Wie steht der Professor zum Confessor, Bekenner? Woher stammt der Titel und Begriff des Professors?
Profession ist der Beruf (professionell), Profeß das Gelübde, das die endültige Zugehörigkeit zu einem Mönchsorden besiegelt. Wie verhält sich die Profession zur Konfession (professionell zu konfessionell); auch der Beruf ist ein Ich-Stabilisator, und der Professor wird berufen.
Woher kommt die Bezeichnung Diplomat (sprachlich und historisch)? Diplomat und Wahrheit, „diplomatische Antwort“. (Kehrseite: der Enthüllungs-Journalismus und die linken Enthüllungs-Theoretiker; sie nutzen die gleichen Tricks: wenn eine Hypothese nicht widerlegt werden kann, ist sie öffentlich brauchbar. Nutzung der Reflexionsbegriffe.)
Der Satz, daß das Kabarett nichts ändert, gilt auch für den Enthüllungs-Journalismus. (Der „Spiegel“ bewirkt selbst dort nichts, wo er etwas auslöst; er macht nur süchtig (wie das Lachen).
Der verzweifelte Versuch der Linken, Zugang zu den Techniken der Macht zu gewinnen, ist apriori zum Scheitern verurteilt. (Linke Religionskritik war eigentlich auch immer Stück verzweifelter Kritik an der Herrschaftskritik, die Religion repräsentiert. Dieser Einsicht, war Georg Lukacz sehr nahe; er hat sie, als er sich dem Stalinismus unterwarf, selber verworfen. Und auch seine Schüler haben sie nicht begriffen.)
Entspricht das Verhältnis von Natur und Gnade dem von Natur und Ökonomie?
Hinter dem Rücken: der Tod überfällt die Menschen von hinten. (In dem Trieb, Märtyrer zu werden, spielt das Bewußtsein eine Rolle, daß dieser Tod anders ist. Die Kraft, der Katastrophe standzuhalten: Lots Weib. Der Satz: „Ihr seid das Salz der Erde“ bezieht sich hierauf. Und die Salbung Jesu vor dem Tod macht die Salbung nach dem Tod überflüssig?)
Alles, was uns aus unserer physis überfällt, überfällt uns von hinten (Krankheit und Tod). Und alles, was uns aus Politik und Ökonomie überfällt, überfällt uns von hinten. Davon abstrahieren alle an der Physik orientierten Weltentstehungstheorien.
Wie verhält sich die Salbung des Messias, des Königs zur Salbung der Toten (zur ägyptischen Mumie)?
Was den christlichen Antisemitismus am sogenannten Alten Testament ärgert, ist eine Art der Darstellung, die eine Unschuldsnische nicht zuläßt (Erkenntnis nicht durch moralische Urteile bestimmt, deshalb moralisch).
Hängt die Tatsache, daß Primo Levi in der Lage war, seine Auschwitz-Erfahrung zu beschreiben, damit zusammen, daß er Chemiker war? Oder anders: Sind Mikrophysik, Chemie und Atombombe noch auf andere Weise mit Auschwitz verknüpft, als nur über ihre Effekte?
Petrus in Babylon. (Reinhold Schneiders „Winter in Wien“ in Rom neu schreiben?)
Das „steinerne Herz der Unendlichkeit“: das ist unser Herz.
Zum Sündenfall: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“. Das scheinen wir heute noch unmittelbar zu verstehen. Verstehen wir es wirklich (Scham, Schuld, Schuldzusammenhang)? Geschichte von Adam und Eva; exkulpative männliche Interpretation; übersehen, wird, daß Adam durch Komplizenschaft die Schuld erst möglich macht. Diese Komplizenschaft aber ist ein Grundmoment der Verflochtenheit der Männergesellschaft in den Schuldzusammenhang (Faschismus-Syndrom).
