Worauf Heinsohn/Steiger überhaupt nicht eingehen, das ist die staatliche Begründung und Organisation des Eigentums, der Zusammenhang des Ursprungs des Eigentums mit dem des Staats.
Der Eigentümer, der nur noch an der „Verteidigung des Eigentums“ interessiert ist, instrumentalisiert die Welt, die nur so zur „Welt“ wird. In diesem Kontext der entspringt der Naturbegriff: als Inbegriff der Objektseite der Welt, des besiegten und unterworfenen Feindes.
Ist die Miete nicht die Umkehrung des im Schuldverhältnis gründenden Zinses: Der Eigentümer verzichtet nicht auf seine Eigentumsrechte (wie bei der Beleihung im Falle eines Kredits), sondern auf seine Nutzungsrechte. Befristet übertragen wird nicht ein Eigentumsanrecht, sondern werden die Besitzrechte. Die Miete (wie auch die Pacht) ist der Zins für die Nutzung fremden Eigentums.
Sind Eigentum und Besitz nicht Begriffe, die sich nicht abstrakt nur trennen lassen, die sich vielmehr in einander reflektieren (wie Zins und Miete)?
Wie harmlos, oder wie idyllisch und katastrophisch zugleich wird es, wenn Heinsohn und Steiger auf das Problem der Beziehung von Tausch- und Gebrauchswert zu sprechen kommen. Hier bleibt der Gebrauchswert im Bann des Tauschwerts, alles andere wird ausgeblendet. Der Markt (die in Geld sich definierende Nachfrage, nicht die Lebensbedürfnisse der Menschen) entscheidet darüber, ob ein Gebrauchswert ein Tauschwert ist. Die Verteidiger des Eigentums sind an den Nebenwirkungen des Eigentums nicht interessiert.
Heinsohn hat insoweit recht, als das Tauschparadigma in Herrschaftskritik terminiert; und indem er das Tauschparadigma „widerlegt“, glaubt er auch das Herrschaftsproblem (zwar nicht gelöst, wohl aber) beseitigt, aus dem Blick gerückt zu haben. Man sieht’s nicht mehr. Ist hier nicht der Punkt, an dem der Objektivierungsprozeß umschlägt in den Prozeß der Subjektivierung von Kritik zur bloßen Meinung? – Implizit ist damit auch (wie vorher schon für die Naturwissenschaft, so in ihrer Folge auch für die Philosophie) Kant erledigt, die Erinnerung an seine Vernunftkritik gelöscht.
Das Problem der Herrschaftskritik ist durchs Eigentumsparadigma nicht erledigt, nur auf seine Wurzel zurückgeführt: Eigentum ist der Naturgrund der Herrschaft.
Wodurch unterscheidet sich im Kontext der Eigentumslogik die Geschäftsführung von der Lohnarbeit? Gründet die Geschäftsführung, das Management, in einem Mietverhältnis (in dem Nutzungsrechte an Sachen delegiert, und nicht – wie im Fall der Lohnarbeit – Nutzungsrechte an der eigenen Person übertragen werden)? (noch nicht klar)
Hängt die Unterscheidung von Eigentum und Besitz mit der von Welt und Natur (Begriff und Objekt, Tausch- und Gebrauchswert) zusammen? Ist die Ursprungsstunde des Eigentums die des Begriffs (des „Seins“)? Ist die Ontologie der „innere Begriff“ des Eigentums, die Idee einer „Eigentumswirtschaft“ gleichsam die Fundamentalontologie der politischen Ökonomie: wird hier nicht das Possessivpronomen der männlichen dritten Person („sein“) zur Kopula (die Unterscheidung von Eigentum und Besitz spiegelt sich bei Heidegger in der von Vorhandenem und Zuhandenem, aber auch in der von Eigentlichem und Uneigentlichem)?
Ist nicht der letzte Satz in dem letzten der „idealtypischen Kernsätze“ zur Eigentumswirtschaft ebenso dunkel wie erschreckend, wonach es „eine Politik (braucht), deren Radikalität den historischen Sternstunden (sic!) der Schaffung von Eigentum nicht nachsteht“ (Heinsohn/Steiger, S. 445)? Wenn Heinsohn von „Sternstunden“ spricht, liegt die Assoziation der „Venuskatastrophe“ nahe. Paßt nicht überhaupt der Konkretismus seiner Theorie der altorientalischen Geschichte zu seiner „Eigentumstheorie“? Auch diese Theorie ist zwar nicht dunkel, sondern außerordentlich stringent, darum aber in der Sache nicht weniger erschreckend; nur scheint er nicht zu realisieren, auf was das, was er beschreibt, hinausläuft. In seiner Rekonstruktion der alten Geschichte projiziert er eine gesellschaftliche Naturkatastrophe an den Himmel.
Will Heinsohn mit dem oben zitierten Satz andeuten, daß die Radikalität der Politik, die notwendig wäre, Opfer fordern wird, die den Opfern der Ursprungsgeschichte des Eigentums nicht nachstehen? Hat das nicht etwas mit dem Glück des Wissens, des Rechtbehaltens zu tun, das seinen Bestand am Untergang derer, die dieses Wissen nicht teilen wollen, findet? Und ist das nicht heute eine der gefährlichsten Verführungen? Wenn das Buch Jona nur diese Verführung kenntlich gemacht hat, so ist damit seine Aufnahme in den Kanon der prophetischen Bücher gerechtfertigt.
Die sieben unreinen Geister sind gegenüber dem einen Geist die sieben anderen Geister (in dem letzten Satz S. 445 sucht der eine unreine Geist die sieben anderen: hier wird’s astrologisch).
Bezeichnend die Neigung Heinsohns zu monokausalen Ableitungen, zur Eindimensionalität, die zwar den Nerv trifft, nicht aber die Wahrheit. Das gilt sowohl für die „Venus-Katastrophe“, wie auch für seine Antisemitismus- und Auschwitz-Theorie und nicht zuletzt für diese Eigentumstheorie. Manche Passagen bei Heinsohn erinnern an das Halali nach einer erfolgreichen Jagd; ähnlich führt er die erlegte Beute vor, die als dunkler Hintergrund sein eigenes, siegendes Konzept nur umso strahlender aufleuchten läßt. Nur: Ist er sicher, daß er nicht gelegentlich auch Treiber und harmlose Spaziergänger mit erlegt? Auch Nimrod, der Erbauer der „großen Stadt“ war ein „gewaltiger Jäger vor dem Herrn“.
Gibt es nicht neben dem „monetären“ und den „realen Schocks“ (vgl. S. 387f) noch den Theorie-Schock, vor dem er selbst zurückschreckt? Ist der Fehler Heinsohns (und nicht nur Heinsohns) nicht ein ausgesprochener Theorie-Fehler, nämlich der des Zuschauers, der vergißt, daß er selber in die Vorgänge, denen er glaubt entspannt zuschauen zu können, verstrickt ist?
Wäre nicht Kants Begriff der Aufklärung, das Heraustreten aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, heute zu verschärfen: nämlich in das Ziel der Selbstbefreiung aus dem selbstverschuldeten Wahn? Und liefert dazu nicht die Heinsohnsche „Eigentumsgesellschaft“ wichtiges Anschauungsmaterial? Bezeichnet nicht der Eigentumsbegriff die Wurzel (wie der Herrschaft, so auch) des Wahns, aber eine objektive, existierende, nicht eine, die durch einen Gesinnungswechsel oder einen Wechsel der Anschauungen zu eliminieren wäre? Ein Beleg für den Satz, daß, wer das Unkraut vor der Zeit ausreißt, den Weizen mit ausreißt? Ist das Eigentum ein Oberbegriff für Weizen und Unkraut zugleich?
Ist der Eigentumsbegriff nicht eine Erläuterung zu jener Definition der Welt, die Wittgenstein zufolge alles ist, was der Fall ist? Und verweist auf die Eigentumsverführung vielleicht die eine der Verführungen Jesu in der Wüste, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen?
Verkörpert der Prophet Hananja, der sich Jeremias entgegenstellte, nicht das hellenistische Element in der jüdischen Tradition, wenn er gegen Jeremias glaubte, das babylonische Joch, das ein eisernes war, kein hölzernes, zerbrechen zu können? Dieses Zerbrechen des Jochs war das Werk der Philosophie, Symbol der individuellen Befreiung in einer unbefreiten Welt, es war Schein.
Sind die Propheten nicht auch nach ihrem Namen zu unterscheiden: die, deren Name auf -ja endet (wie Jeremia, Sacharja u.ä.), von denen, deren Name auf -el endet (wie Ezechiel, Daniel und Joel)? Hat diese Unterscheidung etwas mit Babylon, mit dem Ursprung des Weltbegriffs, mit der Ursprungsgeschichte der Apokalypse zu tun?
Übertragen auf die Naturwissenschaften würde das Heinsohnsche Eigentums-Konzept auf die Forderung hinauslaufen, das Trägheitsgesetz (die Mechanik) aus der Gravitation abzuleiten, während genau hier der Akt der Umkehr sich bestimmen ließe: Abzuleiten wäre die Mikrophysik aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
Das Eigentumsprinzip benennt das Prinzip, aus dem in der Ökonomie der Vorrang der Vergangenheit herrührt; das Eigentum ist ebenso unaufhebbar wie die Vergangenheit (und wie die Natur). Das Konzept der Venus-Katastrophe ersetzt und verhindert die Suche nach dem gemeinsamen Ursprung von Astronomie und Staat und nach der gemeinsamen Logik beider, es setzt sie nur voraus. An die Stelle historischer Konkretion tritt der Konkretismus einer Naturkatastrophe, der den geschichtlichen Schuldzusammenhang ausblendet, ins Irrationale verschiebt.
Griechenland und Rom: Alexander war ein Schüler des Aristoteles. In Rom waren die Philosophen Schüler der Caesaren. In dieser Konstellation gründet das christliche Dogma, so ist es zu einer Station (oder auch Durchgangsphase) in der Geschichte der Philosophie geworden. Der letzte Philosoph der römischen Geschichte war Augustinus, der in seinem Namen als Kaiser-Schüler sich bekannte.
Eigentum, das aus dem Verwertungsprozeß, dem ökonomischen Prozeß herausfällt, ist Abfall oder herrenloses Gut. Ist das nicht eine reale Erfahrung in weiten Teilen der heute nachwachsenden Generation? Und sind nicht zentrale Erscheinungsformen in der Jugendszene, von der Musik über die Frisur bis zur Kleidung, Ausdruck dieser Erfahrung (zur Punk-Szene gehört die obligatorische Ratte, das Abfall-Tier).
Die Eigentumstheorie ist eine Exkulpationstheorie, die Materialisierung der Befreiung vom Rechtfertigungszwang, in den sie zugleich alle verstrickt. Die Schuld wird unsichtbar, wenn sie zum Absoluten wird.
Lohnarbeit
-
8.7.96
-
3.7.96
Gegen den 68er Bruch: Der Faschismus war keine Naturkatastrophe, und das Horkheimer-Wort, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen dürfe, wird heute durch Umkehrung wahr: Vom Kapitalismus darf nicht reden, wer vom Faschismus schweigt.
Die 68er Bewegung hat den faschistischen Zivilisationsbruch als Kulturbruch ratifiziert. Mit der Beziehung zum (weiterhin realen) Staat hat sich auch die Beziehung zur Sexualität, das Verhältnis von Eigentum und Besitz, verändert. Die traditionelle Sexualmoral war Ausdruck der am Eigentumsbegriff sich orientierenden Beziehung der Person zu sich selbst. Ist nicht an die Stelle der Eigentumsbeziehung (deren Respektierung die Sexualmoral leisten sollte) das Besitzverhältnis (an die Stelle des Respekts vor dem Andern die Freiheit der Güternutzung) getreten? Gibt es (nach der Globalisierung des Marktes und der Verrottung des Staates) überhaupt noch „Eigentum“? Ist sein Verschwinden nicht am Verschwinden des Tabus auf der Sexualität (mit den Folgen, die das insbesondere für den weiblichen Teil der Gesellschaft hatte) ablesbar?
Das Privateigentum konstituiert die Privatsphäre (den idiotes).
Rühren die Probleme der Theorien Heinsohns nicht daher, daß er einem Theorie- und Objektivitätsmodell sich verpflichtet fühlt, daß aus der Physik stammt? Die vermittelnde Kategorie scheint der Eigentumsbegriff zu sein, der in der Tat einmal den Naturbegriff konstituiert hat: Der Eigentumsbegriff verhält sich zur Geldwirtschaft wie die träge Masse zur Physik insgesamt.
Die begriffliche Trennung von Eigentum und Besitz, die mit der von Tausch- und Gebrauchswert zusammenhängt, determiniert die Widersprüche, die Heinsohns Konzept durchziehen (vgl. z.B. S. 129 und 137 zum Verhältnis der Volkswirtschaftslehre zur Geschichte).
Wenn Heinsohn die Geschichte sowohl braucht als auch abwehrt, so drückt sich darin genau die Ambivalenz seiner Theorie aus: Er braucht die Geschichte als Mittel zur Erkenntnis der Logik der Ökonomie, er muß sie abwehren, weil sie diese Logik zugleich zum Sprechen zu bringen droht.
Besitz ist eine Gebrauchskategorie, Eigentum eine Geldkategorie (vgl. Heideggers Unterscheidung des Zuhandenen vom Vorhandenen). Hat nicht Polyani den Ursprung der Eigentumsgesellschaft sehr viel genauer beschrieben, nämlich anhand der Übertragung der Wareneigenschaften auf Grund und Boden (Eigentum), auf die Arbeit (Lohnarbeit) und aufs Geld (Banken)? Heinsohn selber verweist darauf, daß die Lohnarbeit erst in der modernen Entwicklung hinzukommt; verweist das nicht auf eine qualitative Differenz auch beim „Eigentum“ und beim Geld (doppelte Buchführung)?
Der philosophische Reflex des Eigentumsbegriffs ist der Begriff der Substanz (der mit dem Begriff des Substantivs das Verständnis der Grammatik und der Sprache verändert hat, der das Nomen gelöscht und die Sprache zu einem Mittel der Information gemacht hat).
Das Substantiv ist eine Fortbildung des Begriffs der Substanz. Drückt nicht im Begriff des Substantivs eine qualitative Veränderung im Eigentumsbegriff sich aus?
Der Konkretismus Heinsohns manifestiert sich nicht nur in der Theorie der Venus-Katastrophe (in der Ersetzung der gesellschaftlichen Naturkatastrophe durch eine reale kosmische Katastrophe), sondern auch in seinem Eigentumsbegriff, der ihm zu einem festen Grundlagenbegriff wird, und an dem er den historischen Prozeß, dem er entspringt und in dem er sich verändert, nicht wahrnimmt. Die Trennung von Eigentum und Besitz manifestiert sich in den Änderungen der ökonomischen Gesellschaftformen, in der Übertragung der Geschäftsführung an ein Management und im Ursprung und in der Entfaltung und Ausdifferenzierung der Verwaltung (die die Besitzfunktionen des Eigentums realisiert). Aber ist nicht das Eigentum unabhängig vom Besitz (vom Gebrauch, der es qualifiziert) eine leere Abstraktion? Wie das Eigentum im ökonomischen Prozeß sich verändert, kann man heute von jedem Landwirt (noch krasser freilich an den Vorgängen in der Dritten Welt, die jetzt langsam anfängt zu begreifen, was ihr geschieht) erfahren.
Durch seinen Eigentumsbegriff wird dieses Buch zum Kompendium einer Hausbesitzer-Ideologie.
Das Konstrukt der Venus-Katastrophe war notwendig, weil der genetische Zusammenhang des Eigentumsbegriffs mit dem Begriff und der Praxis der Gewalt in der Gesellschaft ausgeblendet wird. Gehört nicht der Eroberungskrieg (wie am modernen Kolonialismus drastisch sich zeigen läßt) zur Ursprungsgeschichte des Eigentums (die Ureinwohner der kolonialisierten Länder „kennen keine Schrift, kein Geld, sind nackt“; sie sind deshalb nicht fähig, über ihren Besitz wie über Eigentum zu verfügen; als „Wilde“ sind sie apriorische Objekte von Gewalt)?
War die Kosntituierung des Eigentums das Ergebnis einer Revolution von innen (bei den Griechen als Revolution gegen den mykenischen Feudalismus), oder war sie das Ergebnis einer Eroberung von außen, durch umherstreifende Brüder- und Männerhorden (Rom, die Hapiru, die „Hebräer“)? Unterscheidet sich darin nicht das Eigentums-Buch vom Patriarchats-Buch Heinsohns?
Irgendjemand hat einmal die Tempel als Säkularisations-Instrumente beschrieben (Entzauberung der Welt durch Konzentration des Heiligen im Tempel). Eine ähnliche Funktion scheinen die christlichen Kirchen, Kathedralen und Dome im Mittelalter gehabt zu haben. Als Säkularisations-Instrument hat der Tempel die Welt eigentumsfähig und damit zur Welt gemacht; deshalb gehören zur Tempelwirtschaft die Kosmogonien.
Waren der Islam das Persien, Frankreich und England hingegen das Griechenland des Mittelalters? Dann war Deutschland das Rom.
Adorno hat mich in die Lage versetzt, mein Faschismus-Trauma zu bearbeiten; anders wäre ich das Opfer dieses Traumas geworden.
Heinsohn: der Drewermann der Nationalökonomie?
Die Orthogonalität ist das Abstraktionsgesetz der Erkenntnis, sie ist zugleich das Formprinzip des Urteils. Durch die Orthogonalität werden die Richtungen des Raumes getrennt und unterschieden und zugleich zueinander in Beziehung gesetzt; das gleiche Formgesetz gilt für die Beziehung von Raum und Zeit und dann auch für die Beziehung von Raum und Zeit zur Materie. Die Orthogonalität (die Entdeckung der Winkelgeometrie durch die Griechen) ist das Modell der Beziehung von Begriff und Objekt. Wie hängt die Entdeckung der Orthogonalität mit dem Ursprung des Eigentumsbegriffs, mit der Unterscheidung von Eigentum und Besitz und mit dem Ursprung des Staates zusammen?
Im Buch Josue wird das Land Kanaan durchs Los auf die Stämme Israels verteilt. Wann und auf welche Weise erfolgte die individuelle Eigentumsbegründung (zusammen mit der Begründung weiblicher Erbrechte)? In der Bibel wird vom Kauf eines Grundstücks nur im Hinblick auf kanaanitisches Eigentum (bei Abrahams Kauf des Grundstücks für das Grab Saras und bei Davids Kauf der Tenne Araunas) berichtet.
Sind die Probleme, vor die die Philosophie in jeder Epoche neu sich gestellt sieht, die logischen Probleme des Eigentums; und ist die Philosophie deshalb der Reflex der Herrschaftsgeschichte?
Das Armutsgebot, das wir heute ganzen Erdteilen aufzwingen, der Export der Armut in die Dritte Welt: Die Eigentumslosigkeit schlägt die Eigentumslosen zur bloßen Natur, macht sie zu einer brachliegenden Ressource, für die es keine Verwendungsmöglichkeiten mehr gibt: zu herrenlosem Gut.
Nachdem die Aufklärung, und ihrer Folge Kant und der deutsche Idealismus, der Natur schöpferische Kräfte angedichtet hat, hat da nicht Marx, als er glaubte, im Proletariat das Subjekt der Revolution zu erkennen, daraus nur die Konsequenz gezogen (das Proletariat: die Verkörperung er resurrectio naturae)?
Werden heute nicht alle Siege zu Pyrrhus-Siegen?
Ist nicht jede Personalisierung ein Indiz mangelnder Autonomie? Zitiert nicht jede Personalisierung (und jeder Konkretismus) die kollektive Absicherung einer Projektion?
Hängt nicht die mittelalterliche Fälschungsgeschichte mit den übermächtigen Legitimationsbedürfnissen, die die Begründung der Eigentumsgesellschaft wachgerufen hat, zusammen? -
4.5.96
Haben Schwerkraft und Lichtgeschwindigkeit etwas mit den Armen (die unten sind) und den Fremden (die von außerhalb kommen) zu tun? Was entspricht dann dem Export und Reimport der Armut?
Ist das Proletariat die zur trägen Masse kontrahierte gesellschaftliche schwere Masse (das Trägheitsgesetz ist der naturale Reflex der Lohnarbeit)?
Es gibt einen Stand der kritischen Reflexion, aus dem sich unmittelbare praktische Konsequenzen nicht mehr ableiten lassen.
Der Weltbegriff hat (durch Hypostasierung der Urteilsform) das Verhältnis der Sprache zur Realität verändert, er hat einen Begriff der sprachunabhängigen Realität überhaupt erst hervorgebracht.
In der Bibel kommt es – ebensowenig in der Literatur sonst – nicht darauf an, was der Autor hat sagen wollen. Es kommt darauf an, was in den Texten sich ausdrückt; und das ist bei wirklichen Texten mehr, als der Autor hat sagen wollen. Dieses „mehr“ mag man als Werk des Heiligen Geistes verstehen, und liegt damit vielleicht gar nicht so falsch.
Der Bubersche Begriff der „Huld“ verschiebt die Barmherzigkeit vom Mütterlichen ins Väterliche (Modell des Gerichts der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht: die Mutter, die ihre Kinder verteidigt). Er malt das Bild einer Versöhnung, in der es der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern nicht bedarf. Aber zur Huld gehört das Huldigen, die Anbetung der Macht.
„Spruch des Herrn“: Das kann durchaus ein Brüllen und ein Donnern sein. Daß Johannes die sieben Donner nicht niederschreiben durfte, scheint darauf hinzuweisen, daß hier die Logik der Schrift gesprengt wird, daß dieser Donner nicht mehr schriftfähig ist. Hießen nicht die Zebedäussöhne auch Donnersöhne? Paßt das Bubersche „Sein Erlauten“ nicht zur Buberschen „Huld“?
Der erste Weltkrieg hat die Weltanschauungssucht hervorgebracht, der zweite hat alle unter Rechtfertigungszwang gestellt (die 68er Bewegung hat gezeigt, daß Praxis nicht schon von den Rechtfertigungszwängen befreit). Beide, die Weltanschauungssucht und die Mechanismen des Rechtfertigungszwangs, verweisen auf den jeweiligen Stand der objektiven Konstruktion der Realität, sie werden verfehlt, wenn man sie individualpsychologisch glaubt begreifen zu können.
Hängt der Unterschied von Hieroglyphen und Keilschrift mit dem von Sklavenhaus und Tempelwirtschaft zusammen?
Daß die Welt aus Nichts erschaffen ist, heißt das nicht einfach, daß der Weltbegriff mit der Annihilierung der Prophetie sich konstituiert? Mit dem Ursprung des Weltbegriffs ist die Prophetie zu etwas Vergangenem geworden.
Ist nicht die Interpretationsfigur in Rosenzweigs Kritik der historischen Bibelkritik („die Schrift ruft ‚Eli, eli‘, und die Theologen meinen, sie ruft den Elias“) sehr präzise zu verstehen: Zitiert er hier nicht eine Stelle aus dem Neuen Testament?
Das Problem des Christentums liegt darin, daß es der gleichen Welt verfallen ist, als deren prophetische Kritik es allein sich begreifen läßt. -
26.4.96
Wie verhält sich die lateinische (feminine?) Konstellation von res, natura, mundus und materia zur griechischen (maskulinen?) Konstellation von pragma, physis, kosmos und hyle, und wie verhalten sich beide zur Konstellation von Ding, Natur, Welt und Materie?
Die Welt gründet in einem Akt des Richtens, durch den sie am Ende selbst gerichtet wird.
Die Einheit des philosophischen Gottes (des griechischen Monotheismus) ist die des subjektlosen Richtens; die reale Einheit Gottes hingegen gründet in Seinem Erwachen, in der Barmherzigkeit.
Ist nicht in Rosenzweigs Konstruktion des Weltbegriffs (B = A) das A in sich selber vermittelt: ein Reflex des B in der Konstruktion des Begriffs des Menschen (B = B)? Das Allgemeine der Welt ist ein Besonderes. Im Kern des Weltbegriffs steckt die innere Kollektivität des Subjekts, an die der Begriff der Masse erinnert.
Das Rätsel des Begriffs des Opfers löst sich, wenn das Opfer aus der Verstrickung in den Weltbegriff befreit wird. Dann erweist sich das Opfer als sein eigenes Gegenteil; nicht mehr als Opfer, sondern als Manifestation der Barmherzigkeit. Genau dadurch unterscheidet sich das JHWH-Opfer von dem Opfer des Baal.
Die Kirche, die die Armen vertritt, hat sich selbst an die Stelle der Armen gesetzt. So hat sie die Sakramentenlehre verhext. Damit aber ist die Kirche zum Modell aller Institutionen seitdem geworden.
Die Verurteilung (die die Vergangenheit irreversibel macht) ist das Sakrament des Büffels. Die Opfertheologie, die die Welt entsühnt, spricht damit das verurteilende Prinzip frei: Sie legitimiert Herrschaft.
Gilt nicht für die Sprachen, was Hegel im Kontext seines Naturbegriffs von den Tieren sagt: Die Natur kann nach Hegel den Begriff nicht halten, weil es anders nur ein Tier, nicht aber ein Spektrum unterschiedener Arten und Gattungen geben dürfte. Wie verhält sich die Benennung der Tiere durch Adam, in der die Einheit der Sprache im Paradies sich manifestiert, zum Turmbau von Babel, in der die Sprache verwirrt, ihre Einheit zerstört wurde? Ist Babel nicht das Symbol für die neue Einheit des anderen, des apokalyptischen Tieres (das am Ende sich als eins mit dem philosophischen Gott erweist)?
Für die Griechen steckt der Teufel, für die Juden steckt Gott im Detail.
Den Satz „Um das ein für allemal klarzustellen …“ sprechen nur Väter, die im Bestehenden die Herrschaft der Vergangenheit verkörpern. Bezieht sich nicht das Wort „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ auf diese Väter? Die Schwierigkeit einer Theologie im Angesicht Gottes gründet darin, daß es in ihr kein Ein-für-allemal gibt.
Das Ein-für-allemal ist als Prinzip der Väter zugleich das Prinzip von Gesetz und Verwaltung.
Das Prinzip der Lohnarbeit hat das Verhältnis von Befehl und Gehorsam neutralisiert, es in einen Sachzwang verwandelt, den Arbeiter zum reinen Objekt gemacht. Für die Herrschenden in Wirtschaft und Politik sind die Arbeiter von den materiellen Ressourcen (Maschinerie, Rohstoffe, Energie, Kredit) nicht mehr zu unterscheiden. Sie sind wie diese nur noch ein Kostenfaktor, der möglichst niedrig zu halten ist.
Die Antwort auf die Materialisierung der Menschen wäre die Humanisierung der Natur. -
15.4.96
Als Urteilsmoral hat die christliche Sexualmoral die Gottesfurcht durch das schlechte Gewissen ersetzt, das die Menschen beherrschbar macht.
Die Bekenntnislogik ist die Logik der Objektivierung und Instrumentalisierung der Wahrheit. Deshalb gibt es kein Bekenntnis ohne Opfertheologie. Und der Götzendienst war bereits eine experimentelle Vorform der Bekenntnislogik.
Die Lohnarbeit war der Beginn eines Prozesses, der darauf abzielt, am Ende auch die Zirkulation in die Produktion mit einzubeziehen, (durch Marktanalyse und Reklame beherrschbar zu machen). Die Globalisierung des „freien Marktes“ hat die Logik des Kapitals (ähnlich wie die Staatsschutzjustiz die Logik des Rechts) zur transzendentalen Logik (zu einem Instrument der Konstruktion von synthetischen Urteilen apriori) gemacht.
Ist nicht das Wort über den Handel und an die Reichen (Latifundienbesitzer) bei Jakobus an Griechenland und an Rom adressiert?
Die Blinden und die Lahmen: Läßt sich diese Konstellation nicht an der Beziehung zum Faschismus demonstrieren? Werden nicht die, die den Faschismus durch Verurteilung (aus der Sicht der Nachgeborenen) bannen wollen, blind, und die, die ihn von innen (aus der Sicht seiner Opfer) begreifen wollen, lahm?
Die Menschen leben nicht (wie die Tiere) in der Natur, sondern in der Welt. Die Welten der Tiere, sind allesamt Teil der Natur (die Natur ist der Inbegriff aller Objekte von Urteilen: das Tier ist ein lebendiges Objekt eines Urteils).
Zum Symbol des Kreuzes: In der Mathematik sind wir die Opfer einer Logik, die uns beherrscht; die Beweislogik ist die Logik dieser Herrschaft, einer Logik, deren Ursprung wir nicht kennen, und an deren Ursprung wir nicht heranreichen.
Wenn der Staat die Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern ist, dann, so scheint mit, verweist das auch auf den Ursprung der Mathematik (des „Bogens in den Wolken“?).
Ist der Bogen in den Wolken das hebräische Gegenstück zum griechischen Gnomon?
War nicht die Darstellung der Praxis der Getreide-Spekulation und ihrer Folgen bei Frank Norris (in dem Roman, der Bert Brecht zum Marxisten gemacht hat), noch harmlos gegenüber der Funktion und Bedeutung, die die Spekulation (als reine Geldspekulation) heute gewinnt? Die Hypothese wäre zu prüfen, ob nicht das Geld-Spekulationsgeschäft, das nicht nur (wenn auch vor allem) Banken betreiben, mit der Explosion der Armut, die ganzen Bevölkerungen die Existenzgrundlage entzieht, zusammenhängt, und das nicht nur symbolisch, sondern real. -
12.1.96
Wie der Mensch das Ebenbild Gottes, so ist die Ware (das Objekt als Subjekt) das des Staates. Der Begriff der Zerstörung des Gebrauchswerts ist als ökonomische zugleich eine politische Kategorie: Mit der Ware verliert auch der Staat seinen Gebrauchswert.
In dem Zitat aus Hans-Jürgen Krahl „Konstitution und Klassenkampf“ (in Wolfgang Pohrt „Theorie des Gebrauchswerts“, S. 53) sind einige Kategorien auf offensichtlich signifikante Weise unverständlich:
– Was ist gemeint, wenn es bei Krahl heißt, daß „Entfremdung und Verdinglichung heute Kategorien sind, deren Gültigkeit für den Kapitalismus zweifelhaft wird“, oder
– „das Stadium der immanenten Selbstzersetzung der Warenform zugunsten des totalitären Tauschs ist erreicht“?
Zur Verdinglichung: Diese Kategorie wird nicht „zweifelhaft“, sondern ungegenständlich, sie ist in den blinden Fleck der Erkenntnis gerückt. (Es hängt mit der logischen Beziehung von Ware und Staat zusammen, wenn der Dingbegriff als der Kern der hegelschen Logik sich erweist – als Quellbegriff des Absoluten.)
Zum Tausch: Der Begriff des Tauschs wird nicht totalitär, sondern universal, Kristallisationskern der Totalitätsbegriffe (Wissen, Natur, Welt), deren Kritik auf der Tagesordnung steht. Die Unterstellung eines totalitären Tauschbegriffs steht schon unterm Systemzwang der entgegenständlichten Verdinglichung; zu ihren Konsequenzen gehört die personalisierende Umformulierung der Marxschen Theorie, die in die Verwirrungen des Terrorismus geführt hat.
In dem gleichen Maße, in dem die Produktion den Gebrauchswert der Waren zerstört, wächst ihr eigener Gebrauchswert für den Staat.
Gebrauchswert und Tauschwert sind Reflexionskategorien, das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften. Die verdinglichende Kraft des Tauschprinzips reduziert die Dinge auf ihre (vergleichbaren) Eigenschaften, durch die sie in den Prozeß von Arbeit, Produktion und Konsum hineingezogen werden.
Der formale Charakter des Begriffs Gebrauchswert läßt an den Objekten seiner Anwendung sich demonstrieren: Dem Geld, dem Staat, der Lohnarbeit, dem Kreuzestod Jesu, dem Militär, auch der Philosophie wächst unter definierbaren Bedingungen Gebrauchswert zu. Gebrauchswert ist ein Aspekt der Instrumentalisierung, in deren Geschichte verflochten, keine Natureigenschaft eines Objekts. Das, was Pohrt die Selbstzerstörung des Gebrauchswerts nennt, ist keine Selbstzerstörung, sondern eine Verschiebung des Gebrauchswert, der im gesamten Objektbereich wandert.
Der letzte Gebrauchswert des Staates ist der faschistische: der Nationalismus, das Gefühl, dazuzugehören, auch wenn man selbst davon nichts hat.
Der Terrorismus, der den Staat zwingen will, sein wahres Gesicht zu zeigen, hat schon vergessen, daß der Staat gesichtslos ist; er gleicht sich selber dem an, was er für das „wahre Gesicht des Staates“ hält. Wer glaubt, dem Staat den Spiegel vorhalten zu können, vergißt, daß der Staat blind ist.
Kann es sein, daß das Modell für die astrophysikalische Theorie des „schwarzen Lochs“ in dem zu suchen ist, was die analsadistische Sprache ein „Arschloch“ nennt?
Gehören nicht die Theorien vom Urknall wie vom schwarzen Loch zu den Legitimationskonstrukten der Naturwissenschaften, die von den Ursprungs- und Zielphantasien, die sie zugleich zu neutralisieren gezwungen ist, sich nicht lösen können?
Zieht sich nicht heute das Opfer der Vernunft, welches Adorno im Ursprung der Zivilisationsgeschichte erkennt, auf den einen Punkt der Verwerfung der Theologie zusammen? Das fast Irrsinnige daran ist, daß die Verwerfung der Theologie selber aus einer theologischen Tradition sich speist, die auf den Kern der christlichen Tradition zurückweist. Der Ursprung des Säkularisationsprozesses liegt in der Ursprungsgeschichte der Orthodoxie, der Bekenntnislogik. Er liegt an genau dem Punkt, als die Theologie einen Gebrauchswert bekam (für den Staat, aber auch für die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung des Herrendenkens, der Vergesellschaftung von Herrschaft). Der Gebrauchswert der Theologie ist der Quellpunkt ihrer Instrumentalisierung, die ihren Grund in der Opfertheologie hat.
Paradigmatisch für den Gesamtumfang des Problems des Gebrauchswerts ist der Jugoslawienkonflikt (wahnsinnige Vorstellung, daß dieser Konflikt auf eine frühe bundesrepublikanische Intervention, auf ein Projekt der Destabilisierung Jugoslawiens durch den BND unter der Leitung von Klaus Kinkel, des heutigen Außenministers der BRD, sich zurückfnhren läßt).
Hätte nicht Sloterdijk, der Autor der Kritik der zynischen Vernunft, diesen Vorgang erkennen mnssen? Ja, wenn er nicht selber seine Kritik am Ende ins Affirmative umgebogen, als Ausweg den Kynismus empfohlen hätte. So wurde aus der Kritik der zynischen Vernunft ein Stück Schwabinger Philosophie.
Nach kabbalistischer Tradition sind die sechs Richtungen des Raumes auf sechs göttliche Namen versiegelt. Die Vermutung, daß diese Siegel unter Einschluß des siebten Siegels (des Sabbats, als dessen Herr der Menschensohn sich zu erkennen gegeben hat) in den sieben unreinen Geistern (in der Gestalt der Maria Magdalena) und in den sieben Siegeln der Apokalypse sich wiederfinden, mag vielleicht ein Licht nach beiden Seiten werfen.
Zur Astrologie: In welcher Beziehung stehen die Venus zum Mond, der Mars zum Jupiter und der Merkur zur Sonne? -
2.11.95
Zur Ursprungsgeschichte der Ware: Ein afrikanischer Stammeshäuptling über einen Nachbarstamm: „Sie sind unsere Feinde; wir heiraten sie.“ (Zit. nach W.A.Meeks: Urchristentum und Stadtkultur, S. 18) Kann es sein, daß in der Vorgeschichte Frauen ähnlich „erworben“ wurden wie Sklaven und andere Handelsgüter: Sie wurden geraubt (vgl. Ri 2116ff und den „Raub der Sabinerinnen“)? Wäre das nicht eine Erklärung für den Status der Ehe, die seit je einer durch Kauf begründeten Eigentumsbeziehung nachgebildet war, auch für das Inzest-Verbot und für den Ursprung des Patriarchats (sowie des Staats, als dessen Modell die Familie gilt)?
Lohnarbeit ist die technisch perfektionierte Form der Schuldknechtschaft. Ihre Vorstufe war die persönliche Schuldbeziehung zu einem Gläubiger. Lohnarbeit ist das Produkt der Transformation dieser Beziehung in eine logische Funktion des Systems. Die Trennung der Menschen von ihren natürlichen Subsistenzmitteln, ihre Expropriation, in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (der kopernikanischen Wende der Geldwirtschaft), führt nicht mehr in die physische Abhängigkeit des Sklaven von seinem Herrn, sondern in die herrenlose Dauerabhängigkeit vom System, in den Zwang zur Selbsterhaltung in der vom Tauschprinzip beherrschten Gesellschaft: in den Zwang zum Gelderwerb durch entfremdete Arbeit, durch Arbeit für andere.
„Ihr seid das Licht der Welt.“ Dieses Wort trifft die Kirchen ins steinerne Herz ihres dogmatisches Selbstverständnisses. Es geht von dem einfachsten Sachverhalt aus, daß die Welt finster ist, und die Kirche Licht in diese Welt zu bringen habe. Das Licht hat sein Maß an der Finsternis, während nur der dogmatische und fundamentalistische Kleinglaube wähnt, die Finsternis habe ihr Maß an dem Licht, das er zu verkörpern glaubt. Das in Angst vor der Wahrheit erstarrte Dogma ist nicht das Licht, sondern der Scheffel überm Licht. Und das Licht ist kein Besitz, kein Gnadenschatz, der der Kirche gegeben und der von ihr zu hüten und zu verwalten wäre, sondern in jeder Epoche ist es der Finsternis neu abzugewinnen. Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt. -
22.8.1995
Die Bemerkung Wilhelm Salbergs, „das Judentum kenne keine Erbsünde, mithin auch keine individuelle Erlösung (wohl aber eine kosmische)“ („Auschwitz als Herausforderung, Heidelberg 1980, S. 525), verweist auf den gemeinsamen Ursprung des Begriffs der Erbsünde und des Weltbegriffs. Gehört das nicht mit zur Esther-Geschichte, in der der Weltbegriff zusammen mit dem Sexismus und dem ersten manifesten Antisemitismus erscheint. Frauenfeindschaft und Antisemitismus sind Konstituentien des Weltbegriffs, sie gehören mit zu seiner Ursprungsgeschichte, die der Sache nach mit Babylon beginnt. Die babylonische Gefangenschaft und das Exil der Schechina gehören seitdem zu der Vergangenheit, die nicht vergeht.
Wie verhält sich das Buch Esther zu dem Ereignis, das Heinsohn u.a. die „Venuskatastrophe“ nennen: Ist nicht die astrologische Komponente (Esther = Ischtar, Mardochai = Marduk) ein Hinweis, daß in dieser Konstellation die dann an den Himmel projizierte gesellschaftliche Naturkatastrophe (Ursprung des Staates und des Vorurteils: des Sexismus und des Antisemitismus) zu suchen ist? Gehört das Buch Esther nicht in den Zusammenhang, der Astronomie und Staat an einander bindet? (Haben die drei Weisen aus dem Morgenland, die „seinen Stern gesehen“ haben, etwas mit dieser Geschichte zu tun?)
Die Lösung des Problems der Apokalypse ist ohne den Hintergrund einer negativen Kosmologie nicht zu gewinnen. (Die Lösung auch der Frage, weshalb diese Texte den Eindruck von Artefakten und Kollagen machen.)
Messianische Wehen: Liegt nicht das Problem der Apokalypsen darin, daß sie unter dem Bann des gleichen Weltbegriffs stehen, dessen Kritik in ihnen enthalten ist (und heranreift). Steht nicht die Apokalypse (wie auch ihr Säkularisat, die Hysterie, zu der sie in einer durchaus logisch-systematischen Beziehung steht) in der Nachfolge des Mutterschoßes, aus dem Gott zuvor seine Propheten berufen hat (das kostbare Gefäß Seiner Barmherzigkeit)?
Welche Rolle spielt der Name Israel nach der babylonischen Gefangenschaft? (Die Namen Israel und JHWH kommen in Esther, Kohelet und im Hohenlied nicht vor, im Buch Daniel nur in 13 <Israel> und Kap 9 <Israel und JHWH>. Wird nach der babylonischen Gefangenschaft der Name der Hebräer durch den der Juden ersetzt, und liegt die Differenz im Vorurteil, in der „Judenfeindschaft“?)
Alle Frauen im Stammbaum Jesu im Matthäus-Evangelium gehören zur Ursprungsgeschichte der „Juden“ (Thamar, Rahab, Ruth und „die Frau des Urias“). Und alle Frauen sind Fremde (Thamar offensichtlich eine Kanaaniterin, Rahab aus Jericho, Ruth eine Moabiterin und Batseba, „die Frau des Urias“, die Frau eines Hethiters).
Das Problem des Bibel-Verständnisses ist auch auch ein sprachgeschichtliches Problem. Es löst sich auf, wenn es gelingt, den Bann des Indikativ, der auf der Sprache lastet, zu sprengen (Indikativ: „die Form der neutralen, sachlichen Aussage“, vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, S. 330). Vgl. den Begriff der „Wirklichkeit“ und Hegels Entfaltung dieses Begriffs in der Logik. Wirklichkeit ist ein herrschaftsgeschichtlich vermittelter Begriff.
Das Referenzsystem der Wirklichkeit (der „Realität“) ist das Inertialsystem (Äquivalent des Selbsterhaltungsprinzips), das über die Vorstellung des Zeitkontinuums auch die Geschichte (und zwar von ihrem Ursprung her als Nationalgeschichte) konstituiert.
Die Beziehung des zweiten zum ersten Teil des Sterns entfaltet die Differenz zwischen dem Begriff des Überzeitlichen und der Idee des Ewigen.
Wer die Erlösung an die Trinitätslehre bindet, macht sie zu einem Bewußtseinsakt. Er stellt das Licht unter den Scheffel, und er löscht den Funken.
Der Name, das Angesicht und das Feuer bilden eine Konstellation. Beziehung zur Trinitätslehre: Ist nicht der Sohn die „Erscheinung“, der Heilige Geist das Leuchten Seines Angesichtes (in dem übrigens allein die „Erscheinung“ sichtbar wird)? Zwischen dem Erscheinen und dem Leuchten liegt die Heiligung des Namens (das die Sprache reinigende Feuer). Sind nicht alle Stellen in der Schrift, in denen vom „Bekenntnis des Namens“ die Rede ist, zu übersetzen mit „Heiligung des Namens“?
Der Begriff des Blutes erinnert nur noch ans Schlachten, ans Töten. Das hat die Opfertheologie in den blasphemischen Zusammenhang gerückt, dem auch die Trinitätslehre angehört. Sie steht in der Tradition des Blutes Abels, das zum Himmel schreit. Die andere, mit dem Tötungsverbot verknüpfte Tradition ist die, die das Blut auf die Seele bezieht (eine Tradition, die eher das Schächten zu begründen vermag als das „humane“ Schlachten im Schlachthaus). Zwischen beiden Traditionen steht die kopernikanische Wende (gleichzeitig mit dem heliozentrischen System wurden der Blutkreislauf entdeckt, durch die Einführung der Lohnarbeit die Zirkulation – und damit die Selbstkonstituierung – des Geldes begründet sowie die Erlösung als Rechtfertigung an das Bekenntnis der Trinitätslehre gebunden). Erst mit der Öffnung des („unendlichen“) Raumes haben die Dinge sich verschlossen, sind sie zu Dingen geworden. Aber diese Öffnung des Raumes steht unter dem Wort: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
Die Lastschrift, das Verwaltungshandeln und das Schuldverschubsystem (stand nicht am Ursprung der Schrift die Lastschrift?).
Gog und Magog (Ez 38/39, Off 208): Hat das Ma- in Magog etwas mit dem Ma- in Majim zu tun (Gog/Agag = tectum, Magog = de tecto)? Der Judenfeind Haman, ein Agagiter, im Buch Esther: ein Amalekiter (Amalek = populus lambens)?
Die Dialektik ist die Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen, durch seine Instrumentalisierung: Sie subsumiert den Esel unter die Gattung der Rinder. Ist die Trinitätslehre das Exil der Schechina? -
20.8.1995
Babylon will einen Turm bauen, dessen Spitze „bis an den Himmel reicht“ (Gen 114), Jakob träumt von einer Leiter, dessen Spitze „bis an den Himmel reicht“ (Gen 2812). Zum Himmel schreit das Blut Abels (Gen 410), an den Himmel reicht die Wut des Königs von Israel (2 Chr 289), die Schuld des Volkes (Esr 96), das Gericht über Babel (Jer 519), der Wipfel des Baums im Traum des Nebukadnezar (Dan 48), die Größe des Königs (ebd. 419).
Die Sprache unterscheidet sich von der Sache durch das eingeschobene -pr-. Stecken in dieser Einschiebung die Barbaren, die Hebräer, die Hapiru?
Das Neutrum läßt sich aus dem Maskulinum herleiten, wenn man den Akkusativ als Nominativ nimmt (z.B. bei Kollektivbegriffen wie Gehölz, Gebirge: durch innere Pluralisierung des Individuellen). Das Neutrum gründet in der logischen Nichtunterscheidbarkeit des Einzelnen und Allgemeinen: Deshalb bezeichnen die Begriffe Objekt und Person Hypostasen oder Verkörperungen des Schuldverschubsystems (Konkretismus und Personalisierung). Erst die moderne Aufklärung hat – im Kontext der Entfaltung des Inertialsystems und mit der Ablösung der Sklaverei und der Leibeigenschaft durch das Institut der Lohnarbeit (im Kontext von Naturwissenschaft und Kapitalismus) – das Objekt zum Subjekt synthetischer Urteile apriori gemacht.
Kritik des Gattungsbegriffs: Der Begriff der Gattung ist der Ursprungsbegriff der Philosophie: Er ist das Realsymbol der Leugnung der Asymmetrie, der Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen. Im Begriff der Gattung (und in seiner Folge in jeglichem Universalismus) werden Zeugung und Tod (Last und Joch) zusammengedacht: Christologie, Opfertheologie und Trinitätslehre, und mit ihnen das Dogma insgesamt, konstituieren und legitimieren den Begriff der Gattung wie sie zugleich im Kontext ihrer Reflexion als Schlüssel sich erweisen, der diesen Begriff und seine geschichtliche Funktion (seine Beziehung zum apokalyptischen Realsymbol des Tieres, das war, nicht ist und wieder sein wird) aufzuschlüsseln vermag. Man könnte sagen: Gegenstand der apokalyptischen Lösung der sieben Siegel ist der Gattungsbegriff. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Bekenntnisbegriff (wie er im männlichen Heiligentypos des Confessor sich spiegelt) seit je ein männlicher Begriff gewesen ist: In ihm, in seiner Beziehung zum Gattungsbegriff, spiegelt sich die konstitutive Beziehung des Gattungsbegriffs (und seiner Momente Zeugung und Tod) zum Naturbegriff (und zwar sowohl zur griechischen physis wie zur lateinischen natura, die aus der unterschiedlichen Akzentuierung der Beziehung von Zeugung und Tod im Gattungsbegriff sich herleiten) wie auch zum Begriff und zur Logik des Bekenntnisses. Rosenzweigs Reflexion der Todesangst bezieht sich ebensowenig wie das Kelch-Symbol in der Getsemane-Geschichte in den Evangelien auf die private Todesangst; beide gründen vielmehr in dieser Konstellation; daraus gewinnt der Stern die argumentative Kraft, die mit dem Begriff der Gattung (der dann im zweiten Buch des ersten Teils des Stern, in der „Metalogik“, seinen „logischen Ort“ findet) den Begriff des Alls und mit ihm den Universalismus der Philosophie sprengt: die Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen, aufhebt. Darin gründet das „Neue Denken“, die Reflexion der verandernden Kraft des Indikativs, die Wiedergewinnung einer Theologie, in der Gebet und Erkenntnis eins werden, die Begründung einer Theologie im Angesicht Gottes, in der die Mystik rational wird. -
7.7.1995
Wie hängt die Furcht vor Einbrechern mit einer rigiden Sexualmoral zusammen? Drückt nicht in dem Wunsch nach einer starken Polizei (zu dessen Begründung die Einbrecherfurcht gehört) die Angst vor dem eigenen Trieb (der nur durch den Repressionsapparat, den die Polizei verkörpert, in Schach gehalten werden kann) sich aus?
Ihr laßt die Armen schuldig werden: Der Begriff des Objekts ist ein Produkt des Schuldverschubsystems. Der historische Objektivationsprozeß korrespondiert aufs genaueste der Herrschaftsgeschichte. Die Geschichte des Objekts spiegelt die Geschichte der Beherrschten wider, vom Sklaventum über die Leibeigenschaft bis hin zur Lohnarbeit. Die Konstituierung dieses Begriffs, die im Inbegriff aller Objekte, im Naturbegriff, sich vollendet, fällt zusammen mit Ursprungsgeschichte der Handelssklaven, der Ursprungsgeschichte der Armut und der Gewalt. Nach biblischer Darstellung waren es im „Sklavenhaus“ Ägypten die eigene Bevölkerung, im Militärstaat Assur und in Babylon die Bevölkerungen der unterworfenen Länder und Städte, die in die Sklaverei gepreßt wurden; erst in Griechenland und Rom sind die Sklaven zur Ware geworden, die auf dem Markt angeboten und verkauft wurden; sie gehörten zum Sachen-, nicht zum Personenrecht.
Haben das Neutrum und die Handelssklaven einen gemeinsamen Ursprung? -
22.5.1995
Die „Trennung … zwischen Geschäften einerseits … und jenem Umgang andererseits, der die Privatpersonen als Publikum verbindet“, von der Habermas (Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 248) spricht, ist der euphemistische Ausdruck eines ganz anderen Sachverhalts: Die Tretmühle der lohnabhängigen Arbeit schließt jene Autonomie aus, die die heute übrigens selber bereits ideologische Grundlage von „Geschäften“ ist. Und der „Umgang“, der diese „Privatpersonen als Publikum verbindet“, ist die vollendete Heteronomie: Er gehorcht den Imperativen von Reklame und Kulturindustrie, die auch die traditionellen Kontrollmechanismen der Nachbarschaften, der Stände, der „Volks“- und Religionsgemeinschaften in ihre Regie genommen haben. Ideologie ist nicht mehr nur das falsche Bewußtsein, das durch Aufklärung zu berichtigen wäre, sondern die Verfassung der Öffentlichkeit und der sie konstituierenden Institutionen selber, die die Wahrnehmung und das Denken der Menschen bestimmen.
Das stumme Innere des gesellschaftlichen Lebensprozesses, an das heute keine Reflexion mehr heranzureichen scheint, bestimmt das Verhalten der Menschen ähnlich wie das stumme Innere der Gattung das Instinktverhalten der Tiere.
Die Sünde der Welt: Ist nicht die Grenze zwischen mir und den Andern die Grenze zwischen Täter und Opfern? Und das ist die fatale Funktion des Weltbegriffs, unter dessen Herrschaft ich mich als Anderer für Andere erfahre, daß er das Selbstmitleid (das Bewußtsein, Opfer der Verhältnisse zu sein) erzeugt, das heute alle Erfahrung durchtränkt. Der Weltbegriff hat die Liebe von der Barmherzigkeit getrennt, die so zum Selbstmitleid, zur Sentimentalität, verkommen ist.
Das Prinzip der Selbsterhaltung, das den Weltbegriff begründet, ist zugleich der Grund wie auch eine Rationalisierung des Selbstmitleids.
Zum Problem der Öffentlichkeit: Öffentlich wird die Wahrheit in der Gestalt des Urteils. Urteile aber sind beweisbedürftig und beweispflichtig. So definiert die Grenze des Beweises die Grenze der Wahrheit, die damit unter Rechtfertigungszwang gestellt wird.
Der Weltbegriff ist der Inbegriff des Herrendenkens, der Naturbegriff der Inbegriff aller seiner Objekte. Damit hängt das zusammen, was man die christologische Struktur des Naturbegriffs nennen könnte, der unter dem Zwang dieser logischen Konstellation
– im Objektbegriff das Substrat von Herrschaft: das reine Opfer,
– im Kausalitätsprinzip den Ursprung von allem: den Schein des Schöpferischen und
– im Gesetz der Gegenständlichkeit die Totalität dessen, was dem gesellschaftlichen Schuldzusammenhang enthoben zu sein scheint: den Schein der Erlösung,
bezeichnet.
Ist nicht die kantische Bemerkung, daß die Begriffe Welt und Natur „gelegentlich ineinander laufen“ ein spätes Echo der homousia?
Ist die „Feste des Himmels“ die Manifestation der gleichen Gewalt, die uns den Weg in die Vergangenheit versperrt? Und verweist dann nicht das Wort, daß am Ende der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, zusammen mit der Aufhebung der Logik der Schrift (mit der Erfüllung des Worts) auf die Befreiung des Vergangenen: die Auferstehung der Toten?
In welcher Beziehung stehen Benvenistes „indoeuropäische Institutionen“ zur indoeuropäischen Sprachlogik (zu Ursprung und Geshichte der indoeuropäischen Grammatik), und in welcher Beziehung steht diese Sprachlogik zu Ursprung und Geschichte der Logik der Schrift (zu ihrer institutionellen Verankerung in der Gesellschaft)?
Kann man die indogermanische Sprachlogik von der „hebräischen“ dadurch unterscheiden, daß, während jene der Logik der Schrift gehorcht, ihr in der Entwicklung der indoeuropäischen Sprachen fortschreitend sich angleicht, diese die Logik der Schrift zugleich in symbolischer Gegenständlichkeit (in den Symbolen der Schlange, des Kelches u.ä.) objektiviert: Der Name der „hebräischen“ Schrift ist hierin (in der Fremdheit gegen ihr eigenes Ursprungsgesetz) begründet. Rührt diese Konstellation nicht an den Grund der Logik der symbolischen Erkenntnis?
In der Weltanschauung begreift sich die Bekenntnislogik als subjektive Form der Anschauung: als Instrument der Bildung synthetischer Urteile apriori. War nicht die Apologetik eine der Wurzeln der Reklame, die den Übergang von der logischen Konstruktion zur technisch-industriellen Massenproduktion synthetischer Urteile apriori bezeichnet.
Schrift und Geschmack: Die Fähigkeit zur Reflexion der Schrift hängt zusammen mit der Fähigkeit zur Reflexion des Geschmacks.
Zum Symbol des Kelchs: Wenn das Kelchsymbol auf die transzendentale Ästhetik: auf die subjektiven Formen der Anschauung sich bezieht, auf den ästhetischen Bedingungszusammenhang der Vergegenständlichung, so läßt sich das auf den einfachen Nenner: Subsumtion unter die Vergangenheit bringen. Stimmen damit nicht die Attribute des Kelchs: Taumelbecher, Kelch des göttlichen Zorns, des Grimms, und Unzuchtsbecher aufs genaueste zusammen? Der Kelch bezeichnet das Medium, in dem (im Sinne des Titels von Julian Jaynes) der „Ursprung des Bewußtseins“ zu suchen ist: der Ursprung des Bewußtseins, das auf eine vergegenständlichte Welt sich bezieht. -
7.5.1995
Der Fundamentalismus verhält sich zur Religion wie die Vergewaltigung zur Sexualität.
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht: Heißt das nicht, daß wir uns im historischen Objektivationsprozeß das Urteil der Welt über das Vergangene zueigen machen (das Urteil besiegeln)? Und ist das nicht das Signum der Logik der Welt, daß sie zur richtenden Gewalt keine Alternative mehr kennt?
Wer die memoria passionis von der Herrschaftskritik trennt, setzt sie der Gefahr aus, zu einem Hebel des Selbstmitleids zu werden. Herrschaftskritik aber ist Urteilskritik, ist Kritik des Begriffs.
Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele: Alle, die nach dem Kriege sich auf ihr Nichtwissen berufen haben, bestätigen damit nur, daß sie zur Aufmerksamkeit (zum Gebet) nicht fähig waren.
Greift nicht der Begriff des Schuldverschubsystems zu kurz: Es geht nicht um Schuld, sondern um Sünde. Das Schuldverschubsystem ist nur der subjektive, begriffliche Reflex eines objektiven Sachverhalts: des Armut- und Notverschubsystems, das der Geldwirtschaft seit ihrem Ursprung zugrundeliegt und im Kapitalismus sich vollendet (mit der in der Lohnarbeit industriell organisierten Schuldknechtschaft im Kern). Gehört nicht in diesen Kontext auch das Opfer, das stellvertretende Leiden (das Leidverschubsystem)?
Wer die Sünde der Welt auf sich nimmt, dem wird die Apologetik gegenstandslos; er wird zum verteidigenden Denken befreit.
Marc Aurel und die Tradition der confessiones: Das theis heauton hat mit dem Selbst den Punkt benannt, an das das Bekenntnis sich ankristallisiert. Aber gewinnt das Selbst nicht nur, wer es verliert: nur wer fähig ist, in den andern sich hineinzuversetzen, findet dort sein Selbst, im Kontext der Barmherzigkeit, des verteidigenden Denkens, nicht im Urteil, im Kontext des Gerichts.
Der Antijudaismus war die Tür, aus der die Kirche sich aus Furcht vor der Nachfolge herausgestohlen hat.
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