Die christliche Transformation des Bibelverständnisses ins Erbauliche beginnt mit der Transformation des Prophetischen ins Exemplarische, vorbildhaft Historische.
Der Antisemitismus reflektiert reflexionslos den Stand der naturwissenschaftlichen Aufklärung. Er ist ein Indiz dafür, was von der Aufklärung zu erwarten ist, wenn die Reflexion aus ihr vertrieben wird.
Zu den Gründen des Antisemitismus gehört die Feigheit vor dem frontalen Diskurs, der Antisemitismus verwechselt Kritik mit Eliminierung. Antisemiten kritisieren keine Bücher, sie verbrennen sie. Das ist ihre Form des Urteils, die Reflexion nicht mehr kennt, aber auf sofortigen Vollzug dringt: auf Bestrafung. Die antisemitische Gewalttat zielt auf die Zerstörung des Angesichts, sie kennt ihr namenloses Opfer nur von hinten (aus der Sicht des Gerüchts) und von oben (als Objekt des Begriffs), als das Ding, zu dem sie es macht.
Das reflexionslose Urteil (Kants „bestimmendes Urteil“) ist ein Instrument der Ausgrenzung und Eliminierung (die „Dinge, wie sie an sich sind“ verkörpern sich im Namen und im Angesicht, im Reich der Erscheinungen sind sie unerkennbar).
Das Präfix be- ist ein Instrument Schuldverschiebung und der projektiven Instrumentalisierung (Kristallisationskern der Feindbildlogik, die mit dem Namen der Barbaren einmal als Erkenntnisinstrument, als Instrument der Naturerkenntnis und als Grund des Wissens, sich konstituierte). Ist das be- der Indikator des Knotens?
Die Trinitätslehre hat die exemplarische Gestalt der Reflexion hypostasiert, damit aber als Mittel der Reflexion unbrauchbar gemacht.
Die Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, ist die Sünde wider den Heiligen Geist. Bei Jonas bezeichnet sie den Grund für den Aufschub der Zerstörung Ninives (die dann im Buch Tobias doch noch erfolgt).
Der Unzuchtsbecher ist das Symbol der Unterwerfung und Vergewaltigung der Welt (vgl. den Raub der silbernen und goldenen Geräte des Tempels durch Nebukadnezar und deren Gebrauch durch Belsazzar).
(Mene, tekel upharsin: Sind die subjektiven Formen der Anschauung diese geraubten und dann genutzten silbernen und goldenen Geräte?)
Die Prophetie beginnt erst zu sprechen, wenn die Gegenwart in ihr sich erkennt.
Hörner: Wenn die Aggression der gehörnten Tiere eine gehemmte Flucht ist, ist dann nicht das Fluchtverhalten der Nager eine gehemmte Aggression?
Zweifellos ist die Astrologie Produkt einer Projektion; aber mit dieser Projektion ist etwas entstellt und verwirrt worden, was zu begreifen wichtig wäre. Dagegen hat Astronomie nur das Problem unsichtbar gemacht.
Die Quintessenz war der Hysteriekern der neuzeitlichen Alchimie und Astrologie.
Das Wie bezieht sich auf die Frage nach den Mitteln (auf die Konstellation Wissen, Natur und Welt), mit dem Wie ist das Neutralisierungskonzept und das Inertialsystem mit gesetzt (Naturwissenschaften und Geschichte beantworten nur das Wie).
Die Sprache ist der Raum, in dem wir uns bewegen. Das Inertialsystem konstituiert sich in dem Versuch, diesen Raum schuldfrei zu machen (die Schulderinnerung grundsätzlich zu unterdrücken). Erst in diesem Versuch wird die Sprache zu etwas gegen das All der Dinge Äußerlichem, von der Wirklichkeit Unterschiedenem.
Wohnen wir nicht in Sprachruinen, nachdem wir verlernt haben, den logischen Sprachzusammenhang zu reflektieren? Die Verluderung der Sprache ist ein Reflex der Verrottung des Staates. Heute übertrifft die Realität das Böllsche Wort: Nicht mehr Verrottung, die immer noch einen organischen Zustand bezeichnet, sondern Verwüstung (die einen anorganischen Prozeß bezeichnet) wäre die angemessene Bezeichnung. (Die Zerfallsprodukte der Frankfurter Schule sind Ruinen im zerstörten Garten der Philosophie: Wie in der heutigen Architektur gibt es auch hier Ruinen, die es seit ihrer Konzeption bereits waren).
In dem Satz, daß nichts Vergangenes nur vergangen ist, drückt der letzte Grund der Hoffnung sich aus. Instrument dieser Hoffnung ist das Eingedenken.
Mein ist die Rache, spricht der Herr: Das ist nur ein anderer Ausdruck für das Gebot der Feindesliebe. Der Satz enthält keine „Aussage“ über Gott, sondern nur einen Imperativ an uns.
Was bedeuten die Namen Alexander und Karl?
Die Kultur der Empfindlichkeit wäre die Selbstverurteilung zur Isolationshaft, der selbstverordnete Autismus. Bekenntnislogik und Empfindlichkeit sind zwei Seiten einer Medaille, beide haben einen gemeinsamen pathologischen Grund.
Es gibt zwei Arten der Phantasie, und damit auch zwei Arten des Mangels an Phantasie, die zu einander wie kommunizierende Röhren sich verhalten: die Phantasie der Empfindlichkeit und die der Sensibilität.
Zum Verständnis der Apokalypse gehört der Hinweis, daß die Wahrheit (auch die der Apokalypse) nicht berechenbar ist. Wäre sie berechenbar, würde sie nicht einleuchten. Apokalypse ist das einzige Mittel gegen jeglicher Art von Geheimnissen. Dazu ist die Geschichte vom Traum des Nebukadnezar (und seiner Rekonstruktion und Deutung durch Daniel) ein Schlüssel.
Heute gibt es Gerichtsurteile, in denen das Gericht sich selbst verurteilt.
Lachen ist die subjektive, Weinen die objektive Seite der Verurteilung. – Jedoch am Ende wird jede Träne abgewischt.
„In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; in neuen Zungen werden sie reden; Schlangen werden sie aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden genesen.“ (Mk 1617f)
Was bedeutet das Wort vom „Ende der Geschichte“ (Ilka Quindeau: Geschichtswunder, in der FR von heute), wenn man zugleich an Hegels Hinweis auf die Doppelbedeutung des Wortes Geschichte sich erinnert? Bezieht sich das „Ende“ auf Geschichte als reales Geschehen oder auf als deren objektivierte Erinnerung? Unterliegt Quindeau nicht einer unbewußten, logisch unaufgelösten Subreption? Erinnert der Text der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Sigmund Freud-Instituts in Frankfurt nicht an den ungelösten Konflikt zwischen H.-E. Richter und seinen „Kritikern“ aus dem Umkreis der RAF?
Gilt Hegels Bemerkung über den Begriff der Geschichte nicht auch für den Weltbegriff?
Das Ende der Kollektivscham: Der Slogan „Es geht nicht um die Konservierung des Entsetzens“ läuft auf die Psychotisierung des wirklichen Entsetzens, dem die Kollektivscham bereits die Sprache geraubt hatte, hinaus.
Texte haben ein Gesicht: Gründet die Unterscheidung von Rechts und Links in der von Anschauung und Sprache?
Detlef Claussens aktuelle Analyse der RAF (aus 1977 ?) verweist auf einen lang nachwirkenden Sachverhalt. Der ersten Verdrängungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg (die das Begreifen des Schreckens durch die Verurteilung des Faschismus ersetzt hat) entspricht eine zweite, deren Grundlage sie war: die Verdrängungsgeschichte, die die RAF eingeleitet und bis zum Exzeß weitergetrieben hat: das Ende der Reflexion.
Lachen
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1.4.1997
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12.3.1997
Die Heilsgeschichte endet im faschistischen Gruß und in der Apparatemedizin.
Das Modell der Logik der Ausgrenzung ist die subjektive Form der äußeren Anschauung: die Abstraktion vom Blick des Andern.
Das Inertialsystem ist das Prinzip und das Gesetz der Veranderung, und das nicht nur für die Dinge/Ereignisse in ihm, sondern vor allem für es selbst. Darin gründet der Schein, es sei das gleiche Inertialsystem, das sowohl auf die mechanischen Objekte, auf die Welt der Planeten als auch auf die Objektwelt der Elektrodynamik sich bezieht.
Ware ist fremdes Gut, der Handel im Ursprung Fernhandel: Wenn Lohnarbeit unters Tauschprinzip fällt, wenn sie eine Form des Handels ist, und wenn das, was der Lohnarbeiter anbietet und verkauft: seine Arbeitskraft, eine Ware ist, dann ist der Lohnarbeiter in der Tat ein vaterlandsloser Geselle, ein Ausländer, vielleicht ein Gastarbeiter. Und diesen Makel kann er nur durch Nationalismus wieder gut machen.
Erinnerungsarbeit ist der Versuch, die Es-Logik, die in allen am Werk ist, aber von allen zugleich verdrängt wird, zu entschlüsseln. Das Bewußtsein ist selber ein historisches Produkt, das Produkt einer kollektiven Verdrängung. Konstituenten und Stabilisatoren dieser Verdrängungsleistung sind die drei kantischen Totalitätsbegriffe.
Wenn einer mit bedeutender Miene einem andern etwas anvertraut, ist es in der Regel ein Versuch, den Andern hereinzulegen, ihn „hinters Licht zu führen“, ihn zu etwas zu bewegen, was er sonst nicht tun würde. Eine Mutter zu ihrem Kind: Wer nicht die Nase putzt, den besucht nicht der Osterhase.
Hat nicht Kopernikus die Welt hinters Licht geführt (die Welt konstituiert, indem er sie hinters Licht führte)? Und ist nicht im Namen der Aufklärung das Hinters-Licht-Führen zur Methode geworden?
Lachen und Weinen sind Zeitaffekte (so wie Kant zufolge Begriffe Schemata der Zeitanschauung sind). Steckt nicht im Lachen und Weinen der Schlüssel zur Lösung der Hegel’schen Frage, weshalb die Natur den Begriff nicht halten kann und warum es verschiedene Gattungen und Arten der Tiere gibt?
Begriffe sind als Begriffe Ausdruck des Gelächters über das Objekt (das in diesem Gelächter zum Objekt wird). Wären Objekte fähig, in Affekten sich auszudrücken, sie würden weinen. Was steckt in dem Wort, daß am Ende jede Träne abgewischt wird? -
5.11.1996
Heute wurde das Urteil über Birgit Hogefeld gesprochen: Lebenslänglich (Pimental/US-Airbase, Tietmeyer, Weiterstadt <12 Jahre>), Freispruch für „Mord an Newrzella (Bad Kleinen). Im Fall Pimental/US-Airbase wurde eine „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt. Keine der Taten wurde wirklich nachgewiesen, es muß offen bleiben, ob sie es gewesen ist.
Der Freispruch zu Bad Kleinen weckt den Verdacht, ob nicht die Anklage ohnehin nur erfolgte, um den „Mord an Newrzella“ und mit ihm den toten Wolfgang Grams als „Mörder“ juristisch festzuschreiben, auf diesem Wege eine offizielle Geschichtsschreibung der Vorgänge in Bad Kleinen zu installieren. Das würde heißen, daß an eine Verurteilung von Birgit Hogefeld im Ernst nie gedacht worden ist. Damit war der zusätzliche Vorteil verbunden, das ganze Urteil nach außen als ein differenziertes Urteil zu verkaufen und das Gericht von dem Verdacht zu befreien, es handle nur als Erfüllungsgehilfe der BAW.
Es gibt außerdem hinreichend Anlaß für die Vermutung, daß Birgit Hogefeld möglicherweise an den eigentlich gravierenden Aktionen Pimental/US-Airbase und Tietmeyer nicht beteiligt war. Das würde zwei Rückschlüssse zwangsläufig nach sich ziehen, der eine in Richtung RAF, und der andere in Richtung BAW/Gericht:
– Wenn sie an diesen Aktionen, die ihr das Lebenslänglich eingebracht haben, nicht beteiligt war, dann muß es andere in der RAF geben, die das auch wissen. Kann es sein, daß ihre Verurteilung auch innerhalb der RAF aus Gründen der Zwangssolidarität in Kauf genommen wird, daß es einige Leute gibt, die die Tat begangen haben, jetzt aber (um der „höheren“ revolutionären Ziele willen) sich wegducken und Birgit Hogefeld im Knast „verbrennen“? Kann es sein, daß die Ausgrenzung von Birgit Hogefeld schon ein Indiz für dieses böses Spiel war, das anders (ohne präventive Diskriminierung auch innerhalb der RAF) nicht durchzuhalten wäre (wenn sie es schon nicht war, dann wäre schon ihr „Verrat“, den sie nicht begangen hat, Grund für ihre Strafe)? Hätte das nicht sogar Folgen auch für die, die nicht eingeweiht sind und es dann nur aus dem Grunde auch nicht wissen, weil sie es aus „Solidarität“ und wegen der „Ziele“ nicht in ihr Bewußtsein lassen dürfen?
– Vor dem Hintergrund der einzig möglichen Erklärung der Anklage und des anschließenden Freispruchs im Falle Bad Kleinen, das nach einem strategischen Konzept aussieht, sieht dann allerdings auch das Schuldurteil nicht so unschuldig aus, wie es nach außen gerne erscheinen möchte. Ist der Verdacht so abwegig, daß BAW und Gericht imgrunde genau wissen, daß dieses Urteil kein fundamentum in re hat, daß es ebenso wie der Freispruch zum „Mord an Newrzella“ das Ergebnis eines strategischen Kalküls ist, für das die Angeklagte nur instrumentalisiert worden ist? Wenn BAW und Gericht wissen sollten, daß Birgit Hogefeld in diesen Punkten unschuldig ist, wenn sie davon ausgehen, daß in der Öffentlichkeit schon das Stichwort RAF das genaue Hinsehen auf das Urteil und seine Begründung verhindern wird, ist der Verdacht dann nur abwegig, daß auch das Urteil instrumentalisiert, als Waffe gegen den Rest der RAF benutzt wird, sei es als Mittel der Demoralisierung der RAF, oder sei es, daß die Spekulation auf ein noch bestehendes moralisches Gefühl die Erwartung nährt, daß die wirklichen Täter das Opfer Birgit Hogefelds nicht ertragen und sich outen werden? Diese Instrumentalisierung wäre ebenso erfolgs- und machtorientiert wie zynisch. Aber läßt sie sich nach den Erfahrungen mit der BAW und dem 5. Senat des OLG Frankfurt in diesem Prozeß wirklich restlos ausschließen?
Urteilsmagie: Das Urteil beendet den Prozeß, es sistiert die Bewegung des Prozesses und stellt einen diese Bewegung abschließenden Zustand her; es löscht den Funken der Hoffnung in den Dingen, in dem es sie gegen die Sprache verschließt und durch die Gewalt der Objektivierung der Barmherzigkeit den Weg versperrt. Das Erstarren des Objekts wird erkauft durch eine Konstellation von Knotenpunkten der Feindbildlogik, die in den astrologischen Namen der Planeten erstmals benannt worden sind. Es gibt nicht nur eine transzendentale Logik, sondern ein System von transzendentalen Logiken.
Abstraktion: Jedes Urteil impliziert einen Akt der Verdrängung, dessen Stabilisator der Begriff ist.
Daß Jesus nicht gelacht, dafür aber die Dämonen ausgetrieben hat, hängt mit der Befreiung von der Urteilsmagie zusammen.
Auch das Feindbild ist ein Kuscheltier, dessen Verlust schmerzhaft ist.
Weltanschauungskriege sind Vernichtungskriege. Sind RAF-Prozesse Weltanschauungskriege?
Die Feindbildlogik ist die Sünde der Welt (Joh 129): der die Logik der Welt und ihre Herrschaft über die Dinge konstituierende Akt.
Die Geschichte des Zuschauers (des Publikums, der Öffentlichkeit) reicht von der Trägödie (und dem Ursprung der Philosophie) über die Circenses (die das Zuschauen unter den Bedingungen des Imperium Romanum eingeübt haben: die Neutralisierung des Schreckens durch ihre Vergesellschaftung), die Kirche (das „Meßopfer“ und die Predigt), sowie die öffentlichen Hinrichtungen bis hin zur Prozeßöffentlichkeit (und der Chance, in ihr das entfaltete Gesetz und die innere Logik der Öffentlichkeit selber zu erfahren). Welche Bedeutung und Funktion hat die Logik der Schrift (die Seele des Drachens) in dieser Geschichte der Öffentlichkeit?
Ließe nicht anhand der Geschichte des Zuschauers (des Publikums, der Öffentlichkeit) eine Geschichte des Sehens sich entwickeln (die mit dem Satz beginnt: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren), oder auch eine Geschichte der „Außenwelt“, ihrer Verhärtung, die auch die Herzen ergreift? -
15.6.96
Als Hegel die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik transformierte, hat er die Logik ästhetisiert. Die Spuren davon sind in der Hegelschen Logik nachzuweisen, insbesondere im Stellenwert und in der Funktion des Begriffs des Scheins, aber auch im Konzept der „List der Vernunft“ und nicht zuletzt in der Idee des Absoluten selber. So ist die Hegelsche Logik zur dialektischen Logik geworden.
Sind nicht die von Daniel Goldhagen herausgearbeiteten Elemente des deutschen Vernichtungs-Antisemitismus in Strukturen aufzuweisen, die den Faschismus deshalb überlebt haben, weil er nie wirklich aufgearbeitet worden ist, insbesondere in der schrecklichen Neigung der Deutschen, sich ständig in den Augen der anderen (des „Auslands“) zu sehen? Dem entsprechen die öffentlichen Reaktionen auf Anschläge auf Ausländer, an denen ein deutscher Innenminister nur schlimm fand, daß sie „im Ausland“ einen so schlimmen Eindruck machen? (Wenn es das Ausland nicht gäbe, dann dürften wir’s?) Die Taten selbst und ihre entsetzlichen Folgen wurden nicht einmal wahrgenommen. Seitdem laufen alle Meldungen über Anschläge auf Wohnungen, in denen Ausländer wohnen, solange die Täter noch nicht ermittelt wurden, mit der stereotypen Erklärung, „ausländerfeindliche Motive“ seien nicht erkennbar.
Nach 68 haben wir eine Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus gefunden, die es nicht mehr nötig hat, wirklich an die Wunde rühren. Auch das ist ein Resultat der „68er Bewegung“, die aus dem Bann der Logik ihrer Eltern nie herausgetreten ist.
Hat die Grundthese Daniel Goldhagens nicht schon in den „Minima Moralia“ gestanden: in dem Hinweis auf das Gespräch im Eisenbahnabteil, das in seiner Konsequenz auf einen Mord hinausläuft? Diese Gespräche gibt es auch heute noch, nur daß niemand mehr die Sensibilität aufweist, die die Voraussetzung wäre, um die Konsequenzen dieser Gespräche noch wahrzunehmen.
Was hat Jean Amery, Primo Levi, Paul Celan in den Selbstmord getrieben, wenn nicht die Erfahrung, daß die schrecklichen Erinnerungen am steinernen Herz der Gegenwart abgeprallt sind, die Öffentlichkeit nicht erreicht haben?
Es gibt einige Lieblingsvokabeln der deutschen Medien, an denen man das demonstrieren kann. Dazu gehört das Adjektiv „selbsternannt“, auch der Hinweis von Autoren, die mit dem Faschismus sich befassen, daß es ihnen nicht darauf ankäme, „das Entsetzen zu konservieren“. Hier trifft sich die prinzipielle Gehorsamsbereitschaft gegenüber dem Bestehenden mit dem drohenden Hinweis, daß man auf die Gefühle derer, die den Schrecken und das Entsetzen nicht mehr loswerden (die sie „konservieren“), keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht. So wurden die letzten, die sich noch erinnerten, unter Quarantäne gestellt, als wären sie Aussätzige.
Haben die Emotionen, die das Stichwort „Rinderwahnsinn“ provoziert, die nicht unbegründet sind, nicht auch etwas mit diesem verdrängten antisemitischen Bodensatz zu tun?
Die antisemitische Tradition wurde u.a. konserviert durch eine Tradition, die von den Flüchtlingswitzen nach dem Krieg bis hin zu den Türkenwitzen der 80er Jahre reicht, bevor diese Tradition dann in einer manifesten Ausländerfeindschaft explodierte. Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und einer Witz-Tradition, zu der auch die an Stammtischen wie in der Politik allgegenwärtigen sexistischen Zoten gehören, an denen die Mechanismen der Demütigung des Opfers und der Komplizenschaft der Lachenden sich demonstrieren lassen.
Dazu gehört auch eine Logik, die in völliger Umkehrung der Grundsätze der Gastfreundschaft davon ausgeht, daß Fremde als „Gäste“ in Deutschland sich anzupassen haben.
Wer an diese Dinge erinnert, wird prompt darauf hingewiesen, daß es diese Dinge doch nicht nur in Deutschland gibt, sondern auch in den USA, in Frankreich, in Polen und wer weiß, wo sonst noch. Als ob das eine Entschuldigung wäre.
Sind nicht Vorurteile generell synthetische Urteile apriori, und ist nicht eines der ersten das antisemitische Vorurteil? Das kantische „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ ist zum logischen Repräsentanten des Kollektivs, des Nationalismus und seiner Derivate geworden.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat Einstein die Lichtgeschwindigkeit und den ganzen Bereich der Erscheinungen, auf den sie sich bezieht, von der empirischen auf die systemische Ebene verschoben. Es war die besondere Leistung der „Kopenhagener Schule“, daß sie, indem sie Einstein für veraltet erklärte, diese Einsicht verdrängt hat. Das gilt vor allem für ihre deutsche Version, für die Gruppe um Heisenberg und Weizsäcker. So brauchten sie sich um die Irritationen der speziellen Relativitätstheorie nicht mehr zu kümmern, ersparten sich aber zugleich die Peinlichkeiten der „deutschen Physik“.
Wird nicht heute das Konzept der Gewaltenteilung dadurch obsolet, daß die Gewalt, um deren Teilung es geht, aus der Politik in die Ökonomie gerutscht ist? Gesetzgebung, Verwaltung und Richten: Heute vereinigt sich das in der Gewalt, die im Tauschprinzip (im Wertgesetz, in der normativen Gewalt des Marktes) sich verkörpert.
Ist nicht die Gewaltenteilung ein Säkularisat der Trinitätslehre und durch sie vorbereitet? Und hängen nicht beide auf eine unterirdische Weise mit der Dreidimensionalität des Raumes, mit den Verdrängungsprozessen, in denen dieses Konstrukt sich konstituiert, zusammen: mit der Abstraktion von den qualitativen Differenzen der räumlichen Dimensionen? -
14.5.96
Das Gebot der Feindesliebe schließt die Kritik des Urteils mit ein (die gegenständliche, das Objekt aufsprengende Kraft der Erinnerung). Ist nicht – die Kritik der reinen Vernunft eine säkularisierte Schöpfungslehre, – die Kritik der Urteilskraft eine säkularisierte Offenbarungslehre und – die Kritik der praktischen Vernunft eine säkularisierte Lehre von der Erlösung, und sind nicht die nachfolgenden idealistischen Systeme allesamt in der ersten Stufe, in der der Schöpfungslehre, steckengeblieben? – Fichtes Wissenschaftslehre verstand sich ohnehin nur als Entfaltung der Transzendentalphilosophie; – Schellings Naturphilosophie knüpft zwar an die Kritik der Urteilskraft an, übersieht aber, daß das angestrebte Ziel unter dem Apriori des Naturbegriffs unerreichbar war; – Hegel muß, um die Logik des Weltbegriffs entfalten zu können, den Kern der Kritik der praktischen Vernunft, den Pflichtbegriff und das Sollen, dekonstruieren. Ist der Staat der unreine Geist, der in die Wüste geht (und zugleich der eine Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über 99 Gerechte)? Die Wahrheit der Opfertheologie: Wenn der Glaube an die magische Kraft des Urteils (der Quellcode der autoritären Persönlichkeit) wächst und nicht mehr reflexionsfähig ist, wird er wieder seine Opfer fordern. Die Deutschen wollen sein wie die andern Völker und begreifen nicht, daß sie es nicht mehr können. Haben Auschwitz und das Nachkriegsdeutschland mit der Geschichte von dem einen unreinen Geist, der in die Wüste geht und mit sieben anderen unreinen Geistern zurückkehrt, zu tun: Die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten? Die Zivilisationsschwelle, die als Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs sich bestimmen läßt, ist die gleiche Schwelle, die die Geschichte von der Vorgeschichte trennt. Ägypten, Assyrien, Babylon, Israel, die Hethiter, die Philister, Kanaan: die ganze altorientalische Welt verhält sich zur Geschichte wie die Sozialhilfeempfänger, die Asylanten, die Arbeitslosen zur zivilisierten Welt. Auf sie man ungestraft seine projektiven Bedürfnisse ableiten darf. Die Unfähigkeit, die Ursprungsgeschichte der Zivilisation zu reflektieren, findet hier ihr vorbezeichnetes Objekt. Bezeichnet nicht Israel die eigentliche Verlegenheit der altorientalischen Geschichte? Die pharaonische Verhärtung des Herzens hat ihre objekiven Gründe im Kontext der Herrschaftsgeschichte, und ihre Rekonstruktion ist ein Mittel zur Erkenntnis der Objektivität, die in der Herrschaftsgeschichte sich bildet. Die Vergangenheit ist nicht vergangen: Das Sklavenhaus besteht weiter, nur als ein Sklavenhaus mit Gummizellen, und d.h. als Irrenhaus. Ist nicht der Habermassche Verfassungspatriotismus ein Glaube an die höhere Einsicht der Irrenärzte? Was hat es mit den Philistern auf sich, und was unterscheidet sie (und ihre Stellung in der Geschichte Israels) von Ägypten, Kanaan und Babylon? Die jüdische Tradition ist aus der Reflexion und der bestimmten Negation der Idolatrie entstanden. Verhält sich der gegenwärtige Stand der altorientalischen Geschichte zum Antisemitismus wie die Kopenhagener Schule zur Deutschen Physik? Oder auf der anderen Seite: Gleicht nicht der Historikerstreit dem der Kopenhagener Schule mit der Deutschen Physik?
Ohne das Gewaltmonopol des Staates gibt es keinen Rechtsstaat. Das aber heißt, daß nur die Reflexion des staatlichen Gewaltmonopols den Rechtsstaat daran hindert, zum Instrument der Selbstzerstörung des Staates zu werden.
Im Eucharistiestreit ging es um die Frage, ob das Brot der Leib Christi ist, oder ob es den Leib Christi nur bedeutet. Es ging um die Differenz von Sein und Bedeutung. In dieser Frage war der Ursprung der Phänomenologie, von Hegels Phänomenologie des Geistes bis zur Fundamentalontologie Heideggers, vorgebildet. In der „Frage nach dem Sinn von Sein“ hat Heidegger das Problem zur Unlösbarkeit kontrahiert. Seitdem gibt es die Seinsfrage, die Judenfrage und die Ausländerfrage. – Hat diese Geschichte etwas mit der sprachlogischen Geschichte des Ursprungs der grammatischen Geschlechter zu tun (im Hebräischen gibt beim Nomen kein Neutrum, nur die Geschlechterdifferenz, während das Fragepronomen Person und Sache unterscheidet; hat das Hethitische diese Differenz dann ins Substantiv – von der Prädikatsseite zur Seite des Urteilssubjekts – verschoben, und hat mit dieser Verschiebung die Urteilsform überhaupt erst sich gebildet? Welche Rolle spielt das deiktische Moment, auf das das Deuten im Bedeuten verweist, und das beim Nomen durch den bestimmten Artikel repräsentiert wird? Steht nicht Heideggers Begriff des Daseins unter dem Gesetz der Logik der Trennung von Sein und Sinn: „Warum ist überhaupt etwas, und nicht vielmehr nichts“? Im Hebräischen wird der bestimmte Artikel durch den gleichen Laut ausgedrückt, der auch das Lachen bezeichnet <„ha“>. Nur im Griechischen und im Deutschen wird der bestimmte Artikel zusammen mit dem Nomen dekliniert – wird das Lachen sprachlogisch – als ein die ganze Sprache durchdringedes Gesetz – organisiert. Entspringt der Begriff des Substantivs in der deutschen, dieser durch die Deklination des bestimmten Artikels definierten Sprachlogik? – Das Substantiv ist das ausgelachte Nomen, das „Dasein“ der ausgelachte Mensch <und die Fundamentalontologie dessen entfaltete Selbstreflexion>.) Wirft das Zusammenzwingen von Sein und Bedeutung (in der Frage nach dem „Sinn von Sein“ und im Begriff des „Daseins“) nicht rückwärts ein Licht auf den Ursprung des Neutrums? Mit der Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“ hat sich die Philosophie mit dem Strick erdrosselt, den sie seit den vorsokratischen Anfängen der Philosophie geflochten hat (beschreibt die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos dieses Flechten des Stricks?). Das Objekt (das Ding) ist der Grund und der Reflex der Idee des Absoluten.
Auch die Spekulationsgewinne müssen „erwirtschaftet“ werden, wenn auch nicht von denen, die die Gewinne machen. Das „Risiko“ (nach Dirk Baecker die Ware der Banken) ist ein Kalkulationsfaktor jeder Produktion heute. (Das Risiko des Unternehmers war noch sein eigenes Risiko; heute, in der Ära der Bankenfinanzierung und des Managements, ist das Risiko vergesellschaft, und treffen tut’s eh den Falschen; real schlägt es nur bei denen durch, die es nicht zu veantworten und keinen Einfluß drauf haben, aber ihre Existenz verlieren. – Liegt hier nicht die Wurzel einer Moral, die nicht mehr an der Tat, sondern allein am Erwischtwerden sich mißt, und längst Vorsorge getroffen hat, daß das Erwischtwerden an andere fällt?) Panik bricht heute zuerst in den Chefetagen aus; die andern trifft’s unvorbereitet. -
29.3.96
Seit ich begriffen habe, daß ich als Christ auch mit dem Martyrium rechnen muß, habe ich die Theodizee nicht mehr verstanden. Ist nicht die Theodizee ein Thema der Täter, die aus den Verstrickungen ihres Selbstmitleids nicht mehr herauskommen, während sie gegen die Leiden ihrer Opfer empfindungslos geworden sind?
Ochs und Esel: Die Verschiebung des Leids ist die Kehrseite der Schuldverschiebung.
Hängt die Beziehung der einen Kirche zu den sieben Kirchen in der Apokalypse (Off 2/3) mit der Beziehung des einen unreinen Geistes, der in die Wüste geht, mit den sieben unreinen Geistern, mit denen er in sein Haus zurückkehrt (Mt 1243f, vgl. 2 Pt 220), zusammen? Und die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten: Ist dies der Mensch, auf den sich die Zahl 666 (Off 1318) bezieht?
Heißt Evangelium „gute“ oder „frohe Botschaft“? Und sind nicht beide Bedeutungen ambivalent? Die gute Botschaft ist auf das partikulare Eigeninteresse der Einzelnen bezogen, die frohe Botschaft auf das einer Gemeinschaft, der einer angehört (auf das Kollektiv der Lacher). Gibt es nicht gute Botschaften, die von dem Schmerz und der Verzweiflung der Beraubten leben, und gibt es nicht frohe Botschaften, die die Barmherzigkeit durch Lachen über das Schicksal der Unterlegenen revozieren?
Ist nicht der Stern der Erlösung schon ein christliches Buch, auch wenn die Christen bis heute darin sich nicht wiedererkannt haben? -
20.3.96
Auch das Lachen hat Anteil an der Verurteilung und Diskriminierung, und im Lachen steckt ein magisches Erbe.
Das Lachen ist ein Instrument der Vergesellschaftung: Es macht die, die ins Lachen einstimmen, zu Komplizen (und die, die nicht einstimmen, zu Verrätern).
Das Dogma und die ihm zugrunde liegende Vorstellung, die Wahrheit sei in Urteilen faßbar, verdrängt den dämonischen Charakter des Urteils, es verdrängt den Verdrängungsprozeß selber, dem das Urteil sich verdankt. Diese Verdrängung erscheint dann in den Außenbeziehungen der Bekenntnislogik, in der automatischen Konstitution des Feindbildes, im Verrätersyndrom und in der Frauenfeindschaft.
Verweist nicht der Hegelsche Satz, daß das Wahre der bacchantische Taumel ist, in dem kein Glied nicht trunken ist, darauf, daß in der Logik des Dings das planetarische System sich widerspiegelt? War vielleicht die Astrologie der Versuch, die Momente des Dings, seine „Eigenschaften“, in der Sternenwelt zu begreifen? War die Astrologie der Chaldäer eine Vorstufe der Hegelschen Logik?
Hat die Neigung zur Astrologie wie auch die zur Religion heute etwas mit dem unendlichen Exkulpationsbedürfnis zu tun, das man versucht, über die Externalisierung von Schuld zu befriedigen?
Kann es sein, daß im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit eine Eigenschaft des Raumes sich ausdrückt, die in anderer Konstellation im Gravitationsgesetz sich manifestiert?
Muß man im sogenannten „Neuen Testament“ nicht jeden Text so verstehen, als wäre er der Schlüsseltext fürs Ganze?
War der Stier in der alten Welt das Symbol der äußeren imperialen Macht, und verliert der Stier in dem Augenblick seine symbolische Kraft, in dem die imperiale Macht (Babylon) politisch sich durchsetzt und zur alles durchdringenden Substanz der Wirklichkeit wird: zusammen mit dem Weltbegriff? Was wurde auf dem Marsfeld geopfert (vgl. Benveniste)? Abel brachte von den Erstlingen der Schafe und von ihrem Fett ein Opfer dar.
Daß das Joch nicht mehr mit der Last verwechselt werden soll, daß das Wort vom Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, unters Nachfolgegebot fällt, daß es dem Christen schlicht unerlaubt ist, die eigene Last andern als Joch aufzuerlegen, das rückt die Beziehung von Moral und Theologie in ein neues Licht. Es entzieht dem moralischen Urteil den Boden. – Hängt das Stiersymbol mit der Ursprungsgeschichte der Urteilslogik zusammen? Ist die transzendentale Ästhetik der Kelch und die transzendentale Logik der Stier?
Ist nicht das Futur II, die „zukünftige Vergangenheit“ die verurteilte (die „ausgelachte“) Zukunft? „Was wird schon gewesen sein?“ Drückt nicht der Kohelet „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ genau das Gleiche aus? -
24.2.96
Hängt das Multizentrische des Organischen mit den realsymbolischen Beziehungen der Richtungen im Raum zusammen, mit dem Rechts und Links, dem Vorn und Hinten, dem Oben und Unten?
… Erde und Himmel werden vor seinem Angesicht fliehen, „und keine Stätte wurde für sie gefunden“ (Off 2011).
„Wenn aber dies zu geschehen anfängt, so richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung naht“ (Lk 2128).
Die Gesellschaft ist kein schuldfähiges Subjekt, und Gesellschaftskritik zielt nicht auf die Verurteilung der Gesellschaft.
Gibt es auch nur einen Hinweis darauf, daß eine der frühen christlichen Hausgemeinden von einem Mann geleitet worden ist? Sind nicht die männlichen Leitungsfunktionen (Bischöfe und Priester) erst später entstanden, und waren sie nicht insgesamt öffentlichkeitsbezogen (und so in die Logik des Weltbegriffs verstrickt)? Sind nicht die frühen, von Frauen geleiteten Hausgemeinden die einzig legitimen Orte des Brotbrechens, der Eucharistie, der Einspruch gegen die pharaonische Tradition (gegen die Tradition des „großen Hauses“, des Sklavenhauses), der Einspruch gegen den politisch organisierten Oikos, die politische Ökonomie?
Sind nicht politische Ökonomie und politische Theologie invers aufeinander bezogen?
Liegt nicht der Unterschied zwischen „nach seinem Bild“ und „nach dem Bilde Gottes“ (Gen 127) in der Differenz zwischen dem Possessivpronomen und dem Namen: in dem zwischen einer Herrschafts- und Eigentumsbeziehung und der Sprache? Und ist das nicht der Unterschied zwischen dem Hinter dem Rücken und dem Angesicht (gilt der Schöpfungsrhythmus von Katastrophe und Rettung auch fürs Christentum, und hat das Christentum nicht die bis heute prolongierte Katastrophe als Rettung mißverstanden; ist nicht der christliche Begriff der Erlösung ein Deckname dieser Katastrophe)?
Läßt sich der Gottesname JHWH nicht auch als „Ich, der und der“, als erste Person singularis mit dem doppelten demonstrativen H, übersetzen? Ist nicht das Lachen (wie auch das Sehen) der subjektlose Gott: der Unbarmherzige, das strenge Gericht? (Ersetzen nicht das Lachen und das Sehen die Sprache durch den Raum?)
Der bestimmte Artikel, das Lachen und der subjektlose Gott (der hebräische Artikel, die Deklination des bestimmten Artikels in der griechischen und in der deutschen Sprache, der Ursprung der Theorie und der subjektiven Formen der Anschauung).
Der Zusammenhang des Lachens mit dem Objektivierungsprozeß läßt sich leicht an der Logik des Witzes demonstrieren. Zum Witz gehören drei: der, der den Witz erzählt, sein Objekt und die, die über den Witz lachen, das „Publikum“ (Anwendung auf die „subjektiven Formen der Anschauung“ oder aufs Fernsehen). Der Witz ist eine Vorurteils-Erzeugungs-Maschine. Das Lachen ratifiziert und besiegelt die Vergegenständlichung, und die Welt ist die Verkörperung des Gelächters, dem man, solange man es nicht durchschaut, ohnmächtig ausgeliefert ist und nur entgeht, indem man sich auf die Seite der Lachenden schlägt, sich mit der Welt gemein macht (durch Identifikation mit dem Aggressor).
Die subjektiven Formen der Anschauung, die mit der Abstraktion vom Blick der Andern sich konstituieren, sind dieses Gelächter, ihr objektives Korrelat ist der horror vacui.
Haben unter diesem Gelächter, das am Ende in den Begriffen und in den subjektiven Formen der Anschauung sich vergegenständlicht hat, der Himmel (dessen Name das Wasser und das Feuer in sich enthält), die Erde und der über den Wassern brütende Geist (die Luft) in die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer sich verwandelt? -
30.12.95
Der Schrecken ist das Feuer, das die eiserne Schale des Begriffs schmilzt.
Die Verurteilung ist das sprachliche Korrelat des Lachens (deshalb hat Jesus nicht gelacht).
Rückt nicht die Beziehung das Namens des Wassers zum Fragepronomen „Was“ die „großen Meeresungeheuer“, den Chaosdrachen, die Schlange, in eine Beziehung zum Neutrum (hat die Klugheit der Schlange etwas mit der Wasserseite des Himmels zu tun)?
Hat der Dominus Deus Sabaoth, der Herr der Himmelsheere, etwas mit den Sternen des Himmels, die die Nachkommenschaft Abrahams repräsentieren, zu tun?
Deutsche Verwaltungen kennen in der Regel keine zivilen Umgangsformen. Ausdruck der Verwaltungsmentalität ist u.a. der Begriff der „Bevölkerung“, der seinem Sprachsinn nach unterstellt, daß leere Gegenden von irgendwem „bevölkert“ worden sind (wahrscheinlich von einer Verwaltung). Ist nicht der Begriff der Bevölkerung ein gleichsam physikalischer Ausdruck: Auch hier werden die Dinge von außen in einen an sich leeren Raum gebracht.
Die Gesetzesbindung des Verwaltungshandelns verleiht diesem Handeln die Qualität eines Naturprozesses, dessen Kenntnis Voraussetzung der Beherrschung (und Verwertung) der zweiten, gesellschaftlichen Natur ist. Der Vergleich der Verwaltungen, ihrer hierarchischen Strukturen und ihres gesetzmäßigen Handelns, mit den planetarischen Strukturen und Prozessen, der den alten Engelspekulationen zugrundeliegt, hat hier sein fundamentum in re. Die kopernikanische Wende hat die Verwaltung aus ihrer theologischen Verankerung gelöst, sie hat ihr eine kosmologische Begründung gegeben (für das Verständnis der neuen Astronomie ist es nicht unerheblich, sich daran zu erinnern, daß Kopernikus wie auch Newton in der Münz-/Finanzverwaltung tätig waren). -
23.10.95
Die Bekenntnislogik ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Rachetriebs. Das Christentum hat den Satz „Mein ist die Rache, spricht der HERR“ mit der Opfertheologie ins Affirmative gewendet und zugleich den „jüdischen Gott“ zum „altorientalischen Rachegott“ erklärt. Diesem Vorgang verdankt sich das Schuldverschubsystem, das der christlichen Gnaden- und Erlösungslehre zugrundeliegt (die Vorstellung von einem gnädigen und barmherzigen Gott, der die Sünden vergibt, ohne noch das sicut et nos dimittimus debitoribus nostris zu fordern).
Der Schrecken Isaaks: Liegt das Befreiende des Lachens nicht darin, daß man lernt, mit dem Schrecken zu leben?
Was war der Grund für den Untergang, die (unblutige!) Vernichtung, der Rotte Korah, die „lebendig in die Unterwelt gefahren“ ist? Nur Korah war ein Levisohn, Dathan und Abiram waren Rubensöhne, wer waren die 250 Männer (Num 16)?
Der Satz, daß es einen Gott gibt, begründet keine Theologie, nur eine Religion für andere. Dieses „es“ repräsentiert die Welt, deren Logik das „es gibt“ die Gottesvorstellung unterwirft. Auch der Begriff der Existenz ist theologisch unbrauchbar: Die Existenz ist in sich selbst gesellschaftlich vermittelt. Nachdem der ontologische Gottesbeweis am Ende auf die Existenzphilosophie zusammengeschrumpft ist, ist der Begriff der Existenz zum Decknamen der Hybris geworden.
Der Tod ist für die Existenzphilosophie der reine Aggressor und das „Vorlaufen in den Tod“ der Akt der Identifikation mit dem Aggressor. Nur durch Identifikation mit dem Aggressor kann man innerhalb der Logik der Existenzphilosophie sich vor diesem Aggressor noch schützen.
Esel und Rind: Das Nachfolgegebot verlangt, das Kreuz auf sich zu nehmen, nicht es den andern als Joch aufzuerlegen.
Eine Musikphilosophie heute hätte von der Allgegenwart einer „Musik“ auszugehen, die längst zum schwarzen Loch geworden ist, das alles Licht in sich aufsaugt, keines mehr ausstrahlt.
Das neue „Asylrecht“: Die Fortsetzung von Hoyerswerda mit anderen Mitteln.
Die Empörung gehorcht bewußtlos dem Schuldverschubsystem.
Barmherzigkeit, nicht Opfer: Nicht auf die Unschuld kommt’s an, sondern aufs Tun.
Wer das eigene Sehen als In-Augenschein-Nehmen erfährt, sollte sich nicht wundern, wenn er am Ende wie ein Auto ausschaut.
Waren die Pyramiden Einrichtungen zur Ehrung der Toten oder zum Schutz gegen sie? Waren sie der Preis für die pharaonische Herrschaft, die präventive Absicherung, daß die Pharaonen nach ihrem Tod nicht wiederkommen werden? War das Grab nicht seit je auch ein Schutz vor den Toten (augenfällig das Hünengrab, dessen Last der Tote niemals würde abwerfen können: waren die Toten in den Hünengräbern nicht gefesselt, in „Hockstellung“)? Und war das Gefühl der Trauer nicht auch seit je ambivalent, der geheuchelte Schmerz, hinter dem die Erleichterung sich verbarg?
Ist die Priesterschaft der Kirche die Wache vor dem Grab, zu dem der Himmel am Ende geworden ist: die Absicherung der Verhinderung Seiner Wiederkunft? Nur der „zur Rechten des Vaters“ sitzende Herr scheint für kirchliche Zwecke brauchbar zu sein.
Für den Fundamentalismus ist das Licht eine Fluchtburg, keine öffnende und offensive Befreiung von der Blindheit. So darf er sich nicht wundern, wenn er das Licht unterm Scheffel wiederfindet. Der Missionsauftrag der Kirche kann nicht darin sich erfüllen, daß am Ende alle unter dem Scheffel sich versammeln.
Durch den Export der Armut ist die Arbeitskraft draußen billiger und zur Konkurrenz der Arbeitskraft im eigenen Lande geworden. Das ist der ökonomische Grund des Reimports der Armut.
Der Lauf der Welt: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg militärisch zwar verloren, den Raub des jüdischen Eigentums und den Gewinn aus der Ausbeutung der KZ-Sklaven, der Fremdarbeiter und der Kriegsgefangenen aber behalten dürfen. Sie waren ein Teil der Grundlagen der ökonomischen Revision des verlorenen Krieges unter den Bedingungen und in der Folge des „Kalten Krieges“, zu dessen Gewinnern Deutschland gehört. Das Land, das die ganze Last des Zweiten Weltkrieges getragen hat, Rußland, war am Ende der wirkliche Verlierer.
Ökonomie und Rassismus: Sind nicht die Stabilität der DM und der „Standort Deutschland“ die Erben der faschistischen Rassenideologie, die zynische Aufdeckung ihres ökonomischen Kerns?
Der Slogan „Standort Deutschland“ (der auf die Probleme der Geldwertstabilität, der Außenhandelsbilanz sich bezieht) ist ein Stichwort für die Verwilderung der ökonomischen Sitten.
Heute gibt es (als Pendant zum Gesinnungs-Marxismus) einen Bereicherungs-Kapitalismus, der dabei ist, die eigenen produktiven Grundlagen zu zerstören. 90 % der Geldbewegungen auf den internationalen Märkten sind spekulative Bewegungen, nur noch 10 % beziehen sich auf den Warenverkehr und auf Dienstleistungen.
Der Rechtfertigungszwang (das moralische Pendant zum kapitalistischen Prinzip der Gewinnmaximierung) macht das Schuldverschubsystem irreversibel.
Der Staat, der nur an marktwirtschaftlichen Grundsätzen sich orientiert, ist ein Profitmaximierungsmaschine, ein Instrument der Umverteilung und Ausbeutung. -
8.9.1995
Anblick und Angesicht: Die subjektiven Formen der Anschauung trennen den Anblick vom Angesicht (das Sehen vom Hören), fundieren und fixieren die intentio recta, verdrängen jede Erinnerung an eine Alternative dazu. Das Angesicht (Verkörperung des Gegenblicks und Widerpart des Anblicks) bezeichnet einen sprachlichen Sachverhalt. Es wird repräsentiert sowohl vom Angesicht Gottes als auch vom Angesicht der Kinder. „Wissende“ Kinder (Kinder ohne Angesicht) sind Kinder, deren Vertrauen in die Welt enttäuscht wurde (Schule in der verwalteten Welt drohen zu Produktionsstätten „wissender“ Kinder zu werden; im Angesicht der Kinder leben heißt, die Welt so hell machen, daß Kinder in ihr nicht mehr endgültig enttäuscht werden können. Kinder weinen, bevor sie sprechen (Kindern das Weinen verbieten heißt, sie am Sprechenlernen hindern; Jungen dürfen nicht weinen: mit der Erinnerung ans Weinen wird der Sprachgrund, die erkennende Kraft des Namens, gelöscht, hier entspringt das Lachen, Produkt der verdrängten Erinnerung an das Angesicht im Lächeln des Kindes); Erwachsene lachen, wenn sie aufhören zu sprechen: durchs Lachen (durchs schallende Gelächter) schaffen sie eine Gemeinschaft von Stummen, die eine Bekenntnisgemeinschaft ist; Lachen ist die Ursprungsgestalt der Bekenntnislogik, ihr genauester Ausdruck (mit Feindbild, Ketzerverfolgung und Frauenfeindschaft). Jedes Bekenntnis (und das drückt in dem durch seine Beziehung zum Bekenntnis definierten Begriff des Glaubens sich aus) ist ein Auslachen dessen, was es als seinen Inhalt ausgibt (sh. den Streit um das Kruzifixurteil, in dem alle Heuchler sich zusammenfinden). In der Konsequenz seiner eigenen Logik ist der Glaube blasphemisch.
Die indoeuropäischen Sprachen haben das Lachen (und damit die Bekenntnislogik) zum Grund ihrer sprachlogischen Organisation gemacht (das Substantiv ist das ausgelachte Nomen – der bestimmte Artikel im Hebräischen mit dem sprchlichen Ausdruck des Lachens identisch -, die letzte Konsequenz aus dem Neutrum, an dessen Ursprung und Geschichte die der indoeuropäischen Sprachen sich erkennen läßt; das symbolische Korrelat des Neutrum in der Schrift ist die Schlange). So sind die indoeuropäischen Sprachen zu Herren-, zu Männer- und zu Weltsprachen geworden. – Was heißt im Anblick dieser Sprachlogik „Heiligung des Gottesnamens“?
Die Bildung des Neutrum gründet in der Vergegenständlichung der Vergangenheit (in der Bildung der grammatischen Vergangenheitsform, die dann die Bildung der Futur- und Präsensformen nach sich zieht: in der Vorstellung des Zeitkontinuums). Hier – durch die reflexive Gewalt des Gerichts über die Vergangenheit, die die Richtenden unter das Gericht der Vergangenheit stellt – entspringt zusammen mit dem Begriff des Wissens der Objektbegriff (und in seiner Folge das Substantiv, als Form der Vergewaltigung des ausgelachten Namens).
Hören und Sehen: Die Beziehung von Wasser und Feuer im Namen des Himmels gründet in der sprachlogischen Beziehung des Namens zur Vergangenheit. Durch die Subsumtion der Dinge unter die Vergangenheit, durch die sie zu Objekten des Wissens werden, wird die erkennende Kraft des Namens (das „Feuer des Himmels“) gelöscht. Wer den Himmel offen sieht, sieht in einen Raum, der erst mit der Sprengung der Formen der Anschauung sich öffnet: in einen Raum, dessen Form in der Kraft des Namens sich bildet und öffnet.
Hören (nicht Gehorsam), Armut und Keuschheit: Die erkennende Kraft des Namens wird durch die subjektiven Formen der Anschauung, durch die Eigentumslogik (die als dessen innerstes Prinzip den Staat begründet und beherrscht) und durch die Bekenntnislogik (die die Idolatrie, die Religionen, begründet) gelöscht.
Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß „die Distanz zum Objekt … vermittelt (ist) durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“, wäre dahin zu ergänzen, daß diese Distanz seit ihrem Ursprung in bestimmbaren Institutionen sich verkörpert, selber dingliche Form annimt: im Tempel, im Geld und in der Schrift. Alle drei Institutionen haben einen gemeinsamen Ursprung und erzeugen selber ihren gemeinsamen Grund: den Staat.
– Der Tempel, die Konzentration des Göttlichen an einem Ort, war auch ein Mittel des Kampfes gegen die Magie, ein Instrument der Entzauberung der Welt (die in dieser Entzauberung als gegenständliche Welt sich konstituiert);
– das Geld, das im Kontext der Schuldknechtschaft und nicht im Tausch entspringt (wie auch das Inertialsystem zwar in der Analyse der Stoßprozesse sich bewährt, aber ohne die Ordnung des heliozentrischen Systems, das im Gravitationsgesetz seine Begründung findet, nicht sich herausgebildet hätte) war das erste Instrument, das Herrschaftsbeziehungen in sachliche, gegenständliche, selber wieder beherrschbare Beziehungen von Dingen („Waren“) transformiert;
– und die Schrift, die die Sprache über das Hören, über ihren affektiven und dialogischen Ursprung hinaustreibt, ihre objektivierende Gewalt (und die dieser Gewalt fundierende, sie unterstützende sprachlogische Struktur: die durchgebildete Grammatik) begründet, hervorbringt und stabilisiert, eröffnet damit den herrschaftsgeschichtlichen Prozeß. -
4.9.1995
Empfindlichkeit verharrt im Leidensdruck, während Sensibilität die Reflexion auf das Leiden anderer, auf den Imperativ, der von diesem Leiden ausgeht, in sich mit aufnimmt. Diese Sensibilität ist Resultat einer Befreiung, die in der Reflexion von Herrschaft anhebt. Das Bekenntnis gewinnt im Angesicht Gottes (durch Selbstbefreiung von der Bekenntnislogik) eine andere Qualität: Es wird zur Verkörperung des Geistes. Hatte nicht die griechische Kirche recht, als sie darauf beharrte, daß der Geist vom Vater ausgeht? Und war das filioque der lateinischen Kirche, in der Konsequenz der homousia, der zweite Sündenfall der Orthodoxie? Es sei denn, die imago des Sohnes wird als Verkörperung der Wahrnehmung des Leidens anderer: als Inbegriff der Sensibilität, begriffen. Das aber setzt die Auflösung der verdinglichten Gestalt der Wahrnehmung des Leidens anderer im Kruzifix, das die Sensibilität blockiert, von den „geringsten meiner Brüder“ ablenkt und die Leidenswahrnehmung ausblendet, voraus. Das Kruzifix instrumentalisiert diese Blockade, diese Ablenkung, dieses Ausblenden: es ist ein Instrument des Herrendenkens. Gewinnt vor dem Hintergrund dieser Konstellation und im Kontext der Einbindung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte nicht 1 Kor 1527f (Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen … Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei) in Verbindung mit Ps 87 (… alles hast du ihm unter die Füße gelegt<: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels, die Fische des Meeres, was da die Pfade der Fluten durchzieht>) einen nachvollziehbaren Sinn: dann wird auch die hypostasierte „Trinität“ in eine Welt im Angesicht Gottes sich auflösen. Ist das Planetensystem das Instrument der Stabilisierung des Gewölbes, der Feste des Himmels? In einer Theorie des Feuers wäre zu klären, wie die Feuer im Namen des Himmels mit der Konstruktion der Verdrängungsmechanismen und ihrer Funktion im Kontext der Erkenntnis zusammenhängen. Himmel und Erde: Im Schöpfungsbericht „bringt“ die Erde die Pflanzen und Tiere „hervor“, der Mensch ist aus dem Lehm der Erde gemacht, während die Feste (die dann Himmel genannt wird) die oberen von den unteren Wassern trennt. Dafür gibt es die Sterne des Himmels, die Vögel des Himmels und die Himmelsheere. Gotteserkenntnis ist in seinem Kern politisch: sie schließt die Reflexion von Herrschaft (die der Gotteserkenntnis den Weg versperrt) mit ein. Gotteserkenntnis, wenn sie ihren imperativen Kern begreift, ist der Grund der Autonomie. „Mein Gott“: Die Bekenntnislogik hängt mit dem Geschwätz, und beide hängen mit dem Gottesgejohle zusammen. Das Bekenntnis rückt Gott in eine Possessivbeziehung zum Gläubigen (es ist das Gegenteil, der Widerpart, der Heiligung des Gottesnamens), das Geschwätz („mein Gott, was hast du denn da schon wieder angestellt?“) ist die Einübung dieser Possessivbeziehung und das Gottesgejohle die Drohung gegen jeden, der sich dem nicht anpaßt. Das „mein Gott“ ist das blasphemische Instrument der Vergesellschaftung des Herrendenkens durch Religion. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen (Mt 2746, Ps 222): Ist diese Verlassenheit nicht eine sprachlogische Folge des Possessivpronomens? Das Bekenntnis ist (bis hin zu den Skinheads) ein Ausdruck der Gottverlassenheit. Ist nicht das Bekenntnis der Greuel am heiligen Ort? Das deutsche Wort Besessenheit (griechisch: daimonizomenos, echontos pneumata akatharta) erinnert nicht zufällig an den Besitz. Besitz ist eine Reflexionskategorie: Man ist besessen von dem, was man besitzt. Drückt in der Besessenheit (im Namen der Dämonen, der unreinen Geister) nicht ein objektiver, in die Geschichte des Tauschprinzips fallender Sachverhalt sich aus: der Ursprung und die individuelle Verkörperung der Herrschaft der Reflexionsbegriffe, der Ursprung des Weltbegriffs? Dann aber wäre das Bekenntnis, das den Glauben zu einem Possessivum macht, die genaueste logische Form der Besessenheit. Steckt darin nicht die Lösung des Problems des Dämonenglaubens in den Evangelien (der kein Dämonenglauben war, den hat erst der Islam hervorgebracht) und der Gechichte von den sieben unreinen Geistern? NB: Mt 424 bringt die Besessenen mit Mondsüchtigen (und mit Gelähmten) zusammen. Mt 1715 definiert einen Mondsüchtigen als einen, der „oft ins Feuer und oft ins Wasser“ fällt (nach Mk 917 handelte es sich um einen „stummen Geist“); die Jünger konnten ihn „wegen ihres Kleinglaubens“ nicht heilen (vgl. den „Kleinglauben“ an den anderen Stellen des Matthäus-Evangeliums: 630, 826, 1431, 168, 1720, sowie Lk 1228 – entspr. Mt 630). Besessenheit und Lachen (Jesus hat nicht gelacht, aber die Dämonen ausgetrieben): Das Lachen ist die reinste Form des Hinter dem Rücken, das Auslachen löscht den Geist (das Dogma lacht die Wahrheit aus). Wer in der Gegenwart eines andern über ihn redet, ohne ihn in das Gespräch mit einzubeziehen (so wie die Theologie über Gott „redet“), lacht ihn aus (macht ihn tendentiell autistisch). Orthogonalität und Trägheit (Maria Magdalena wurde von den sieben unreinen Geistern befreit): In der Form des Raumes lacht jede Richtung die Gegenrichtung und jede Dimension die andere aus, in der Vorstellung des Zeitkontinuums lacht die Vergangenheit die Zukunft aus, und im Inertialsystem lacht das System die Dinge aus. Die Ontologie lacht sich selbst aus: Dieses Auslachen begründet das Bewußtsein der Eigentlichkeit (den Schein der Unschuld im Kern der faschistischen Selbstzerstörung der Moral, der im realitätsverleugnenden Bewußtsein der „heilen Welt“ überlebt; war die Eigentlichkeit Produkt einer Entscheidung, ein dezisionistischer Akt, so bedarf das Bild der heilen Welt der ständigen Erneuerung und Reproduktion: hier liegt der seins- und sprachlogische Grund des Fernsehens – gegenständliches Korrelat der heideggerschen Entschlossenheit). Was etwas „eigentlich“ ist, ist das, was es dem Begriffe nach ist, aber der Begriff ist ambivalent: Deshalb gibt es keine Eigentlichkeit ohne die Diffamierung des Uneigentlichen, das eigentlich identisch ist mit dem Eigentlichen, als Schein. Das Eigentliche ist das Wahre und Echte (das Wahre ist nach Hegel „der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“). Das Eigentliche und Echte ist das Ungeheuchelte, das Nicht-Pharisäische. So hängt der Begriff der Eigentlichkeit mit dem Antijudaismus, der Tradition der Diskriminierung der Pharisäer, zusammen. Eigentlichkeit ist die Narbe an der Stelle der verdrängten Reflexionsfähigkeit, der zerstörten Sensibilität. Eigentlichkeit ist der blinde Fleck der Philosophie. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist der Grund des Mythos, der Ästhetik und der Herrschaftslogik. Hierauf (auf die Umkehr-Beziehung von Sehen und Hören) bezieht sich das biblische Bilderverbot. Die Metastasen der Eigentlichkeit leben fort in der Moral der Polizei und des Militärs (Zusammenhang von Uniform und Folter). Nur die Symbole des Staates lassen sich verunglimpfen: Gegenstand der Verunglimpfung ist das Eigentliche. Im Stern der Erlösung kommt das Purim-Fest nicht vor. Ihr seid das Licht der Welt: Die Prophetie ist das Licht im blinden Fleck der Philosophie (des Weltbegriffs). „Kultur für alle“: Wer die Religionen als kulturelles Erbe begreift und sie konservieren möchte, möchte sie ins religionshistorische Museum (dem historischen Pendant des naturwissenschaftlichen Labors) einsperren. Er blendet genau das aus, was die Religionen ihrer Substanz beraubt und zu einem Teil des Kulturerbes gemacht hat: die Gewalt des alles durchdringenden Wertgesetzes. Religionen sind Formen der Besessenheit und zugleich Denkmäler der Geschichte der politischen Kosmologie; die Kritik der politischen Ökonomie ist ein Teil der Kritik dieser Geschichte. Konservierte Religionen sind (wie die konservierte Kultur insgesamt) fürs Bestehende ungefährlich; die Mauern der Museen sind ein sicherer Schutz.
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