Luther

  • 10.4.1997

    Die Auseinandersetzungen um die Errichtung einer theologischen Fakultät in der Stiftungs-Universität Frankfurt in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts werfen ein Licht auf den Zusammmenhang des Selbstverständnisses der universitären Theologie mit dem Nationalismus. Die Frage ist offen, wie weit z.B. Hermann Cohen und Franz Rosenzweig den logischen Prämissen dieses Selbstverständnisses verhaftet waren. Andreas Pangritz scheint die Reflexionen Benjamins, Horkheimers und Adornos u.a. deshalb nur bekenntnislogisch (als bloße Gesinnung) begreifen zu können, weil er die innere (ins Zentrum der Theologie hineinreichende) logische Brisanz dieser Geschichte nicht sieht.

    Die „Gesinnung“ ist ein Teil des nationalistischen (und des bekenntnislogischen) Syndroms. Die Gesinnung bedient sich der Urteilsmagie: Sie ersetzt moralisches Handeln durch die Verurteilung des Bösen, durch „Distanzierung“ (durch Ausgrenzung, durch Distanz zum Objekt). Symbol der Gesinnung ist der „verdorrte Feigenbaum“.

    Das „Kleiner- und Unsichtbarwerden der Theologie“ (und darin das Problem der Gesinnung) hängt mit der Katastrophe des Nationalismus zusammen.

    Zur Geschichte der Privatisierung, die seit je (seit der „Erfindung“ der Barbaren) mit dem „Globalisierungsprozeß“ zusammenhängt, mit der Innenwirkung der der Außenmächte, gehören die Privatarmeen des Faschismus und die „Endlösung der Judenfrage“, der barocke Pomp (der Absolutismus und die katholische Gegenreformation, der Ursprung der Oper).

    Verletzung des Bilderverbots: Der Staat, dem im Subjekt die Ausbildung der subjektiven Formen der Anschauung (das „da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“) entspricht, ist das Prisma, das den Namen in Begriff und Vorstellung aufgespalten hat. Dem Staat entspricht in der Natur der Himmel.

    Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war ein Kampf gegen die religiösen Reflexionsformen des Staates und gegen die Instrumentalisierung der Religion, ihre Subsumtion unters Herrendenken. Hierauf bezieht sich das prophetische Symbol des Kelchs (bis hin zur Beantwortung der Frage der Zebedäussöhne und bis zu Getsemane).

    Die Resignation, die in der Antwort an die Zebedäussöhne: „ihr werdet ihn trinken“, anklingt, weist schon vor auf das „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“.

    Was hat das Rauchen mit dem Räucheropfer und den Gebeten der Heiligen zu tun?

    Professionalität setzt die Anerkennung der Welt und die staatliche Lizenz voraus (der Professionelle ist nicht „selbsternannt“).

    Das Eingedenken ist das Sich-selbst-im-Andern-Wiedererkennen: der fruchtbringende Boden der Barmherzigkeit.

    Die Kollektivscham ist eine unverschämte Scham, sie bringt den Feigenbaum dazu, Blätter hervorzutreiben, aber sie verhindert die Frucht.

    Zu Stammheim ist es nicht notwendig, Partei zu ergreifen, an eine der beiden Versionen zu „glauben“. Notwendig ist allein, beide Versionen reflexionsfähig zu halten. Als Adorno schrieb, daß die Welt immer mehr der Paranoia sich angleicht, die sie gleichwohl falsch abbildet, hat er diese Reflexionsfähigkeit gemeint. Ist Stammheim nicht ein letzter Abkömmling des Marx’schen „Klassenkampfs“? Die Kraft der Reflexion sprengt die verdinglichende Gewalt des Glaubens, sie löst den Bann der Erbaulichkeit (oder: Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht).

    An einer Stelle nennt Pangritz den ersten Kafka-Essay Benjamins (mit Hilfe einer nicht unproblematischen Verwendung eines Benjamin-Satzes) „unausgegoren“ (S. 149). Gehört diese Metapher nicht zur gleichen Sphäre, zu der auch der ägyptische Mundschenk gehört?

    Erinnert das „Christum treiben“ Luthers nicht an den Hund, der die Herde treibt?

    Wer lernt, im Gesicht des Andern zu lesen (jemandem „einen Wunsch von den Augen ablesen“), mag erfahren, was mit dem Angesicht Gottes gemeint ist. Gibt es nicht heute Berufe (insbesondere in Verwaltung, Justiz, Polizei), zu deren Eingangsvoraussetzungen die Verhärtung dagegen gehört? Wo jeder Fall ein Präzedenzfall ist, gibt es kein Gesicht. Wer in dem, den er vor sich hat, alle andern sieht, sieht den Einen nicht mehr. Rosenzweigs Kritik des Alls bezieht sich auf diese logische Konstellation. Das Gesicht ist kein Objekt des Wissens. Die wissenbegründende Orthogonalität (die in die Theologie mit dem Begriff der Orthodoxie eingedrungen ist) macht aus dem Angesicht und dem Namen das Objekt und den Begriff, sie verwechselt das Wahre mit dem Richtigen und begründet eine Ordnung des Lebens, in der alle nur noch ihre Pflicht tun, aber keiner mehr weiß, was er tut. Die Unterscheidung der Wahrheit vom Richtigen gründet in der Unterscheidung des Im Angesicht vom Hinter dem Rücken, der Barmherzigkeit vom Gericht.

    Die Apokalypse ist das kostbare Instrument des aufgedeckten Angesichts.

    Auch wenn man das Bestehende nicht ändern kann, muß man es nicht auch zusätzlich noch rechtfertigen.

    Natürlich steckt in der Reflexion ein auf Realisierung drängendes Moment, aber ich kann die Reflexion nicht davon abhängig machen, ob die Realisierung hier und jetzt möglich oder auch nur denkbar ist.

    Haben nicht alle Initiationsriten etwas mit der Bindungskraft der Komplizenschaft zu tun? Steckt nicht in allen gemeinschafts- und staatsbildenden Kräften der Religionen, auch des Christentums, etwas davon?

    Steckt in der Beziehung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zum Relativitätsprinzip nicht der verborgene Name des Himmels, die Beziehung von Feuer und Wasser?

    Bezogen auf 1948 ist 1997 ein Jobeljahr.

    Der Begriff der Natur im Subjekt wird verständlich nur, wenn man darin das Zitat aus der Kritik der Urteilskraft mit hört, die diesen Begriff auf die Sphäre der ästhetischen Produktion (der Hervorbringung des Genies) bezieht. Dieser Naturbegriff ist in sich selber historisch-gesellschaftlich vermittelt, er ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte, er bezeichnet den Objektbereich von Herrschaft, der in die Geschichte der Herrschaft verflochten ist, mit ihr sich ändert. Erst im Bann des Weltbegriffs wird die Natur zu etwas Festem, Unveränderlichen. Die Sonne Homers scheint auch uns, aber wir leben nicht in der gleichen Natur.

    Ist nicht die Vermutung begründbar, daß die naturwissenschaftliche Medizin heute in eine Krise gerät, die auf die innere Logik der Herrschaftsgeschichte zurückweist und u.a. auch an der RAF sich ablesen läßt, eine Krise, die mit der Konstellation von Objektverlust, Autismus und Geiselnahme sich bezeichnen läßt? Der Autismus wäre z.B. an der „Gen-Forschung“, in der – in der Konsequenz rassistischer Konstruktionen der „Erbforschung“ – die Forschung beginnt, ihre Objekte selber zu produzieren und die Kranken, die, was mit ihnen passiert, nicht mehr zu durchschauen vermögen, unterm Vorwand medizinisch notwendiger Maßnahmen, zur Experimentalmasse tendentiell paranoider Forschungen macht. In wie hohem Grade das auch ökonomisch determiniert ist, mag man an der Tendenz der Apparatemedizin erkennen, die die Nutzung der Geräte nicht mehr an den diagnostischen Erfordernissen der Krankheit, sondern an der Begründbarkeit im Rahmen der kassenärztlichen Abrechnungsmöglichkeiten, der Gebührenordnung, orientiert. Zu untersuchen wäre, in welchem Maße das, was heute „Gesundheitsreform“ heißt, durch Zwänge dieser Entwicklung determiniert ist.

    Die Konstellation von Autismus und Geiselnahme gründet in der Logik der fortschreitender Instrumentalisierung, einer Logik, in der Mittel und Zwecke ununterscheidbar sich vermischen und nicht mehr „objektiv“ sich trennen lassen.

    Ist nicht die Geschichte vom Traum des Nebukadnezar ein Schlüssel zu diesem Vorgang, der nicht auf die genannten Bereiche sich beschränkt, sondern die gegenwärtige Phase der Herrschaftsgeschichte insgesamt charakterisiert (und ist nicht die RAF ein Indikator der Nachkriegs-Herrschaftsgeschichte, des gegenwärtigen Stands der Geschichte der Naturbeherrschung, auch der Nachkriegsgeschichte der Beziehung der Naturwissenschaften zum Staat, die nur sich begreifen läßt, wenn man die darin sich reproduzierende Geschichte des Faschismus erkennt)?

    Modell der Konstellation von Autismus und Geiselhaft ist die Beziehung des Staats zur Wirtschaft, die ökonomische Konstruktion des Lebens in einer Welt, in der nicht mehr nur die Produktions-Einrichtungen, sondern zugleich auch die sie regelnden staatlichen Institutionen ihre Autonomie endgültig eingebüßt haben und zu einem Anhängsel der davon unabhängigen Kapital-Gesetze und -Bewegungen geworden sind.

    Ontologischer Trieb: Heute ertragen es die Menschen nicht mehr, daß andere Menschen – Menschen außerhalb des Definitionsbereichs, dem sie sich selber zurechnen: der Familie, der Nation, dem Geschlecht, dem Stand, dem Beruf, der Religion – sich herausnehmen, auch Menschen zu sein. Sie sollen bleiben, was sie sind: Ausländer, Arbeiter, Frauen, Geschäftsführer, Väter, Verkäufer, Juden, Beamte.

  • 18.3.1997

    Das Modell der Beziehung von Gattung und Exemplar ist das der Beziehung von Geld und Ware.
    Ist es nicht eigentlich konsequent, wenn erst nach der Sintflut der „Bogen in den Wolken“ erscheint, wenn erst, nachdem der Begriff die Welt überflutet hat, der Begriff der Farbe in den Wolken sichtbar wird?
    Das Horn ist das Symbol einer Gewalt, die aus der Bedrängnis erwächst.
    Der Atheismus heute leugnet den Imperativ, das Gebot.
    Das, was Ferdinand Ebner den Traum nannte, die Logik der Ich-Einsamkeit, ist der Traum des Nebukadnezar. Diesen Traum, den der, der ihn träumt, zwangsläufig vergißt, rekonstruiert und deutet Daniel.
    Die Schlange oder das Neutrum ist ein Instrument zur Vermeidung der Gottesfurcht.
    Ismaeliten waren es (Midianiter), die Joseph nach Ägypten verbrachten, wo er als Sklave verkauft wurde. Midianiter waren es, die Moses, als er aus Ägypten floh, aufnahmen (die Frau des Moses war eine Tochter des Midianiter-Fürsten, der Moses aufgenommen hatte).
    Den Namen geändert haben Abram/Abraham und Sarai/Sara, Jakob/Israel. Danach erst wieder Simon/Petrus und Saulus/Paulus?
    Trägt von den Aposteln nur Johannes, der „Lieblingsjünger“ (und Nathanael, „ein wahrer Israelit“) einen theophoren Namen?
    Wer klare Fronten haben will, will wissen, wofür und wogegen einer ist. Will nicht die „Aufklärung“ klare Fronten, wie die subjektiven Formen der Anschauung sie dann schaffen (Aufklärung ist auch Verbrechens- oder Feindaufklärung)? Aber: Die Sonne bescheint Gerechte und Ungerechte; die Sonne Homers bescheint auch uns; und: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
    Die Bekenntnislogik usurpiert die Definitionsmacht über die Unterscheidung von Licht und Finsternis. Wer diese Deifinitionsmacht verliert, fürchtet, in die Finsternis zurückzusinken.
    Heute will niemand mehr ein Gerechter sein, aber alle wollen unschuldig sein, an der Unschuld der Kollektive, die sie durch die Bekenntnislogik zu gewinnen glauben, teilhaben. Darin gründet die logische Attraktionskraft der Nationen, der Kirchen, der Parteien.
    Welche Rolle spielen in der Logik der RAF-Unterstützer die Geschichte der RAF und die Gefangenen? Ist es nicht die Sprengkraft dieser Logik, die heute so drastisch sich manifestiert?
    Die RAF fällt, gemessen an den Feuerbach-Thesen Marx‘, unter die Philosophien, die die Welt nur verschieden interpretieren. Zur Änderung der Welt reichen die bloße Absicht und der bloße Wille nicht aus. Es hilft nicht, der anderen Interpretation nur eine dezisionistische Praxis anzuhängen.
    Schrumpft das Handeln der RAF nicht auf Reflexe des Verfolgungsdrucks zusammen? Und wie schützt sie sich vor der Gefahr, diesen Verfolgungsdruck zu verinnerlichen und zu reproduzieren?
    Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Das Herz der Menschen, ist das nicht die Barmherzigkeit? Und wartet Gott nicht darauf, daß er endlich in den Herzen der Menschen sich selbst erkennt? Bezieht sich nicht das Wort vom Binden und Lösen und das von dem einen Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel herrschen wird als über 99 Gerechte, auf diesen Sachverhalt?
    Zentral ist nicht die Frage Luthers: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, sondern die Frage Gottes: Wann werden die Menschen barmherzig, wann wird das steinerne Herz der Welt in ein fleischernes Herz verwandelt.
    Der Kapitalismus, die Naturwissenschaften und die Bekenntnislogik sind Instrumente der Versteinerung des Herzens.
    „Und er ging hinaus und weinte bitterlich“: Dieses Weinen löst die Wut. Ist das das Lösen?
    Das vor der Schlange erstarrende Kaninchen erstarrt aufgrund seiner fehlenden Reflexionsfähigkeit. – Jonas war nicht „im Angesicht“, sondern im Bauch des großen Fisches.
    Die Bekenntnislogik gründet in der Unfähigkeit zur Selbstreflexion der Beweislogik.
    Der Dezisionismus ist falsch; aber gibt es zu ihm eine Alternative? Das gleiche gilt für die nachkopernikanische Naturerkenntnis.

  • 2.2.1997

    Ist die dies dominica der Tag JHWHs: der Tag des Gerichts? Und hat nicht der Säkularisationsprozeß, in den die Geschichte des Christentums verflochten ist, dieses Gericht mit dem Tod gleichgesetzt – mit der vergegenständlichenden Gewalt des Todes in der Ausbildung der Bekenntnislogik und dann der subjektiven Formen der Anschauungen. Die Welt der Naturwissenschaften ist die gerichtete Welt.
    Nachts sind die Sterne eine Orientierungshilfe in der Fremde und auf dem Meer.
    Säkularisation: Durch die subjektiven Formen der Anschauung haben wir den Schrecken in die Dingwelt verschoben, das aber heißt: in der Gesellschaft an jene, die in ihr die Dingwelt repräsentieren.
    Die Grenze der Reversibilität, die das Relativitätsprinzip determiniert, läßt sich an zwei Dingen demonstrieren: am allgemeinen Relativitätsprinzip (an seiner Anwendung auf die Fallbewegung) und an der Beziehung von Objekt und Begriff: die Fallbewegung ist immer nach unten gerichtet und der Begriff ist immer oben. Die Feindbildlogik wird mißverstanden, wenn man glaubt, sie mache die Beziehung von Oben und Unten reversibel (sie mache Oben und Unten gleich). Die Feindbildlogik ist die Waffe der Herrschenden; wer glaubt, sie gegen sie wenden zu können, ist schon in der Falle drin. Die Kritik der Feindbildlogik ist ein Teil der Herrschaftskritik.
    Wittgensteins Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist, ist ein Produkt der Selbstanwendung des Weltgerichts auf die Welt.
    Ich weiß nicht, ob es eine Auferstehung der Toten geben wird; ich weiß nur das eine, daß, wer sie leugnet, sich mit den Herrschenden gemein macht.
    Nur im Johannes-Evangelium ist an der Gefangennahme Jesu auch ein römische Kohorte beteiligt.
    Ist es nicht merkwürdig, daß die Christen erstmals in Antiochien so genannt wurden? Hat Antiochien etwas mit Antiochus IV. Epiphanes zu tun?
    Strukturwandel der Öffentlichkeit: Wann gab es die Löwengruben, von denen beim Daniel berichtet wird? Und haben nicht die Römer in den Arenen die Löwengruben öffentlich gemacht?
    Gehören nicht die Tempel zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit? Und ist nicht der Kampf gegen die Idolatrie ein Teil dieser Geschichte, die zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs gehört?
    Die Fläche ist das Medium der geometrischen Rationalität (der Linearität und der Orthogonalität). Diese Rationalität wird stabilisiert durch die Norm: durch die „dritte Dimension“. Erst die Norm zieht die Beziehung zu den Dingen und zur Zeit in die Form des Raumes mit herein (sie fundiert die Anwendbarkeit der Raumvorstellung, ihre Beziehung zur Naturbeherrschung). Die Norm begründet die Beziehung des Raums zur Anschauung: Für die Anschauung (die die intentio recta zur Norm macht) wird die Fläche gegenständlich; die Anschauung rückt die Dinge in den Seitenblick.
    Das Anschauen abstrahiert vom Gegenblick, vom Angesicht; der Anschauende wird angeschaut vom leeren, toten, gesichtslosen Blick der Dinge.
    Der Begriff der Anschauung Gottes ist ein theologisches Konstrukt, kein biblischer Begriff; er gehört zum Kontext der creatio mundi ex nihilo. Die Frage Luthers: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“ gründet in diesem Kontext, ist durch ihn determiniert. Die Anschauung Gottes ist die Anschauung des anschauenden, das aber heißt: des richtenden, nicht des barmherzigen Gottes. Im Kontext der Anschauung wird die Gnade, die objektlos wird, zur Rechtfertigung, die Anschauung begründet den Rechtfertigungszwang.
    Vor Gott gibt es keine Rechtfertigung, nur die Gerechtigkeit; die Rechtfertigung gründet (wie der Schein) im Anblick der Welt.

  • 07.10.1996

    Die träge Masse ist ein Reflex des Selbsterhaltungsprinzips.
    Der existierende Sozialismus hat in seinem Marx-Verständnis das reflektierende mit dem bestimmenden Urteil verwechselt. Aber war das nicht Hegelsches Erbe, hat nicht Hegel, als er die Antinomien der reinen Vernunft dialektisch instrumentalisiert hat, genau diese kantische Unterscheidung verwischt?
    Auschwitz ist das Verbrechen, dessen Historisierung nicht gelingen wird.
    Der Rassismus ist das Ergebnis des Versuchs, die Erbsünde durch projektive Verschiebung loszuwerden.
    Ist nicht Johannes der gefährdetste der neutestamentlichen Autoren (sh. aber 1 Joh 510)?
    Et resurrexit tertia die: am dritten Tag?
    Luther hatte recht: Die Kirche ist Babylon. Aber er hätte die Kirche nicht verlassen dürfen. Gilt nicht das Jeremias-Wort „Suchet das Wohl des Landes, in das ich euch verbannt habe, und betet für es zum Herrn; denn sein Wohl ist auch euer Wohl“ (Jer 2813) auch für dieses Babylon?
    Das „Sich nicht Rühmen“ gilt ebenso wie für jeden Christen auch für die Kirche, soweit sie als weltliche Institution dem Selbsterhaltungsprinzip unterworfen ist.
    Zwei Sätze zu Hegel:
    – Das Weltgericht ist nicht das jüngste Gericht; das Jüngste wäre vielmehr das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht.
    – Das Absolute ist nicht Gott, sondern der Schatten, den die Subjektivität auf Gott wirft, der ihn unsichtbar macht.
    Hegels Leistung besteht darin, daß er die Quintessenz der dogmatischen Theologie, ihren philosophischen Kern, rein herauspräpariert und so kritikfähig gemacht hat. An Hegel hätte eine Idee der Kritik sich zu bewähren, die anstatt an der Widerlegung an der Rettung sich orientiert. Die Unwiderlegbarkeit Hegels macht ihn zum Gegenstand der rettenden Kritik.
    Wenn die Theologie kein Gegenstand der intentio recta ist, dann heißt das nicht, sie sei gegenstandslos.

  • 14.09.1996

    Die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und die Bekenntnislogik begründen drei getrennte Reiche der Erscheinungen.
    Rosemary Radford Ruether und Erich Fromm kommen in der Untersuchung von Reinhart Staats über das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel nicht vor.
    Doppelte Konsequenzen:
    – Unmöglichkeit der Harmonisierung der Theologie mit Auschwitz und mit den Naturwissenschaften;
    – Franz Rosenzweig: Konversion zum Judentum nach Auschwitz nicht möglich; seine Theologie vermag die Idee der Auferstehung zu begründen, nicht aber die Unsterblichkeit der Seele;
    – Karl Thieme: Hitler war nicht der Antichrist, nur die Generalprobe; Rosenzweig wichtiger als Buber.
    Läßt sich die These, daß Auschwitz, je mehr es in die Vergangenheit zurücksinkt, umso mehr uns auf den Leib rückt, nicht aus der logischen Beziehung von Bekehrung und Umkehr (Maria Magdalena und die sieben unreinen Geister) begründen?
    Zu den Bedingungen des Holocaust gehört ganz wesentlich die Rolle des Staates. Nur die im Staat installierten Exkulpationskräfte haben den Tätern das gute, zugleich mit Rachsucht und Infamie aufgeladene Gewissen gegeben (die Befreiung von Schuldgefühlen durch die Erniedrigung, das Quälen und das Töten der Juden), ohne das Auschwitz nicht möglich gewesen wäre. Spielt hier nicht in der Tat eine sehr protestantische Tradition mit herein, die über die Rechtfertigungslehre den Staat zur Quelle des Gewissens gemacht (und dem Gewissen die Möglichkeit der Orientierung an der Idee der Barmherzigkeit genommen) hat?
    Die Trinitätslehre, deren dogmatische Entfaltung zusammenfällt mit der konstantinischen Wende, hat die Logik dieses Exkulpationsmechanismus begründet. Durch die lutherische Neudefinition des Glaubens ist sie (und mit ihr die damit verbundene Staatsmetaphysik) ins einzelne Subjekt übertragen worden. Die „Rechtfertigung durch den Glauben“ gründet in dieser Konstellation.
    Die konstantinische Wende hat die Tradition der Barmherzigkeit aus der theologischen Spekulation verdrängt; die Rechtfertigungslehre hat die Tradition der Barmherzigkeit (den theologischen Grund der Herrschaftskritik) aus dem Handeln verdrängt und durch die Gnadenlehre ersetzt.
    Das Symbolum bezieht sich weniger auf das Zeichen, an dem die Christen sich erkennen, als vielmehr auf einen Sachverhalt, der in dem Satz Jesu sich ausdrückt: Wer mich vor den Menschen bekennt, den werde ich vor dem Vater bekennen. Und ist das nicht in der Tat der logische Kern des Symbolbegriffs? Dieses Bekennen ist eigentlich ein Bezeugen, und hierauf bezieht sich der Satz: Das Zeugnis Jesu ist der Geist der Weissagung. Und hierzu gehört auch der andere Satz, daß keiner zum Vater kommt außer durch den Sohn.
    Die blasphemische Wendung der Orthodoxie beginnt mit jenem Akt, mit dem Theodosius die Glaubensformel zur Grundlage des römischen Bürgerrechts gemacht hat.
    Verschweigt Reinhart Staats nicht den Grund des Konflikts zwischen Ambrosius und Theodosius, in dem Ambrosius gegen den Kaiser die Rechtmäßigkeit eines Pogroms, einer antisemitischen Aktion der Gläubigen, behauptet und durchsetzt? Das endet in Carl Schmitts Rechtfertigung der Nacht der langen Messer durch Berufung auf die Souveränität des Führers. Carl Schmitt war der Autor einer politischen Theologie, die das Freund-Feind-Verhältnis als Grundlage sich erwählte.
    War es nicht Reinhart Staats (Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel), der an einer Stelle anstatt vom Geist vom Gerhirn sprach?
    Der logische Grund des Staates ist in der Tat das Feinddenken, für das der Staat die Verantwortung übernimmt. Nur der Staat hat das Recht zu töten, das er an seine Bürger delegieren kann, ohne daß diese „schuldig“ werden. So richtet sich auch die strafrechtliche Verfolgung des Mörders nicht gegen die Tat, sondern allein gegen den Täter, in dem der Staat seinen Widersacher erkennt: einen, der für sich ein Recht in Anspruch nimmt, das nur dem Staat zukommt. Deshalb sind Soldaten keine Mörder. Und der Mörder im Sinne des Strafrechts zieht die Rachsucht aller auf sich, weil er die Exkulpationsgewalt des Staates, die den, der in seinem Auftrag tötet, rechtfertigt, und damit ein zentrales Element der Ich-Bildung in Frage stellt.
    Daß die Philosophie den Tod verdrängt, hängt mit ihrer logischen Beziehung zum Staat, zur Herrschaftslogik, zusammen. Diese Beziehung des Staats zum Tod drückt in dem jesuanischen Gebrauch des Kelch-Symbols (in dem „Karriere“-Dialog mit den Zebedäus-Söhnen und in Getsemane) sich aus, der genau dadurch von dem vorhergehenden prophetischen Gebrauch sich unterscheidet. So wird
    – die Bekenntnislogik (das Produkt der Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs in der Theologie) zur Bekenntnislogik durch die Opfertheologie (durch die Lehre vom Opfertod Jesu),
    – das Inertialsystem zum Inertialsystem durch die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (durch die Säkularisation der eucharistischen Vergegenwärtigung des Kreuzestodes, durch die Konstituierung des Totenreichs): es bezieht sich essentiell auf tote (anorganische) Materie,
    – das Geld zum Geld durch seine Beziehung zum Opfer.
    Hängt mit dieser Geschichte und mit dieser Logik nicht das merkwürdige Verhältnis der Evangelien zu den Vätern („laßt die Toten ihre Toten begraben“) zusammen?

  • 01.09.1996

    Viel Steine gab’s und wenig Brot (der Kapitalismus, das Inertialsystem und die Wüste). Kapitalismus und Sprache: Luther und das to be (das englische to be ist der genaueste Ausdruck des vom Tauschprinzip begründeten und durchdrungenen Empirismus und der Keim der Bekenntnislogik). Hamlets „to be or not to be“ ist nicht identisch mit Heideggers Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“, die antisemitisch und eliminatorisch ist. Die Kirche oder das Experiment Petrus. Zur Beichte gehört das (befreiende) Sündenbekenntnis, zum Strafrecht das (urteils- und strafbegründende) Schuldbekenntnis. Zum Christentum gehört die Lehre von der Erbsünde, zum Rassismus die von der eliminatorischen Erbschuld. Bezeichnet der babylonische Turm den Ursprung der „indoeuropäischen“ Sprache (die „Hethiter“ und die Achämeniden)? Die antike Gestalt der Technik war sprachbezogen, ihr Ursprungsparadigma das Neutrum, das die Sprache dem Namen entfremdet und in ein technisches Konstrukt umgeformt hat: Deshalb beginnt die Geschichte vom Sündenfall mit der Schlange (dem ersten Symbol des Neutrums; das zweite war der Turm von Babel, der die Welt in den Blick der Sprache rückte und dadurch die Sprache verwirrte).

  • 4.8.96

    Luther hatte Recht, als er Rom mit Babylon in eins setzte, aber er hätte die Kirche nicht verlassen dürfen. Babylon unterscheidet sich von Ägypten dadurch, daß es aus Babylon keinen Exodus gibt. Für Babylon gilt der Satz des Jeremias: Betet für das Wohl der Stadt. Nach der Apokalypse ist der Herr in Sodom und Ägypten, aber nicht in Babylon gekreuzigt worden (Off 118). Babylon aber hat Jerusalem zerstört. Unterschlägt (oder verdrängt) die Befreiungstheologie nicht Babylon (und deshalb das Problem der Verhärtung des Herzens Pharaos, die Vorgeschichte des Kelch-Symbols)? Es ist strikt untersagt, die Zeiten zu berechnen, denn den Tag und die Stunde kennen weder der Sohn noch die Engel, sondern nur der Vater. Es ist jedoch geboten, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Heute haben alle Katastrophen ihr bewegendes, ihr kausales Zentrum auch in der Sprache, so wie das heliozentrische System sein Zentrum in der Sonne hat, das die Irrwege der Planeten determiniert. Die Enden der Erde, sind das nicht die göttlichen Namen, auf die die sechs Richtungen des Raumes versiegelt sind (die sechs „Planeten“, ohne Saturn)? Und sind diese Richtungen des Raumes nicht allein erfahrbar im Angesicht (so hängen der Name und das Angesicht zusammen)? Kopernikus und Newton haben die obere und die untere Welt gleichnamig gemacht (den Saturn durch die Sonne, den Sabbath durch die dies dominica, ersetzt), sie haben den Hades totalisiert. Gilt für diese Welt, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? Wenn wir zu ihm umkehren (in der Heiligung des Namens), wird Er zu uns umkehren (im Leuchten Seines Angesichts). „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht“: Steht hier das „Er sprach“ in der erzählerischen Vergangenheit und das „Es werde Licht, …“ im Präsens der indirekten Rede? Oder würde der hebräische Text auch die Interpretation zulassen, daß das „Es werde Licht, …“ nur eine Erläuterung des „Er sprach“ ist, daß Sein Wort im Licht sich manifestiert, und daß die Verdoppelung des Lichtwerdens auf das dialogische Moment in Gottes Wort verweist? Und damit auf ein dialogisches Moment im Licht: das das Sehen und Gesehenwerden umfaßt; hiervon abstrahiert die Anschauung, die in den Formen der Anschauung monologisiert und vergesellschaftet wird. Die Konvergenz von Sprache und Licht wird durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum neutralisiert; sie ist die Grundlage der Erschaffung des Menschen: „nach Seinem Bild, nach Gottes Bild, als Mann und Weib“. Deshalb reicht die Unterscheidung des Männlichen und Weiblichen bis in den Sprachgrund herab (im Hebräischen ist auch die zweite Person nach Geschlechtern differenziert). Sprache als Mitteilung, Information, Botschaft: Der Monolog ist Rede über etwas; er ist objektivierend und instrumentalisierend; er vollzieht sich hinter dem Rücken der Dinge wie der Adressaten. Das Paradigma des Monologs ist das Buch, die Wissenschaft, die Vorlesung; seine Erfüllung findet er in den Medien, die nur noch Leser, Hörer, Zuschauer kennen; sein Vorläufer war die Predigt. Im Deutschen wird zur formellen Anrede die dritte Person plural, das Sie, verwandt, im Englischen die zweite Person plural, das you, das dann zur generellen Anrede der zweiten Person geworden ist, das thou verdrängt hat. Im Deutschen ist das Personalpronomen der dritten Person plural identisch mit dem der dritten Person singular femininum (während für die zweite Person plural das Possessivpronomen der dritten Person singular femininum <das Ihr> verwandt wird). Während im Deutschen die Possessivpronomina im Singular analog gebildet sind (mein, dein, sein), und nur das Femininum der dritten Person abweicht (das Ihr, das dann als Personalpronomen der zweiten Person plural verwandt wird), sind im Englischen die Possessivpronomina der dritten Person singular geschlechtsspezifisch differenziert (his, her), nur die der ersten und zweiten Person (mine, thine) sind analog gebildet. Hängen diese Unterschiede mit dem Unterschied beim Infinitiv Sein (englisch: to be) zusammen, und verweisen sie nicht auf ein tiefes sprachlogisches Problem? Wasser zu Blut (1. ägyptische Plage, vgl. auch Off 88, 163,4): Ist dieses Blut das Lebensprinzip des subjektlosen, aus dem gesellschaftlichen Schuldzusammenhang erwachsenden Lebens? Entstehen nicht daraus die Frösche (2. Plage), die dann auch im Nil bleiben (zu den Fröschen vgl. Off 1613f)? Stab/Schlange: Bei welchen Plagen wird der Stab verwandt? Welche Bedeutung hat der Stab in der Wüstenwanderung, und hängt er mit der „ehernen Schlange“ zusammen, die später dann zum Tempel gehörte, aus ihm in der Königszeit (durch Hiskia, 2 Kön 184) entfernt wurde? Das Strafrecht ist das (auf dem Grunde des Gewaltmonopols sich konstituierende) Bekenntnis des Staates (vgl. zur Ursprungsgeschichte des modernen Strafrechts den Zusammenhang von Dogma und Inquisition). Werte sind Reflexionsformen des Strafrechts in der Ethik, gründen sie nicht sowohl in der Ethik als vielmehr in der (Bekenntnis-)Logik des Strafrechts. Sprachlich und logisch sind Werte Urteile, die jedoch objektive Realität nicht durch argumentative Begründung, sondern durch kollektive Sanktionierung (durch Verbote und durch Verurteilung) gewinnen (sowas tut man nicht). Zu Werten „bekennt“ man sich, und Werte werden „durchgesetzt“. Werte sind Reflexionsformen des im Strafrecht gesellschaftlich organisierten Rachetriebs.

  • 26.7.96

    Das Ende des Messianismus manifestiert sich im Werk des Paulus, nicht bei den Evangelisten (TuK 70).
    Ist die paulinische „Rechtfertigung durch Glauben“ nicht der Ausdruck einer tiefen Verzweiflung darüber, daß das Wort und das Handeln (die Thora, das Gesetz und das Tun) nicht mehr zusammenzubringen sind?
    Waren die Evangelien nicht u.a. deshalb notwendig, weil nach Paulus das Christentum – aufgrund der Abstraktion von der Lehre Jesu – zu einer magischen Religion (zu einer Opfer- oder Mysterienreligion) zu werden drohte?
    Ist nicht das Wort von dem einen Sünder, über dessen Bekehrung im Himmel mehr Freude herrscht als über 99 Gerechte, ein antipaulinisches Wort: Ist nicht dieser eine Sünder der, der über das Gesetz und die Thora, über das Bewußtsein der Sünde, zur Gottesfurcht gelangt ist, die Paulus, der einigemale auf sein „ruhiges Gewissen“ verweist, auch den Christen ersparen möchte?
    Das Fleisch, oder die Gewalt der Sünde über mich, ist nur durch Reflexion und Umkehr, nicht durch Verurteilung und durch Verdrängung, nicht durch Tabuisierung, zu brechen.
    Kommt der Name der Barmherzigkeit bei Paulus überhaupt vor, und verdeckt nicht die Rechtfertigungslehre genau diese Lücke? Gibt es eine Stelle, die der im Jakobusbrief, daß die Barmherzigkeit über das Gericht triumphiert, entspricht?
    Hat Paulus nicht das Christentum zu einer Schutzhütte vor den Unbilden des Römischen Reiches gemacht? Hier ist der Messianismus gestorben und begraben worden, ist das Christentum zu einer magischen Religion geworden.
    Während die Synoptiker nur die leeren Stellen der paulinischen Theologie auffüllen, ist das Johannes-Evangelium antipaulinisch: der Kampf gegen die Komplizenschaft der Herrschenden (deren V-Mann Paulus war, als er noch Saulus hieß) mit den Römern. In der Konsequenz dieser johanneischen Intention liegt die Apokalypse (kann es sein, daß das „Tier vom Lande“, das „zwei Hörner (hat) wie ein Lamm“, aber „spricht wie ein Drache“, vielleicht doch an Paulus erinnert?). Dieser Johannes schreibt immerhin unter dem Namen des „Donnersohns“, des gleichen Jüngers, den „der Herr liebhat“.
    Wenn man im Römerbrief die „Beschneidung“ als Bekenntnis liest, kommt man der Wahrheit näher.
    Der Antisemitismus und vor ihm der kirchliche „Antijudaismus“ gründen in Vorurteilsstrukturen, die durchsichtig werden, wenn man auf das projektive Element in ihnen aufmerksam wird, auf die Mechanismen der Selbstentlastung durch Schuldverschiebung. Beide, der Antisemitismus und der Antijudaismus, sagen nichts über die Juden, aber sehr viel über die Antisemiten und die antjüdischen Christen. Der „eliminatorische Antisemitismus“, auf den Daniel Goldhagen verweist, dessen Buch bereits soviel Hühnerhof-Aufregung verursacht hat, bevor es in Deutschland überhaupt erschienen ist, gründet in genau diesem Mechanismus. Und, bei allen Mängeln, die das Buch haben mag, beweist nicht diese Reaktion, daß es einen Nerv getroffen hat?
    Zu den großen Partien bei Paulus gehört der Satz, daß die ganze Schöpfung auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet; dazu gehören die Elementarmächte; dazu gehört nicht zuletzt sein Begriff des Glaubens, wenn man ihn als Asyl des Messianismus begreift. Unerträglich hingegen ist der apologetische Grundton fast aller paulinischen Briefe (sein „Theologisieren“).
    Ist nicht der Hierarchie-Begriff eine zwangsläufige Folge der Subsumtionslogik (in der der Begriff, der die Dinge unter sich begreift, selber in einer Subsumtionsbeziehung zu „höheren“ Begriffen sich wiederfindet)? Läßt er nicht aus der neuplatonischen Emanationslehre sich herleiten, in der Elemente der Licht- und der Herrschaftsmetaphysik trübe sich mischen, und die selber zu den kosmologischen Konsequenzen der Rezeption der Sündenfall-Theologie zu gehören scheint? Hierarchische Strukturen sind Konstrukte der Selbstreproduktion der Subsumtionslogik des Begriffs, die in der Moderne in den subjektiven Formen der Anschauung auf ihren Grund in der Subjektivität zurückgeführt werden; aufzulösen sind sie allein durch die logische Kraft des Namens.
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind das logische Äquivalent der Finsternis über dem Abgrund: Unter ihrem Zwang erkenne ich nur noch, was ich in die Dinge hineinlege, nicht mehr, was sie an sich selbst sein mögen. Es hilft nichts, den kantischen Agnostizismus zu kritisieren; hier wird sehr präzise und konkret die vorletzte der ägyptischen Plagen, die allgemeine Finsternis, aufgedeckt.
    Am ersten Schöpfungstag hat Gott nicht die Finsternis durch das Licht vertrieben, sondern eine Hilfe geschaffen, einen realsymbolischen Hinweis darauf, daß die Finsternis nicht alles ist.
    Quoad nos ist die Finsternis das Erste. Aber sind die Christen nicht „das Licht der Welt“ (und zwar nicht durch Restauration irgendwelcher Vergangenheiten, sondern durch Errettung der vergangenen Hoffnung)?
    Verwechseln wir nicht die Heiligen mit den Helden? (Auf diese Verwechslung bin ich bei meiner Erstkommunion gestoßen worden, durch ein Buch, das ich geschenkt erhielt, und das mir durch die Enttäuschung, die es mir beim Lesen bereitete, die Augen geöffnet hat: „Helden und Heilige“. Ich hatte vorher Märtyrer-Geschichten gelesen, aus denen ich gelernt hatte, daß Christsein nicht am Triumph und Sieg der Helden, an ihrem Nachruhm, sondern allein an der Bereitschaft der Heiligen, Leiden und Niederlagen auf sich zu nehmen, auch wenn außer Gott keiner es sieht und anerkennt, sich messen läßt. Das hat mich vorbereitet auf den Vers von Reinhold Schneider.)
    Wer die Gewissenserforschung nur tief genug treibt, wird an einen Punkt kommen, an dem er zum Propheten wird.
    Kann es sein, daß ich an den „Kern der Sache“ nicht herankomme, weil ich ihn nur vor Augen, nicht im Ohr habe?
    Vor dem Gesetz: Hat nicht Kafkas Erzählung einen Mangel; sind es anstatt des einen nicht mindestens sieben Tore, die uns den Weg zum Gesetz verstellen?
    Was heute zur Verzweiflung treibt, ist genau das, was die Verzweiflung vertreiben soll: daß das Leben vor der Glotze endet.
    Ist nicht die chronologische Verwirrung und die Verwirrung der Namen (von Personen und Völkern), die beide zusammenhängen, eine zwangsläufige Folge des Positivismus im neunzehnten Jahrhundert, nach dem Zerfall der idealistischen Systeme? Sie wurde vorbereitet im kopernikanischen System, das, nach seiner dynamischen Begründung durch Newton, durchs Gravitationsgesetz, den Zusammenhang von Sprache und Erinnerung durch Verdinglichung der Erinnerung zum astronomischen Gesetz zerrissen, den Sprachgrund in den Sachen neutralisiert, das Ungleichnamige gleichnamig gemacht hat.
    Trägt nicht die Formulierung (Ton Veerkamp): „Kommt der Messias nicht (bald), hat Paulus ein Problem, ein unlösbares Problem“ (TuK 70, S. 24), die Züge einer Projektion? Nicht Paulus, sondern die gesamte christliche Theologie hat in der Geschichte der Moderne „ein Problem, ein unlösbares Problem“ bekommen. Und heißt dieser Paulus nicht eigentlich Luther?
    War es nicht Paulus, der den Sündenfall zum Absoluten gemacht (und das Christentum zweitausend Jahre vor die Wand gejagt) hat (und hat das nicht die paulinische Tradition begründet)? Als Paulus die Erlösung zur reinen Gnade machte, hat der den Satz vom Binden und Lösen geleugnet, eine Tradition begründet, in der die Kirche als hierarchische Verwaltungsorganisation und die Theologie als Theologie hinter dem Rücken Gottes nur noch binden, nicht mehr lösen konnten.
    War nicht Bubers Übersetzung von Gnade mit „Huld“ eine sehr schlimme christliche Übersetzung, die endgültige Verdrängung dessen, woran die scholastische Lehre von der „heiligmachenden Gnade“ letztmals erinnerte, Ausdruck der Regression der Gnadenlehre durch Einbindung in einen autoritären Kontext? Eine Gnade, die bloß rechtfertigt, nicht gerecht („heilig“) macht, ist ein Palliativ.
    Kommt es nicht im Ernst darauf an, den Begriff der Heiligkeit aus der Tabuzone der Eigentums- und Herrschaftssicherung, aus den Verstrickungen seines nationalen Mißbrauchs, zu befreien?
    Die Idee der Auferstehung lebt von dem ungeheuerlichen Gedanken, daß es ein Leben gibt, das vom Tod (von den Strukturen und Institutionen, die ihn verkörpern) im Kern nicht berührt wird. Nur Gott sieht ins Herz der Menschen, während der Tod sein gegenständliches Korrelat im Staat hat. Der Staat ist in der Tat der Statthalter des Gerichts in der Welt; aber „die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ (Jak 213). Ist das nicht der zentrale Einspruch des Jakobus gegen die paulinische Theologie (und gehört dieser Einspruch nicht auch zur Kontroverse um die Beschneidung)?
    Vielleicht hätte es, wenn es Paulus nicht gegeben hätte, das Christentum nicht gegeben. Und vielleicht war nur über diesen „Irrweg“ (Jak 520) eine Tradition zu retten, die anders untergegangen wäre?
    Der Glaube ist die Gestalt, in der die Wahrheit den Weltlauf überlebt. Dieser Glaube aber hat unter dem Bann der Rechtfertigungslogik sich als Keim einer Logik entwickelt, die zur Logik des Vorurteils geworden ist (bezieht sich hierauf das Symbol des Tieres vom Lande, das zwei Hörner hat wie ein Lamm, aber spricht wie ein Drache?).
    Bezeichnen nicht alle antisemitischen Stereotype, vom Hostienfrevel über die Brunnenvergiftung zum Ritualmord (der Wiederholung des Gottesmords) Tatbestände, die den Antisemiten kennzeichnen:
    – der Hostienfrevel die Verdinglichung, die Logik des Fundamentalismus,
    – die Brunnenvergiftung die Bekenntnislogik als Wurzel des Nationalismus und
    – der Ritualmord (der Gottesmord) die Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie?
    Rührt Auschwitz nicht an die Idee der Auferstehung, stellt Auschwitz nicht Ostern in Frage?
    Muß nicht, wer heute noch glaubt, Christ sein zu können, entweder sehr viel verdrängen, oder aber die Kirchengeschichte und die Theologie gegen den Strich bürsten, auf jeden Fall endgültig Verzicht leisten auf jede Form der Apologetik? War es nicht immer schon leichter, aber auch verhängnisvoller, Ereignisse wie Kreuz und Auferstehung auf die eigene Seele zu beziehen anstatt auf den Zustand der Welt?
    Ist nicht Helmut Gollwitzer, als er glaubte, gegen Gerschom Scholems Bemerkungen über den christlichen „Messianismus“ sich verteidigen zu müssen, in eine offene Falle hineingelaufen? Und sind nicht auch die Reflexionen von F.W. Marquardt, denen ich den Hinweis verdanke, daß es Helmut Gollwitzer war, an den der Brief Gerschom Scholems gerichtet war, noch sehr hilflos; können wir uns, kann irgend ein Christ sich freisprechen von dem, was Scholem zu Recht so scharf anspricht? – Müßten nicht in jede Reflexion über den Messianismus dieser Text von Scholem, aber auch seine übrigen Untersuchungen zum Thema (insbesondere über die Geschichte des Sabbatai Zwi, die auch eine Untersuchung über Paulus und das Christentum ist), mit einbezogen werden? Gehorcht nicht auch noch das Verschweigen dieser (im Kern mit Auschwitz zusammenhängenden) Untersuchungen den Rechtfertigungszwängen, die Auschwitz hinterlassen hat, und aus denen Gollwitzer wie auch Marquardt nicht herausgekommen sind (und hat nicht Auschwitz vom Grunde her das Problem der Rechtfertigung in dem Sinne selber neu gestellt, daß der Holocaust dieses Problem theologisch gegenstandslos gemacht hat)?
    Wie kommt es, daß bis heute kein Theologe das Blasphemische, das z.B. an den Kriegsgräberstätten (die die Toten nochmals schänden) sich wahrnehmen läßt, beim Namen genannt hat? Sind nicht diese „Gedenkstätten“, die die Toten instrumentalisieren und mißbrauchen, Gedenkstätten eines Nationalismus, den die Toten, die er produziert hat, überhaupt nicht interessieren, außer als Mittel zur Reproduktion der Logik, der der Nationalismus sich vedankt. Nur die Lüge, sie seien „für die Nation“ (für Führer, Volk und Vaterland, so hieß es damals) gestorben, während sie in Wahrheit für ihnen fremde Zwecke verheizt worden und elend verreckt sind, soll erhalten bleiben: fürs nächste Mal? Aber sind diese Gedenkstätten nicht eigentlich Gedenkstätten einer Opfertheologie, deren säkularisiertes Ritual sie zelebrieren? Die Symbolik, die diesem Ritual zugrundeliegt, ist eine Blutsymbolik: danach heiligt das Blut, das hier verströmt ist, den Zweck, für den es vergossen ist: die Nation, das „heilige Vaterland“, das zwar keiner mehr so zu nennen wagt, das aber der Sache nach weiter besteht.
    Vor diesem Hintergrund kann ich mit der anderen Blutsymbolik, daß wir durch das Blut des am Kreuz geopferten Gottessohns von Sünden rein gewaschen werden, nichts mehr anfangen. Ich meine, die Reflexion dieser Symbolik dürfe nicht länger mehr verdrängt werden. Ich weiß nicht, welche Folgen es haben wird, wenn wir das Paradigma einer Versöhnung durch Blut weiterhin akzeptieren. Vielleicht hilft der Hinweis auf den Satz Jesu, daß er von diesem Weinstock erst im Reiche Gottes wieder trinken wird. Hat nicht die Blutsymbolik etwas mit dem schrecklichen Verdrängungsakt, den das Kriegsende für die Deutschen bedeutete, die danach im Ernst überzeugt waren, nichts gewußt zu haben, zu tun? (Und was passiert, wenn an diese Verdrängung gerührt wird?)
    Schweigen die Götter wirklich in einer Welt, in der, soweit ich sehe, bis heute kein Theologe Anstoß daran genommen hat, daß die „Kriegsgräberfürsorge“ auch nach dem zweiten Weltkrieg nicht nur nicht beendet wurde, sondern zu einer endlosen Geschichte zu werden droht? (Welche Rolle spielt eigentlich der Israel-Nationalismus einiger Theologen bei der Restauration des deutschen Nationalismus?)
    Ideologie ist Rechtfertigung: Beide stehen unter dem Bann der Schuld, den sie nicht zu sprengen vermögen. Die Rechtfertigung reagiert ex post, während die Gotteserkenntnis an das ante, an den Geist der Weissagung heranzukommen trachtet.
    Gehört nicht die Identifizierung des Fleisches mit der Beschneidung in den Scholem-/Gollwitzer-/Marquardt-Komplex?
    Vor einem Schaufenster, in dem u.a. Objekte archaischer „Kunst“ angeboten werden, überfällt mich der Gedanke: „Da halte ich mich lieber ans Original“, und denke an Klee. – Ist der Gedanke nicht ungeheuerlich, daß ein Bild von Klee das Orginal und die archaischen Objekte bloße Nachahmungen sind?

  • 18.7.96

    Beim nächsten Mal wird’s keine Zuschauer mehr geben: Hat nicht die gewaltige Verdrängungsleistung der Menschen im Nachkriegsdeutschland etwas mit der Aufspaltung in Täter und Zuschauer (mit der Funktion der „subjektiven Formen der Anschauung“) zu tun? Und hängt nicht die Verdrängung des eigenen Anteils am „Geschehen“ (an der Geschichte) mit der Ursprungsgeschichte der Verhärtung des Herzens zusammen? Der Pharao der Exodus-Geschichte, der „Joseph nicht mehr kannte“, kannte auch JHWH (den Gott der Hebräer) nicht.
    Zum Beitrag Ton Veerkamps im neuen Heft von TuK: Spiegelt das „Scheitern des Messianismus“ nicht die Sicht des Zuschauers (des Historikers)? Auch wenn der Messianismus „gescheitert“ sein sollte? Ist das „Scheitern“ nicht eine Kategorie, die allein den Herrenblick des Überlebenden, der überlebenden Gewalt, reflektiert? Bleibt der Antichrist (dessen Wahrnehmung der Zuschauerblick apriori ausschließt) nicht aktuell? Und haben wir nicht die einmalige (danach nicht wiederkehrende) Möglichkeit, im Faschismus die „Generalprobe des Antichrist“ zu studieren?
    Übrigens: Das am ersten Tag erschaffene Licht hat die Finsternis nicht vertrieben, sondern es hat Bestand neben ihr (vgl. Rosenzweigs „und“).
    Im Kontext des Weltbegriffs, und d.h. der Individualisierung des Subjekts, kann der Name Israel nur nationalistisch mißverstanden werden. Modell des Subjekts ist der Privateigentümer, der, indem er zum Geschöpf und Komplizen des Staates sich macht, Gott den Schemel unter seinen Füßen wegzieht.
    Sind eigentlich die biblischen Hethiter identisch mit dem Volk, das die Historiker heute so nennen? Und gründet nicht der historische Name der Hethiter (die „Indogermanen“ gewesen sein sollen) in einem rassistischen Sprachbegriff?
    Gilt nicht, was Franz Rosenzweig über den Ursprung des Charakters gesagt hat, auch für den Ursprung von Ideen? Man wird von Einsichten überfallen, die sich nicht mehr wegwischen lassen, auch wenn es möglicherweise ein ganzes Leben braucht, um sie zu realisieren.
    Ist die Gravitation (die im Kontext der Lehre vom Sündenfall erfahrbar gewordene Schwere) die Todesgrenze der gegenständlichen Erfahrung, die Innenseite der Orthogonalität? Und ist nicht der Schwerpunkt der Ursprungspunkt des Raumes wie des Inertialsystems, und zugleich der Abstraktionspunkt, der beiden den Schein des Schwerelosen (des Leichten, das zugleich der absolute Zwang ist) verleiht?
    Der Fehler Augustins war die tendentielle Parallelisierung der civitas dei mit der civitas terrena (im Bann des Weltbegriffs, dem dann auch der Begriff der civitas dei verfallen ist), die Verwischung der qualitativen Differenz (des Unterschieds zwischen dem Licht und der Schwere, oder der Nichtidentität des Lichts und des Schwerelosen wie auch der Schwere und der Finsternis).
    Zur Apokalypse gibt es drei Positionen, die alle drei mit der Angst zu tun haben:
    – die Instrumentalisierung der Apokalypse als Mittel der Angsterzeugung (um die Verängstigten in die eigenen Hürden zu treiben),
    – die Verdrängung der Apokalypse als Hilfe der Angstverdrängung (die gegenwärtige Praxis der Kirchen, die damit ihre Mitglieder allein läßt); diese Position ist die Voraussetzung der ersten; und
    – die Nutzung der Apokalypse als Mittel der Angstreflexion und -bearbeitung und so als Mittel einer theologischen Erkenntnis, die anders nicht mehr zu gewinnen ist.
    Das unterscheidet die Apokalypse von der Prophetie, daß sie die Zuschauerhaltung, die im Weltbegriff gründet (und die es deshalb für die Prophetie noch nicht gibt), sprengt und durchbricht, damit aber – unter den Bedingungen des Weltbegriffs – die Voraussetzungen der Prophetie wiederherstellt und radikalisiert. Die Apokalypse ist wie die Prophetie und die Offenbarung insgesamt zunächst ein Vorgang in der Sprache, nicht unmittelbar, sondern allein durch die Sprachreflexion hindurch, auf „die Realität“ bezogen. Der Fehler jeglichen Fundamentalismus ist es, daß er glaubt, von dieser Sprachreflexion absehen und gleichwohl die Offenbarung verstehen zu können.
    Das Fernsehen füttert nicht mehr nur, es nudelt und mästet den Drachen. Wann werden Leviatan und Behemot schlachtreif sein?
    Erst wenn der Himmel kein Objekt der Anschauung mehr ist, wenn er ganz Sprache geworden ist: wenn er wie eine Buchrolle sich aufgerollt hat, wird die Welt sich begreifen.
    Wer die Religion, die Theologie, die Gotteserkenntnis ins Anschauen übersetzt, verrät sie.
    Der Antisemitismus ist die Maschine, die mit den Taten, die er provoziert, genau die Schuld produziert, von der zu entlasten er vorgibt. Liegt in dieser Konstellation nicht die Wurzel des Rassismus? Der Faschismus verbindet die inhaltliche Irrationalität mit einer ungeheuren rationalen Funktionalität. Ist diese Verbindung nicht im Weltbegriff vorgebildet? Ähnlich war die Konstruktion des Inertialsystems erst möglich war, nachdem die Reflexion auf den Sündenfall ins Bewußtsein mit aufgenommen und dann verdrängt worden ist. Darin steckt die innere Ursprungsgeschichte des Inertialsystems, die bis heute noch nicht erzählt worden ist. Verdankt sich nicht Luthers Rechtfertigungslehre genau dieser Konstellation, die sie damit theologisch legitimierte?
    An Kindern meinen wir zu erkennen, daß Unwissenheit Freiheit von Schuld erzeugt; liegt nicht die gleiche Logik dem Konzept der Rechtfertigung durch den Glauben (der Wissen nur verdrängt, nicht reflektiert) zugrunde?
    Ist nicht Bubers Religionsverständnis eines der Transformation der Religion in Anschauung, nachweisbar anhand seiner Bearbeitung der Chassidischen Erzählungen, die er, indem er sie ihres Realitätsbezugs entkleidet, ins Erbauliche transformiert und so für die ernsthafte Reflexion untauglich macht.
    Liegt das eigentliche Chronologieproblem nicht darin, daß wir die unendliche Vergangenheit brauchen im Hinblick auf die Konstruktion der unter die Vergangenheit subsumierten und so ins leere Unendliche prolongierten Zukunft (die Konstruktion der „subjektiven Form der inneren Anschauung“), die die Grundlage des Herrendenkens ist? Aber ist nicht diesem Konstrukt durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der Boden unter den Füßen weggezogen worden?
    Wenn es heißt, daß nur Gott ins Herz der Menschen blickt, ist damit nicht der Ort des Leuchtens seines Angesichts aufs genaueste bezeichnet?
    Nur Gott sieht ins Herz der Menschen; aber davor steht das Bollwerk der Welt. Hängt nicht die heute so verbreitete Einbrecherangst mit der verdrängten Erwartung zusammen, daß er kommen wird wie ein Dieb in der Nacht? – Hat dieser „Dieb in der Nacht“ etwas mit dem Passah zu tun, der Nacht, der die Finsternis vorausging, in der alle Erstgeburt der Ägypter getötet wurde?
    Verweist der letzte Satz des Jakobus-Briefs nicht darauf, daß die Befreiung nicht das Ergebnis einer einfachen Entschließung ist, sondern daß sie nur über die „Bekehrung des Sünders von seinem Weg des Irrtums“ läuft (und ist nicht diese fast unmögliche „Bekehrung des Sünders“ die Lösung des Rätsels des Gnadenbegriffs)?
    Die erste, die das Grab leer vorfindet, ist Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde (wie bei Mk 169 in diesem Zusammenhang berichtet wird). – Bei Lukas steht der Satz über die „Ausfahrt der sieben Dämonen“ schon vorher: „… und die zwölf begleiteten ihn und einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt die aus Magdala, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, und Johanna, die Frau des Chusa, eines Beamten des Herodes, und Susanna und viele andere, die mit ihrem Vermögen für sie sorgten“ (Lk 81ff).

  • 30.6.96

    „Unverhofftes Wiedersehen“: Ist meine Rückkehr zu den Problemen der Nachkriegszeit nach der beruflichen Latenzzeit nicht wie ein Auftauchen in einer Welt, die inzwischen eine ganz andere geworden ist? Und ist eine Lösung der alten Probleme ohne die Reflexion der veränderten Voraussetzungen überhaupt möglich? – Merkwürdige Erfahrung bei der Lektüre der Aufsätze von Karl Thieme in dem Band „Gott in der Geschichte“. Das Buch hätte heute so nicht mehr geschrieben werden können, aber heißt das nicht auch, daß Einsichten, die dieses Buch enthält, heute nicht mehr (oder fast nicht mehr?) möglich sind?
    Organische Entwicklung: Es gibt einen Darwinismus der Technik und einen Darwinismus der Ökonomie. Beide gründen in einem in der Sache sich reflektierenden und reproduzierenden Selbsterhaltungstrieb. Ist nicht das Auto das Totem der Moderne, und ist der Menschensohn das Gegenstück zum Autosohn?
    Die Kritik des Urteils rührt an das mysterium iniquitatis. Die Hypostasierung des Urteils ersetzt die Erkenntnis der Dummheit durch die Verurteilung, transformiert die Dummheit in Bosheit. Den Bösen kann man nicht ändern, man kann ihn nur „abschaffen“, während man die Dummheit bekämpfen kann.
    Das Jesus-Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist eine Aktualisierung des prophetischen Worts „Mein ist die Rache, spricht der Herr“.
    Beitrag zur Lehre von der Auferstehung: Der Fundamentalismus will die Vergangenheit konservieren, weil er an ihrer Rettung verzweifelt.
    War meine These, die Philosophie sei der Corpus Christi mysticum, eigentlich so weit von Thiemes These, daß die Kirche das Subjekt der Geschichte ist, entfernt?
    Als Schrift ist die Prophetie überzeitlich (und korrespondiert dem Kreuzestod), als Wort ist sie ewig (und korrespondiert Seiner Wiederkunft).
    Wer das Vergangene nur verurteilt, verhält sich strategisch, er will das ausblenden, dessen Erbe er ist. Wer die Vergangenheit verurteilt, wird zu ihrem Opfer, verstrickt sich in sie.
    Wer heute sagt, daß er das Entsetzen nicht konservieren wolle, ist ein Erbe der Opfertheologie, die den Kreuzestod, indem sie das Erschrecken verdrängt, konserviert. Gerade wer den Schrecken nicht konservieren will, konserviert ihn.
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind das Säkularisationsprodukt der lutherischen Rechtfertigungslehre. Sie begründen und stabilisieren den Schuldzusammenhang, indem sie ihn ausblenden. In diesem Akt des Ausblendens konstituiert sich die Natur.
    Hat nicht das Buch Jona den Effekt der subjektiven Formen der Anschauung auf den einfachsten Nenner gebracht: das Nicht-unterscheiden-Können von Rechts und Links.
    Nach der Sintflut setzte Gott den Bogen in die Wolken; mit welcher Begründung?
    – „Dann sprach Gott zu Noah und zu seinen Söhnen, die bei ihm waren: Ich aber, siehe, ich richte einen Bund auf mit euch und euren Nachkommen und mit allen lebenden Wesen, die bei euch sind, Vögeln, Vieh und allem Wild des Feldes bei euch, mit allen, die aus der Arche gekommen sind.
    – Ich will einen Bund mit euch aufrichten, daß niemals wieder alles Fleisch von den Wassern der Sintflut soll ausgerottet werden und niemals wieder eine Sintflut kommen soll, die Erde zu verderben.
    – Und Gott sprach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und allen Lebewesen, die bei euch sind, auf ewige Zeiten: meinen Bogen stelle ich in die Wolken; der soll ein Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde. Wenn ich nur Wolken häufe ob der Erde und sich der Bogen in den Wolken zeigt, dann will ich des Bundes gedenken, der da besteht zwischen mir und euch und allen lebenden Wesen, und niemals wieder sollen die Wasser zu einer Sintflut werden, die alles Fleisch verderbe. Und wenn der Bogen in den Wolken steht, will ich ihn ansehen, um des ewigen Bundes zu gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, die auf Erden sind.
    – Und Gott sprach zu Noah: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich aufrichte zwischen mir und allem Fleisch, das auf Erden ist. (Gen 98-17)
    Die Anmaßung des Richtenden drückt sich aus in dem Satz: Das wirst du mir büßen.
    Kritik des Begriffs der Buße: Der Begriff der Buße gründet im Begriff der Umkehr. Er wäre zu konkretisieren am Magnificat: Gewaltige stürzt er vom Throne und erhöht Niedrige.

  • 25.6.96

    Versöhnung über Gräbern: Um eines von jeder Erinnerung unbelasteten Anfangs willen hat das Christentum die Vergangenheit verraten, sie aber gerade dadurch konserviert.
    Sind nicht die Rechtfertigungszwänge, die Daniel Goldhagen evoziert hat, ein Beweis für die Wahrheit seiner Thesen?
    Daß „Hitler selbst und seine Satrapen … soviel Wert darauf gelegt (haben), den Holocaust dem deutschen Volk möglichst nicht öffentlich bekannt zu machen“ (Jörn Rüsen in der FR vom 25.6.96, S. 11), ist kein Beweis dafür, daß die Deutschen „nichts gewußt“ hätten, sondern diese Geheimhaltung, deren Adressat weniger das deutsche Volk als vielmehr die Weltöffentlichkeit war, lag im Interesse aller; auch die Komplizenschaft scheut die Öffentlichkeit. Lifton hat in seinem Ärztebuch nachgewiesen, daß selbst die Täter auf zwei Ebenen lebten, die gleichsam durch eine innere „Geheimhaltungs“-Grenze (eine Grenze in den Subjekten selber) von einander getrennt waren. Das war die objektive Grundlage des pathologisch guten Gewissens nach dem Kriege.
    Anmerkung zur Rechtfertigungslehre: Auch das Geld deckt eine Menge Sünden zu.
    Das Ende der Zeiten wird kommen, wenn entweder aus Freiheit die Umkehr vollzogen wird oder es zur Umkehr keine Alternative mehr gibt. Und wehe denen, die das dann nicht wahrzunehmen in der Lage sind.
    Wird nicht bei Hauke Brunkhorst (Der Mensch muß sich selbst erfinden, FR vom 25.6.96) das projektive Moment im Begriff der Ursache (und im Konzept der „Ursachenforschung“) mit Händen greifbar? Ist nicht der Begriff der Ursache ein Schuldverschub- und Exkulpationsbegriff?
    Gehört nicht zum Reden auch das Ausreden (sowohl das Ausreden-Lassen, als auch das Jemandem-etwas-Ausreden), die Nutzung der Sprache als Radiergummi?
    Ist nicht das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ die Finsternis über dem Abgrund?
    Wer so umstandslos gegen die Todesstrafe ist, sollte der nicht auch einmal darüber nachdenken, daß der Wohlstand hier das Todesurteil für Millionen ist?
    Zum Weltbegriff:
    – Gott hat Himmel und Erde erschaffen, nicht die Welt,
    – Weltbegriff als Schwelle der Zivilisation, Ursprung des Weltbegriffs (zusammen mit den Begriffen Wissen und Natur),
    – Weltbegriff das gegenständliche Korrelat des Staates und der Philosophie (Verstrickung der Philosophie in die Herrschaftsgeschichte),
    – Weltbegriff als logisches Apriori (Reorganisation des Zeitbegriffs, Konstituierung und Legitimierung der instrumentellen Vernunft),
    – wechselseitige Legitimation der Totalitätsbegriffe: Selbstlegitimation des Bestehenden durch die Naturwissenschaften,
    – das Eine ist das Andere des Anderen: der Begriff der Erscheinung und die Logik der Veranderung, das Anderssein (nur Gott sieht ins Herz der Menschen),
    – die List der Vernunft oder der „hintertückische“ Weltbegriff, Grenzen der Beweislogik, Ursprung und Begriff der Gemeinheit,
    – Gnosis, Theologie und Hegel: der Staat als Schöpfer der Welt, Problem des Begriffs der creatio mundi,
    – „Entsühnung der Welt“: Sexualmoral für andere (Sexualmoral als Urteilsmoral) und die apriorische Freisprechung der Herrschaft.
    – Der Weltbegriff transformiert die Theologie aus dem Angesicht Gottes hinter Seinen Rücken.
    – Das schwierigste Teilstück der Kritik des Weltbegriffs ist die Kritik der Naturwissenschaften: die Geschichte der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“ zur Empfindung, der Kritik zur Meinung und der Schuld zu Schuldgefühlen.
    – Gehört nicht auch die Lösung des Rätsels Swedenborgs (der Träume eines Geistersehers, dessen Geistesgegenwart jedoch hinreichte, Luthers Begriff der Rechtfertigung zu durchschauen) zur Kritik des Weltbegriffs?

  • 23.8.1995

    Wenn der Bann (gegen Amalek oder die Kanaaniter) gegen die ökonomische Motivation, gegen das Beutemachen, sich richtet, dann schließt er auch den Erwerb von Sklaven durch Kriege aus: dann ist er gegen den Ursprung des Handels gerichtet (gegen „Kanaan“ auch in diesem Sinne). Ausgeschlossen sind somit alle Formen der Razzia (Überfälle, die zum Zweck des Beutemachens geführt werden).
    Das Barock hat das System Achaschwerosch (den demonstrativen Pomp als Quelle des Sexismus und des Antisemitismus) auf der Stufe des Feudalsystems vergesellschaft. Heute hat diese Vergesellschaftung alle erreicht: als Faschismus.
    Wann taucht der Name des Volkes (der als Plural sich konstituiert) erstmals in der Schrift auf? Und erscheint er nicht jedesmal in der Konstellation „Völker, Stämme, Nationen, Sprachen“, insbesondere bei Daniel (bzw. in der Apokalypse, zuvor aber schon vollständig in Gen 10/11, dann in Ansätzen bei Esth, Jes, Ez)?
    Ist nicht der Name des „auserwählten Volkes“ ein Name, der den nationalen (= indikativischen) Mißbrauch grundsätzlich (schon aus sprachlogischen Gründen, die mit der Beziehung des Gottesnamens zur Sprache, zu ihrer Namenskraft, zusammenhängt) ausschließen sollte? Hinweis: Das Subjekt der Psalmen ist keine Privatperson, sondern (das etwa in Davids Königtum sich verkörpernde) Israel.
    Geschichtsphilosophie des Volkes: Stämme sind Lebensgemeinschaften, Völker Schicksalsgemeinschaften, Reflex des Ursprungs und der Geschichte des Weltbegriffs. Der Name des Volks entspringt gemeinsam mit der Institution des Königtums. Der Name des Volkes gründet in herrschaftsgeschichtlichem Kontext.
    Hängen nicht Struktur und Funktion des Islam damit zusammen, daß hier der „Übergang“ in die Welt vermieden, die „Sünde der Welt“: der Prozeß der Individuation, nicht vollzogen wurde. So konnte der Bann der Stammesgesellschaft nicht gebrochen werden. Der Islam ist der (mißlungene) Versuch, in einem „vorweltlichen“ Unschuldszustand zu verharren. Deshalb ist der Übergang in den Säkularisationsprozeß so schwierig (und deshalb hat der Islam diese Anziehungskraft für Völker, die dem Eintritt in die säkularisierte Welt sich widersetzen).
    Gibt es im Islam die Institution des Königs? Und ist nicht die Prophetie – als deren Widerpart – an diese Institution gebunden? Ohne die Institution des Königs verändert sich auch die Prophetie, und zwar sowohl im Islam (mit Muhammed, der nur noch der Sekretär eines Gottes ist, der seinen Koran selber schreibt) wie auch im Christentum. Auch Jesus war ein Prophet, aber einer, der nicht mehr den König, sondern den Caesar als Objekt hat, und deshalb mit den Insignien eines zur Schande, zum Spott gewordenen Königs (Dornenkrone, „Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum“) ans Kreuz geschlagen wurde.
    Die Reflexion der Grammatik hat die Spuren der Herrschaftsgeschichte in der Sprache zum Gegenstand.
    Kruzifix-Urteil: Als Instrument der Rechtfertigung ist das Bekenntnis zynisch: die Verharmlosung einer tödlichen Waffe (und die Verdrängung des Bewußtseins seiner Außenwirkung).
    Der „Mut zur Bürgerlichkeit“ (Odo Marquard in der FR vom 22.8.95) erinnert nicht zufällig an den „Mut zur Erziehung“; zu fordern wäre, diesen Mutbegriff endlich einmal zu reflektieren. Dieser Mut ist Ausdruck der Feigheit, die dem, was ohnehin alle denken, nicht mehr entgegen zu treten wagt. Dieser Mut erinnert an die faschistoiden Mutproben von peer-groups, an die gemeinschaftsstiftende Kraft z.B. von Grabschändungen (die auf einen ähnlichen gruppendynamischen Hintergrund zurückweisen), oder an einen soldatischen Mut, der nur zu feige ist, den mörderischen Handlungen, an denen er teilzunehmen sich gezwungen sieht, sich zu widersetzen (und sein Gewissen, den „inneren Schweinehund“, durch die Vorstellung der Ehre übertäubt). Es sollte eigentlich eine Warnung sein, daß der faschistische Mut, der aus dieser Konstellation erwachsen ist, seit je an den Schwächsten (an Juden, Frauen, Ausländern, Behinderten) sich abreagierte (und heute wieder abreagiert). Der Mut gehört zur Bekenntnislogik, diese aber ist ein Produkt des Herrendenkens, das von seinem theologischen Ursprung sich emanzipiert hat. Und der „Bürger“, auch wenn er heute kein „Untertan“ mehr ist, ist längst zur Parodie der hegelschen Dialektik von Herr und Knecht geworden: die reinste Verkörperung einer Knechtsgesinnung, die ihren eigenen Herrn noch überlebt und darin den Grund seines Herrendenkens findet.
    Läßt sich bei Jeremias (oder überhaupt bei den „großen“ Propheten) nicht die Konstellation, der der Übergang vom Namen der Hebräer zu dem Juden sich verdankt, rekonstruieren? Ich denke an die Beziehung des Satzes „Bete nicht mehr für dieses Volk“ zu dem anderen „Bete für das Wohl der Stadt“ (zusammen mit einigen anderen Motiven, die genau zur Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs und deren Zusammenhang mit der „babylonischen Gefangenschaft“ paßt)? – Dazu gehören das „Grauen um und um“, der Gottesknecht des Deuterojesaia, die Visionen des Ezechiel.
    Differenz im Begriff des Daseins: Bei Heidegger bezeichnet er das reine deiktische Moment des Draußen (der Geworfenheit), während er im Gottesnamen in der buber-Rosenzweigschen Bibel-Übersetzung das Bei-uns-Sein Gottes bezeichnet, Seine Barmherzigkeit. Der Name der Barmherzigkeit ist nichts, ist wesenlos und gegenstandslos ohne die Idee der Heiligung des Gottesnamens. Heiligung des Gottesnamens, das heißt: das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen.
    Wird nicht der Glaube im Angesicht Gottes aus seiner Beziehung zum Wissen (die ihn verhext) herausgelöst und zum Vertrauen?
    Macht die Rechtfertigungslehre seit Luther nicht einen unzulässigen Gebrauch von dem Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (und gilt dieser Satz nicht im Kern schon fürs Dogma, insbesondere für die Trinitätslehre)?
    Handelt es sich bei dem Himmel, der am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollt, um das Werk des zweiten Tags: das Gewölbe, die Feste des Himmels? Und erscheint darin nicht das Jüngste Gericht (in dem jeder sich selbst wiedererkennt), das aufgedeckte Angesicht, der geheiligte Name Gottes, das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht?
    Zum Unterschied zwischen Himmel- und Gottesreich: Gebunden und gelöst wird (so wie zuvor auf Erden) im Himmel, nicht „in Gott“.
    Darin, daß das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, liegt die biblische Begründung der Kritik der Verdinglichung.

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