Zu Jürgen Ebach, Kassandra und Jona: – Zum „Grand Hotel Abgrund“ (S. 114): Nicht Adorno hat das Wort als „auf sich bezogen (nicht miß-)verstand[en]“, sondern Lukacs selber hat es, nach der Kritik Adornos an Lukacs‘ „Wider den mißverstandenen Realismus“ (beide 1958), auf Adorno bezogen, in dem Vorwort zur Neuausgabe der „Theorie des Romans“ (1962, S. 17): „Ein beträchtlicher Teil der deutschen Intelligenz, darunter auch Adorno, hat das ‚Grand Hotel Abgrund‘ bezogen, ein – wie ich bei Gelegenheit der Kritik Schopenhauers schrieb – ’schönes, mit allem Komfort ausgestattetes Hotel am Rande des Abgrunds, des Nichts, der Sinnlosigkeit. Und der tägliche Anblick des Abgrunds, zwischen behaglich genossenen Mahlzeiten oder Kunstproduktionen, kann die Freude an diesem raffinierten Komfort nur erhöhen‘. (Die Zerstörung der Vernunft, Neuwied 1962, S. 219)“ – Wer sich des Ekels erinnert, mit dem Adorno auf den Begriff Kunstgenuß reagierte, und wer dazu die argumentative Lukacs-Kritik Adornos im „Monat“ (November 1958) gelesen hat, dem fällt es schwer, diesen Text auch nur versuchsweise für eine „berechtigte“ Kritik zu halten. – Zu „Rechts und links nicht unterscheiden können“ (S. 116): An dieser Wendung, scheint mir, ließe sich etwas von dem sichtbar machen, was prophetische von philosophischer Erkenntnis unterscheidet: wer nur tief genug (und zwar genau an der Stelle, die die Philosophie mit dem tode ti verwischt, im Kern der Aktualität) in die Sache eindringt, trifft in ihr auf Einsichten, die aus der Sache heraus prophetische Qualität gewinnen. Ist nicht das „noch nicht“, das die Assoziation der Kinder nach sich zieht, durch ein „nicht mehr“ zu ersetzen: Ninive, die große Stadt, ist ein Ort, an dem man verlernt hat, rechts und links (die Barmherzigkeit und das Gericht) zu unterscheiden. Rechts und links nicht unterscheiden können, das ist auch das Resultat der Ausbildung der Raumvorstellung, in der alle Richtungen gleichwertig geworden sind und, im Bann der mathematischen Logik des Raumes (der Logik der subjektiven Form der äußeren Form der äußeren Anschauung), nicht mehr sich unterscheiden lassen. Diese Raumvorstellung (die Newton mit dem Attribut des Absoluten versehen hat) stellt die Distanz zur Welt überhaupt erst her, durch die sie als eine Totalität der Erscheinungen im kantischen Sinne „erkennbar“ wird, sie macht sie gegenständlich, aber um den Preis, daß die Richtungen im Raum: vorn und hinten, rechts und links, oben und unten, anhand objektiver Kriterien nicht mehr sich unterscheiden lassen (Ursprung des Nominalismus: Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen, Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache – Inertialsystem und Gewalt). Als Form der Anschauung trennt der Raum das Sehen vom Gesehenwerden: wird er zum Tabu über die Scham, in deren Reflexion die benennende Kraft der Sprache sich erneuert. Der Begriff der Anschauung Gottes ist hamitisch; sein Objekt ist die aufgedeckte Blöße: das Absolute (nicht Gott); zu seinen Folgen gehört das Urteil über Kanaan: die im Weltbegriff sedimentierte Herrenfurcht. Mit dem Begriff der Anschauung Gottes hat die Kirche die Gottesfurcht neutralisiert und ihrem Grund, dem Angesicht Gottes und dem göttlichen Gericht, den Schrecken genommen (zur Anschauung Gottes gehört die Freude beim Anblick der Qualen der Verdammten, der Preis für die Verdrängung des göttlichen Angesichts, Folge des Versuchs, die Idee des seligen Lebens unter Abstraktion von der Umkehr zu konstruieren). Unterm Bann des Weltbegriffs wurde die Umkehr aufgespalten in Bekehrung und Buße, ist sie in die mythischen Kreisläufe der Gewalt: des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, eingebunden worden.
Lukacs
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19.01.94
Gilt der Name Israel nur im internen Gebrauch, oder gibt es einen Fall, in dem es von außen so genannt wird (Ex 19)? Wie verhalten sich die Hebräer zu Kanaan: sind nicht beides soziologische Bezeichnungen (ähnlich der Name Ägyptens, Mizrajim, und der des Pharao)? Wie steht es überhaupt mit dem biblischen Gebrauch des Namens Kanaan (mit der Sprache Kanaans und dem Land Kanaan): Hieß das Land und hießen die Völker so nur im Munde der Israeliten? War die Sprache Kanaans nicht die hebräische? Und ist es nicht ein Stück besonderer Infamie, wenn die Juden im christlichen Exil in die Rolle der Kanaanäer (der Händler) hineingepreßt und dann Hebräer genannt worden sind?
Das Objekt ist das der Sprache entfremdete, zur Sprache äußerliche Ding: logisches Zentrum des Nominalismus, dessen historische Anwendung unvermeidbar rassistisch ist. Dabei ist selbst der Name der Deutschen ein sprechender Name (nur daß die Deutschen selber ihn nicht mehr verstehen: wie würden sie es sonst mit sich selbst und mit diesem Namen aushalten?).
Hat der real existierende Sozialismus nicht genau das blockiert, was notwendig gewesen wäre: die Nutzung der Marxschen Theorie zur theoretischen Durchdringung der Gegenwart? Das Problem ist paradigmatisch bezeichnet in dem Streit zwischen Lukacs und Adorno, dem gegenseitigen Vorwurf: „Hotel Abgrund“ und „erpreßte Versöhnung“.
Zur Realsymbolik des Falles Galilei: Ist nicht die Bibel das Fernrohr, durch das man den Mond am besten sieht, nur daß wir die Handhabung dieses Erkenntnisinstruments verlernt haben?
(Ist die Bibel der Bogen in den Wolken, das Zeichen, daß es eine Sintflut nicht noch einmal geben wird? Ist der Staat der säkularisierte Himmel: die Feste zwischen den Wassern?)
Die Ontologie und die Anbetung der Mathematik (die zivilisatorische Selbstanbetung des Subjekts). Liegt der Grundfehler (bei Thales und bei Einstein) in der Orthogonalität (der automatischen Beziehung der intentio recta auf die zu ihr orthogonalen Richtungen: Grund der Reflexion)? -
30.11.93
Der Ursprung des Objektbegriffs verdankt sich der theologischen Verdrängung des Kreuzestodes. Hierzu der Hinweis von Leonhard Ragaz, Bd. 4, S. 23: Die Eucharistie als Mahl des „heiligen Egoismus“. War nicht die eucharistische Frömmigkeit (zusammen mit dem antisemitischen Bild der „Hostienschändung“) ein Beleg der Gewalt, die nötig war, um den Objektbegriff in den Köpfen zu verankern?
Gibt es außerbiblische Belege für den Namen des Pharao?
Ist Adornos „Erpreßte Versöhnung“ die Antwort auf Lukacs‘ „Hotel Abgrund“?
Gehören nicht die Posaunen von Jericho und Jeremias‘ „Betet für das Wohl der Stadt“ zusammen? Und drückt sich in den Posaunen von Jericho nicht etwas von der Beziehung der Musik zur Prophetie aus?
Gibt es im Hebräischen (wie im Deutschen) auch eine sprachliche Beziehung zwischen den Hörnern des Drachens (des Tieres) und dem Schofarhorn (und den Posaunen vor Jericho)? Vgl. auch den „gehörnten Moses“ und den bemerkenswerten Tatbestand, daß alle Opfertiere (mit Ausnahme der Taube) gehörnte Tiere waren.
Hat der Geist über den Wassern etwas mit den Wolken des Himmels zu tun?
Es blitzt und donnert, und es regnet, aber JHWH brüllt (Jer 2530, Joel 4(3)16, Am 12): Das Problem des Neutrum und des „es gibt“.
Ist nicht das Sein das reine Es (das nichtige Substrat des „Geschehens“, Produkt der Ontologisierung)?
Zum Bilderverbot: Hängt der Ursprung des Neutrum (und die „in-dogermanische“ Grammatik) mit der Geschichte des Opfers und dem Bilderdienst (den Statuen) zusammen?
– „Selig bis du, Simon, Barjona; denn nicht Fleisch und Blut hat dir das offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ (Mt 1617, zum Zeichen des Jona sh. 164)
– „… daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nich ererben kann“ (1 Kor 1550),
– „… ging ich nicht mit Fleisch und Blut zu Rate“ (Gal 116),
– „Denn unser Ringkampf geht nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Gewalten, wider die Mächte, wider die Beherrscher dieser Welt der Finsternis, wider die Geisterwesen der Bosheit in den himmlischen Regionen.“ (Eph 613)
Haben diese Stellen etwas mit der Eucharistie zu tun?
Das Kirchenproblem spitzt sich heute in einer Weise zu, die nach der Geschichte von den drei Leugnungen geradezu schreit.
Joh 2115ff:
– Liebst du mich mehr als diese – agapas me pleon touton
– Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe – kyrie, su oidas hoti philo se
– Weide meine Lämmer – boske ta arnia mou,
– Liebst du mich – agapas me
– Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe – kyrie, su oidas hoti philo se
– Hüte meine Schafe – poimaine ta probata mou,
– Hast du mich lieb – phileis me
– Herr, du weißt alles, du siehst auch, daß ich dich liebhabe – kyrie, panta su oidas, su ginoskeis hoti philo se
– Weide meine Schafe – boske ta probata mou.
Merkwürdiger Wechsel von
– lieben und liebhaben: agapas und phileis, während Petrus beim philo bleibt,
– weiden und hüten: boske und poimaine,
– Lämmer und Schafe: arnia und probata.
Beachte auch den Unterschied zwischen arnion und amnos (amnos tou theou, 129). -
07.08.93
Im Selbstmitleid ergreift die Sintflut ihren Verursacher. Sind nicht die fremdenfeindlichen Überflutungsängste projektive Abarbeitungen des Selbstmitleids?
Heute wäre ein Gottesbeweis nur noch über die Logik des Namens zu führen.
Wir exportieren die Armut in die „Dritte Welt“ und brauchen die Rüstung, um unsere Beute zu sichern. Ein projektiv verarbeitetes Christentum hilft hier, schon die Wahrnehmung der Tatsachen auszublenden (was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß). Das Problem liegt nicht mehr in der Frage nach der richtigen Gesinnung, oder ob man auf der richtigen Seite steht, sondern in der Frage nach dem Zustand der Welt.
Ich weiß nicht, welche Wirkungen eine Theologie hinter dem Rücken Gottes auf Gott hat, aber ich weiß, was sie bei denen anrichtet, die sie betreiben.
Was drückt sich eigentlich in der Konsonanten-Kombination -pfl-aus: Pflicht, Pflanze, pflücken, Pflaume, Pflaster, Pflock?
Die erkenntniskritische Reflexion der modernen naturwissenschaftlichen Aufklärung hat mit der Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten begonnen. Aber die Einschränkung der primären Sinnesqualitäten auf „Empfindungen“ hat das Problem verkürzt, indem sie es subjektivierte. Mit getroffen wurde der gesamte sprachliche Bereich des Namens, zuletzt erkennbar an der „vorwissenschaftlichen“ Elementenlehre. Wasser, Feuer, Luft und Erde, auch Licht und Finsternis (aus deren benennender Kraft die „Aufklärung“ ihren Namen herleitet), und die mit diesen Namen verbundenen sinnlich-sprachlichen Konnotationen sind seitdem gegenstandslos geworden. Gründete nicht die Entsinnlichung der Welt in dem theologischen Konzept der Entsühnung der Welt und der damit verknüpften Sexualmoral? Stand nicht diese Aufklärung insgesamt in der christlichen Tradition der Desensibilisierung?
Ist nicht Sinnlichkeit, soweit sie als Sensibilität sich begreift, eine sprachliche Bestimmung (das Medium des verlorenen Namens)? Theologie im Angesicht Gottes ist eine sensibilierte Theologie (die Rekonstruktion des Bekenntnisses des Namens), Theologie hinter seinem Rücken hingegen ein Instrument der Desensibilierung und der Zerstörung des Namens.
Müßten nicht in einer Theologie, die dann sich selbst durchsichtig wird, Marx, Freud und Einstein, sowie Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Georg Lukacs, Ernst Bloch, Walter Benjamin, Max Horkheimer und Theopdor W. Adorno ihre Stelle finden?
Findet nicht die mittelalterliche Eucharistie-Frömmigkeit ihre projektive Entsprechung in den antijüdischen Hostienfrevel- und Ritualmord-Legenden?
Kirche, Heiden und Ketzer: Überzeugen ist unfruchtbar (Walter Benjamin), die Widerlegung stabilisiert und verinnerlicht das Widerlegte. Was bedeutet es und welche Folgen ergeben sich aus der These, wonach die Kirche mit der Reformation ihre häresienbildende Kraft verloren hat und es seitdem nur noch Sekten gibt?
Steckt nicht in der Vorstellung, daß Basisgemeinden in der Metropole eigentlich Penner-, Knast- und Hurengemeinden sein müßten, ein trinitarisches Moment?
– Wer heute aus einem Ur in Chaldäa emigriert, hat keine Chance mehr, ein gelobtes Land zu finden;
– wer heute in die Fänge des Rechtsstaats gerät, hat keine Chance, vergöttlicht zu werden;
– und wer der lebenslänglichen Unterwerfung der Ehe unters Tauschprinzip sich entzieht, verfällt ihm als Hure.
Zusammenhang von Urschisma und Gnosis: Ist nicht das NT das erste Dokument der nach dem Urschisma (und in Reaktion darauf) sich herausbildenden Orthodoxie; aber ist es nicht zugleich auch ein Dokument, das in sich, und zwar in seinem Kernbestand, selbst die Warnungen gegen die Orthodoxisierung des Christentum enthält:
– Joh 129 und die Abschiedsreden („wenn die Welt euch haßt …“),
– „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
– die Feindesliebe,
– „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“,
– Maria von Magdala und die sieben unreinen Geister,
– die drei Leugnungen Petri,
– das Wort vom Binden und Lösen,
– die Auferstehungs- und Auferweckungsgeschichten,
– die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen,
– das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden,
– Getsemane und der Kelch,
– die drei evangelischen Räte (Marx, Freud und Einstein),
– die Apokalypse, die Lösung der sieben Siegel (und die Reihe von Cohen bis Adorno) und die Offenbarung des Namens (der „Weltuntergang“).
(Wäre eine Zuordnung der 10 Namen von Marx bis Einstein und Cohen bis Adorno zu den 10 Sefirot denkbar?)
Hat nicht die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Psalmen als privates Gebetbuch zu lesen (und mißzuverstehen)? Und hat nicht durch die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft (und den Ursprung und die Geschichte des Weltbegriffs hindurch) die Offenbarungsgeschichte insgesamt sich so verändert, daß die Beziehung des Alten und Neuen Testamentes nur vor diesem Hintergrund durchsichtig wird (im Kontext des Symbols der „Dornen und Disteln“, vom Sündenfall, über die die Jotamfabel und die Institution des Königtums, über David und die messianische Geschichte: die Geschichte der Verinnerlichung der Dornen und Disteln).
Der Rechtsstaat ist nicht nur kein Mittel gegen den Faschismus, er ist eine Verkörperung des unreinen Geistes, der ihn erzeugt.
Alles ist Wasser (Thales): Der Mythos in all seinen Gestalten war das Medium der Reflexion des Ursprungs des Staates vor seiner Konsolidierung. Der Weltbegriff, der die Konsolidierung des Staates besiegelte, hat den Mythos überflüssig gemacht, seine Quellen trockengelegt. Aber ist nicht die Sintflut ein Realsymbol für den Untergang der mythischen Welt, für seine Überflutung mit den Wassern des Begriffs (und die Arche ein Symbol der Erinnerung)? Und gehört zu dieser Geschichte nicht auch die vom Weinanbau, von der Trunkenheit und der aufgedeckten Blöße? -
06.08.93
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist der Grund der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und die absolute Verhinderung der Umkehr. Das Tote ist das Produkt der Verweigerung der Umkehr.
Ist nicht die Philosophie eine Seitenansicht des Mythos, in der die Formelemente erhalten bleiben, aber die Inhalte sich gleichsam in Luft auflösen. Ein zweiter Schritt des Herrendenkens; den dritten hat dann das Christentum getan (mit der dogmenbegründenden Ausbeutung der Ambivalenz des Oben/Unten-Paradigmas).
Was bedeutet eigentlich der Satz: Musik erfüllt den Raum? Edgar Morin hat einmal darauf hingewiesen, daß im Kino Musik die Funktion erfüllt, den flachen Bildern des Films Tiefe und Plastizität zu verleihen. Ist die Musik nicht (im Rosenzweigschen Sinne) eine Weissagung der Einheit von Licht und Sprache? Und ist es nicht auch von daher begründet und sinnvoll, in der Philosophie der Neuen Musik den Teil über Schönberg auch auf Einstein zu beziehen?
Zu den Konnotationen des Wassers: Schicksal, Sintflut, Rotes Meer, Taufe, der Geist Gottes über den Wassern und die Trennung der unteren von den oberen Wassern. Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn am Ende wiederkehren wird, Projektionen der unteren Wasser in die obere Welt (Produkt der Subsumtion der oberen Wasser unter die Vergangenheit, die Entstellung und Vertreibung des Segens)?
Wir sind die Sintflut, die über die Welt gekommen ist.
Zum Wunder von Kana: Waren es nicht Reinigungskrüge, und war es nicht im Kontext einer Hochzeit, und fällt hier nicht das Wort: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Seine Jünger waren mit dabei, jedoch merkwürdig stumm. Man hat das Gefühl, sie sitzen nur dabei, sperren Nase, Mund und Ohren auf, und verstehen nicht, was hier vorgeht.
Ist nicht die Geschichte von David, dem Hetiter Urijas und seiner Frau Batseba (der Mutter des Salomo) typologisch (der messianische David, Batseba, die Frau des „indogermanisch“-hetitischen Urijas, und Salomo, der Sohn der Batseba)?
Zur Geschichte von den drei Leugnungen: Ist nicht
– die Magd des Hohepriesters die Theologie, und sind nicht
– die Umstehenden die Welt?
Und lassen sich nicht die drei Leugnungen ohne Mühe auf die Anfragen
– der Juden (und den kirchlichen Antijudaismus und die Kirchenväter),
– des Islam (und die Scholastik) und
– der modernen Aufklärung (und die Unfähigkeit der Kirche, darauf noch rational und – aufgrund der Selbstreferenz, der Rückbeziehung auf die erste Leugnung – unterm selbstverschuldeten Rechtfertigungszwang ohne Selbstverfluchung zu reagieren), sich beziehen?
Die Welt ist nicht nur, wie bei Heidegger, das Vorhandene und das Zuhandene; die Einschränkung des Weltbegriffs auf diese beiden Attribute schließt das Moment der Selbstverfluchung mit ein (das Vorlaufen in den Tod, die Entschlossenheit).
Der Heideggersche Begriff der Frage, die heroische Leugnung der Beantwortbarkeit der „eigentlichen“ Fragen, ist die letzte Konsequenz des Nominalismus: die Leugnung des Namens, die letzte Leugnung der Erwartung, daß das Wort sich erfüllt (Heidegger: das letzte Objekt der Sintflut – vgl. das In-der-Welt-Sein, die Entschlossenheit, das Vorlaufen in den Tod, die selbstverschuldete Verstrickung in den alternativlosen Gegensatz des Vorhandenen und Zuhandenen, Folge der Verführung durch die indikativische Logik der Fundamentalontologie, oder: die Selbstneutralisierung durch Eigentlichkeit). Die Fundamentalontologie identifiziert den Infinitiv Sein (aufgewertet zum Seyn) mit dem Possessivpronomen der dritten Person sing. masculinum und neutrum (und findet sein biblisches Gegenstück im Staubfressen der Schlange).
Der Existentialismus, und zwar schon der Kierkegaardsche, dispensiert von der Logik; daher kommt es, daß es zur Struktur des Sterns des Erlösung bis heute, abgesehen von den Ansätzen bei Stephane Moses, keine wirklich zureichenden Analysen gibt. Erst eine produktive und konstruktive Analyse des Sterns, dieses kunstvoll verschlungenen Systems, befreit die Rosenzweig-Rezeption vom Stammeln.
Vater und Mutter ehren heißt auch, ihre Dummheiten begreifen.
Heißt parakletisches Denken nicht, in der von den Vergangenheiten beherrschten Welt die Gegenwart wieder zu entdecken?
Die Instrumentalisierung des Marxismus in diesem Jahrhundert und der Theologie vor 1600 Jahren zum Herrschaftswissen waren nur möglich, solange sie das herrschaftskritische Moment, das beide enthielten, projektiv nach außen wenden konnten, anstatt es reflexiv in den Erkenntnisbegriff mit hereinzunehmen (wie Benjamin, Horkheimer und Adorno es im Anschluß an Georg Lukacs getan haben). Aber ist das heute nicht erst dann möglich, wenn das projektive Moment in den Fundamenten unserer Zivilisation, in dem ihre zugrundeliegenden Erkenntnisbegriffs selber (auch in der Kerndisziplin der Aufklärung: den Naturwissenschaften), begriffen wird?
Ist nicht der Hegelsche Begriff der Aufhebung eine subtile Entstellung des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt, und so, zusammen mit der List der Vernunft (die eine Selbstüberlistung ist: sie leugnet den Tod und ersetzt die Hoffnung auf Auferstehung durch die leere Unsterblichkeitslehre), der reallogische Grund des Absoluten? – Vgl. hierzu Zenger, S. 135f, das Kehl-Zitat. Ist nicht die Grundlage der Hegelschen Aufhebung (der Konstitution des Hegelschen Begriffs) die Ersetzung des Auf-sich-Nehmens durch das Hinwegnehmen? So hängt die Hegelsche Logik in der Tat mit der christlichen Trinitätslehre zusammen. Franz von Baaders Bemerkung über die Hegelsche Philosophie wäre zu ergänzen: Sie ist nicht nur das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern auch das der bisherigen Theologie.
Nur im Kontext der Auferstehungslehre ist der Satz im Stern zu begründen: Der Name ist nicht Schall und Rauch.
Ist nicht Simson, der, nachdem ihm die sieben Locken abgeschnitten waren, im Keller der Philister die Mühle drehen mußte, ein Typos der Theologie? Aber als ihm die Locken wiedergewachsen waren, hat er die Säulen eingedrückt und das Haus der Philister zum Einsturz gebracht. Waren es nicht Philister – wie vorher die Ägypter -, die die Israeliten Hebräer nannten?
Ist die griechische Sprache der Kelch, den seine Jünger trinken mußten?
Entspricht der systembegründenden Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip im Ursprung des Kapitalismus am Ende die aus Gründen der Systemerhaltung notwendige Rückkoppelung von Massen-Produktion und Massen-Konsum durch die Werbung (die Adorno zufolge den Tod verschweigt)? (Gibt es einen systemlogischen Zusammenhang mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, der speziellen Relativitätstheorie und seiner ungeklärten Beziehung zur Quantenphysik?)
Im Sozialismus gab es keine Reklame, nur Propagande und die Hypertrophie der Geheimdienste.
Dienstleistungsgewerbe: Ist nicht auch das Militär ein Dienstleistungsgewerbe, und muß heute nicht (aus Gründen der Systemerhaltung) ein immer größerer Teil der Produktion für den Dienstleistungsbereich verwandt werden (vgl. auch das Anwachsen der Kosten der Dienstleistungen im Bereich der privaten Selbsterhaltung)? Und erniedrigt sich nicht der Staat zum Dienstleistungsunternehmen für die Erhaltung des Apparats, in den sich das ganze Gewicht der vergesellschafteten Selbsterhaltung verlagert?
Getsemane: Steckt nicht in jeder Todesangst etwas davon, daß das Entscheidende, das man hätte tun können, um die Welt aus ihrer Verstrickung zu befreien, nicht getan worden ist? Steckt nicht in der Todesangst die unaufgehellte Beziehung zur Welt?
Zu Mantel und Rock (Mt 540, Lk 629) vgl. im Stern der Erlösung, S. 361ff: Der Mantel ist der Gebetsmantel, und zum vollständigen Sterbekleid (das der Bräutigam unterm Trauhimmel auch als Hochzeitskleid trägt) gehört außer dem Gebetsmantel auch noch der Rock (Chiton und Tunica). Steht dieser Rock in der Tradition des Rocks aus Fellen und der Rock, der keine Naht hatte (über den unterm Kreuz das Los geworfen wurde)?
„Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen wurden.“ (Horkheimer) Sind das nicht zwei Seiten eines Blattes: wenn ich die eine durchreiße, vernichte ich auch die andere? Das Gleichnis Jesu vom Weizen und Unkraut würde dazu passen. Hat nicht dieses Blatt solange zwei Seiten, wie die Welt besteht? Aber dann müßte zur „Rückseite“ des Blattes als konstitutives Moment jene Subjektivität mit dazugehören, die den Weltbegriff konstituiert (der die Sicht „Hinter dem Rücken“ zum Ganzen macht: der das Angesicht leugnet). – Es gibt keine Theologie im Angesicht Gottes ohne Kritik des Weltbegriffs. Die Rückseite des Blattes besteht solange wie die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird (wie ein hoffnungsloser Begriff von Erfahrung seine Geltung behält). – „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe.“
Ist nicht die Leugnung des Sohnes die Leugnung der Auferstehung? Und ist nicht die Geschichte der Beziehung der Kirche zu den Häresien ein Indiz und Gradmesser dieser Leugnung? Welche Bedeutung hat das für die beiden anderen Leugnungen (des Vaters: den Antijudaismus, und des Geistes: den Sexismus)? Verweist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist darauf, daß der Beginn der Umkehr hier, bei der dritten Leugnung, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird“, liegt? Aber wird die Umkehr nicht gekrönt durch die Rücknahme der Leugnung des Vaters?
Das trinitarische Dogma: Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen (an der Todesgrenze).
Ist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist in der Geschichte des Christentums zu leicht genommen worden; und gehört hierzu nicht auch das Prophetenwort, daß am Ende die Erkenntnis Gottes die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
Haben die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen (Maria Magdalena) etwas mit der Aufhebung der Reinheitsgebote zu tun? Ist nicht der Weltbegriff dämonisch (Inbegriff der sieben unreinen Geister)?
Symbolisiert die Dornenkrone nicht beides: das Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt und den Haß der Welt (zielt die Aufschlüsselung der Dornen und Disteln durch den Eleasar von Worms nicht schon auf den Weltbegriff)?
Die Welt als Gemeinheitsgenerator und Exkulpierungsmaschine.
Zum Kelch und zur Trunkenheit: Jemandem reinen Wein einschenken.
Physik und Schuld: Nur in der Physik addieren sich die Lasten, während in theologischem Zusammenhang ich mich von den Lasten befreie, die ich auf mich nehme.
– Elementenlehre hebräisch: ät haschamajim we’ät ha’arez und ruach.
– Theologische Elementenlehre: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße; und der Geist brütend über den Wassern.
Destruktion beider durchs Inertialsystem: Grauen um und um.
Zur Theorie des Namens gehört:
– eine Theorie des Lachens und des Weinens;
– das Lachen und der Schrecken;
– die Logik des Angesichts (das Antlitz des Hundes);
– Prophetie (Erfüllung des Worts) und Apokalypse (Aufdeckung des Namens).
Wird außer Abram, Sarai und Jaakob in der Schrift noch jemand neu benannt? -
18.03.93
Nach Raymond Bogaert „Grundzüge des Bankwesens im alten Griechenland“ wurden Eingänge (Einzahlungen) im Genitiv, Ausgänge (Auszahlungen, Kredite) im Dativ bezeichnet (S. 11). Kann es sein, daß Genitiv und Dativ Links und Rechts (die Seiten) bedeuten? Und sind Genitiv und Dativ die sprachlichen Repräsentanten des Tauschs? Die Banken verwalten das Tauschprinzip wie die Planeten das Inertialsystem.
Die Anschauung abstrahiert von der eigenen Verstrickung ins Angeschaute; das Produkt dieser Abstraktion ist die Form des Raumes. Und sie überantwortet damit das Angeschaute den Gesetzen der Projektion (Barbaren, Natur, Materie).
Die ersten Privatbanken sind von Sklaven gegründet worden, generell liegt ihr Ursprung im Bereich des Opferwesens und der Tempelwirtschaft. Das Bankenwesen ein Begleitinstitut der Lohnarbeit, die den Systemcharakter des Geldes begründet? Die Bankentürme in der Skyline Frankfurts stehen in der Tradition des Turms von Babel.
Die Tradition des Opfers und ihre Verinnerlichung in der dogmatischen Theologie gehören zu den Fundamenten des Bankenwesens.
Die Instrumentalisierung des Opfers macht sich gemein mit dem Mord und leugnet das Antlitz (Kruzifix und Münze).
Sein, Haben und Werden, das sind die objektiven, naturhaften (den Naturbegriff begründenden) Hilfszeitverben. Ist nicht das Sein die veranderte Gegenwart, das Haben und das Werden die zukünftige Vergangenheit und vergangene Zukunft? Vergleiche die beiden Bildungen „Ich werde gehabt haben“ und „Ich werde geworden sein“ (aktives und passives Futur II).
Wann sagte Jesus: Bei Gott ist kein Ding unmöglich? Mt 1926, Mk 1027 und Lk 1827: Nach dem Wort über den Reichen, das Kamel und das Nadelöhr.
Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Im Sechstagewerk nutzt er dann den Himmel als Namen für die Feste, die die Wasser oben von den Wassern unten scheidet, und die Erde zur Hervorbringung der Pflanzen und Tiere. Die Finsternis über dem Abgrund nennt er nach der Erschaffung des Lichts Nacht, und die Wasser, über denen der Geist Gottes schwebt, trennt er durch das Firmament (Schuld und Segen).
Wer das Leben aus den Leiden und Taten der Atome und Moleküle herleiten will, verhält sich ähnlich wie der, der das Wachsen der Bäume aus dem darin investierten Kapital herleitet.
Die Merkaba ist sprachlichen Wesens, und wer sie entschlüsselt, begreift den Ezechiel.
Zu dem Siebengestirn Cohen, Rosenzweig, Bloch, Benjamin, Lukacs, Horkheimer und Adorno den Orion finden. (Vgl. Hi 3831, auch 99 und Am 58)
Die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sind die Bedingungen der Möglichkeit sowohl der dinglichen, körperlichen Existenz: der Vergangenheit der Dinge, als auch des Feuers: der dinglichen Gegenwart der Zukunft (entsprechen der Vergangenheit in Ding und Raum die Zukunft in Feuer und Licht?).Adorno, Banken, Bäume, Benjamin, Bloch, Bogaert, Cohen, Einstein, Geld, Horkheimer, Lohnarbeit, Lukacs, Philosophie, Rosenzweig, Sprache, Theologie, Tiere, Wasser -
29.12.92
Die christliche Theologie lebt davon, daß in der Ursprungsphase der Philosophie die Zwangslogik, Reflex der Gewalt im Denken, noch verschränkt war mit der benennenden Kraft der Sprache. Aber nachdem sich der Nominalismus, Konsequenz der Zwangslogik, durchsetzte, hat die Theologie ihre raison de etre verloren und die Partei der Gewalt ergriffen. Das war der Grund der Entstehung der Inquisition.
Weltkritik ist Herrschaftskritik, und nur der Gott, der als Schöpfer der Welt verstanden wird, löst sich im Prozeß der Verweltlichung der Welt auf: im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft. Was sich nicht auflöst, ist der Schöpfer der Himmel und der Erde.
Im empathiefreien reinen Zuschauen, in den Laborbedingungen, die hergestellt werden müssen, um das reine Zuschauen (Georg Lukacs‘ „kontemplative Erkenntnis“ der Herrschaft) zu ermöglichen, sind die Inquisition, die Geheimdienste und die Stasi vorgebildet. Die Stasi war der zwangsläufige Versuch, die reinen Laborbedingungen herzustellen, unter denen der Sozialismus als Experiment durchgeführt werden sollte. Aber daß dadurch die gesamte Gesellschaft zur trägen Masse degradiert wurde, die das Ganze durch ihre eigene Gravitation in den Abgrund geführt hat, wurde aufgrund der naturwissenschaftlichen Verblendung nicht gesehen. Ähnlich hat die Inquisition im Hochmittelalter jene Laborbedingungen hergestellt, in denen die Gläubigen die Chance haben sollten, die Schuld, der sie ohnehin verfallen waren, zu bekennen und zu büßen. Die Scheiterhaufen waren Manifestationen der Hölle, zu der die Welt inzwischen zu werden drohte.
Die Geschichte des Marxismus ist noch nicht zuende; sie wird es erst dann sein, wenn innerhalb des Marxismus das Problem der Armen und der Fremden gelöst wird. Das Gefährlichste am Sieg über den Sozialismus ist der Triumph der Sieger: die Selbstverblendung durch den Sieg. Vergessen wird das Erkenntnismoment in der Kritik der politischen Ökonomie. Aber dem hatte der real existierende Sozialismus selbst schon vorgearbeitet: in der Unterdrückung all dessen, was an Erkenntnis erinnerte, weil es an die theologische Vergangenheit erinnerte. Notwendig gewesen wäre insbesondere, was Georg Lukacs begonnen, dann aber verdrängt hatte: die Kritik der politischen Ökonomie durch eine Kritik der Naturwissenschaften zu ergänzen, die Marxsche Erinnerung an Jakob Böhme und an die resurrectio naturae aufzunehmen. Das aber heißt: nicht nur die gegenständlichen Manifestationen von Herrschaft, sondern ihre Wurzeln in den vergesellschafteten Menschen, die Vergesellschaftung von Herrschaft und die vergesellschaftete Herrschaft selber, in die Kritik mit aufzunehmen.
Nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus ist nur eine Weltmacht übriggeblieben. Was bedeutet das?
Mit der Unterdrückung der Idee der Befreiung der Natur zerstört Habermas die Wurzeln der Empathie.
Königtum und Opfer, Geld und Idolatrie, Schrift und Sternendienst: die drei Angelpunkte der Vorgeschichte des Weltbegriffs. Und diese drei Angelpunkte lassen sich zusammenfassen als Quellpunkte des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs.
Wo gibt es in der Schrift Erinnerungen an gesellschaftliche Naturkatastrophen, z.B. an Hungernöte (Buch Ruth, Josefsroman).
C. G. Jung hat insofern recht, als das, was er die Archetypen nennt, in der Tat etwas bezeichnet, was aufzuarbeiten ist: die Repräsentanten der Vergangenheit in unseren Köpfen. Aber das sind keine Bilder, die „Gott in unsere Seele gelegt“ hat (Drewermann).
Ist es nicht die Namengebung der Tiere, die Adam die Zunge löst, so daß er, als er Eva erkennt, sagen kann: Dies ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.
In welcher Beziehung steht die Inquisition zur Ohrenbeichte, mit der sie ja doch wohl historisch-genetisch zusammenhängt? Ist es nicht die Inquisition, die jenes Schuld- und Sündenverständnis erst durchsetzt, das dann Grundlage der Ohrenbeichte (Entschuldung der Welt, Privatisierung der Schuld) geworden ist?
Das kreisende Flammenschwert, das sinnlose Kreisen der Planeten und die Mühle, die alles zu Staub zermahlt.
Die Angst in Gethsemane war die Angst vor den Folgen dessen, daß er es nicht vermocht hat, die Sünden der Welt „hinweg“ zu nehmen.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Und dieses Wort sitzt zur Rechten des Vaters. Ist nicht dieses Wort, das in der Übernahme der Sünde der Welt sich konstituiert, das Wort, von dem Gott will, daß es nicht leer zu ihm zurückkomme (Jes 5511)? Liegt hier nicht die zentrale Aufgabe der Theologie?Böhme, Drewermann, Geld, Habermas, Inquisition, Jung, Lukacs, Marx, Marxismus, Philosophie, Theologie, Tiere -
08.12.92
„Tradition ist für ihn (sc. Halbwachs, H.H.) keine Form, sondern eine Verformung der Erinnerung. Dies ist der Punkt, an dem wir Halbwachs nicht folgen können.“ (Assmann, S. 45)
„Die Tatsache, daß nur Individuen auf Grund ihrer neuronalen Ausstattung ein Gedächtnis haben können, …“ (S. 47)
„Durch Erinnerung wird Geschichte zum Mythos. Dadurch wird sie nicht unwirklich, sondern im Gegenteil erst Wirklichkeit im Sinne einer normativen und formativen Kraft.“ (S. 52)
Das „gemeinschaftsstiftende und stabilisierende Totengedenken“ (S. 63) erinnert eher an die obszöne „Versöhnung über Gräbern“ (Kohl in Bitburg und Verdun) und an rechtsradikale Gräberschändungen als an das wirkliche Gedenken der Toten, das an der Idee der Auferstehung sich orientiert (der uneingelösten vergangenen Hoffnung). Der Hinweis auf Mao Tse Tung sollte an den Ursprung und die konkrete gesellschaftlich-politische Bedeutung von Mausoleen erinnern.
Im Zentrum der Vorstellung des „kulturellen Gedächtnisses“ scheint wirklich die Idee einer Vergangenheit zu stehen, an die man sich halten kann. Und genau diese Vergangenheit gibt es nicht, es sei denn als Deckbild objektiver Verzweiflung.
Wer die Beziehung zur Vergangenheit im Alten Ägypten und im mittelalterlichen Judentum so vergleicht wie Assmann (S. 69), hat wirklich nichts begriffen.
Interessant und weitreichend der Hinweis, daß der Staat zu den Bedingungen der Unsterblichkeitslehre im Alten Ägypten gehörte: „Ohne den Staat zerfallen die Rahmenbedingungen sozialer Erinnerungen; damit sind auch die Wege zur Unsterblichkeit blockiert.“ (S. 71)
„Nichts liegt näher, als die Annahme, daß die Ägypter als das Volk mit dem (nächst den Sumerern) längsten Gedächtnis aufgrund ihrer lückenlosen(!), in die Jahrtausende zurückreichenden(!) Tradition ein ganz besonders differenziertes und ausgeprägtes Geschichtsbewußtsein entwickelt hätten.“ (S. 73) Fallen wir nicht mit dem angeblich langen Gedächtnis der Ägypter auf ein Konstrukt herein, das auch unserem Naturbegriff zugrundeliegt. Die Entdeckung der Tiefenzeit war zweifellos auch ein Versuch, den gegenwärtigen Zustand durch Einbindung in eine möglichst unendliche Vergangenheit zu stabilieren (zu „entzweifeln“). Von der Vergangenheit (von den Toten) soll keine Beunruhigung mehr ausgehen (das wäre der Sieg der Welt).
„Vergangenheit, die zur fundierenden Geschichte verfestigt und verinnerlicht wird, ist Mythos, unabhängig davon, ob sie fiktiv oder faktisch ist.“ (S. 76) Das ist Ausdruck und Folge der Verinnerlichung des Opfers.
Die Bemerkung, daß die Vernichtung des europäischen Judentums unter der Bezeichnung Holocaust Mythos geworden sei (S. 76), wird vor dem Hintergrund seiner Mythos-Definition endgültig böse.
Im Kontext „Historikerstreit“: „Man muß sich nur darüber klar werden, daß Erinnerung nichts mit Geschichtswissenschaft zu tun hat.“ (S. 77)
„Mythos ist die zur fundierenden Geschichte verdichtete Vergangenheit.“ (S. 78)
Zur Vorstellung einer homogenen Zeit gehört die andere Vorstellung, daß die Welt zu jeder Zeit den gleichen Gesetzen unterworfen ist. Diese in die Vergangenheit projizierte Voraussetzung hat Lyell in geologischem und paläontologischem Zusammenhang erstmals ausformuliert (vgl. St. J. Gould: Die Entdeckung der Tiefenzeit). Die gleichen Zusammenhänge machen die althistorischen Untersuchungen gelegentlich so unerträglich. In weltgeschichtlichem Kontext wird vergessen, daß die die Welt beherrschenden Gesetze nicht einfach nur gegeben, sondern auch von Menschen gemacht sind, und daß es nicht die gleiche Welt ist, die Homer mit Abraham und beide mit uns verbindet.
Ist nicht der „Kanon“ eine Art Referenzsystem, aber eines mit der Tendenz zur Verkörperung: zur Inkarnation.
Der methodologische Hauptteil beim Assmann dient nicht der Explikation des Problems, sondern seiner Verwischung, Verdrängung. Professoren-Wissenschaft: Er lebt und denkt in einer Welt, deren Grenzen von jenen bestimmt wird, die zugleich die Fachkarrieren bestimmen. So werden Außenseiter apriori ausgeschlossen (und nicht einmal mehr erwähnt: das betrifft sowohl Velikovsky und seine Nachfolger als auch Rosenzweig, Lukacz, Benjamin).
War die griechische Philosophie die Ausbreitung des Denkens nach allen Seiten und das Christentum der Versuch, die Höhen und Tiefen zu vermessen (Verwechslung von Gottesfurcht und Herrenfurcht als Folge der theologischen Rezeption des Weltbegriffs, abzusichern nur durch Trinitätslehre und Opfertheologie)?
Hegel hat die Opfertheologie verdrängt und ist an der Trinitätslehre erstickt. So war die Hegelsche Philosophie nicht das „Auto da Fe“ (Baader), sondern bloß der Selbstmord der bisherigen Philosophie. Allerdings – im gleichen Sinne, wie man von einem perfekten Mord spricht – ein perfekter Selbstmord.
Die christliche Sexualmoral, mit der Veurteilung der sexuellen Lust, entspringt genau an der Stelle, wo die Urteilslust aus dem Kontext des Sündenfalls herausgenommen und neutralisiert wird: im Ursprung des Weltbegriffs (in seiner theologischen Rezeption).
Das Rätsel Heidegger und die Lösung der sieben Siegel der Sakramente (Taufe, Firmung, Buße, Eucharistie, Priesterweihe, Ehe, letzte Ölung).
Die Vorstellung, daß kanonische Werke bestimmte „Werte verkörpern“ (Assmann), ist eine ausgesprochen autoritäre Vorstellung.
Hat der musikalische Begriff des Kanon etwas mit dem literarisch-„kulturellen“ zu tun?
Ist nicht der „Komplexitätsschub“ im griechischen fünften Jahrhundert (S. 123) eine Verharmlosung eines weit ausgreifenderen Sachverhalts (Krise des Mythos, Ursprung der Philosophie und des Weltbegriffs)?
Identität als kulturelle Identität, Ich-Identität, kollektive Identität (S. 127).Assmann, Baader, Benjamin, Christentum, Gould, Halbwachs, Hegel, Kohl, Lukacs, Lyell, Mao, Musik, Philosophie, Rosenzweig, Sexualmoral, Velikovsky -
07.10.92
Zu den sieben Siegeln der Apokalypse: Welche Funktion hatten in jener Zeit die Siegel (Zeichen der Teilhabe an der Macht des Königs, persönliche Bekräftigung der Geltung eines Vertrages, eines Dokuments), lag sie nicht zwischen Unterschrift und Personalausweis? In welcher Beziehung standen sie zum Eigennamen? Haben die Öffnung (das Brechen) des Siegels und die Lösung eines Knotens (eines Problems, eines Rätsels) etwas miteinander zu tun? Ist nicht der Begriff des Begriffs und sind die damit zusammenhängenden, davon abgeleiteten Begriffe wie Raum und Zeit, Welt, Natur, Materie, Person, Bekenntnis nicht alle Siegel (die die Wahrheit versiegeln)?
Es gibt keine Erklärung der Gemeinheit ohne Zuhilfenahme der Antisemitismus-Analyse.
Ist nicht auch das Marquardtsche Votum für Israel, das Leute wie Micha Brumlik und Edna Brocke so anspricht, zwar wahr, aber zugleich konkretistisch entstellt (etwas, woran man sich halten kann)?
Ich bin garnicht so ganz sicher, ob die Natur die Menschen überlebt, ob das nicht ein Schein ist, den die Natur selber erzeugt (der gleiche Schein, aus dem in der Hegelschen Logik das Wesen hervorgeht). Welt und Natur sind Momente in der Generationenbeziehung, sind Momente im Kontext der Genealogien (auch der Schöpfungsbericht gehört zu den toledot). Das auf eine Formel gebracht zu haben, ist die Bedeutung der Trinitätslehre. In ihrer dogmatischen Gestalt ist die Trinitätslehre das Siegel, mit dem die Schöpfung zu Welt und Natur verschlossen wurden. Von innen begriffen, und d.h. von ihrer dogmatischen Umhüllung befreit, wäre die Trinitätslehre der Beginn des Kommens der zukünftigen Welt.
Die jüdische Mystik, die Kabbalah, ist Schöpfungsmystik, die christliche müßte Auferstehungsmystik sein.
Israel ist der Augapfel Gottes, Teil seines Angesichts, sein verletzlichstes Teil. Aber die Kirche bewacht und hütet das versteinerte Herz der Welt.
Die Patriarchen: Marx, Freud und Einstein; die Sühne Jakobs: Cohen, Rosenzweig, Lukacz, Bloch, Benjamin, Scholem, Horkheimer, Adorno, Kafka, Kraus, Schönberg (wer fehlt noch?).
Die Instrumentalisierung des Opfers in der christlichen Opfertheologie, die Verdrängung der Täufer-Theologie (durch die falsche Übersetzung des tollere): der Versuch, die Wunde ohne den Schmerz zu haben, Ursprung der Anästhesie.
Die subjektiven Formen der Anschauung, Raum und Zeit, sind Abkömmlinge und Repräsentanten der invisible hand in unserem eigenen Innern. Die Umkehrbarkeit der Richtungen im Raum gehört zu den Prämissen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, die dann aber am Ende zu Protest gehen, nämlich mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Und das Licht, das Werk des ersten Schöpfungstages, ist auch die erste Manifestation der Umkehr und der Beginn der Erschaffung des Angesichts, das am sechsten Tage mit dem Menschen im Bilde Gottes, als sein Ebenbild, als Mann und Frau erschaffen wird.
Die Naturwissenschaft gehorcht dem Prinzip des Von allen Seiten hinter dem Rücken, sie ist der Inbegriff der Ausweglosigkeit.Adorno, Antisemitismus, Benjamin, Bloch, Brocke, Brumlik, Cohen, Einstein, Freud, Gemeinheit, Hegel, Horkheimer, Kabbala, Kafka, Kraus, Lukacs, Marquardt, Marx, Mystik, Naturwissenschaft, Rosenzweig, Scholem, Schönberg, Theologie -
19.09.92
Im Gottesknecht-Kapitel bei Deuterojesaias heißt es, daß der Gottesknecht unsere Schuld trägt, nicht daß er sie hinwegnimmt (wir damit entschuldigt sind): Die eigene Schuldbefreiung ist nur möglich durch die Übernahme der Schuld aller; das hängt zusammen damit, daß es Hoffnung für uns nur durch die Hoffnung für andere hindurch gibt (Gethsemane und die Idee der Auferstehung der Toten). Aber was bedeuten dann die Sündenvergebungs-Geschichten im Neuen Testament? Ist es ein Vorgriff auf das „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, oder ist es ein Echo auf die 120 000, die Rechts und Links nicht unterscheiden können?
Kritik des Scheins: Markiert nicht die transzendentale Ästhetik Kants sowohl das Ende der Naturwissenschaften als auch das Ende der Kunst? Muß man nicht seitdem den Pakt mit dem Teufel schließen, um noch „Kunst machen“ zu können?
Gegen Lukacs: Das Hotel Abgrund ist kein Hotel, sondern eine Lokomitive; und Adorno hatte sich nicht komfortabel eingerichtet, sondern im Bewußtsein, daß es nichts hilft, nur das Personal auszuwechseln, dazu beigetragen, daß die Scheiben nicht vollständig verklebt und die Schubkraft und die Bewegungsmechanismen zumindest im Ansatz erstmals begriffen wurden.
– Die Rechten möchten alle erschlagen, die nicht in den Zug hineingehören (die Juden und die Ausländer), wobei sie – wie die Friedhofs- und Grabschändungen beweisen – sehr genau wissen, daß auch die Toten den Mitfahrenden noch gefährlich werden können.
– Und der Abgrund, in den der Zug rast, ist nicht einfach vorhanden, sondern die Lokomotive produziert ihn selber.
– Vgl. das Motto zu Adornos Kierkegaard-Arbeit (das Bild vom Maelstrom von Edgar Allen Poe).
Waren der Holocaust und sind die Grabschändungen der Rechten heute, nicht doch Hinweise auf das Nahen des Reiches, das von Dämonen zuerst wahrgenommen wird?
Die drei Namen des Bösen: der Ankläger, der Verwirrer und der Vater der Lüge.
So wie Heidegger, nachdem er den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt gemacht hat, diesen Geburtsfehler kenntlich und analysierbar gemacht hat, so hat die Kirche durch Umkehrung des Nachfolge-Gebots alle Schuld in sich aufgesaugt und damit auf ähnliche Weise kenntlich und analysierbar gemacht. Das „nulla salus extra ecclesiam“: hier ist die Schuld im Begriff präsent, deren Übernahme aus ihrem Bann herausführt. Das wahre Archäologiestudium ist heute das der Kirche.
Nochmal die drei ersten Schöpfungstage: Gibt es hier einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Trägheit, Schwerkraft und Licht? Und gibt es korrespondierend hierzu einen Zusammenhang zwischen dem Planckschen Strahlungsgesetz, dem Urknall und dem Schwarzen Loch?
Die merkwürdige Erfahrung, daß ein Zentrum, ein Anfang nicht mehr sich bestimmen läßt, hat das Ganze zu einem Labyrinth gemacht. Aber war nicht im Zentrum des Labyrinths der Minotaurus?
Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist wahr unter der Prämisse des Vorrangs der Vergangenheit und, was darin mit einbeschlossen ist, im Kontext der Vorstellung einer homogenen Zeit. Die Vorstellung einer homogenen Zeit schließt den Vorrang der Vergangenheit (the future will be like the past) mit ein, ist davon nicht zu trennen; oder sie schließt die Vorstellung einer wirklichen Zukunft, die anders wäre als die Vergangenheit, von sich aus. Aber dieser Vorrang der Vergangenheit (die Form des Inertialsystems als Todesgrenze, Grundlage des Herrendenkens) wirkt auch in die Vergangenheit zurück, vernichtet die vergangenen Gestalten der bis heute uneingelösten Hoffnung, macht diese Hoffnung zur Lüge. Dieser Vorrang der Vergangenheit verrät die Toten. Und die Vorstellung des unendlichen Raumes ist der Sargdeckel über einer Vergangenheit, die auch die Zukunft unter sich begreift: sie ist der Inbegriff des Weltgerichts und das Korrelat der absoluten Verzweiflung. Denkmal dessen ist der Begriff der Materie. -
30.08.91
Das Verständnis der speziellen Relativitätstheorie, ihrer Beziehung zum Objekt, dürfte nicht schwieriger sein als das des Bankengeschäfts und seiner Beziehung zur Wirtschaftsstruktur (vgl. Baecker: Womit handeln die Banken? Ffm 1991).
Der Verdinglichungsmechanismus besteht darin, daß ich etwas zu einem Ding mit festen Eigenschaften mache: z.B. jemanden, der gemordet hat, zu einem Mörder. Ich mache so eine Tat zu einer festen Eigenschaft, die sich nicht mehr ändern läßt; das Prädikat zu einer begrifflichen Bestimmung des Subjekts: zum Begriff. Auch der Adelstitel ist ein „Prädikat“, und jedes Prädikat eine Bewertung. Genau diesem Konzept gehorcht auch der Antisemitismus und der ist ohne den Rassismus ebenso wenig zu haben wie die Nobilitierung eines ganzen Volkes durch den gleichen Arier-Rassismus. Dieser Antisemitismus hat seine nur scheinbar harmlosen Vorläufer in der nationalistischen Geschichtsschreibung, zu deren Folgen unter anderem neben der antisemitischen Interpretation der ebenfalls national verstandenen Propheten und der Schrift insgesamt auch die Erfindung der Sumerer gehört. Modell dieses Verdinglichungskonzepts sind die Naturwissenschaften, die ein System aus lauter Prädikaten sind. Hier liegt der Ursprung der Mathematik, deren Vorgeschichte unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen wäre (Sprache der Sumerer, „Turmbau zu Babel“, Ursprung der Idolatrie).
Die Ontologie entspringt mit dem Staat und mit dem Weltbegriff und stabilisiert beide; sie ist Erbe der Idolatrie und des Opfers; ihr genetisches Zentrum ist die Schicksalsidee.
Bei der Benennung der Tiere hat Adam nur die Arten benannt; die sind aber keine „Gefährten“ des Menschen.
Warum wendet Luhmann seine Systemtheorie nicht auf die Physik an?
Rechtfertigt Baecker („Womit handeln die Banken?“, Ffm. 1991) durch sein Konzept nicht die Funktion der Banken in diesem Wirtschaftssystem auf eine Weise, die eigentlich Anlaß zu begründetster Sorge wäre? Die Risiken, die die Banken verwalten und gegen die sie sich durch ihr Mangement absichern müssen, um die Stabilität des Wirtschaftsprozesses zu sichern: die Konsequenzen sind deutlich geworden in der „Wende“ in der deutschen Nachkriegspolitik, als alle Leute begriffen haben, was passiert, wenn diese Grundfakten nicht beachtet werden. Diese Risiken sind nur die offen zutage liegende Kehrseite der Verhältnisse, die die Existenz der Mehrheit der Bevölkerung bedroht.
Was würde eigentlich dabei herauskommen, wenn heute jemand Rosa Luxemburgs „Akkumulation des Kapitals“ und Rudolf Hilferdings „Finanzkapital“ auf den heutigen Stand der Dinge fortschreiben würde?
Die Katastrophen dieses Jahrhunderts, aus denen wir soviel gelernt haben, daß wir sie zur Zeit in die Dritte Welt exportieren, waren ja keine bloß ideologischen, sondern reale ökonomische Katastrophen.
Die Kreditschöpfung: eine creation ex nihilo. Beim deutschen Schöpfungsbegriff schwingt die Assoziation mit, daß jemand mit einer Schöpfkelle aus einer Flüssigkeit (einer Ursuppe gleichsam) „schöpft“. Das Flüssige, das Wasser (der erste Begriff der Philosophie übrigens), hat in biblischem Zusammenhang die Nebenbedeutung sowohl der Schuld, des Schuldzusammenhangs, als auch der Völker. Der Chaosdrache und das Tier aus dem Wasser gehören hier her. Aus einem solchen Medium (der Schuld und ihres kollektiven Ursprungs) „schöpft“ auch die „Kreditschöpfung“. -Ist das Geld, das eine Bank im Falle eines Kredits verleiht, real oder spekulativ; oder: ist diese Alternative real?
Die Frage „Womit handeln die Banken?“ ist präziser zu beantworten, wenn man den Baecker aus dem Verblendungsbann der Systemtheorie herauslöst. Die Banken handeln mit dem Tod, dessen Nichts so real wird.
Der real existierende Sozialismus ist u.a. daran gescheitert, daß er das Problem der Beziehung von Theorie und Praxis nicht ernst genug genommen hat. Die Vorstellung, die auf der unreflektierten Tauschprinzip-Theorie basiert, daß der Marxismus ein gleichsam technisches Konzept zur Beherrschung der wirtschaftlichen Prozesse biete, die die kapitalistischen Folgen vermeidet, war falsch. Dieser Instrumentalismus war ohne einen dann allerdings nur dilettantisch gehandhabten (Staats-)Kapitalismus nicht möglich. Der hatte dann weit schlimmere Folgen als der reale Kapitalismus. Lukacz hat das in „Geschichte und Klassenbewußtsein“ noch gewußt, dann aber schnell (und verzweifelt) verdrängt. Daß in diesem System dann so abenteuerliche Existenzen gedeihen konnten wie Schalck-Golodkowski, auch Mielke und Honegger, war kein Zufall. Zugrunde lag das durch die christliche Tradition abgesegnete Bekenntnis-Syndrom: die Vorstellung, daß das Bekenntnis zur Wahrheit hinreiche, um diese Wahrheit real werden zu lassen; sie hat wie im Christentum nur die schlaue Heuchelei und die Gemeinheit befördert und honoriert. Dadurch unterscheidet sich der Zusammenbruch des Sozialismus von der Niederlage des Faschismus, daß er die (durch Mißbrauch als Bekenntnis-Ideologie diskreditierten) Mittel, die eigene Situation zu begreifen, den Opfern aus der Hand geschlagen hat, und daß jetzt das Land Sündenböcke braucht. Deshalb glaubt man, die Probleme auf dem gleichen Bekenntniswege lösen zu können, der in die Katastrophe hineingeführt hat, während gleichzeitig diejenigen, die wirklich an den Hebeln der Macht sitzen, es besser wissen und sich ins Fäustchen lachen.
Die Wahrheit opponiert nicht der Lüge, sondern dem „Falsch-Zeugnis-Geben“. Die Lüge gehört bereits in den Kontext der verdinglichten, entmächtigten Wahrheit; Grundlage ist der Weltbegriff. Franz Rosenzweigs Begriff der „Bewährung“ macht das praktische (in letzter Konsequenz das herrschaftskritische) Moment an der Wahrheit kenntlich. Dieses Moment haben Juden unter der Idee der Heiligung des Gottesnamens verstanden (und die Christen – wie ihre eigene Theologie insgesamt – nicht verstanden).
Der Ödipus-Konflikt ist ein welthistorischer Konflikt, und zwar sowohl individuell wie auch gesamtgesellschaftlich. Die Möglichkeit der objektiven Anwendung des Verdrängungsbegriffs gründet in seinem Verhältnis zur Zeit. Verdrängt wird etwas Zukünftiges und Vergangenes zugleich, oder mit der verdrängten Vergangenheit wird zugleich ein Stück Zukunft verdrängt. Dieser Verdrängungsmechanismus konstituiert seit den Anfängen der griechischen Philosophie bis hin zu den modernen Naturwissenschaften den Begriff. (Dazu ein direktes Bespiel: Zwei Sechsjährige, ein Junge und ein Mädchen, fahren mit ihren Fahrrädern daher; ein anderer Sechsjähriger ruft den beiden mit offenkundig hämischem Ton nach: „Na, ihr beiden Verliebten.“)
Zur Konstruktion der Häme: Hier vermischt sich aufs trübste der Gestus der moralischen Überlegenheit, des moralischen Urteils, mit dem des schlecht verhohlenen Neids gegen den, über den man sich erhaben dünkt, indem man sich mit dem moralischen Urteil gemein macht.
Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist die Klugheit der Schlange („Seid klug wie die Schlangen …“); sie ist die Erkenntnis auf die sich der Begriff der Umkehr bezieht.
Ist die Schöpfung die Umkehr des Chaos, und der Geist über den Wassern das Prinzip dieser Umkehr?
Sind Jahwist und Elohist nicht nur nebeneinander existierende (aus „verschiedenen Quellen“ stammende) Teile der Schrift, sondern durch eine Umkehrähnliche Relation aufeinander bezogen, und steckt in dieser Unterscheidung so etwas wie ein innertheologischer Reflex der babylonischen Sprachverwirrung?
Welche Sprachen wurden in Babylon gesprochen außer der sumerischen? Gibt es einen Sprachatlas der Antike?
Nur für die zerstreuten Leser (und die nationale Geschichtsschreibung, die sich an zerstreute Leser wendet) ist der eigentliche Gehalt der Schrift nicht sichtbar. Aber die heutige Schriftauslegung und der heutige Schriftgebrauch aller Kirchen hat die Zerstreutheit zur Grundlage (theologischer Grund ist offensichtlich). Die wesentlichsten Einsichten ergeben sich erst aus dem konzentriertesten Studium der Details.
Die Josephs-Geschichte: oder die Geschichte der Getreide-Versorgung als Teil der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (des Zusammenhangs von Privileg und Diskriminierung, Askese und Ausbeutung). Er holt die eigene Familie ins Land und liefert sie dem Schicksal derer aus, deren Schicksal er selber durch die Behandlung der Hungerkrise bestimmt hat.
Wie kommen die Philister und Amalek in die Abraham-Geschichte?
Fundamentalisten sind Religions-Hooligans.
Der Dogmatisierungsprozeß, die Entwicklung des Dogmas, vertritt den Ödipus-Konflikt in der Kirchengeschichte.
Konzept:
– Im Angesicht/hinter dem Rücken,
– Objektivation und Instrumentalisierung,
– Raum und Zeit, Geld, Bekenntnis,
– Ödipus-Konflikt: Ursprung des Weltbegriffs, des Säkularisationsprozesses; Philosophie und Ursprung der Weltreiche („Babylon“),
– Begriff und Namenlehre; Herrschaft und Erkenntnis (Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang),
– Herrschaftskritik, Übernahme der Schuld der Welt, Auflösung des Verblendungszusammenhangs, Idee des Heiligen Geistes,
– Anklage, Gericht, Verteidigung, Sprachphilosophie,
– Natur und Welt, oder Bemerkungen zur feministischen Theologie
Rosenzweigs Erinnerung an den Tod: Umwandlung in ein Gedenken der Toten. Der Tod als das Sterben der anderen scheint in Rosenzweigs Konzept zu kurz zu kommen. Darauf bezieht sich die Lehre von der Auferstehung der Toten.
Im Angesicht Gottes leben, schließt die wahnwitzige Hoffnung auf die Auferstehung der Toten mit ein; ist diese Hoffnung als nicht nur kontemplative, sondern als aktive Hoffnung denkbar? Ist eine Praxis denkbar, die dieser Hoffnung entspricht, aus ihr sich nährt?
Zu Reinhold Schneiders Satz „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten …“: Welches Schwert hat er hier gemeint? Das der direkten Bedrohung durch den Faschismus, die Gefahr des Terrors, die Möglichkeit des Martyriums, oder das Schwert, das den bedroht, der durch Komplizenschaft mit dem Faschismus, durch die Mittäterschaft an Auschwitz, mitschuldig geworden ist?
„… und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen“: das scheint schon wieder eindeutig zu sein.
Das „Ehe Abraham war, bin ich“ drückt eine Zukunft aus, die in die Vergangenheit Abrahams hineinscheint und jetzt präsent ist.
Das „hinter dem Rücken“ ist der Verdinglichung äquivalent. Wenn ich eine Sache hinter ihrem Rücken betrachte, nagele ich sie fest auf ihre Eigenschaften, mache ich das Prädikat zum Herrn über das Subjekt, fälle ich ein Urteil (Urteile werden gefällt!), setze ich es als vergangen, als nicht mehr zu ändern. -
26.08.91
Max Webers Probleme bei der Darstellung der Verhältnisse in der Alten Welt, insbesondere sein Begriff des Idealtypus, sind Folgen seines Geschichtskolonialismus, d.h. Folgen der Anwendung von Kategorien, die definiert sind nur im Rahmen der zeitgenössischen politischen Ökonomie. Die Brüche in der (nur sich „annähernden“) Darstellung sind Folge des projektiven Gebrauchs der Begriffe, deren unreflektierte Anwendung auf die Ursprungsgeschichte zwangsläufig zu Fehlern und Mißverständnissen führt (bis hin zu antisemitisch verwertbaren Konstruktionen). Das Ganze ist Folge seines unhistorischen (durch den Endzweck seines Rationalisierungsbegriffs vorgeprägten) Weltbegriffs. (Vergleich Weber / Lukacs und Planck /Einstein?)
Die Historisierung der Welt, die Einbindung der Welt in den historischen Prozeß, führt darauf, daß der Antisemitismus in diesem Weltbegriff verankert und jedenfalls keine bloße Gesinnungsfrage ist.
„An den Wassern zu Babylon saßen wir und weinten …“ (Ps 1371).
Hängt die Reinlichkeitsneurose deutscher Frauen, der Zwang, jede Spur von Staub zu tilgen, mit ihrer Feindschaft mit der Schlange, die dazu verurteilt wurde, Staub zu fressen, zusammen?
Wenn die Entwicklung ihrer eigenen Logik weiter folgt, ist nicht auszuschließen, daß auch die Rechtsversicherung zu einer Pflichtversicherung – wie die Kranken-, die Haftpflicht- und die vorgesehene Pflegeversicherung – wird. – Anwendungsbeispiele für die Staubgeschichte (Adam: Staub bist du und zu Staub wirst du wieder werden; zu dem Staub, den dann die Schlange frißt?
Die Mühlen als Symbol des Todes (vgl. Benjamins Wahlverwandschaften) passen in diese Staubgeschichte herein.
Die Bedeutung des Inertialsystems scheint darin zu liegen, daß die Betrachtung „hinter dem Rücken“ allseitig wird (komplettiert wird zum System wie der Kapitalismus durch das Institut der Lohnarbeit, die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip, durch die Begründung eines Marktes für Arbeit, Güter und Kapital), das aber zugleich den genauen zeitlichen Charakter dieser Sicht mit einschließt, nämlich die Subsumtion unter die Vergangenheitsform.
Der Objektivationsprozeß ist der Sturz. Und wenn die Naturwissenschaft die Welt im Zustand des vollendeten Sündenfalls abbildet, dann deshalb, weil über die Naturwissenschaft die Welt in diesen Sturz, dessen Bahn durch das Herrendenken vorgezeichnet ist, mit hereingezogen worden ist.
Sind die Äste, Zweige, Blätter der Bäume, auch ihre Blüten und Früchte, nicht sozusagen Luftwurzeln (Luft- und Lichtwurzeln)? -Wie verhält sich der Baum der Erkenntnis zum Baum des Lebens? Im gleichen Kontext bezeichnet das Erkennen auch das Zeugen. Kann es sein, daß die gleiche Frucht, die die Frucht des Lebens gewesen wäre, durch die Trennung vom Baum zur Frucht der Erkenntnis wurde, der Erkenntnis des Guten und Bösen, d.h. des richtenden Urteils; war der Sündenfall nur ein falscher Gebrauch? Was Anfang war, ist hier zum Ende geworden; es muß sein Ende erst wieder einholen, ehe es in den Anfang zurückkehren kann. Blochs Bemerkung, daß der Anfang am Ende sein wird, könnte damit zusammenhängen (vgl. auch Ebachs „Ursprung und Ziel“).
Kann es hiernach sein, daß auch die Physik auf die Umkehr harrt? – Der Umkehrpunkt in der Physik läßt sich bezeichnen: er liegt im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
Zur Konzeption des Inertialsystems gehören die drei Elemente: Raum, Zeit und Materie; diese drei Elemente spiegeln sich in der Dreidimensionalität des Raumes, sie haben etwas mit dem Werden der Vergangenheit zu tun. Ist die Dreidimensionalität des Raumes, in dem sich dann die Dinge (von den Photonen bis zu den Sternen) nicht nur bewegen, sondern auch als Dinge konstituieren, nicht auch bloßer Schein, der mit Gewalt durchgesetzt wird und dabei die entscheidenden Differenzen verdrängt und unterdrückt. Ist nicht der Raum selbst in die Bewegung mit hereingezogen, Objekt einer Bewegung, deren Subjekt zu sein er vortäuscht.
Über diese Bewegung des Raumes gibt Aufschluß die Geschichte der Banken, des Geldes, des Finanzkapitals.
Das Inertialsystem ist insgesamt ein selbstreferentielles System, und die Mechanik (unter Voraussetzung der metrischen Komponenten des System, Raum Zeit und träge Masse) reine Mathematik. Erst im Prozeß der Vergegenständlichung von Raum und Zeit, der Verräumlichung der Zeit, kristallisiert sich als ergänzendes metrisches Moment die träge Masse aus, die dann als äußerliches Ding in dieses System hereinkommt: und zum reinen namenlosen Objekt wird.
In der Bindung des Weltkonzepts an die Anschauung vollendet sich die Erkenntnis, daß „sie nackt sind“. Aber die Scham wird übermächtig (trifft vor allem die Tiere) und überschwemmt das ganze System. Die menschen verbergen ihr Angesicht und das Angesicht der Erde ist nicht mehr auffindbar.
Hat die Erfindung der Sumerer etwas zu tun mit dem letzten, verzweifelten Versuch, angesichts des Erkenntniskontinuums, das da war, den fernen Blick zu retten, der nicht zu retten gewesen wäre, wenn man die Sumerer gleich als die Chaldäer erkannt hätte. Und der Spenglersche Versuch einer Kulturmorphologie, der Versuch, die Einheit der Weltgeschichte zu sprengen und durch die Einheit eines abgehobenen kulturmorphologischen Modells zu ersetzen, das dann dem Gesetz der ewigen Wiederkehr unterliegt, scheint hiermit zusammenzuhängen. Der Zwang, die Sumerer zu einem besonderen Volk zu machen, rührt her von dem modernen Konzept der Einheit von Volk, Nation und Sprache, das so auf die Alte Welt nicht übertragen werden kann. Diese Bemerkung gilt u.a. auch für das „Volk“ der Hebräer. Einer der letzten – und vielleicht auch problematischsten – Ausläufer dieses Nationalbegriffs ist der Zionismus.
Gibt es zu dem Cherub mit dem flammenden Feuerschwert, der die Pforten des Paradieses bewacht, in der jüdische Tradition (Talmud, Mischna oder Mystik) Hinweise oder Interpretationen?
Ist die Idolatrie der Anfang des Objektivations- und Instrumentalisierungsprozesses, der sein Telos im Inertialsystem findet?
Die neuere französische Philosophie ist auf das Probleme des Anderen, des Fremden abgestimmt; sie wäre durch das Votum für die Armen, durch die Verteidung der Armen, zu ergänzen.
Kann es sein, daß der Konstruktionsfehler des Stern der Erlösung darin liegt, daß in der Konstruktion der Welt deren beide Elemente umgekehrt zu fassen sind: erst das B und dann das A (B=A, nicht A=B): so würde deutlicher, daß das A ein durchs B Provoziertes ist; oder daß Subjektivität (als Inbegriff des Allgemeinen) nicht das Erste und das Allgemeine nicht der Ursprung ist.
Das tode ti des Aristoteles ist das Inertialsystem in nuce.
Die Persönlichkeit ist für sich, was die Person an sich ist, nämlich ein Sein für andere. Deshalb ist die Persönlichkeit (als Ansehen) erlebbar, die Person nicht.
Wie verhalten sich Welt und Natur zu Himmel und Erde? Die Welt ist ein Reflex der Natur, die Natur ein Produkt der Welt. Aber wie hängt das zusammen?
Die jüdische Tradition vom verborgenen Gerechten verweist darauf, daß die Gemeinheit strafrechtlich nicht zu fassen, vom Recht nicht unterscheiden ist. Die Gemeinheit des antisemtischen Topos von der Doppelmoral der Juden liegt darin:
– ihre Voraussetzungen sind durch ein Wirtschaftssystem vorgegeben, das immer mehr darauf hinausläuft, die Gemeinheit der Wahrnehmung zu entziehen; diese Voraussetzungen sind nicht von Juden geschaffen worden, diese sind Opfer des Systems;
– aufgrund der rechtliche Sonderstellung, der die Juden weder aus eigenem Willen noch aus freiem Entschluß unterworfen wurden, insbesondere dadurch, daß nur jene Bereiche im Wirtschaftsleben auch für Juden offen waren, in denen es ohne die Doppelmoral nicht geht, kann ihnen die Doppelmoral nicht angelastet werden;
– Nutznießer dieses Systems sind nicht die Juden, sondern die Raubkapitalisten (unter ihnen auch die Weberschen Puritaner, die ohne dieses System ihre Moral und Gesinnung nicht entfalten könnten), die die Schuldverschiebung (auf die Juden) als Mittel der Exkulpierung nutzen, hinter diesem Vorhang unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können.
Ohne die Herren, die sich der Hofjuden bedienen, würde es die Hofjuden nicht geben, und ohne jenes spekulative Geldgeschäft, das nicht nur den Bereich der Börsen und Banken kennzeichnet, sondern längst auch den Gesamtbereich der Produktion beherrscht, würde es den moralischen Kapitalismus, den Max Weber zu beschreiben versucht, nicht geben. Auch der Calvinismus als innerweltliche Askese war Ideologie im Sinne von Rechtfertigung.
Die feinsinnige Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik läuft darauf hinaus, die Verantwortungsethik zu einer Gesinnungsethik zu machen, und sie von jener Verantwortung zu entbinden, die sich aus den Nebenfolgen ergibt. Das Ganze ist eine innere Konsequenz aus dem Rationalisiserungskonzept und aus der Rechtfertigung des Weltbegriffs, die damit zwangsläufig verbunden ist.
Das Selbsterhaltungsprinzip, das bei den Menschen individuell ist, ist bei den Tieren an die Art gebunden. Liegt hier das Bindeglied zwischen Schlange, Inertialsystem, Venus und Babel, sowie dem Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert, der Sintflut und dem Regenbogen?
Abraham stammt aus Ur in Chaldäa, aber die Familie ist über Haran gezogen (einer seiner Brüder hieß Haran; ist der in Ur geblieben?). Haran liegt im assyrischen Herrschaftsbereich, näher bei Ninive als bei Ur.
Kommen Sodom und Gomorra (und die drei anderen Städte, von denen zwei in den Untergang mit hereingezogen werden, eine den Namen ändert) außer in der Abraham-/Lot-Geschichte nochmal vor?
Wenn Abraham (der Hebräer, der Fremde im Land) und Isaak (der Schrecken Isaaks) dem Jakob/Israel nachträglich vorgesetzt worden sind, welche Bedeutung hat es dann, daß die Frauen alle aus der (aramäischen) Verwandtschaft Abrahams genommen worden sind und alle Probleme mit der Geburt haben?
Wer ist Lots Frau?
Auch Sprachregelungen partizipieren an der benennenden Kraft der Sprache. Und der Weltanschauungskrieg, der auch ein Vernichtungskrieg war, war nur der Anfang. Der projektive Scharfsinn heute lebt von der dezisionistischen Gewalt der Sprache, indem er die eigene Sprachregelung unkenntlich und unangreifbar macht.
Der Unterschied zwischen „hat gemordet“ und „ist ein Mörder“ ist der Unterschied ums Ganze. Die Rückverwandlung eines Verbs, eines Tätigkeitsworts, in eine Eigenschaft ist der Grund der philosophischen Logik; sie gelingt nur um den Preis der Verwandlung des Täters in ein Ding. Ohne diesen Trick würde es den Weltbegriff nicht geben, würde es Herrschaft nicht geben. Grundlage und Modell dieses Verfahrens (Grund der Hegelschen Reflexionsbegriffe) ist das Inertialsystem. Die gesamte Logik, das „Wer A sagt, muß auch B sagen“, reicht genauso weit wie diese Herrschaftslogik, die eine Verdinglichungslogik ist. Wenn ich dem Subjekt die Eigenschaft (das Prädikat) als feste Bestimmung anhefte, verdingliche ich das Subjekt; und die Härte dieser Verdinglichung zeigt sich daran, daß sie den Begriff besoffen macht (daß – Hegel zufolge – im Absoluten kein Glied nicht trunken ist).
Jesus kann nur das „Ich bin’s“ sagen, weil er die Schuld der Welt auf sich genommen hat. Insoweit ist er auch der gefallene Morgenstern, der Erbe Luzifers, ist er „abgestiegen zur Hölle“).
Bei den Griechen ist es Kronos, der seine Kinder frißt; weshalb ist es bei den Kanaanäern Ischtar, Astarte, der Moloch? Kann es sein, daß der griechische Mythos über den Schicksalsbegriff in die Philosophie hineinführt, weil er von Anfang an ein kosmologicher Mythos war? Der orientalische Mythos ist als ethischer Mythos dieser Auflösung nicht fähig, wird erst abgegolten durch die Ablösung des realen Kinderopfers.
Das Christentum: das gefährlichste Experiment Gottes mit der Welt.
Die narrative Theologie wäre ein Gegenkonzept zur prädikativen, zur Begriffstheologie, wenn sie ohne Willkür noch möglich wäre. Wenn es narrative Theologie noch gibt, dann steckt sie u.a. in den Berichten von Überlebenden aus Auschwitz. Alles andere ist Kunst und Schmücke Dein Heim.
Der Begriff „allseitig“ und der Slogan „der Mensch im Mittelpunkt“ passen aufs genaueste zur dritten Leugnung: Wir sind umstellt.
Wer die Psalmen Rachegesänge nennt, läßt die Grunderfahrung, die sich in den Psalmen ausdrückt, nicht an sich herankommen.
Wann wurde das Symbolum zum Bekenntnis, wann wurde das Credo logisch umgeformt in ein Confiteor? – Mit dem Confessor?
Maria Magdalena, die von den sieben bösen Geistern befreit wurde (Mk 169, Luk 82, vgl. auch Luk 1126): heißt das, daß sie die erste war, die vom Sternendienst befreit wurde (während in der Zahl der Aposteln noch der Tierkreis symbolisiert ist)? Umgekehrt: die Besessenen, deren böse Geister „Legion“ heißen (Mt 828, Mk 59, Luk 826), die dann in die Schweineherde getrieben werden, beziehen sie sich auf die ganze Sternenwelt (Abrahams Nachkommenschaft zahlreich wie die Sterne).
Insbesondere die katholische Kirche entartet immer mehr zu einer Religion für den beliebigen Privatgebrauch.
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