichen Zorns mit hereingenommen wird (wenn es zu den subjektiven Formen der Anschauung und zum Reich der Erscheinungen keine Alternative mehr gibt), wird dieser Kelch zum Becher der Unzucht. Darauf bezieht sich das Paulus-Wort, daß, wer diesen Kelch unwürdig trinkt, sich das Gericht trinkt: Die Opfertheologie hat den Kelch des göttlichen Zorns zu einem Becher der Unzucht gemacht. Die Sünde der Welt reicht bis in den Kern der christlichen theologischen Tradition herein.
Daß der Menschensohn zur Rechten des Vaters sitzt, heißt das nicht, daß die Erfüllung des Wortes und die Befreiung der göttlichen Barmherzigkeit zusammenfallen?
Die Reflexion der Sexualmoral, die mit Adornos erstem Gebot der Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht, beginnt, führt unmittelbar in die Herrschaftskritik: in die Heiligung des Gottesnamens.
Beim gegenwärtigen Stand der Aufklärung gibt es zu Jer 3134 keine Alternative mehr. Zielt nicht Reinhold Schneiders „Allein den Betern kann es noch gelingen“ auf dieses Ziel, auf die Erfüllung des Wortes; und enthält es nicht die einzig noch zulässige Version des Gebets?
Was die drei jüdischen Heroen der Wissenschaftskritik, Marx, Freud und Einstein, verbindet (und das „Scheitern“ in ihren Konstrukten vorprogrammiert), ist ein positivistisches Moment:
– bei Marx der Rekurs aufs Tauschprinzip, ohne das die Kapitalismuskritik nicht möglich gewesen wäre,
– bei Einstein der Rekurs aufs Relativitätsprinzip, ohne den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht formulierbar gewesen wäre, und
– bei Freud die Verwerfung des Gedankens an die Realität der Erinnerung von Frauen und Kindern an sexuellen Mißbrauch; nur so war es möglich, das Hysterie- und damit das Neurose-Konzept der Psychoanalyse auf eine „solide“ begriffliche Grundlage zu stellen.
Bezeichnet nicht der Naturbegriff die sieben Plagen und der Weltbegriff die sieben Donner (die Johannes nicht aufschreiben durfte)?
Hätte Hegel den Übergang vom Sein zum Nichts anstatt als Werden als Vergehen begriffen, so wäre die Hegelsche Logik schon an ihrem Ende gewesen. Aber war das nicht die Situation, in der Heidegger sich vorfand, der versucht hat, diesem Vergehen dadurch zu entkommen, daß er es zur Zeit neutralisierte? Und ist nicht Heidegger, im Gegensatz zu Hegel, der ein sehr protestantischer Philosoph war, ein sehr katholischer Philosoph? Hegel war der Philosoph des Taumelbechers und des Bechers des göttlichen Zorns, Heidegger der des des Bechers der Unzucht.
Verhalten sich nicht Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit bei Heidegger wie das Vorhandene und das Zuhandene oder wie Unmittelbarkeit und Reflexion? Die Eigentlichkeit ist die starr festgehaltene Unmittelbarkeit, die Uneigentlichkeit die gleiche Eigentlichkeit als Gegenstand der Reflexion, und das Ganze nur ein taktisches Verfahren, das Objekt der Ontologie dadurch emphatisch aufzuheizen, daß es der Reflexion entzogen wird, und so die Ontologie gleichsam unangreifbar zu machen (Konstruktion des automatisierten Denkverbots).
Die christliche Idee der Liebe ist zu einem Attribut des Herrschafts- und Besitztrieb geworden, wie auch die Bekenntnislogik Gott selbst zum Gegenstand dieses Herrschafts- und Besitztriebs gemacht hat (Domestikation Gottes durchs Opfer: Religion als Religion für andere).
Wenn im neuen Weltkatechismus von der „Natur des Menschen“ gesprochen wird – und es wird sehr oft davon gesprochen -, dann folgt mit Sicherheit eine Gemeinheit, deren einziger Zweck darin besteht, das Vormundschaftsrecht der Kirche abzusichern.
Hegel hat den Bann des Weltbegriffs reflektiert, er hat ihn nicht gelöst.
Sind nicht die sogenannten Anziehungskräfte Produkte der Zeitdilatation, der Relativierung der Gleichzeitigkeit.
Reversibel sind die Richtungen des Raumes nur für die Reflexion, nicht real.
Die Finsternis über dem Abgrund ist der Gegenstand der Trauerarbeit (und die Trauerarbeit die Tätigkeit des über den Wassern brütenden Geistes).
In ihrer gegenwärtigen Phase produziert die Aufklärung das Chaos, aus dem die zuküntige Welt zu erschaffen wäre. Oder anders: Heute produziert die Lokomotive den Abgrund, auf den sie mit wachsender Geschwindigkeit zurast. Gilt hierfür das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? -
17.7.1994
Gehört nicht das Thema Habermas und die Natur unter das Motto der Operetten-Weisheit „Glücklich ist, wer vergißt, was nicht zu ändern ist“ (oder des deutschen Sprichworts: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“)? Heute, so scheint es, ist der Himmel (selbst für den „Welt-Katechismus“) kein Thema mehr: kann es sein daß er nur wiederzuentdecken ist über das Problem der Logik der Schrift? Das Inertialsystem als Totaloperation: Das Inertialsystem ist die abstrakte Grenze des Irdischen zur Vergangenheit, der Himmel die konkrete, die des Ewigen zur Vergangenheit; mit der Idee des Ewigen ist auch diese Grenze durchs Inertialsystem im wörtlichen Sinne gegenstandslos gemacht und verdrängt worden. Die Griechen haben vorn und hinten, rechts und links reversibel und austauschbar gemacht (Ursprung der Winkel-Mathematik, der Geometrie und des Begriffs der Orthogonalität); erst die modernen Naturwissenschaften haben oben und unten, Himmel und Erde, in diesen Reflexionszusammenhang mit hereingezogen, und das über zwei naturwissenschaftliche Theorien: das Gravitationsgesetz und die physikalische Optik. Das Gravitationsgesetz hat die Universalität des Inertialsystems „begründet“, die physikalische Optik ihre Folgen entfaltet und notiert. Der Himmel (die Schrift) ist sein Thron, die Erde (die Sprache) der Schemel seiner Füße; aber Gott ist auch der, der auf den Keruben thront. Gilt das Wort: Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, nicht vorab fürs Inertialsystem, und ist nicht das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der Beweis? Sind nicht alle kosmologischen Theorien heute nur Dokumente von Aporien: die Urknall-Theorie, die „Expansion des Universums“, die „Schwarzen Löcher“? Und gilt das nicht auch schon für ihre Vorläufer, von der Kant-Laplaceschen Planeten-Theorie bis zu den Konnotationen der Frage, warum es nachts dunkel ist? (17.-24.94: jüdisch-christliche Bibelwoche in Bendorf)
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3.7.1994
Das Gebet ist die Antwort auf die Einsicht, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht.
Die jüdische-christliche Tradition unterscheidet sich vom gegenwärtigen Utopiebegriff dadurch, daß sie die Vergangenheit (die Natur) in die Utopie mit hereinnimmt.
Wenn das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht ist, heißt das nicht auch: Hegels Geschichtsphilosophie gegen den Strich bürsten?
– Der evangelische Rat des Hörens ist der Ausgangspunkt einer Kritik der Logik der Schrift,
– die Armutsforderung liegt der Kritik des Geldes (des Kapitalismus) zugrunde,
– das Keuschheitsgebot der Herrschaftskritik.
Der dem Begriff der Keuschheit korrespondierende Begriff der Unschuld ist immer als natürliche Unschuld, als Unschuld vor der Sünde, verstanden worden. Aber diese Unschuld hat es nie gegeben. Muß dann nicht auch die Keuschheitsforderung auf das Werk der Versöhnung bezogen werden?
Unschuld und Glück sind korrespondierende Begriffe. Beide sind nicht am Anfang, sie sind nicht etwas zu Bewahrendes; sie sind Ziel, nicht Ursprung (Unschuld ist zu gewinnen durch Sündenvergebung).
Ist nicht die Opferfalle eine Unschuldsfalle: Wer reines Opfer ist, für den ist der Täter, der Schuldige, erkennbar.
Das Wahrnehmungsorgan der Sensibilität ist die Sprache (das Hören).
Der Satz: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, beweist schlagend die Asymmetrie von Ethik und Recht. Er ist insofern der Beginn einer Gottesbeweises, als er gegen die Hypostasierung des Rechts die Ethik als prima philosophia zu begründen vermag (die Ontologie schützt die Gemeinheit).
Die Universität ist die Tathandlung, die Fichtes Wissenschaftslehre begründet.
Die Sprache konstituiert die Welt; weshalb sprengt dann die Todesangst das All? Ist das Neutrum (und sind die ihm korrespondierenden grammatischen Strukturen) das Produkt der Verdrängung der Todesangst?
Was bedeutet es eigentlich, daß in den semitischen Sprachen auch die zweite Person schon (oder noch) geschlechtsbezogen (männlich oder weiblich) ist? Hinweis: Ein Neutrum wäre in der zweiten Person nicht denkbar; und die Verschiebung der Geschlechtsabhängigkeit in die dritte Person verändert die Beziehung zur Sexualität insgesamt.
Während es die Aufgabe der Geschichtsschreibung zu sein scheint, die Vergangenheit stillzustellen (so daß sie die Gegenwart nicht mehr beunruhigt oder belastet), hatte die jüdische Geschichtserinnerung die irritierende Eigenschaft, die vergangenen Sünden zu erinnern (bis hin zur Sünde Adams, zur „Sünde der Welt“). Hier gründet die verhängnisvolle Wirkung, die der christlichen Erlösungslehre sich verdankt: Durch eine geringfügige Verschiebung (durch Herausnahme der Übernahme der Sünde der Welt aus dem Nachfolgegebot, mit der Konsequenz der Opfertheologie und der Vergöttlichung Jesu) hat sie der Erinnerung, dem Eingedenken, den Weg verstellt.
Nicht zufällig hat die Aufklärung (bis hin zu Hegel) den Sündenfall als Akt der Befreiung verstanden.
Der Hinweis im neuen Weltkatechismus, daß „Himmel und Erde“ ein mythischer Ausdruck für alles, was ist, sei, leugnet den Sündenfall und bringt in die Theologie einen Widerspruch hinein, der in ihr nicht mehr zu lösen ist: der die Wahrheit, und mit ihr die Menschen, aus der Theologie heraustreibt (abtreibt). Hier gründet das projektive Moment in der kirchlichen Stellung zur Abtreibungsdebatte. Aber wird mit den Frauen nicht die einzige in der Schrift bezeichnete Instanz, die die Feindschaft gegen die Schlange repräsentiert, aus der Kirche herausgetrieben?
Paulus hat nicht „die Gemeinde“ (die Kirche) verfolgt, sondern er war verantwortlich für einen Mord: die Steinigung des Stephanus. Bei seinem ersten Besuch in Jerusalem waren es die „Hellenisten“ (nicht die Juden), deren Angriffen er ausgesetzt war, und während er nach dem Galaterbrief nur Kephas (und den Herrenbruder Jakobus) getroffen hat, ist er nach der Apostelgeschichte „bei den Jüngern“ aus- und eingegangen. Salus/Paulus hat den Zebedäussohn Jakobus offensichtlich nicht mehr getroffen (die Hinrichtung des Jakobus war später als die Verfolgungen des Saulus, aber vor dem ersten Besuch des Saulus in Jerusalem).
Der erste „Bischof“ in Jerusalem war der „Herrenbruder“ Jakobus (der zum „Apostel“ als nachträglicher „Zeuge“ der Auferstehung geworden ist, vgl. 1 Kor 157).
Verfolgungen in Jerusalem:
– durch Hohepriester/Sadduzäer: die Apostel (Apg 517ff),
– durch „einige aus der Synagoge, welche die der Libertiner und Cyrenäer und Alexandriner genannt wird“ und Saulus: Stephanus und die „Gemeinde“, die „Hellenisten“ (Apg 69ff),
– Herodes: Hinrichtigung des Johannes-Bruders Jakobus (einer der Zebedäus-Söhne) und Gefangennahme des Petrus (Apg 121ff). -
28.6.1994
Die Erinnerung des Leidens (Metz) ist nur die eine, „objektive“ Seite der Sache (die für sich nur das Selbstmitleid, die fatale Tradition der christlichen Leidensmystik, begründet), das verteidigende, parakletische Denken die andere: ihr Symbol ist die Idee der Auferstehung der Toten (vgl. hierzu die grandiose Stelle in Büchners „Lenz“).
Die Erlösung kommt „wie ein Dieb in der Nacht“: Die Totalität der Nacht (die Finsternis über dem Abgrund) ist das Objekt.
Es genügt nicht zu sagen, daß der Schöpfungsbericht sich auf einen anderen Bereich bezieht als die Naturwissenschaften. Es käme vielmehr darauf an, die Beziehung beider zu bestimmen. Diese Beziehung ist bestimmbar über den Begriff der Umkehr.
Welche und wieviel Siebener-Gruppen gibt es in der Apokalypse, und in welcher Beziehung stehen sie zu einander?
Die Lösung der sieben Siegel: die Peripherie ist das Zentrum, und der Ursprung das Ziel. Die intentio recta ist das Medium des Sündenfalls (der Verstrickung ins richtende Denken).
Ist nicht der Name des Universums der deutlichste Name der Welt, gleichsam die logische Handlungsanweisung zur Konstituierung des Weltbegriffs? Die Logik des Universums, die schon den antiken Kosmologien zugrundeliegt, ist die Logik der Geldwirtschaft (ablesbar an der Geschichte der Banken: hier gründet das Sein, auf das die Hegelsche Logik als ihren Ursprung sich bezieht).
Wer die Substanz zum Subjekt (und die Menschen zu einem Teil der Welt) macht, leugnet die Freiheit der Kinder Gottes und damit den Heiligen Geist.
Ist nicht der Heilige Geist der „Gegenstand“, auf den das Wort vom Binden und Lösen sich bezieht; und gewinnt nicht in diesem Zusammenhang die These, daß die Kirche bis heute nur gebunden, nicht gelöst hat, ihren ungeheuren Sinn? Gehört nicht zum Wort vom Binden und Lösen das apokalyptische Wort vom Lamm, das allein würdig ist, die sieben Siegel des Buches zu lösen; das Wort, das Joh 129 in die Perspektive der Nachfolge rückt?
Die Vorstellung einer absoluten Vergangenheit leugnet Gott. Auch die Toten gehören als dessen Abbild zum Angesicht Gottes. Die Erfindung der Tiefenzeit gehört zu den Voraussetzungen der Vergesellschaftung von Herrschaft.
Sind nicht die sieben Siegel Totalitätsbegriffe, auf die unsere Sprache, unser Bewußtsein und unser Denken versiegelt ist? Dazu gehören die drei kantischen Totalitätsbegriffe: Wissen, Natur und Welt, aber auch schon die griechischen (die projektiven Urbegriffe der Philosophie): die Barbaren und die Materie, insbesondere aber das Sein.
Wie oft und an welchen Stellen kommt der Name der Barbaren in der Schrift vor (wie in 2 Makk und in der Apg, beim Schiffbruch vor Malta)?
Die Drehung des Raumes um jede seiner drei Achsen führt ihn in seine Ursprungsgestalt zurück: deshalb ist die Raumvorstellung der Generator der neutralisierten Dingvorstellung (des Objektbegriffs, der der Urteilsform zugrunde liegt).
Ist die Kritik der Orthogonalität (Kritik der Urteilsform) der Grund der Kritik der Naturbeherrschung? Die Dreidimensionalität des Raumes ist der Grund des Objektbegriffs: Der Objektbegriff ist der Grund, auf dem der babylonische Turm erbaut wurde, und zugleich der Wirbel, der die Sprache verwirrt.
Die Vorstellung, daß die Sprache auf eine außer ihr (und ohne sie) bestehende Wirklichkeit sich bezieht, ist wahr und unwahr zugleich: Sprache konstituiert ebensosehr die Wirklichkeit, wie diese Wirklichkeit zugleich als mächtiger als unsere Sprache sich erweist. Im Kontext dieser (durchs Inertialsystem definierten) Vorstellung ist die Welt alles, was der Fall ist. Die darin begründete Entmächtigung der Sprache ist die Selbstzerstörung ihrer benennenden Kraft.
Die Ablösung der Sprache von der Wirklichkeit ist eine Leistung des Weltbegriffs (der so Sprache und Welt zugleich verändert: der neue „Welt-Katechismus“ der Kirche verdient diesen Namen in der Tat).
Die hebräische Sprache ist keine Ursprache, sondern Ausdruck einer Beziehung zur Sprache (einer gegen die Logik der Schrift sich behauptenden Sprachlogik), die den Keim der Utopie in sich enthält. Sind nicht die sogenannten Quellen der biblischen Texte (J, E, Dt) Ausdruck differierender Sprachlogiken, die erst in ihren wechselseitigen Beziehungen, in ihren Reflexionsbeziehungen, Anteil an der Wahrheit gewinnen? Drückt nicht im Namen des Hebräischen diese gespannte und kritische Beziehung zur Logik der Schrift (der Zwang zur Symbollogik) sich aus?
Kann es sein, daß, was in den „Quellen“ des biblischen Textes nebeneinander sich präsentiert, in der Geschichte des Christentums in eine zeitliche Folge (in die Geschichte der drei Leugnungen) transformiert wurde?
Die Vätertheologie war eine monastische, ein Mönchs-Theologie, Resultat einer Flucht vor der Welt, aus der als einer heidnischen Welt die Christen in der Erwartung ihrer apokalyptischen Umgestaltung in die Glaubensgestalt der Utopie sich zurückgezogen hatten. Der Glaube blieb der Welt ebenso feindlich, wie er gegen sie hilflos war. Nur als Kirche war der Glaube gezwungen, sich in der Welt zu etablieren. Die Welt, in der sie sich vorfand, war die Welt des Römischen Imperiums, mit der sie nach der „Bekehrung“ Konstantins glaubte, sich aussöhnen zu können und zu müssen. Auf dieser Grundlage hat die Theologie in der Scholastik – und der Anstoß dazu kam vom Islam – als kirchen-imperialistische Weltphilosophie sich etabliert (mit dem mönchischen Hintergrund der Bettelorden und der Inquisition).
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11.12.93
Apokalyptik, S. 406: Repräsentiert nicht, was Vielhauer die „nationale Eschatologie“ (nämlich der Juden) nennt, den Innenraum der Prophetie, während die vier Metalle, die vier Tiere, der kosmisch-universale Rahmen der Apokalypse den katastrophischen Aspekt der Totalität (der Welt) bezeichnen? Die Apokalypse reflektiert den Ursprung des Weltbegriffs als die gleiche Katastrophe, die der Naturbegriff verdrängt und neutralisiert.
War die Benennung der Tiere durch Adam der Grund der Erkenntnis der Sterne und der Metalle?
Die Apokalyptik verhält sich zur Prophetie wie die Naturwissenschaft zur Philosophie.
Mit dem Ursprung des Weltbegriffs (der Trennung von Natur und Welt) wird die Prophetie zur Apokalypse, und hierbei erweist sich die Apokalypse als das prophetische Äquivalent des Naturbegriffs. Das Buch Jona ist postapokalyptisch.
In einer Welt, in der gesellschaftliche Naturkatastrophen erfahrbar geworden sind, müßte es nahe liegen, die kosmischen Katastrophen der Apokalypse auch als gesellschaftliche Katastrophen zu dechiffrieren und zu begreifen. Ist nicht die Geschichte des Christentums insgesamt eine Geschichte gesellschaftlicher Naturkatastrophen?
S. 425: Gehören 2 Thess 26f u. parr. (die Bindung des Satans) zur Stelle vom Binden und Lösen (Mt 16)?
Ist die Sünde wider den heiligen Geist (der sich vollendende Staat) der Greuel am heiligen Ort?
Hier wird deutsch gesprochen: Hängt die Zitierung des männlichen Artikels im Genitiv und Dativ fem. sing. und allgemein im Genitiv und Dativ des Plural damit zusammen, daß in der deutschen Sprache der Infinitiv Sein gleichlautend (und nicht nur gleichlautend: sondern auch logisch verknüpft) ist mit dem Possessivpronomen der dritten Person masculinum? Und hängt hiermit die tiefe Zweideutigkeit einer jeden Ontologie zusammen: die Frage nach dem Sinn von Sein sowohl als phänomenologische Bedeutungsanalyse wie auch als weltanschaulich unendlich belastete „Sinnfrage“ (ein Femininum: aber die Goetheschen Mütter waren immer schon die Mütter des Mannes) zu verstehen?
Ist die CDU faschistisch? Die Frage ist so nicht ganz richtig gestellt: Der wirtschaftspolitische Liberalismus von CDU und FDP verfolgt eine Politik, die den Modernisierungsschub der Nazis, der zu Ende geführt hat, was im ersten Weltkrieg begonnen worden ist, nochmal weiterführt. Er verwaltet eine Welt, zu deren Grundlagen der nicht vergangene Faschismus gehört, und die jederzeit neu als faschistisch sich enthüllen kann.
Wenn (nach dem Weltkatechismus) Himmel und Erde nur ein mythischer Ausdruck für alles, was ist, ist, wie ist dann der Satz zu verstehen: Was du auf Erden binden (oder lösen) wirst, wird auch im Himmel gebunden (oder gelöst) sein?
Als Adorno einmal beklagte, daß die Studenten aus seinen Sätzen nur noch heraushörten, wofür oder wogegen er sei, hat er da nicht den Baum der Erkenntnis zitiert?
Der Satz: Jenseits des Todes ist nicht nach dem Tode, hat etwas mit der Unterscheidung von Hinter dem Rücken und Im Angesicht zu tun. Dazu gehören außerdem:
– die Rosenzweigsche Todesangst,
– Getsemane,
– Erich Fromms Analyse der Destruktivität,
– die Stelle in den Minima Moralia.
Gehören nicht die Hure Babylon (Verkörperung der „Unzucht“, die als Gegenstand der Sexualmoral seit dem Ursprung des Weltbegriffs nur noch projektiv diskriminiert worden ist), der Taumelbecher und der Götzendienst zur Prophetie und zur Apokalyptik zugleich?
Zusammenhang der Begriffe Natur und Materie mit dem Ursprung der Sexualmoral (theoretischer und moralischer Gebrauch des Urteils).
Ist nicht die Kampagne gegen die Abtreibung ein Produkt der projektiven Verarbeitung der eigenen Unfähigkeit, die messianischen Wehen auf sich zu nehmen, und zugleich die letzte Konsequenz aus der projektiven Verarbeitung des Unzucht-Symbols in der Sexualmoral (die kirchliche Version des „perfekten Verbrechens“: der vollendeten Unbarmherzigkeit und Gnadenlosigkeit)? -
04.09.93
Ist nicht der Protestantismus eine Subjekt-Eucharistie (Produkt der Selbstanbetung)?
Bezieht sich der Staub, zu dem Adam wird (und den dann die Schlange frißt), auf den Lehm, aus dem er gemacht ist (Hi 108)?
Gen 503: Vierzig Tage währt die Zeit des Einbalsamierens. Und die Ägypter beweinten ihn (Israel) siebzig Tage. Nach Gen 74 regnete es (bei der Sintflut) vierzig Tage und vierzig Nächte. Waren es nicht auch vierzig Tage von der Auferstehung bis zur Himmelfahrt?
Die Umkehr ist keine bloße Gesinnungsänderung, oder gar ein Bekenntniswechsel, sondern schließt Trauer- und Erinnerungsarbeit mit ein.
Wenn das noachidische Nahrungsgebot zusammenhängt mit Ursprung hierarchischer Strukturen (mit dem Einbau der Gewalt in den Begriff der Objektivität, mit der Geschichte der Verinnerlichung von Gewalt), was bedeutet es dann, wenn „das Wort Fleisch geworden“ ist? Werden nicht mit dem dazugehörigen „Kannibalismus“ (wenn in der Eucharistie nicht nur Fleisch, sondern auch Blut genossen wird) die noachidischen Gebote im Kern verletzt? Wie verhält sich das zum biblischen Blutverständnis generell? Und in welche Konstellation rückt das Blut mit dem (wiederum an Noach gemahnenden) Wasser und dem Wein? Ist nicht die Philosophie als Theologie trunken geworden („Wunder“ von Kana)?
Mit der Installation des Weltbegriffs in der Theologie wurde der Himmel verdrängt (nach dem neuen Weltkatechismus der katholischen Kirche bezeichnen Himmel und Erde nur „alles was ist“): Das Aufspannen von Raum und Zeit im Inertialsystem ist eine Parodie auf den Satz, daß Gott (die Erde gegründet und) den Himmel aufgespannt hat.
Ist nicht das Hegelsche Absolute der Wettlauf zwischen Hase und Igel als perpetuum mobile? Und hat Heidegger nicht die Hegelsche Logik mit dem die Eigentlichkeit begründenden „Vorlaufen in den Tod“ auf ihren kürzesten Begriff gebracht?
Hat die Verwerfung des Symbols bei Augustinus (sein Verständnis von ad litteram) nicht doch schon politische Gründe? Hat er nicht instinktiv das Subversive in der Schöpfungsgeschichte erkannt und verdrängt?
War der Turm von Babel als Bild der Orthogonalität das erste Erektionssymbol?
Die Orthogonalität besiegelt die Vergängnis: so hängen Raum und Zeit, die kantischen subjektiven Formen der Anschauung, zusammen; Ursprung des Naturbegriffs. Orthogonalität ist die Form der Beziehung von Natur und Welt, der babylonische Turm die erste Gestalt des Naturbegriffs, während die Verwirrung der Sprachen auf den Ursprung des Weltbegriffs zu beziehen wäre (die Trennung des Natur- und Weltbegriffs gründet in der Logik der indogermanischen Sprachen, in der gleichen Logik, die seine christologische Struktur fundiert). Hierin ist der Vergleich der Hegelschen Philosophie mit der Klugheit der Schlangen begründet.
Wenn man die kantische Analyse der subjektiven Formen der Anschauung, wie es bereits der deutsche Idealismus getan hat, affirmativ anstatt kritisch begreift, ist das Problem nicht zu lösen. Der affirmative Gebrauch der kantischen Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung (oder der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs) bringt den Gegenstand der Prophetie: die Gegenwart, die reine Aktualität, zum Verschwinden und „vollendet“ die Philosophie. Aus dem dreifachen „Nichts“ der Gegenwart rekonstruiert Franz Rosenzweig den Stern der Erlösung. -
08.07.93
Wie hängt die Gottesfurcht mit dem „Fürchtet euch nicht“ in der Schrift zusammen (unter anderem der Engel in den Evangelien; welcher Engel in welchen Evangelien? und welche Engel erschienen wem im Traum)? Gibt es einen Zusammenhang mit der Dämonenaustreibung?
Hat nicht das etablierte Christentum die Befreiung durch Gottesfurcht umgedeutet in eine Befreiung von der Gottesfurcht, und zwar aufgrund und in Zusammenhang mit der Rezeption des Weltbegriffs (durch das verhängnisvolle Konstrukt der „Entsühnung der Welt“)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern, der durch die Vorstellung der homogenen Zeit unkenntlich gemacht und verdrängt wird.
Die Entdeckung und Entfaltung der Raummetaphorik im Begriff der Umkehr ist der Schlüssel zur Kritik der Naturwissenschaften und des Weltbegriffs sowie zur Rekonstruktion eines theologischen Erkenntnisbegriffs.
Enthält die Rosenzweigsche Bejahung des Ja und Verneinung des Nein, die als Differenzierung des Hegelschen Begriffs der Aufhebung sich verstehen lassen, nicht eine Beziehung zur Zeit: Die Bejahung des Ja bezieht sich vorrangig auf das Moment der Zukunft, die Verneinung des Nein auf die Vergangenheit. Das Ergebnis ist in beiden Fällen ein Positives, aber die beiden Positiva sind nicht identisch, sondern deutlich unterschieden und durch das „Und“ auf einander bezogen.
Gibt es (im Hinblick auf die Konstruktion des Stern der Erlösung) nicht eine besondere Beziehung
– der Gottesfurcht zu Gott und zum Tod,
– der Umkehr zur Welt und zur Schuld und
– der Nachfolge zum Menschen und zur Sünde?
Hängt nicht das Rätsel des Christentums (das Rätsel, das das Christentum für sich selber ist) am Namen des Logos zu bestimmen (sic, B.H.): an der Beziehung des Logos, des Verbum, des Worts zum Namen? Erinnert das Verhältnis des Sohnes zum Vater nicht an die Rückbeziehung des Logos zum Namen, die allein den Namen des Logos aus den philosophischen Logos-Spekulationen zu befreien vermag? Das Christentum ist der Versuch, den Namen, die benennende Kraft der Sprache in die entfaltete, flektierende Sprache hinein zu retten, und hier gewinnen Joh 129 und die damit zusammenhängenden Stellen (die Übernahme und, nach dem Hebräerbrief, das Opfer der Sünde) ihre zentrale Bedeutung: Das Verbum löst sich aus der Verstrickung in den Begriff und gewinnt seine benennende Kraft zurück durch die Schuldreflexion, durch die „Übernahme der Sünden der Welt“. Umgekehrt: Durch die Sünden der Welt wird das Verbum, der Logos, zum Begriff, wird das Wort leer und stumm, zum flatus vocis. Das Wort ist das Lamm, das stumm zur Schlachtbank geführt wird, und der Kelch, den wir trinken müssen (bis zur Neige: zum Grund der Trunkenheit).
Der Name wird erinnert im homologein, in dem, was dann als Bekenntnis des Namens in der Schrift benannt wird: Hier und nur hier findet das Dogma von der homoousia seinen Grund und seine Wahrheit. Beide, das „Bekenntnis“ und die homoousia, gehören zum Nachfolgegebot, nicht in eine „Wesens“-Philosophie.
Es ist wahr, daß an der Trinitätslehre die gesamte christliche Theologie hängt, aber diese Trinitätslehre wird eher durch Gottesfurcht, Nachfolge und Umkehr als durch die abstrakte, verdinglichte Beziehung dreier „Personen“ repräsentiert. Ist nicht der Begriff der Zeugung in der Trinitäslehre mit der ungeheuren Zweideutigkeit belastet, die ohne das Moment der Umkehr zur Pädophilie, zum Inzest, zur Sodomie, m.e.W. polymorph pervers wird.
Erst wenn die Theologie von ihrer verdinglichten Gestalt befreit wird, wenn sie die Sprachreflexion in sich mit aufnimmt, die allein dem Logos angemessen ist, wird sie als ein Instrument der Gotteserkenntnis sich erweisen.
Hat nicht der Kreuzestod mit dem Futur II, dem Erleiden der zukünftigen Vergangenheit, zu tun? Ist er nicht auch, was ihn nicht abwertet noch verharmlost, etwas, was in die Beziehung des Verbs zum Nomen (in den Ursprung des Neutrum) mit hereinspielt, und ist nicht der Begriff des Substantivs der Greuel am heiligen Ort?
Gott will nicht, daß das Wort leer zu ihm zurückkehrt (Jes 5511): Ist das nicht die schärfste Kritik der Verhärtung des Herzens, des Begriffs und der Welt? Und ist es nicht die Kehrseite (und Voraussetzung) des andern Satzes: Heute, wenn ihr seine Stimme hört (Ps 957).
Ist das Brüllen Hitlers (Th. Haecker: Tag- und Nachtbücher) nicht eine Folge der Großschreibung der Substantive im Deutschen?
Zum Namen des Logos: Ist die Sprachgeschichte nicht in erster Linie eine Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Konjugationen, und erst in Abhängigkeit davon eine Geschichte des Ursprung und der Entfaltung der Deklinationen (und des Ursprungs des Neutrums: der Schlange)?
Zu den „drei Säulen“, auf die Paulus sich gelegentlich bezieht: Jakobus, Petrus und Johannes. Petrus ist klar; Johannes ist der „Lieblingsjünger“ Jesu, der Evangelist, der Verfasser der Apokalypse; aber wer ist Jakobus:
– (wie Johannes) einer der Söhne des Zebedäus (dieser Jakobus wurde von König Herodes Agrippa I. um 44 in Jerusalem „mit dem Schwert“ hingerichtet – Apg 121),
– der andere Apostel (der Sohn des Alphäus), oder
– der Herrenbruder (und Bruder des Judas, des Briefschreibers), der „Gerechte“, der „Bischof“ von Jerusalem?
„Hinrichtung“: Ist die Sensibilität der Menschen heute (in amnesty international, in der Ökologie- und Friedensbewegung, bei den Grünen) nicht doch auch ein Stück Alibi-Handlung, Manifestation eines ungeheuren Exkulpationsbedürfnisses? Steckt darin nicht das unaufgeklärte Gefühl einer ungeheuren Schuld, die Horkheimer einmal mit dem „Riesen-Leichenberg“, bezeichnet hat, „auf dem wir stehen“: gleichsam ein Stück verdrängter Gottesfurcht?
Frage: Wie lange ist diese Verdrängung des Vergangenen, die unser Bewußtsein konstituiert und prägt: wie lange ist der Weltbegriff noch durchzuhalten?
Wie ist das in der Urgeschichte Israels, mit den Geschichte von Exodus, Wüstenwanderung und vor allem Landnahme, mit der Tradition der Eroberung und Vernichtung der Städte (Jericho, Ai), der Kriege gegen Amalek: Ist hieran nicht zu studieren, was Realsymbolik zu nennen wäre, und wodurch sich diese von der säkularisierten Geschichtsschreibung unterscheidet? Und gehören diese Dinge nicht eher in den Kontext gesellschaftlicher Naturkatastrophen als in den der historische Politik-Kritik? Im sogenannten Alten Testament werden diese Dinge noch beim Namen genannt, während die christliche Kirchengeschichte zwar voll von den gleichen (und schlimmeren) Dingen ist, sie aber zugleich „schamvoll“ verschweigt oder – wie der neue Katechismus – zu „bedauerlichen Vorkommnissen“ verharmlost. -
01.07.93
Bezeichnet nicht das liberum arbitrium die Freiheit von Privateigentümern (die freie Verfügbarkeit über das Eigentum und die freie Wahl der Ziele und der Mittel), und gründet diese Freiheitsvorstellung nicht in den (drei) „Freiheits“-graden des Raumes?
Waren die alten Schriftsprachen Alltagssprachen, gesprochene Sprachen? Unverkennbar ist im Hebräischen wie im Griechischen und Latein das konstruktive, systematische Element, etwas, das eher an die Rationalität der Technik als an das, was die Moderne Empfindung, Gefühl, Emotion nennt, erinnert und in erheblichem Umfange als künstlich erfahren wird. Die Flexionen (Konjugation und Deklination), die je nach Kontext unterschiedlich sich auskristallisieren, sind gleichsam Formen der technischen Durchorganisation, und deren Medium waren die Elemente der Artikulation (die in der Schrift sich vergegenständlichenden Konsonanten und später auch Vokale) und dann die Prä- und Suffixe (die Nachfolger der sumerischen „Determinanten“: War insbesondere die sumerische außer in Verwaltung und Religion je eine gesprochene Sprache?). Je nach Kontext: Kann es sein, daß in der strukturell (und nicht biologisch-genetisch, gar rassisch) begründeten Unterscheidung der semitischen von den indogermanischen Sprachen unterschiedliche Stellungen zur Objektivität sich ausdrücken, die in der frühgeschichtlichen Gesellschaftsgeschichte (Ursprung der Städte, der Religion und des Opferwesens, des Königtums und der Geldwirtschaft) ihre Wurzeln haben und insbesondere in der Differenz von Philosophie und Prophetie erkennbar werden? Sind die Geschichten von der Sintflut und vom Turmbau von Babel nicht Hinweise hierauf?
Ist nicht die Stadt die Keimzelle sowohl des Privateigentums und der Geldwirtschaft als auch der Sprachentwicklung, und ist beides nicht zusammengefaßt in dem Symbol des Turmbaus zu Babel?
Bezeichnet im bereschit bara elohim et haschamajim we’et ha’arez das schamajim den Konstruktionsraum der Sprache (nicht zufällig ist mit dem Verschwinden des Himmels auch die benennende Kraft der Sprache erloschen)? Und gewinnt nicht vor diesem Hintergrund das Wort am Ende des Buches Jona von den Menschen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, eine ungeheure Bedeutung; verleiht sie nicht dem „Raumproblem“ überhaupt erst sein metaphysisches Gewicht?
schamajim oder die Sintflut und der brennende Dornbusch: das Desiderat einer Theorie des Feuers (Dornen und Disteln, das Jesus-Wort „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen“, die indogermanischen und die semitischen Sprachen).
Im Namen des Himmels verbinden sich nach kabbalistsicher Tradition das Wasser und das Feuer. Nach der Sintflut: next time fire. Gibt es eine Beziehung des Feuers zum Blut und zur Scham? Sind nicht die Übernahme der Sünde der Welt und die Aufopferung der Sünde andere Bezeichnungen für das Feuer (daß Jesus vom Himmel bringen wollte, und er wollte, es brennte schon)?
Ist nicht die Sintflut die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, und das Feuer die Erinnerung an die vergangene Zukunft? Im Feuer verbrennt die Sünde der Welt, wird die vergangene Zukunft befreit. So steht das Feuer in Beziehung zur Idee der Auferstehung der Toten (nur unter dem Bild des Wassers sind die Toten tot). Welche Bedeutung hat der Regenbogen nach der Sintflut?
Gibt es einen Zusammenhang der deutschen Namen Himmel und Gott mit den hebräischen Namen der Himmel und Gottes (schamjim, Elohim und JHWH)?
Wenn die Sprache die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung ist, ist dann darin nicht die Idee der Auferstehung bereits mit einbegriffen?
Hodie, si vocem ejus audieritis: Hat nicht das Hören etwas mit dem Feuer zu tun? – So wie das Sehen mit dem Licht: Im Licht durchdringt das Feuer die Vergangenheit und ihre Finsternis. Im Bogen erscheint der farbige Rand der Grenze von Licht und Finsternis. (Sind nicht die schwarzen Objekte der Physik allesamt realsymbolische Objekte: von der Materie über die die Strahlung des „schwarzen Hohlraums“ bis zu den „Schwarzen Löchern“ der Astronomie, beides Reflexionsbestimmungen des Dunkels im Begriff der Materie, Stufen des projektiven Elements in der Physik, vergleichbar den „Stufen“ in der Entwicklung der drei Leugnungen Petri?)
Kann es sein, daß die von Weizsäckersche Formel für die Energiebilanz der Sonne die richtige Frage ans falsche Objekt stellt: Geht es nicht eigentlich um die „Energiebilanz“ der schwarzen Strahlung und der Schwarzen Löcher?
Im Unterschied zur christlichen war mit der jüdischen und dann der rabbinischen Tradition kein Staat zu machen (mit dem empirischen Beweis durch Sabbatai Zwi).
Erst mit der „Überwindung des Mythos“, mit der Verinnerlichung der Schicksalsidee und des Opfers wurde das technische Konzept, das Konzept der Instrumentalisierung, (von der Philosophie und dem Recht über das Dogma bis zu den Naturwissenschaften) nach draußen verlagert. Den Opfern darußen entsprach die technische Durchorganisation der Sprache, der Verinnerlichung des Opfers die Instrumentalisierung der Welt.
Die arrogante Bescheidenheit der katholischen Theologie (vgl. den neuen Katechismus).
Hat das Rosenzweigsche dreifache Nichts etwas mit der Form des Raumes, mit der Form der Beziehungen der Dimensionen im Raum, zu tun, und gründet die Beziehung des Nichts zum Tode im Konstrukt des Inertialsystems als Todesgrenze? Ist nicht die tote Materie die von uns „fertiggemachte“ Materie (fertiggemacht in dem Sinne, wie ein Ausbilder beim Kommiß einen Rekruten, der sich herausnimmt, selber zu denken, „fertigmacht“: aber ist dieses „Fertigmachen“ nicht der Kristallisationskern aller hierarchischen System, vom Kommiß über die Verwaltungen bis hin zu den Kirchen)?
Die Theologie unterscheidet sich von den Wissenschaft (wie die Prophetie von der Philosophie) dadurch, daß für sie die Vergangenheit nicht nur vergangen ist; Voraussetzung der Wissenschaft ist hingegen die verewigte Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft oder der Weltbegriff. Deshalb kann es eine Theologie, die diesen Namen verdient, ohne Erinnerungsarbeit nicht geben. Sie beantwortet die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit mit der Erinnerung der vergangenen Zukunft (Kritik des Raumes und des Weltbegriffs). Schon für Kant war die Frage, „if the future will be like the past“ (die heute jeden Theologen ins Grübeln, wenn nicht in Melancholie versetzen müßte), keine nur empirische Frage. Im Kontext eines Begriffs der Vergangenheit, der deren Unveränderlichkeit mit einschließt, und d.h. im Kontext des modernen Naturbegriffs gibt es keine Entsprechung mehr für die Idee der göttlichen Gerechtigkeit.
Der Weltbegriff macht das Prinzip, wonach die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird, zum Apriori der Erkenntnis: Ist das Gesehenwerden der Statthalter der Zukunft im Raum (der Blick der Schlange und der Blick des Hundes)? -
26.06.93
Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft etabliert, damit die Quelle des Fortschritts eröffnet und die Erinnerungsfähigkeit domestiziert (abgeschnitten). In diese Geschichte ist das Christentum als Lehre und als Institution solange unheilbar verstrickt, wie es seine eigene Vergangenheit, nämlich die jüdische Tradition, nur in der durchs Dogma entstellten, antijudaistischen Gestalt erinnert.
Bezieht sich das zweite bara in der Schöpfungsgeschichte (die Erschaffung der großen Seeungeheuer) auf den Staat?
Ist die Metzsche Ersetzung der Sensibilität durch die Empfindlichkeit nicht ein Anpassungseffekt?
Die Erweckungsgeschichten: der Jüngling von Naim, die Tochter des Jairus und Lazarus.
Der Begriff der Gesellschaftskritik hatte auch ein Stück Exkulpations- und Alibifunktion: Schuldig waren die, die sich mit dieser Gesellschaft identifizierten, sie repräsentierten; der Gesellschaftskritiker war (wie generell der Empörte) durch seine Kritik (Empörung) ausgewiesen als einer, der der Schuld enthoben war. Auf die Änderung kam es schon gar nicht mehr an.
War nicht die Enttäuschung der Parusieerwartung durch ihre Folgen (durch einen selbstreferentiellen Rückkoppelungseffekt) selber eine der Ursachen der Verzögerung, des Ausbleibens der Parusie? War sie nicht selber ein Teil der Parusieblockade? Und ist nicht das Dogma der Felsen, in den das Grab gehauen war, und der Stein vor dem Grab? Aber am Ende wird sich erweisen, daß das Grab leer ist. Als Petrus und der andere Jünger (Joh 203ff) zum Grab liefen, war der andere Jünger als erster am Grab, aber Petrus ging als erster hinein.
Ist nicht der Begriff einer Enttäuschung der Parusieerwartung nur ein taktvoller Ausdruck für die Verdrängung der Parusieerwartung, und das etablierte Christentum die Erfüllung einer selffulfilling prophecy? Die Christen haben das letzte Wort am Kreuz umgekehrt: Sie vertrauen auf die Vergebung Gottes, indem sie sich bemühen, nicht mehr zu wissen, was sie tun. Wenn auch der neue Katechismus wieder die Barmherzigkeit Gottes in die Sündenvergebung legt, so apelliert er genau an diesen Mechanismus. Begründet ist das ganze in einem Personalismus, der die Schuld verrechtlicht, sie an das Prinzip der Zurechenbarkeit (und damit ans Prinzip des Beweises) knüpft, und dann nach dem Motto lebt, was die Welt nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Der Rechtsradikalismus heute hat seine Wurzeln nicht auf der Bekenntnisebene (im „Rassismus“), sondern auf der Verhaltensebene: in Ritualen und Wiederholungszwängen. Das ist es, was die Linken so irritiert, die selber von der idealistischen Vorstellung, daß das Tun in Vorstellungen und Ideen gründet, nicht mehr loskommen. Der Rechtsradikalismus zeichnet sich dadurch aus, daß er die Bekenntnislogik endlich vom Inhalt des Bekenntnisses gelöst, sie auf ihre Identifikationsfunktion reduziert und so zu einer reinen Verhaltenslogik gemacht, damit aber erstmals analysierbar gemacht hat.
Läßt sich nicht die Kritik des verdinglichenden Denkens und die Kritik des Weltbegriffs aus dem „Richtet nicht …“ herleiten?
Steckt die Beziehung des Glaubens- zum Schuldbekenntnis nicht in dem Schein der Schuldbefreiung (der „Rechtfertigung“) durch den Glauben, in der falschen, weil autoritären Plausibilität der Vorstellung, daß Er, wenn ich Ihn als den Herrn anerkenne, mich dafür lieb haben wird? Hier ist nicht mehr die Tat, sondern wie ich angesehen werde: das Erwischtwerden entscheidend (Problem der Scham). Und geht es nicht genau darum in der Geschichte von den drei Leugnungen: repräsentieren die Umstehenden nicht die Welt, die Ursache der Scham?
Auschwitz ist die Frage an Petrus (die Kirche) vor der dritten Leugnung, und die Kollektivscham (der neue Katechismus, mit dem die Kirche der Kollektivscham ausweglos verfällt) die mit der Selbstverfluchung verbundene dritte Leugnung.
Die Sorge um die Zukunft und die Sorge um den andern gehorchen der gleichen Logik.
Auch das „Liebet eure Feinde“ ist (wie die Umkehr und das „Richtet nicht …“) ein erkenntnistheoretisches Prinzip: Es ist ein Sinnesimplikat der Kritik der Verdinglichung. Der Objektbegriff selber ist Repräsentant des Feindes im Objektivierungsprozeß, der von der Unterwerfung des zum Objekt Gemachten sich nicht trennen läßt. Das Urteil gründet im Schuldzusammenhang und konstituiert ihn zugleich; diesen Zusammenhang erstmals in die Nähe der Erkenntnis gebracht zu haben, ist das große Verdienst der kantischen Transzendentalphilosophie. Das Gebot der Feindesliebe ist nicht zu trennen vom Nachfolgegebot und seiner Begründung in Joh 129, von der „Übernahme der Sünden der Welt“. Die dogmenbegründende Opfertheologie perpetuiert das Feindbild und seine Logik (die Bekenntnislogik, die durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ und durch das Opfer der Vernunft das Bekenntnis von der Erkenntnis trennt). Sie hat seit je mehr an den Teufel als an Gott geglaubt.
Ist nicht das lateinische ire (gehen) ein reines Infinitivsuffix? Hat dieses ire etwas mit ira (Zorn) zu tun? Was bedeuten Verben wie dare (geben) und fere (tragen), die das Infinitivsuffix nur an einen Vokal binden? Gibt es nicht auch zu den gestae (Geschehnissen) einen Infinitiv gere?
Nochmal zum Sein:
– Ist nicht auch das esse ein reiner Infinitivsuffix? Dann aber diese merkwürdige Folge sum, es, est, sumus estis, sunt, mit gleichen Stämmen
. in der 1. Pers. sing. und der 1. und 3. Pers. pl. (ich, wir und sie) bzw.
. der 2. und 3. Pers. sing und der 2. Pers. pl. (du, er, sie, es und ihr).
Hat das sum, sumus, sunt etwas mit sumere (nehmen) zu tun, das auf die merkwürdige (instrumentalisierende) Beziehung des Seins zum Eigentumsprinzip verweisen könnte?
– Ist das Griechische einai ein durch das -ai suffigiertes Infinitivsuffix -ein? Gibt es das Suffix -ai auch sonst noch im Griechischen, ist es vielleicht Ausdruck einer Hypostasierung (durch Pluralisierung)?
– Im Deutschen sind die Stammbindungen anders verteilt: bin, bist, ist, sind, seid, sind: Verbunden sind das ich und du, dann die Pluralbildung, während die 3. Pers. sing. (und anders die 3. Pers. pl., die rückwirkend auch die 1. Pers. pl. bestimmt: Selbstobjektivierung des wir!) an die entsprechende lateinische Bildung anklingt.
– Im Englischen ist der Infinitiv von Sein (das to be) von den präsentischen Deklinationsformen getrennt (am, are, is, are, are, are, mit der merkwürdigen Identität aller Pluralformen mit der 2. Pers. sing. – Zusammenhang mit dem to be, der Hypostasierung des Präfixes be-?).
Zur Sprachlogik des „Seins“ vgl. auch die Frage der Perfektbildungen mit den Hilfszeitverben haben und sein (im Englischen nur mit have). Ich habe getan, ich bin gewesen (I have been).
Wird der Ausdruck „(diese) Person“ nur von Frauen über Frauen im diskriminierenden Sinne gebraucht? Bei einem Mann ist ein vergleichbarer Ausdruck „(der) Kerl“. Ist im Falle des Personbegriffs nicht gemeint, daß hier eine Frau sich herausnimmt, Person zu sein, was doch nur einem Mann zusteht? Und drückt darin nicht auch sich aus, daß der Personbegriff sich als Produkt einer Projektion begreifen läßt: als Produkt der Personalisierung; indem ich jemand als Person bezeichne, halte ich ihn für sein Tun rechtlich und moralisch verantwortlich. (Vgl. den theologischen Ursprung und Gebrauch des Personbegriffs in der Theologie: bei Tertullian; Grund der urpatriarchalischen Trinitätslehre?)
Mit herauszuhören ist beim diskriminierenden Gebrauch des Personbegriffs auch der Anklang an die Diskriminierung der Prostitution, die weniger an die Verletzung des Sexualtabus (dann müßte die Diskriminierung sich gegen den Mann richten) als an das Problem der Emanzipation (der aktiven Teilnahme von Frauen am Warenverkehr) erinnert. Ist nicht der diskriminierende Personbegriff ein veralteter Ausdruck für das, was heute „Emanze“ heißt? Und rührt das ganze nicht viel mehr an das Problem der Ehe und deren Verstrickung in den historischen Prozeß (und an die politischen Konnotationen der Sexualmoral bei den Propheten)? Kulminiert dieser Konflikt nicht heute in der Werbung, die nicht nur den Tod verschweigt, sondern jeden Genuß auf den der sexuellen Gewalt reduziert (zurückführt)? Wäre nicht anhand der Werbung (und ihrer Vorform: der Propaganda, deren Begriff kirchlichen Ursprungs ist) zu demonstrieren, was heute Keuschheit heißen müßte, zusammen mit der Reflexion des Sachzwangs: Es gibt keine Massenproduktion (weder von Waren, noch von Christen) ohne Werbung. Die Produkte müssen sich (wie Babylon durch den Turm, wie die Christen seit Antiochien) einen Namen machen. Seitdem kann man sich dem Zwang, in jeder sprachlichen Äußerung nur noch herauszuhören, wofür oder wogegen einer ist (der Erkenntnis des Guten und Bösen), fast nicht mehr entziehen kann.
Merkwürdige Beaobachtung beim Scharping (gestern in der ARD): Was hatte es zu bedeuten, wenn er in der Befragung gestern abend beim Wechsel des Fragenden jedesmal mit einer Wendung des Kopfes reagierte, die auszudrücken schien, welche Mühe es ihm bereitete, sich von der vorhergehenden Frage (und dem Fragenden) zu lösen, um der neuen Frage sich zuwenden zu können?
Im Angesicht Gottes, oder wie hängen Sehen und Hören mit einander zusammen? Sind nicht die Blinden und die Tauben, nur beide mit charakteristischen Differenzen, auch von physiognomischen Wahrnehmungen und Erkenntnissen bestimmt? Die physiognomischen Wahrnehmungen des Blinden und seine Art der Aufmerksamkeit unterscheiden sich signifikant von denen des Tauben: Der Blinde lebt vom natürlichen Vertrauensvorschuß, während der Taube dem paranoiden Mißtrauen nur mit großer Anstrengung sich entziehen kann. Ist nicht die Erfahrung des Hasses der Welt eher ein Sinnesimplikat eher des Hörens als des Sehens? Und muß nicht, wer mit den Augen hören lernen will, durch diesen Haß der Welt hindurch? An diesem Haß der Welt habe ich als Sehender größeren Anteil denn als Hörender; er wird auf den begriffslosen Begriff gebracht durch die subjektive Form der äußeren Anschauung: durch die Form des Raumes. Heute vergeht dem wirklich Sehenden das Hören, dem wirklich Hörenden das Sehen. Aber lernen müßten wir, mit den Augen zu hören und mit den Ohren zu sehen. Steckt nicht das in dem Wort: Wer euch angreift, greift meine Augapfel an.
Hat es nicht doch eine ganz anderen metaphysischen, oder genauer prophetischen Hintergrund, wenn heute die Beziehung der Geschlechter nicht mehr im Kern durch die Ehe, sondern durch den Zustand der Welt (der prophetisch im Bilde der Ehe zu begreifen wäre) definiert werden?
Anhand der Ehe wäre zu demonstrieren, welche Bedeutung die Sakramente einmal für das „Bestehen der Welt“ (im objektiven, logischen, wie im subjektiven, moralischen Sinne) hatten, und welche Kräfte, Zwänge und Notwendigkeit hier wie auch bei der Säkularisation der anderen „Sakramente“, in der Geschichte des modernen Staates, wirkten und zugleich sich entfalteten, freigesetzt wurden (Ursprung der modernen Staatsmetaphysik). Diese Geschichte steht in Wechselwirkung mit dem Ursprung und der Entfaltung des Inertialsystems: Hier wurden die Sakramente zu den Siegeln (mit dem Nationalismus als säkularisierter Eucharistie: vgl. Bölls Sakrament des Büffels), deren Lösung die Apokalypse beschreibt.
Ist nicht die Säkularisierung der sieben Sakramente beschrieben in Geschichte von den sieben unreinen Geistern? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen nicht auf diese sieben Sakramente? Welche Bedeutung hat in der Johannes-Apokalypse (108ff) das Essen des Buches (im Munde süß, im Magen bitter)? Gibt es eine Beziehung zum Trinken des Bechers des Zorns? Ist das nicht die letzte Gestalt der Eucharistie? (Vgl. 1 Kor 1125ff)
Was bedeutet das to arnion to esphagmenon (Offb 512, lt. Einheitsübersetzung: das Lamm, das geschlachtet wurde) wörtlich? Ist nicht das im Katechismus zitierte entsetzliche Lumen gentium-Wort von der „liebenden Zustimmung zur Schlachtung des Sohnes“ eine projektive Verarbeitung der Schuld, ohne die das Amt des Papstes nicht mehr zu ertragen wäre? Es reicht nicht mehr, nur Jesus die Schuld der Welt aufzubürden; auch diese Schuld (der Verdrängung, der zwangshaften und vergeblichen Wiederholung des Opfers) muß noch abgewälzt werden auf Maria: So wird sie zur „Mittlerin aller Gnaden“. Da ist das Stabat mater ehrlicher. Gibt es nicht ein herzzerreißendes und steinerweichendes Weinen?
Diese ungeheure Schwammspinner-Johannistrieb-Natursymbolik? Wann begreifen wir’s endlich?
Bezieht sich die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel auf das finster gewordene Geheimnis des Bußsakraments?
Hängt der Patriarchalismus des Christentums mit dem Gebrauch des Personbegriffs in der Trinitätslehre zusammen? Welche Bedeutung hatte hier die Übertragung der Theologie aus der griechischen in die lateinische Sprache (Tertullian)?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie