Nicht „Nach uns die Sintflut“, sondern „Nach uns der Urknall“ (der in der derzeitigen Entwicklung der Moral sich ausbildet und heranreift) bezeichnet den gegenwärtigen Weltzustand.
Zu dem Satz „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ gehört der andere: Juristische Personen können nicht festgenommen und nicht in Haft genommen werden.
Was haben juristische mit ästhetischen Personen gemeinsam (ein Beitrag zum Problem des Ursprungs des Objektbegriffs und zum Begriff der Ästhetik)? Juristische Personen sind Objekte im Geldraum; diesen aber gibt es, seit es Schulden gibt. Was war eher da: Schulden oder Privateigentum?
Oder: Institutionen sind Vorläufer und Entsprechungen des Inertialsystems.
Im Begriff des Scheins zitiert Hegel das Inertialsystem (gegen das er die List der Vernunft setzt), und mit diesem Begriff dringt die Ästhetik in Hegels Logik ein (Folge der Transposition der Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik).
Der Begriff einer unsterblichen Seele ist ein Produkt der Logik der Schrift und zugleich der reinste Ausdruck des Schreckens: Ursprung der Höllenvorstellung. Ist die Hölle nicht der Erbe der verdrängten und zugleich christlich verdinglichten „Unheilsprophetie“, und hat nicht der Antijudaismus im Bild des Juden seit je die arme Seele als Teufel angesehen?
Käme es nicht heute darauf an, den Begriff des Glaubens aufzulösen und den der Treue wiederzugewinnen: die Wahrheit aus der Theorie in die Praxis zurückzuholen?
Der Hinweis Emmanuel Levinas‘, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, wäre zu erweitern: Auch der Indikativ gewinnt durch seine Anwendung auf Gott imperativische Bedeutung und Funktion, und genau darin liegt das Verführungspotential einer Theologie hinter dem Rücken Gottes.
Ist nicht die Idee des Absoluten eine Vergegenständlichung des imperativen Charakters der Attribute Gottes (die so ihres Inhalts beraubt, formalisiert und für weltliche Herrschaftszwecke verfügbar gemacht werden); oder ist nicht die Idee des Absoluten die Vollendung dessen, was Paulus das Gesetz nennt?
Greuel am heiligen Ort: Der Grad der Vergesellschaftung von Herrschaft ist ein Maß für die Nähe des Gottesreichs.
Wie wäre es mit dem schönen Titel: Die Rückseite Gottes? Weder Angesicht, noch Name: Die Rückseite Gottes ist das Feuer.
Müßte nicht die raf die Sünde des Paulus zurücknehmen (verweist vielleicht der „Stachel im Fleisch“, von dem Paulus in 2 Kor 127 spricht, auf diese „Sünde“: seinen niemals öffentlich bekannten Anteil an dem Tod des Stephanus)? Und gründet nicht beides in der opfertheologischen Verarbeitung des Kreuzestodes (Grund jeglicher Apologetik)? Ist nicht das paulinische Bekenntnis, er habe vor seiner Bekehrung „die Kirche verfolgt“, zu abstrakt im Hinblick auf seine Rolle beim Tod des Stephanus; und ist dieses „Bekenntnis“ nicht das Modell der kirchlichen Apologetik im Anblick ihrer eigenen Vergangenheit?
Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres aus dem Meer etwas mit den sieben unreinen Geistern und den sieben Siegeln zu tun?
Was heißt „Roß und Reiter nennen“? Der Ausdruck ist gleichbedeutend mit dem Wort „die Dinge beim Namen nennen“. Hat das etwas mit dem „feurigen Wagen mit feurigen Rossen“ (2 Kön 211) und mit dem Schrei des Elisa „Wagen Israels und sein Reiter“ (ebd. 212) zu tun?
Levinas
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11.10.1994
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10.10.1994
Die Diskussion über den falschen Propheten gilt nicht dem Adressaten der Prophetie, sondern dem Propheten, der prophetischen Erkenntnis.
Nach Levinas ist die Versuchung der Versuchung das Wissen (die Philosophie). Alles Wissen gründet im Raum, und der Raum ist der Grund alles Versuchungen.
In der Unterscheidung zwischen vorn und hinten, im Angesicht und hinter dem Rücken, steckt der ganze Raum. Zu den Konstituentien des Hinter dem Rücken gehören sowohl die Rechts-Links- als auch die Oben-Unten-Beziehung. Deshalb ist die Umkehr mehr als nur die (räumliche) Umkehr, und deshalb hat der Begriff des Angesichts diese ungeheure Bedeutung. Mit der Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken hat das biblische Motiv der Lahmen und Blinden etwas zu tun, und das Wort vom Binden und Lösen.
„Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt“: Ich seh’s ein.
Ist nicht die gesamte Physik eine logische Entfaltung des Inertialsystems, mit zwei empirischen Elementen: Der Gravitation und dem Licht. Die Idee einer allgemeinen Feldtheorie ist logisch unmöglich, weil die Felder die sie zu vereinigen sucht, inkompatibel sind (wie die Oben-Unten- und die Rechts-Links-Beziehung: auf die erste bezieht sich das Gravitationsfeld, auf das zweite das elektromagnetische Feld; und beide, die Gravitations- und die Lichttheorie, dienen eigentlich nur der Absicherung des Inertialsystems: des Herrschaftssystems, beide sind Veranstaltungen zur Verhinderung der Einsicht, die das System auflösen/sprengen würde).
Zu einer Theorie des Lichts gehört das Wort aus dem Lied der Lieder: Stark wie der Tod ist die Liebe.
Kommt nicht der Titel „Lied der Lieder“ der Sache näher als „Hohelied der Liebe“: Das Lied der Lieder wäre in Beziehung zu setzen zur noesis noeseos; ließe sich daraus nicht eine Theorie der Musik entwickeln? Und verweist nicht das „Stark wie der Tod …“ auf die Erfüllung des Wortes?
Das Verhältnis von Liebe und Barmherzigkeit entspricht dem von Erotik und tätiger Hilfe. Läßt sich das Votum für die Armen und die Fremden in Kategorien der Erotik fassen, und stehen die Kategorien der Liebe nicht in der Gefahr, in den Bannkreis des Selbstmitleids, des Wunsches, geliebt zu werden, hineinzugeraten? In diesem Bankreis wird Herrschaftskritik zur Sexualmoral, Barmherzigkeit zur spiritualisierten Gnade. Angesichts des Meeres von Schuld ist es fast unmöglich, nicht dem Rechtfertigungszwang zu verfallen, aus dem das Selbstmitleid stammt, und der die Sensibilität, die Wahrnehmungsfähigkeit, von innen zerstört: der blind macht.
Ist nicht der gelegentliche Hinweis im Talmud, daß die Frucht des Baumes der Erkenntnis nicht der Apfel, sondern der Weizen sei, ein Anlaß, das Urschisma nochmals zu reflektieren: Steckt darin vielleicht ein Stück Gnosis-Kritik, und hat die christliche Tradition mit der Verwerfung der Gnosis nicht etwas zu viel verworfen? Wäre aus diesem Anlaß nicht überhaupt die gesamte Geschichte der Häresien einmal auf ihre Beziehung zum Schuldverschubsystem zu überprüfen?
Die erneute Reflexion der Häresien wäre der Versuch, die ungeheure Last der der Verdrängungen ins Bewußtsein zu heben, die zu den Ursprungsbedingungen des Objektbegriffs gehören (die Schwerkraft des Objektbegriffs begreifen).
Zum Verhältnis von Welt und Sprache: Der welthistorische Prozeß ist auch ein sprachgeschichtlicher Prozeß (ein Prozeß im Medium der Logik der Schrift).
Ist nicht auch das Buch Hiob ein Text der Selbstreflexion der Logik der Schrift? Das Theodizee-Problem löst sich nur mit der Auflösung dieses Problems: mit der Einsicht, daß es (wie die Judenfrage, die Seinsfrage u.ä.) gegenstandslos ist. Es löst sich mit dem radikalen Verzicht auf apologetisches Denken (nur die Hybris der Freunde Hiobs maßte sich an, Gott zu verteidigen).
Die Schrift trennt den Namen von der Person. -
9.10.1994
„Das Wesen der Sprache wäre demnach Verantwortung“ (Levinas, Vier Talmud-Lesungen, S. 40). Was heißt „Verantwortung“? Die beiden Bücher der Chronik gehören – wie Rut und Ester, Daniel, Esra und Nehmias – zu den „Schriftwerken“, während die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige zu den „Büchern der Geschichte“ gehören.
Die Medien sind zu Riten der Vereinigung mit der Welt geworden (insbesondere das Fernsehen; Computerspiele: Initiationsriten des Apparats). War nicht die unio mystica seit je ein Instrument der Säkularisation?
Rekonstruktion der Sprache aus ihrer Beziehung zum gesellschaftlichen Schuldzusammenhang? Ist es nicht die Sprache, die von der Last befreit, indem sie sie auf sich nimmt?
Die Verschiebung vom Nomen zum Substantiv, vom Namen zum „Hauptwort“, ist die letzte Konsequenz der Unterwerfung der Sprache unter die Logik der Schrift. Läßt sich hierauf nicht das „O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz bedeckt mit Hohn“ beziehen: Reflex der Verwandlung des Verbs ins Prädikat, in den Begriff? Und ist der bestimmte Artikel, der das Nomen zum Hauptwort macht, die Dornenkron‘, die das Substantiv zum Substantiv gemacht hat?
Pilatus: Die Ontologie ist der Statthalter des Inertialsystems in der Sprache.
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes macht nicht nur Ihn zum Autisten, sondern – durch das Gesetz, wonach alle Attribute Gottes Imperative sind – auch die Gläubigen. War das nicht der eigentliche Zweck der Sache?
Unter diesem Aspekt – daß die Attribute Gottes Imperative und keine harmlosen Indikative sind – die Trinitätslehre und die Opfertheologie untersuchen: Problem der Anwendung der Objektivationslogik auf Gott und ihrer Wirkungen. Hier bleibt einem das Wort von der „Rede von Gott“ (bei der Theologen wohl nur an die Predigt denken) nicht im Halse stecken?
Ist nicht der Weltbegriff, der zwangsläufig die Idee des Absoluten nach sich zieht, in sich selbst blasphemisch?
„Fremdwörter“: Ich vermute es gibt Leute, die Religion für ein deutsches Wort und Theologie für ein Fremdwort halten. (Aber ist nicht in der Tat Theologie nur innerhalb des Christentums, in der Religion des Logos, erlaubt und möglich?)
Ist nicht die Differenz zwischen der griechischen und lateinischen Theologie u.a. darin begründet, daß der Logos maskulin und das Verbum neutrum ist? Und spielt dieses Differenz nicht in die Beziehung von physis und natura, kosmos und mundus, mit herein? Das neutrale Verbum ist bereits Ausdruck der Einbeziehung des Logos ins imperiale Herrendenken. Der byzantinische Pomp ist eine Ersatzbildung für das fehlende logische Äquivalent des Herrendenkens in der Sprache, das erst im Lateinischen sich bildet.
Autonomie ist das Ziel, aber sie ist nur durch das Votum für die Armen und die Fremden hindurch zu gewinnen.
Bezeichnet nicht die List der Vernunft bei Hegel die Stelle, an der bei Carl Schmitt der dezisionistische Souveränitätsbegriff und bei Heidegger die Entschlossenheit und das Vorlaufen in den Tod steht? Ist nicht Hegels List der Vernunft ein Produkt der Instrumentalisierung der Umkehr? Die Unterscheidung von Begriff, Urteil und Schluß hat die drei Dimensionen des Raumes (ihre Anwendung auf die Sprache) zur Grundlage und gehört zu den Konstituentien des Objektbegriffs.
Schließt nicht die adamitische Benennung der Tiere die des Tierkreises mit ein? Und gehört die Geschichte der Astrologie zur Geschichte des Ursprungs der Schrift (und hängt sie zusammen mit der Bildung des Neutrum und dem Ursprung der indogermanischen Sprachen?
Was bedeutet es eigentlich für die logische Struktur des Staates, wenn es keine Alternative mehr gibt zur strafrechtlich abgesicherten Beschneidung der „Freiheit der Rede“ (Leugnung von Auschwitz)? Kann es überhaupt noch einen Staat geben, zu dessen Vergangenheit ein Verbrechen wie Auschwitz gehört? Welche Nachwirkungen hat dieses Verbrechen:
– für eine Justiz, die nicht fähig war, ihren eigenen Anteil daran aufzuarbeiten, die sich selbst zum Apparat: und damit für unzurechnungsfähig und im Entscheidenden für schuldunfähig erklärt hat,
– für eine Politik, die durch ihre eigenen Rechtfertigungszwänge sich gezwungen sieht, Entscheidungen, die sie nicht mehr zu fällen in der Lage ist, an die Justiz, die für ihre Entscheidungen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, zu delegieren?
Gibt es eine Beziehung (oder sogar eine funktionale Abhängigkeit) zwischen dem Wert der Lichtgeschwindigkeit und der Gravitationskonstanten? Und kann es sein, daß diese Beziehung zu den Gründen der Bewegungen des Himmels und der Sterne gehört?
Hinweis zur Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft: Der kopernikanischen Wende in den Naturwissenschaften ist die konstantinische Wende in der Theologie (der Rezeption des Weltbegriffs in der Theologie mit der Folge der trüben Vermischung von Gotteserkenntnis und Herrschaftsmetaphorik, insbesondere im Begriff des Absoluten) vorausgegangen. Die aufklärerische Bedeutung der Naturwissenschaften liegt darin, daß sie, indem sie die Herrschaftsmetaphorik in sich aufgesaugt hat, diese für theologische Zwecke unbrauchbar gemacht hat. -
6.10.1994
Heute auf der Buchmesse, ein schimpfender Mann: „Die Politik unserer Politiker ist im Eimer, die Kunst ist im Eimer, die Wissenschaft ist im Eimer. Aber was ist nicht im Eimer?“ Ich hatte die Antwort auf der Zunge, habe sie dann aber heruntergeschluckt: Der Eimer. – Aber hat der Mann nicht recht? Nur wäre zu fragen: Steht nicht der Eimer für die „subjektiven Formen der Anschauung“, für Raum und Zeit, und ist deren Symbol nicht der Kelch, und ist er damit nicht konkret reflexionsfähig geworden? Sind es nicht die subjektiven Formen der Anschauung, unter deren Apriori die benennende Kraft der Sprache ihren Gegenstand verliert, und alle Dinge (als „Inhalte“ von Raum und Zeit) in Erscheinungen (den „Inhalt“ des Eimers, des Kelchs) sich verwandeln?
Seit Kopernikus ist die Welt im Eimer.
Ist der „Inhalt“ des Kelches, und sind damit der Grund des Taumelns, der göttliche Zorn und die Unzucht nicht genauer bestimmbar; haben Taumeln, Zorn und Unzucht etwas mit den drei evangelischen Räten (der Armut, dem Hören und der Keuschheit) zu tun?
Wenn Emmanuel Levinas (Schwierige Freiheit, S. 261) den Unterschied zwischen Messianismus und zukünftiger Welt betont, verweist er damit nicht auf die Unterscheidung von Schrift und Wort? Und ist nicht die Logik der Schrift der Ursprungsort des „Kelches“, der „subjektiven Formen der Anschauung“? Löst sich nicht das Problem des Fundamentalismus durch die Unterscheidung von Schrift und Wort?
Kontrafaktische Urteils sind die Rache des objektivierenden Verfahrens in der Geschichtsschreibung (der Vergegenständlichung der Geschichte zur Geschichte durch die Geschichtsschreibung). -
4.10.1994
Übersehen wir nicht zu leicht, daß die Steigerung der Lebenserwartungen bei uns mit dem Kindersterben in der Dritten Welt zusammenhängt? Und sehen wir nicht allzu leicht davon ab, daß unsere Exportüberschüsse die Kehrseite der wachsenden Verschuldung der armen Länder sind? Sind die Banken nicht in der Tat zu hocheffektiven Verschuldungsmaschinen geworden? Wehe denen, die in ihre Mühlen hineingeraten.
Die Liebe unterscheidet sich von der Barmherzigkeit durch ihre Folgenlosigkeit.
Der Satz, daß Heidegger den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt gemacht hat, drückt einen allgemeinen Sachverhalt aus: Heute rücken fast alle gesellschaftlichen Prozesse und Entwicklungen in den Sog einer vergleichbaren Konstellation (von der Geschichte der Religionen über die der Banken, des Staats, des Privateigentums, der Sprache und der Schrift, bis hin zu den Naturwissenschaften). Das gilt für alle Emanationen der Herrschaftsgeschichte, als deren Innenseite die Geschichte der Verinnerlichung der Scham sich erweist.
Verweist nicht das Problem der Beziehung von Einzelnem und Allgemeinen, das am sprachlichen Verhältnis des Femininum zum Plural sich demonstrieren läßt, auf die Struktur und das Problem der Scham? Ist nicht die Scham (das Sich-durch-die-Augen-der-anderen-Sehen) die Grenze zwischen dem Im Angesicht und dem Hinter dem Rücken? Nacktheit ist die Überformung des Angesichts durch das Hinter dem Rücken (die Fotographie ist nackt). Hier gründet die Logik, die nach theologischer Tradition den Sündenfall mit dem Ursprung von Tod und Krankheit verbindet.
Aber ist die Scham nicht auch das Element, in dem der logische Zusammenhang von Sexualität und Politik gründet (als Urteilsmoral ist die Sexualmoral ein Bestandteil der autoritären Politik). Die Fähigkeit zur Reflexion der Scham ist die Bedingung der Möglichkeit von Sensibilität. Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Schamlosigkeit, der Grund des verdinglichenden Denkens, das apriori schamlos ist. Schamlosigkeit ist der Grund des Begriffs der trägen Masse (die „aufgedeckte Blöße“), und Schamlosigkeit macht blind und lahm.
Als das Christentum sich aus dem Bereich der prophetischen Herrschaftskritik herausgeschlichen hat, hat es die Erfüllung des Wortes mit der Erfüllung der Schrift (die Frucht des Feigenbaums mit dem Feigenblatt) verwechselt.
Die Instrumentalisierung des Kreuzestodes durch die Opfertheologie (und in seiner Folge die Verinnerlichung der Scham) ist der Quellpunkt der Geschichte der modernen Aufklärung. Durch diese Konstellation unterscheidet sich die moderne Aufklärung von ihrem griechischen Ursprung.
Die Differenz zwischen 666 und 618 ist 48 (4 x 12). Das Tier aus dem Wasser ist eine Emanation des Drachen, mit dem es die Zahl der Hörner und der Köpfe gemeinsam hat, während das Tier vom Lande, das zwei Hörner hat wie ein Lamm, aber redet wie ein Drache, aus der Differenz zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Wortes erwächst. Im Kontext der Logik der Schrift wird das homologein zum Bekenntnis (dem Emmanuel Levinas Schamlosigkeit attestiert), während es eigentlich die Erfüllung des Wortes (das „Bekenntnis des Namens“: die Nachfolge) meint. -
3.10.1994
Theologie beginnt, wenn endlich einmal nicht mehr die Substantive großgeschrieben werden, sondern allein der Gottesname: wenn Erkenntnis aus dem Bann der Verdinglichung heraustritt.
Das Substantiv ist eine Steigerung des Nominativ und setzt die Trennung des Nominativ vom Akkusativ voraus (wie sie im Deutschen nur dem Maskulinum, nicht jedoch dem Femininum, eignet, während die griechische und lateinische Sprache die Grenze zwischen Person und Sache legt (nur das Neutrum kennt die Identität von Akkusativ und Nominativ), in den anderen modernen Sprachen erstreckt sich die Neutralisierung des Nominativ, seine Angleichung an den Akkusativ, auf die gesamte Deklination.
Müßte man nicht in Anlehnung an die „Haupt- und Staatsaktionen“ (im barocken Trauerspiel) die Substantive (die ebenfalls dem Barock sich verdanken) Haupt- und Staatswörter nennen? Die Substantive sind Ausdruck einer Staatsmetaphysik, zu der auch der Titel des Staatsanwalts (dessen sprachlogischer Grund eine eigene Untersuchung verdiente) gehört.
Die „Schamlosigkeit der Glaubensbekenntnisse“ (Levinas: Schwierige Freiheit, S. 70) ist eine Konsequenz aus der Logik der Schrift – wie auch die Verinnerlichung der Scham, die zum Kontext des Ursprungs der modernen Naturwissenschaften gehört und den Konfessionalismus begründete: Sie ist Teil einer Phase der Geschichte der Logik der Schrift und gehört (wie der Kreuzestod und wie die Ärgernisse, die kommen müssen) zur „Erfüllung der Schrift“. Das letzte Produkt der Verinnerlichung der Scham (und der darin gründenden Schamlosigkeit) ist der Skinhead. Hier hat die verinnerlichte Scham das Subjekt ausgebrannt; dafür rächt es sich an den andern. Das Angeblicktwerden erinnert an die verdrängte Scham und ist deshalb unerträglich und Auslöser der Aggression.
„Herr der Himmelsheere“: Ist das nicht der Herr und Adressat der Engelschöre? Sind die Engelschöre die Himmelsheere?
Rührt der Name des Himmels nicht an das gleiche Problem, das im Deutschen im Verhältnis des Femininum zum Plural steckt: Die Deklination des bestimmten Artikels im Femininum singular ist identisch mit der allgemeinen Plural-Deklination. Ist hier nicht die Grenze, an der das Verhältnis von Einzelnem und Allgemeinem aus dem starren Subsumtionsverhältnis des Begriffs sich löst und in ein Umkehrverhältnis transformiert wird? Der Begriff der Materie verdankt sich der Abstraktion von diesem Umkehrverhältnis, dessen gegenständliches Korrelat die Feste des Himmels ist (deren Ausdruck ist das Gravitationsgesetz): Die Materie ist das gleichnamig gemachte Ungleichnamige.
Grenzen der Beweislogik, Zeuge und Zeugnis: Selbst die Gestalt des Märtyrers ist vor Mißbrauch nicht geschützt: Die „Heldenfriedhöfe“ machen von diesem Konstrukt Gebrauch, wenn sie den „Heldentod“ zum Zeugnis für die Wahrheit des Bekenntnisses zur Nation instrumentalisieren. Das war der Hintergrund und die Basis der faschistischen Parole „Blut und Boden“. Mit Hilfe dieses Konstruktus schirmt der Nationalismus gegen jede Kritik sich ab, wenn er auf den Tod und das Blut der Helden sich beruft. Das Blut der Helden heiligt den Boden, auf dem es vergossen wurde.
Vgl. hierzu
– den biblischen Satz von der Erde, die „der Schemel Seiner Füße“ ist,
– die Zerstörung dieses Satzes durch das Institut des Privateigentums, die den Boden zur Ware vergegenständlicht (Staat, Eroberung und Handel),
– die logische Sanktionierung dieses Vorgangs durch die naturwissenschaftliche Vergegenständlichung der Welt, durchs Inertialsystem.
Die Kopernikanische Wende hat durch Identifikation von Last und Joch im Begriff der Materie Gottes Thron und den Schemel Seiner Füße zerstört.
Grundsätzlich obliegt im Rechtsstreit die Beweispflicht der Anklage und nicht der Verteidigung; der Verteidigung obliegt sie nur aufgrund der gleichen Lücke in der Beweislogik, der auch das Faktum, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, sich verdankt. Auf dieser Grundlage wäre (gegen Carl Schmitt) nachzuweisen, daß wirkliche Souveränität im Gnadenrecht, nicht im Exekutionsrecht sich manifestiert.
„Ich werde euch den Beistand senden“: nicht zur Selbstverteidung, sondern zur Verteidigung der Barmherzigkeit, zur Verteidigung des Glücks, das der Erfüllung des tiefsten Wunschs der Menschen sich verdankt, endlich uneingeschränkt gut sein zu dürfen.
Wenn die Theologie hinter dem Rücken Gottes Gott autistisch macht, und wenn es stimmt, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, dann liegt die eigentliche Wirkung dieser Theologie darin, daß sie nicht Gott, sondern die Gläubigen zum Autismus verführt. Bezieht sich der Satz vom Binden und Lösen auf diesen Sachverhalt?
Die Philosophie wird zur monologischen Theorie dadurch, daß sie nur das Denken des Andern ins eigene Denken mit aufnimmt (durch die noesis noeseos, die sich bei Kant zur Erkenntniskritik entfaltet), nicht aber die Barmherzigkeit, das Votum für die Armen und die Fremden, die „Witwen und Waisen“. Das Denken des Denkens konstituiert sich im Verhältnis zur Natur, es verkörpert, vergegenständlicht, materialisiert sich im Weltbegriff (der die Barmherzigkeit a limine aus dem Begriff der Erkenntnis ausschließt). Es schlägt seine Wurzeln im Subjekt in den subjektiven Formen der Anschauung. Diese Wurzeln sind die Wurzeln des Baumes der Erkenntnis und das Instrument der Vergesellschaftung zugleich.
Emmanuel Levinas hat die These Hermann Cohens, wonach die Attribute Gottes keine Attribute des Seins, sondern des Handelns sind, verschärft: Ihm zufolge stehen die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ (Schwierige Freiheit). -
6.5.1994
… ut adnuntietur nomen meum in universa terra (Röm 917, vgl. Kurt Flasch: Logik des Schreckens): Das Universum war zunächst ein Adjektiv, auf den Namen der Erde bezogen. Ist die (matriarchale) universa terra (und erst in seiner Folge das patriarchale Universum, das den Himmel mit einbezieht und so das Universum zum All gemacht hat) eine Folge der Venus-Katastrophe? Ein zentraler Mangel der Analysen Flaschs ist selber christliches Erbteil, das in ihre Prämissen mit eingegangen ist, von dem sie nicht sich zu lösen vermochte: nämlich die Vorstellung, die Erlösung beziehe sich (als Rechtfertigung) nur auf die einzelnen Subjekte und lasse die Welt unberührt. Damit verbunden ist ein zweiter, ebenfalls aus der christlichen Tradition sich herleitender Mangel: daß die Kategorien, in denen er Gott vorstellt und begreift, politische Kategorien sind; er sieht Gott im Bilde des Monarchen. Beides sind Folgen des unreflektierten Weltbegriffs, unter dessen Herrschaft es zum Selbsterhaltungsprinzip keine Alternative mehr gibt, und dessen Ursprung auf den Monarchen und den Staat (die Verkörperungen des Absoluten) und nicht auf Gott (auf den Namen Gottes, der erst im Kontext der Weltkritik, der „Heiligung des Gottesnamens“, sich bildet) zurückweist. Kann es sein, daß der paulinisch-augustinische Begriff der justificatio erst nach der sprachgeschichtlichen Trennung von Ding und Sache und im Kontext der hier entsprungenen Bekenntnislogik zur Rechtfertigung geworden ist, daß er an Ort und Stelle mit „Gerechtmachung“ (ähnlich wie fides mit Treue, und nicht mit dem auf den Gegensatz zum Wissen fixierten „Glauben“) zu übersetzen wäre? Folgen des Weltbegriffs: – Ontologisierung des Selbsterhaltungsprinzips, des Staates und der Herrschaft, – Hermann Cohen, Franz Rosenzweig und Emanuel Levinas: . die Attribute Gottes sind Attribute des Handelns, nicht des Seins, . die Umkehr (als erkenntnistheoretische Kategorie), der Name (ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht (nicht die Seele und nicht die Person ist das Ebenbild Gottes), . Ethik als prima philosophia. – Ausschließung der Herrschaftskritik, Konstituierung der Sexualmoral (Trennung der Sexualmoral von der Herrschaftskritik), – Beziehung von Namen und Begriff, Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (Prophetie und Philosophie: Liquidierung des Aktualitätsbezugs der Prophetie durch das tode ti; vgl. hierzu Hegels Analyse des Hier und Jetzt), – Trennung von Natur und Welt, Konstituierung des Wissens, Subsumierung der Zukunft unter die Vergangenheit (Vorstellung einer homogenen Zeit), – Konstituierung der mathematischen Raumvorstellung, Ursprung des Naturbegriffs (von der Astronomie zum Inertialsystem), – zum Begriff der Erscheinungen: die Wahrheit liegt nicht „hinter“ den Erscheinungen, sondern bezieht sich durch Umkehr auf die Erscheinungen, – Inbegriff des Schuldverschubsystems (Ursprung des Neutrum, „indogermanische“ Rekonstruktion der flektierenden Sprache), – Ursprung des Weltbegriffs (Philosophie/Mythos, Staat/Recht, Zivilisationsschwelle, Barbaren/Hebräer): Tempel und Opfer, Privateigentum und Geldwirtschaft, Ursprung der Schrift, – Weltkritik als Herrschaftskritik und Erinnerungsarbeit: Sensibilisierung, – Apokalypse, die sieben Siegel (Maria Magdalena und sieben unreinen Geister), Welt und Tier (die zukünftige Vergangenheit und die vergangene Zukunft), der Menschensohn, – die drei Leugnungen, das Binden und das Lösen, – Kant, Hegel und der Weltbegriff (die subjektiven Formen der Anschauung und das Anderssein des Einen), – Theologie im Angesicht Gottes und hinter seinem Rücken, – der Deckel auf der Vergangenheit (Begründung des Wissens und der Natur) und die Idee der Auferstehung, – Welt und Sündenfall („die Welt ist alles, was der Fall ist“): Der Sündenfall ein Sprachproblem? – Joh 129 und Kants Definition des Weltbegriff, – Weltbegriff antisemitisch, paranoid und frauenfeindlich, oder der Weltbegriff und die Bekenntnislogik, – die Konstituierung der Bekenntnislogik als exkulpatorische Logik und die Begründung des Geschwätzes, – der Weltbegriff, das Weltgericht, oder das Jüngste Gericht als das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, – der Haß der Welt und die Idee des Parakleten, oder die Sünde wider den Heiligen Geist, – Verdinglichung und Instrumentalisierung, oder der Kreuzestod und die Opfertheologie, – Trauer- und Erinnerungsarbeit, oder Theologie nach dem Weltuntergang (Theologie und das descendit ad inferos, oder Auschwitz und die Naturwissenschaften), – „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“? – 1905, die Weltkriege, oder die Katastrophe der Marktwirtschaft, – Gunnar Heinsohn oder die Geschichte der Banken, – die Eucharistie und das Ding, oder die Geschichte der Theologie als Geschichte der drei Leugnungen, – Kanaan und die Philister: . der Exodus und die Landnahme sind gegen Kanaan gerichtet (Eroberung Kanaans), . die Begründung des Königtums erfolgt im Kampf gegen die Philister; aber das Königtum erliegt dann der kanaanäischen Verführung, – mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist in den neuen Erkenntnisbegriff und in die Konstituentien des Wissens ein projektives Moment mit eingegangen (Barbaren, Natur und Materie), – der Weltbegriff, die Unfähigkeit zur Sprachreflexion und der Fundamentalismus (das augustinische „ad litteram“ – Augustinus hat den Genesis-Kommentar nach 397 geschrieben – durch dieses „ad litteram“ wurde der prophetische Teil des Schöpfungsberichts neutralisiert, gelöscht, storniert, wurde er in die fundamentalistische Beziehung zur Natur gerückt), – Welt und Computersprache: cancle (löschen, beenden) und quit („quittieren“, Quittung), – mit der Lösung der Theologie aus den Verstrickungen des Weltbegriffs (den Verstrickungen des Andersseins) gewinnen auch die evangelischen Räte ihre wirkliche Bedeutung zurück: . aus dem Gehorsam wird das Hören, . aus der Keuschheit die Herrschafts- und Vergewaltigungskritik. Die Inquisition und der Terror, die Kurt Flasch zu Recht auf die augustinische Gnadenlehre zurückführt, sind Folgen der Verstrickung der Theologie in den Weltbegriff. Mit der dritten Leugnung wendet sich dieser Terror selbstzerstörerisch nach innen (der Greuel der Verwüstung). Hier verfängt sich die Kirche in der Logik ihrer Sexualmoral (es war die gleiche Logik, die Augustinus dazu gebracht hat, die Erbsünde in die concupiscentia zu verlegen (Ursprung des Biologismus und des Rassismus), anstatt sie in der Urteilslogik und im Weltbegriff zu erkennen). – Wird nicht das Wahrheitsmoment an der Trennung von Ding und Sache durch die Unterscheidung von Zorn und Wut ins Licht gerückt (im Kontext der alten res waren sie nicht unterscheidbar)? Hier (in dem Unvermögen, zwischen Wut und Zorn zu unterscheiden) liegt der Grund der augustinischen Verwirrung. Ist nicht das „Alles ist Wasser“ im „Satz des Thales“ (in der Erkenntnis der Orthogonalität) begründet? In der Tat „brütet der Geist über den Wassern“, aber am zweiten Schöpfungstag wurden diese Wasser durch die Feste des Himmels in die oberen und unteren Wasser geschieden. Ist diese Scheidung die Scheidung von oben und unten, und das als eine Trennung in den Wassern? Ist nicht das Wasser der Name, in dem die Trennung von oben und unten gründet, und ist das Wasser nicht deshalb in der Taufe das Symbol der Umkehr (während die Trennung von Licht und Finsternis der Trennung von vorn und hinten, dem Quellpunkt des Angesichts, zugrunde liegt; nur geht hier die „Finsternis über dem Abgrund“ dem Licht voraus)? Ist die Trennung von rechts und links die letzte: das Gericht (die Feuer der Hölle) und die Barmherzigkeit – Gegenstand einer Theorie des Feuers: – vorn/hinten: das Angesicht, – oben/unten: der Name, – rechts/links: das Feuer? Der Weltbegriff oder die Identifikation mit dem Blick von außen (Selbst- und Objektwahrnehmung durch den Blick von außen hindurch). Führt nicht das Konzept der „Umwertung der Werte“ zwangsläufig in die Konstrukte der Verzweiflung: in die Lehre vom Übermenschen und die Idee der ewigen Wiederkehr des Gleichen?
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12.4.1994
Der Weltbegriff bezeichnet eine Momentaufnahme im Säkularisationsprozeß. Er bestimmt zugleich die Logik, die den Säkularisationsprozeß beherrscht: den immer wieder vergeblichen Versuch, diese Momentaufnahme zu stabilisieren. Während in Israel Grund und Boden Eigentum JHWHs waren, waren sie in Kanaan Gegenstand privater Kaufverträge (Donner, Geschichte des Volkes Israel, S. 265). Hängt damit der Name Kanaan, der auch die Händler bezeichnet, und die kanaanäische „Religion“, das Urbild der Idolatrie (Ba’al, Moloch, die Ascheren, die „Unzucht“), zusammen? Ist insbesondere Ba’al ein Gott des Privateigentums an Grund und Boden? Ist der Name Kanaans ein Name eines Volkes oder eine soziologische Kategorie (die Volksnamen, die unter dem Namen Kanaans zusammengefaßt werden, legen die Vermutung nahe, daß Kanaan wie der Name der Hebräer eine primär soziologische Bedeutung hat)? Bei den Grundstückskäufen handelt es sich um – Abraham (Gen 23: Kauf des Grundstücks und der Höhle Makpela von dem Hittiter Ephron für das Grab der Sara), – Jakob (Gen 3319: Kauf eines Grundstücks bei Sichem von den Söhnen Hamors zur Errichtung eines Malsteins und eines Altars „El, Gott Israels“), – David (2 Sam 2418ff: Kauf der Tenne des Jebusiters Arawna zur Errichtung eines Altars, Grundstein des späteren Tempels), – Omri (2 Kön 1624: Kauf des Berges Samaria von Semer zum Bau der Stadt Samaria). Kann es sein, daß das Land Israel die religiöse Tradition (die „Sünde Jeroboams“), Juda hingegen die politischen Institutionen Kanaans (Jerusalem, das Stadtkönigtum) übernommen hat? Hat die Unterscheidung zwischen den „Zelten Israels“ und dem „Haus Juda“ (dem nomadischen Israel und dem urbanen Juda) damit zu tun? Es gibt die Häuser Isaak, Jakob, Ephraim, Levi, Juda, Saul, David, aber keine Häuser Manasse, Benjamin. Hängt die Unterscheidung von Zelt und Haus mit der des Himmels und der Sterne zusammen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Kapitalisierung des Bodens, dem Ursprung der Banken und der Schuldknechtschaft? Das „gezeugt, nicht erschaffen“ im Credo bezeichnet den Punkt der tiefsten Verzweiflung im Dogma, im Glauben. Genau daraus hat die Trinitätslehre das Moment der Redundanz, der Selbstreferenz, gewonnen, das die theologische Erkenntnis dem Wissen angleicht, es zu einem abgeschlossenen System verdinglicht und vergegenständlicht, den Inhalt zu einem vergangenen („immer schon seienden“) macht. Es ist das untrügliche Symptom der Ontologisierung der Theologie: Nur der Raum zeugt sich in der immergleichen Form seiner selbst fort, nicht Gott. Die kirchliche Sexualmoral ist ein Produkt der Anwendung des des Eigentumsprinzips (Kanaans) auf die Prophetie (Herausnahme der „Sexualität“ als Symbol der Urteils- und Herrschaftskritik aus der Prophetie). Wenn die Kanaaniter die Händler waren, wer waren dann die Amalekiter? Hat das Mehrwertparadigma, das im Tauschparadigma gründet, den Blick auf den Schuldzusammenhang verstellt? Welche Metalle wurden den Planeten zugeordnet: – das Gold der Sonne, – das Silber dem Mond, – das Eisen dem Mars, – das Quecksilber dem Merkur, – das Blei dem Saturn. Und Jupiter und Venus? Mathematik: Die Rekonstruktion der Finsternis über dem Abgrund. Zum fünften und sechsten Schöpfungstag: Nur die großen Seetiere, die Fische und die Vögel des Himmels sind von Gott erschaffen, die anderen Tiere hat die Erde hervorgebracht. Bezieht sich diese Unterscheidung auf die von Matriarchat und Patriarchat (und gründet hierin das nur auf Adam bezogene Staubsymbol und die auf Eva bezogen Feindschaft zur Schlange)? Die Kopenhagener Schule, die Anbetung des Staubs und die renovatio faciei terrae (die Rücknahme des Staubs). Die Jonas-Geschichte ist hegelianisch: die Geschichte des Absoluten und des Weltgerichts, zu der dann aber die Enttäuschung und der Ärger des Jonas über die Barmherzigkeit Gottes gehört. Wie paßt dazu die Tobias-Geschichte (mit dem Engel, dem Fisch, der Erlösung Saras und dem Untergang Ninives)? Ist die Buchstabenschrift ein Produkt der Herrschaft der Fläche, der Geometrie über die Sprache? Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, wer ist dann das Ohr (oder: wer sind dann die Lahmen)? Worauf bezieht sich die Orion-Geschichte (vgl. Donner, S. 75, Anm. 8)? Was hat es mit dem Hyrieus (Vater des Orion) auf sich? Franz Rosenzweig hat durch die Konstruktion des Stern der Erlösung (durch die Sprengung des All, das dreifache Nichts und die konstitutive Bedeutung des „und“) der unio mystica endgültig den Boden entzogen (vgl. auch Cohens Bemerkung, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, und Levinas‘ Hinweis auf die Ethik als prima philosophia: die unio mystica ist die Besiegelung der Kapitulation vor der Ontologie).
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30.3.1994
Die Kritik des Systems ist notwendig als Kritik der Verstrickung des eigenen Denkens ins System. Insbesondere die Totalitätsbegriffe zeigen systemische Züge.
Merkwürdige Geschichte: Der Begriff des Glaubens wurzelt im Begriff der Treue. Diese Treue ist zum Glauben erst unter der Herrschaft der Bekenntnislogik geworden. Erst die Nazis haben die Treue wiederentdeckt, aber als säkularisierte und personalisierte Treue (zu der sie übrigens im Systemzusammenhang von Glauben und Bekenntnis geworden ist).
Enthält nicht der Satz aus Benjamins Passagenwerk, daß es nichts Veralteteres gibt als die jüngstvergangene Mode, einen Hinweis auf das zentrale Problem der Erinnerungsarbeit: auf den Zusammenhang des Ältesten mit der Gegenwart? Ist die Vorstellung, daß die drei räumlichen Dimensionen im Hinblick auf ihre Beziehung zur Zeit äquivalent sind, nicht bloßer Schein? Wird sie nicht insbesondere durch die Schwere widerlegt?
„Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Was heißt das? Drücken sich darin nicht zwei verschiedene Formen des Besitzens aus (zwei Formen des Besitzens, die nur Gott zugesprochen werden dürfen)? Sind es diese Formen des Besitzens, die im Inertialsystem vergewaltigt und falsch identifiziert werden? Am Inertialsystem wäre zu demonstrieren, daß die Begriffe Wissen und Erkennen nicht deckungsgleich sind (daß es ein gegen das Erkennen sich sperrendes, widersetzendes Wissen gibt: Grund des Positivismus, das Problem der physikalischen Erkenntnis).
Joh 129, Maria Magdalena und die sieben Siegel, oder: die Kritik des Inertialsystems (Erkenntnis des Tieres: hier braucht es Weisheit und Verstand).
Ist eigentlich Joh 129 der einzige Bezugspunkt der Apokalypse im Johannes-Evangelium?
Ist die (von der in den anderen Sprachen abweichende) Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen die Besiegelung der Trennung von Ding und Sache, der vollständigen Verkehrung?
Gibt es eine Geschlechtszuordnung von Städten im Deutschen (die Anwendung des bestimmten Artikels auf die Städtenamen)? Der Gattungsbegriff Stadt ist feminin, aber die einzelnen Städte wie Köln, Berlin, Frankfurt u.ä. sind (wie die erste und zweite Person) geschlechtsunabhängig. Hat die Verschiebung der Deklination in den bestimmten Artikel (in dieses deiktische und substantialisierende Sprachelement) den Namen erst wieder freigesetzt, vom Begriff getrennt? Gilt das, was hier für die Stadtnamen gilt, nicht allgemein für Namen (auch die Namen von Ländern, Firmen, Betrieben, sofern sie nicht im Namen ein institutionelles oder ein dem äquivalentes begriffliches Element enthalten, wie die Post, die Bundesbahn, die AEG: Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft u.ä.). Namen von Bergen, Flüssen sind nicht geschlechtsneutral (Berge sind männlich, Flüsse: die westlichen sind maskulin, die östlichen feminin?). – Warum kann man „die Eintracht“, „die Borussia“, „der VfL“, aber nicht im gleichen Sinne (wenn man den Verein und nicht die Spieler meint) „die Bayern“ sagen (im Hinblick auf die Wortbedeutung „Eintracht“ oder „Verein“ oder auf die feminine Wortbildung „Borussia“)? Ist die Geschlechtsneutralität der Namen eine Folge dessen, daß in den indoeuropäischen Sprachen das Neutrum zu einem Geschlecht geworden ist? Zweite Neutralisierung: Parodie auf die Theologie des Namens? Umgekehrt: Ist das Neutrum ein Abkömmling des Namens (und die Materie der Schwamm, der die benennende Kraft der Sprache aufsaugt)?
Die Löschung des Namens und die Zerstörung des Angesichts gehören zusammen mit der an der Entflammung gehinderten Entzündung (Zusammenhang mit der Theorie des Feuers). Produkt der Entzündung, die nicht zum Feuer sich befreit, ist das Ich (die Identität, die Person). Ursprung dieser Entzündung ist die Urteilsform, der Schwelbrand ist der der Empörung. Ist nicht die Idee des Absoluten die Narbe an genau der Stelle, an der die benennende Kraft ausgebrannt (die Sprache gelöscht) wurde, die gleiche benennende Kraft, die im Namen Gottes gründet (und sich erfüllt). Hierauf bezieht sich das Wort vom Bekenntnis des Namens. – An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß der Tempel in Jerusalem nicht das Haus Gottes, sondern das seines Namens war.
Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name: Wurde nicht mit der Zerstörung der Himmel die Kraft des Namens, die benennende Kraft der Sprache gelöscht (und nur in dem Buch, zu dem die Himmel sich aufrollen, erinnert und aufbewahrt)? Wie ist die Heiligung des Gottesnamens noch möglich ohne die Restituierung des Anfangs der Schöpfung, ohne die Erinnerung der Himmel? – Ist der Singular Himmel nicht der Reflex und das Pendant der Idee des Absoluten in der Theologie (wurde der Plural nicht durch die Idee des Absoluten getilgt, und damit zugleich der Name gelöscht): Grund der Geschlechtsumwandlung von Sonne und Mond im Deutschen?
War nicht die newtonsche Sonne noch Ausdruck der regierenden (männlichen) Gewalt, und ist die Sonne nicht zum passiven (feminisierten) Objekt erst im Absolutismus: mit dem Übergang von Politik in Verwaltung (zusammen mit der Privatisierung und Vergesellschaftung von Herrschaft, der Verbürgerlichung des Königtums), geworden. Die Sonne wurde feminin und der Mond maskulin, als Herrschaft endgültig gegen die Religion sich verselbständigte, im Prinzip der Trennung der irdischen von der himmlischen Sphäre, im Mond, sich festmachte.
Hat nicht das Christentum den Sonntag zum Ruhetag gemacht, und d.h. nach dem griechischen Modell in der Idee des Absoluten (der noesis noeseos) die Identität von Herrschaft und Muße hergestellt, die dann in der subjektiven Form der äußeren Anschauung, im Raum (im Systemzentrum des Inertialsystems), sich vergegenständlichte. Erinnerung an China: Herrschaft durch Nichtstun. Dagegen steht die kräftige Erinnerung Hermann Cohens, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns und nicht des Seins sind, und Erinnerung von Immanuel Levinas daran, daß die Ethik und nicht die Ontologie die prima philosophia ist.
Der Himmel ist maskulin, und die Erde feminin. Das aber heißt, daß in der deutschen Sprache der Mond dem Himmel und die Sonne der Erde zugeordnet sind.
Hängt nicht die Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen mit der Bildung und Funktion der bestimmten Artikel zusammen?
Wie verhält es sich
a. mit den Planeten: hier scheint nur die Venus feminin zu sein, und
b. mit dem Gattungsbegriff Stern, der im Deutschen maskulin ist, und wie in den anderen Sprachen, insbesondere im Griechischen (astron n.) und Lateinischen (stella f.; sidus, -eris n.)?
Wie verhält sich das Ganze zum Sündenfall, nach welchem Adam dazu verurteilt wurde, den Staub zu produzieren, den die Schlange frißt (genauester Ausdruck der neutralisierenden Gewalt des Patriarchats, die am Ende auch das Neutrum selber ergreift: im Greuel am heiligen Ort)?
Der zum Nominativ (zur Bezeichnung des Substantivs) entmächtigte Name wird über den Neutralisierungsprozeß hinaus nochmals neutralisiert, und wird so zum Absoluten, zum schwarzen Loch, in dem der Name gelöscht wird.
Ist nicht der Greuel am heiligen Ort die letzte Steigerung der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, auf die am Ende des Jonasbuches hingewiesen wird. Produzenten des Greuels am heiligen Ort sind: das Inertialsystem, das Tauschprinzip (die Geldwirtschaft) und die Bekenntnislogik (Instrumentalisierung des Kreuzestodes: Inbegriff der Exkulpations- und Gemeinheitsautomatik).
Das Zeichen des Tieres an der Stirn und an der Hand: Ist das nicht der Hegelsche Begriff? In der Apokalypse nochmal genauer die Attribute des Drachen und der Tiere ansehen (Hörner, Köpfe, Kronen). -
3.3.1995
Ist nicht Gunnar Heinsohn Opfer seines eigenen historischen Objektivitätsbegriffs geworden? Seine These, daß Hitler die Judenvernichtung angeordnet habe, um mit den Juden die Erinnerung an das Tötungsverbot zu tilgen, ist von der Motivation her wahr; nur gilt diese Motivation für den Antisemitismus insgesamt, und Hitler unterscheidet sich von den Antisemiten sonst durch durch das Maß an Konsequenz, durch den pseudomessianischen Akt: Er legitimiert sich als Führer dadurch, daß er in vollem Bewußtsein der Konsequenzen die Verantwortung für diesen Antisemitismus übernimmt; er nimmt „die Sünde der Welt“ auf sich (er nimmt den Tätern die Schuld ab, in die er sie doch zugleich verstrickt). Es geht in der Tat nicht um die Juden; eine Erinnerung tilgt man nicht, indem man die Träger dieser Erinnerung vernichtet. Zur beabsichtigten Wirkung der „Endlösung“ gehört sowohl die Binnenwirkung der Komplizenschaft (der „Treue“: wer in diese Taten verstrickt ist, kommt davon nicht mehr los) als auch die Außenwirkung des Terrors („wat denn, icke mir uffhängen lassen, lieber gloob ick an’n Sieg“) mit dazu: die irrationale Kommunikation der Gewalt als Verdrängungshilfe, ohne die das Tötungsverbot nicht aufzuheben ist. Ohne den gesamtgesellschaftlichen Resonanzboden, der selber zu dechiffrieren wäre, allein durch den Rekurs auf die Absicht und den Willen Hitlers wäre diese Tat nicht möglich gewesen. Dieser „Resonanzboden“-Effekt hat am Ende des Krieges, als das Konstrukt in der Niederlage implodierte, den ungeheuren Rechtfertigungsdruck erzeugt, der die Nachkriegsgeschichte in Deutschland beherrscht (und alle Voraussetzungen des Wiederholungszwangs in sich birgt). Selbst der Erklärungsbedarf steht unter diesem Rechtfertigungszwang und müßte ihn in die Reflexion mit aufnehmen, wenn er wirklich zur Befreiung beitragen soll. Ich habe das Gefühl, daß die heinsohnsche Form der Verarbeitung des apokalyptischen Aspekts dieser Geschichte (Entschärfung der Apokalypse durch Neutralisierung, durch Reduktion auf die Erinnerung an eine längst vergangene Naturkatastrophe, als hätten wir nicht das Objekt für das Studium der Apokalypse in der jüngstvergangenen gesellschaftlichen Naturkatastrophe vor Augen).
Gunnar Heinsohn scheint alle bisherigen „Auschwitz-Theorien“ nur als Konkurrenz zum eigenen Konzept wahrzunehmen; und es gehört schon einiges dazu, allen bisherigen Reflexionen über Auschwitz (so u.a. den Studies in Prejudice, der Dialektik der Aufklärung, oder etwa dem Werk Hannah Arendts) bloß „Ratlosigkeit“ zu attestieren, um dann sein eigenes Werk als die gleichsam endgültige Lösung des Problems zu empfehlen. Wäre nicht eher von einer gemeinsamen Anstrengung zur Aufklärung des wahrhaft Unbegreiflichen ausgehen. Denn unbegreiflich bleibt diese Tat (wie auch die Welt, in der sie möglich war) für jeden, für den die Moral das sich von selbst Verstehende ist. Das Problem ist eher: Wie müßte die Welt aussehen, wenn man sie unter der Voraussetzung dieses Prinzips zu verstehen versucht; eine Welt, die dem Bann der Ontologie entronnen ist, und deren prima philosophia die Ethik wäre?
Durch seinen Beitrag zur Chronologie-Revision („Die Sumerer gab es nicht“), zur Ursprungsgeschichte des Geldes („Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft“), und jetzt zur Erforschung des Antisemitismus („Was ist Antisemitismus“ und „Warum Auschwitz“) hat Gunnar Heinsohn Wesentliches zur Selbstaufklärung der Gegenwart beigetragen. Kann es sein, daß es nur noch einer kleinen Korrektur seines Konzepts bedarf?
Zu Heinsohns Bemerkungen über den Totenkopf wäre an Benjamin zu erinnern, der im Totenkopf die Urallegorie erkannt hat. (Gibt es nicht Gesichter, in denen dieses leere Grinsen des Totenkopfs geronnen, als Charaktermaske eingezeichnet ist? Sind es nicht die „schneidigen“ Profile, die unter Offizieren verbreitet waren, und dann in der SS zum Züchtungsziel der nordischen Rasse geworden sind?)
Tucholskys Satz „Alle Soldaten sind Mörder“ ist zweifellos eine Übertreibung; aber gibt es nicht im Bereich des Soldatischen ein Magnetfeld, das seine Anziehungskräfte vor allem auf einen disziplinierten Mordtrieb ausübt, auf die, die zur Ausübung dieses Triebs die institutionelle Deckung (den „Befehl“) brauchen? Und ist es nicht gerade dieser disziplinierte Mordtrieb, der so empfindlich auf den Vorwurf in dem Satz Tucholskys reagiert?
Die Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung, die nicht zufällig mit der Astronomie beginnt (sowohl in der Antike, als auch in der modernen Welt), ist ein Teil des Gattungsprozesses der Menschheit.
Das Angesicht steht für die Fähigkeit, sich mit anderen zu identifizieren, für die Empathie und Barmherzigkeit, dafür daß niemand weiß, ob er selbst anders wäre als einer, den er zu verurteilen geneigt ist, wenn er ernsthaft in seine Situation sich hineinversetzt. So hängt das Angesicht mit Urteil zusammen: Es ist nicht nur die Tötungshemmung, die Emanuel Levinas in ihm erkennt, sondern vielmehr und vor allem eine Urteilshemmung, die zugleich deutlich macht, daß es eine Erkenntnis gibt, die den Rahmen des Urteils sprengt. Auf diesen Sachverhalt bezieht sich das Prophetenwort vom Rind und vom Esel: Diese Urteilshemmung macht die Unterscheidung von Last und Joch erfahrbar.
Die homousia ist das neutralisierte homologein, Produkt der Hellenisierung der Theologie, Anfang der Theologie hinter dem Rücken Gottes. Dieser Neutralisierung verdankt sich der Begriff des Bekenntnisses.
Gründet das Neutrum im Menschenopfer?
Waren nicht die Astrologie und die Alchimie gleichsam Häresien zu einer naturwissenschaftlichen Orthodoxie, die aus ihnen (durch symbolischen Elternmord) sich entwickelt hat? Wie alle Häresien sind sie nur verurteilt, verdrängt und verfolgt, nicht aber aufgearbeitet worden. Während die Astrologie gleichsam die politische Außenseite der Naturwissenschaft repräsentiert, repräsentiert die Alchimie ihre mystische Innenseite. Beide bezeichnen Knotenpunkte der Begriffsgeschichte von Schicksal und Scham.
Der Begriff der Kollektivscham hat den Rechtfertigungszwang, der im Kern der modernen Aufklärung enthalten ist, nur verstärkt, anstatt ihn zu reflektieren.
Der Objektbegriff ist der Pflug, vor den Rind und Esel gespannt sind.
Hodie, si vocem eius audieritis: Dieses Heute tritt ein, wenn der Bann der Natur gelöst ist (mit der Einung des Gottesnamens): Wenn aus den Blinden und Lahmen die, die tun und hören, geworden sind.
Definition der Kommunikationstheorie: Theorie der Signale, mit denen Isolationshäftlinge sich untereinander verständigen (oder auch, nur getrennt davon, ihre Wächter).
Dauer, Folge und Zugleichsein: Gründet nicht die Dauer in der Beziehung von Vorn und Hinten, die Folge in der von Rechts und Links und das Zugleichsein in dem von Oben und Unten (im Verhältnis der Fläche zu der zu ihr gehörenden Normalen)? Ist nicht die Orthogonalität zweier Geraden in einer Fläche zu unterscheiden von der Orthogonalität der Normalen zur Fläche? Kann es sein, daß diese beiden Formen der Orthogonalität sich zueinander verhalten wie die Orthodoxie des Symbolums zu dem der Konfession? -
23.02.94
Der moderne Existenzbegriff (wie auch die ontologische Mode) schneidet mit der logischen auch die Reflexion auf gesellschaftliche Vermittlung ab, in der sich das Zweideutige der logischen enthüllt: Gesellschaftliche Reflexion ist Schuldreflexion, die sowohl, wenn sie aus Exkulpationsgründen projektiv betrieben wird, der Selbstentlastung dienen, als auch, wenn sie die Schuldreflexion mit einschließt, auf Veränderung, Versöhnung abzielen kann. Fehler der logischen Reflexion ist es, daß sie diese Zweideutigkeit neutralisiert, beide Momente glaubt zusammenschließen zu können: Darin gründet die Idee des Absoluten, der Mythos der Logik. Ist die Logik das „zweischneidige Schwert“ (Ps 1496, Spr 54, Hebr 412, Offb 116, 212).
Der Existenzbegriff bei Kierkegaard ist nur ein schiefer Ausdruck für das, was Emanuel Levinas die Asymmetrie in der Beziehung des Ich zum Andern (zum Du) genannt hat.
Der Objektbegriff wird aus drei Quellen gespeist:
– aus der naturwissenschaftlich-technischen Vergegenständlichung der Dinge in Raum und Zeit (hic et nunc),
– aus dem unter den Bedingungen des Privateigentums, der Geldwirtschaft, des Tauschprinzips entspringenden Warencharakter der Dinge und
– aus der Bekenntnistheologie und ihrer opfertheologischen Zuspitzung zur Eucharistieverehrung.
Auch für den Objektbegriff gilt wie für die Eucharistie: Praestet fides supplementum, sensuum defectui (Thomas von Aquin: Pange, lingua, gloriosi). Ist das nicht ein Hinweis auf die Stellung der Sakramente zur Objektivität insgesamt:
– Die Taufe und das Wasser (das Wasser im Schöpfungsbericht, die Sintflut, Thales),
– die Buße, die Exkulpation und das Binden durch Lösen,
– die Eucharistie, das Opfer und das Ding (Trennung von Ding und Sache),
– die Firmung und das Selbst (Glaube, Bekenntnis und Autonomie),
– die Priesterweihe und die Instrumentalisierung der Versöhnung (Religion und Herrschaft),
– die Ehe, das Patriarchat, das Inzestverbot, der Staat und das Privateigentum,
– die letzte Ölung, der Messias und die sieben unreinen Geister (die Salbung Jesu durch die „große Sünderin“, Maria Magdalena, die Frauen beim Grabe und die erste Zeugin der Auferstehung)?
Ist die kirchliche Sakramentenlehre Produkt einer Umkehrung der Astrologie (Produkt der Verinnerlichung des Opfers und der Etablierung des Herrendenkens)? Wie hängen die Sakramente (von der Taufe über die Buße, die Eucharistie, die Firmung, die Priesterweihe und Ehe bis zur letzten Ölung) mit den Symbolen und Bedeutungen der Planeten (Sonne, Mond, Merkur, Mars, Jupiter, Venus und Saturn) zusammen?
Wer das Rätsel der Hegelschen Philosophie löst, löst den Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat (während Hegel ihn erneut geschürzt hat).
Ist nicht das Procedenti ab utroque (im Pange, lingua) der konkrete Einspruch gegen das ne-utrum, das Hegel in der Idee des Absoluten restituiert und vollendet hat? – Wenn das Ding die Ursprungsgestalt des Absoluten (der absoluten Neutralisierung) ist, dann ist der Heilige Geist (das verteidigende Denken) der konkrete Einspruch gegen die Verdinglichung (das richtende Denken). -
04.11.93
Jedes Machen zielt auf Verwendung, gehört zum Kontext der Instrumentalisierung. Nur die Schöpfung schafft Neues, ohne es zugleich der Vergangenheit zu opfern. Die Vorstellung, daß es die Natur schon richten wird, daß die kapitalistische Anarchie durch die Ordnungsfunktionen des Marktes sich bändigen lasse, bezeichnet diese Hölle.
Wie läßt sich das Nachfolgegebot mit einer autoritären Kirchenstruktur vereinbaren? Jesu Gehorsam war kein Kirchengehorsam.
Mit der theologischen Idee, daß Gott die Welt aus dem Nichts erschaffen hat, wurde der Himmel geleugnet und zugleich der Naturbegriff so tief verankert, daß er fast unkritisierbar geworden ist.
Das Antiweltliche Jesu drückt sich darin aus, daß er „zur Rechten des Vaters sitzt“: die göttliche Barmherzigkeit repräsentiert, die der Weltbegriff aus der Erde vertrieben hat. Deshalb: „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“.
Die vollendete Unbarmherzigkeit ist mehr als unbarmherzig: die vollendete Mordlust. Es gibt keine resurrectio naturae, nur eine renovatio faciei terrae.
Die eudaimonia ist eine daimonia, deren Kehrseite verdrängt wurde. Merkwürdig: In der eudaimonia und im euangelion steckt das „oi“? Wie verhalten sich eudamonia und euangelion: wie die Dämonenlehre zur Engellehre?
Enthält nicht die Bemerkung von Emmanuel Levinas über die Bedeutung des hebräischen Wortes chacham (der Weise) und seine Anwendung auf die griechischen Philosophen einen Hinweis auf die Unterscheidung von Weiheit und Einsicht in der Schrift? Und hat diese Unterscheidung etwas zu tun mit der der Klugheit der Schlangen und der Arglosigkeit der Tauben? Gehört die Arglosigkeit zur Einsicht (zum Grund der benennenden Kraft der Sprache)? (Vgl. Vier Taulmud-Lesungen, S. 15)
Levinas, S. 29: „… alles, was im Judentum über Gott ausgesagt wird, (hat) durch die menschliche Praxis Bedeutung.“ (Vgl. hierzu Hermann Cohen, der darauf hinweist, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins, sind.) Darin gründet die Lehre von den Namen Gottes (und das Konzept der Heiligung des Gottesnamens). Deshalb ist die Instrumentalisierung des Namens der Tod der Theologie (zur Genesis des steinernen Herzens).
Wer unterstellt, daß die Andern sich nicht ändern, gibt damit zu erkennen, daß er selbst sich nicht ändern wird. Er verwandelt das, was ist, in Natur, die sich ebenso wenig wie die Vergangenheit ändern läßt: Die Lehre von der Sündenvergebung ist ohne Natur-Kritik und ohne die Idee der Auferstehung nicht zu halten. (Mit der Verwerfung der Idee, daß die richtige Gesellschaft auch die Natur ergreift, hat Habermas die Idee der Versöhnung verworfen.)
Zu Gen 127: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er sie.“ Ist das dritte „schuf“ das Resume der beiden ersten (hängt die Geschlechtsdifferenz mit der Differenz zwischen dem Possessivpronomen und der Genitivbildung zusammen)?
Jonas im Bauch des Fisches: Hat Jesus deshalb Fischer als Jünger erwählt? Aber erst Tobias fängt mit Hilfe des Gabriel den Fisch, aus dem er die Mittel gewinnt, mit denen er Sara aus der Gewalt des Asmodai befreit und den Vater von seiner Blindheit heilt.
Hängen die Sara und der Asmodai zusammen mit der neutestamentlichen Geschichte von Maria Magdalena und den sieben unreinen Geistern (ist der Asmodai der eine unreine Geist, der in die Wüste ging)?
Ninive und Babel: Ninive ist die große Stadt, gegründet von Nimrod, dem großen Jäger vor dem Herrn, der selbst aus Babel kam; Babel beginnt mit dem Turmbau und der Verwirrung der Sprachen. Ninive (Assur) zerstört Israel, Babel Juda und Jerusalem; Israels Stämme sind verloren, Juda kehrt aus der babylonischen Gefangenschaft zurück.
Wenn Franz Rosenzweig dem paulinischen Satz, wonach Gott am Ende alles in allem sein wird, den prophetischen Satz entgegenstellt, daß der Herr einzig sein wird und sein Name einzig (Sach 149), vergißt oder übersieht er dann nicht die logische Äquivalenz von Einzelnem und Allgemeinem?
Ist nicht der Kampf gegen die Abtreibung ein mißverstandener Kampf für die Barmherzigkeit, deren hebräischer Name mit dem der Gebärmutter zusammenhängt?
Hat das kreisende Flammenschwert etwas mit dem Logos (dem zweischneidigen Schwert aus dem Munde des Menschensohns) zu tun?
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