Was bedeutet der Begriff der Heiligung in dem Satz „Der Zweck heiligt die Mittel“? Heißt es nicht, daß hier eine Sache nur der Kritik entzogen wird? Gehört es nicht in einen Zusammenhang, in dem Blasphemie und Majestätsbeleidigung (Verunglimpfung staatlicher Symbole) nicht mehr sich unterscheiden lassen, ist es nicht eine Heiligkeit, die als Unberührbarkeit der Macht sich begreift: als Verdinglichung des Heiligen? Es ist das genaue Gegenteil des Begriffs der Heiligung, der dem Gebot der Heiligung des Gottesnamens zugrundeliegt.
Zum Begriff des Neutrums gehört auch die grammatische Form des Indikativs, einer sprachlichen Form der Objektivität, die von allem Subjektiven (Wunsch, Zweifel, subjektiv Möglichem) gereinigt ist, das dann in den Konjunktiv verschoben wird. Im Lexikon der Sprachwissenschaft (Kröner, Stuttgart, 19902) wird der Indikativ als „neutraler Darstellungsmodus“ definiert (S. 407). Vgl dazu Hegels Bestimmung des Ursprungs und der Form der Prosa (ein Begriff, der im ebengenannten Lexikon ebensowenig vorkommt, wie auch nur ein Ansatz zu einem Versuch der sprachlogischen Bestimmung des Neutrums).
Als Habermas mit dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ das Thema verfehlte, hat er sich von der kritischen Theorie verabschiedet. Seitdem gilt er als ihr Vertreter.
Heute ist die Gegenwart in einem Maße historisiert, daß jeder kritische Impuls Gefahr läuft, sich ins Kontrafaktische zu verlieren (zum ohnmächtigen und unverbindlichen Räsonnement wird, das die Betonwand des Wirklichen nicht mehr zu durchdringen vermag). Die kontrafaktische Reflexion bezieht sich nicht mehr nur auf vergangene Entscheidungen, sondern die Gegenwart selber ist in einem Maße vorentschieden, daß Reflexion insgesamt in Gefahr ist, kontrafaktisch zu werden.
Merkwürdiges Gefühl beim Heribert Prantl: Er rührt an den Kern der Dinge, aber auf eine bloß noch räsonnierende Weise: auf die Weise des resignierten, ohnmächtigen Protests, dem die Kapitulation vor der Übermacht des Bestehenden schon einbeschrieben ist (vgl. Ulrich Sonnemann: Der verwirkte Protest, in: Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten, Hamburg 1963).
Als Habermas die Natur von der Hoffnung auf eine befreite Gesellschaft ausschloß, hat er vor der Übermacht des Bestehenden kapituliert.
Heute reflektieren alle nur noch über die Sache, anstatt die Sache zu reflektieren. Wäre der Satz, mit dem das kommunistische Manifest beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – …“, heute nicht anders weiterzuführen: Anstatt auf den Kommunismus wäre er heute auf die Gestalt des abgestorbenen Geistes (und nur so gewinnt der Name des Gespensts Realität), die in den Banken umgeht und rumort, zu beziehen. Der Macht und dem Tun dieses Gespenstes ist es zu danken, wenn heute der Name des Geistes endgültig obsolet geworden zu sein scheint. Als der Faschismus Vergangenheit geworden ist, hat er die Gegenwart in diesen Hades mit hereingezogen. Auf dem Boden der Katastrophe gibt es nur noch die Macht der Reflexion; wer glaubt, auf diesem Boden eine andere Welt erbauen zu können, wird in ihren Strudel mit hereingezogen. Wenn die kopernikanische Wende (die neue Astronomie) die Neukonstituierung der politischen Institutionen begleitet, ist dann nicht das Medium, in dem die neue Physik sich herausgebildet hat, insbesondere die Elektrodynamik, Symptom des Ursprungs und der Entfaltung jener Macht, die die politischen Institutionen der Moderne unterminiert, neutralisiert und verdrängt: der Ökonomie?
Gründet nicht die Verdrängung der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung in der bewußtslosen Anwendung des Satzes, daß der Zweck die Mittel heiligt? Der diesem Satz zugrundeliegende Begriff der Heiligung steht in genauestem Gegensatz zum Gebot der Heiligung des Gottesnamens. Die Heiligung des Gottesnamens ist ein Erkenntnisgebot, die Heiligung der Mittel durch die Zwecke ist ein Ensemble von Tabus, von Verdrängungen, von Erkenntnisverboten (Quellpunkt des Opfers der Vernunft).
Wer das, was Bundesanwälte, Richter und die Polizei sich heute selber antun, beim Namen nennt, beleidigt sie. Damit hängt es zusammen, daß es einen herrschaftsfreien Diskurs solange nicht geben wird, wie es nicht gelingt, die Reflexion von Herrschaft auch in die Institutionen des Rechts hineinzubringen.
Der Drache, das Tier aus dem Meere und das Tier vom Lande: Es gilt zu begreifen, daß das Neutrum zwar ein Instrument der Desensibilisierung ist, selber aber das sensibelste, empfindlichste Wesen ist (Geld macht sinnlich).
Die Exkulpationsmacht des Staates ist nur solange zu halten, wie sie selber der Reflexion und der Kritik sich entzieht (durchs Tabu, durch den Schutz vor „Verunglimpfung“). Wäre nicht das adornosche Stichwort der „vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte“ zu ersetzen (und zu erfüllen) durch die restlose Reflexion des Säkularisationsprozesses, zu dessen Geschichte die der Theologie dazugehört? Für den Mord an Menschen, die herrschaftskritische Hoffnungen verkörpern, gibt es unendlich viele Beispiele. Gibt es ein einziges Beispiel eines wirklich gelungenen Tyrannenmords? Ist nicht das einzige historische Beispiel hierfür der Mord an Julius Caesar, der real den Caesarismus (bis hinein in den Caesarismus der dogmatischen Theologie, in dessen Kern die Opfertheologie steht, die eher auf die Ermordung Caesars als auf den Kreuzestod Jesu sich beziehen läßt) überhaupt erst begründet hat? War nicht Brutus das Modell für das christliche Verständnis des Verräters Judas? Die Kosmologie, die Naturphilosophie und dann die Naturwissenschaft sind der Schatten und das Reflexionsmedium der Staatenbildung.
Kopernikus
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11.12.95
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9.12.95
Politische Naturgesetze und das Gewaltmonopol des Staates: Auch eine Mauer aus Paragraphen ist undurchdringlich. Die bundesdeutsche Asylgesetzgebung unterscheidet sich von der von der DDR errichteten Mauer nur durch die Richtung der Abschreckung: Die eine sollte keinen heraus-, die andere niemanden hereinlassen. In beiden Fällen erweist sich die gesetzlich installierte Gewalt als das politische Korrelat des physikalischen Trägheitswiderstandes.
Ebenso wie es am Ende des Zweiten Weltkrieges keinen Friedensschluß mehr gegeben hat, gibt es seitdem keine erklärten Kriege mehr. Konflikte „brechen aus“ wie ein Vulkan. Kriege sind zu Naturereignissen geworden. Ist das nicht der entscheidende Hinweis, daß die politische Ökonomie insgesamt in Natur regrediert, daß sie ebenso unbeherrschbar geworden ist wie diese? Der Neoliberalismus, der für die uneingeschränkte Wirksamkeit der Marktmechanismen und -kräfte (für die Naturalisierung der Gesellschaft) sich einsetzt, ist die Ideologie dieses Zustandes, das Alibi für den Verzicht auf eine von bloßer Verwaltung sich unterscheidende Politik. Regieren ohne die Idee einer moralisch verantwortbaren Souveränität kann nur noch heißen: Aussitzen. Wenn die Grenzen der moralischen Legitimität des Handelns aufgehoben sind, begründen Macht, Gewalt und Erfolg sich gegenseitig, gibt es zu dem, was ohnehin sich durchsetzt, keine Alternative mehr.
Keiner Generation hat sich die Gewißheit, daß die Vergangenheit sich nicht ändern läßt, so tief eingeprägt wie der Generation nach Auschwitz. Aus dem gleichen Grunde ist diese Generation ausweglos auf Rechtfertigungszwänge fixiert. Alles Handeln wird, wenn der Blick auf eine Änderung der Dinge, auf die Fähigkeit und die Kraft, in den Gang der Dinge einzugreifen, versperrt ist, allein noch unter dem Gesichtspunkt der Schuld, und d.h. im Bann des Rechtfertigungszwangs wahrgenommen.
Ist nicht das Bilderverbot eigentlich das Verbot, von der Schwerkraft (vom Schuldzusammenhang) zu abstrahieren? Fällt nicht die kopernikanische Wende (und mit ihr die modernen Naturwissenschaften und der deutsche Idealismus) unters Bilderverbot? Und ist nicht die Ästhetik insgesamt, die in der modernen Welt zusammen mit der Geldwirtschaft, den Anfängen der Naturwissenschaft und dem Ursprung des konfessionellen Christentums entspringen, ein Produkt der Abstraktion von der Schwere (vgl. die Frage Rosenzweigs, ob Künstler selig werden können)?
Zusammen mit einem Recht ohne Feindbild und ohne Kronzeugenregelung wünsche ich mir Solidarität ohne Komplizenschaft.
Wer über Fehler nicht mehr nachdenken will, blockiert die eigene Lernfähigkeit. Man sollte die Kritik der raf nicht allein der Bundesanwaltschaft überlassen (und nicht jeden Kritiker für einen Sympathisanten der Bundesanwaltschaft halten).
Darüber, ob die raf die Politik in der BRD nach rechts gerückt hat, wird man diskutieren können (und müssen). Ohne Zweifel war das nur möglich, weil das Potential dafür schon (oder immer noch) vorhanden war. Aber hätte nicht die raf diese Situation mit reflektieren müssen: Kann man wirklich die ganze linke Diskussion vor 68, von der nach 68 nicht viel übrig geblieben ist, durchstreichen und vergessen? Zwischen Lenin und der raf gibt es immerhin Namen wie Rosa Luxemburg, Georg Lukacs, Karl Korsch, Rudolf Hilferding, auch Ernst Bloch, Walter Benjamin, Horkheimer und Adorno: Wer diese Tradition glaubt links liegen lassen zu können, darf sich nicht wundern, wenn er nicht nur der Rechten Tür und Tor öffnet, sondern sich selbst am Ende rechts wiederfindet.
Lehrstück der Dialektik: Hat nicht die raf dem Staat, der auf dem Sprung nach rechts war, Hilfestellung geleistet, ihm dazu das Rüstzeug, das er brauchte, geliefert?
Gegen Habermas: Die Dialektik der Aufklärung ist nicht das „schwärzeste Buch“, sondern eine der genauesten Analysen einer der finstersten Perioden der europäischen Geschichte. Anstatt diese Analyse bloß abzuwehren, käme es viel mehr darauf an, sie auf den gegenwärtigen Stand zu bringen. Die Historisierung dieses Buches war eines der wirksamsten Mittel seiner Neutralisierung. Seine, weiß Gott, weiterbestehende Aktualität wäre zu retten. -
17.11.95
Der Weltbegriff hat die Schicksalsidee durch Identifikation mit dem Aggressor besiegt und konserviert zugleich.
Ist nicht der gesamte Mythos „Sprachphilosophie“ im Bann der Herrschaft?
Die klassischen Sprachen des Altertums lassen als in sich konsistente Ausgestaltungen der Logik der Schrift sich begreifen. Das heißt jedoch nicht, daß sie Folgen der Erfindung der Schrift sind, es wäre ebenso plausibel anzunehmen, daß in diesen Sprachen die sich entfaltende Herrschaftslogik der Logik der Schrift soweit entgegengearbeitet hat, daß ein bruchloser Übergang dann möglich war.
Die Schicksalsidee war der genaueste Ausdruck des Zusammenhangs von Sprachentfaltung und Herrschaftslogik. Der Islam hat diese Schicksalsidee nur personalisiert, damit ihrer Reflexion aber den Weg verstellt.
Prophetie und Apokalypse unterscheiden sich durch das Dazwischentreten des Weltbegriffs: Erst die Apokalypse thematisiert die theologische Relevanz der Weltreiche.
War nicht das Winterhilfswerk der Nazis der erste (gelungene) Versuch der Instrumentalisierung der Hilfsbereitschaft der Menschen? Daß die Sammlungen dann anderen Zwecken zugeführt wurden, verdeutlicht nur die Problematik des Spendenwesens seitdem. Stehen die Hilfsorganisationen heute nicht auch in dieser Tradition? Das aber heißt: Sind sie nicht in erster Linie ein Ausdruck der wachsenden Ohnmacht, in die Verhältnisse ändernd einzugreifen? Befestigen sie nicht diese Ohnmacht, indem sie sie instrumentalisieren und nur abschöpfen?
Der Druck, unter dem der Positivismus sich konstituiert (und der ihn zugleich zu legitimieren scheint), gründet in den Problemen, die der kritischen Reflexion der intentio recta im Wege stehen. Es gibt so etwas wie eine Selbstlegitimation der intentio recta im Kontext ihrer Beziehung zur Herrschaftsgeschichte: Die intentio recta ist selber eine Funktion der Herrschaftsgeschichte und nur durch Reflexion der Herrschaftslogik, die sie begründet, aufzulösen. (Im privaten Bereich entspricht dem das Gerede, das unterm Bann der Rechtfertigungszwänge steht und unfähig ist, sich in den, über den geredet wird, hineinzuversetzen.)
Merkwürdige Tradition, die den Kreis oder die Kugel als Bilder der Vollkommenheit auffaßt, während sie in Wahrheit Symbole des Schicksals und dessen, was Jeremias das „Grauen um und um“ genannt hat, sind.
Bosnien-Konflikt: Die Untaten des andern mögen vielleicht die eigenen Untaten erklären, aber sie entschuldigen sie nicht.
War nicht schon das Benennen der Tiere die Sünde Adams?
Jesus hat dreimal benannt: Zunächst die Pharisäer (als Heuchler), dann die Händler und Geldwechsler im Tempel, dann aber auch den Petrus. Hierbei ist der Kontext zu beachten: Nur die Pharisäer und Schriftgelehrten benennt er direkt (ihr seid …), die Händler und Wechsler indirekt, durch die Vertreibung aus dem Tempel, mit der er ihr Tun benennt, während er Petrus von sich weist (weiche von mir …).
Hängt es nicht mit der Geschichte des Opfers zusammen, wenn das Fleischessen auf die hierarchische Organisation der Gesellschaft, auf die Ursprungsgeschichte des Staates, verweist? Und wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Opfertiere verständlich (Stier, Widder/Bock/Lamm, Taube)?
Heldenfriedhof/Hakeldama: Der Mythos von Blut und Boden scheint mit der Vorstellung zusammenzuhängen, daß das Blut der Helden den Eigentumsanspruch auf den Boden, für den es geflossen ist, begründet. Ist diese Vorstellung nicht durch das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs, durch die Niederlage der Nazis, widerlegt worden? Oder ist dadurch das Bewußtsein in Deutschland auf das Paradigma Sieg oder Niederlage fixiert worden, ein Paradigma, das sowohl die Ökonomie des Wirtschaftswunders als auch die Bedeutung des Sports in der Nachkriegsgesellschaft (der Ersatz der Filmstars durch die Sieger-Idole des Sports von der Nationalmannschaft beim Fußball – die es wahrscheinlich war, als sie mit der „Weltmeisterschaft“ 1954 den Anfang machte – bis hin zu Boris Becker und Steffi Graf) erklären würde? Sind nicht Siegerehrungen bei internationalen Sportwettkämpfen und Länderspiele beim Fußball die einzigen Veranstaltungen, bei denen heute noch die Nationalhymne gespielt wird?
Was ist das für ein Bewußtsein, daß zur eigenen Stabilisierung insbesondere des Sports und der Krimis bedarf? Gibt es einen Zusammenhang mit der Verlagerung des imperialistischen Grundtriebs aus der Politik in die Ökonomie (Wirtschaftswunder, Standort Deutschland, Stabilität der DM)? Und wird nicht die Logik dieses Vorgangs gründlich verkannt, wenn in diesen Imperialismus noch eine politische Intention hineinprojiziert wird? Dieser Imperialismus hat jeden Schein von Souveränität (den Carl Schmitt noch an Hitler zu erkennen glaubte) endgültig abgeworfen.
Steht nicht der Terrorismus unter dem gleichen symbolischen Zwang wie der Sport: als Versuch, die Niederlage ungeschehen zu machen? Das würde u.a. auch die Bedeutung, die der Identitätsbegriff in diesem Bereich gewonnen hat, erklären. Steht dieser Identitätsbegriff nicht an der Stelle, an der im Christentum nach der Enttäuschung der Parusie-Erwartung das Dogma sich gebildet hat?
Die kopernikanische Wende fällt zusammen mit der Umformung von Boden, Arbeit und Geld in Handelsware in der Ursprungsgeschichte des modernen Kapitalismus. Kann es sein, daß, während (schon in der Astrologie) das Planentensystem, in das Kopernikus die Erde mit aufgenommen hat, die Organisation der Arbeit abbildet, der Fixsternhimmel (der Tierkreis), der seine Bedeutung als Grenze des Kosmos mit der Öffnung des Raumes ins Unendliche verliert, auf die Konstellation der Elemente, die den Naturgrund der Herrschaft (und damit die Sphäre des Geldes) abbilden, verweist? Ist vielleicht die Bedeutung und die Funktion der „schwarzen Löcher“ nur noch im Kontext einer Theorie der Banken aufzuklären? -
16.11.95
Die These, man müsse den Staat dazu bringen, sein faschistisches Gesicht zu zeigen, weiß nicht nur nicht, was Faschismus heißt, sie ist ebensosehr Ausdruck der Hilflosigkeit des militanten Antifaschismus. Es kommt nicht darauf ein, ein Urteil zu vollstrecken (auch nicht das Urteil des Geschichte, das selber unterm Bann des Faschismus steht), sondern die Erkenntnis wie das Handeln vom Bann des Urteils zu befreien.
Es gibt zwei Formen der Beziehung der Vergangenheit zur Erkenntnis: Während die Naturwissenschaft die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, ratifiziert der Historismus die Vergangenheit des Vergangenen. Beide gemeinsam rücken die Gegenwart in das Licht der Vergangenheit (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, Grund der Ästhetisierung der Wirklichkeit).
Nur bei Johannes steht die Geschichte mit der Aufschrift am Kreuz, auf die Pilatus schreiben ließ: Jesus der Nazoräer, der König der Juden (1919).
Wer war der erste Confessor, und wer war die erste Virgo? Während das Martyrium noch auf die unmittelbar bevorstehende Parusie bezogen war, ist der neue Heiligentyp auch eine Konsequenz aus der Enttäuschung der Parusie-Erwartung (der Rezeption des Weltbegriffs). Confessor und Virgo waren gleichsam das erste aus dem Paradies der zukünftigen Welt vertriebene Menschenpaar, und der katholische Himmel eine Verkörperung der gefallenen zukünftigen Welt (zweiter Sündenfall, mit Alexander und seinen caesarischen Nachfolgern als Cherube mit dem Flammenschwert vor der verschlossenen Zukunft. Ist der Katholizismus die Erzeugungsmaschine der Wolken, auf denen der Menschensohn einst kommen wird?
Verweist der Satz des Paulus, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet, nicht darauf, daß die ganze Schöpfung teilhat an der Passion und am Kreuzestod Jesu? Hat Kopernikus den Kosmos ans Kreuz geschlagen, und war Newton der Paulus dieser neuen Theologie?
Die Geschichte ist das Produkt der Historisierung, wie die Welt das Produkt der Verweltlichung und die Natur das Produkt des Objektivationsprozesses ist.
Die Astronomie, die Elektrodynamik und die Mikrophysik sind auch ein Beweis für die Sprengkraft des Inertialsystems, des Herrendenkens, das in diesem System sich verkörpert.
Antisemitismus, Ketzer- und Hexenverfolgung gehören zur Vorgeschichte der Konstituierung des Inertialsystems. Der Jude, das war der Feind, der Ketzer der zum Verräter gewordene Genosse und Frau war das, was unten ist.
Nach welchen Prinzipien sind in den Nationalsprachen die Zahlen gebildet worden, und welche Konnationen stecken in diesen Bildungen (im Deutschen mit der Folge Hunderter, Einer, Zehner: Sechshundert sechs und sechzig, im Englischen in der logischeren Folge Hunderter, Zehner, Einer: sixhundred sixty six; was bedeutet die abweichende, auch auf Subtraktionen zurückgreifende Zahlenbildung im Französischen)? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Trennung der (arabischen) Zahlen von der Schrift, der Einführung der Null (aus Indien über die Araber), der Bildung der Dezimalzahlen und der modernen Raumvorstellung, der „subjektiven Form der Anschauung“ (die Null ist das Korrelat der unendlichen Ausdehnung des Raumes), dem Ursprung der analytischen Geometrie und der doppelten Buchführung? Die Null hat (als mathematischer Reflex der Unendlichkeit) die Mathematik von der Sprache getrennt, sie gleichsam auf ihre eigenen Füße gestellt. In der Geometrie repräsentiert die Null den Ursprungspunkt des Raumes: den Repräsentanten des Subjekts und des Objekts zugleich. Die Null hat den Raum zur subjektiven Form der Anschauung gemacht, sie war der Ich-Generator; sie hat die Schöpfungslehre verwandelt. Erst das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat die Null widerlegt (oder auch dynamisiert).
In welcher Beziehung steht die Logik der durch die Null neu begründeten Mathematik zur Logik der symbolischen Zahlen (die ihre eigene Rationalität haben, die nicht widerlegt, nur verdrängt worden ist)?
Habermas‘ Konzept eines herrschaftsfreien Diskurses wird durch schon durch den Hinweis auf die Deklination (insbesondere auf den Genitiv, das innersprachliche Äquivalent der Herrschafts- und Eigentumsbeziehungen) widerlegt.
Das Substantiv bindet den Nominativ ans Inertialsystem. -
2.11.95
Zur Ursprungsgeschichte der Ware: Ein afrikanischer Stammeshäuptling über einen Nachbarstamm: „Sie sind unsere Feinde; wir heiraten sie.“ (Zit. nach W.A.Meeks: Urchristentum und Stadtkultur, S. 18) Kann es sein, daß in der Vorgeschichte Frauen ähnlich „erworben“ wurden wie Sklaven und andere Handelsgüter: Sie wurden geraubt (vgl. Ri 2116ff und den „Raub der Sabinerinnen“)? Wäre das nicht eine Erklärung für den Status der Ehe, die seit je einer durch Kauf begründeten Eigentumsbeziehung nachgebildet war, auch für das Inzest-Verbot und für den Ursprung des Patriarchats (sowie des Staats, als dessen Modell die Familie gilt)?
Lohnarbeit ist die technisch perfektionierte Form der Schuldknechtschaft. Ihre Vorstufe war die persönliche Schuldbeziehung zu einem Gläubiger. Lohnarbeit ist das Produkt der Transformation dieser Beziehung in eine logische Funktion des Systems. Die Trennung der Menschen von ihren natürlichen Subsistenzmitteln, ihre Expropriation, in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (der kopernikanischen Wende der Geldwirtschaft), führt nicht mehr in die physische Abhängigkeit des Sklaven von seinem Herrn, sondern in die herrenlose Dauerabhängigkeit vom System, in den Zwang zur Selbsterhaltung in der vom Tauschprinzip beherrschten Gesellschaft: in den Zwang zum Gelderwerb durch entfremdete Arbeit, durch Arbeit für andere.
„Ihr seid das Licht der Welt.“ Dieses Wort trifft die Kirchen ins steinerne Herz ihres dogmatisches Selbstverständnisses. Es geht von dem einfachsten Sachverhalt aus, daß die Welt finster ist, und die Kirche Licht in diese Welt zu bringen habe. Das Licht hat sein Maß an der Finsternis, während nur der dogmatische und fundamentalistische Kleinglaube wähnt, die Finsternis habe ihr Maß an dem Licht, das er zu verkörpern glaubt. Das in Angst vor der Wahrheit erstarrte Dogma ist nicht das Licht, sondern der Scheffel überm Licht. Und das Licht ist kein Besitz, kein Gnadenschatz, der der Kirche gegeben und der von ihr zu hüten und zu verwalten wäre, sondern in jeder Epoche ist es der Finsternis neu abzugewinnen. Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt. -
28.10.95
Zur Logik der Herrschaftsgeschichte (Vergesellschaftung und Privatisierung von Herrschaft): Wie unterscheidet sich die Ohrenbeichte von der altkirchlichen Bußpraxis?
Seit Kopernikus sind Tag und Nacht, die sinnliche Erscheinung der Natur insgesamt, zu bloßem Schein geworden, hervorgerufen durch ein kompliziertes System von Bewegungen der Sonne und der Erde im Kontext des heliozentrischen Systems. Die Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten gründet in der kopernikanischen Wende, die die Sinnlichkeit ins Subjekt zurückgestaut, zu Empfindungen verdinglicht hat. Wie die Materie in die Einheit der trägen und schweren Masse, so sind die sinnlichen Qualitäten in die Einheit des Gefühls, der Empfindung (der Rekonstruktion des Gefühls nach dem Modell mechanischer Stoßprozesse), zurückgenommen worden. Übriggeblieben ist eine von allen Qualitäten gereinigte Objektivität („leer, gereinigt und geschmückt“).
Seit Kopernikus gibt es die (tendentiell paranoide) Unterscheidung der subjektiven Erfahrung von den hinter den Erscheinungen verborgenen Kräften: Grundlage aller Verschwörungstheorien.
Im Barock kehrte die durch die kopernikanische Wende ausgeschlossene Welt der sinnlichen Qualitäten als Herrschafts-Pomp, als Bühnen-Prunk, als Oper zurück.
Kopernikus hat, ohne die Konsequenzen zu durchschauen, einen Weltbegriff etabliert, der das Herz der Dinge endgültig in den blinden Fleck gerückt hat.
Daß das Sein das Bewußtsein bestimmt, ist ein Satz, der niemals affirmativ, sondern eigentlich nur in kritischem Zusammenhang gebraucht werden darf, im Kontext dessen, was in der marxistischen Tradition, bevor sie selber zur Herrschaftsideologie geworden ist, Ideologie, falsches Bewußtsein, hieß.
Die subjektiven Formen der Anschauung instrumentalisieren alles, was in ihren Bann gerät. Zu ihrer Logik gehört
– das apriorische Feindbild (dem Objektbegriff, der im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung sich konstituiert, entspricht in der Bekenntnislogik das Feindbild; die subjektiven Formen der Anschauung sind apriori antisemitisch),
– der Begriff der Häresie (die Diskriminierung der nicht beweisbaren Einsicht, der Idee einer Theologie im Angesicht Gottes) und
– die konstitutionelle Frauenfeindschaft (die Vorstellung einer Objektwelt, die allein der Gewalt verfügbar ist). -
26.10.95
„Kickerinnen erfüllen ihre Pflicht souverän“: Überschrift zum Bericht über einen Sieg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft über die Slowakei (FR von heute). – Bei Kant war die Pflicht ein Ausfluß des autonomen Gewissens, ihr Rechtsgrund das moralische Gesetz in mir. Hier ist die Pflicht die Pflicht zu gewinnen, die alle Verlierer (und mit ihnen alle, die nicht dazugehören, von den Armen über die Behinderten bis hin zu den Fremden) zu Pflichtvergessenen macht. Aber es gibt keine Gewinner ohne Verlierer, nur darf man zu diesen nicht gehören. Das ist die Botschaft dieser Überschrift.
Die Medien verhalten sich zur Realität wie zur Natur oder zur Vergangenheit, die auch dem ändernden Eingriff entzogen sind. Die Realität ist als Gegenstand der Information bloßes Objekt des Wissens. Sie läßt sich nicht ändern, nur noch „bewerten“, das aber heißt: als Instrument der Verurteilung der Schuldigen nutzen. Deshalb sind die eigentlichen Gegenstände der Medien das Verbrechen und die Korruption. Was die Realität zu etwas Unveränderlichem (und d.h. zum Gegenstand der Information) macht, ist in der Natur der Raum, in der Ökonomie das Geld (als abstrakter Repräsentant des Eigentums anderer), in der Politik die Gewaltstruktur des Staates, in der Religion die Bekenntnislogik.
Gibt es Geld, das niemandes Eigentum ist, das niemandem gehört? Wer ist der Eigentümer des Geldes, das die Bundesbank druckt, lagert und verwaltet, bevor sie es herausgibt? Gewinnt das Geld seine Funktion, Eigentum zu repräsentieren, erst im Umlauf, im Gebrauch?
Ignaz Bubis hat in diesen Tagen den Versuch, die Verbrechen der Nazizeit zu erklären, mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß das Erklären der Verbrechen dahin tendiert, sie auch zu rechtfertigen. Aber wird mit dem Erklären, das auch den Versuch zu begreifen berührt, nicht auch das Lernen ausgeschlossen? Und hat nicht, wer Kritik der Vergangenheit mit ihrer Verurteilung verwechselt, Angst davor, daß sich wirklich etwas ändert? Der Versuch, die Greuel zu begreifen, kann vor der Normalität heute nicht halt machen (aber kein Zweifel: es gibt auch ein Erklären, das der Absicht folgt, diese Normalität nicht in Frage zu stellen, den kritischen Impuls stillzustellen).
Die Mechanik, deren Aufgabe es war, das Referenzsystem der naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu begründen und zu entfalten, mußte insbesondere von zwei materiellen Eigenschaften abstrahieren: von der Schwere und vom Licht. Erst Newton ist es gelungen, mit dem Gravitationsgesetz und in seiner Optik das Verdrängte ins neue System zu integrieren.
Die kopernikanische Wende ist das Gegenstück zur ursprünglichen Akkumulation des Kapitals.
Sind die Schwerkraft und das Licht invers aufeinander bezogen, und kann man sagen, daß die Philosophie einmal unterm Zeichen des Lichts, die Prophetie unter dem der Schwerkraft (dem sie ihre Einsichten abgewonnen hat) angetreten ist?
Welche Bedeutung hat es, wenn die Gravitationstheorie ihrem ursprünglichen Konzept zufolge eine Fernwirkungstheorie ist, die Elektrodynamik hingegen (wie die Mechanik) auf räumlich unmittelbar verknüpfte Ereignisse und Prozesse sich bezieht.
Haben die Christen nicht schon viel zu lange das von ihnen so genannte Alte Testament als eine Selbstdenunziation der Juden verstanden? Da waren die Autoren der Kirchengeschichte von Eusebius his heute schlauer.
Erinnerungsarbeit bereitet die Auferstehung der Toten vor (praeparatio resurrectionis mortuorum: Abbau der Sperren, die der Auferstehung im Wege stehen).
Im Protokoll des Pfarrgemeinderats vom 12.9.95 wird gegen das Kirchen-Volksbegehre eingewandt, daß der wichtigste Punkt, die Ausbreitung des Glaubens, nicht angesprochen werde. Wäre nicht der wichtigste Punkt die Ausbreitung der Erlösung, die dann allerdings die Rückübersetzung der kirchlichen Drohbotschaft in die urspüngliche Frohbotschaft voraussetzen müßte: die Ausbreitung des Evangeliums, nicht des Glaubens?
Aus dem gleichen Protokoll: „… damit sich dieser (sc. der neue Pfarrgemeinderat) diesem Thema annimmt.“ Nach Wahrig muß hier eindeutig der Genitiv stehen („damit sich dieser dieses Themas annimt“). Der Dativ ist ein Produkt der Medienlogik, in der auch eine Handlungsanweisung nicht mehr als Handlungsanweisung, sondern nur als Information darüber erscheinen darf. Die Bedeutung verschiebt sich vom „Sich-einer-Sache-Annehmen“ (mit dem Genitiv), das die Bearbeitung der Sache, ein Handeln, mit einschließt, auf das „Sich-einer-Sache-Widmen“ (mit dem Dativ), das die Sache als vorgegeben und unveränderlich hinnimmt, darüber kritiklos („wertfrei“) berichtet, informiert. Nur der Journalist ist so selbstlos: er widmet sich der Sache, der er sich annimmt (sofern er die ungeheuerliche grammatische Logik, die in dieser Wendung steckt, überhaupt noch begreift; sie paßt nicht mehr in einen Weltbegriff, der aufgrund der Logik der Medien Information und Wissen strikt von Meinung und Handeln zu trennen gezwungen ist). Ich glaube, von Hajo Friedrich stammt der Satz, daß ein Journalist sich nicht mit einer Sache gemein machen dürfe, auch nicht mit einer guten Sache. Wenn der Hogefeld-Prozeß keine Öffentlichkeit mehr hat, so hängt das hiermit zusammen: Dieser Sache müßte man sich annehmen, man dürfte sich ihr nicht mehr nur widmen. Mit dieser Sache müßte man sich gemein machen.
Auch ein Beitrag zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (dessen Folgen in der gleichnamigen Arbeit von Habermas sich ablesen ließen, in der dann die Weichen für seine spätere Kommunikationstheorie, die die kritische Theorie kastriert hat, bereits gestellt worden sind): Schließt die eigene Logik der Medien politische Kritik nicht schon im Ansatz aus, enthält die Verpflichtung auf „wertfreie Information“ nicht eine Handlungsanweisung, die der Gemeinheit den Weg freimacht? Dem Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, hat, bevor er zu einem juristischen Satz geworden ist, schon ein logischer Sachverhalt zugrunde gelegen, der zu den Grundlagen des Weltbegriffs gehört. Es ist nicht nur eine Gesinnungsfrage, wenn die Medien wie die Justiz in der Regel auf dem linken Auge blind sind. Die Wahrheit hat einen Kern, der einsehbar, aber nicht beweisbar ist (darin liegt der logische Vorteil der Gemeinheit, die diesen einsehbaren Kern der Wahrheit leugnen kann, ohne fürchten zu müssen, widerlegt zu werden: Gemeinheit ersetzt Einsicht durchs Vorurteil). -
25.10.95
Die Verluste, die den spekulativen Gewinnen gegenüberstehen, werden nicht von denen getragen, die sie eigentlich verantworten müßten. Die wirklichen Verlierer sind die, die in der Folge solcher Spekulationen den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten müssen, ihn im Ernstfall verlieren (Metallgesellschaft, AEG, Volkswagen).
Der Vorstellung des leeren Raumes korrespondieren in der Ökonomie die Schulden, im Ernstfall die Besitzlosigkeit, die Armut. Der Begriff des horror vacui gründet in dieser Beziehung. Wenn Kant den ontologischen Gottesbeweises durch den Hinweis widerlegt, daß 100 gedachte Gulden den Beutel nicht füllen, so trifft das genau diesen Sachverhalt. Der Begriff des Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo gewinnt Bedeutung nur, wenn er auf diesen Zusammenhang der Vorstellung des leeren Raumes (die bei Kant als subjektive Form der Anschauung sich erweist) mit dem Begriff der Armut sich bezieht (vgl. die „Geldschöpfung“ der Banken). Der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug sei, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, drückt diesen Zusammenhang aufs genaueste aus. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beziehung der kopernikanisch-newtonschen Wende in der Astronomie, zur ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und zum politischen Absolutismus als Ausdruck einer gemeinsamen Logik.
Das Vakuum, die Vorstellung des leeren Raumes (die subjektive Form der äußeren Anschauung), und deren gesellschaftliches Korrelat, die Schulden und die Armut, sind das genaue Korrelat des Kelch-Symbols.
Zur gesellschaftlichen Funktion des Raumes, der subjektiven Form der äußeren Anschauung, gehört es, alle Dinge eigentums- und tauschfähig zu machen. Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Statthalter des Staates im Subjekt.
Verhält sich nicht die schwere zur trägen Masse wie das Geld zur Ware? Und in welcher Beziehung stehen das Ätherproblem und seine Konkretisierung: der Korpuskel-Welle-Dualismus und dessen statistische Interpretation, zum Problem der Tätigkeit der Banken und des Buchgelds?
Wenn Dirk Baecker die Risiken zum eigentlichen Objekt des „Handels“ der Banken, zur Ware, mit der die Banken handeln, macht, so verweist das genau auf das Schuldenverschubsystem, die Fähigkeit, diese Risiken so zu handeln, daß sie die Banken selbst nicht treffen, nicht an ihnen hängen bleiben. Die Tätigkeit der Banken gehört zum Apparat der Umverteilung des „Reichtums“ und der Erzeugung der Armut.
Ist nicht die der katholische Heiligen-Mythos ein Produkt der Verdinglichung und Personalisierung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens?
Der Weltbegriff, der alles, was er begreift, eigentumsfähig macht („säkularisiert“), gehört zum Staat, weil der Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern sich konstituiert. Dagegen ist das Heilige das Nicht-Eigentumsfähige: Ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heiliger Boden.
Hat die Erbsünde nicht etwas mit der Sünde der Welt zu tun: Was mit der Erbsünde sich vererbt, ist die instrumentalisierende Gewalt und sind die darin gründenden logischen Verstrickungen des Weltbegriffs (unter dessen Bann das Tier steht).
Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine Gemeinschaft, deren Mitglieder aus den realen und logischen Verstrickungen des Eigentums sich gelöst haben. Deshalb gehört das Armutsgebot zu den evangelischen Räten. -
20.10.95
Nach Ton Veerkamp haben die hellenistischen Städtegründer das in den Tempeln gehortete Geld geplündert und in die Zirkulation geworfen (Autonomie und Egalität, S. 245). So wurde das Gold zum „unbewegten Beweger“, zu einem Gott, der alles beherrscht und den nichts gereut (gegen diesen „Hellenismus“ richtete sich die Austreibung der Wechsler aus dem Tempel). Ist dieser unbewegte Beweger durch Kopernikus/Newton nicht säkularisiert worden; hat nicht die Gravitationstheorie der aristotelischen Metaphysik, indem sie sie zur Physik machte, den Garaus gemacht? Vorbereitet war diese Geschichte in der der politischen Ideologie, in der der Herrscher, der Monarch, sich immer schon im Bild der Sonne gesehen hat, des Zentralgestirns, das nicht nur den Tag, sondern auch die Bewegungen der Planeten sowie die die Nacht und den Tag begleitenden Mondphasen beherrscht. Hat die Einführung der Goldwährung (wann erfolgte sie, war’s Babylon, waren’s die Perser oder die Griechen?), die die Silberwährung abgelöst hat, damit etwas zu tun?
Die Materialisierung der Sonne durchs Gravitationsgesetz ist das naturphilosophische Pendant zur Geschichte der Privatisierung der Herrschaft (zum Barock).
Die Verdrängung der Vergangenheit (die der Weltbegriff automatisch leistet) hat den einfachen ökonomischen Grund: An die Opfer, die in die Fundamente der Welt, in der wir leben, mit eingemauert sind, soll nicht mehr erinnert werden. Religion ist das Ensemble der Vorkehrungen, mit denen diese Erinnerung neutralisiert wird (sie zu löschen ist nicht möglich). Die kirchlichen Vorstellungen von Hölle und Fegfeuer haben diese neutralisierte Erinnerung ins Symbolische verschoben. Aber werden die Opfer nicht real erinnert im Namen des Feuers, der ein Teil des Namens des Himmels ist? Dieses Feuer wurde zu Hölle und Fegfeuer mythologisiert in dem Augenblick, in dem der Name des Himmels von der Idee (vom Namen) des Ewigen getrennt, ins Überzeitliche verschoben wurde. Seitdem ist in den Himmeln kein Gott mehr. Der katholische Mythos von Himmel, Hölle und Fegfeuer ist die unmittelbare Folge der Historisierung des Himmels, die ihn zeitlich mit der irdischen Geschichte parallelisiert, beide unter ein gemeinsames Zeitkontinuum subsumiert. Ist die katholische Lehre von den Heiligen im Himmel über uns nicht eine Ersatzbildung für die versäumte Heiligung des Gottesnamens, die stellvertretend den Heiligen im Himmel übertragen wird (ähnlich wie die Ohrenbeichte die Versöhnung mit den Opfern stellvertretend den zölibatären Priestern überträgt)?
Führt die kantische Philosophie nicht den Beweis, daß wir in den Fundamenten der Welt mit enthalten sind, und lassen die Naturwissenschaften nicht als das verzweifelte Bemühen sich begreifen, das Bewußtsein davon nicht aufkommen zu lassen?
Die Naturwissenschaften leugnen die Erbsünde und die Auferstehung. Sie haben nicht nur teil an der Erbsünde, sondern sind das Instrument ihrer Totalisierung. Sie gehören zur sadduzäischen Tradition.
Ist Elohim der Gott, der sieht, der NAME hingegen der Name des Gottes, der hört (der Name des Gottes der Propheten)? Im Schöpfungsbericht ist das Gute etwas, das gesehen wird: Gott sah, daß es gut war; diesen Sehen wird am Ende verstärkt durch den Imperativ „siehe“: Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Was an den ersten Tagen für Gott gut war, wird am Ende für alle sehr gut. Aber nachdem sie vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hatten, gingen den Menschen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Die Augen gingen ihnen auf, als sie lernten, sich in den Augen der anderen zu sehen. In der Scham sehe ich mich mit den Augen der andern, die nicht ins Herz sehen (nur Gott sieht ins Herz der Menschen).
Positivismus: Die Strafe für die verweigerte Reflexion ist das Mit-dem-Kopf-gegen-die-Wand-Rennen, das die progressiven Teile der Physik heute kennzeichnet.
Was hat die Asymmetrie in meiner Beziehung zu den Andern mit der Asymmetrie im Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft zu tun? Universalität, Allgemeinheit gründet im Vorrang des Andern ebenso wie in dem der Vergangenheit.
Ökonomie und Physik haben den Himmel ehern und die Erde zu Erz gemacht.
Naturschutz: Die Verwaltung hat die Natur in Schutzhaft genommen.
Der Naturschutz vollstreckt die Rache des Staates an einem Begriff, der seinen logischen Grund verloren hat: an dem des Naturschönen. Diese Rache trifft mit dem Naturschönen auch die Kunst.
Der faschistische Modernisierungsschub gründet in einer vertrackten Logik, die sich daran erkennen läßt, daß Kunst und Kitsch nicht mehr sich unterscheiden lassen. Wenn es schien, als sei von der Kunst gleichsam nur noch die Aggression gegen den Kitsch übriggeblieben, so war diese Aggression von Anbeginn umkehrbar, eigentlich der Anfang der Selbstzerstörung der Kunst. Heute will niemand mehr an die Folgen seines Tuns erinnert werden.
Die Benennung der Tiere durch Adam hat nicht nur die Tiere, sondern auch die Dinge zum Verstummen gebracht. Das Zeichen für dieses Verstummen ist der Tierkreis. Deshalb enthält der Tierkreis auch so merkwürdige Dinge wie die Zwillinge, die Jungfrau und die Waage.
Hat dieses Verstummen etwas mit dem des Helden, des Heros (Rosenzweig/Benjamin) zu tun, der auch verstummt, bevor oder wenn er an den Himmel versetzt wird (oder der an den Himmel versetzt wird, weil er ins Erhabene verstummt?). Verstummen macht ihn die Gewalt des Schicksals.
Ist es nicht ein Unterschied, ob man einen Rat vor einer Handlung (in der Phase der Überlegung) oder danach (nach der Tat) erteilt? Der Rat post festum, der eigentlich ein Urteil ist, ist eine Falle, aus der der, der dann schon gehandelt hat, nicht mehr herauskommt. Sind nicht alle Urteile Ratschläge post festum, die Falle, aus der es für das Objekt keinen Ausweg mehr gibt, in dem es allerdings auch erst zum Objekt wird? Der Objektbegriff bezeichnet genau diese Ausweglosigkeit. Wie hängt diese Objekt-Falle mit der Beziehung des Objektbegriffs zur Herrschaftsgeschichte zusammen? -
9.10.1995
In der Öffnung des Himmels kündet sich die der Gräber an: das Wunder der Auferstehung (Ez 1 und 37). Die „Versöhnung über den Gräbern“ dagegen, in der das Herrendenken mit sich selbst sich versöhnt, verschließt den Himmel, zu ihren Voraussetzungen gehört die kopernikanische Wende, der als wahr unterstellte Verdacht des unendlichen Raumes, die kosmologische Verkörperung der Infamie.
Die Antinomien der reinen Vernunft und die Beantwortung der Frage, weshalb die subjektiven Formen der Anschauung gleichwohl objektive Bedeutung haben, gehören zusammen. Ihre Erörterung ist Teil des ersten Versuchs einer Kritik der Logik der Infamie.
Konstituiert sich das Planetensystem mit dem Gravitationsgesetz, der Fixsternhimmel mit der Objektivation des Lichts (mit der Konstruktion der Erscheinung der Fortpflanzung des Lichts im Raum)? Kann es sein, daß sich die Hubble-Konstante und deren Erklärung durch den Doppler-Effekt gleichsam invers auf das Gravitationsgesetz beziehen?
Erde, Acker, Land, Welt: In welcher Beziehung stehen diese Namen zu den Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen? Die Erde wurde (mit dem Himmel) erschaffen, der Acker, aus dem Adam genommen wurde, wurde durch ihn verflucht; das Land bezeichnet den Herrschaftsbereich des Königs, der Name des Fremden gehört zu dem des Landes; die Welt ist das Werk und das Korrelat des Imperialismus.
Wie hängt der Fluch mit dem Begriff des Heiligen, der theologischen Grenze des Eigentumsbegriffs (des Staates, des Weltbegriffs), zusammen? Verflucht sind die Schlange, der Acker und Kain. Korreliert die Geschichte des Fluchs mit der des Eigentums und der Herrschaft? Hegel hat sich als „verdammt, ein Philosoph zu sein“ erfahren.
Benennen: Benannt wird das Tier. Hervorgebracht wurden die Tiere durch die Erde, benannt durch Adam. War diese Benennung das urzeitliche Unglück, an das die Tiere nach der Dialektik der Aufklärung immer noch erinnern? Wie hängt die Unterscheidung des Tiers aus dem Meere von dem Tier vom Lande (die Unterscheidung von Natur und Welt?) mit der Benennung der Tiere durch Adam zusammen?
Der Satz „Ihr seid das Licht der Welt“ verweist auf das Werk des ersten Schöpfungstags, des gleichen Tags, der dann als achter Tag zur dies dominica geworden ist. Vgl. Licht und Finsternis bei Jes (457 zusammen mit 520, 2918, 427, 475, 499, 5810, 602). Beziehen sich Licht und Finsternis auf das Verhältnis von strengem Gericht und Barmherzigkeit? Die Finsternis ist das Korrelat der objektlos gemachten Barmherzigkeit. Das Licht ist sinnlich und übersinnlich zugleich.
Gegen die naturwissenschaftliche Logik ist daran festzuhalten, daß das Licht vor der Sonne, dem Mond und den Sternen erschaffen wurde. -
23.9.1995
Die Personalisierung (zu der es seit der kopernikanischen Wende, seit der Installation der subjektiven Formen der Anschauung, keine Alternative mehr zu geben scheint) greift den Himmel an. Sie verwechselt Wasser und Feuer, Begriff und Namen, das Was und das Wer (vgl. Sohar, Ausgabe Diederichs, S. 70, sowie Lk 1249: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon).
Gibt es einen logischen Zusammenhang und eine logische Folge der Stellen der Schrift, an denen vom offenen Himmel die Rede ist (von der Merkaba-Vision bei Ezechiel über die Taufe und die Verklärung Jesu bis zum Tod des Stephanus)?
In welcher Beziehung steht der Kampf Jakobs mit dem Engel zu seinem Traum von der Leiter, die bis an den Himmel reicht?
In den Eltern sind einem auf verschlüsselte Weise Vergangenheit und Zukunft präsent. Hat der „Generationenkonflikt“ (der
Abbruch der Kommunikation mit den Eltern), in den auch die raf verstrickt ist, nicht etwas mit der Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (durch Vergegenständlichung) zu tun, mit der Vorstellung, man könne den Ballast abwerfen und wäre dann frei, mit dem Problem der Personalisierung? Aber nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
Die Trinitätslehre ist ein Konstrukt zur Absicherung der Bekenntnislogik: Sie setzt die Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (den Antijudaismus) voraus. Mit der Kritik der Bekenntnislogik fällt auch die Trinitätslehre.
Der Abgrund zwischen der Logik der Schrift und der Erfüllung des Worts wird überbrückt durch das Wunder (die Freiheit ist das Wunder in der Erscheinungswelt).
Wird schon in der hebräischen Bibel zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Worts unterschieden, oder erst im Neuen Testament?
Das Präsens ist eine ästhetische Kategorie. Es hat die vergegenständlichte Vergangenheit und die verräumlichte Zukunft zur Grundlage: Der Raum verkörpert die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft. Gegen ihn steht die Erkenntnis (die Heiligung, die Einung) des Gottesnamens.
In der Sache beginnt die Philosophie mit dem Satz: Alles ist Wasser. Ist die Philosophie nicht der strampelnde Frosch, nur daß, was in diesem Wasser dann fest und greibar wird, keine Butter ist, sondern der Begriff (vgl. Dt 2823: Und der Himmel, der über deinem Haupte, wird Erz sein, und der Boden, der unter dir, Eisen; sh. auch Lev 2618f: … werde den Himmel über euch sein lassen wie Eisen und euern Boden wie Erz)?
Ist nicht der Unzuchtsbecher in der Apokalypse der Schritt über den letzten Satz des Buches Jona hinaus? Dort wurde auf die 120.000 verwiesen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können; der Unzuchtsbecher instrumentalisiert diese fehlende Unterscheidungsfähigkeit: er symbolisiert die neutralisierende Gewalt des Begriffs.
Die Nicht-Unterscheidung von Rechts und Links trennt das Was vom Wer, den Begriff vom Namen. Die Gemeinheit instrumentalisiert diese Trennung.
Der Raum und der Gottesname: Steckt im hebräischen Namen des Himmels, schamajim, nicht der Raum; ist das Feuer nicht die Normale auf der Angleichung des Wer an das Was, der Grund der Reversibilität beider?
Daß – so Thomas von Aquin – Geister „an sich böse“ sind, läßt an einer Theologie sich ablesen, die die Lehre von den Engeln und Dämonen unter dem Oberbegriff Geister abhandelt. Daß Geister an sich böse sind, gilt auch noch für den Hegelschen Weltgeist, den Antipoden des Paraklet.
Parusieverzögerung: Der Fehler der Trinitätslehre war es, daß sie als Theologie im historischen anstatt im prophetischen Indikativ (in einem Indikativ, der den Imperativ in sich enthält) sich begreift. Die Übersetzung des prophetischen in den historischen Indikativ (mit der Opfertheologie als Zentrum) ist die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann. Nicht die Ontologie, sondern die Ethik ist die prima philosophia (aber diese prima philosophia trägt das Antlitz der Apokalypse).
Nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit: Das war der Grund und die Urfassung des Satzes, daß die Attribute Gottes nicht auf ein Sein, sondern aufs Handeln sich beziehen, daß sie nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen.
Der Weltbegriff oder die Ontologie ist Objekt einer Kritik, in deren Kontext der Naturbegriff und die Geschichte seiner Entfaltung (die Geschichte der Naturbeherrschung) als Objekt der Umkehr und als Grund einer apokalyptischen Ethik sich erweisen. -
12.9.1995
Sehen und Hören: Der Kelch symbolisiert das ins Sehen übersetzte Hören (die „subjektiven Formen der Anschauung“), im Hinblick auf einen Text die Logik der Schrift, politisch-ökonomisch wie auch zivilisations- und wissenschaftsgeschichtlich das Herrendenken (Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften als Teil der Herrschaftsgeschichte: „die Distanz zum Objekt ist vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“, Dialektik der Aufklärung); mit dem Kelch-Symbol hängt es zusammen, wenn die Idee der Erfüllung der Schrift auf die Passion und den Kreuzestod Jesu sich bezieht (vgl. Getsemane und Emmaus), die der Erfüllung des Wortes hingegen auf die Parusie. Das Christentum hat nach Eingliederung in die Herrschaftsgeschichte mit der Opfertheologie und dem darin gründenen Erlösungsbegriff die Passion mit der Parusie gleichgesetzt: Ursprung der Bekenntnislogik und des Dogmas (Petrus und die Geschichte von den drei Leugnungen; Bekenntnislogik als Äquivalent der subjektiven Formen der Anschauung in der Theologie, Kirche als Kelch). Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Erweiterung des Kelch-Symbols – des Taumelkelchs und des Kelch des göttlichen Zorns – zum Unzuchtsbecher in der Johannes-Apokalypse?
Genitiv und Dativ unterscheiden sich wie Indikativ und Imperativ bei Levinas. Auch der dem Genitiv korrespondierende Indikativ ist ein Imperativ, aber einer, der nicht mehr durch die Sprache, durchs Hören, vermittelt ist, sondern zum puren Vollzug des Gehorsams (zum mechanischen Kadaver-Gehorsam) regrediert: er ist ein instrumentalisierter Imperativ. Der auf Präsens und Zukunft (auf nicht Vergangenes) bezogene Indikativ ist ein Vollstreckungsurteil, er verwandelt das Handeln in ein subjektloses, naturhaftes Geschehen. Die Ontologie hypostasiert diesen Indikativ (und entlastet das Subjekt – ähnlich wie das Gesetz die Verwaltung – von der Last der Verantwortung und des Handelns).
Wie hängt das symbiotische „wir“ (das ärztliche „wie geht es uns denn heute“, „haben wir gut geschlafen“) hiermit zusammen, in welcher Beziehung steht es zum „naturwissenschaftlichen“ Apriori der Medizin, zur Symptom-Medizin, zur konstitutiven Funktion des Fall-Begriffs in der Medizin?
Gehört nicht auch dieses symbiotische „wir“ zu den Metastasen (oder auch zu den Ursprungsformen) der Bekenntnislogik, deren „gemeinschafts“-konstituierende Kraft in einer symbiotischen Konstellation gründet (die Bekenntnislogik instrumentalisiert – wie das Plancksche Wirkungsquantum? – den symbiotischen Grund, aus dem sie hervorgeht). Gemeinschaftsbegründend aber wird diese Beziehung von Bekenntnislogik und Symbiose nur in der Gestalt hierarchischer Strukturen (Hegels Philosophie kennt keine hierarchischen Strukturen, weil sie den Begriff hypostasiert; deshalb kann die Natur den Begriff nicht halten: Hat nicht die kopernikanische Wende mit dem astrologischen Verständnis der planetarischen Welt auch den kosmologischen Grund und die kosmologische Legitimation der Hierarchie: die frühmittelalterliche Engellehre, zerstört?).
Doppelt asymmetrische Reflexion: Wie verhält sich das objektivierende Beobachten zum Begriff des Angesichts? Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang zwischen dem geschichtlichen Ursprung des Beobachtens und ihrer Vorgeschichte im Namen und Amt des episkopos?
Drückt nicht in dem Psalm-Wort „Dixit Dominus ad Dominum meum: hodie genui te“ auch eine Kritik des Zeugungsbegriffs sich aus? Die beiden Herren sind weder gleichnamig noch gleichen Wesens. Im hebräischen Text stehen an dieser Stelle zwei Namen: JHWH und Adonai, die nicht gleichgesetzt werden dürfen. Die homousia, die in der Gleichsetzung beider Namen gründet, ist ein Produkt der LXX, des griechischen (und dann des lateinischen, deutschen, englischen etc.) Bibeltextes. Das homousios und die Vergöttlichung Jesu haben den Vater zum Objekt gemacht (und das ist in die Gesamtstruktur des christlichen Dogmas und in die kirchliche Erlösunglehre als eine ihrer verschwiegenen Voraussetzungen mit eingegangen).
In der Geschichte von den drei Leugnungen Petri fällt das Krähen des Hahns mit der Überlieferung Jesu an den weltlichen Richter zusammen (die Verspottung durch die „Diener“ und das Verhör durch den „Hohen Rat“ liegt nur bei Lukas zwischen den Leugnungen und der Überlieferung an Pilatus, bei Johannes zwischen der ersten und zweiten Leugnung).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie