Ist das Vaterland nicht eine römische Erfindung (patria), und ist der Gottename Vater nicht dagegen gerichtet (und hat das Problem der Väter in den Evangelien überhaupt hier seine Ursache, wie z.B. das „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ oder die Frage: „Welcher Vater würde, wenn sein Kind ihn um ein Stück Brot bittet, ihm einen Stein geben“ – steckt in dieser Frage nicht die ganze Staatskritik der Evangelien)?
Die subjektive Form der äußeren Anschauung ist der Repräsentant des Gewaltmonopols des Staates im Subjekt, die subjektive Form der inneren Anschauung das Instrument seiner Vertuschung. Das gegenständliche Korrelat der subjektiven Form der inneren Anschauung ist der Hades, das Totenreich, die Hölle.
An den Gleichungen der Lorentz-Transformation läßt sich das Gesetz der Umkehrung erkennen, dem das Inertialsystem sich verdankt.
Das spezielle Relativitätsprinzip macht die vier Himmelsrichtungen (rechts und links, vorn und hinten) konvertibel, das allgemeine Relativitätsprinzip Himmel und Erde (oben und unten). Nur: Die Bewegung des fallenden Fahrstuhls ist nicht umkehrbar. Das aber heißt, daß die Beziehung von oben und unten genau durch die Operation, die sie reversibel macht, irreversibel wird.
Ähnlich sind die Staatsschutzprozesse als politische Prozesse Prozesse der Entpolitisierung.
Während das Strafrecht sonst dem Trägheitsgesetz, der Mechanik korrespondiert, korrespondiert das Staatsschutzrecht dem Gesetz der Schwere, das nur über die Identität von träger und schwerer Masse dem Trägheitsgesetz kompatibel gemacht werden kann. Der Satz „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ gilt unmittelbar nur fürs Strafrecht, dessen Grenze er definiert; in den Staatsschutzverfahren, die die Grenzen des Strafrechts ausloten, wird er zum Prinzip und zur Grundlage der Verfahren. Staatsschutzverfahren suchen (durch Anwendung der Logik des Schuldverschubsystems) den schwerelosen Zustand herzustellen, der das Innere des fallenden Fahrstuhls definiert. Staatsschutzverfahren gehorchen zwangshaft und blind dem Unschuldstrieb des Staates, der ihn vollends böse macht.
An dem Bild des frei fallenden Fahrstuhls läßt sich die Beziehung der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie demonstrieren und klären: Im frei fallenden Fahrstuhl ist das Kausalverhältnis eindeutig von seinem Bewegungszustand auf den Zustand im Innern des Fahrstuhls gerichtet. Im Bereich der politischen Ökonomie kehren sich die Verhältnisse um: Der Versuch, im Innern eines ökonomischen Systems einen schwerefreien Zustand herzustellen, versetzt dieses System in den Zustand des freien Falls. Das Problem der Beziehung von Naturwissenschaft und Ökonomie ist das Problem der Reversibilität (die dem Unschuldstrieb folgende Unfähigkeit zur Schuldreflexion macht die Schuld erst irreversibel, sie zerstört die Sprache, die von der Idee der Reversibilität der Schuld: von der Idee der Umkehr lebt).
Laborbedingungen sind Exkulpationsbedingungen: Sie gehorchen dem Schuldverschubsystem und haben den gleichen Effekt wie Schlachthäuser, Irrenhäuser, Gefängnisse („Zuchthäuser“). Gründet die kabbalistische Tradition, daß die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, nicht in dieser Konstellation? Die sechs Richtungen des Raumes sind insgesamt dann noch mal auf die Irreversibilität der Zeit versiegelt: das ist das siebte Siegel; deshalb ist der siebte Tag der Tag der Ruhe (und der Menschensohn der Herr des Sabbat). Das „ruhende Inertialsystem“ (das zwangsläufig in zwei Versionen sich konstruieren läßt) ist die absolute Parodie des Sabbat.
Gehorsam und Hören: Die Grenze zu den Barbaren ist die Grenze der sprachlichen Kommunikation. An der gleichen Grenze erfolgte die Erfindung der alphabetischen Schrift bei den ersten Handelsvölkern (der erste Handel war Fernhandel), den Phöniziern. Ist nicht die griechische Sprache eine Folge der Erfindung der Schrift: Ist nicht die innere sprachlogische Ausgestaltung des Griechischen der zweite Schritt, der dieser Sprache (wie das Aramäische dem Hebräischen) den Charakter einer Verkehrssprache verliehen hat? Hier erst ist diese Schrift zivilisationsbegründend („hellenistisch“) geworden.
Haben die Inder das Wissen, die Griechen die Natur und die Römer die Welt erfunden? Ein Prozeß mit einer merkwürdigen logischen und zeitlichen Verschiebung: Er beginnt mit den „Veden“ und vollendet sich mit einer über die Araber vermittelten indischen Erfindung: mit der Erfindung der Null, die die moderne Algebra und die Konstruktion des Inertialsystems überhaupt erst ermöglichte.
Was vermag das Sündenbocksyndrom und das Konzept der wechselseitigen Begründung des Heiligen und der Gewalt zu leisten im Hinblick auf die Selbstaufklärung des Begriffs der Öffentlichkeit (Hinrichtungen waren und Strafprozesse sind öffentlich)?
Haben nicht die Staatschutzprozesse aus den Fehlern des Volksgerichtshofs gelernt? Ist nicht diese unheilige Trinität aus BKA, BAW und Staatsschutzsenaten ein Versuch, das Vorurteil zu rationalisieren, es technisch verfügbar zu machen? Oder anders: Ist nicht der Begriff der „Organisierten Kriminalität“ (und sind nicht einige andere ähnliche Konstrukte) auch ein Stück Projektion, steckt dain nicht etwas, in dem der Staat sich selbst wiedererkennen müßte? Sind nicht die mafiösen Strukturen, die ihren Namen von der italienischen Mafia haben, heute dagegen exemplifiziert werden an Organisationen, die aus China, aus Vietnam, aus Rußland oder aus Rumänien stammen, ein Abbild von Strukturen, die unter dem logischen Zwang der Aufgaben in staatlichen Einrichtungen sich herausgebildet haben und erkennen lassen? Sind nicht die Formen der „Organisierten Kriminalität“ Reflexionsformen des „freien Marktes“, und dienen die Hinweise auf die „Organisierte Kriminalität“ nicht mittlerweile als Alibi für die entsprechende Ausgestaltung der Einrichtungen, die sie bekämpfen (und zugleich auf andere Aufgaben sich vorbereiten) sollen ? Ist das nicht eine der Folgen der Feindbildlogik, die seit je mit dem Hinweis auf den Feind bewußtlos die eigene Angleichung an den Feind betrieben hat?
Sind nicht alle Feindbilder: Organisierte Kriminalität (Mafia), Terrorismus (Iran, Libyen, PKK, IRA, ETA, Fundamentalismus, insbesondere der Islam) zugleich Bilder von feindlichen oder verbrecherischen Organisationen ausländischer Herkunft oder des Internationalismus im Innern des Staates? In den gleichen Kontext gehört das Wiederaufleben der Religions- und Weltanschauungskriege.
Gehören hierher nicht die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und im Anblick der aus dem Bann des Ost-West-Konflikts herausgetretenen Ökonomie (Globalisierung, Freisetzung der Kräfte des „freien Marktes“, „Reform“ des Sozialstaats) notwendigen Versuche der Reorganisation (der Neudefinition der Aufgaben) der Militärapparate, der Geheimdienste, der Terrorismus- und der Kriminalitätsbekämpfung?
Ähnlich wie die Privatisierung des Fernsehens die Medienlandschaft verwüstet hat, verwüsten die Privatisierung staatlicher Aufgaben die Politik und die Staatsschutzprozesse den Rechtsstaat.
Lassen sich nicht heute schon die mafiösen Strukturen in der Politik an Parteien festmachen: an der Komplizenschaft von Religion und intriganter Machtpolitik, an der Speerspitze des Neoliberalismus, der nur noch die Interessen seiner Klientel vertritt, und an der Einbindung der Sozialdemokratie, die für sich selbst das „Bangemachen gilt nicht“ längst außer Kraft gesetzt hat?
Das Problem läßt sich am Beispiel Helmut Schmidt demonstrieren, der einmal den Ermittlungsbehörden und den Gerichten die Weisung mitgegeben hat, in der Terrorismus-Bekämpfung „bis an die Grenze des Rechtsstaats“ zu gehen, während er in der Frage der Währungspolitik der Deutschen Bundesbank seine kritische Reflexionsfähigkeit sich bewahrt zu haben scheint.
Ähnlich die Kirche, die die Spannung ihre eigenen inneren Widerspruchs (des Widerspruchs zwischen dogmatischer und moralischer Tradition und den materiellen Zwängen des ökonomischen Weltzustandes) heute bis zum Zerreißen an sich selbst erfährt (die Last, unter der sie steht, ist in der Gestalt des gegenwärtigen Papstes, der kein Zyniker ist, aber trotzdem das Opus Dei stützt und seiner Hilfe sich bedient, geradezu sinnlich erfahrbar). Die Kirche in Deutschland dagegen scheint allein an der repressiven Sexualmoral zu leiden, während sie das Problem des Dogmas, des Bekenntnisses, der Orthodoxie nicht sieht und die ökonomischen Weltprobleme nur bis zu dem Punkt zu sehen scheint, an dem sie beginnen, den eigenen Status in Frage zu stellen.
Es gibt nicht mehr den einen Angelpunkt, an dem alle Probleme sich festmachen lassen. Ist nicht das Problem heute in der Schrift schon präzise bezeichnet: in der Geschichte der drei Leugnungen und in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern (in den Gestalten des Petrus und der Maria Magdalena).
Zu verweisen ist insbesondere auf die sieben unreinen Geister, von denen keiner mehr für sich alleine in Anspruch nehmen darf, den Angelpunkt der Lösung der Weltprobleme zu bezeichnen.
Zu René Girard: Ist nicht das Lamm Gottes, das würdig ist, die sieben Siegel zu lösen, die Umkehrung der Perspektive des Sündenbock-Syndroms?
Nicht in der Sonne und nicht im Mond, aber auch nicht in Jupiter und Mars oder Venus und Merkur, sondern im Saturn, und dann erst in der Konstellation der anderen „Planeten“, ist die Lösung der Welträtsel beschlossen. In den vergeblichen Versuchen der sechs anderen Planeten, in sich selbst die Imago der Ruhe nachzubilden, die im Saturn ihren Grenzbegriff findet. Die Abbilder des ruhenden Zentrums sind allesamt Verführungen des Unschuldstriebs.
Venus und Merkur: Liegt die Exogamie nicht noch vor dem Ursprung des Fernhandels?
Jupiter und Mars: Liegt der Krieg vor der Konstituierung des Rechtsstaats?
Adornos Konzept des Eingedenkens der Natur im Subjekt war ein saturnisches Konzept.
Was hat diese ganze Geschichte mit dem Wasser und dem Feuer zu tun, mit der Taufe und dem Geist?
Lorentz
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24.11.1996
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28.12.95
Die gelegentliche Bemerkung Emmanuel Levinas‘, daß alle Gewissensprobleme apriorische Probleme sind (Vier Talmud-Lesungen, S. 118), ist eine schlagende Widerlegung jedes affirmativen Verständnisses der transzendentalen Logik. Sie wirft ein Licht auf die Gründe des „Grübelns“: auf das sinnlose Kreisen in dem Raum einer apriorischen Logik (das nicht zufällig dem sinnlosen Kreisen gleicht, in dem das kopernikanischen System die Planeten gefangen hält – hat die „Venus-Katastrophe“ vielleicht etwas mit der Katastrophe des Ursprungs der Sexualmoral zu tun?), aber auch auf das großartige Wort Kants, das das moralische Gesetz in mir zum Sternenhimmel über mir in Beziehung setzt. Wäre es möglich, daß diese Bemerkung das Rätsel der Gravitation löst: ist das Licht das durchs Gravitationsgesetz verschlossene Innere der Schwerkraft (vgl. die Jesaia-Stelle über das Licht und die Finsternis)?
Auf den gleichen Zusammenhang bezieht sich das Wort Adornos, daß heute alle sich ungeliebt fühlen, weil keiner zu lieben mehr fähig ist.
„Ihr seid das Licht der Welt“: das Licht, das in jeder Epoche durch Reflexion der Finsternis (der „Sünde der Welt“) der Finsternis neu abzuringen ist.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat das Objekt der naturwissenschaftlichen Erkenntnis sich verschoben: Im kopernikanisch-newtonschen System kreisen die Planeten um die Sonne (um das Gravitationszentrum), in der speziellen Realtivitätstheorie Einsteins kreist das Inertialsystem um die Lichtgeschwindigkeit (ist nicht das Licht die aufgehobene Schwerkraft?). Die Gleichungen der Lorentz-Transformation sind die Gravitationsgleichungen, die dieses Kreisen beherrschen.
In diesen Kontext gehört der Hinweis von Levinas, daß das Gesicht des Andern das Gebot „Du sollst nicht töten“ verkörpert (das gleiche Gesicht, das den absoluten Charakter der subjektiven Formen der Anschauung, der in der Abstraktion vom Blick des Andern gründet, und damit die Vorstellung der unendlichen Ausdehnung des Raumes und das kopernikanisch-newtonsche System widerlegt).
Auch die Kirche steht in der Tradition Babels: Ist nicht die Ursprungsgeschichte des Dogmas und die Geschichte der Orthodoxie ein spätes Echo der babylonischen Sprachverwirrung?
Das Feigenblatt, Ochs und Esel: Gehören sie nicht zu dem Vorgang, in dem das Besserwissen sich vor die Erkenntnis schiebt?
Inquisition: Ebenso schlimm wie die direkte Zerstörung des Vertrauens (die „wissende“ Kinder hervorbringt) ist der Mißbrauch des Vertrauens: der Kindern, die man selber schamlos belügt, zugleich das Lügen verbietet. Ist die Naturerkenntnis, die unterm Apriori der subjektiven Formen der Anschauung steht, das Paradigma eines solchen „Mißbrauchs des Vertrauens“, sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung eine Verkörperung dieses Mißbrauchs?
Die Kritik der reinen Vernunft verbindet die Begründung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis mit der Kritik dieser Erkenntnis. Die Beziehung von Begründung und Kritik erscheint im System in der Unterscheidung und Trennung der Kritik der Urteilskraft von der Kritik der reinen Vernunft. In der Wirkungsgeschichte Kants scheint allein das Moment der Begründung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis sich durchgesetzt zu haben, während das Motiv der Kritik angesichts der überwältigenden Erfolge der Naturwissenschaften verdrängt und vergessen wurde (vorbereitet wurde das in der Hegelschen Instrumentalisierung der Kritik, die es ihm ermöglichte, sie mit dem erkenntnisbegründenden Teil der kantischen Vernunftkritik zu verschmelzen und die neue Form der Einheit beider als Dialektik zu domestizieren).
Kritik wird durch Instrumentalisierung zur Komplizenschaft. -
24.4.1995
Materie und Masse unterscheiden sich wie Sache und Ding (wie Handwerk und Industrie). Die Trennung des Dings von der Sache (die ihre Wurzeln in der Opfertheologie hat) gehört zu den Ursprungsbedingungen der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung und wird durch sie stabilisiert. Der sprachgeschichtliche Zusammenhang wird sinnfällig an der Beziehung des Massenbegriffs zum Inertialsystem, durch den er vermittelt ist.
Ist nicht der deutsche Schöpfungsbegriff (vgl. schaffen, Schaff, Schiff), der an die Beziehung von Kelle und Topf erinnert (und damit an das Kelchsymbol, das hier auch den Begriff der „Schöpfung“ ergreift und verhext), eine Konsequenz aus dieser Konstellation, deren theologische Wurzeln ebenso im Konzept der creatio mundi ex nihilo wie im scholastischen Begriff der Eucharistie, der Transsubstantiation, liegen: Raum und Zeit werden aus dem Schöpfungsbegriff herausgenommen und ihm vorgeordnet (so im Konzept des „Urknalls“); geschaffen ist nur die von ihren sinnlichen Eigenschaften getrennte, und deshalb durch göttlichen Eingriff veränderbare Substanz, die Masse? Aber war nicht umgekehrt die Idee der Transsubstantion die letzte, verdinglichte und entfremdete, Erinnerung an das Gebot der Heiligung des Gottesnamens und seine Beziehung zum Logos und zur Nachfolge (homologein, „Bekenntnis des Namens“)?
Beton: Die „nichteuklidischen Geometrien“ machen die euklidischen selber zur Materie: zu einem Steinbruch, aus dem sie das Material für die Neukonstruktion entnehmen. Damit wird aber der Begriff und der Charakter des Referenzsystems verändert: instrumentalisiert.
Die dem Inertialsystem immanente Raumvorstellung ist säkularisierte, neutralisierte Theologie. In der jüdischen Tradition hat sich das in der Vorstellung ausgedrückt, daß die sechs Richtungen des Raums (oben und unten, vorn und hinten, rechts und links) auf sechs Gottesnamen versiegelt sind, während die christliche Tradition den Anspruch enthielt, daß diese Siegel (deren Zahl dann auf sieben erhöht wurde) sich lösen lassen. – Hat das siebte Siegel etwas mit dem Satz, daß der Menschensohn auch Herr des Sabbats ist, zu tun (und ist deshalb der achte Tag zum dies dominica geworden)?
Der Inertialsraum ist mathematisch invariant gegen Translationen und gegen Drehungen; dynamisch ist er jedoch nur gegen Translationen invariant, während bei Drehungen die Inertialkräfte als Zentrifugalkräfte sich manifestieren. Erst durchs Prinzip der Lichtgeschwindigkeit sind beide Invarianzen in einem Punkt miteinander verknüpft worden: Mit der Lorentz-Transformation (mit der Längenkontraktion, der Zeitdilatation und dem Anwachsen der Trägheit) hat das Relativitätsprinzip ein Moment der Drehung des Inertialsystems in sich selbst in sich aufgenommen. Die Differenz zwischen den beiden Invarianzen (der Translation und der Drehung) war der Grund für Newtons Konzept des absoluten Raumes.
Memoria passionis: Gehört dazu (zur Frage des eigenen Leidens und zum Problem des Selbstmitleids) nicht auch das Satz, daß Gott niemand über seine Kraft versucht? Dieser Satz läßt sich jedoch nicht auf das Leiden anderer anwenden.
Der moderne Materiebegriff ist eingeschlossen in das Projekt „Verinnerlichung der Scham“. In diesem Kontext gründet der Begriff der inertia.
Die augustinische Gnadenlehre und ihre paulinischen Wurzeln, der Ursprung des modernen Massenbegriffs oder die Demoralisierung durch Theologie.
Theologie deutsch:
Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
der wollte keine Knechte.
Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
dem Mann in seine Rechte.
Drum gab er ihm den kühnen Mut,
den Zorn der freien Rede,
daß er bestände bis aufs Blut,
bis in den Tod die Fehde.
Am Kruzifix im Schlafzimmer läßt sich die Verschiebung verdeutlichen, die dem Ursprung der kirchlichen Sexualmoral (ihrer Trennung von der Herrschaftskritik im Kontext der theologischen Rezeption des Weltbegriffs) zugrunde liegt. Das Kruzifix im Schlafzimmer ist ein Instrument der Verdrängung der memoria passionis durch Instrumentalisierung der ins Bild gebannten Erinnerung. Die Besiegelung dieser Verdrängung ist die sexualmoralische Verdammung der Lust (Reflex des Massenbegriffs in einem Akt, den die kirchliche Lehre seit den Kirchenvätern der Erbschuld zugeordnet hat): Seitdem ist jede Lust „materialistisch“.
Die Sprache, die dem Objektivationsprozeß, dem Prozeß der Verdinglichung, sich angleicht, hat zugleich die Kompetenz gewonnen, ihn ausdrücken: seitdem ist er analysierbar.
Läßt nicht das Verhältnis der deutschen zur griechischen Sprache, die beide darin übereinstimmen, daß sie den bestimmten Artikel in das System der Deklinationen mit hereinnehmen (Logik der Substantivierung), an dem projektiven Bild der Barbaren und der Wilden sich demonstrieren? Gegenüber der griechischen hat der Projektionsbedarf der deutschen Sprache sich verstärkt. Nur ist dieser Projektionsbedarf als Teil der inneren Logik der Sprache zugleich ein Teil der Logik der Welt, die darin sich ausdrückt. Ist nicht die Deklination des bestimmten Artikels ein Ausdruck und ein Instrument der Neutralisierung, der Verdinglichung, der Substativierung? Liegt nicht das Verhängnis der deutschen Sprache darin, daß sie als Sprache nicht mehr aus ihrer eigenen Logik durchsichtig zu machen ist, sondern nur durch Reflexion ihrer griechischen und lateinischen Vorgeschichte? Nur durch ihren Fremdwörterbestand ist die deutsche Sprache noch der Humanität verbunden.
Die Hellenen sprachen griechisch; erst die Deutschen (die auch deutsch reden) haben sie zu Griechen gemacht, nachdem die Römer (die lateinisch sprachen) die griechischen Sklaven, die ihre Kinder unterrichteten, graeculi nannten.
Begriff und Gegenstand: Im Bann des Objekts wird das Subjekt selber zum Objekt (zum Knecht eines Herrn). Nur in der Reflexion dieser Konstellation ist der Bann des Objekts zu brechen.
Das Ensemble der Mechanik, die Billardkugeln, an denen die Gesetze und Begriffe der Stoßprozesse demonstriert werden, liegt vor aller Augen: wie die Handlung des modernen Dramas auf der Guckkastenbühne (dem Modell des Inertialsystems). Die Objektwelt, auf die das kopernikanische System und das Gravitationsgesetz sich beziehen, präsentiert sich in einer vergleichbaren Unmittelbarkeit, sofern die Position, aus der sie so erscheint, erst einmal erreicht ist: Sie ist insgesamt durch diesen Prozeß, in dem diese Unmittelbarkeit sich konstituiert, vermittelt. In dieser Unmittelbarkeit wird die der unvermittelten Erfahrung, in der es Tag und Nacht, den Wechsel der Jahreszeiten, die sinnliche Präsenz sinnlicher Objekte gibt, sowohl „erklärt“ als auch zugleich zu bloßem Schein herabgesetzt. Das sinnlose Kreisen der Planeten, zu denen jetzt auch die Erde zählt, um das Zentralgestirn, die Sonne, ist selber sinnlich nicht wahrnehmbar, sondern spielt sich für uns in unserer Vorstellung ab, es ist eine vorgestellte Welt der Erscheinungen, die zwar allen gemeinsam ist, in der aber jeder nur für sich ist: in der alle einsam sind. Das kopernikanische System ist das Produkt einer ästhetischen Rekonstruktion, in der die Welt zum gemeinsamen Objekt einer stummen Gemeinschaft wird, in der alle durch das gemeinsame Anschauen der für alle gleichen Welt (und d.h. durch den Grund ihrer Trennung) verbunden sind. Diese Gemeinschaft gründet darin, daß die Welt eigentlich nur eine Welt für andere ist, und eine Welt für mich nur insoweit, als ich selbst ein anderer für andere bin. Und diese Welt ist meine Welt nur insoweit, als ich Teil einer Gemeinschaft bin, die in dieser Welt als deren Subjekt (als Weltanschauungsgemeinschaft) sich erkennt. Das aber heißt: In dieser Welt erkennt sich die Menschheit als Gattung, nicht als Menschheit. -
30.11.1994
Das Tier ist der Fürst dieser Welt.
Die aristotelische Prämisse: „Alle Menschen streben nach dem Glück“ wäre durch die Definition des Glücks zu ergänzen: Glücklich ist, wer die Möglichkeit hat, gut sein zu können. Nur so gewinnt die daraus abgeleitete christliche Idee des seligen Lebens Inhalt.
Der Weltbegriff ist der Quellpunkt und der Inbegriff der Staatslogik, deren Ursprungsgeschichte die mythischen Kosmologien und Kosmogonien zu beschreiben suchten.
Taucht der Naturbegriff bei Rosenzweig in systematischem Zusammenhang nur in der „Metaphysik“, bei der Konstruktion des mythischen Gottes auf? Interessant wäre die Rekonstruktion der Stellung und des Schicksals der drei kantischen Totalitätsbegriffe, Wissen, Natur und Welt.
– Das Wissen erscheint in der Gestalt des Nichtwissens (zu dessen Konstituentien die Todesangst gehört),
– die Natur erscheint im Kontext der Konstruktion des mythischen Gottes, und
– nur die Welt ist (als eines der Objekte des Nichtwissens) eines der drei „Elemente“, in die das All mit der Reflexion der Todesangst zerspringt.
Wenn die Philosophie (die Selbstreflexion der Herrschaftsgeschichte) der mystische Leib Christi ist, wirft das nicht ein neues Licht auf das Bild der Pieta?
Der Kelch: Nachdem die Kirche mit der Opfertheologie sich auf die Seite der Täter der Ermordung Jesu gestellt hat, wiederholt sie zwangshaft dieses Tätersyndrom im Säkularisationsprozeß. Ist nicht dieses Tätersyndrom der Grund einer Gnadenlehre, die die Christen zur Ohnmacht (und die Attribute Gottes, die nach Hermann Cohen Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, zum spurlosen Verschwinden) verurteilt? Und war diese Gnadenlehre nicht die christliche Transformation des Islam (das Handeln eine Form der Ergebung)? Aber hatte Jesus nicht seine „Vollmacht“ auf die Jünger und Apostel übertragen, und bezieht sich diese Vollmacht nicht auf die Taten, mit denen Jesus die Frage des Täufers beantwortete, ob er es sei, der da kommen soll?
Hätte Jesus länger gelebt, wenn er seinen Vater, der nach seiner Kindheit aus der Geschichte Jesu spurlos verschwindet, und seine Mutter, die er mit dem „was habe ich mit dir zu schaffen“ abfertigt, geehrt hätte?
Das Christentum ist der Verführung durch die Sexualmoral erlegen: einer Verführung, die in dem Glauben sich ausdrückte, es gebe so etwas wie Unschuld in dieser Welt. Indem nur die Frauen an der Idee der Virginitas gemessen wurden, wurden zwei Effekte erzielt:
– Die Politik wurde aus dem Bereich der Idee der Keuschheit ausgegrenzt, und
– die (an das Organ der Gebärmutter gebundene) Idee der Barmherzigkeit wurde theologisch gegenstandslos (um dann im projektiven Konstrukt der Hysterie wiederzukehren).
Bezieht sich der apokalyptische Unzuchtsbecher auf diesen Sachverhalt?
Ist die Beziehung des Femininum zum Plural (beim bestimmten Artikel im Deutschen) nicht im Begriff der Materie vorgebildet (dem Begriff der Materie einbeschrieben)? Und ist dieser Gedanke nicht der Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungstheorie (des Planckschen Wirkungsquantums)? (Hatte Hitlers Instinkt nicht die Masse als Weib erkannt?)
In welcher Beziehung stehen im Planckschen Strahlungsgesetz die zeitbezogenen Energiequantelungen (der Korpuskelt-Welle-Dualismus) und die raumbezogenen Materiequantelungen (die Atome)? Drückt nicht das Plancksche Strahlungsgesetz die Beziehung der mechanischen Bewegung zur Lichtgeschwindigkeit (der kinetischen Wärmeenergie zur Strahlungsenergie) nach dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aus? Und sind nicht die Gleichungen der Lorentz-Transformation nur ein anderer Ausdruck der Form dieser Beziehung? -
29.8.1994
Die Logik der Schrift ist die Logik der verandernden Kraft des Seins; sie ist die Grundlage sowohl der drei kantischen Totalitätsbegriffe als auch der daraus entfalteten idealistischen Systeme.
Durch die Schrift verändert sich die Beziehung der Sprache zur Zeit und zum Objekt (zu dessen Konstituentien die Vergegenständlichung der Zeit gehört) sowie der Begriff des Subjekts.
Die Logik der Schrift neutralisiert das Geschlecht der zweiten Person: die Sprache wird zölibatär (in der hebräischen Sprache behauptet sich die Sprache gegen die Logik der Schrift, während im Griechischen die Logik der Schrift als Sprachlogik sich entfaltet: in der Grammatik).
Das subjektive Korrelat der Logik der Schrift ist die Bekenntnislogik (zu deren Vorgeschichte der Name der Barbaren gehört).
Mit dem „Seid klug wie die Schlangen“ rechtfertigt und relativiert Jesus den Gebrauch der griechischen Sprache.
Aus dem Bann der Urteilslogik heraustreten, heißt, als erstes begreifen, daß die Sprache der Welt nicht äußerlich ist, daß sie zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört, daß sie nicht nur Schriftsprache ist.
Die Logik der Schrift ist ein Produkt der Herrschaftsgeschichte und in sie verflochten (verstrickt).
Es ist die Logik der Schrift – und nicht erst die Philosophie -, die den Tod verdrängt, indem sie ihn in ihre Struktur mit aufnimmt und so neutralisiert (die Schrift – und hier gründet ihre Beziehung zum Inertialsystem – ist die Todesgrenze).
Die Logik der Schrift begründet die Idee der Wissenschaft und trennt Natur und Welt. Sie ist der Grund, aus dem das Reich der Erscheinungen hervorgeht.
Ist nicht Matthäus der apokalyptische Evangelist, während Johannes Evangelist und Apokalyptiker in getrennten Rollen ist?
Die Logik der Schrift rührt an den Himmel, aber nur an die Seite des Wassers; die Seite des Feuers ist nur durch die Kritik der Logik der Schrift hindurch zu erkennen. Die getrennte Konstituierung der Logik der Schrift gründet im Sündenfall. Symbol der Logik der Schrift ist die Schlange, die auf dem Bauche kriechen und Staub fressen soll (und am Ende der Drache: was bedeuten dann die sieben Köpfe und zehn Hörner?).
Die Logik der Schrift, das Opfer und die Idee der Stellvertretung: die Begründung der Hierarchie. Verantwortung wird durch Delegation zur Unkenntlichkeit neutralisiert. Im Bereich der delegierten Verantwortungen (der Kompetenzen- und Zuständigkeitsregelungen) weiß niemand mehr, was er tut. Die Gemeinheit hat delegierte Verantwortung, das Prinzip der Stellvertretung, als Existenzgrund.
Das Fernsehen, oder über den Zusammenhang von Erwählung und Delegation.
Wer das Transzendentale mit der Transzendenz verwechselt, macht Gott zur Exkulpationsmaschine und zum Garanten der Verdinglichung.
Dimitte nos debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Ist das nicht ein Erkenntnisprinzip, die Warnung vor dem projektiven Anteil in jeder urteilenden Erkenntnis?
Im Allerheiligsten wurde die Tafel mit den Geboten Gottes aufbewahrt: War darin nicht der Gottesname verschlüsselt gegenwärtig (und war deshalb der Tempel das Haus Seines Namens)?
War auch der zweite Tempel das Haus Seines Namens?
Adornos Texte unterscheiden sich von anderen philosophischen Texten, daß jeder Satz die Reflexion der Logik der Schrift in sich enthält.
Sind nicht die Confessiones, die des Augustinus wie auch die Rousseaus, Versuche, aus dem Versteck, der die Schrift auch ist, herauszutreten?
Die Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit liegt u.a. darin, daß es im Zentrum der Physik den Punkt bezeichnet, der die Grenze der Logik der Schrift markiert.
Längenkontraktion und Zeitdilatation gründen in den Gleichungen der Lorentz-Transformation. Aber ist in der Struktur dieser Gleichungen – ähnlich wie in der Struktur der Exponentialfunktion im Planckschen Strahlungsgesetz – nicht ein Moment enthalten, das auf die Orthogonalitätsstruktur verweist, sie in die physikalische Dynamik mit einbezieht? Oder genauer: Ist nicht die Beziehung der elektrodynamischen zu den mechanischen Prozessen (der Strahlungsprozesse zu den kinetischen Vorgängen) eine orthogonale?
Woher kommt das Suffix -ment (Parlament, Dokument), und was bedeutet es? Sind nicht die Prä- und Suffixe und das Gesamtsystem der Flexionen die Repräsentanten des Inertialsystems in der Logik der Schrift? Die Objektivation insgesamt verdankt sich der Logik der Schrift: Diese begründet die gleiche Distanz, die als Distanz zum Objekt durch die Distanz vermittelt ist, die – nach der Dialektik der Aufklärung – der Herr durch den Beherrschten gewinnt. -
14.09.93
Zum Turm von Babel: Die Verwirrung der Sprache war das Produkt gesellschaftlich bedingter unterschiedlicher Beziehungen zur Sprache.
In der Wendung „Wir Deutschen“ wird das idealistische Ich in ein Kollektivum übersetzt: Beide sind Produkte der Vergegenständlichung eines absolut Ungegenständlichen, was dann ohne Schuldverschiebung: ohne projektive Abarbeitung der Vergegenständlichung, und d.h. ohne Absolutierung, nicht zu halten ist. Dem gleichen Mechanismus verdanken sich im Ursprung der Philosophie insbesondere die Begriffe Natur und Materie.
War der griechische Kosmos der schöne, geschmückte Kosmos, der lateinische mundus die von Feinden und Barbaren gereinigte, durchs Recht befriedete Welt?
Zum Begriff und zur Geschichte des Himmels: Haben die Christen nicht den Himmel mit der Unterwelt vermischt? Was bedeutet es, wenn im Englischen sky und heaven unterschieden werden, im Deutschen eine etymologische Beziehung des Worts Himmel zum Hammer sich nachweisen läßt?
Ist nicht die physikalische Nahwirkungstheorie, der prinzipielle Ausschluß jeglicher „Fernwirkung“, der falsche Ausdruck eines an sich richtigen Sachverhalts: daß das Inertialsystem nicht globalisiert werden darf.
Zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meer: Was bedeutet dieser Sand am Meer?
Haben der Baum der Erkenntnis und die Dornen und Disteln etwas mit den Flexionen, und zwar der Baum der Erkenntnis mit den Konjugationen der Verben (dem Prädikat, dem Begriff), die Dornen und Disteln mit den Deklinationen: den casus, zu tun, die Schlange mit dem Neutrum und der zu bearbeitende Acker, dem die hervorbringende Erde zugrundliegt und von dem Adam, der Mensch, seinen Namen hat, generell etwas mit der Sprache?
Wenn der Erde die Idee der Sprache zugrundeliegt, dann dem Himmel die der Erfüllung des Worts: hat Gott nicht die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt?
Gehört nicht der Nominalismus in die Geschichte der Urbanisierung, und wirft das nicht ein Licht auf Ninive, die „große Stadt“, in der die Menschen Rechts und Links nicht unterscheiden können (die genaueste Definition des Nominalismus)?
Bezeichnen die Dornen und Disteln, das Widerständige, nicht aufs genaueste den Objektbegriff (als Kern des Naturbegriffs), die Null und den Punkt im Raum als Quellpunkt des Inertialsystems (genauer den Punkt in der Minkowskischen Raumzeit, in den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Gleichungen der Lorentz-Transformation schon mit eingearbeitet wurden).
„An jenem Tag wird Israel der Dritte im Bunde sein neben Mizrajim und Assur, ein Segen inmitten der Erde, die der Herr der Heerscharen segnet, indem er spricht: Gesegnet ist Mizrajim, mein Volk, und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel mein Erbbesitz!“ (Jes 1924f)
Die Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie macht den Haß der Welt, anstatt ihm nachzugeben, erfahrungs- und verarbeitungsfähig. Sie ist der Schutz vor der Identifikation mit dem Aggressor.
Merkwürdige und erschreckende Erfahrung beim erneuten Lesen von Karl Thiemes Buch „Kirche und Synagoge“ (geschrieben 1944): So tief steckte der Antijudaismus in der kirchlichen Tradition. Steht das Buch nicht unter einem ungeheuren Rechtfertigungszwang: daß der kirchliche Antijudaismus nur ja nicht verwechselt werde mit dem gleichzeitigen Antisemitismus (gegen den Karl Thieme aktiv gearbeitet hat). Deutlich wird, wie eng der Antijudaismus mit Dogma und Bekenntnis, und zwar weniger mit ihrem Inhalt, als vielmehr mit ihrer gleichsam transzendentalen Logik, verknüpft ist.
Aber spiegelt nicht das Thiemesche Kirchenverständnis (in Kirche und Synagoge) etwas von der Kirchenerfahrung unter Hitler wider, was heute zu leicht vergessen wird: die Kirche als Zuflucht, als Asyl und Schutzraum angesichts der Barbarei und der Greuel dieses apokalyptischen Zeitalters? Ist der Thiemesche Bekenntnisrigorismus nicht ein Produkt seiner apokalyptischen Erfahrungen?
Nach diesem Buch würde ich mich heute gerne mit Karl Thieme über die drei Leugnungen Petri unterhalten.
Vom Urknall zum Schwarzen Loch: War nicht der Antisemitismus der Urknall, und wird die Kirche nach der nicht gelingenden Aufarbeitung (in Deutschland heute: die CDU) zum Schwarzen Loch der politischen Astronomie?
Es gibt kein Bekenntnis
– ohne Feindbild (im Christentum: Juden und Heiden),
– ohne Häretiker (Verräter und Abtrünnige),
– ohne Sexismus, ohne patriarchalischen Kern (das „Glaubens“-Bekenntnis ist das Schuldbekenntnis der Natur, zu dem die Sexualmoral und das Unschuldsproblem, die Vorstellung einer natürlichen Unschuld, der Virginitas, gehört).
Wenn der Weg der Befreiung versperrt ist, wird die Unschuldsfrage: das Problem der Rechtfertigung, übermächtig (Zusammenhang mit dem Ursprung des Weltbegriffs, dem projektiven Naturbegriff: die Vorstellung einer natürlichen Unschuld zielt auf die Unschuld und die befreiende Kraft des Opfers: Theologisierung der Logik der Naturbeherrschung?).
Materie als reines Objekt von Herrschaft: Steckt im Begriff der Materie nicht die mater dolorosa? Die Vorstellungen von der unbefleckten Jungfrau, die dann zur Gottesmutter (zur Mutter des Gottes, den die Juden ans Kreuz geschlagen haben) wird, und der unberührten Natur haben etwas miteinander zu tun.
Ist diese Theologie nicht das Abbild einer bis heute mißlungenen Naturphilosophie, und das Bekenntnis der Generator eines von den sieben unreinen Geistern beherrschten Naturbegriffs? Der Bekenntnisbegriff ist nicht abzulösen von der Geschichte des Ursprungs und der Anwendung des Inertialsystems. Das Bekenntnis als verdinglichte und neutralisierte Umkehr (mit dem wir uns das Gottesreich vom Leibe halten), Zusammenhang mit der dritten Leugnung und Selbstverfluchung: Erst in der Umkehr wird das steinerne Herz durch das fleischerne ersetzt.
Ist nicht Adornos Kritik der Verdinglichung als Kritik des Objektbegriffs nur durch die Kritik des Dogmas hindurch noch möglich? Und ist nicht Auschwitz die dritte Leugnung und die Selbstverfluchung?
Sind nicht alle drei großen Religionen, das Judentum, der Islam und das Christentum auf den Weltbegriff verhext? Und ist nicht jeder Fundamentalismus ein Produkt des Weltbegriffs und der daraus hervorgehenden Bekenntnislogik? Aber hat nicht nur das Christentum den Schlüssel zur Lösung?
Der Streit um die Auslegung der Gottesknecht-Kapitel im Deutero-Jesaia ist nicht zu lösen, wenn man nicht das Nachfolgegebot mit hereinnimmt.
Die Übernahme der Sünde der Welt schließt die Kritik des Naturbegriffs (des Kerns des Schuldverschubsystems) und seiner Vorgeschichte (in der altorientalischen Geschichte) mit ein. Hierzu gehören die Probleme
– des Ursprungs der Astronomie und der Schrift,
– des Ursprungs der Tempelwirtschaft und des Geldes sowie
– des Ursprungs des Staates als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (Ursprung des Rechts). -
06.04.93
Zu den Gleichungen der Lorentz-Transformation: Entspricht der Längenkontraktion und der Zeitdilatation in der Bewegungsrichtung nicht eine Längendilatation und Zeitkontraktion in der Gegenrichtung? Und sind nicht alle dynamischen Verhältnisse auch in dem Sinne apriori, daß sie die Paritätsverhältnisse, die Gleichgewichtsverhältnisse, voraussetzen? Die Gleichungen der Lorentz-Transformation lassen sich als Drehungen in einem metrischen Kontinuum auffassen: Ist das dynamische Maß dieser Drehungen das Plancksche Wirkungsquantum (aus der Planckschen Strahlungsformel abzuleiten)?
Sind nicht die Tiere, die den aufrechten Gang verlernt haben, Opfer der Deklination, der Beugung (Zusammenhang von Deklination und Konjugation mit der Struktur des Raumes: mit Linearität und Orthogonalität)? Und ist nicht der Kreis das mathematische Modell des logischen Schlusses (Identitätsprinzip des Begriffs)? Insoweit ist das kopernikanische Weltbild die Grundlage der Hegelschen Idee des Absoluten, und die Vorstellung des unendlichen Raumes ein Reflex des Gewaltmonopols des Staates.
Zur Theorie des Geschwätzes: Geschwätz, Urteil und Öffentlichkeit; im Geschwätz entfaltet sich die Gemeinheit, die vom Prinzip der Öffentlichkeit nicht zu trennen ist (das Eine ist das Andere des Anderen). Die Hegelsche Logik reflektiert die Gesetze des Geschwätzes, dem sie in der Idee des Absoluten zugleich auch verfällt. Der unendliche Raum ist die verinnerlichte Gestalt des ägyptischen Sklavenhauses.
Sodom und Gomorrha (sowie Jericho und Gibea) als Konflikt zwischen Stadt und Haus (Babel und Mizrajim): Babel (Stadt und Turm), Ninive (die große Stadt, von Nimrod gegründet, der der erste Held war auf der Erde und ein großer Jäger vor dem Herrn), Pharao (das große Haus). Notwendigkeit der Kritik der politischen Ökonomie.
Melchisedek hat Brot und Wein geopfert; in der Josefs-Geschichte sitzen der Mundschenk und der Bäcker des Pharao im Gefängnis, und nur der Mundschenk kommt frei, während der Bäcker hingerichtet wird (ein Teil der Geschichte des Zusammenhangs von Trunkenheit und Herrschaft, die das Brot nur im Sklavenhaus sichern kann).
Sind nicht Stadt und Haus: das Offene und das Geschlossene (Reflexion und Begriff, Deklination und Konjugation), die beiden Aspekte des Raumes? Heideggers Haus des Seins ist anti-urban (wie Heidegger überhaupt das Urbane in den Gestalten des Man, der Uneigentlichkeit, der Neugier, perhorresziert).
Gefährlich ist die falsche Klarheit, die im Rahmen der Bekenntnislogik nur auf der Grundlage des Feindbilds sich herstellt.
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