Lohnarbeit

  • 8.4.1995

    Waren die Tempel nicht schon in ihrem Ursprung Währungszentralen (Zentralbanken), und damit Institute des Mythos ebenso wie der Aufklärung, oder genauer: der Einheit von Mythos und Aufklärung?
    Barmherzigkeit, nicht Opfer. Dieser Satz ist der genaueste Ausdruck des Bewußtseins, daß die Opfer das nicht leisten konnten, was sie der Intention nach leisten sollten: die Schuld aufzuheben, deren Zentrum die Tempel selber waren. (Nach welchen Kriterien wurden die Opfertiere bestimmt; welche Bedeutung hatte die Auslösung der Erstgeburt?)
    Skylla und Charybdis: Wenn die EU als Währungsunion sich konstituiert, wird sie zum Schwarzen Loch, das das All in sich aufsaugt; wenn es ihr jedoch nicht gelingt, werden sich die destruktiven Kräfte nach innen wenden, wird sie zum Zentrum eines Urknalls.
    Bezieht sich nicht das Anschauen seit der aristotelischen theoria auf den männlichen, den urteilenden Blick (und hat nicht Fichte das reine Sein als das reine Anschauen begriffen)?
    Das kantische Konzept vom ewigen Frieden enthält einen Fehler, der innerhalb der kantischen Philosophie nicht zu beheben ist. Dieser Fehler ist vergleichbar mit dem in den Prämissen der Kant-Laplaceschen Kosmologie. In beiden Fällen wird das bürgerliche Prinzip der Selbsterhaltung (des Selbstinteresses) zugrunde gelegt, dessen Logik sowohl das politische Konzept als auch den Naturbegriff beherrscht, in dem sie durch die transzendentale Ästhetik, durch die subjektiven Formen der Anschauung repräsentiert wird. Raum und Zeit rücken die gesamte Natur in das Licht der Selbsterhaltung, während es erst beginnt interessant zu werden, wenn man fragt, wovon abstrahiert werden muß, um diesen Blick zu etablieren. Eine (in der Gesellschaft wie in der Natur) auf Verfassung und Gesetz gründende Form der Herrschaft hat Herrschaft nicht überwunden, sondern nur ins Unkenntliche (in den blinden Fleck der Subjektivität) verschoben.
    Die der kantischen Philosophie zugrunde liegende Verknüpfung von Selbsterhaltung und Autonomie ist insofern bloßer Schein, als unterm Gesetz des Kapitalismus auch die Selbsterhaltung (durch das Instrument der Lohnarbeit) noch instrumentalisiert worden ist und Autonomie im kantischen Sinne nicht mehr mit einschließt. Übriggeblieben sind von der Autonomie nur noch die Geldwertstabilität und die Sicherung des Standorts Deutschland, die materiellen Grundlagen des Nationalismus.
    Wo liegt das Natur-Äquivalent der Produktivitätssteigerung (der Steigerung der Ausbeutung und Intensivierung der Zwänge), ohne die die Geldwertstabilität nicht zu haben ist? (Welche Bedeutung hat die Gravitationstheorie für die Mechanik? Was verbirgt sich hinter den Erhaltungssätzen der Physik?)
    Waren nicht die Tempel Instrumente zur Etablierung des Tauschprinzips?
    Wäre der naturwissenschaftliche Erkenntnisprozeß nicht so weit vorzutreiben, daß er wieder in sinnliche Erfahrung umschlägt: so daß er erneut die Fähigkeit freisetzt, die Zeichen des Himmels zu erkennen? (Vgl. den Zusammenhang der Wolken des Himmels mit den Vögeln des Himmels, den Sternen des Himmels und den Himmelsheeren. Der Turm von Babel sollte bis an den Himmel reichen.)
    Zur Vision des Ezechiel gehören neben dem Antlitz des Menschen das des Stiers, des Löwen und des Adlers. Hiervon war nur der Stier ein Opfertier, sein Korrelat war der Löwe (zum Bilde des Tierfriedens gehört der Löwe mit dem Rind). Woher stammt das Motiv, das Josef Pieper einmal über eine Sammlung von Thomas-Sätzen gesetzt hatte: Das Auge des Adlers?
    Das noachidische Nahrungsgebot unterscheidet sich vom adamitischen auch dadurch, daß die Tiere (zusammen mit dem Institut des Opfers?) von Adressaten zu Objekten des Nahrungsgebots geworden sind; die Erinnerung daran, daß sie einmal zu den Adressaten gehörten, erscheint nur noch im Verbot des Blutgenusses (das in der frühen Kirche noch erinnert wird, zusammen mit dem Verbot, Opferfleisch oder Fleisch von Ersticktem zu essen). Wann und von wem wurde die vom Apostelkonzil in Jerusalem für die Heiden getroffene Regelung durchbrochen oder aufgehoben?
    Das ungeheure Bild, daß Nebukadnezar am Ende wie ein Tier wird und Gras frißt wie ein Rind, d.h. daß er nicht mehr die Früchte genießt. Hat das nicht mit der Säkularisationsgeschichte, mit der Geschichte der Verweltlichung der Welt, mit dem historischen Objektivationsprozeß, zu tun? Das Rind symbolisiert das Joch, das im Weltbegriff universal wird.
    Das Verbot, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen, bezieht sich auch auf die paradigmatische Herrschaftssituation, auf das Verhältnis von Hinter dem Rücken und vollendeten Tatsachen. Diese vollendeten Tatsachen sind das Joch, das andern auferlegt wird, durchsichtig zu machen nur, wenn man dieses Joch als Sünde der Welt (als Last) auf sich nimmt, sich selbst als ihren Urheber begreift. Bezieht sich hierauf das Verhältnis der „Welt, die euch haßt“ zum Parakleten, der euch alles sagen wird? Vgl. die Konstellation Rind/Esel und die sie ergänzende Esel/Lamm: Erst im Lamm (das für die Erstgeburt des Esels eintritt und dann würdig ist, die sieben Siegel zu lösen) wird die Stummheit sprachfähig. Ist nicht Joh 129 die Grundlage sowohl des johanneischen Logos als auch des Parakleten?
    Die Vergöttlichung Jesu, das homousia, hat der Nachfolge den Boden entzogen. Nach Hermann Cohen sind die Attribute Gottes keine Attribute des Seins, sondern Attribute des Handelns. Unter diesem Motto steht der Titel Gottessohn.
    Die ganze Schrift ist Prophetie: Prophetie in symbolischem Gewande. Das Symbolische ist hierbei nur ein anderer Ausdruck dafür, daß der Indikativ der biblischen Texte (das Gegenständliche, Historische) zugleich ein Imperativ ist, dessen Erfüllung noch aussteht. Hieraus ergibt sich zwanglos die Bedeutung von Jer 3134, daß unter dem neuen Bund keiner mehr den andern belehren wird, da alle Gott erkennen. Voraussetzung wäre, daß die Gotteserkenntnis von jeder Apolegetik, von allen Rechtfertigungszwängen sich befreit hat (die Arglosigkeit der Tauben).
    Dogma und Inertialsystem: Schulen sind generell der Verführung durch die Bekenntnislogik ausgesetzt. Das gründet darin, daß der originäre Erkenntnisprozeß selber nicht vermittelbar, nicht übertragbar ist. Das gilt insbesondere auch schon für den Erkenntnisfortschritt der Naturwissenschaften (der insoweit mit dem Dogmenbildungsprozeß vergleichbar ist). Der Lichtpunkt in der Entdeckung einer neuen Erkenntnis wird mit seiner mathematischen Formulierung in das Feuer zurückgenommen und hinterläßt die Asche des Ergebnisses, das dann (wie eine Ansteckung) übertragbar ist. Mit dem Dogma, mit der Formel, scheidet sich die Asche vom Licht: Der Objektbegriff ist der Inbegriff dieser Asche (und seine historische Wurzel: die Opfertheologie, das Feuer).
    Die Antinomien der reinen Vernunft bezeichnen genau den Punkt, an dem die Herkunft der Asche aus dem Feuer erkennbar wird (Hegel hat auch dieses Feuer noch instrumentalisiert). – Memento homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris.
    Vision: Hat nicht das Gesicht etwas mit dem Angesicht zu tun? Wenn Friede und Gerechtigkeit sich küssen, dann wird das Angesicht zum Gegenstand des Gesichts, dann wird das Angesicht leuchten über uns.
    Das Wissen, das auch aus dem Sehen hervorgeht, terminiert in den subjektiven Formen der Anschauung; das Gesicht (die Vision) terminiert im Angesicht.
    Erinnerungsarbeit, die Errettung der vergangenen Zukunft oder das sprachliche Wesen der Dinge.
    Negative Trinitätslehre:
    – Der Antisemitismus (das Feindbild-orientierte Denken) leugnet den Vater,
    – die Ketzerfeindschaft (die Paranoia, der Verfolgungswahn) leugnet den Sohn,
    – der Hexenwahn (die Frauenfeindschaft) leugnet den Heiligen Geist; aber nur von der Sünde wider den Heiligen Geist heißt es, daß sie weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird.
    Die negative Trinitätslehre ist der einzige Schutz gegen die Verführung durch projektives Denken und seine Logik, die Bekenntnislogik.

  • 21.12.1994

    Die Trinitätslehre ist das Produkt der herrschaftslogischen Verarbeitung der Theologie (gleichsam die Isolationshaft Gottes); deshalb war sie der Kristallisationskern der Häresien.
    Das Hegelsche Weltgericht (der Weltgeist in Aktion) ist ein anderer Ausdruck für die selbstlegitimatorische Kraft des Bestehenden.
    Das Marktgleichgewicht ist die Nachbildung der Äquivalenzbeziehungen, die das Inertialsystem in die Natur induziert.
    Kann es sein, daß der Himmel sich einmal als Realsymbol der Schrift und die Erde als das des Wortes enthüllen wird? Vgl. hierzu die Himmelsheere (Sabaoth), das Himmelreich, die Himmelfahrt, das Sich-Öffnen der Himmel, die Entrückung in den dritten Himmel, den Vater, „der du bist in den Himmeln“, dessen Wille geschehe „wie in den Himmeln so auf Erden“. Gehören in diesen Zusammenhang nicht die Vögel des Himmels und das Buch des Lebens? Am Ende wird der Himmel sich „wie ein Buch“ aufrollen.
    Zur Kritik der Unmittelbarkeit in den Naturwissenschaften: Nach der „Dialektik der Aufklärung“ ist die Distanz zum Objekt vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt. Wer davon abstrahiert und (positivistisch) an der Unmittelbarkeit des Objekts festhält, gleichgültig, ob es sich um Billardkugeln, Planeten oder Elektronen handelt, verhält sich wie das naive Ökonomie-Verständnis, das die Tätigkeiten des Kaufmanns, des Angestellten und des Arbeiters unter den Oberbegriff Arbeit subsumiert und schließlich den Lohn des Arbeiters zu den Kosten zählt, die die „wirkliche“ Arbeit, nämlich die des Geldes, so erschweren und belasten. Aus diesem Geldbegriff wäre der horror vacui abzuleiten, auf dessen Realisierung der politisch-ökonomische Prozeß heute hinausläuft, aber auch das ökonomische Korrelat des physikalischen Energie- und Entropiebegriffs (und das physikalische Korrelat des Mehrwertbegriffs) zu bestimmen.
    Aus welchen Ursprungsbedingungen stammt die Erfindung der Null (und der negativen Zahlen), und welche gesamthistorische Bedeutung hatte diese Erfindung (Indien, der Islam und die Scholastik)?

  • 2.12.1994

    Zum Begriff der Energie:
    – Das Gesetz der Erhaltung der Energie ist kein empirisches, sondern ein apriorisches Gesetz: Stabilisator des Inertialsystems (Beziehung von Quadrat und Orthogonalität);
    – in Wellenbewegungen bewegt sich keine Materie, sondern Energie (physikalischer Begriff der Fortpflanzung, Zusammenhang dieses Begriffs mit dem Relativitätsprinzip; wird hier nicht die potentielle Energie kinetisch?); gilt das Prinzip der Geschwindigkeitskonstanz für jede Fortpflanzungsgeschwindigkeit (ist es der logische Grund jeder Wellenbewegung)? – Gibt es ebenso wie einen Lichtraum auch einen Schallraum (mit einem veränderten Begriff der Gleichzeitigkeit)?
    – die Einsteinsche Äquivalenz von Materie und Energie, Folge des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, transponiert den Energiebegriff in eine veränderte Konstellation; das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elemantarladung konstituieren sich in dieser veränderten Konstellation (in dem durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Inertialsystem).
    – Beziehung zum Statistik-Problem: Kann es sein, daß statistische Phänomene nicht nur wegen der Undefinierbarkeit des Anfangsbedingungen, sondern in erster Linie wegen der Unanwendbarkeit des mechanischen Modells dem mechanischen Kausalitätsbild (nicht -begriff!) sich entziehen: Unterliegen vielleicht schon in der kinetischen Gastheorie die Richtungen der bewegten „Atome“ einer Feldsteuerung durch ein vorgelagertes „Wellenfeld“ (Elastizität, bei Gasen adiabatische Kompressibilität: Zustandsänderungen ohne thermischen Austausch; Problem der Interpretation der Planckschen Strahlungstheorie)? Ist die Energie (ähnlich dem Kapital in der Ökonomie, das erst mit der Subsumtion der Lohnarbeit unters Tauschprinzip sich konstituiert – vgl. das Bankenproblem) ein Systemproblem?
    – Entspricht dem Begriff der Energie (Energie ist „gespeicherte Arbeit“) der des Kapitals (nicht des Geldes) in der Ökonomie? Wie der Energiebegriff mit der Orthogonalität des Inertialsystems (mit der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen) zusammenhängt, so der des Kapitals mit der Anwendung des Tauschprinzips auf die Lohnarbeit, mit dem Schuldzusammenhang (dem Fortleben der Schuldknechtschaft im Lohnarbeitsverhältnis). Wenn das Kapital „arbeitet“, so gründet das in einer Logik, zu deren logischen Konstituentien der Energiebegriff gehört. Auch das Kapital ist „gespeicherte Arbeit“. Hat der Energiebegriff in der Physik etwas mit den Banken in der Ökonomie zu tun (vgl. die Unterscheidung von potentieller und kinetischer Energie, die nach der Allgemeinen Relativitätstheorie gegenstandslos geworden sein müßten).
    Das Plancksche Wirkungsquantum ist ein Produkt der Atomisierung der Energie in der Zeit (in der Minkowskischen Raumzeit wird die Zeit in eine Äquivalenzbeziehung zum Raum gerückt). Wie hängt die Energie mit der Orthogonalität (der Dimensionalität) des Raumes zusammen?
    Sind das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elementarladung Konsequenzen aus dem durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Satz von der Erhaltung der Energie?

  • 28.11.1994

    Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet: Haben nicht seit je die Häresien, auch wenn sie im Widerspruch zur Lehre standen, die Praxis der Kirche auf den Begriff gebracht (bis hin zum Trägheitsprinzip der Naturwissenschaften)? Heißt das aber nicht, daß anstelle der Verurteilung (aus deren historischer Folge die Orthodoxie sich entwickelt hat) die Umkehr notwendig gewesen wäre?
    Zum Eucharistie-Verständnis vergleiche Belo, S. 253 (und als Kontrast – oder Erläuterung? – dazu die Paulus-Stellen über die Eucharistie!): Was bedeutet vor diesem Hintergrund die Geschichte und Praxis der Eucharistie-Verehrung? Gehört sie nicht in die Urgeschichte des gesellschaftlichen und kosmologischen Verdrängungs- und Projektionsprozesses, dem der Ursprung und die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Aufklärung sich verdankt?
    Belos Bemerkung, daß die jesuanische Praxis „nicht auf die Produktivkräfte selber …, sondern auf die Zirkulations- und Konsumsphäre“ sich bezieht (S. 308), bezieht sich auf einen Sachverhalt, der seine sprachliche Entsprechung (und den Grund seiner theologischen Aufklärung) in der Unterscheidung von Schrift und Wort findet. Es ist die Logik der Schrift, in der die Abstraktion von der Produktionssphäre (und real die Sklavenwirtschaft, die Leibeigenschaft und die Lohnarbeit) gründet, während die sprachlichen Produktivkräfte (der Begriff der eingreifenden Erkenntnis und die benennende Kraft der Sprache) erst mit der Reflexion der Logik der Schrift sich bilden: als prophetische, messianische und parakletische Form der Erkenntnis, als Vorbereitung der Erfüllung des Worts (die nicht mit der Erfüllung der Schrift zusammenfällt).

  • 16.11.1994

    Als Alexander den gordischen Knoten durchschlug, begründete er die Weltherrschaft: als Herrschaft der Welt über die Welt. Genau hier, in dieser Konstellation, entspringt der Weltbegriff.
    War nicht der Faschismus – ähnlich wie in der politischen Ökonomie – auch im Bereich der Wissenschaften ein Modernisierungsschub?
    Wenn man von den Kirchen absieht, ist die Aufarbeitung der Vergangenheit in zwei Bereichen bis heute nicht gelungen: in der Justiz und an den Universitäten, wobei das Problem in beiden Fällen nicht in den Personen, sondern in den objektiven Strukturen liegt, und in den Personen nur insoweit, als sie über die Rechtfertigungszwänge, unter denen sie stehen, diese Strukturen wesentlich bestimmt haben und noch bestimmen. Notwendig wäre die Reflexion des Ursprungs und der Wirkungsweise dieser Rechtfertigungszwänge. Diese Reflexion aber führt mitten in die Theologie hinein.
    Die Idee des Absoluten: Das ist der brennende Dornbusch, der vom mosaischen nur dadurch sich unterscheidet, daß in ihm Gott zum Verstummen gebracht wird. In ihm ist das Feuer aufgespalten in Trunkenheit und Unzucht.
    Ist nicht der Weinstock der Baum des Noach? Wessen Baum ist dann der Feigenbaum? Vor dem Feigenbaum und dem Weinstock wird in der Jotam-Fabel dem Ölbaum die Königswürde angetragen, danach dem Dornbusch (Reihenfolge: Ölbaum, Feigenbaum, Weinstock, Dornbusch).
    Wenn die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen, bedeutet das nicht, daß die Gotteserkenntnis über die Erkenntnis der Imperative (des Einen, das nottut) läuft: nicht über die Ontologie, sondern über die Ethik als prima philosophia? Das aber heißt, daß wir lernen, auf die Stimmen zu hören, die „zum Himmel schreien“. (Gott ist kein Schlafmittel, sondern ein Erwecker.)
    Die Umkehr (Rosenzweigs Bild von dem Koffer): Ist das nicht die Beziehung von Indikativ und Imperativ?
    Ableitung des Charismas: Ohnmacht exkulpiert; der Ohnmächtige kann nicht eingreifen, deshalb ist er entschuldigt. Das aber geht nur, wenn er alle Last auf den vergöttlichten Heros abwälzt (der die „Sünde der Welt hinwegnimmt“), in seiner Folge auf den König, und schließlich auf jeglichen Führer. Besteht sein Charisma nicht darin, daß er das Funktionieren des Exkulpationsmechanismus garantieren, daß er allen Ohnmächtigen die Last abnehmen soll? Die Sündenböcke werden in den Knästen, den Anstalten des Strafvollzugs, geopfert. Das gesellschaftliche Strafbedürfnis ist ein Maß für das Nichtfunktionieren der Exkulpationsmechanismen.
    Zum Begriff der Sinnlichkeit: Hat die Identität von träger und schwerer Masse etwas mit der von Masse und Energie zu tun (sind Äquivalenz und Identität identisch)? Und wie hängt der physikalische Materiebegriff mit dem ökonomischen, das Trägheitsgesetz mit dem Tauschprinzip, zusammen (und wie mit dem sonstigen Gebrauch des Materiebegriffs, mit dem Begriff des „Materialismus“: Ist die Materie ein Produkt der Urteilslust)? Steckt im Ursprung des Materiebegriffs (des Stoffs, aus dem die Dinge gemacht sind) nicht auch das Geld, und seit dem Ursprung der Lohnarbeit das Kapital? Ist nicht im Materiebegriff teleologisch der Begriff des Kapitals angelegt und vorgebildet?

  • 16.9.1994

    Der Markt transformiert (über die Schuldknechtschaft, die Lohnarbeit) die Unterscheidung von rechts und links in die von oben und unten. Die Trennung verläuft zwischen positivem und negativem Eigentum: zwischen Besitz und Schulden (Armut: Schulden als Stand). Im Hinblick auf die Sprache erweist sich der Markt als Bedeutungsvernichter und Machtgenerator (Zusammenhang mit dem System der Deklination, Ursprung des Nominalismus). Carl Schmitt: „Die Maschine läuft von selbst“ (Pol.Theol., S. 52).
    Ist es eigentlich so schwer zu begreifen, daß Recht und Religion (Staat und Gewissen) nicht kompatibel sind?
    Die subjektive Form der äußeren Anschauung, der Raum, stabilisiert und konserviert die Bedingungen seiner Genesis: die Geschichte der drei Leugnungen. Der Raum ist das Produkt eines Systems von Abstraktionen, die insgesamt sich herleiten lassen aus der Geschichte der realen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur, der Geschichte der gesellschaftlichen und individuellen Selbsterhaltung im Kampf gegen die Mächte der Natur, des Mythos und schließlich der realen politischen und ökonomischen Gewalten. Zu den Konstituentien der Raumvorstellung gehört ebenso das Geld und das Privateigentum wie auch die Schrift, das Recht und das Gewaltmonopol des Staates. Der letzte Schritt der Bildung der Raumvorstellung, deren Geschichte mit der des Ursprungs und der Entfaltung des Tauschprinzips (auch mit der Geschichte der Religion und des Opfers) zusammenfällt, wurde vorbereitet in der Geschichte der Instrumentalisierung des Opfers und vollendet mit der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip, mit dem Institut der Lohnarbeit. Systemgrund war das Institut der Schuldknechtschaft (das zum Tauschprinzip ähnlich sich verhält wie die Gravitation zum Inertialsystem).
    Ist nicht die Schrift in der Geschichte der Kirche zum Buch mit sieben Siegeln geworden?
    „Jede Grundordnung ist eine Raumordnung“ (Carl Schmitt, Land und Meer, S. 71). Hatte Carl Schmitt nicht in der „Politischen Theologie“ die „Grundordnung“ vom Recht getrennt und zum eigentlichen Produkt der Souveränität, deren Aufgabe es ist, „über den Ausnahmezustand zu entscheiden“, erklärt?
    Für die europäischen Völker waren nach Carl Schmitt die „nicht-europäischen und nicht-christlichen Länder und Völker … herrenloses Gut“ (Land und Meer, S. 72).
    „Innere Kämpfe, Bruderkriege und Bürgerkriege, sind bekanntlich die grausamsten aller Kriege.“ (S. 73) Die „Weltkriege“ dieses Jahrhunderts waren Welt-Bürgerkriege, und „Weltanschauungskriege“ sind zu Vernichtungskriege geworden, weil die der „Weltanschauung zugrunde liegende Bekenntnislogik alle äußeren Verhältnisse in „innere“ Verhältnisse transformiert, zu Objekten der eigenen imperialistischen Ansprüche macht. Tendentiell sind sie dazu geworden, als mit der Vorstellung des unendlichen Raumes auch das Herrendenken grenzenlos und irreversibel geworden ist (die innere Differenzierung des Herrendenkens in der äußeren Welt keine Entsprechung mehr vorfand).

  • 6.9.1994

    Gründe zur Skepsis bei Duchrow:
    – In den Bemerkungen über Luther bemerkt er nicht, daß ein Unterschied besteht zwischen der Kritik des (in die Fundamente der Gesellschaft mit eingebauten) „Wuchers“ und der (bloß moralischen) Verurteilung des „Wucherers“: zwischen dem Problem und seiner Personalisierung; vgl. hierzu das Verhältnis Jesu zur „Steuerfrage“ und seine Beziehung zu den „Zöllnern“.
    – Schließt nicht die Personalisierung gesellschaftlicher Probleme immer ein projektives Element mit ein; ist sie nicht nur verständlich im Kontext von Exkulpationsstrategien?
    – Ist nicht die Personalisierung ein Teil der Verdinglichung, und ist diese nicht ein christliches Erbe (das Ferment der Selbstzerstörung des Christentums)?
    – Gibt es Wirtschaftsstrukturen, die zum Leben, und Wirtschaftsstrukturen, die zum Tode führen, läßt sich das so „klar“ trennen?
    – Was versteht er unter der „Gottesfrage“ und unter einem „funktionierenden Gott“?
    – Bezeichnet nicht die „Nische im Perserreich“ genau die Falle, in die Duchrow hineinrennt? Es unterstellt ein Stück Absicht und Planung (und hängt so mit der projektiven und zugleich paranoiden Logik der Personalisierung zusammen), während es die Irrationalität der Realität bestätigt.
    – Erst die Logik der Verdinglichung macht eine spontane Aktion zum Gegenstand einer Organisation (Verwaltungsdenken). Wiederholen sich darin nicht zwangshaft die Strukturen der Entstehung der Kirchen, des Dogmas und der Bekenntnislogik (Zusammenhang mit der Vergegenständlichung als und durch Geschichte)?
    – Verweist nicht der häufige Gebrauch des Begriffs „Zeichen“ auf den Zusammenhang des symbolischen Politikverständnisses mit der Bekenntnislogik (auf die Konstruktion des Schuldverschubsystems)? Das „Zeichen setzen“ drückt das Einverständnis mit dem Wertgesetz aus. „Zeichen“ sind die Buschtrommeln im Dschungel der entfremdeten Welt; sie sprengen nicht das Gesetz der entfremdeten Welt. Dagegen hilft nur eine rückhaltlose, von allen apologetischen Zwängen freie Erkenntnis. Jonas ist nicht nach Ninive gegangen, um alternative Gemeinschaften zu begründen, er hat nicht einmal zur Umkehr aufgefordert, sondern nur verkündet: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört.
    Zusammenhang von Projektion und Paranoia.
    Die Trennung von Realität und Sprache, Produkt der Urteilsform, gründet in den subjektiven Formen der Anschauung. Beide gründen im Gewaltmonopol des Staates, zu dessen Ursprungsgeschichte sie gehören. Die Befreiung von den sieben unreinen Geistern und die Lösung der sieben Siegel ist die konkrete Kritik des Gewaltmonopols des Staates und der Trennung von Sprache und Realität (die Bedingung der Erfüllung des Worts).
    Die „invisible hand“ ist der Inbegriff der Gewalt, die hinter unserm Rücken sich aufrichtet (des Weltbegriffs, der „Sünde der Welt“). Deren Reflexion ist die einzige Möglichkeit, nicht zum Opfer ihrer Verstrickungen zu werden.
    Ist die „invisible händ“ nicht die Hand, die das „mene, tekel u pharsin“ an die Wand schreibt?
    Bleibt die Kritik der „Geldvermehrungswirtschaft“ nicht abstrakt, wenn man zugleich die Umsatzsteigerungen als Rechtfertigung alternativer Wirtschaftsformen benützt? Wer die Alternativen so am Realitätsprinzip mißt, ist schon in dem System gefangen, das er zu kritisieren meint.
    Die Freude, die Duchrow den „Gemeinschaften“ zuschreibt, hängt mit dem Zeichensetzen logisch zusammen: sie gleicht der Euphorie, die zur Verdrängung der Agonie gehört (Ende der Bekenntnislogik).
    Ist der Blutacker (hakeldama) das Symbol der Subsumtion des Ackers unters Tauschprinzip? Adam: mit dem Acker wird auch der Mensch unters Tauschprinzip subsumiert (gemeinsamer Ursprung der „Befreiung“ des Ackers aus seiner theologischen Bindung, der Schuldknechtschaft und Sklaverei, und der Lohnarbeit). Hängt nicht das faschistische „Blut und Boden“ mit dem hakeldama zusammen, und was drückt es eigentlich genau aus? Ist dieses Blut nicht das Blut der „Helden“, die den eigenen Boden verteidigt und fremdes Land erobert haben: Grund der staatlichen Eigentumsnahme? Und was hat das mit Judas Iskarioth, dem Verrat Jesu und mit den Hohepriestern zu tun? War nicht die erste Leugnung Petri die Leugnung vor der Magd des Hohepriesters?
    Skinheads: die Engel des Hegelschen Weltgerichts. Deshalb gehören Friedhof- und Gräberschändungen zur Einübung rechtsextremer Gewalt.

  • 1.9.1994

    Die Bekenntnislogik war das Instrument der falschen Säkularisation der theologischen Gehalte, ihrer Subsumtion unter die Logik der Schrift.
    Mit der Verschuldenskrise (der Krise der Dritten Welt, die jetzt ins Innere der Metropole zurückgreift) reift eine Situation heran, deren Erkenntnis erleichtert wird, wenn Ursprung und Tendenz der hebräischen Geschichte (der Geschichte der Offenbarung) in der altorientalischen Welt begriffen werden.
    Ist nicht die Negativität, in der Hegel zufolge das Selbst und das Allgemeine gründen, der Quellpunkt der Verblendung?
    Die Dinge an sich: das ist der Name Gottes, dem Salomo ein Haus gebaut hat.
    In der subjektiven Form der äußeren Anschauung, in der Raumvorstellung, ist die Erinnerung ihres Ursprungs, ihrer Vorgeschichte, gelöscht, neutralisiert. Zu dieser Vorgeschichte gehören die Geschichte des Tauschprinzips und die Geschichte der Bekenntnislogik. Der Orthogonalität in der Konstruktion der Raumvorstellung entspricht im Bereich des Tauschprinzips die (Schuld-)Knechtschaft und ihre Rationalisierung zur Lohnarbeit, und im Bereich der Bekenntnislogik die Trinitätslehre und die Opfertheologie. Auch die Theologie steht unter einem Bann (war nicht die homousia die Besiegelung der Bekenntnislogik, des Dogmas. der Orthodoxie?).
    Der griechische Mythos gründete in der Vergegenständlichung der Zeit, im Sieg über den Kronos; der Preis war die Schicksalsidee. Der katholische Mythos gründet in der Vergegenständlichung des Raumes, der Verräumlichung des Himmelreichs; sein Preis war die Lehre von der Hölle und vom Fegefeuer (beide vermittelt durch die Logik der Schrift). Der katholische Mythos hat das Herrendenken, das autoritäre Syndrom (symbolisiert in der Unfähigkeit zur Reflexion der Schrift) begründet, gegen deren Vergesellschaftung er hilflos und ohnmächtig ist: Heute ist schon jeder Katholik so schlau wie früher bloß ein Kardinal.
    Die Differenz zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort gleicht der von Spontaneität und Reflexion. Ein geschriebener Text unterliegt sehr viel stärkeren Kontrollmechanismen (er ist das eigentliche Objekt des Hasses der Welt, gegen den er als geschriebener Text sich konstituiert), er entspringt dem Trieb, sich unangreifbar zu machen. Davon dispensiert das gesprochene Wort, insoweit es im Gespräch reflektiert, variiert, auch korrigiert werden kann.
    Steckt nicht im Symbol des Drachen, der war, nicht ist und wieder sein wird, eine Beziehung zum Staub, aus dem Adam ward und zu dem er wieder werden wird, und den die Schlange (auf dem Bauche so sie kriechen) frißt?
    Zur Geschichte der Landnahme: Zweimal werden Kundschafter ins Land Kanaan geschickt. Die ersten haben die Riesen gesehen und sind erschrocken (und den Schrecken ans Volk weitergebend) zurückgekehrt; den zweiten, die nach der vierzigjährigen Wüstenwanderung erneut ins verheißene Land gehen, hat die Rahab geholfen, die dann im Stammbaum Jesu erscheint.
    Gibt es eine Formel für die Summe der
    – Quadratzahlen: 1, 5, 14, 30, 55, 91, 140, 204, 285, 385, … (= (Summe n x (2n + 1))/3 = n x (n + 1)/2 x (2n + 1)/3)
    – Kubikzahlen: 1, 9, 36, 100, 225, 441, 784, 1296, 2025, 3025, … (= Quadrate der einfachen Summenzahlen 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28, 36, 45, 55, …: Summe n3 = (Summe n)2 = (n x (n + 1)/2)2)
    Für den Nationalismus ist das ganze Ausland, da es nicht unter das eigene Recht fällt, herrenloses Gut (noch nicht angeeignetes Eigentum). Gehört diese Konstellation nicht zur Logik der Ontologie?
    NB: Hegel hat die Außenbeziehungen der Staaten als Naturbeziehungen (die Kriege als Naturereignisse) verstanden: Wirft das nicht ein Licht auf das darwinistische Verständnis der Tierwelt (die Hegel für unschuldig hielt)?
    Zum Problem des „Verfassungspatriotismus“: Wichtiger als die Suche nach einer „richtigen“ Verfassung (der Fata morgana der politischen Philosophie) wäre die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Reflexion der Verfassung (zur Staatskritik).

  • 28.8.1994

    Was bedeutet eigentlich Hegels Satz, daß „Geschichtserzählung mit eigentlich geschichtlichen Taten und Begebenheiten gleichzeitig erscheinen“, d.h. daß Geschichte erst durch die Geschichtsschreibung zur Geschichte wird (sh. Vernunft in der Geschichte, S. 164), mit dem Schluß: „.. die bei ihren vernünftigen Gesetzen und Sitten zugleich äußerliche Existenz des Staates ist eine unvollständige Gegenwart, deren Verstand zu ihrer Integrierung des Bewußtseins der Vergangenheit bedarf“? Rührt diese Konstellation nicht an den Kern des Problems der Logik der Schrift?
    Vgl. hierzu Hegel, Philosophie der Geschichte, S. 112-114, 206, 227, 243.
    Erst die Taufe der Vergangenheit, die die Dinge durch die Logik der Schrift erfahren, macht sie zu Dingen. Grammatik und Mathematik sind durch die Logik der Schrift aufeinander bezogen. Ist nicht das Prinzip der Zahlen in der gleichen Struktur vorgebildet, die auch das Neutrum begründet, nämlich in der Subsumtion der Zukunft unter die (ideelle) Vergangenheit, die der (realen) Vergangenheit, indem sie sie von der Gegenwart ausschließt, überhaupt erst ihre verdinglichende Gewalt verleiht?
    Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man Hegels Bemerkung über den Zusammenhang von Geschichte und Geschichtsschreibung auf den Golfkrieg oder auf den Jugoslawien-Konflikt (und auf die Rolle der Medien, der „Öffentlichkeit“, in beiden) anwendet: Gehört nicht die Vorbereitung und Begleitung dieser Konflikte in der Öffentlichkeit zu ihren Ursachen und zu den Bedingungen ihres Verlaufs: Produzieren hier nicht erstmals die Nachrichten die Ereignisse, von denen sie berichten? Beides sind in hohem Grade Medien-Ereignisse.
    Die Kritik der politischen Ökonomie ist heute zu einer verzweifelten Wissenschaft geworden, aber das ist kein Grund, sie nicht weiter zu betreiben.
    Fortschritt der Erkenntnis: Sind es nicht die Kräfte, die im Innern des historischen Prozesses walten, die der Erkenntnis ihre Objekte zuführen.
    Der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen: war das nicht die griechische Sprache, in der das Christentum auf den Weg geschickt worden ist? Und gilt nicht auch hier: Nomen est omen; ist der Name des Paulus nicht ein Hinweis darauf, daß das von ihm begründete Christentum im Namen des Saulus auf den Weg geschickt worden ist, nicht im messianischen Namen Davids (vgl. die Saulus-/David-Geschichte)?
    Steht nicht die historisch-kritische Bibelwissenschaft unter dem Gesetz der Logik der Schrift; wird nicht durch die Logik der Schrift genau das ausgeblendet, worauf es eigentlich ankäme? So, wie schon Augustinus in seinem Genesis-Kommentar durch das „ad litteram“ den prophetisch-symbolischen Teil des Textes ausgeblendet hat.
    Im Bußsakrament hat die Kirche auch noch das Lösen zu einem Teil des Bindens gemacht (es steht in der Entwicklung der Theologie an der Stelle, an der in der Geschichte der Naturwissenschaften das Trägheitsprinzip steht und in der Geschichte des Kapitalismus die Lohnarbeit). Ein spätes Echo dieses Vorgangs ist die Wiedereinbindung der durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit geöffneten Naturerkenntnis in die Geschichte der gesellschaftlichen Naturbeherrschung durch die Kopenhagener Schule (Wiedereinbindung der Kritik des Inertialsystems ins Inertialsystem). Das Bußsakrament ist eine Station auf dem Wege von der Erfindung des Begriffs zum Naturverständnis der Kopenhagener Schule.
    Partizipieren die sieben Sakramente nicht an der Logik der Schrift, gehören sie nicht zur Urgeschichte des Weltbegriffs? Die sieben Siegel sind die sieben Siegel des Buches, das zu öffnen wäre: Daß der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, heißt das, daß er zur Rolle sich zusammenrollt (zum Buch wird), oder daß er sich aufrollt (das Buch sich öffnet)?
    Bei welchen der zehn Plagen Ägyptens nennt Moses Gott den Gott der Hebräer, und wann nennt er den Gottesnamen (JHWH)?

  • 30.6.1994

    Durch ihr Verhältnis zur Philosophie war die christliche Theologie in die Geschichte des Weltbegriffs und in die Herrschaftsgeschichte verstrickt. Das Tabu auf der Herrschaftskritik (die Verteufelung der Herrschaftskritik), das mit dem Weltbegriff mitgesetzt war, hat zur Verdinglichung (Privatisierung und Biologisierung) der Sexualmoral geführt: es hat die Erinnerung an die messianischen Wehen verdrängt. Die Vergangenheit ist (ebenso wie die Physik) nicht wirklich stillgestellt und tot; stillgestellt und tot ist unser Blick auf die Vergangenheit (und auf die Natur). Die Logik dieser Stillstellung ist die Logik des Weltbegriffs (ihre Akteure sind die Urteilsform, die Bekenntnislogik und die Opfertheologie, das Inertialsystem). Der gordische Knoten: Ist nicht der Objektbegriff die Folge davon, daß er nur durchschlagen, nicht gelöst wurde? Durchschlagen hat den Knoten die Philosophie; Aufgabe der Theologie heute wäre es, ihn endlich zu lösen. Ein Hinweis dazu: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben. Oder: Verfallt nicht der Paranoia, zu der die Klugheit der Schlange verführt. Die Paranoia ist der Grund des Mythos: der Schicksalsidee wie auch des Begriffs. Die erste Aufklärung (der Ursprung der Philosophie) verdankt sich der Verinnerlichung des Schicksals: die Allgemeinheit des Begriffs gründet darin, daß hier jeder zur Quelle des Schicksals aller geworden ist. Die zweite Gestalt der Aufklärung, die aus der Theologie hervorgegangen ist, verdankt sich der Verinnerlichung der Scham. Hier gründet die veränderte Beziehung zur Vergangenheit, in der sie durch Entfernung nahe gerückt wird (und aufs neue in Bewegung gesetzt wird). Die Vergangenheit ist nicht das ruhende Tote, sondern der bacchantische Taumel, der Hexentanz der letzten Walpurgisnacht. Die Einheit von Teufel und armer Seele gründet in der Verinnerlichung der Scham, während der Name des Dämons, des unreinen Geistes, der Besessenheit, zurückweit auf die Verinnerlichung des Schicksals (den Ursprung des Weltbegriffs). Steckt nicht in der Beziehung des einen zu den sieben unreinen Geistern die Beziehung der Verinnerlichung des Schicksals zu der der Scham (der Philosophie zum Ursprung der modernen Naturwissenschaft)? Durch die Kollektivscham (die eher auf den „verlorenen Krieg“ paßt als auf das ungeheuerliche Verbrechen des Judenmords) ist Deutschland zum Objekt der Welt geworden (Ursprung der Xenophobie: die Angst vor dem Blick des andern). Liegen die sexuellen Phantasien im Kontext des Pflichtzölibats nicht in der Konsequenz der Schamlogik (der Unfähigkeit zur Reflexion ihres herrschaftsgeschichtlichen Grundes)? Wenn bei Hegel die Idee die Natur frei aus sich entläßt, diese Natur dann aber den Begriff nicht halten kann: ist das nicht das genaueste Bild der Katastrophe (und die Widerlegung der Idee und des Absoluten, die sie freilich nicht gegenstandslos macht)? Die homousia hat das homologein entmächtigt: zum Bekenntnis neutralisiert (wie heißen das Bekenntnis und der Bekenner, die Confessio und der Confessor, auf griechisch?). Ist nicht die Confessio das vergeistigte Martyrium (Produkt der Vergeistigung des Leidens im „Opfer“)? Steckt darin nicht der Schlüssel der ganzen Geschichte: im sprachlichen Übergang von der hyle zur materia, von der physis zur natura, vom kosmos zum mundus? Hat hier nicht eine ungeheure sprachlogische Verschiebung stattgefunden (die gleiche Verschiebung die auch der tertullianischen Begründung der lateinischen Fassung der Trinitätslehre zugrunde liegt, wenn er dem hypokeimenon den lateinischen Namen des prosopon beilegt)? In der tertullianischen Übersetzung berühren sich die Logik der Tragödie und die des Kosmos; war dieser Konnex nicht überhaupt erst innerhalb des Christentums möglich? Hier wurde der Kosmos in den hochdramatischen Geschichtsprozeß mit einbezogen. Die Geschichte von den drei Leugnungen sprengt den Autoritätsbann der Kirche, ohne die Kirche selbst zu verwerfen. Sie begründet im Symbol des Hahns ein neues Selbstbewußtsein, sie gibt dem Heiligen Geist Raum. Wer die Schrift insgesamt als Prophetie liest, verändert (berichtigt) damit nicht nur den Sinn der Schrift, sondern auch den der Prophetie. Wenn die Idee des Absoluten der Schatten ist, den das Subjekt auf Gott wirft, berührt sich das nicht mit jener Auslegung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, wonach niemand über seinen eigenen Schatten springen kann? Ist nicht das Verhältnis von Schuldknechtschaft (Lohnarbeit), Tauschprinzip und Privateigentum ein Reflex der Orthogonalität des Raumes und ebenso das Verhältnis von Opfertheologie, Bekenntnislogik und Dogma? Alle drei, das Tauschprinzip, die Form des Raumes und die Bekenntnislogik, sind dem selbst auferlegten Zwang der Instrumentalisierung unterworfen (sie gehören zu den Konnotationen der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“). Ist nicht die Mathematik (das Inertialsystem) die Finsternis über dem Abgrund? Hat nicht im Konflikt zwischen Peter Eicher und seiner Tochter diese „den besseren Teil erwählt“? Die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels: Sind nicht die Vögel akustische Blumen? Und ist nicht das Naturschöne Ausdruck von Wiederholungszwängen: Ausdruck des Seufzens und Harrens der Kreatur? Der Gehorsam ist ein Produkt der Verräumlichung des Hörens und die Sexualmoral ein Produkt der Verdinglichung der Keuschheit (die Zwischenstufe beider war die Logik der Schrift); beide sind Teil einer Beziehung von Theorie und Praxis, die im Verhältnis von Naturwissenschaft und Technik sich erfüllt (und Freiheit nicht kennt). Theologie im Angesicht Gottes erfüllt sich in einer Theologie von Angesicht zu Angesicht (als Reflexion der Scham, nicht als Unterwerfung unter ihr Gesetz: wie im Islam): Sie setzt die Freiheit der Kinder Gottes voraus.

  • 15.4.1994

    Intersubjektivität ist nicht nur ein Versteck vor dem Angesicht Gottes (unter den Bäumen des Gartens), sie wird am Ende zum Institut der kollektiven Isolationshaft. Die vorwerfbare Schuld – als Schuld im Blick der andern – ist der gemeinsame Grund des Mythos, der Natur und des Rechts. Umkehr ist das Instrument der Auflösung der vorwerfbaren Schuld: der Sünde der Welt (des projektiven Schuldverschubsystems). Alle Weltbegriffe sind, auch wenn sie es nicht wissen, nationalistisch: konkrete Anwendungen und Ausgestaltungen des Schuldverschubsystems: Es gibt keinen Weltbegriff ohne das Feindbild der Barbaren, Heiden oder Juden (der Fremden – nicht der Andern, die vielmehr Teil des Weltbegriffs sind). Dem Namen der Barbaren entspricht im Kontext der Naturerkenntnis der Begriff der Materie, der nicht zufällig an den Namen der Mutter – mater – erinnert. Zu prüfen wäre, ob und wie die Begriffe hyle und materia auch inhaltlich und genetisch sich unterscheiden (und ggf. mit den Unterschieden zwischen den Begriffen physis/natura bzw. kosmos/mundus zusammenhängen). Materie: Ist das nicht die von der schmutzigen Sinnlichkeit gereinigte und dadurch finster gewordene Materie, das genaue Pendant der sexualmoralischen Verstrickung der kirchlichen Theologie? Die Apokalypse ist ebenso wie ein historisches auch ein gnoseologisches Problem: die letzte Gestalt des Begriffs der Offenbarung. Der mechanische Stoß ist das gegenständliche Korrelat der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft, Grund eines Systems von Äquivalenzbeziehungen, aus dem die Möglichkeit mathematischer Naturerkenntnis sich herleitet. Einzig vergleichbar der Macht des Tauschprinzips, der Herstellung von Äquivalenzbeziehungen im Bereich der gesellschaftlichen Reproduktion des Lebens auf der Grundlage des Privateigentums. Bei beiden wird ein Systemmoment impliziert, das mit den Begriffen Orthogonalität, Schuldknechtschaft und Lohnarbeit sich genauer bezeichnen läßt. Heinsohn hat recht, wenn er die Erfindung des Geldes auf das Institut der Schuldknechtschaft zurückführt, den frühesten Vorboten des Kapitalismus und der Lohnarbeit in der Vorvergangenheit. In der Lohnarbeit ist die Schuldknechtschaft instrumentalisiert worden. Ist die Wahrnehmung nicht faszinierend, daß das Institut der Schuldknechtschaft zur Ursprungsgeschichte der Hebräer gehört (und wirft sie nicht ein Licht auf den Namen der „hebräischen“ Schrift)? Hat der Vergleich des Dogmas mit den zwei Seiten eines Blattes (von denen wir nur die eine kennen, die nicht die der Wahrheit ist) eine sehr präzise Bedeutung? Hat die Theologie nicht insofern auch etwas mit der Idee der Auferstehung zu tun, als es in ihr um die Wiedergewinnung der vergangenen Zukunft geht? Die opfertheologische Instrumentalisierung des Kreuzestodes gehört zu den Mächten der Vergangenheit über die Zukunft (zu den „Pforten der Hölle“). Die Zukunft unter dem Verschluß der Vergangenheit halten: Darauf bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen; und das Lösen ist das Lösen der Zunge, die vergangene Zukunft das Objekt der Sprache, des Namens. Erst wenn ich begreife, daß die Welt der Abgrund ist, der mich von den andern trennt, begreife ich, was es heißt, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen. Die Idee des Absoluten ist der Greuel am heiligen Ort: das sich auf sich selbst beziehende Anderssein Gottes, seine Leugnung. Ist die Geschichte der drei Leugnungen die Geschichte der Idee des Absoluten? „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt …“ (vgl. Joh Kap. 630ff.54ff)? Mein ATARI hat nicht nur einen Mülleimer, er ist ein Mülleimer, in den ich alles ablade: Aber sind Mülleimer nicht die Lebensquelle der Ausgeschlossenen, der Slumbewohner? Ist nicht der Antisemitismus, der Druck, der ihn produziert, ein Hinweis darauf, wie nahe die Lösung ist? Der Begriff der verwalteten Welt ist ein Pleonasmus: Ohne Verwaltung gibt es keine Welt (gibt es kein Allgemeines, wie auch die Verwaltung die Brutstätte der Gemeinheit ist – das Gemeine ist der Grund des Allgemeinen).

  • 11.4.1994

    Die Unterscheidung von Ding und Sache, die zu den Voraussetzungen des Inertialsystems gehört, hat eine innere Unterscheidung im Begriff des Staates und im Eigentumsbegriff zur Grundlage (vgl. Hegels Rechtphilosophie, 45).
    Es ist wirklich nur noch komisch, wenn H. Donner in seiner Geschichte des Volkes Israel zu Ri 56: „Zur Zeit des Schamgar ben Anath, zur Zeit der Jael, hörten die Wege auf, und die Pfadläufer gingen verschlungene Wege“ bemerkt: „Das war schwerlich etwas anderes als die Sperrung der Hauptverkehrsstraßen für die Israeliten durch die Kanaanäer“ (S. 160). Hat diese unfreiwillige Komik nicht auch wiederum ihre eigene tiefe Symbolik?
    Raum, Geld und Bekenntnis: Das Geld weist ebenso wie auf das Tauschparadigma auf ein Schuldparadigma (Schuldknechtschaft) zurück, ohne das es die Lohnarbeit (die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip) nie gegeben hätte. Dem entspricht theologisch (und religionsgeschichtlich) Begriff und Geschichte des Opfers, neutralisiert und unkenntlich gemacht durch ihre Beziehung zum Raum: durch die in der Raumvorstellung, in der Beziehung der Richtungen im Raum, sedimentierte und verkörperte Abstraktionsleistung. Hier liegt der logische Grund, durch den der Raum und Handel im Begriff der Veräußerung aufeinander sich beziehen.

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