Was hat es überhaupt mit dem „Baum der Erkenntnis“ zu tun? Baum: Überwintern, Überleben durch Verstockung. Stamm als Vorstufe der staatlich organisierten Gesellschaft (zwölf Stämme Israels; Verstockung durchs Bekenntnis: darin lebt der Baum der Erkenntnis fort; im Bekenntnis wird das Wort der Schlange wahr: „Ihr werdet sein wie Gott, erkennend, was gut und böse ist“; ist das Bekenntnis das Tierfell, das Gott den Menschen gegeben hat, ihre Scham zu bedecken?).
Nacktheit und Scham sind gesellschaftliche Phänomene, konstitutiert durch die Reflexion auf den Blick des anderen. Schamlos und unverschämt ist nicht das Gleiche: Unverschämt ist der fixierende, verdinglichende Bick, der Blick, der den anderen auszieht; die Verworfenheit der Schamlosigkeit gilt nur im gesellschaftlichen Schuldzusammenhang; es gibt eine Schamlosigkeit aus Arglosigkeit, die frei von Scham ist (aber diese Arglosigkeit gilt nicht im Blick auf die Herrschenden; hier gilt: Seid klug wie die Schlangen).
Lukacs
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22.04.91
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27.01.91
Das transzendentale Subjekt ist das Subjekt der Selbsterhaltung und der wissenschaftlichen Naturerkenntnis: die Sozialisierung der Hybris, die durch die Erfolge der naturwissenschaftlichen Aufklärung stabilisiert wird (weil es keine Alternative dazu zu geben scheint), ist ohne gleichzeitige Vergesellschaftung der Paranoia (des Verfolgungswahns, des Systemzwangs) nicht zu haben. Die verdrängte Güte kehrt draußen als Feind wieder (in den Armen und den Fremden: zusammengefaßt als aufsässiges Objekt, dessen aufdringliche Fremdheit verfolgt und verdrängt, d.h. als Materie neutralisiert wird): aus diesem Konstrukt läßt sich das antisemitische Vorurteil als Nebenprodukt und zusätzlicher nützlicher Stabilisierungsfaktor zwanglos herleiten (die spezielle Relativitätstheorie Einsteins ist eine durchschlagende Widerlegung dieses Konstrukts, sie bleibt nur solange ohnmächtig und hilflos, wie ihre erkenntniskritische Bedeutung nicht begriffen ist).
Gegen Lukacs‘ Vorstellung vom kontemplativen Charakter der wissenschaftlichen Naturerkenntnis ist kritisch auf das Moment der Praxis, das im Experiment sich zeige, hingewiesen worden. Übersehen wird hierbei, daß beides zusammengehört; daß – nach der Dialektik der Aufklärung – die (theoriebegründende) Distanz zum Objekt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, vermittelt ist: D.h. das praktische Moment im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß, das Experiment, ist der Repräsentant, der Stellvertreter des unkenntlich gemachten, verdrängten Knechts, des Lohnarbeiters, nach Marx: der unterdrückten und ausgebeuteten Klasse. Hier kehrt im Zentrum der modernen Aufklärung der Kern des historischen Dogmatisierungsprozesses, die instrumentalisierte Opfertheologie, als Keim- und Quellpunkt des historisch-gesellschaftlichen Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs wieder. Der Vorhang, hinter dem sich dieser Prozeß (theologisch: die zwanghafte und ohnmächtig-hilflose Wiederholung des Kreuzesopfers) verbirgt, ist das Bekenntnis; heute – nach Auschwitz – ist dieser Vorhang zerrissen (Mt. 2751ff).
Augenlust: Denken, das sich am Sehen, an der Anschauung orientiert, anstatt am Hören (mit den Ohren denken); Fleischeslust: das Fleisch ist das Subjekt der Bedürfnisse, Fleischeslust die Fixierung aufs Prinzip der Selbsterhaltung; Hoffart des Lebens: die vergesellschaftete Hybris (Zusammenhang mit den drei evangelischen Räten: Armut, Keuschheit und Gehorsam).
Ist es eigentlich bloßer Zufall, und wenn nicht, welche Bedeutung hat es, wenn die Ausformung der heute noch gelehrten Gnadenlehre in die gleiche Zeit fällt, in der in den Moralkompendien jene kasuistischen Erörterungen der kirchlichen Sexualmoral sich ausbreiten, die nur noch obszön, voyeuristisch und von der Motivation her als pathologisch anzusehen sind.
Ideologie ist Rechtfertigung: zunächst die individuelle Rechtfertigung von Handlungen (vor sich selbst und vor anderen), dann aber die kollektive Absicherung der Rechtfertigung von Anschauungen, Meinungen durch die Forderung der Zustimmung der anderen: durchs Bekenntnis, und die Verfolgung derer, die sich dieser kollektiven Absicherung entziehen: der Ketzer. Die zweite Form der Rechtfertigung gehorcht den Gesetzen der Paranoia und ist systemerzeugend. Oder Umgekehrt: Der Übergang von der ersten zur zweiten Form der Rechtfertigung ist durch Paranoia vermittelt; diese Paranoia hat einen Realgrund, ist in der Struktur der Welt und des die Welt objektivierenden Subjekts begründet. Die historische Genese des „westlichen“, „abendländischen“ Subjekts ist hierin begründet: im Übergang zur „Theologie hinter dem Rücken Gottes“, in der christlichen Gestalt der instrumentalisierten Religion. -
15.01.91
Georg Lukacs hat in „Geschichte und Klassenbewußtsein“ Hinweise auf eine marxistische Kritik der Naturwissenschaften gegeben, die er zwar später wieder zurückgenommen hat, deren produktiver Ansatz heute duetlich gemacht werden kann: Die von Frankfurter Seite mit dem Hinweis auf die experimentelle „Praxis“ geübte Kritik an Lukacz‘ Begriff des „Kontemplativen“ (der rein anschauenden Beziehung zum Objekt) vergißt die Einsicht der „Dialektik der Aufklärung“, wonach die Distanz zum Objekt durch die Distanz der Herrschenden über die Beherrschten vermittelt ist. Es ist diese (in der kantischen Philosophie durch die Unterscheidung von transzendentaler Anschauung und transzendentaler Logik bereits angezeigten) besonderen Beziehung von Anschauung und Praxis, Ursprung der Beziehung von Verwaltung und Industrie, die hier näher zu bestimmen wäre (Rückwirkung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur auf die Gesellschaft; Einbeziehung auch des Motors der Emanzipation – des naturwissenschaftlichen Aufklärungsprozesses: in den Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang – negative Trinitätslehre?). Hier ist der Ansatzpunkt für eine gesellschaftlich-geschichtliche Kritik der Naturwissenschaften.
Die kantischen Formen der Anschauung (Raum und Zeit) sind sowohl die subjektiven Bedingungen der transzendentalen Logik (des historischen Objektivationsprozesses) als auch selber objektivierungsfähig (Inertialsystem; Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Identität von träger und schwerer Masse). Sie sind so der Statthalter sowohl des Naturgrundes von Herrschaft als auch seiner Vergesellschaftung im Subjekt (Ursprung der Reflexionsbegriffe und Grund der Konstituierung des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs). Die europäische Gesellschaft ist die historische Gestalt der dem Bewußtsein entfremdeten Empörung, die exakt dem Naturgrund von Herrschaft korrespondiert: Deshalb ersetzt hier immer noch die Empörung das Argument. Bekenntnis als Empörung (Bekenntnis als „Weltanschauung“ – Brutalität der „Weltanschauungskriege“ bei gleichzeitiger Verdrängung des Bewußtseins und der Erinnerung der Brutalität darin begründet).
Der Entkonfessionalisierung der Kirchen entspräche eine Form des Bekenntnisses, die nicht mehr zur Empörung sich anreizen läßt, der Empörung nicht mehr bedarf (wohl des Zorns).
Die Formen der Anschauung sind die Formen der gegenständlich gewordenen, versteinerten Empörung; die Form ihrer Objektbeziehung entspricht der des Hohns, des kalten Auslachens: der apriorischen Verurteilung. Grund der Gemeinheit.
Startbahnprozeß: Die Empfindlichkeit ist ein Gradmesser der verdrängten Sensibilität (Konstruktion des Selbstmitleids; Ableitung seiner gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Folgen; Zusammenhang mit der Geschichte des Christentums).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie