Wie hängen die drei Elemente Name, Umkehr und Angesicht mit den drei Elementen im Stern der Erlösung zusammen, mit Gott Welt Mensch? Bezieht sich nicht der Name auf Gott, die Umkehr auf die Welt und das Angesicht auf den Menschen? Aber steckt nicht im Angesicht des Menschen das verborgene Angesicht Gottes und der Welt, schließt nicht die Umkehr, die auf die Welt sich bezieht, die des Menschen und dann auch die Umkehr Gottes mit ein, und ist nicht im Namen Gottes der verborgene Name der Dinge und der Menschen mit enthalten?
Ist die „Zahl eines Menschen“ nicht der Fluchtpunkt einer Sprache, die ihre erkennende Kraft, die Kraft des Namens, verloren hat? Bezieht sich hierauf nicht das Wort, daß, wer einen Sünder von seinen Wegen des Irrtums bekehrt, seine eigene Seele rettet? Und bezieht sich nicht auch das Wort von dem einen Sündern, über dessen Bekehrung größere Freude im Himmel herrscht als über 99 Gerechte, auf diese „Zahl eines Menschen“? Und hat die „Zahl des Menschen“ nicht etwas mit der Geschichte von den sieben unreinen Geistern (die den Wegen des Irrtums korrespondieren) zu tun?
Sind die sieben unreinen Geister die Herren über die Wege des Irrtums?
Welche irdischen Väter kommen in den Evangelien vor, neben
– Zacharias, Joseph, Zebedäus?
– Gehört nicht insbesondere der Vater dessen dazu, dem Jesus sagt: „Laß die Toten ihre Toten begraben“, auch der Vater eines Besessenen, der königliche Beamte, dessen Sohn krank war, Simon Ischarioth (der Vater des Judas), dazu Simon von Cyrene (der Vater des Alexander und Rufus)?
– Dazu gehören dann noch die in den Namen der Söhne bezeichneten Väter, die Väter des Bartholomäus, des Simon Barjonas (Petrus), des Bartimäus, aber auch des Barabbas.
– Und beziehen sich auch die Beinamen auf Väter: Alphäus, Thaddäus, Kleophas?
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland: Aus einem auf der Straße aufgeschnappter Gesprächsfetzen, es ging offensichtlich um einen Arzt: „Er ist sehr nett, und er hat eine Mordspraxis.“ Gehören dazu nicht der Mordshunger und der Mordsspaß, der Mordskerl, das Mordsweib und das Mordskind (auch die Bombenstimmung; dem Bedeutungsfeld dieser Bildungen kommt der Gebrauch des adjektivs „geil“ unter Jugendlichen heute nahe)? Woher kommt und was bedeutet eigentlich die Wendung: aus seinem Herzen keine Mördergrube machen (gemeint ist: frei heraus, ohne „falsche“ Rücksicht auf die „Empfindlichkeit“ von Anwesenden, in ihrer Gegenwart hinter ihrem Rücken über sie reden)? Wie hängt dieser Gebrauch des Mordbegriffs mit dem strafrechtlichen Begriff des Mords zusammen? – Etymologisch bezeichnet der Mord die Instrumentalisierung des Sterbens, nicht nur das einfache Töten, sondern ein Töten für einen außerhalb des Tötens liegenden Zweck (Kluge, S. 488).
Ist nicht die ganze Theologie heute eine, die in Gottes Gegenwart hinter seinem Rücken über ihn redet? Ist die Vorstellung eigentlich so absurd, daß man über Gott nur im Bewußtsein seiner Gegenwart reden darf, daß man eine Theologie (als „Reden über Gott“) ohne eine Reflexion, die dem Gebet zumindest ähnlich ist, blasphemisch zu nennen gezwungen ist? Damit hängt es zusammen, daß eine Theologie, die diesen Namen verdient, zusammen mit der Naturwissenschaft (mit dem objektiverenden Erkenntnisbegriff) nicht bestehen kann.
Die Schrift ist die moralische Norm der Gegenwart, die Gegenwart die Verständnis-Norm der Schrift.
Wie lange ist eine Theologie noch zu halten, die nur noch ihre destruktiven Kräfte auslebt (vom privaten Bereich über die Liturgie, das Dogma, die Moral und die Politik bis in die Ökonomie)?
Ist nicht die Zentrierung der Moral in der Sexualmoral die Venus-Katastrophe?
Kluge
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6.12.1996
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17.11.1996
Steckt nicht in jeder Verdrängung ein Stück Euphorie, Todeslust? Haben die Christen die Idee des seligen Lebens (und die dazugehörige Unsterblichkeitsvorstellung) vielleicht mit dieser Euphorie verwechselt?
Die Hölle, deren Wahrnehmung und Reflexion in uns selbst wir uns verweigern, fügen wir dann zwangshaft anderen zu. Auch die Hölle steht unter dem Gesetz der Asymmetrie.
Aus welchem Kontext stammt eigentlich der Begriff der Rasse? Sein Gebrauch verweist eher auf den Bereich des Ackerbaus, der Haustierhaltung, der Züchtung, als den der normalen Biologie, auf die die Begriffe Gattung und Art sich beziehen; m.a.W. er transportiert die Logik der Naturbeherrschung in die Biologie. Sein Ursprung liegt im Bereich der Domestikation; es darf vermutet werden, daß seine Anwendung auf „wilde Tiere“ erst nach deren Aufnahme und Zur-Schau-Stellung in Zoologischen Gärten erfolgte. Der Rassebegriff ist aus dem Kontext der Vererbungslehren nicht herauszulösen; der Begriff der Vererbung ist selbst ein Rassebegriff. Dem entspricht es, daß der Rassenbegriff schon vom Grunde her ein wertendes Element in sich enthält; die eigentliche Rasse ist die „edle Rasse“.
Die Genforschung ist ein letzter Ausläufer einer Entwicklung, die am Rassebegriff sich orientierte: Bezeichnend der Begriff des „genetischen Materials“ (des biologischen Äquivalents der Mikrophysik), der das Lebendige insgesamt dem gesellschaftlichen Zugriff erschließt.
Läßt nicht der Charakter der Hegelschen Philosophie an der Stellung des Begriffs der Art in dieser Philosphie, zentral in der Hegelschen Logik, sich demonstrieren? Hegel hat bereits den Begriff der Rasse rezipiert (und auf Menschenrassen bezogen).
Omne animal post coitum triste: In welcher logischen Beziehung stehen die Begriffe Rasse und Masse? Ist nicht die Rasse das biologische Äquivalent zum physikalischen Massebegriff, wobei der Begriff der Vererbung dem der Gravitation entsprechen dürfte? Hat nicht die Schwangerschaft etwas mit der Schwere (deren sprachliches Umfeld in das der Schwangerschaft hereinreicht)? Und ist nicht die Gebärmutter der Ort der Transsubstantiation von Schwere in Leben (und der Akt der Begattung der biologische Reflex des freien Falls, der zugleich als Bild des Todes sich enthüllt: hat nicht jede Lust etwas von der Euphorie)?
Der Begriff der Rasse korrespondiert dem des Organischen. Aber ist nicht das Organische Ausdruck des Schuldzusammenhangs: Reflex des Widerstandes, an dem alles Lebendige (von der Botanik bis in die Ökonomie) sich abarbeitet? Der Rassebegriff ist ein Schicksalsbegriff (das moderne Gegenstück der antiken Astrologie).
Der Begriff der Rasse (der bezeichnenderweise aus dem Bereich der Sprachforschung stammt) entspringt dem Versuch, den Mangel der Natur, die Hegel zufolge den Begriff nicht halten kann (Hegels Beweis: daß es mehr als zwei Arten gibt), zu beheben, den Begriff selber zu naturalisieren: Der Begriff der Rasse indiziert einen herrschaftsgeschichtlichen Sachverhalt, dessen reale politische Entsprechung der Faschismus (und in seinem Kern der Antisemitismus) war. Sind die Hegelschen zwei Arten (die Verkörperungen des Allgemeinen und des Besonderen) eine Vorstufe der faschistischen Polarisierung der Rassen, derzufolge zu der zur Herrschaft berufenen Rasse der Arier die absolute Gegenrasse der Juden gehört?
War es nicht ein sehr tiefer Gedanke, wenn im Kontext der Astrologie die menschlichen Organe den Planeten zugeordnet worden sind?
Die ezechielische Individualisierung der Schuld wird mißverstanden, wenn sie der Strafrechtslogik subsumiert wird. Sie zielt nicht darauf ab, den Sohn von den Sünden der Väter zu entlasten, sondern ihn anzuleiten („dixi et salvavi animam meam“), die Sünden der Väter (die in Babylon zur Sünde der Welt geworden sind) als seine eigenen zu erkennen. Diese Individualisierung der Schuld ist der Grund, aus dem Joh 129 sich herleitet. Hier ist der Punkt, an dem die Menschen erwachsen werden.
Der Abgrund, auf den der Zug zurast, ist einer, den wir selbst hervorbringen, wenn wir glauben, wir könnten ihm entgehen, wenn wir andere hineinstoßen. Das logische Modell, das diesem Bild zugrunde liegt, war eine Unsterblichkeitslehre, die am Zustand der Welt desinteressiert war und deshalb eigentlich nur zur Hölle paßte. Eine dieser Unsterblichkeitslehre angemessene Himmelsvorstellung hat es eigentlich nie gegeben.
Das pathologisch gute Gewissen ist ein Euphorie-Effekt. Der freudsche Todestrieb und die Weiterentwicklung dieses Konstrukts durch Erich Fromm (in seiner „Anatomie der menschlichen Destruktivität“) läßt sich nicht aufs Psychologische eingrenzen; er wird erst durchsichtig, wenn in seine Konstruktion seine Beziehung zum Zustand der Welt mit hereingenommen wird.
Die 68er Bewegung hat ihre Wurzeln in der kollektiven Verdrängung nach dem Krieg, an der sie partizipierte und die sie verstärkt hat. An der 68er Bewegung wird zugleich sichtbar, daß es kein deutsches Spezifikum mehr ist (auch wenn es hier in besonderer Schärfe hervorgetreten ist), sondern ein gesamtgesellschaftliches. Dieser Zusammenhang wäre zu demonstrieren an der Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung der Naturwissenschaften (an ihrer Beziehung zu ihren ökonomischen Wurzeln).
Die Beziehung der Naturwissenschaften zur Ökonomie ist das Modell und die Wurzel des Konstrukts der Reversibilität, das in den Naturwissenschaften, in der transzendentalen Logik, die sie beherrscht, sich entfaltet. Diese Reversibilität hat ihre Grenze an der Schwere (Begriff und Objekt; Empörung, Hochmut und Niedertracht; Gemeinheitslogik und die besondere Schwere der Schuld).
Wie hängt die Gemeinheitslogik („besondere Schwere der Schuld“) mit dem Ursprung des Rassebegriffs zusammen?
Nach Kluge (Etymologisches Wörterbuch, 22. Aufl., S. 583) wurde das Wort Rasse im 18. Jhdt. aus dem Französischen (race) übernommen (race gehört zusammen mit it. razza, span. raza, port. razo; Herkunft umstritten: lat. ratio – Vernunft, arab. ra’s – Kopf, auch lat. radix – Wurzel, Zusammenhang mit radikal).
Das „mathematische Symbol“ des Menschen bei Franz Rosenzweig, das B = B, ist der Beweis dafür, daß es zur Reflexion keine Alternative gibt.
Ist nicht in der christlichen Tradition der Kontext der Herrlichkeits-Theologie (kabod; Ezechiel und die Merkaba-Mystik) durch Ästhetisierung von der Reflexion des Weltzustandes getrennt, damit aber herrschaftslogisch instrumentalisiert und neutralisiert (und d.h. narkotisiert und euphorisiert) worden?
Die Idee der Barmherzigkeit sprengt die Fesseln der Herrschaftslogik, sie eröffnet das Reich der Freiheit in den Kirchen. Dem entspricht das Wort „Barmherzigkeit, nicht Opfer“, dessen christliche Variante der Jakobus-Satz enthält „die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“. Sie bezeichnet den Beginn der Gotteserkenntnis. Sie löst das Problem der Theodizee durch Erkenntnis ihrer Gegenstandslosigkeit. Sie ist das Pendant des Kafkaschen Satzes „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns“.
Wie die christliche Buße die Umkehr von der Erinnerung getrennt (und mit dieser Trennung die Umkehr ins Sadistische transformiert) hat, so hat der Gehorsam sich von dem Hören getrennt, auf das das sch’ma Jisrael verweist.
Die Transformation der Umkehr in den Sadismus wäre am Beispiel des Antisemitismus (an dem Problem, auf das Daniel Jonah Goldhagen hingewiesen hat: weshalb der Judenmord mit den zusätzlichen Demütigungen, Gemeinheiten und Grausamkeiten einherging) zu demonstrieren.
Mein ist die Rache, spricht der Herr: das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß wir auf die Erfüllung des Rachetriebs verzichten sollen; wie Seine Rache dann aussieht, ist ein anderes Problem. Rachegott: da gibt’s nur einen, das Absolute, das in dem Staat sich verkörpert, dessen konsequenteste Gestalt der Faschismus ist.
Zum evangelischen Rat der Armut, „Mein ist dein, dein ist dein“: Der Anspruch, etwas für mich als Eigentum zu reklamieren, ist blasphemisch, und er bleibt es, auch wenn er inzwischen in die Fundemente der Gesellschaft mit eingebaut worden ist. Dieses blasphemische Moment in der gegenwärtigen Konstruktion des Lebens hängt mit dem Problem der Euphorie zusammen (mit den Wurzeln der Ästhetik und mit der Verhärtung der Herzen). -
09.09.1996
„Rede von Gott“: Der Begriff der Rede gehorcht der Logik des Monologs, der Selbstgettoisierung des Geistes, des kollektiven Autismus. Zur Rede gehört eine Sprache, die den Dialog ausschließt, die nur von den „Anhängern“ noch verstanden wird und alle andern ausgrenzt; geredet wird nicht mit anderen, sondern über andere. Es gibt keine Rede ohne Feindbild, das als gemeinschaftsbildendes Element den Raum erzeugt (und qualifiziert), in dem die Rede sich entfaltet (das technische Medium, in dem die Rede sich vollendete, war das Radio). Das der Rede zugrundeliegende Denk- und Erkenntnismodell ist ebenso paranoid wie eliminatorisch; die Rede lebt von den Ängsten der Hörer, die sie selbst in ihnen erzeugt, indem sie sie zur Stummheit verurteilt. Ihre Logik ist die Bekenntnislogik, die im Antisemitismus sich erfüllt. Die Rede ist der sprachliche Reflex des Inertialsystems (die Innenseite der Verdinglichung, zu deren komfortabler Ausstattung die Rede beitragen möchte). Zur inneren Logik der Rede gehört es, daß es Namen nur außerhalb dieses Raumes gibt: deshalb kennt sie Namen nur als Feindnamen; sie vergeht sich am Gebot der Heiligung des Gottesnamens. Theologie wird durch die Logik der Rede zur Theologie hinter dem Rücken Gottes; nur eine Theologie im Angesicht Gottes vermag den Bann dieser Logik zu lösen (Vorsicht: Sprengen kann diesen Bann nur Gott. Unsere Aufgabe wäre es, ihn zu lösen. – „Was ihr auf Erden lösen werdet, …“). Theologie als Rede von Gott ist im wörtlichen Sinne verantwortungslos. Ist nicht das -burg in der Bezeichnung teutoburgensis ein Indiz dafür, daß die Germania des Tacitus eine mittelalterliche Fälschung ist (Kluge verweist zur Begründung der ahd. Herkunft des Wortes „burg“ auf Tacitus)? Die aufgeregte Diskussion um das Buch von Daniel Jonah Goldhagen beweist nicht nur, daß Goldhagen recht hat; sie beweist zugleich, daß die empfindlichste Stelle der Deutschen ihr Deutschtum, ihr Nationalbewußtsein, ist. Diese Empfindlichkeit aber verweist auf den Grund des eliminatorischen Triebs der deutschen Ideologie, die den Faschismus überlebt hat.
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23.6.96
Welche Organe des Fisches befreien die Sara vom Asmodei, und welche Organe heilen den Tobias von seiner Blindheit? Und welche Bedeutung haben diese Organe nach dem Sohar?
Jannes und Jambres (2 Tim 38) hießen nach einer apokryphen jüdischen Überlieferung die ägyptischen Zauberer, die die ersten Wunder von Moses und Aaron vor dem Pharao ebenfalls vollbrachten (Ex 711.22, 87).
Das transzendentale Subjekt, das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, ist der Repräsentant des Begriffs im Subjekt: der Repräsentant der Herrschaftslogik. Die Trennung des Denkens von meinen Vorstellungen reflektiert die Trennung von Begriff und Objekt, von Welt und Natur. Durch diese Trennung verselbständigen sich auch „meine Vorstellungen“ gegen mein Denken, werde ich manipulierbar (transzendentallogischer Grund des Fernsehens). Herr über meine Vorstellungen werde ich nur durch die Kraft der Reflexion (durch die Kritik der intentio recta).
Die Objektivierung des Vergangenen ist ein Gradmesser der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft, die nur durch Erinnerungsarbeit aufzulösen ist.
Bemerkenswert die unterschiedliche Funktion, der unterschiedliche sprachlogische Stellenwert der Affixe in den klassischen europäischen Sprachen im Verhältnis zu den modernen Sprachen, insbesondere zur deutschen Sprache: Während in den alten Sprachen Präpositionen als Präfixe den Verben vorgesetzt werden (prae-, ad-, de-, cum- u.ä.) und Suffixe in erster Linie Mittel der Flexion sind (der Bestimmung des Geschlechts sowie zur Deklination beim Nomen und zur Bestimmung der Person und zur Konjugation beim Verb), kommen in den modernen Sprachen zusammen mit der Verselbständigung der Personalpronomina objektkonstituierende Präfixe (be-, er-, ver-, zer- u.ä., primär bei Verben) und substantivierende, begriffkonstituierende Suffixe (-heit, -keit, -ung u.ä.) hinzu (nach Vorbereitung dieser Formen im Lateinischen: in den Formen des Supinum, Gerundium, Gerundivum u.ä.?). In den modernen Sprachen ist die Trennung von Natur und Welt bereits in die Struktur der Sprachen und in die Grundlagen der Wortbildung mit eingegangen (Ursprung des Nominalismus).
Ist nicht das „Ungetüm“ (eines der Substantive, die nur aus Prä- und Suffixen gebildet sind) ein Schlüsselwort der deutschen Sprache (gleichsam der Repräsentant des Seeungeheuers: Ist die deutsche Sprache der Bauch des Walfisches, der den Jonas verschlingt, und war die Reise nach Tarschisch die Flucht der griechischen Sprache vor der Wahrheit, die dann im „Bauche des großen Fisches“ endete)?
Die descensio ad inferos (Jonas im Bauche des Fisches) ist der Beginn der Bearbeitung der Finsternis über dem Abgrund.
Ist die Etymologie von Leviatan bekannt (Behemoth ist das Getier)? Das Namensregister meiner Vulgata-Ausgabe (von 1824) notiert „Copulatio, Societas sua“ (?).
Zu Bubers „Geziefer“: Er hat vom Ungeziefer die Negation hinweggenommen. Nach Kluge verweist aber das Stammwort (Geziefer) auf ein ahd. „zebar“, ae. „tiber“, anord. „tivurr“, Worte die allesamt auf das Opfer zurückzuweisen scheinen. Demnach wäre Ungeziefer ein Name für „unreine“, nicht zum Opfer geeignete Tiere? Hat Buber vielleicht vom Ungewitter, in dem das Un- als Verstärker, nicht als Negation erscheint, sich verleiten lassen und Geziefer als eine nur harmlosere Form des Ungeziefer aufgefaßt (vielleicht auch den antisemitischen Gebrauch des Wortes „Ungeziefer“ ausschließen wollen)? – Vgl. auch Unkosten, Unwetter, in denen das Un- keine Negation, sondern eine Steigerung einer bereits gegebenen negativen Konnotation des Stammworts ausdrückt.
Läßt nicht an Hegels Bemerkung, wonach die Natur, nachdem die Idee sie frei aus sich entlassen hat, den Begriff nicht halten kann, die Logik des Naturbegriffs (Natur als Inbegriff aller Objekte: Inbegriff des Begriffslosen) sich demonstrieren? Vgl. hierzu insbesondere die Hegelsche Begründung: sein Hinweis auf die unterschiedlichen Gattungen und Arten der Tiere, die es nach der Logik des Begriffs nicht geben dürfte. Ist nicht der Begriff der Ganzheit ein spätes Echo dieser Logik, und richtet sich dagegen nicht Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“?
Das Inertialsystem ist der dogmatische Kern der Urteilsmagie. Das weist zurück auf den Schuldzusammenhang, den das Inertialsystem (zusammen mit dem Geld und der Bekenntnislogik) verkörpert.
Wer glaubt, die Abstraktion verwerfen und sich der Unmittelbarkeit des Konkreten versichern zu können, verfällt der Abstraktion.
Ist nicht Spenglers „zweite Religiosität“, die heute die Religionen durchherrscht, die die Agonie begleitende Euphorie?
Spätestens im Barock ist die Religion zum Trost der Herrschenden geworden.
Sind nicht Wendungen wie „Ich glaube zu wissen“ und „Ich würde sagen“ Symptome des gegenwärtigen Zustandes des kosmos noetos?
Zu den Vätern im NT vgl. Eph 64 und Kol 321: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht.
Gehört nicht zu dem Satz „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ auch der andere: „Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebenden“?
Die Jakobus-Wendung „nicht schnell zum Zürnen“ verweist darauf, daß
– das Zürnen ein Urteilen ist und
– vor dem Urteil die Hemmung des Sich-Hineinversetzens in den, über den das Urteil ergeht, steht.
Sind die Tefillin (die Zeichen an Hand und Stirn) ein Symbol der Bekenntnislogik?
Sch’ma Jisrael: Das Leuchten des Angesichts ist das Licht des Hörens. Das Dunkel des gelebten Augenblicks ist der blinde Fleck im Kern der Philosophie: das tode ti.
Ist der Satz, daß man Herr seiner eigenen Phantasien sein soll, nicht der schärfste Einwand gegen das Fernsehen?
Haben die beiden apokalyptischen Tiere etwas mit der Beziehung des „Ich denke“ zu „meinen Vorstellungen“ (mit der Beziehung von Politik und Ökonomie) zu tun? -
4.10.1995
Die Rede ist das politische Pendant der (theologischen) Predigt. Von der Kanzel (ex cathedra) wird nicht geredet, sondern gepredigt, nämlich mit einer Autorität, die der parteilichen Rede nicht zusteht. Die Rede lebt von der Argumentation, von ihrer Wirkung auf den Zuhörer, die Predigt will dem Glauben, dem Lebensprinzip der Gemeinde, Sprache verleihen. Heute, da die Politik selber anderen, nicht mehr kommunikablen Gesetzen gehorcht, ist die Rede zur Reklame, bestenfalls zur bloßen Meinung, die einer „vertritt“, geworden; mit der Rede soll Politik wie ein neues Waschmittel verkauft oder wie ein neuer Staubsauger angepriesen werden. Die einzige Autorität, auf die eine Rede sich berufen kann, ist, da im Bereich des Parteilichen die Gründe nicht hinreichen, nur noch die persönliche. Deshalb sind Fragen der persönlichen Integrität eines Politikers inzwischen wichtiger als seine politischen Ziele (die weithin ohnehin nicht mehr sich unterscheiden lassen) geworden. Was bedeutet vor diesem Hintergrund die theologische Rezeption des Begriffs der Rede: die „Rede von Gott“, die „theologische Rede von Schuld“. Nach Kluge weist das Wort zurück auf einen gemeinsamen Ursprung mit der lateinischen ratio und auf eine gemeinsame Bedeutung, etwa: Rechenschaft ablegen, (sich oder etwas) rechtfertigen. Unverkennbar der apologetische Ton. Verweist nicht die „Rede von Gott“ auf den fatalen Zusammenhang, daß man eigentlich von Gott nicht mehr reden kann? Dementiert nicht jede Rede genau das, wovon sie redet? Verweist dieser Sprachgebrauch nicht darauf, daß – wie in der Politik, so jetzt auch in der Religion – niemand mehr weiß, wovon er redet? Die Fragen, die heute in der öffentlichen Diskussion im Vordergrund stehen: die Sexualmoral, das Zölibat, das Frauenpriestertum, gründen in einem Religionsverständnis, dessen Hauptzweck die „persönliche Anerkennung“, das „Sich-Wohlfühlen“, der Komfort eines schuld- und belastungsfreien Bewußtseins ist, eines Bewußtseins, das mit den realen Problemen: den Problemen der Welt, des Geschäfts, der Politik, in der Religion nicht mehr behelligt werden möchte. Die Religion soll das Gewissen nicht mehr sensibilisieren, sondern zusammen mit der Sache, für die es steht, abschaffen (als Hilfe bei der Erzeugung eines pathologisch guten Gewissens, ggf. über die Bereitstellung eines Ersatz-, eines Alibi-Gewissens, eines Zuschauer-Gewissens, eines Gewissens für andere).
Das Benennen, oder der Indikativ als Instrument des Schuldverschubsystems: als Generator des Gewissens für andere. Apriorisches Objekt des Benennens ist das Tier (hier gründet die Unterscheidung zwischen dem Tier aus dem Meere und dem Tier vom Lande); worauf es jedoch ankäme, wäre die Erkenntnis des Namens Gottes, zu deren Grundlagen die Reflexion der benennenden Kraft der Sprache gehört. Das Benennen gehört wie das Bekennen, das Bekehren und andere mit dem Präfix be- behaftete Tätigkeiten zu den Handlungen der Hybris.
Benennen ist eine Kategorie des Schuldverschubsystems.
Säkularisation der Religion als Ausverkauf der Theologie: Die Religion ist heute in den Händen derer, die nur noch ein Gewissen für andere haben; aber auch so kann man gewissenlos werden. Der Indikativ und die Wertethik sind Verkörperungen des Gewissens für andere.
In einer Fernsehdiskussion über den Zerfall der deutschen Sprache: „Es gibt Leute, die im Ernst ‚cool‘ sagen.“ – Kann man den Zerfall der Sprache überhaupt an einzelnen Wörtern festmachen; können nicht auch diese Wörter etwas ausdrücken, was anders nicht ausgedrückt werden kann, wenn sie durch den Kontext, in dem sie erscheinen, konkret werden? Sind nicht verräterischer und auch gefährlicher grammatische Konstruktionen, die mit der Sprachlogik auch die Humanität, die Fähigkeit, in den andern sich hineinzuversetzen, verletzen?
Gnade der späten Geburt: Durch seine Verwendung als Prädikat und als Adjektiv wurde der Faschismus in den blinden Fleck der Sprache gerückt. Der Begriff des Rassismus, der den Faschismus zum Bekenntnis neutralisiert und selbst der Reflexion bedarf, hat dazu beigetragen, die Erinnerung an den Ursprung des Grauens zu verdrängen, damit aber das Grauen selbst virulent gehalten und reaktivierbar gemacht. -
8.4.1994
Hat das astrologische Planeten-Konzept (ebenso wie mit den Deklinationen der Nomen) etwas mit der Form des Raumes zu tun: das Verhältnis von Jupiter und Merkur mit dem von vorn und hinten, Mars und Venus mit rechts und links, Sonne und Mond mit oben und unten (mit dem Saturn als innerer Sprachgrenze dieser Beziehungen)? Gibt es nicht einer Beziehung der drei evangelischen Räte zu den Planeten: – der Armut zum Merkur und Jupiter, – der Keuschheit zum Mars und zur Venus und – des Gehorsams zur Sonne und zum Mond, sowie zum Saturn? Während Armut und Keuschheit eine doppelte Grenze haben, hat der Gehorsam eine dreifache. Woher kommen die Wochentagsnamen im Deutschen: – Dienstag: Tag des Mars (lat. Martis dies, lt. Kluge daraus abgeleitet), – Mittwoch (statt Tag des Jupiter, des Wotan, engl. wednesday) und – Donnerstag: Tag des Donar (auch Tag des Juppiter tonans?), – Freitag: Veneris dies, daraus frijatag, Tag der Freia, – Samstag (statt Saturni dies: sambiztag, abgeleitet aus Sabbat)? Welcher Jup(p)iter hat mit dem Merkur zu tun (nach dem Kleinen Pauly, Sp.1230, wurde Mercurius mit Wotan, dem Windgott, identifiziert: was bedeutet diese Rückbeziehung des Wotan auf den Mercurius, den Handelsgott, während Donar auf den „Himmelsgott“ Juppiter sich bezieht)? Ist der Instrumentalis entfallen, nachdem der Akkusativ diese Funktion mit übernommen und zugleich unkenntlich gemacht hat? Wie hängt das erste Wunder Jesu (die Verwandlung von Wasser in Wein bei Hochzeit von Kana) mit der Eucharistie zusammen: mit der Benennung des Weins als Blut? Und wie verhalten sich diese Geschichten zu den Wassern der Sintflut (und den Wassern des Himmels)? In seinem späteren (öffentlichen) Leben kommen nur noch die Mutter und die Brüder Jesu vor. Was ist mit seinem Vater (und seinen Schwestern), und was bedeutet das für die mit dem Christentum sich bildende Öffentlichkeit (für den Weltbegriff)?
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15.07.93
Das Wort Gott war laut Kluge ursprünglich ein Neutrum: also ein Begriff, nicht ein Name.
Jutta Voß: Der Feminismus auf der Suche nach einer Religion, die die Welt nicht antastet, aber doch von der Last befreien soll. Liegt das nicht in der Konsequenz der christlichen Opfertheologie, der „Entsühnung der Welt“, des Bekenntnisprinzips?
Vorsicht: Nicht das feministische Experiment ist der Greuel am heiligen Ort, sondern die Unfähigkeit der Orthodoxie, in diesem Experiment die Logik des eigenen Prinzips zu erkennen. Die Verführung, den Balken als Vergrößerungsglas zu gebrauchen: die projektive Verarbeitung der eigenen Schuld.
Das „Lehrzuchtverfahren“ der zuständigen Kirche möchte aus der Wildsau wieder eine domestizierte Zuchtsau machen?
Die Verführung durch die Bekenntnislogik liegt darin, daß in ihrem Kontext die Gespensterkämpfe der Religionen und Weltanschauungen mit dem verwechselt werden, was in ihnen sich ausdrückt. So braucht man sich um die Gründe der realen Kämpfe in der Geschichte nicht mehr zu kümmern. Dagegen wäre nichts notwendiger, als die realen gesellschaftlichen Naturkatastrophen, die in den Gespensterkämpfen sich widerspiegeln, endlich wahrzunehmen. Das gehört zu den Voraussetzungen dafür, überhaupt erst sehen zu lernen, was heute sich zuträgt.
Die Kanaanäer waren die Händler. Ist nicht der Wildschweinmythos, den Jutta Voss beschreibt, eine bereits durch die Geldwirtschaft vermittelte Gestalt des Matriarchats: Trägt er nicht die wachsenden Früchte des Patriarchats bereits in sich? Anstatt die zweite Natur zu mythisieren, käme es darauf an, die Spiegelungen der ersten in der zweiten zu analysieren.
Eine Religion, die mit keinem Wort Gesellschaftliches reflektiert, für die Armen und die Fremden inexistent sind, wird natürlich auch großzügig von materiellen Bedingungen der religiösen Vorstellungswelt abstrahieren: Nur so entsteht der Schein, der die Bekenntnislogik begründet, Religionen ließen sich, wie die Gesetze, Begriffe und Erscheinungen in der Physik, unbeschadet ihres Gehalts im historischen Zeitkontinuum verschieben: Das wäre der Sieg der Natur über die Religion, gegen den die Idee der Auferstehung und das Wort sich richtet: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden.
Jutta Voss‘ Begriff der „heiligen Materie“ drückt aufs genaueste den Zusammenhang der Bekenntnislogik mit dem Inertialsystem aus. Diese „Religion“ ist ein Produkt der Kultur- und Freizeitindustrie; verräterisch eine Bemerkung, die darauf schließen läßt, daß sie Freiheit und Emanzipation, nur als finanzielle Unabhängigkeit versteht (selbst wenn es keine Alternative mehr dazu geben sollte, wäre es nicht zu verantworten, die Reflexion dieses Sachverhalts zu verdrängen).
Das Entsetzliche an solchen Büchern ist, daß man die Aprioris des Bewußtseins des letzten Jahrzehnts in die gesamte Vergangenheit zurückprojiziert: So hat es das Christentum einmal mit der eigenen jüdischen Vergangenheit gemacht. Nicht zufällig erinnert dieser Umgang mit dem Mythos an den Umgang der christlichen Theologie mit dem von ihr sogenannten Alten Testament (eine Bezeichnung, die Jutta Voss zusammen mit den ihr in der Geschichte des Chistentums zugewachsenen antijüdischen Konnotationen unreflektiert übernimmt: aber vermutlich wird das nicht Gegenstand des „Lehrzuchtverfahrens“ sein). Die Vergangenheit als Objekt der Diffamierung, Ausbeutung und Verwertung für eigenen Zwecke und die Zerstörung der Erinnerung: das ist auch ein Produkt der christlichen Tradition (und die Geschäftsgrundlage der Bekenntnistheologie).
Der jüdische Tempel unterschied sich von allen anderen zeitgenössischen Tempeln dadurch, daß er nicht das Haus des Gottes, sondern das Haus seines Namens war.
Nach Jes 661 hat Gott den Himmel als Thron und die Erde als Schemel seiner Füße: Hat die Zerstörung des Himmels durch die Rezeption des Weltbegriffs, vollendet in der kopernikanischen Wende, Gott um seinen Thron gebracht? -
05.07.93
Der Aktualitätsbezug der Theologie wäre zu begründen aus dem Jesus-Wort „Das Gottesreich ist mitten unter euch“ (hä basileia tou theou entos hymon estin – Lk 1721).
Es gibt keine sprachliche Äußerung, kein Gespräch, ohne Beziehung zur Schuld. Das entlastende Gespräch unterscheidet sich vom befreienden (Philosophie und Wissenschaft von der Prophetie) dadurch, daß es auf den Gebrauch von Projektionen nicht verzichten kann, nur zur Selbstentlastung ihnen ein Höchstmaß an Objektivität zu sichern versucht, die allein der Begriff und die Mathematik ihnen zu geben vermag. Wird nicht die Grenze zwischen beiden Formen der Sprache durch die Todesgrenze des Begriffs und der Mathematik definiert: durchs Gesetz der Objektivation und Verdinglichung (durch Konkretismus und Personalisierung)?
Vergangenheit und Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang: Zusammenhang von Wissen und Vergangenheit, Begriff und Projektion ins Vergangene, Verdinglichung und Tod (Rosenzweigs „Todesangst“ und die drei „Nichtse“ im Stern der Erlösung).
Wenn Heideggers Fundamentalontologie den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt macht und die Philosophie mit dem Thalesschen „Alles ist Wasser“ beginnt, ist dann nicht die Ontologie das innerphilosophische Äquivalent der Sintflut? Und ist nicht die Philosophie in der von der Philosophie, d.h. vom Begriff und vom Gesetz der Instrumentalisierung überschwemmten Welt das am fünften Tag erschaffene „große Meeresungeheuer“? (Haben das Tier aus dem Wasser und das Tier vom Lande etwas mit Natur und Welt zu tun? Und ist das Tier aus dem Abgrund (Off 118), das war und nicht ist und wieder sein wird (ebd. 178), der in der unbekehrten Kirche überlebende Mythos? – Bedeutung der Dialektik der Aufklärung für die Theologie.)
Wie hängt das Gefallen (lt. Kluge eine Präfigierung von „fallen“ – „und den Menschen ein Wohlgefallen“) mit dem Fall (mit der Assoziation an das Fallen des Würfels, den Zufall) zusammen („Die Welt ist alles, was der Fall ist“)? -
23.06.93
Das (moderne) Substantiv unterscheidet sich vom (alten) Nomen durch seine Beziehung zum bestimmten Artikel, zu dem darin enthaltenen deiktischen Moment. Hier ist in die Sprache ein selbstreferentielles Moment, eine automatische Objektbindung, hereingekommen. In welchen anderen Sprachen gibt es eine Entsprechung zum deutschen Substantiv?
Der englische Artikel (the), in dem jede Erinnerung an das genus oder an die Deklination getilgt ist, ist auf die reine deiktische Funktion eingeschränkt, und damit hängt die sprachliche Gestalt des englischen Infinitivs von Sein, das „to be“, aber auch der englische Empirismus zusammen. Aber ist das Deiktische nicht generell ein Moment im Präfix „be-„? Hängen die Prä- und Suffixe nicht überhaupt mit dem deiktischen Element in der Sprache (mit ihrem „sumerischen“ Ursprung) zusammen, und zwar die Präfixe mit der deiktischen Intention der Sprache (mit dem Nominalismus), die Suffixe mit der gegenläufigen „deiktischen Intention“ des Objekts (mit dem Verstummen des Objekts, mit seiner Verräumlichung: sind die Sprachen des Altertums, insbesondere die griechische, nicht reine Objektsprachen – Ausnahme: die hebräische Sprache, die eine Sprache „im Angesicht“ ist)? Besiegelt der Begriff des Substantivs (der gleichsam das schwarze Loch der Sprache bezeichnet) die Zerstörung der Kraft des Namens, die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache?
Läßt sich der deutsche Idealismus aus der grammatischen Funktion des bestimmten Artikels herleiten (der deutsche Idealismus hat selbst „das Ich“ noch zu einem Substantiv gemacht).
Bei Kluge wird das Substantiv unter dem Stichwort Substanz als „Wort mit Inhalt“ erläutert (warum unter Substanz, und was heißt „Wort mit Inhalt“: daß in das Nomen als Substantiv die Objektbindung mit hereingenommen wird; gründet darin die Großschreibung des Substantivs im Deutschen?). Der Begriff Substantiv ist wie der der Persönlichkeit ein Weltbegriff.
Zur Bildung des Wortes Substantiv: Was ist der Unterschied zwischen dem Gerundium und dem Gerundivum? Kann es sein, daß im Begriff Substantiv der Objektbezug als Konsequenz einer Tat des Subjekts begriffen wird. Die Substanz ist noch eine Eigenschaft des Objekts, aber das Substantiv ist Produkt einer projektiven Substantialisierung des Objekts durchs Subjekt (das Substantiv ist eigentlich eine adjektivische Bildung: die Hypostasierung eines Adjektivs). Wie Welt und Natur ist das Substantiv ein die Sprache und ihr Gesetz bestimmender transzendentallogischer Begriff.
Das Hegelsche System-Programm: die Substanz als Subjekt zu begreifen, wird im Begriff des Substantivs falsch erfüllt. Deshalb wird es großgeschrieben.
Es spricht einiges für die Vermutung, daß der Begriff Substantiv aus Wilhelminischen Zeiten stammt; das würde bedeuten, daß er im Grimmschen Wörterbuch noch nicht enthalten wäre.
Zu den Prämissen des Begriffs Substantiv gehört die Unterscheidung von Sache und Ding (auch von Wut und Zorn; im Lateinischen wurden weder Sache und Ding (res) noch Wut und Zorn (ira) unterschieden), sowie der Begriff der Tatsache. (Sind das englische matter und thing wirklich Entsprechungen der deutschen Begriffe Sache und Ding?) Die emphatische Bedeutung der kantischen „Dinge an sich“ (einer contradictio in adjecto) hängt hiermit zusammen.
Zur jahwistischen Urgeschichte, insbesondere zu der Geschichte vom Turmbau zu Babel, wäre anzumerken, daß hier vor allem gilt: Nichts Vergangenes ist wirklich vergangen. Muß man nicht in die Geschichte vom Turmbau zu Babel die Vorgeschichte mit hereinnehmen: die Geschichte der Sintflut (die genaueste Beschreibung des Ursprungs des Weltbegriffs)?
Ist nicht die kantische Philosophie, insbesondere die Kritik der reinen Vernunft, der Beginn eines Versuchs, den Turmbau von Babel von innen zu beschreiben? Und gehören nicht die Petrus/Fels-Geschichten in diesen Kontext mit herein, das „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ und das Gleichnis von der Standfestigkeit des auf den Felsen (statt auf Sand) gebauten Hauses, aber auch das Gleichnis vom Weizen, der auf felsigen Grund fiel?
Die Opfertheologie ist die auf den Kopf gestellte Wahrheit der Erlösung. An die Wahrheit dessen, was die Texte von sich aus meinen, kommen wir nicht mehr heran; im Wege steht uns der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs, die Verfälschung der Erlösung durch den Begriff der Entsühnung der Welt (die nichts ändert, aber alle um den Preis der Katastrophe entlastet).
Goethes Lied vom „Röslein auf der Heiden“ ist ein Vergewaltigungslied. Aber ist nicht diese Vergewaltigung in der Struktur der Welt vorgebildet, und ist nicht Goethe auch in diesem Sinne ein „Weltbürger“? Bezieht sich nicht hierauf das den Sachverhalt allein auflösende Wort von der Übernahme der Sünden der Welt? Mit der Anpassung an die Welt ist das affirmative Verhältnis zur Vergewaltigung mitgesetzt. Vgl. hierzu das Paulus-Wort von der ganzen Kreatur, die seufzt und in Wehen liegt.
Gibt es eine Geschichte der Prophetinnen, von Mirjam über Hulda (auch Debora und Judith) bis hin zu den vier Töchtern des Philippus, und unter Einbeziehung des Prophetenworts, daß am Ende auch die Töchter und Mägde teilhaben an der Prophetie? Welche Bewandnis hat es mit der Salbung Jesu im Hause Simons des Aussätzigen in Betanien durch die namenlose Frau, von der es heißt, daß man „überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, … sich an sie erinnern und erzählen (wird), was sie getan hat“? (Mk 143-9, Mt 266-13; Johannes – 121-9 – verlegt die Geschichte nach „Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte“; und hier ist es Maria, die ihn salbt; bei Lukas – 737ff – ereignet sich der Vorfall im Haus eines Pharisäers, den Jesus dann mit Simon anspricht, und bei der Frau handelt es sich um eine „große Sünderin“.)
Zur Geschichte der Könige:
– welche Könige tun nicht, „was Gott mißfällt“?
– wo werden die Könige begraben (die judäischen in Jerusalem, aber welche im Hause oder Garten des Uzza(?)?
– welche Arten des Götzendienstes werden genannt?
– welcher König hat Jericho wieder aufgebaut (und dafür den Erstgeborenen und den Jüngsten geopfert)?
– die Rolle der Propheten?
Mathematik: die selbstreferentielle Gedankenlosigkeit.
Sind nicht die Trinitätslehre und das christliche Verständnis des Keuschheitsbegriffs Versuche, die Gegenwart zu retten, der Zeit ein Ende zu machen, den Prozeß zum Stillstand zu bringen? Aber dieser Versuch wurde mit der Rezeption des Weltbegriffs zu teuer bezahlt. Hier liegt der Schlüssel für das Verständnis des Zusammenhangs der Dogmententwicklung mit der Enttäuschung der Parusie-Erwartung.
Gründet nicht die kirchliche Sexualmoral im Neutrum, im ne-utrum?
Das Wort vom Binden und Lösen hat sein konkretes Objekt im Weltbegriff, in der darin wurzelnden Logik des Begriffs.
Sintflut und Fels: Aber am Ende wird der Stein ins Meer geworfen (und das Schiff scheitert vor Malta).
Mein Schreiben ist von meiner Biographie nicht zu trennen. Was kommt heraus: Bekenntnisse oder ein neuer Gottesstaat (auf der Grundlage einer negativen Trinitätslehre)?
Ist nicht Adorno die Antwort auf die Frage, ob Künstler selig werden können?
Hebr 131: Muß es hier nicht „Fremdenfreundschaft“ (philoxenias) heißen statt „Gastfreundschaft“? -
29.05.93
Geht nicht die christliche Opfertheologie von der Bestechlichkeit Gottes aus?
Natur ist die gefallene Kreatur, und in der Idee einer Natur Gottes drückt sich nur eine Denknotwendigkeit der gefallenen Vernunft aus, aber nicht Gott.
Hat die Trinitätslehre etwas mit dem „leer, gereinigt und geschmückt“ in dem Gleichnis von den sieben unreinen Geistern zu tun?
Die ganze Kreatur harrt, seufzt und liegt in Wehen: Hängt das zusammen mit dem leer, gereinigt und geschmückt?
Die Person ist der Träger des Namens und der Träger der Schuld. Die Person muß Rechenschaft ablegen für ihre Taten; sie ist verantwortlich für ihr Tun und muß es sich zurechnen lassen.
Ahnden = rächen, strafen, tadeln; hängt nach Kluge zusammen mit animus und gr. onomai, ich tadle. Zusammenhang mit onoma, Name?
Sind der griechische und der hebräische Begriff des Namens (onoma und schem), sind ihre innersprachlichen Konnotationen vergleichbar?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie