Karl Thieme zufolge war das Konzil von Trient das Konzil der Privatisierung des Glaubens (Gott und die Geschichte, Herder Freiburg 1948, S. 160ff, vgl. hierzu insbesondere S. 175, 191), mit folgender bemerkenswerten Konsequenz: „Anders als die Frage nach dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit, die seit dem Ende des ‚Mittelalters‘ suspendiert ist …, ist … der große Kampf zwischen Episkopalismus und Papalismus zugunsten des letzteren entschieden worden, … zur restlosen freiwilligen Unterwerfung … dann 1870 …“ (S. 196). So der „universalhistorisch orientierte Laien-Theologe“ (S. 195), als den er sich selbst bezeichnet.
Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße: Gott, nicht dem Staat, gehört das Land. Deshalb ist das Territorialprinzip (cujus regio ejus religio) der Keim des Totalitarismus (vgl. das Burckhardt-Zitat bei Thieme, S. 155).
Karl Thieme verweist auf die Differenz zwischen Phil 210 und Kol 120, auf das „nicht zufällige Fehlen der ‚Unterirdischen’“ an der letzteren Stelle (S. 137): Die „unter der Erde“ beugen auch ihr Knie, haben aber keinen Anteil an der Versöhnung. Die Unterirdischen, das sind die im hades, in der scheol, im Totenreich: Reicht dieses Totenreich nicht in unsere Erfahrungswelt hinein: mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, mit dem Trägheitsprinzip, mit dem durch die subjektiven Formen der Anschauung definierten Reich der Erscheinungen?
Ist der Schlüssel Petri nicht sowohl der Schlüssel zum Abgrund (zu den „Pforten der Hölle“) wie auch der zum Himmel, und das kopernikanische System der Totenkopf des kosmos?
Das Ich denke begleitet nicht nur alle meine Vorstellungen, es ist das Formgesetz ihrer Erscheinung. Im Begriff der Erscheinung steckt als sein Apriori der Adressat mit drin: Was erscheint, muß jemandem erscheinen. Deshalb gehört zur transzendentalen Logik die transzendentale Ästhetik, die diesen Adressaten repräsentiert. Ist nicht das „Fest der Erscheinung des Herrn“ der Namenstag jeglicher Phänomenologie von Lambert über Hegel bis Husserl?
Alle meine Vorstellungen: Das ist der Inhalt des Unzuchtsbechers.
Aufgrund welcher Logik erscheinen Firmenbeziehungen im Bilde der Mutter-Tochter-Beziehung? Ist die juristische Peron weiblich?
War das der Hintergrund der „Venus-Katastrophe“, die eine gesellschaftliche Naturkatastrophe war: War die Tempelwirtschaft die mythische Vorform der kapitalistischen Wirtschaftsorganisation, der Ischtar/Astarte-Kult die Ursprungsgestalt der juristischen Person, die weiblich war? Zu dieser Logik, die mit der Praxis der Schuldknechtschaft sich entfaltet hat, würde der hieros gamos wie auch das Bild vom Kinder-fressenden Moloch passen.
Kopernikus
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29.6.96
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14.6.96
Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang zwischen dem Fall, dem Falschen und dem Fälschen, dem fallere und dem falsus? Das würde den Wittgensteinschen Satz „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ zusammenbringen mit der Bemerkung Rosenzweigs über das „hintertückische, verandernde Wissen des Denkens“. Ist die Orthogonalität, die den Raum aufspannt, die Kraft der Scheidung, der Trennung, und gewinnt nicht mit der Orthogonalität das Trennende Gewalt über das Getrennte (die Vergangenheit Macht über die Zukunft: der Ankläger und das Inertialsystem)? Hat die Schlange (das klügste aller Tiere), die auch als das Symbol des Neutrums sich begreifen läßt, etwas mit der Macht der Orthogonalität zu tun? Die Unfähigkeit zur Reflexion des Urteils ist der Grund des Glaubens an die magische Kraft des Urteils. Immanenz: Das Richtige steht unter der Macht des Falschen; es verbleibt innerhalb seiner Logik. Der Gegensatz zum Wahren, dessen Begriff die Idee der Versöhnung mit einschließt, ist nicht das Falsche, sondern die Unbarmherzigkeit, das steinerne Herz. Bethseba: Was hat der Schwur mit der Orthogonalität zu tun (Stichwort: Selbstbindung)? Gründet hier, in dieser Beziehung zur Orthogonalität, der sprachliche Zusammenhang des Schwurs mit der Zahl Sieben im Hebräischen? Hängt der aufrechte Gang damit zusammen, daß die Primaten zusammen mit den Bäumen entstanden sind? Die Sünde wider den Heiligen Geist wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben: Was heißt in diesem Satz Vergebung? Bezieht sie sich nur auf den einzelnen Sünder, oder auch auf den Zustand der Welt insgesamt? Kann es sein, daß diese Sünde das Kommen der zukünftigen Welt verhindert, und daß auf das Subjekt diese Sünde der Satz von der Freude im Himmel über den einen Sünder, der sich bekehrt, sich bezieht (wie auch der letzte Satz des Jakobusbriefs)? Haben wir überhaupt schon begriffen, was Vergebung heißt? Die Sündenvergebung sollte nicht verwechselt werden mit der Befreiung von Schuldgefühlen. Sie ist ein Teil der Umkehr. Gründet nicht der katholische Mythos (die Religion der 99 Gerechten), aus dessen Bann auch die folgenden christlichen Denominationen sich nicht haben befreien können, darin, daß er den Himmel von der zukünftigen Welt getrennt, daß er ihn verräumlicht, die zeitliche Differenz zu „dieser Welt“ aus ihm entfernt, verdrängt hat? Der Himmel, der eigentlich die logische Gewalt des Inertialsystems zu sprengen vermöchte, ist (durch die kopernikanische Wende, durch die Unfähigkeit, das Überzeitliche vom Ewigen zu unterscheiden) zu einem Objekt des Inertialsystems geworden.
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21.5.96
Wenn die Zeit mit erschaffen ist, dann muß die Zeit die Spur der Schöpfung in sich enthalten, dann ist das Ewige der Zeit nicht äußerlich. Die Subsumtion der Schöpfung unter die Zeit (die den Anfang der Welt zu einem Anfang in der Zeit macht) konstituiert die Welt, indem sie den Widerspruch in ihrem Begriff verdrängt, auf den Staat verschiebt, den sie so zum Schöpfer der Welt macht (zugleich wird die Natur zum Schöpfer ihrer selbst, an welchem Schöpfertum das die Natur konstituierende Subjekt dann Anteil gewinnt: seitdem sind die Menschen beleidigungsfähig).
Hegel hat die kantischen Antinomien, die in der transzendentalen Ästhetik gründen, nur verdrängt, als er glaubte, sie im Begriff aufgehoben zu haben. Die Hybris der Idee des Absoluten war das Deckbild der islamischen Kapitulation (der „Ergebung“) vor der Fatalität des Begriffs. In der kantischen Antinomie der reinen Vernunft steckt die ganze Apokalypse.
Die Welt ist ein Produkt des Inertialsystems, der Weltbegriff besiegelt seine (ihn selbst legitimierende) Hypostasierung.
Rom hat Zeus säkularisiert und durch den Caesar ersetzt (und die Zeugung durch die Adoption). Die Quellen der caesarischen Macht waren die Siege draußen (und die Niederlagen im Innern: Brutus hat die Institution des Caesars durch den Mord an Caesar geschaffen). Das Imperium ist zugrunde gegangen an der Institution, die es hervorgebracht und getragen hat: am Militär.
Ecclesia triumphans: War nicht das Christentum, das unter Konstantin zur Staatsreligion geworden ist, eine Form der Rationalisierung des Pantheons, des instrumentalisierten Mythos? Und mußten nicht die Mysterienreligionen, die Militärreligionen waren, unterliegen, nachdem sie im Christentum ihre politisch wirksamere Form gefunden hatten?
Ist mein Theorieverständnis nicht das des Kaninchens vor der Schlange? Und bleibt nicht die Frage: Wie wird das Kaninchen zum Hahn?
Der Form des Rosenzweigschen B = B (eigentlich seinen „mathematischen“ Formeln insgesamt, auch dem A = A Gottes und dem B = A der Welt) liegen die subjektiven Formen der Anschauung zugrunde: Die beiden Elemente verhalten sich wie die beiden Vakuen, die des „leeren Raumes“ und der „leeren Zeit“, die an das Reale nur angrenzen, es nicht „in sich“ enthalten, in die „wir“ es vielmehr hineintun müssen (das leisten die kantischen synthetischen Urteile apriori). In diesen Formeln steckt die wichtigste Rosenzweigsche „Entdeckung“: die Kritik des Historismus (und, allerdings noch unentfaltet: der Naturwissenschaften). Sofern die „Formen der Anschauung“ auf einen Inhalt sich beziehen, haben sie die Funktion dessen, was die Propheten Kelch genannt haben.
Natur und Geschichte (das „Reich der Erscheinungen“) spiegeln die Wirklichkeit gleichsam unter Vakuumbedingungen, unter die sie mit Hilfe der subjektiven Formen der Anschauung versetzt werden, wider (der „Inhalt“ der subjektiven Formen der Anschauung ist vakuumverpackt; das Resultat der Entziehung der Luft, in der sie allein zu leben fähig wären: Produkt der Abstraktion vom Geist). Die letzte Erinnerung an ihre eigene theologische Vergangenheit ist in den Naturwissenschaften mit der Verdrängung des horror vacui verdrängt worden.
Abstrahiert wird in der subjektiven Form der äußeren Anschauung vom Blick des Andern, in der der inneren Anschauung von einer Zukunft, die nicht wie die Vergangenheit ist.
Ist nicht die Angst ein Sprachproblem, und bezeichnet nicht der selige Sprachgeist der paradiesischen Sprache den utopischen Punkt der Freiheit von Angst in der Sprache selbst?
Hängt die auffällige Beziehung der Juden in der Philosophie zu Kant nicht damit zusammen, daß die Kritik der reinen Vernunft die erste säkulare Selbstreflexion des Sternendienstes ist (der „kopernikanischen Wende“)?
Die Lahmen und Blinden: das sind die durchs Trägheitsprinzip Verhexten.
Nach kabbalistischer Tradition bezeichnet der Buchstabe Jod (das neutestamentliche Jota) die Beschneidung. Hat nicht Paulus das Jesus-Wort Mt 518 verletzt, und heißt er deshalb „Paulus“ (vgl. 519)? -
19.5.96
An der pharaonischen Verhärtung des Herzens läßt sich demonstrieren, daß die Personalisierung das Instrument eines Schuldverschubsystems ist, das heute den Geschichtsbegriff vollständig durchherrscht.
Licht und Finsternis sind keine physikalischen, sondern sinnlich-sprachliche Qualitäten.
Wer sich wundert, daß im biblischen Schöpfungsbericht das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, der glaubt nicht an Gott, sondern ans Elektrizitätswerk.
Physis und natura: Mit der Geburt sind die Schmerzen der Wehen, die, als Schmerzen der Frau, dem männlichen Bewußtsein ohnehin nur von außen zugänglich sind, vergessen und verdrängt, während im Begriff der Zeugung die Lust des Zeugens mit erinnert wird (hat die christliche Theologie mit der Einführung der Zeugung in die Trinitätslehre nicht die Idee des seligen Lebens mit dieser Lust verwechselt?).
Das Gewaltmonopol des Staates ist in dem Augenblick ins Zentrum des politischen Bewußtseins gerückt, als es durch die Ökonomie gebrochen und (dadurch, daß es in den Dienst der Ökonomie gestellt worden ist) instrumentalisiert wurde. Waren Idolatrie und Götzendienst nicht eine Vorstufe dieses Vorgangs, der moderne Nationalismus ihr immanentes telos?
Die kopernikanische Wende und der Ursprung der Philosophie: Hat die kopernikanische Wende die Verinnerlichung der Schicksalsidee nicht auf neuer Stufe (als Verinnerlichung der Astrologie) reproduziert?
Ursprung des Nominalismus: Was mit der kopernikanischen Wende verdrängt wurde, läßt an der Subjektivierungsgeschichte sich ablesen: Nach der Subjektivierung der sinnlichen Qualitäten die Leugnung der objektiven Kraft der Kritik und schließlich die Verwerfung der Objektivität der Schuld (die fortschreitende Destruktion der benennenden Kraft der Sprache).
Die kopernikanische Wende hat das Schuldverschubsystem (auf der Grundlage von Personalisierung und Konkretismus) instrumentalisiert. Hier ist der Punkt erreicht, an dem es keinen Ausweg mehr gibt außer dem einzigen (dem Nadelöhr der Theologie), Joh 129 ins Nachfolgegebot mit aufzunehmen.
Drei Stufen der Hoffnung:
– Kafka: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
– Benjamin: Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben.
– Jakobus: Wer einen Sünder (einen Hoffnungslosen) von seinem Irrweg bekehrt (von seiner Hoffnungslosigkeit befreit), der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken. (Jak 520)
Hat dieser „Irrweg“ (ho planäs hodos, der Weg des Irrtums) etwas mit dem Sternendienst, mit Astrologie und Astronomie (und diese mit der Geschichte der Bearbeitung der Schicksalsidee) zu tun?
Wiederholt nicht die Astronomie den gleichen Prozeß, den zuvor die Philosophie gegen den Mythos angestrengt hat, indem sie den Eindruck erweckt, daß wir, durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der Sternenbewegungen, Anteil gewinnen an der Gesetzgebung, Herrschaft erringen über den Himmel? Ist nicht die Astronomie die zweite Stufe der Verinnerlichung des Schicksals, das der Astrologie zufolge in den Bewegungen und Konstellationen der Sterne sich verkörperte und ablesbar schien? Sind nicht Raum und Zeit, die subjektiven Formen der Anschauung, Radikalisierungen der objektivierenden Gewalt des Begriffs?
Nach der Lehre des Islam erschafft Gott die Welt in jedem Augenblick neu (die Schöpfung ist eine reine Demonstration der göttlichen Schöpfermacht), nach jüdischer Tradition erneuert Gott mit jedem neuen Tag die Schöpfung, während nach christlichem Verständnis Gott der Erhalter der Welt ist (die – auch im zeitlichen Sinne – „im Anfang“ erschaffen wurde). -
22.4.96
Enthält nicht der Gottesname Vater genau die Kritik an den realen Vätern, die in den Evangelien so deutlich sich widerspiegelt? Das Wort „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ gilt einem, der erst seinen Vater begraben wollte, bevor er ihm nachfolgte. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn das Christentum dann – von den Kirchenvätern bis zum „Heiligen Vater“ – zu einer „Religion der Väter“ geworden ist (die Kirchen aber nur von Müttern und Kindern bevölkert sind).
Wird der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ und nicht im Indikativ stehen, nicht durch den Gottesnamen „Vater“ verletzt? Ist dieser Name nicht ein Tabu über die Väter? Der jesuanische Gottesname Vater richtete sich gegen das (väterliche) Richten, es war der Versuch, der Barmherzigkeit eine Schneise zu schlagen: Dieser Vater war einer, der Bitten erhörte und nicht Steine statt Brot und eine Natter anstatt eines Fisches gab. Dieser Vater gehört zum Motto der „Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern“. Patriarchatskritik ist Väter-, nicht Männerkritik (ihr Objekt ist der politisch-ökonomisch determinierte römische pater familias, der privatisierte Pharao).
Der Vater verkörpert die Vormacht des Vergangenen. Das Inertialsystem ist patriarchalisch.
Was hat die Trinitätslehre mit der grammatischen ersten, zweiten und dritten Person zu tun?
Jeder Schuldzusammenhang ist ein hierarchischer Zusammenhang; die kopernikanische Wende hat diesen hierarchischen Zusammenhang universalisiert, damit scheinbar neutralisiert, in Wirklichkeit aber nur verdrängt. Das Objekt ist eine Stufe in einer hierarchischen Ordnung, die keinen Anfang und kein Ende, keine Basis und keine Spitze hat.
Die Stufen der Hierarchie sind Subsumtionsstufen, Stufen der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft. Der Rang hierarchischer Mächte gründet in ihrem Alter: Das Höchste ist das Älteste. Begriffliches Denken ist in sich selber hierarchisch, und d.h. zeitlich organisiert. Die hierarchische Ordnung ist eine Schwurordnung, eine Ordnung der Selbstbindung – ist sie deshalb eine Siebener-Ordnung? Der Schwur besiegelt das Zeugnis und die die Zeugenschaft, begründet das Wissen, das im Urteil sich erfüllt. Ist die Ordnung des Raumes in ihrer Wurzel, in der Orthogonalität des Raumes, eine Schwurordnung (und liegt hier der Grund, weshalb die Entdeckung der Winkelgeometrie, zusammen mit der Logik des Beweises, die Philosophie – und die Begriffe von Natur und Welt – begründet hat)?
Ist die Lösung des Rätsels der der Beziehungen der drei Totalitätsbegriffe (die unser Denken organisieren und beherrschen), der Begriffe Wissen, Welt und Natur, zugleich die Lösung des Rätsels, weshalb der Raum drei Dimensionen hat?
Die Orthogonalität macht das Ungleichnamige gleichnamig (durch Veranderung identisch), sie begründet die Ordnung der Beweislogik und des Wissens (der synthetischen Urteile apriori, die Totalität der Erscheinungen, die von der Sphäre der Wahrheit geschieden ist).
Gründet die Idee der Auferstehung in einer Idee der Vergangenheit, die am Ende völlig durchsichtig geworden ist (in der Kritik eines Begriffs der Geschichte, der die Vergangenheit des Vergangenen, indem er es erkennt, bestätig und besiegelt)?
Lotterie: Das Geld hat die Erfüllung verdinglicht und als verdinglichte endlich gemacht; sie hat zugleich die Begierde grenzenlos wie den Raum gemacht. Seitdem ist die Kausalität universal geworden, während die Teleologie aus dem Bereich der erkenntnisleitenden Prinzipien ausgeschieden worden ist.
Das Geld (und nicht die sexuelle Begierde) ist der Grund der concupiscentia, der Animalität (der durch Instrumentalisierung irrational gewordenen Vernunft).
Jils Sander: Die Menschen möchten heute mit dem Ballast der Moral auch den der Kultur abwerfen. Aber das geht nur mit Hilfe des Schuldverschubsystems, der projektiven Verarbeitung der Last, ihrer Umformung ins Joch für andere. Das Fernsehen leistet hierzu erste Hilfe (für die Bewußtseinsindustrie ist das Bewußtsein eine zu bearbeitende Materie).
Die Beziehung der Pflanzen- und Tierwelt zur Sternen-, genauer zur Planetenwelt (im alten, astrologischen Sinne) ist ein Hinweis auf erkenntniszerstörende Gewalt der kopernikanischen Wende: auf die Gewalt des mit dem heliozentrischen System konstituierten Totenreichs, der Trennung der Dinge vom Grund des Lebens, der Wirkung des Inertialsystems, das Naturerkenntnis erkauft um den Preis der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
Die „Kultur der Empfindlichkeit“ ist in jedem Sinne pathologisch; aber diese Pathologie rührt an den Grund der Welt: Ist nicht das Planetensystem ein Spiegel dieser Kultur der Empfindlichkeit? -
17.4.96
Die Blüte und das Angesicht sind Widerlegungen der kopernikanischen Wende, der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung; gäbe es den unendlich ausgedehnten Raum, so würde es die Blüte und das Antlitz des Andern nicht geben.
Das Angesicht Gottes finde ich im Antlitz des Andern (in Seinem Ebenbild), nicht in mir selbst (und nicht im Spiegel): Da stehe ich mir selbst im blinden Fleck.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Produkt der Verinnerlichung des Blicks des Andern. (Die Verwaltung ist das Produkt der gesellschaftlichen Institutionalisierung des Blicks des Andern. Insofern hängt die Geschichte der Verwaltung mit der Geschichte des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, des Inertialsystems, zusammen.)
Läßt sich die Abstraktion vom Blick des Andern, Voraussetzung der Konstruktion der subjektiven Formen der Anschauung, nicht am Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit demonstrieren, mit seiner Hilfe nachweisen?
Die Bekenntnislogik gründet in der Umkehr und Instrumentalisierung der Schuld, das Geld in der Umkehr und Instrumentalisierung der Herrschaft, das Inertialsystem (die subjektiven Formen der Anschauung) in der Umkehr und Instrumentalisierung der Erkenntnis. – Wie hängen diese drei mit den drei Totalitätsbegriffen, mit Natur, Welt und Wissen, zusammen?
Verweist die Stelle im neuen Welt-Katechismus, in dem es heißt, daß Maria „mit liebender Zustimmung“ dem Kreuzestod ihres Sohnes beiwohnte, nicht auf eine Versuchung, die im Konstrukt des „stellvertretenden Leidens“ mit enthalten ist: daß nämlich die Theologie nur noch das instrumentalisierte Leiden kennt, den Ausdruck des unmittelbaren Leidens aber nicht mehr erträgt.
In der Mathematik und in seiner Beziehung zu den Medien ist jeder für sich; die Mathematik und die Medien begründen das Kollektiv der Einsamen, das stumme Kollektiv (Produkt der Trennung von Sprache und Realität).
Thomas von Aquin hat noch gewußt, daß die Seligen im Himmel an ihrer Trennung vom Leib leiden. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff des Leibes! -
3.4.96
Das Fernsehen ist die ironische Erfüllung der Idee der seligen Anschauung Gottes.
Eine Theologie im Angesicht Gottes läßt sich nur noch aus dem imperativischen Charakter der Attribute Gottes begründen. Wenn die Theologie aufhört, sich als Theologie hinter dem Rücken Gottes zu begreifen, wird das Geschwätz aufhören: die Intrige, das Reden über andere hinter ihrem Rücken.
Das aber wäre auch das Ende einer Theologie, die die Schrift nur noch projektiv, mit Hilfe der Logik des Schuldverschubsystems, verarbeitet. Das projektive Moment, die Logik des Schuldverschubsystems, steckt als ein konstitutives Moment im Begriff der Realität heute, die nur noch unter Zu-Hilfe-Nahme der Theologie (als Reflexion und Kritik des Schuldverschubsystems) noch zu durchdringen ist.
Widerlegung des Begriffs der „objektlosen Angst“: Die Fähigkeit, die Angst zu reflektieren, hängt zusammen mit der Fähigkeit, die Schuld zu reflektieren. Rosenzweigs Anfang mit der Todesfurcht steht in logischem Zusammenhang mit dem Satz, daß nur, wer die Last auf sich nimmt, sich von ihr befreit.
Zu den Dingen, die der raf vorzuwerfen sind, gehört nicht zuletzt, daß sie sich bewußtlos zum Agenten des Staatsterrorismus, den sie zu bekämpfen glaubte, hat machen lassen (die Herrschenden kennen keine Solidarität und keine Trauer: der Tod Schleyers hat nur eine attraktive Stelle freigemacht).
Die Vorstellung einer Natur, die die Menschheit überleben wird, ist ein Spiegelbild des Kapitalismus.
Als Schelling die Weltalter schrieb, hatte – so darf vermutet werden – das Verb „ahnden“ sicher schon die gleiche strafrechtliche Bedeutung, die es auch heute noch hat. Daß „die Zukunft geahndet“ wird, wie es im ersten Satz der Weltalter heißt, ist aber nicht nur die Folge einer Verwechslung des Ahndens mit dem Ahnen, sondern gehorcht einer bewußtlosen Logik, die ihren Grund in der Fichteschen Identifizierung der Philosophie mit der Wissenschaft hat. Die geahndete Zukunft ist die durch Subsumtion unter die Vergangenheit, unter den Begriff und die Logik des Wissens, verurteilte Zukunft, eine Zukunft, die die Zeche zu zahlen haben wird.
Ist nicht das Horkheimer-Wort: Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen, heute (nach Auschwitz) zu radikalisieren: Wer die Auferstehung leugnet, sollte von der Utopie schweigen?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Instrument der Herrschaft über den Himmel (der dadurch vermittelten Vergesellschaftung von Herrschaft: die antike Astronomie hat dazu beigetragen, Herrschaft zu begründen, die kopernikanische Wende, der himmlische Reflex des Ursprungs des Kapitalismus, hat sie vergesellschaftet).
Wenn Name und Begriff durch ihre Beziehung zur Schuld sich unterscheiden, worauf beziehen sich dann das „Bekenntnis des Namens“ und die „Heiligung des Gottesnamens“?
Ist die Samson-Geschichte im Buch der Richter nicht auch eine prophylaktische Ironisierung der Jesus-Geschichte (vgl. z.B. die „Verkündigung“ der Geburt an die Mutter, die Rolle des Vaters und den „Opfertod“ am Ende)? Wird nicht das Moment der Ironie im Buch der Richter überhaupt erst erkennbar im Kontext der Reflexion und Kritik von Herrschaft, mit der Heraustreten aus dem autoritären Bann (der u.a. unser Bibel-Verständnis ans nationalistische Apriori, das aber heißt: an den Historismus, bindet und den Blick auf das, was im Ernst Offenbarung heißen darf, verstellt)?
Zu den letzten Kapitel des Buchs der Richter vergleiche die anderen biblischen Stellen zu Pinchas, Sohn des Eleazar, und zu Jabesch-Gilead.
Beerscheba: Was haben der Schwur und die („heilige“) Zahl sieben mit einander zu tun? Vgl. hierzu Lillian R. Klein, S. 186 (shaba: to swear; to seven oneself, or bind oneself by seven things, Brown-Driver-Briggs-Gesenius: Hebrew/Aramaic Lexicon, 1979, p. 989).
Die Justiz fördert den Rachetrieb und verhindert die Schuldreflexion. Deshalb bedarf das Recht des Schwurs. -
14.3.96
Das geozentrische Weltbild war der Kern des Erkenntnisprozesses, in dem die Elemente des Inertialsystems sich herausgebildet haben, an dem zugleich die Logik der Vermittlung sich demonstrieren läßt. Zum geozentrischen Weltbild gehört das Konzept der theoria, es bleibt im Bann der Anschauung, als deren gegenständliche Selbstreflexion es sich begreifen läßt. Die Geozentrik definiert die Rahmenbedingungen des ruhig anschauenden Subjekts, das den am Himmel angeschauten Bewegungen als passiver Zuschauer nur beiwohnt, nicht selbst (wie das Subjekt des heliozentrischen Systems) in diese Bewegungen mit einbezogen ist. Erst bei Kopernikus wird auch die Erde zu einem astronomischen Objekt, ein Vorgang, in dem zunächst die sinnlichen Qualitäten, dann das Denken und am Ende die Schuld subjektiviert werden, den Charakter der Objektivität verlieren.
Hätte Adorno begriffen, daß der Schuld- und Verblendungszusammenhang ein Teil des Herrschaftszusammenhangs ist, hätte er sich in der Theologie wiedergefunden. Theologie ist die Reflexion des Herrschaftszusammenhangs; nur als Reflexion des Herrschaftszusammenhangs wird sie zur Theologie im Angesicht Gottes; diese Theologie wäre das Bekenntnis des Namens Gottes, der Beginn der Heiligung des Gottesnamens. -
11.3.96
Ist die griechische Elementenlehre, die die Elemente (von der Erde über das Wasser und die Luft zum Feuer) nach ihrer Schwere und Leichtheit ordnet, ein Produkt der im „geozentrischen Weltbild“ hypostasierten Oben-Unten-Beziehung, der gleichen Herrschaftsmetaphorik, die auch die Beziehung des Begriffs zum Gegenstand definiert? Das griechische Subjekt ist das den Raum beherrschende Subjekt (das geometrietreibende Subjekt). Erst Kopernikus dehnt diese Herrschaft auf die Zeit: auf die Erscheinungen und Prozesse im Raum aus. Das Inertialsystem ist nicht nur das Referenzsystem aller Erscheinungen, Begriffe und Gesetze, sondern genauer: das Referenzsystem aller Erscheinungen und Begriffe sowie aller Prozesse und Gesetze. Hat das Wort des Täufers: „Ich bin nicht würdig, seine Schuhriemen zu lösen“ etwas mit der Geschichte Moses‘ vor dem brennenden Dornbusch (mit der Ausschließung des Privateigentums, der Eigentumsfähigkeit im Bereich des Heiligen), und hat dieses Lösen etwas mit dem Binden und Lösen zu tun? Vgl. auch den Satz des Engels Gabriel an Zacharias, daß dieses Kind das Gottesreich vorbereiten wird, indem es die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehren wird. Die Idee des Ewigen schließt das Inertialsystem (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) von sich aus, die des Heiligen das Tauschprinzip (die Eigentumslogik).
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10.3.96
Das Überzeitliche ist die Unterwelt (deshalb heißt Sterben auch „ad patres ire“: Grund des Partiarchats und der besonderen Rolle der Väter in den Evangelien). Sind nicht die indoeuropäischen Sprachen, die durch ihre Konjugationsformen unterm Bann des Überzeitlichen stehen, ein gleitendes System des Abstiegs zur Hölle?
Das geozentrische Weltbild, indem es die Beziehung von oben und unten hypostasiert, zur Grundlage der Elementenlehre macht, ist ein Stück Herschaftsideologie. Der hebräische Himmel, dessen Name die Einheit von Wasser und Feuer symbolisiert, ist ein Sprachhimmel, kein Naturhimmel. Die kopernikanische Wendung hat in das geozentrische Weltbild (und in die mit ihr verschmolzene Herrschaftsideologie) eine Scheidung hineingetrieben, die bis heute nicht begriffen ist: Sie hat, indem sie die Beziehung von oben und unten ins Subjekt zurückgenommen und so diese Herrschaftsideologie vergesellschaftet hat, Herrschaft erstmals reflektierbar gemacht. Sie hat der Umkehr (der Bekehrung der Herzen der Väter zu den Kindern, Lk 116) den Boden bereitet.
Die Orthogonalität ist der Statthalter und der Grund der Logik (und des Staates) in der Mathematik: Die Entdeckung der Winkelgeometrie (im Medium der frühen Astronomie) gehörte zu den Voraussetzungen des Ursprungs der Philosophie (und des Rechts).
Beschreibt nicht der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ einen geometrischen Sachverhalt: nämlich daß es die intentio recta nur im Kontext der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes) gibt?
Verweist nicht diese Beziehung der subjektiven Formen der äußeren Anschauung zur intentio recta auf den Fluch über die Schlange: „Auf dem Boden sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“, auf die systemische Unfähigkeit zur Reflexion, auf den Positivismus in Wissenschaft und Recht (und ist nicht das Strafrecht der Versuch der Kodifizierung dieser Unfähigkeit)?
Problem der Pluralbildung: Kehrt nicht die gleiche Sprachlogik, die der Wendung „Wir Deutschen“ zugrunde liegt, in der Logik der Pluralbildung (im Verhältnis des Genitiv der dritten Person zum Nominativ der zweiten Person pluralis <und zum Possessivpronomen der dritten Person femininum singularis>) wieder? (Hat der Genitiv, die grammatische Herrschafts- und Eigentumsform, im Plural die Kraft, die zweite Person zu objektivieren, zur dritten Person zu machen? Und weshalb greift der Genitiv der dritten Person pluralis, und mit ihm der Nominativ der zweiten Person pluralis, auf eine feminine <„ihre“> und der Dativ der dritten Person pluralis auf eine maskuline Bildung <„ihnen“> zurück?)
Gibt es einen Zusammenhang der inneren Pluralisierung, der das Femininum mit dem Begriff der Masse verbindet (überhaupt mit dem Begriff, der Ausdruck des „Gemeinsamen“, der Gattung oder der inneren Pluralität, der unter ihm befaßten Objekte ist)? Und sind nicht die Totalitätsbegriffe der europäischen Aufklärung (Wissen, Natur und Welt) Ausdruck des in ihnen verborgenen Mechanismus der inneren Pluralisierung (der innere Grund der Gemeinheit, die beweislogisch nicht zu fassen ist)?
Das Inertialsystem enthält eine logische Automatik, die das erkennende Subjekt ans Ende der Zeitreihe und ins leere Zentrum (den „Ursprung“) des Raumes setzt. Ausgeblendet werden der Ursprung der Zeit und die Enden des Raumes. -
3.3.96
Zum Brief von Antje Vollmer/Felix Ensslin: Der Verzweiflung die Mahnung auf den Weg mitzugeben „Verhärtet euch nicht“ ist zynisch (insbesondere wenn die Vermutung zutrifft, daß die hier Angeklagte zu denen gehört, die in der RAF zur Auflösung der Verhärtung beigetragen hat, und wenn die Befürchtung begründet ist, daß sie allein wegen ihrer Weigerung, sich als Kronzeugin zur Verfügung zu stellen, verurteilt werden sollte).
Dieser Prozeß ist nun wirklich alles andere als ein Dialog (Erklärungen der Angeklagten werden nicht zur Kenntnis genommen, bewußt und gezielt fehlinterpretiert, Fragen der Verteidigung an Zeugen und Beweis-Anträge, die darauf abzielen, die Vorgänge in Bad Kleinen (die Grundlage der Anklage sind) aufzuklären, werden unterbunden, abgelehnt. Der Eindruck, daß die Angeklagte als Feind und nicht als Angeklagte wahrgenommen wird, gründet u.a. in der offenkundigen Unterbindung jedes dialogischen Elements in der gesamten Verfahrensführung durch das das Verfahren beherrschende Gericht, das es nicht mehr für nötig hält, den Eindruck, Herr des Verfahrens sei die Bundesanwaltschaft, zu vermeiden.
(Das poker-face der „Persönlichkeit“, die „über der Sache“ steht, weil sie sich nie in die Sache eingelassen hat.)
Paßt hierzu nicht das Wort aus dem Lukas-Evangelium von der Bekehrung der Väter zu ihren Kindern?
Zum Begriff der Sünde: Die Abstraktion vom Gegenblick, die zu den Konstituentien der subjektiven Formen der Anschauung gehört, kehrt als subjektloser Blick der Welt wieder. Dieser subjektlose Blick der Welt ist es, der den Raum nach allen Seiten ins Unendliche öffnet (das kopernikanische System begründet).
Das Theologumenon der „Entsühnung der Welt“ ist die theologische Verführung zum Konformismus. Es ist zugleich Teil der Gottesfurcht-Vermeidungs-Strategie, die die Theologie hinter dem Rücken Gottes begründet, und die Begründung des Schuld-Verschub-Systems, das im Christentum immer wieder mit der Sündenvergebung verwechselt worden ist.
Zwei Dinge, die schwer auseinander zu halten sind: die persönliche und die moralische Verletzlichkeit.
Ich wünschte mir eine Theologie wie auch einen politischen Diskurs, die endlich aus den Rechtfertigungszwängen sich befreien.
Subjektlosigkeit ist Herzlosigkeit. Deshalb gründet die Autonomie in der Barmherzigkeit.
Anmerkung zur Bekenntnislogik: Es gibt kein Bekenntnis ohne Feindbild, ohne Ketzerverfolgung und ohne Frauenfeindschaft. Das Bekenntnis ist ein Rechtsbegriff; hängt es nicht damit zusammen, wenn Juden an sich schuldig waren, während für Ketzer und für Hexen das Prinzip der Beweisumkehr galt: ihnen brauchte die Schuld nicht nachgewiesen zu werden, sie mußten, wenn sie in Verdacht geraten waren, ihre Unschuld beweisen (nach der gleichen Logik war das Gegenstück zum Confessor die Virgo; und deshalb ließ der Name der Büßerin für Maria Magdalena den Umkehrschluß zu: Sie muß es wohl schlimm getrieben haben).
Wie hängt diese Konstellation (Feind, Ketzer, Hexen und deren Beziehung zur Beweislogik) mit der Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere mit der Selbstbegründung der Form des Raumes, zusammen (das Objekt ist das neutralisierte Feindbild, Repräsentant des an sich Schuldigen)?
Was bedeutet es eigentlich, wenn niemand mehr etwas dabei findet, daß im Bereich des § 129a die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten (durch entsprechende Gestaltung der Haftbedingungen, durch restriktive Besuchsregelungen, durch Überwachung der Post und durch Behinderung des Verkehrs mit den Verteidigern) weitestgehend eingeschränkt werden, während gleichzeitig den Ermittlungs- und Anklagebehörden ein Riesenapparat, den niemand mehr kontrolliert, und dessen Arbeit selbst im Strafprozeß, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit ins Beweisverfahren mit einfließen, gegen den Einblick der Verteidigung durchs Gericht abgeschirmt wird, zur Verfügung steht? Geführt werden diese Prozesse von „Staatsschutz“-Senaten, also von politischen Gerichten, zu deren Aufgabe es dann aber zugleich gehört, ihre eigene Grundlage zu verleugnen. Es gehört zu den praktischen Prämissen des Verfahrens, daß die subjektive Dimension der angeklagten Handlungen (z.B. die wirklichen Ziele und Motive der Angeklagten) strikt ausgeblendet bleibt. So gerät das Verfahren unterm Zwang seiner eigenen Voraussetzungen in eine Engführung der Sachverhaltsermittlung, der Beweiserhebung und der Gesetzesanwendung, die nur noch die reine Objektbeziehung zur Angeklagten zuläßt (sie nicht durch die „Gesinnung“ der Richter, sondern durch die eigene Logik des Verfahrens, zum „Feind“ macht), ein gerechtes Urteil aber von vornherein ausschließt. Oder, um die Sprache von Frau Dr. Vollmer aufzunehmen: Ist es nicht diese „Logik des Verfahrens“, die zu den Verhärtungen beiträgt, die den Dialog so unendlich erschweren, wenn nicht ausschließen? Bekommt der Hinweis auf die Notwendigkeit des Dialogs angesichts dieses Verfahrens nicht einen zynischen Klang? -
2.3.96
Der Positivismus, der nicht nur eine „Richtung“ in der Philosophie, sondern die herrschende Tendenz des Wissenschaftsbetriebs heute insgesamt bezeichnet, ist das Instrument der Rückbildung der organisierten Erkenntnis ins Anorganische. Schlimm ist nicht diese Rückbildung, sondern die Unfähigkeit ihrer Reflexion. Genau dadurch aber unterscheidet sich beispielsweise Mach (und auch wiederum Wittgenstein) vom Wiener Kreis, daß sie ernsthaft daran sich abgearbeitet haben, den Vorgang bewußt zu machen, während der Wiener Kreis sich offensichtlich gern als Kommandoebene des Positivismus etabliert hätte. Gleicht er darin nicht der Intention und der Funktion des Neoliberalismus in der Ökonomie? Hier liegt nicht die Wurzel des „Kausalitätsproblems“: Als Apologet des kapitalistisch organisierten Eigeninteresses, in dessen eingeschränktem Wahrnehmungsfeld er selbstverständlich von der Geltung des Kausalprinzips ausgehen muß, muß er, um das hypostasierte Eigeninteresse irritationsfrei zu halten, zugleich versuchen, die Anwendung des Kausalprinzips auf die Erkenntnis der objektiven, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Folgen des Handelns zu unterbinden, was am einfachsten durch Verschiebung von der Ökonomie auf die Physik, die ohnehin zur Metaphysik der Ökonomie geworden ist, möglich ist (die Vernebelung der ersten Natur macht auch die zweite unsichtbar, wobei als sicherstes Mittel der Vernebelung immer noch die Verdinglichung logischer Sachverhalte sich erweist).
Verwaltung gründet in der Umformung von Exkulpationsmechanismen in Handlungsmechanismen. Sie liefert das Modell subjektlosen Handelns: Man tut seine Pflicht, weiß aber nicht mehr, was man tut.
Definition der Verwaltung: Der Bock als Gärtner.
„Leistung muß sich wieder lohnen“: Die Kehrseite des staatlichen Sparzwangs, der neben dem Sozialbereich insbesondere die Verwaltung trifft, ist der unaufhaltsame Verschwendungstrieb derer, die davon profitieren. Dort, wo die Leistung nur noch am Verdienst gemessen wird, sind die Besserverdienenden eo ipso auch die Leistungsträger (auch ein Problem der Beweislogik).
Das unterscheidet den Gehorsamen vom Hörenden, daß der Gehorsame die Verantwortung an den Herrn abgegeben hat: an das blinde Gesetz, das die Welt beherrscht, während der Hörende sein Handeln in die eigene Verantwortung übernimmt.
Das Schuldverschubsystem ist das Resultat des widersinnigen Versuchs, Barmherzigkeit zu delegieren. Barmherzigkeit ist die Substanz der Autonomie, sie ist grundsätzlich nicht delegierbar.
Der Beleidigte bleibt in die Infantilität gebannt: Er glaubt an die Kraft des Liebensentzugs.
Das kopernikanische System ist der kosmische Reflex (und die kosmische Legitimation) des Selbsterhaltungsprinzips und der staatlich organisierten Gesellschaft von Privateigentümern (aus der das Proletariat definitionsgemäß herausfällt).
„Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Den ersten Teil dieses Satze zitiert auch Jesus (Mt 2322) in einem gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gerichteten Text über das Schwören (das Schwören beim Tempel, beim Altar, beim Himmel).
Kant hat den Raum als subjektive Form der äußeren Anschauung definiert, Hegel hat diesen Begriff zugespitzt zur Form der Äußerlichkeit. Darin drückt sich der logische Sachverhalt aus, daß alles Räumliche dem Gesetz des Seins für Andere(s) unterworfen ist. Der räumliche Punkt ist das Bild des Objekts: Indem ich eine Sache objektiviere, mache ich sie zu einem Sein für Andere.
Adjektiv (that’s the question): Habermas hat in dem falsch zitierten Adorno-Wort „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“, das vom Original nur durch das Adjektiv „gequält“ sich unterscheidet, das Wort insgesamt verfälscht. Das Adjektiv, indem es dem Objekt eine Eigenschaft beilegt, objektiviert und verdinglicht das Objekt. Erst durch ihre (in den indoeuropäischen Sprachen entfaltete) Steigerungsfähigkeit wird das Adjektiv zum Adjektiv, gewinnt es seine grammatische, die Sprachlogik verändernde Funktion. (Vgl. das tob meod im Hebräischen, das „gut, gar sehr“, und die Rosenzweigsche Bemerkung hierzu, aber auch die merkwürdige Tatsache, daß die Steigerung des Adjektivs „gut“ (und welcher anderen in welchen Sprachen?) in den indoeuropäischen Sprachen von der allgemeinen Steigerungs-Regel abweicht, für die Steigerungsformen neue Stammformen (gut, besser, am besten) genommen werden; vgl. hierzu auch das Problem des Neutrums, seinen Ursprung im Fragepronomen <das keine geschlechtliche Unterscheidung, nur die von Person und Sache kennt, eine Unterscheidung, die im Hebräischen auf den Namen des Himmels verweist> und die hethitische, an die Logik des Fragepronomens anschließende Zwischenstufe der grammatischen Genus-Regelung, die ebenfalls nur die Unterscheidung von Person und Sache kennt (ohne Trennung von Männlichem und Weiblichem): gibt es Steigerungsformen im Hethitischen; wie verhält es sich mit den Personalpronomina – auch im Hebräischen? Wo entspringt das „Wie“, der mit der Steigerung sprachlogisch verbundene Vergleich, der im Deutschen an die weibliche Form des bestimmten Artikels <an das „die“, so wie Wer an „der“ und Was an „das“> erinnert? – Vgl. hierzu die Hypostasierung der Frage im Begriff der Judenfrage, der Seinsfrage, schließlich der Frage überhaupt, die bei Heidegger gleichsam durch Redundanz zum Grund der Eigentlichkeit metaphysisch aufgeladen wird: Ist „die Frage“ die letzte Gestalt des Wassers, mit dem die Philosophie einmal begonnen hat? Sind die Seinsfrage, die Judenfrage, die Frauenfrage u.ä. die schwarzen Löcher der Grammatik?).
Wie verhält sich die Frage zu den sprachlogischen Formen der Konjugation (zu den Dimensionen der Zeit, zur Abtrennung des Handelns vom Subjekt)? Wie verhalten sich Frage und Problem? Was bedeutet der Ursprung des Wissens für die Geschichte des Begriffs der Frage? In welche Engführung bringt der Weltbegriff den Begriff der Frage? Wodurch unterscheiden sich Frage und Problem (Antwort und Lösung), und wie verhalten sich das Binden und Lösen zu Frage und Problem?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie