Jüngstes Gericht: Wenn Recht „im Namen des Volkes“ gesprochen wird: Werden wir dann nicht in Solidarhaftung genommen und zu Komplizen aller Urteile gemacht, die heute gesprochen werden? Und gehört es nicht zu den Grundüberzeugungen der chrisstlichen Lehre, daß wir dafür einmal zur Rechenschaft gezogen werden?
„Vielmehr, wenn dein Feind hungert, so speise ihn, wenn er dürstet, so tränke ihn; denn wenn du dies tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“ (Röm 1220) Löst diese Logik (der Instrumentalisierung der Barmherzigkeit zur Waffe) sich nicht auf, wenn ich begreife, daß, was ich meinem Feinde tue, ich mir selber antue? So bezieht sich auch die Sündenvergebung in erster Linie auf den, der vergibt; ob dem, dem die Vergebung gilt, die Sünden wirklich vergeben sind, liegt nicht in der Macht des Vergebenden.
Zu Duchrows „ein Zeichen geben“: Wer ist der Adressat dieses Demonstrativums? Der Grund dieser Frage liegt tiefer: Im Deutschen unterscheidet sich der bestimmte Artikel vom unbestimmten durch das demonstrive Element (ähnlich wie im Griechischen, nur daß hier der Nominativ mask. und fem. ausgenommen sind). Auch hier ist zu fragen: Wer ist der Adressat dieses Demonstrativums? Ist es nicht die Welt. Auch wenn ich ein Zeichen gebe: Gebe ich es dann nicht der Welt. Ist hier nicht der Ursprung der Bekenntnislogik (die das Bekenntnis anstatt auf Gott, auf die Welt bezieht)? Mit dem deutschen Substantiv (oder dem Objektbegriff, der ihm entspricht) dringt die Logik des Weltbegriffs in den Kern der Sprache und macht sie verstummen. Mit dem grammatischen Begriff des Substantivs (der in der deiktischen Struktur des bestimmten Artikels im Deutschen gründet) wird die Sprache ins Herz getroffen: sie hat’s nicht überlebt. Liegt nicht der Unterschied zwischen dem hebräischen ha, das in dem griechischen ho/ha (Nom. mask./fem.) nachklingt, und den deiktischen Bildungen des Neutrum und der Kasus im Griechischen, und dann den bestimmten Artikeln im Deutschen generell, genau in diesem demonstrativen (objektivierenden) Element, während die hebräische Gestalt des Artikels (die an der Deklination des Nomens nicht teilhat) die benennende und vergegenwärtigende Kraft des Namens unangetastet läßt. Das ha lebt vom Hauch der Sprache, es unterscheidet sich vom deiktisch bestimmten Artikel im Griechischen und insbesondere im Deutschen wie der reflektive Name der Hebräer vom projektiven (diskriminierenden) Begriff der Barbaren, die beide nur durch Inversion (durch Umkehr) auf einander sich beziehen.
Läßt sich nicht am Griechischen nachweisen, daß das deiktische Element über die Kasusbildungen (über den Akkusativ) und dann übers Neutrum in den bestimmten Artikel hereingekommen ist? Erst im Deutschen (das aus dem Akkusativ sich entwickelt hat) durchdringt und überwuchert dieses deiktische Element – und mit ihm die logische Gewalt des Neutrum – die ganze Sprache (vgl. Heideggers Begriff des „Daseins“, den er als „Sein des Da“ definiert, das dann bei ihm an die leere Stelle des vergangenen philosophischen Subjekts tritt): Der Akkusativ wird zur Grundfigur des Nomens in der Sprache. Ist es in diesem grammatisch-logischen Kontext begründet, wenn im Deutschen die bestimmten Artikel des Femininum mit denen des Plural identisch sind?
Im Griechischen und im Lateinischen gibt es nach dem sprachlichen Geschlecht getrennte Pluralformen; nur im Deutschen fällt die Deklination des bestimmten Artikels femininum singular mit dem allgemeinen Artikel des Plural zusammen.
Zur Genesis der deiktischen Struktur des bestimmten Artikels im Neutrum. Die Sprachlogik, der der Ursprung des Neutrum sich verdankt, entfaltet sich zusammen mit der Trennung von Bewußtem und Unbewußtem. Konstitutiv für die Genesis des Unbewußten ist die Schuldgrenze, die das Unbewußte gegen das Bewußtsein abschirmt (und das Bewußtsein zu einer Funktion der Selbsterhaltung macht). Ist nicht das Demonstrativum und in seiner Folge das Neutrum das Vehikel des Schuldverschubsystems (des projektiven Erkenntnisbegriffs), in dem diese Schuldgrenze gründet? Und gründet nicht das Demonstrativum im Akkusativ?
Ebenso wie die hebräische Sprache im Kern eine „hebräische“ (die Sprache der Fremden im Lande) ist, ist die deutsche eine deutsche, eine „völkische“ Sprache; eine Sprache, die die zivilisationsbegründende Distanz zu den Barbaren reflexiv gegen sich selber kehrt: Ausdruck und Organ des Hasses der Welt.
Wenn der bestimmte Artikel im Lateinischen wieder verschwindet, so hängt das mit der (auf Alexander zurückweisenden) caesarischen Logik der lateinischen Sprache zusammen: Nicht mehr das Denken, der Philosoph, sondern die Gewalt, der Staat, ist zum Subjekt der Sprache geworden (die lateinische Philosophie verliert mit der Objektbezogenheit ihr Subjekt, sie wird Rhetorik). Das transzendentale Subjekt der Philosophie verlagert sich in den Herrn der Welt: in den Herrscher des Römischen Reiches. Das Demonstrativum wird dem Subjekt (und damit der Sprache) enteignet, vom Staat übernommen (es wird zur Urteilsgeste in der Arena). Erst in diesem Kontext werden die Subjekte zu Personen (zu Objekten des Rechts). Ist nicht das Lateinische die Vollendung der Sprache der Objektivität, deren realsymbolischer Kern der Staat ist. Erst die modernen Sprachen rebellieren gegen diese Objektivität, gegen die sie das Recht der Subjektivität behaupten, zu dessen Ausdruck sie geworden sind.
Die griechische Sprache ist eine Ding-Sprache, die lateinische eine Sprache der Sache; erst im Deutschen wurden beide vereinigt durch die Trennung von Ding und Sache. Ist eine ähnliche Ableitung des Griechischen aus zwei vorausgehenden Sprachen, die als Natur- und Welt-Sprache zu bestimmen wären, möglich?
Hat die Kirche nicht ihre ratio essendi verloren, als sie auf das Latein verzichtete?
Die Wahrheit ist kein Gegenstand der Philosophie, sonder der Motor ihrer Kritik (und hat die Kritik der Philosophie etwas mit der Entfesselung der vier Winde vom Euphrat zu tun?).
Wenn die Schlange das Symbol des Neutrum ist, ist dann das Auf-dem-Bauche-Kriechen die Entsprechung des Demonstrativum (der intentio recta, der Fixierung aufs Objekt)? Der Objektbegriff (in der Grammatik das Substantiv) ist das sich auf sich selbst sich beziehende deiktische Element (steckt in dem dreifachen „sich“ ein Hinweis auf die Dreidimensionalität des Raumes?).
Ist nicht das deiktische Element des bestimmten Artikels im Deutschen ein anderer Ausdruck für das „von allen Seiten hinter dem Rücken“?
Ist der lateinische Vokativ der Nachfolger des personalen Nominativ im Griechischen, sein spätes Echo dann das expressionistische „Oh Mensch“? Gibt es eine Genealogie, die vom hebräischen ha über das griechische ha/ho zum lateinischen und dann deutschen oh führt? Kann es sein, daß diese Genealogie ein Licht auf die Urgeschichte des bestimmten Artikels wirft: Ist das hebräische ha ein Echo des Lachens, das als identitätsstiftendes Element ins Wort mit eingeht; und klingt nicht dieses Lachen im Griechischen im femininen Artikel noch nach, während es im maskulinen Artikel ins staunende ho/oh übergeht? Aristoteles hat das Staunen als Ursprungs-Affekt der Philosophie erkannt; aber dieses Staunen entringt sich mit der gleichen Kraft dem Schrecken der Erfahrung, im Namen Objekt des Lachens zu sein (und instrumentalisiert diese Erfahrung, z.B. im projektiven Namen der Barbaren), wie die Philosophie durch die Verinnerlichung der Gewalt des mythischen Schicksals (durch Instrumentalisierung dieser Gewalt zum Begriff) dem Mythos sich entringt. Erst die römische Person ist fähig, mit stoischer Apatheia (die bei den Vornehmen im magischen Schutz des Geschlechternamens sich verkörpert, im späteren Bürgertum im Familiennamen) ihren Namen zu tragen.
Im Staunen wird der Schrecken gebannt, Objekt des Schicksals zu sein; aus dem Staunen haben die Mathematik, die Begriffe und die subjektiven Formen der Anschauung sich entwickelt, die diesen Schrecken auf die Dinge ableiten (vgl. das Lachens Abrahams und Saras und den Schrecken Isaaks).
In Ps 3521ff, 4016, 704, Ez 253, 262, 362 wird das Lachen durch Verdoppelung des ha ausgedrückt. Hier lachen die, „die mir grundlos feind sind, …, die mich ohne Ursache hassen“ (Ps 3521), „die sich meines Unglücks freuen“ (Ps 4016 u. 704), die Ammoniter (Ez 253), Moab (262) und „der Feind“ (362).
Im Griechischen ist es der Mann, der lacht. Objekte des Lachens sind die Frauen und die Fremden. Das jüdische Votum für die Fremden kehrt den Bann gegen das Lachen.
Löst sich das Rätsel der Apokalypse nicht erst dann, wenn wir die apokalyptischen Symbole: den Drachen, die Hure Babylon und die Tiere, nicht mehr nach dem Modell des projektiven Erkenntnisbegriffs der Philosophie nach draußen projizieren, sondern uns selbst in ihnen wiedererkennen (war nicht Luther, als er in Rom die Hure Babylon erkannte, nahe daran)?
Hat nicht der Begriff der Zeugung die Trinitätslehre zum Becher der Unzucht gemacht? Wie hängen erzeugen, bezeugen und überzeugen zusammen? Welche genaue Bedeutung hat das mit Zeugen übersetzte Wort in dem Psalm-Vers 27: „filius meus es tu, hodie genui te“? Ist dieses „genui te“ so geschlechtseindeutig, wie es dann in der Trinitätslehre erscheint? Wie verhält sich dieses (männliche) Zeugen zur Barmherzigkeit, die in der Gebärmutter sich verkörpert (Seid barmherzig, wie euer Vater im Himel barmherzig ist, Lk 638, aber vgl. Mt 548)?
Gründet nicht das Präfix be- (und mit ihm das englische „to be“) im deiktischen Element der Sprache? (Deshalb fällt der bestimmte Artikel im Englischen nicht unters Gesetz der Deklination.)
Wie unterscheidet sich die Erlösung von der Befreiung?
Ist nicht der Raum die deiktische Totalität, und zwar als objektlos gewordene Totalität (der Raum ist an sich leer)?
Salomo hat dem Namen Gottes ein Haus gebaut; Jesus wollte, als er zum Vater ging, uns im Himmel eine Wohnung bereiten. Ist diese Wohnung im Himmel nicht ein anderer Ausdruck für das Buch des Lebens, in dem alle unsere Taten verzeichnet sind, und das am Ende aufgeschlagen wird: Und wird nicht dieses Buch aufgeschlagen, wenn am Ende der Himmel sich aufrollt wie ein Buch (wird nicht der Baum des Lebens vom Anfang am Ende zum Buch des Lebens, das sich öffnet, wenn die Logik der Schrift gesprengt wird)?
Das gesamte Problem der Theologie liegt in der Beziehung der Person zum Angesicht. Der paulinische Hinweis, daß wir jetzt „wie im Spiegel“ erkennen, findet seine Verkörperung in der Trinitätslehre, die nur als Konstrukt der Spekulation sich begreifen läßt. Und ist nicht das homousia der Versuch, der Spekulation den Schein der unmittelbaren Realität zu geben? An diesem Punkt ist die Idee der Umkehr (und mit ihr die Gottesfurcht) aus der Gotteserkenntnis herausgenommen worden. Und ist es nicht die homousia, die die „Zeugung“ zur Blasphemie gemacht hat (indem sie das praktische Moment, die Beziehung auf die Armen und die Fremden, aus der Gotteserkenntnis herausgenommen, die Bindung der Theologie an die Ontologie begründet, sie zu einer Sache der Kontemplation, des reinen Zuschauens gemacht hat)?
Liegt der Gründungsakt des Fernsehens in der Trinitätslehre?
Die Reflexion des Weltbegriffs gründet in der Fähigkeit zur Schuldreflexion; nur durch diese Fähigkeit unterscheidet sich der Mensch vom Tier (das in seine Welt gebannt bleibt). Die Verdrängung der Schuldreflexion (zu der das opfertheologische Konstrukt von der Entsühnung der Welt Geburtshilfe geleistet hat) bezeichnet den Ursprungspunkt des apokalyptischen Tieres (dessen Ursprung und Geschichte von Ursprung und Geschichte des Weltbegriffs nicht zu trennen ist). Hierauf bezieht sich die apokalyptische Ergänzung des Taumelbechers und Kelchs des göttlichen Zornes zum Becher der Unzucht.
Läßt nicht die dreifache Gestalt des Tieres (als Drache, als Tier aus dem Meere und als Tier vom Lande) aus dieser Konstellation sich herleiten? Erst wenn man das Tier vom Lande begreift, wird man auch die Zahl des Tieres (die die Zahl des Tieres aus dem Meere ist) begreifen.
Vom Fortschritt wird man heute nur noch reden dürfen, wenn man das Wachsen des katastrophischen Potentials mit einbezieht.
Lachen
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10.9.1994
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8.9.1994
Ist der demagogische Trick Kohls nicht vorgebildet in der Geschichte der Physik: Die Kopenhagener Schule, die selber nach Einstein die Physik wieder ins Paradigma der Naturbeherrschung zurückgebogen hat, hat sich zugleich in der Öffentlichkeit immer als „Überwindung“ der klassischen Physik, zu der sie dann insbesondere Einstein hinzugerechnet hat, präsentiert, und den Preis der Rückkoppelung (die Unbestimmtheitsrelation und den Korpuskel-Welle-Dualismus als Komplementaritätsprinzip) als besonderen Gewinn sich selbst und den anderen eingeredet. Das wirklich Neue bei Einstein wurde damit der Reflexion entzogen. War nicht die Kopenhagener Schule, insbesondere ihr deutscher Teil, auf eine subtilere Weise antisemitisch als die ominöse „Deutsche Physik“?
Gibt es eine (nationale oder weltanschauliche) Identität ohne Bekenntnislogik, und d.h. ohne eingebautes Feindbild? Ist nicht die politische Theologie Carl Schmitts (mit der Grundlage des Freund-Feind-Denkens) die genaueste Entfaltung der Bekenntnislogik? Und sind nicht Skinheads und Hooligans die letzten Confessoren?
Hat Jesus nicht tatsächlich den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben, und zwar genau mit der gleichen Logik, mit deren Hilfe er den Vorwurf zu widerlegen versucht (ein Reich, das in sich uneins ist, …)?
Die Bekenntnislogik ist der Kelch von Getsemane.
Der Begriff der „zeitlosen Wahrheit“, Grundlage der Trennung von Natur und Welt, setzt voraus, daß es zur Vergangenheit des Vergangenen keine Alternative gibt.
Zu Weigels Satz (in einem Brief an den WDR zur Lotto-Satire), daß er zwar Humor verstehe, aber …, fehlt die Ergängzung, die man wird hinzudenken müssen: Das Verständnis endet, wenn er selbst zum Objekt des „Humors“ wird. Dann ist er nur noch beleidigt. Hat nicht der Humor überhaupt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Duftmarken-Setzen der Hunde. Mit Humor werden Herrschaftsbezirke abgesteckt. Opfer des Humors sind in der Regel die, die aus der Gemeinschaft der Lachenden ausgeschlossen (oder zur Identifikation mit dem Aggressor gezwungen) werden sollen (Frauen, Juden, Ausländer). Der Humor hat die gleiche logische Struktur wie das Vorurteil und die Bekenntnislogik, wie er auch die gleiche Funktion hat: Gemeinschaftsstiftung durch gemeinsames Lachen: durch Identifikation des gemeinsamen Objekts. Auch der Antisemitismus ist eine Variante des Humors. Deshalb ist Humor nur erträglich, wenn er die Reflexion auf diese Struktur in sich mit hereinnimmt: als schwarzer Humor.
Kein Bekenntnis ohne eingebautes Feindbild, wobei die logische Leistung des Lachens in seiner identitätsstiftenden Kraft liegt: Die Identität des Feindes wird durchs Lachen konstituiert. Repräsentant dieses Lachens im Subjekt ist die, die Objektvorstellung begründende, subjektive Form der äußeren Anschauung: der Raum.
Hängt es nicht mit der inneren Logik des Gebots der Feindesliebe zusammen, wenn Jesus nicht gelacht hat?
Weshalb wird das Lächeln der Babys als süß empfunden? Ist es nicht eigentlich etwas Schreckliches: Das Lächeln ist nicht freundlich. Beim Lächeln (auch dem archaischen Lächeln frühgriechischer Statuen, dem Seligkeits-Lächeln mittelalterlicher Skulpturen, dem Lächeln der Mona Lisa) ist der Schrecken nicht zu übersehen, der im instrumentalisierten keep smiling, im Lächeln der Verkäuferin, im cheese-Grinsen, als Raubtier-Lächeln erkennbar wird. Ist nicht das Lächeln der Babys das erste Zeichen der Selbstinstrumentalisierung, Folge der Erfahrung, daß diese Geste von den „Bezugspersonen“ honoriert wird? Wieviel objektive Ohnmachts- und Gewalterfahrung steckt schon in diesem Lächeln? Und ist das Süße an diesem Lächeln nicht die Süße der eigenen Macht- und Gewalterfahrung, die durchs Kind so bestätigt wird (Zusammenhang mit der Logik der Scham)?
Kann es sein, daß der Adressat des archaischen Lächelns das sich zur objektiven Gewalt kontrahierende Schicksal des mythischen Zeitalters, der Adressat des mittelalterlichen Lächelns der Seligen die Gottes- und Subjektvorstellung war, die der Verinnerlichung der Scham sich verdankt. Ist das Lächeln nicht der früheste Ausdruck der paranoischen Ansteckung, die zu den Grundlagen der zivilisierten Welt gehört? Aufgetragen ist dieses Lächeln auf die Folie des verzweifelten Weinens.
Haben die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn erscheinen wird, etwas mit den Wolken, die die ausziehenden Israeliten durch Wüste geführt haben, mit den Wolken am Berge Sinai, dann mit den Wolken der Herrlichkeit Gottes über der Lade im Allerheiligsten des Tempels, zu tun: mit der Schechina?
Gegenstand der modernen Entzauberung der Welt war der katholische Mythos, der selber schon ein Produkt des gleichen Inertialsystems war, dem er dann zum Opfer gefallen ist.
Jesu Wort an den Schächer am Kreuz: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein, ist noch unerfüllt. Dieses Heute ist noch nicht eingetreten.
Der Sprach- und Symbolgrund der Barmherzigkeit ist die Gebärmutter. Aus welchem Sprachgrund stammt die Gerechtigkeit?
Hat nicht die Anthropomorphismus-Kritik das weibliche Element (die Barmherzigkeit) aus Gott ausgetrieben?
Die Philosophie hat die Sinnlichkeit aus dem Himmel (aus Wasser und Feuer) ausgetrieben, die Naturwissenschaften haben sie aus der Erde ausgetrieben. Das erste war die Folge der Verinnerlichung der Schicksalsidee, das zweite die der Verinnerlichung der Scham.
Wenn die Grenze zwischen Innen und Außen eine transzendentallogische Grenze ist, die begründet ist in der Grenze zur Vergangenheit, ist es dann nicht notwendig, das Schicksal der Geschichte des Klassenkampfes, die nicht nur in der Außenwelt sich abspielt, im Innern der Menschen zu untersuchen, die Fortsetzung dieser Geschichte in der Geschichte seiner Verinnerlichung weiter zu verfolgen? Vermittelndes Glied ist der Mechanismus der Identifikation mit dem Aggressor; zur Geschichte der Verinnerlichung des Klassenkampfes gehört die Geschichte seiner Verdrängung. Diesem Aspekt kommt ein anderer entgegen: die Einsicht, daß der Begriff der Verdrängung nicht mehr auf die Psychologie sich einschränken läßt, daß er durch einen objektiven, historisch-gesellschaftlichen Begriff der Verdrängung, zu dem die Geschichte des Mythos und der Aufklärung gehört, zu ergänzen ist.
Werbung und Propaganda, als Formen der technischen Anwendung der Psychoanalyse, haben diesen objektiven Begriff der Verdrängung (den sie ausbeuten und verstärken) zur Grundlage (Zusammenhang mit der Bekenntnislogik).
Dignum et justum est: Hat das dignum, das dann mit würdig übersetzt wurde, etwas mit der Barmherzigkeit zu tun? Und wie verhält sich das dignum et justum (würdig und gerecht) zum juristischen billig und recht (wie verhalten sich dignum, würdig und billig zueinander)? -
3.8.1994
Die hebräische Sprachlogik wäre zu rekonstruieren anhand – der Strukturen der Konjugationen (die von der indogermanischen Sprachlogik durch das Fehlen des Neutrum sich unterscheiden) und – des Gebrauchs der Prä- und Suffixe. Greuel am heiligen Ort: Der Modernisierungsschub des Faschismus hat die Kirche nicht unberührt gelassen. Hier, insbesondere in der Katholischen Kirche, waren seine Vollstrecker in Teilen der kirchlichen Jugendbewegung und der liturgischen Bewegung anzutreffen, in der Anti-Kitsch-Kampagne, in der Tendenz, die Frömmigkeit durch Ästhetisierung und Ritualisierung des Kults auszutreiben (das war die Voraussetzung für die Medienverwertbarkeit der Liturgie: für die Blasphemisierung der Religion im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit). Apokalyptische Theorie: Das Feuer entspricht in seinem aktiven Teil dem Lachen, in seinem passiven dem Weinen. Hiermit hängt es zusammen, daß Jesus nicht gelacht, wohl aber die Dämonen ausgetrieben hat (Anmerkung zum katholischen Mythos: Das Feuer wäre wie Lachen und Weinen anzusiedeln in dem Bereich zwischen Sprache und Mathematik, oder zwischen der Sprache und der Logik der Schrift; die Vorstellungen von Hölle und Fegefeuer sind Produkte der Verräumlichung dieses sprachlichen Sachverhalts; sie ermessen die Distanz zwischen dem Wort und seiner Erfüllung; die Musik ist ihr Erbe und der Beginn ihrer Entmythologisierung). Das Feuer der Hölle und das Fegefeuer ist das Feuer der brennenden Scham. Das Neutrum ist der Repräsentant der Logik der Schrift in der Sprache.
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12.7.1994
Im Tabu erweist sich das Lachen als magische Gewalt. Über die Bekenntnislogik ist diese magische Gewalt ins Christentum wieder eingedrungen. Die Bekenntnislogik ist eine in die Sphäre des Begriffs transponierte Namensmagie. Die Heiligung des Gottesnamens löscht die Spuren des Lachens (die Reste der Magie) im Namen. Zur Idee des Absoluten: Ist nicht der Begriff ein erstarrtes, abgestorbenes Gelächter (und das Feuer die Innenseite des Wassers)? Heute sind die Nächte zwischen den Tagen der Schöpfung wichtiger geworden als die Schöpfungstage selber. Die Art, wie unsere Theologen heute mit dem Gottesnamen, dem Tetragrammaton, umgehen (die historische Vergegenständlichung des Namens, die ihn aussprechbar macht, weil sie uns aus seiner Gegenwart entfernt hält), hängt mit dem Ursprung und mit der Geschichte der Hysterie zusammen. Zum Ursprung der Eucharistie-Verehrung (der devotio moderna): Die Gläubigen wollten die Last der Heiligung des Gottesnamens endlich loswerden und auch ein Ding haben, das sie anbeten konnten. Von Hegels Absolutem ist nur die Hybris übriggeblieben. Das Verhältnis der Namenslogik zur Logik des Begriffs läßt sich demonstrieren am Verhältnis des Namens der Hebräer zu dem der Barbaren, oder auch am Verhältnis des Begriffs der Barmherzigkeit zu dem der Hysterie. Die Wissenschaftsgeschichte nach Kant ist nur verständlich, wenn man begreift, daß die kantische Wissenschaftskritik in ihrem Kern, in der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, bis heute nicht rezipiert worden ist. Verstanden wurde, daß es zu den subjektiven Formen der Anschauung keine Alternative gibt, und das wurde als Rechtfertigung akzeptiert, von den Formen der Anschauung schamlos Gebrauch zu machen, so als handele es sich um objektive Gegebenheiten. Sind nicht die Formen der Anschauung insgeheim Formen des von einer namenlosen Macht Angeschautwerdens (der verinnerlichten, ausweglosen Scham)? Das drückt sich aus in dem logischen Zwang, dem die Raumvorstellung (die keine ist, weil sie ihren inneren Widersprüchen nicht standhält) sich verdankt: dem Wiederholungszwang ihrer Selbsterzeugung und Selbstfortpflanzung (Beziehung der Raumvorstellung zur Bekenntnislogik, zur Sexualität und zum Keuschheitsgebot). Sind nicht die Heldenfriedhöfe Denkmäler der Leugnung der Auferstehung, und liegt die Schändung jüdischer Friedhöfe nicht in der genauen Konsequenz ihrer Logik? Heldenfriedhöfe sind die Mausoleen der vergesellschafteten Herrschaft.
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23.6.1994
Die subjektiven Formen der Anschauung sind der Pfropf im Ohr.
Die mathematische Form des Raumes trägt sich nicht selber, sondern sie wird getragen
– durch das Interesse an der Abstraktion, die in ihr gegenständlich wird, wobei
– diese Abstraktionsgestalt selber als System von Abstraktionen sich erweist, die durch Verschiebung sich wechselseitig tragen.
Läßt diese Abstraktionsgestalt sich nicht an der architektonischen Form der gotischen Kathedrale ablesen (hier gründet die Beziehung der mittelalterlichen Architektur zur Scholastik)?
Daß jede Dimension im Raum wie die andere ist, keine von der andern sich unterscheiden läßt, heißt, daß in jeder Dimension jede andere sich blind reflektiert, wobei diese Blindheit lähmt, wie umgekehrt die Lähmung blind macht (Zusammenhang von Sünde und Schuldverblendung: Die Freiheit der Kinder Gottes wäre das Resultat der Aufhebung beider).
Heute ist die Welt insgesamt in die Totalabstraktion ihrer „Überzeitlichkeit“ versetzt. Es kommt jetzt darauf an zu begreifen, daß die Wahrheit einen Zeitkern: einen Aktualitätskern, hat.
Benjamins These, daß die Geschichte bis heute aus der Sicht des Siegers geschrieben worden ist, ist zu differenzieren: Es handelt sich nicht nur um einen Sieger. Zu den Siegern gehören
– die Kirche, die die Zeitrechnung definiert (die orientalische Geschichte in die absolute Vergangenheit gerückt) hat,
– der Imperialismus, der diese Vergangenheit zur Projektionsfolie seiner eigenen Wünsche und Ziele gemacht hat, und
– die Naturwissenschaften, die mit der „Entdeckung der Tiefenzeit“ die Vergangenheit insgesamt (unter Einschluß ihrer Beziehung zu Schöpfung und Erlösung) neutralisiert haben.
Die Verdinglichung ist ein Resultat des Lachens: Diese Konstellation ist der Grund des „Schreckens Isaaks“. – Gehorcht das Lachen nicht der gleichen Logik, der auch die Form des Raumes sich verdankt? Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung ein entsetzliches Gelächter und zugleich die Verdrängung des Bewußtseins davon? Eine Theorie des Feuers müßte diese Konstellation zur Grundlage haben.
Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Gelächter, das uns im Halse stecken geblieben ist (oder auch das leere, gerinigte und geschmückte Haus, in das die sieben unreinen Geiter einziehen: die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten – bezieht sich die Zahl 666 auf diesen Menschen?).
Es gibt ebenso viele Konstellationen des Gelächters wie es Charaktere gibt. Aber es gibt auch – und das führt die Freudsche Lehre in die Nähe der kantischen transzendentalen Ästhetik – einen Grundcharakter, der mit dem Freudschen Zwangscharakter, mit der Struktur der Paranoia, zusammenhängt. – Wie verhält sich der Charakter zum Angesicht? Und liegt hier nicht der Grund für die Wahrheit der These, daß jeder wie für seinen Charakter auch für sein Gesicht verantwortlich ist?
Zur Jotam-Fabel: Rührt die Weigerung der Bäume, König zu werden, nicht daher, daß sie nicht von ihrer Wurzel sich trennen lassen (und nur Krone werden) wollen – mit der einzigen Ausnahme des (wurzellosen?) Dornbuschs?
Die Kirche ist das Wort, das unter die Dornen und auf steinigen Grund gefallen ist.
Der biblische Schöpfungsbericht ist keine Kosmogonie oder Kosmologie, sondern deren prophetische Umformung. Er begründet keinen Staat, sondern begleitet kritisch seine Ursprungsgeschichte.
Zu den ersten drei Schöpfungstagen:
– Die Trennung von Licht und Finsternis begründet die Trennung von vorn und hinten;
– das Firmament trennt oben und unten;
– hängt die Trennung von rechts und links mit der Trennung des Trockenen vom Wasser, des Landes vom Meer (und der Hervorbringung der Pflanzen) zusammen (gründet hier die Unterscheidung des Tieres aus dem Meer von dem Tier vom Lande)?
Ist nicht auch das Christentum eine Rekapitulation der gesamten Geschichte, und repräsentiert Paulus die totemistische Phase dieser Geschichte?
Ist der
– „Herrenbruder Jakobus“ die Säule gegen den Antijudaismus,
– Petrus, der Fels, die Säule gegen die Ketzerfeindschaft und
– Johannes, der Jünger, den der Herr liebhatte und dem er seine Mutter ans Herz legte, die Säule gegen die Frauenfeindschaft (gegen die Sünde wider den Heiligen Geist)?
Es waren diese drei Apostel, die in Getsemane „nicht eine Stunde mit (ihm) wachen konnten“, das Erscheinen des Kelchs verschlafen haben. Weckt nicht das Krähen des Hahns alle drei?
Hat Gott die „großen Meeresungeheuer“ für den Jona geschaffen, und beschreibt das Buch Tobit den Frevel, daß der Fisch getötet wird (auch wenn Sara und Tobit geheilt werden): dafür wird Ninive am Ende doch zerstört?
Heute sind Kleinbürger die Kerube, die den Eingang des Paradieses mit dem kreisenden Flammenschwert bewachen.
Wodurch unterscheiden sich Symbolik, Metaphorik und Allegorie? Ist die Metaphorik das Bindeglied zwischen Allegorie und Symbol?
Zur Logik der Sprache:
– Was unterscheidet Prä- und Suffixe? Die Präfixe hängen mit den Präpositionen zusammen, die Suffixe sind Abstraktionssymbole (die Präfixe determinieren die Tätigkeit und seine Beziehung zum Objekt, die Suffixe determinieren den Begriff).
– In welcher Beziehung stehen die Prä- und Suffixe zur Geschichte der flektierenden Sprachen, zu Deklination und Konjugation? Was bedeutet es, wenn in den modernen europäischen Sprachen die Suffixbildungen sowohl in der Konjugation als auch in der Deklination aus den Wortbildungen herausgenommen, als Hilfsverben (und Personalpronomen) und als bestimmte Artikel (die die Deklination in sich absorbieren) vor das Wort gezogen und dagegen verselbständigt werden?
– Gibt es zu den Verbalpräfixen wie be-, ver-, zer-, ent- u.ä. Entsprechungen in den klassischen Sprachen? Sind sie nicht gleichsam Raumfunktionen, die die mit ihnen gebildeten Verben in ein wechselseitiges Reflexionssystem rücken, ihrer Bedeutungen in einander spiegeln (das Präfix als Ursprungspunkt eines mehrdimensionalen Verbsystems)? – Beziehung zur griechischen Entdeckung des Winkels und zum modernen Ursprung des Inertialsystems? Reflektiert sich in der Vollständigkeit dieser Präfixe der Abstraktionsprozeß, dem die Form des Raumes sich verdankt?
Zum „bedeutungsschwangeren“ Sinn von Sein gehörte es, daß Ideen im spätidealistischen Deutschland nicht mehr erzeugt, sondern „geboren“ wurden. -
8.6.1994
Ist die Lichtgeschwindigkeit (das Prinzip der Konstanz der Lichtgschwindigkeit) eine „Schranke“ im Hegelschen Sinne (keine Grenze): die des Inertialsystems und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis insgesamt? In der Vorstellung des leeren Raumes abstrahiere ich nicht nur von den Dingen, sondern auch vom Blick der andern: Diese Abstraktion wird zusammengefaßt in dem Begriff „Laborbedingungen“. Schuld, Arbeit und Tausch: die drei Dimensionen des Geldes. Merkwürdig, daß der Begriff der „Erschaffung der Welt“ im Neuen Testament nur bei Paulus, und zwar bei seinem Besuch in Athen (in der Apostelgeschichte) und in seinem Brief an die Römer, vorkommt. Ist nicht das Fehlen einer Kritik des Finanzkapitals, des Depositengeschäfts und des Kreditwesens (der Banken), der Geschichte der Schuldknechtschaft, der Basisfehler der marxschen Kritik der politischen Ökonomie? So wurden die Schätze der Hegelschen Logik nicht wirklich ausgeschöpft und gerettet, während umgekehrt schon bei Engels die Anpassung an den naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriff (und das daraus geschöpfte Technologiekonzept) den Weg in den „real existierenden Sozialismus“, der eigentlich ein Staatskapitalismus war, eröffnete. Zur Theorie des Feuers: – Das Feuer ist ein Grenzproblem der Sprache (genauer: ein Problem der Grenze der Sprache, wie das Lachen, das Weinen, die Scham, die zu den Konstituentien der Sprachlogik, nicht zu ihren Objekten, weder zu ihren Formen, noch zu ihren Inhalten, gehören); – hierzu gehört die Stelle im Jakobusbrief über die Zunge (Sprache, Logik und Gemeinheit); – der sprachliche Grund des katholischen Mythos: Himmel, Hölle und Fegfeuer; – doppelte Umkehrung der Kritik der Astrologie: die apokalyptische Passage in 2 Ptr bezieht sich auf den Himmel der Astrologie und der Astronomie zugleich; – die paulinischen Archonten, die Elemente der Welt und das Harren der Kreatur. Benjamins Theorie vom Zerfall der Aura hat mit der Abstraktion vom Gesehenwerden zu tun (der Blick des Kunstwerks, sein mythisches Erbe, das im Licht des Tauschprinzip zur Echtheit verdinglicht wurde, wird mit seiner technischen Reproduktion gelöscht). Darauf bezieht sich die Bemerkung Benjamins über das Verhältnis von Nähe und Ferne im Begriff der Aura. Schuldverschubsystem, Unrecht und Bekenntnis: Die Fähigkeit eines Sportlers, nach der berechtigten Ahndung eines Fouls die empörte Unschuld zu demonstrieren, gehört nach einer Bemerkung des Sportreporters „zum Handwerk“ (das Publikum fällt drauf rein, hält die Entscheidung für himmelschreiendes Unrecht und läßt seinen Ärger am Schiedsrichter und an den Parteigängern des Gegners aus). – Hierzu paßt die Funktion der Medien in realen Konflikten, im Golf- und im Bosnienkonflikt ebenso wie in politischen und sozialen Auseinandersetzungen, die ohne die Wirksamkeit (und den geschichtlichen Stand) der Bekenntnislogik keinen Grund finden würde.
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27.5.1994
Die Sexualmoral besiegelt die Unfähigkeit zu lieben (das Geschwätz ist die Vergesellschaftung des Wölfischen). – Die Mathematik oder das Lachen und das Weinen (Grenze zwischen Mathematik und Sprache); – die Feste des Himmels oder Wasser und Feuer. Es gibt nicht nur eine Logik, sondern eine Gruppe, eine Konstellation von Logiken, in deren Zentrum der Weltbegriff steht: – die Logiken der Schuld, der Herrschaft und der Verblendung, oder – die Bekenntnislogik, die Logik des Geldes und die Logik der Anschauung. Natur, Materie und Autismus (der Feminismus als Ausbruchsversuch aus dem Käfig des Autismus). Die „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“ ist nicht identisch mit „adaequatio intellectus et rei“. Zwischen diesen beiden Wahrheitsdefinitionen liegt die Geschichte der Trennung von Ding und Sache (die Geschichte der mittelalterlichen Eucharistieverehrung und des Ursprungs des Inertialsystems). Gibt es nicht diese generelle Beziehung zwischen Sprache und Symbol (wie die zwischen Schlange und Neutrum), und ist nicht der babylonische Turm die Ursprungsgestalt der Reflexion dieser Beziehung; das Bild, in dem die Prophetie den Ursprung der indogermanischen Sprachen erkannt haben? Ist der Stier das Symbol der Schrift (es gibt eine Logik der Schrift, ebenso wie eine Logik des Geldes und die Bekenntnislogik, die daraus sich herleiten)? – Vgl. hierzu die Geschichte vom „goldenen Kalb“, die zur Sinai-Geschichte und als Kontrapost zu den mosaischen Gesetzestafeln dazugehört; auch das Stier-Gesicht in der Ezechiel-Vision (sh. auch die Apokalypse). Der Nominalismus wird durch die Logik der Schrift, die zunächst auf die Astronomie zurückweist und am Ende das Inertialsystem aus sich entläßt, ebensosehr begründet, wie dann auch widerlegt. Die Schrift ist die Verkörperung des Hinter dem Rücken (sh. die Gottes-Offenbarung an Moses). Zum Kelchsymbol gehört neben Gethsemane („Vater, wenn es möglich ist, laß diesen Kelch an mir vorübergehen“) und der Antwort auf die Frage der Zebedäussöhne („könnt ihr den Kelch trinken? – ihr werdet den Kelch trinken …“), das Wort an Petrus („soll ich den Kelch nicht trinken …“), aber als Grundlage auch die prophetischen und apokalyptischen Bilder (Taumelkelch, Kelch des göttlichen Zorns, der Becher der Unzucht – der Becher der Hure Babylon) sowie dann am Ende bei Hegel die Definition des Wahren in der Phänomenologie des Geistes („das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“) und der ungeheuerliche Schluß dieses Werkes („aus dem Kelche dieses Geisterreichs schäumt ihm seine Unendlichkeit“). Die Formen der Anschauung und das Inertialsystem haben sowohl mit dem Symbol des Kreuzes als auch mit dem des Kelches zu tun (das Kreuz, Bild der Orthogonalität: mit dem Ursprung des Inertialsystems, Repräsentant des Subjekts, des Herrendenkens, der Last, die der Objektivationsprozeß dem Subjekt und den Dingen aufbürdet; der Kelch, das Bild des „Behälters“, des Inertialsystems: des unerschöpflichen Brunnens, aus dem wir die „Naturerkenntnis“ schöpfen: sie zu Objekten unserer Vorstellungen machen, Referenzsystem der Vergewaltigung und Verdinglichung des Objekts). Das Kreuz symbolisiert den Weltbegriff, der Kelch den der Natur (die „Naturerkenntnis“ ist das Trinken aus dem Kelch des göttlichen Zorns: so haben die Naturwissenschaften in der Tat etwas mit der Religion zu tun)? Das Absolute ist ein Konstrukt aus Schicksal und Scham (Begriff und Anschauung, Kreuz und Kelch). Bezieht sich nicht die Konstellation von Kreuz und Kelch außer aufs Inertialsystem auch aufs Geld und auf die Bekenntnislogik? Oder: gehört nicht auch das Dogma zum Unrat im Becher der Hure Babylon?
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21.5.1995
Worauf gründen Domestikation und Dressur von Tieren? Setzen sie nicht voraus, daß Tiere in einem gleichsam noch diffusen Bannkreis von Herrschaft leben, dem erst die Menschen Identität geben können? Und hängt es damit zusammen, daß domestizierte Tiere auf eine signifikante Weise ihr Aussehen (ihre Erscheinung im Blick der Andern) ändern? Während vorher die Welt (der Inbegriff des Angeblicktwerdens) eine feindliche Welt war, vor der man durch Anpassung an die Umgebung sich verbergen mußte, scheinen domestizierte Tiere ein eher auffälliges Aussehen zu bevorzugen, das ein Wiedererkennen durch den menschlichen Herrn ermöglicht. Jedes Lachen ist ein Urteil, das vom sprachlichen Urteil dadurch sich unterscheidet, daß es durch seine Stummheit der Reflexion sich entzieht. Lachen ist positivistisch: Es entzieht insbesondere sein Objekt der Reflexion. Deshalb ist das Kabarett herrschaftsstabilisierend. Das Lachen enthält die ganze Bekenntnislogik in sich: Sein Objekt ist sein Feindbild, es erzeugt das Kollektiv der Lacher und verfolgt jede Abweichung wie eine Häresie, und es ist – wie der confessor – männlich. Oikos und polis: – Babel ist eine Stadt, Ninive die große Stadt; der Pharao in Ägypten ist das große Haus. Gibt es im biblischen (vorhellenistischen) Ägypten überhaupt Städte? Es gibt das Sklavenhaus Ägypten, und es gibt die babylonische Gefangenschaft (und hierzu das Wort des Jeremias: Betet für das Wohl der Stadt). – In Israel gibt es Stämme, dann das Haus Israel, das Haus Juda, auch das Haus Josef; es gibt Städte, die den Namen des Hauses tragen: Bethlehem; und es gibt die Stadt Jerusalem mit dem Tempel, die aber, wie auch andere Städte, kanaanitischen Ursprungs ist. Mein ist die Rache, spricht der Herr; Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer: Ist nicht Gott, und sind nicht Opfer und Gebet Institutionen zur Transformation von Rache in Barmherzigkeit. Der Historismus steht in der Tradition der Kosmogonien. Geschichte ist Weltgeschichte. Der Gesang der Vögel verhält sich zur Sprache wie die Farbe der Blumen zum Licht. Die Taube löst die Erstgeburt der Armen aus, das Lamm die Erstgeburt des Esels. Abraham schlachtet das Kalb, aber opfert den Widder (mit dem er seinen Erstgeborenen, Isaak, auslöst). Die Regelungen für das Stier- und Rindopfer finden sich in der Thora, aber die Opfer selber gibt es erst in den Auseinandersetzungen der frühen Propheten mit der Baalsreligion und in der Königsgeschichte. Daß der Himmel am Ende wie ein Buch sich aufrollt, verweist das nicht auf das Ende der Logik der Schrift und den Beginn der Erfüllung des Worts; und ist das nicht das Ende des Gehorsams und der Anfang des Hörens? Das Entscheidende an der Kritik des Weltbegriffs ist nicht, daß es eine Ära beendet, sondern daß es einen Spalt öffnet für den bis heute versäumten Anfang. Körper und Person: Wodurch unterscheidet sich die juristische Person von der Körperschaft des öffentlichen Rechts?
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17.5.1994
Die Logik der Scham, das Anderssein, der Weltbegriff und die Ausbildung und Entfaltung der Raumvorstellung (das Aufdecken der Blöße oder das Sklavenhaus Ägypten):
– Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht; da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
– (Sintflut, Arche) Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und die Knechtschaft (gehört die Ham/Kanaan-Geschichte zur Vorgeschichte der Kafkaschen Erzählung „Das Urteil“?).
– Erkenntnis der Nacktheit und Ursprung des Weltbegriffs: Scham als verinnerlichter Blick des Andern; in diesem Blick und als Inbegriff der Logik seiner Objektivation konstituiert sich der Weltbegriff.
– Der Raum als die zwangshafte Rekonstruktion des verinnerlichten Blicks des Andern; die kopernikanische Wende, die Vernichtung des Angesichts Gottes durch den „unendlichen Raum“ (Abwehr, Verdrängung des Angeblicktwerdens), Grund der kantischen Erkenntniskritik.
– „Kollektivscham“ als kollektive Isolationshaft, die Unfähigkeit zu trauern und die zweite Schuld; Kollektivscham und Xenophobie, Ausländerfeindschaft und neue Rechte. Der Begriff der Kollektivscham hat die Erinnerung mit der Welt versöhnt und somit zur Folgenlosigkeit verdammt (und dieses Land zum „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ gemacht).
– Das Fernsehen (die institutionelle Aufspaltung des Sehens durch Trennung des Sehens und Gesehenwerdens) oder die Blinden und die Lahmen (2 Sam 56ff, Mt 115).
– Die Logik der Scham und die Ausbildung und Entfaltung der Logik des Raumes.
– Ist die am zweiten Tag geschaffene Feste, die die oberen von den unteren Wassern (die Prophetie von der Philosophie) trennt, das kosmische Realsymbol der Scham?
– Scham und Verdinglichung, Ursprung der Exkulpationsmechanismen, Scham und Gewalt: Ist die Scham die Materie des Absoluten?
– Die Philosophie ist mit der Verinnerlichung des Schicksals entstanden (Ursprung des Begriffs), die mathematische Naturwissenschaft mit der der Scham (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, der Raumvorstellung).
– Scham und Schuldverschubsystem (Exkulpation durch Projektion: Prinzip der Anklage, Grund des Objektivationsprozesses), Ursprung des katholischen Mythos (der traditionellen Höllenlehre: stammt der Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel die Anschauung des Leidens der Verdammten dazugehört, den Nietzsche auf Thomas von Aquin zurückführt, nicht schon von Augustinus? Vgl. das Nietzsche-Zitat bei Jürgen Ebach: Apokalypse, in: Einwürfe 2, S. 45).
– Die Scham als gemeinsamer Grund des Mythos und der Kunst (der Ästhetik). Konstruktion der Farben (die Sintflut und der Bogen am Himmel).
– Sind die sekundären Sinnesqualitäten nicht stellvertretende Opfer für das eigentliche Opfer: die benennende Kraft der Sprache (der Logos), und liegt dem nicht die Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam (die säkularisierte Gestalt des Islam, mit der augustinischen „Wörtlichkeit“ als Vorstufe des Koran) zugrunde? – Wäre das Gehorsamsgebot nicht endlich beim richtigen Namen zu nennen: als Heiligung des Gottesnamens? Das Credo hat das Niederfahren Gottes beim Turmbau zu Babel zu einem Akt der Kirche gemacht: sie zieht ihn in ihre Verstrickungen (in die Verstrickungen der Bekenntnislogik, der Logik des Absoluten) mit herein. Ist nicht die Kirchengeschichte die endlose Ausdehnung der descensio ad inferos?
– Scham, Sexualität und Urteil (Begriff der Erbsünde). Als Urteilslogik ist die transzendentale Logik eine Logik der Scham (und bedarf zu ihrer Begründung der transzendentalen Ästhetik: der Logik der Abstraktion vom Gesehenwerden).
– Die Scham und die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (oder die Heiligung des Gottesnamens).
– Scham hat einen Adressaten, Scham ist Scham vor einem anderen: Mit dem Weltbegriff ist dieser Andere verinnerlicht worden. Gibt es Stufen der Scham (Entschlüsselung der sieben unreinen Geister)? Die Geschichte der drei Leugnungen ist in die Geschichte der Scham verstrickt.
– Die Kollektivscham und die Pforten der Hölle (oder Kollektivscham und Naturbegriff).
– Die Grenze zwischen Natur- und Weltbegriff ist eine Schamgrenze, starr und gleichsam orthogonal verbunden mit dem Ursprung und der Geschichte der Sexualmoral.
– Der Weltbegriff unterläuft die Herrschaftskritik und begründet die Sexualmoral durch Herstellung von Komplizenschaft (er unterwirft die Herrschaftskritik dem Schuldverschubsystem; die Theologie hat dieses Schuldverschubsystem im Dogma kanonisiert: mit der Opfertheologie und dem Konstrukt der „Entsühnung der Welt“, begründet in der falschen Übersetzung von Joh 129).
– Durch die Einbeziehung der Übernahme der Sünde der Welt ins Nachfolgegebot wird das „wörtliche“ Verständnis ins prophetische Verständnis transformiert (Wahrheit der Lehre von der Transsubstantiation), gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück (apokalyptische Enthüllung).
– Scham und Sprache: Sollte mit der Heiligung des Gottesnamens die Anonymität des Angeblicktwerdens aufgehoben (der Mensch in den Anblick Gottes gerückt) werden? Die Anonymität gründet in der Abstraktion der Form des Raumes (Zusammenhang mit der Geschichte der drei Leugnungen).
– Steckt im kantischen Begriff des Erhabenen die Erinnerung an den leeren Weltenraum, und gründet darin die Assoziation des „moralischen Gesetzes in mir“ mit dem „gestirnten Himmel über mir“?
– Die Scham, das Feigenblatt und der Rock aus Fellen.
– Wie hängt die Logik der Scham mit der des Feuers zusammen (auch die Scham brennt wie Feuer)? Gründet das Feuer im Namen des Himmels (und im brennenden Dornbusch: in der brennenden Innenerfahrung der Profangeschichte) in dem, was die Scham objektiv bezeichnet?
– Der brennende Dornbusch als brennende Innenerfahrung der Profangeschichte setzt die Gotteserkenntnis (die Selbstoffenbarung Gottes) in Beziehung zur Bewegung der Profangeschichte (vgl. Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragement: „Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reiches, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens“). Der brennende Dornbusch ist
– „Absolutum est prius relativo secundum esse, et est posterius secundum dici“ (Thomas von Aquin, S.Th. I 2, q. 16.4 ad 2). Der newtonsche „absolute Raum“ hat seine Wurzeln in der Scholastik; er findet seine Vollendung in der Hegelschen Idee des Absoluten.
– Die Verstrickung der Theologie in die Dialektik der Aufklärung ist symbolisiert in der Geschichte von den drei Leugnungen. Leugnet nicht die aus der Philosophie rezipierte Idee der Anschauung Gottes das Angesicht Gottes?
– Die subjektiven Formen der Anschauung entspringen in der (praktischen) Abstraktion vom Gesehenwerden, sie sind ein Produkt der Schamverarbeitung. Mit dem Ursprung der Naturwissenschaften wurde der Blick des andern tabuisiert, verdrängt, gelöscht; als Produkt projektiver Schuldverschiebung erscheint er dann wieder in dem bösen Blick, der den Hexen nachgesagt wurde: So gehört die Geschichte der Hexenverfolgung zur Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften. Der wirkliche böse Blick aber ist der, den die Naturwissenschaften auf die Dinge werfen; dieser Blick hat eine eingebaute Exkulpationsautomatik: es ist der Blick des Herrn (des Absoluten).
– Das „naturwissenschaftliche Weltbild“, die kopernikanische Wende als Katalysator des gesellschaftlichen Fortschritts, hat die (intellektuellen und moralischen) Hemmnisse beseitigt, die der „freien Entfaltung“ des Kapitalismus im Wege standen.
– Der Herrenblick oder das verinnerlichte Babylon und die projektive Verschiebung des „Grauens um und um“ (Jeremias). Gehört heute nicht die descensio ad inferos zu den Prämissen theologischer Erkenntnis?
– Ergänzung zum Stern der Erlösung: Die Philosophie verschweigt nicht nur den Tod, sondern seit ihrem Bündnis mit der Theologie hat sie ihn instrumentalisiert: War das nicht der Kelch (der Kelch der Opfertheologie), von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Mit der Instrumentalisierung des Kreuzestodes wurde die Strafe der Steinigung (zur subjektiven Form der äußeren Anschauung und zum Prinzip der Verdinglichung) vergeistigt (und der Feuertod zur Strafe für Juden, Ketzer und Hexen).
– Es genügt nicht, daß die Christen sich irgendwo im Stern der Erlösung wiederfinden, es käme darauf an, den Stern der Erlösung ins Christliche zu übersetzen (nach Walter Benjamin: die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern, nur daß Christen sie überhaupt erst auf die eigenen Schultern heben müssen).
– Merkwürdig, daß aus einem Buch, das die Lösung der sieben Siegel zum Gegenstand hat, ein „Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist.
– Der Name Gottes bildet sich in der Lösung der sieben Siegel, in der Lösung des Banns, den der Raum auf Mensch und Welt legt.
– Der Prototyp der neuen Gestalt der Religionskriege war der Weltanschauungskrieg der Nazis gegen Rußland, und der war schon ein Vernichtungskrieg („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“).
– Leben wir nicht heute nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Aber diese Kälte ist die des steinernen Herzens. Dagegen wäre der Satz zu setzen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249).
– Zum letzten Satz des Buches Jona: Wer rechts und links nicht mehr unterscheiden kann, unterscheidet sich nicht mehr vom Vieh (sh. Behemoth), das deshalb in die Buße Ninives ebenso wie in die Barmherzigkeit Gottes mit hereinzunehmen ist.
– Daß niemand das Licht unter den Scheffel stellt, stimmt nicht: Die moderne Aufklärung hat es getan, weil sie das Licht mit dem Scheffel verwechselte. So ist sie zum Scheffel über dem Licht geworden.
– Das Lachen instrumentalisiert die Scham, macht sie zur Waffe.
– Die Waffen der Schlange: ihr Blick und das Gift (gleicht sich die Sprache der Politiker nicht immer mehr dem Blick der Schlange an?).
– Zu Jes 271: Ist der Leviatan, „die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange“, Produkt der Mimesis an den Grund der Raumvorstellung (die erste Gestalt des „Korpuskel-Welle-Dualismus“, Reflex dessen, daß jede Gerade im Raum sowohl Trägheitsbahn als auch Rotationsachse ist – daß beide Bewegungen die Zukunft mit der Vergangenheit kurzschließen, indem sie die Gegenwart ausschließen: „Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und wird (wieder) heraufkommen aus der Unterwelt und geht hin ins Verderben“, Off 178)?
– Gibt es eine Beziehung der astrologischen Planetentheorie und der kirchlichen Sakramentenlehre zur Logik der Scham (Venus und Eucharistie)?
– Schicksal und Scham: Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs) mußte abgesichert und stabilisert werden durch den projektiven Namen der Barbaren; die Absicherung der Verinnerlichung der Scham (und des Ursprungs der Naturwissenschaften) erfolgte über den projektiven Namen der Wilden (war die kopernikanische Wende der Anfang eines kosmologischen Kolonialismus und die kantische Philosophie der Beginn des kritischen Selbstbewußtseins davon?).
– Hat die Scham mit der Eitelkeit zu tun, mit dem Nichtigen?
– Die gleiche Logik der Scham, die die Raumvorstellung konstituiert, liegt auch der Bekenntnislogik zugrunde (über die Logik der Scham hängt der Greuel der Verwüstung mit der Sünde Adams zusammen: der Greuel der Verwüstung ist aus der Sünde der Welt ableitbar).
Woher kommt konkret der Name Palästina, welchen historischen Weg hat er genommen? Wie lange hat es die Philister gegeben, wer waren ihre Nachfahren, und haben nicht die Römer dann das Land Israel Palästina genannt?
Wie wäre es mit dem schönen Titel: Ein Vorschlag zur Güte? -
26.3.1994
Im Angesicht und Von Angesicht zu Angesicht sind zu unterscheiden: Im Angesicht meint das Unter, eine Beziehung zum Oben, von Angesicht zu Angesicht meint das Vorn. Ist das Vorn nicht die Vollendung des Unter? Die Subsumtion unter die Vergangenheit bezeichnet das telos des Falls und den terminus a quo der Umkehr: – Hinter dem Rücken ist das Produkt der Subsumtion des Angesichts unter die Vergangenheit (Vorn – Hinten, Osten – Westen), – das strenge Gericht ist das Produkt der Subsumtion der Barmherzigkeit unter die Vergangenheit (Rechts – Links, Süden – Norden), – Herrschaft ist das Produkt der Subsumtion der Versöhnung unter die Vergangenheit (Oben – Unten). Die Naturgrenze ist die Todesgrenze: die Grenze zur Vergangenheit. Ist die Geschichte der drei Leugnungen die Voraussetzung für die Wiederkunft? Gehört nicht die Geschichte mit den Jüngern in Emmaus (und das „Mußte das nicht alles so geschehen“) ebenso zur Geschichte der Auferstehung wie die Geschichte der Maria Magdalena und das Apostolat? Die Jünger erkannten ihn dann am Brotbrechen. Ist die Zahl des Tieres (Apk 1318) – die Zahl des ersten Tieres (des Tieres aus dem Meer, „das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen“) oder – die Zahl des zweiten Tieres, des Tieres aus der Erde („es hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drachen“)? Die beiden Tiere treten auf, nachdem „der große Drache, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt, … auf die Erde (geworfen wurde)“ (129). In der Zusammenstellung: Stämme, Völker, Sprachen und Nationen scheinen die Sprachen die Grundlage zu sein, während die Stämme, Völker und Nationen Verkörperungen der Sprachen (die sich vielleicht sogar systematisch deduzieren lassen) sind: – die Stämme durch Genealogie, – die Völker durch die Stadt und das Königtum und – die Nationen durch den Staat, die Schrift, die Literatur? Auf den Sprachgrund des Ganzen verweist die Geschichte vom Turmbau zu Babel im Kontext der Beziehungen der Söhne des Noach (Sem, Japhet und Ham). (Leiten die Stämme und Völker mit indogermanischen Sprachen im Umkreis Israels, insbesondere die Hethiter und die Perser, sich wie die Griechen von Japhet, dessen Nachkommen „in den Zelten Sems“ wohnen, her? Hat der Name Sems etwas mit dem hebräischen Wort für den Namen, schem, zu tun, und was bedeuten dann die Namen Japhet und Ham?) Die Geschichte der drei Leugnungen endet mit dem Satz „und er ging hinaus und weinte bitterlich“. Ist die vorausgegangene Abfolge der Leugnungen ein Folge der Steigerung des Lachens? Und wenn bei Nietzsche der Tod Gottes in der „Fröhlichen Wissenschaft“ erstmals vorkommt, und Rosenzweigs Nietzsches Atheismus eine „Leugnung ins Angesicht Gottes“ nennt, gehört das nicht genau in diesen Zusammenhang? – Sind wir nicht nur ein Gelächter? Das Lachen ist der das Objekt konstituierende Begriff; erst die Reflexion, die Trauerarbeit und das Weinen, löst den Bann. Verhalten sich nicht Licht und Gravitation wie Innen und Außen? Und sind nicht die physikalischen Erhaltungssätze allesamt Systemfunktionen oder Existenzbedingungen des Inertialsystems, dem gesellschaftlich das Recht korrespondiert (Hinweis zum Begriff des Gesetzes)? Der Materie entspricht das Eigentum und die Person. Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie ein Sinnesimplikat der die Rechtslogik begründenden Allgemeinheit ist. Das Recht – gilt gegen alle, – es muß auf alle gleich angewandt werden (es ist den Reichen und den Armen gleichermaßen untersagt, unter den Seinebrücken zu nächtigen) und – es ist präjudizierend (jedes Urteil hat Auswirkungen auf alle nachfolgenden Urteile). So ließe sich das das Rechtssystem begründende Relativitätsprinzip formulieren (seine Homogenität und seine Geltung für alle Objekte, an allen Orten und zu jeder Zeit). Aber was entspricht dann dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Identität von schwerer und träger Masse? Zur typologischen Qualität der modernen Naturwissenschaften: Gehören nicht – das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Urknall und – der schwarze Körper und das schwarze Loch zusammen, und gehört nicht das eine zum Problem der Konstituierung des Raumes und das andere zum Problem des Begriffs der Materie? Wie wäre der erste Satz des Tractatus logico-philosophicus ins Griechische, Lateinische, Englische oder Französische zu übersetzen; klingen auch hier die Beziehungen zur Deklination, zur Gravitation wie auch zum Sündenfall mit an? Vgl. im Lateinischen: lapsus, casus, im Englischen: fall, case, matter. Rührt die Einsteinsche Erkenntnis der Identät von schwerer und träger Masse nicht an einen theologischen Sachverhalt? Die Form des Raumes als Form der Gleichzeitigkeit repräsentiert zugleich die dreifache Abbildung der Zeit auf die Dinge.
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20.03.94
Hat der Begriff der Stimmung bei Hegel (Enz. III, Zusatz zu 401, S. 107) nicht einen logischen Stellenwert, der genau dem der Verinnerlichung der Scham durch die Bekenntnislogik entspricht? Vgl. dazu Joachim Ritters Bemerkungen über die Stimmung in seinem Essay über das Lachen. Bezeichnet nicht die Stimmung das eigentlich Verdammte, das sich auf sich selbst beziehende Abgeschnittensein von der benennenden Kraft der Sprache. Nicht zufällig erinnert der Begriff der Stimmung an einen musikalischen Sachverhalt: So ließe sich die Musik als Ausbruchsversuch aus der Stummheit der Stimmung definieren (als der Versuch, ohne Angst zu leben, an dem die Stimmung verzweifelt ist, vor dem sie kapituliert hat: nur schlechte Musik versteht sich als Anpassung an die Stimmung oder gar als Erzeugung von Stimmung).
In welcher Beziehung stehen Scham (der Wunsch, im Boden zu versinken, den die Verdrängung dann glaubt erfüllen zu können) und Angst zueinander? Ist nicht die Stimmung die sich selbst übertäubende Angst (und Rock die ins Extrem getriebene Stimmungsmusik, deshalb bei Demos so beliebt)? Keine Stimmung ohne Wut.
Stimmung und Laune?
Wer die Dinge aufs Geld reduziert, leugnet das Licht und die Blumen.
Es gibt nicht nur eine hebräische Schrift, sondern die Schrift selber ist ein Hebraismus: In der griechischen Schrift wird die hebräische nur auf Links gewendet. Das war die Voraussetzung der Vokalisierung der Schrift (und der Sprache): Produkt der Verinnerlichung des Opfers (und dann der Scham), Grundlage des Weltbegriffs. Oder genauer: die Vokalisierung gründet in der Verinnerlichung des Opfers, während die Verinnerlichung der Scham (Grund und Folge der Schicksalsidee) Schrift und Sprache so umkehrt, daß Rechts und Links ununterscheidbar werden. Hier gehen ihnen die Augen auf, und sie erkennen, daß sie nackt sind: erst die Philosophie, die Erfindung des Begriffs, „öffnet die Augen“, macht das Sehen anstelle des Hörens zur Grundlage der Vernunft, die dann Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann.
Gehört nicht die Beziehung der pornokratischen zur pornographischen Phase der Kirchen- und Theologiegeschichte zur Ursprungsgeschichte des Herrendenkens? Ist nicht die Verwendung der Sexualmoral als Richtschnur des moralischen Urteils der Grund des Sexismus, gleichsam der patriarchalische (und d.h. ein apriorischer, transzendentallogischer) Kern der theologischen Tradition, der sich mit dem antijudaistischen aufs engste berührt.
Wenn Heidegger den Geburtsfehler der Philosophie (den Begriff des Seins) zu ihrem einzigen Inhalt gemacht hat, dann Hegel den der Theologie (den Begriff des Absoluten).
Wer über Gewalt bei Kindern und Jugendlichen redet, muß über die Verrohung der Sprache reden („Wir sagen heute nicht mehr anmutig, wir nennen das geil“). Das aber um keinen Preis denunziatorisch: Es muß hinzugefügt werden, daß diese Verrohung der Sprache eine Erfahrungsgrundlage hat, die sie geradezu erzwingt; sie ist der Versuch der Verarbeitung bestimmter Formen der Erfahrung. Haben nicht die Kinder und Jugendlichen heute große Probleme, das Erbe, das ihnen die Eltern hinterlassen (diese Welt), anzunehmen, sich darin wiederzufinden? Das In-der-Welt-Sein und die Geworfenheit entspricht einer Erfahrung der Generation Heideggers. Die jetzt heranwachsende Generation erfährt sich als von der Welt ausgeschlossen.
Aber es gibt nicht „die Welt“, zu der wir uns äußerlich verhalten (und die uns damit zugleich aus sich ausschließt), sondern die Äußerlichkeit der Welt ist etwas von uns Produziertes und von Generation zu Generation Vererbtes: sie ist ein Teil der Erbschuld, die die Welt verhext, Ausdruck der im Objektivierungsprozeß anwachsenden Macht der Vergangenheit über die Dinge (die in diesem Prozeß überhaupt erst zu Dingen geworden sind). Hier wird deutlich, daß (und weshalb) das Zentrum der Prophetie ihr Aktualitätskern ist, weshalb die Wahrheit einen Zeitkern hat.
Die Wahrheit ist nicht überzeitlich, sondern das Überzeitliche ist der Inbegriff und das Medium der Leugnung; die Geschichte der drei Leugnungen spielt sich in diesem Medium ab.
„Man gönnt sich ja sonst nichts“: Dieser Auto-Aufkleber steht in der Tradition der in der Nazizeit verbreiteten Klage, man habe nichts vom Leben gehabt. Das „man“ des ersten Satzes ist der Abkömmling des anonymisierten „Lebens“ im (früheren) zweiten Satz. -
01.03.94
Walter Benjamins Definition „Schicksal ist der Schuldzusammenhang des Lebendigen“ wirft auch ein Licht auf Joh 129. Der Weltbegriff ist aus dem des Schicksals hervorgegangen, er ist das Produkt der Vergegenständlichung dieses Schuldzusammenhangs: deshalb haben Tiere eine Welt. Es käme jedoch darauf an, den Bann des Schicksals, den Schuldzusammenhang, durch Reflexion zu brechen; nur durch „Übernahme der Schuld der Welt“, die dazu die Voraussetzung ist, ist die Welt zu humanisieren.
Charakter ist das Ensemble der Eigenschaften des verdinglichten Subjekts (weil Verdinglichung auf die Logik des Lachens zurückweist, ist der Charakter der erste Gegenstand der Komödie).
Das Lachen gehört zu den Konstuentien der Mathematik, des Ding- und des Weltbegriffs (nicht zu denen des Begriffs der Sache). Ist das Lachen (zusammen mit der Mathematik, dem Ding- und dem Weltbegriff: die Vorstellung einer namenlosen Sprache) Gegenstand der Theorie des Feuers? Der Name des Dings ist ein Deckname fürs unkenntlich gemachte Tier.
Positiv denken heißt sich mit der Rücksichtslosigkeit der gnadenlosen Welt (mit der Rücksichtslosigkeit der Dinge) gemein machen.
Der Weltbegriff bannt die Menschen in die Rolle des Zuschauers und des ohnmächtigen Objekts zugleich (das Fernsehen ist der institutionalisierte Hohn über die Zuschauer, die nicht mehr zu durchdringende Wand zwischen mir und den anderen: das kollektive Gefängnis, in dem alle Insassen und Aufseher zugleich sind); er ist die perfekte Absicherung und das perfekte Alibi fürs Nichthandeln. Durch die Logik der Welt wird das verdinglichte (das bloß zuschauende, von der sprachlich fundierten Gemeinschaft des Handelns abstrahierende) Bewußtsein selber zum Ding.
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