Lyotard

  • 9.11.1996

    1945: Der unreine Geist, nachdem er wasserlose Orte durchzogen und keine Ruhestätte gefunden hat, in sein Haus zurückkehrt, es leer, gereinigt und geschmückt vorfindet, geht hin und nimmt sieben andere Geister mit, die schlimmer sind als er, und sie ziehen ein und wohnen dort, und es wird nachher mit jenem Menschen schlimmer als vorher. (Mt 1243ff, vgl. Lk 1124ff)
    Ist nicht die rhetorische Frage in der Regel die Frage der Empörung, oder auch das in Frageform gekleidete kontrafaktische Urteil? Wie hängt die Massenbildung mit der Empörung zusammen?
    Die rhetorische Frage, wie auch das kontrafaktische Urteil, ist ein Element der Klage; in ihr gründet das Problem der Theodizee. Ist nicht diese Klage das Element, aus dem Anklage erwächst, und dann das Schuldurteil?
    Wenn eine Vorstellungswelt zerbricht, zerbricht nicht die Welt.
    Die Sprengung der Herrschaftslogik schließt die Sprengung der Vorstellung des Zeitkontinuums mit ein, das aber heißt, sie schließt die Idee der Auferstehung der Toten mit ein.
    Die heroische Attitüde Heideggers gibt es auch schon bei Hegel, dort wo er von der Kraft, der Negativität und dem Tod standzuhalten, ihnen ins (leere, nicht vorhandene) Angesicht zu sehen, spricht.
    Der Satz „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“ ist ohne die Idee der Auferstehung der Toten nicht mehr zu denken.
    Kann es sein, das das „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ in dem Allereinfachsten besteht, daß dann jede Träne abgewischt wird: daß Herrschaft ihr Objekt, auf das sie sich stützt, verlieren und das nicht ertragen wird? Wäre das nicht der Triumph der Barmherzigkeit über das Gericht?
    Hat nicht der 5. Strafsenat Birgit Hogefeld dafür mit dieser wütenden Verbissenheit zur Rechenschaft gezogen und verurteilt, weil sie ihn in eine Situation gebracht hat, der er nicht gewachsen war? Sie hat diesen Senat vor eine Entscheidung gestellt, die er nur hätte treffen können, wenn er den Mut und den Verstand gehabt hätte, die er nicht hatte.
    Dieser Prozeß und dann dieses Urteil hat etwas verändert. Jetzt wird man reden müssen
    – über den Geist und das Handeln der Strafschutzsenate und der Bundesanwaltschaft,
    – aber auch über die RAF, die einerseits diesen Institutionen die Vorwände geliefert hat, so zu werden, wie sie heute sich darbieten, andererseits aber zugleich den Opfern dieser Institutionen die Solidarität verweigert,
    – und nicht zuletzt über die Öffentlichkeit, die ihre Wahrnehmungsfähigkeit eingebüßt hat und wieder einmal das Wegsehen einübt, und an der es sich jetzt rächt, daß in diesem Lande die Aufarbeitung der Vergangenheit in folgenlose Bekenntnisse sich verflüchtigt hat, real aber nie gelungen ist.
    Manchmal überkommt mich der böse Verdacht, ob die Frage des Richters Klein an die Angeklagte nicht eigentlich hätte lauten müssen: Hat es die RAF überhaupt noch gegeben? Und ist es wirklich ganz auszuschließen, daß der Anschlag auf Weiterstadt auf eine konspirative Provokation (BAW/VS/Steinmetz?) zurückzuführen ist, die dann ihren Zweck voll erfüllt hat, nämlich der Öffentlichkeit zu den nie aufgeklärten Taten der 80er Jahre nachträglich eine RAF zu liefern, die es eigentlich schon nicht mehr gab? Und bekennen sich die Hardliner der RAF vielleicht heute zu Handlungen, von denen sie selbst nicht wissen, wer sie begangen hat, an denen sie nur deshalb festhalten, weil ihre von der Realität abgespaltene Phantasie sie als Identitätsstütze braucht? Und das bis zu der bitteren Konsequenz, daß sie die eine, die den Sinn dieser Handlungen in Frage stellt, mit dem Bann belegen und aus ihrer wahnhaften Bekenntnisgemeinschaft zwangshaft ausschließen müssen? Zugleich muß der Staatsschutz sie mit der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft aus dem Verkehr ziehen, weil sie, ähnlich wie Irmgard Möller nach der Stammheim-Katastrophe, die einzige ist, die vielleicht auf die Spuren stoßen und sie öffentlich machen könnte, die den Alptraum, zu dem dieser Staat in gleichem Maße zu werden scheint, in dem keiner es mehr für möglich zu halten fähig ist, als Realität erweisen würden.
    Die Nazis haben ihre Untaten durch ihre Dimensionen und ihr Ausmaß vor der Öffentlichkeit schützen können: Die Greuel waren leicht als Greuelmärchen zu dementieren, weil niemand (außer ihren Opfern, die sie real an sich selbst erfuhren) sie mehr für möglich halten konnte. Nur waren damals die Grenzen zwischen Realität und Vorstellungsvermögen noch nicht so scharf definiert: Zur Stabilisierung des abgespaltenen Vorstellungsvermögens, als wirksame kollektive Verdrängungshilfe, brauchten die Nazis das Gerücht von der Realität, das Klima des Terrors als allgegenwärtige und für alle spürbare Gewalt, die die Menschen zum Wegsehen zwang. Dieses Konstrukt hat die Nazizeit überlebt in dem Wort „Nestbeschmutzer“. Diskriminiert wurden nach dem Krieg nicht die Täter, sondern die, die ihre Taten an die Öffentlichkeit brachten.
    So gleicht sich die Realität immer mehr der Paranoia an, die sie doch zugleich falsch abbildet. Oder anders: So wird die Paranoia zu einem Erklärungsmuster der Realität, mit der Folge, daß heute die Realität nicht mehr begreift, wer nicht bereit ist, auch das Undenkbare zu denken, ohne daraus ableiten zu können, es sei so. Die Logik der Paranoia ist eine Erkenntnishilfe, aber man darf ihr nicht verfallen.
    Gegen diese Logik sind die Lyotardschen Reflexionen über das perfekte Verbrechen (die an die Erinnerung an Auschwitz anknüpfen) noch harmlos, weil sie zum Vebrechen verdinglichen, was in Wahrheit nur als kritische Reflexion eines logischen Sachverhalts sich begreifen läßt. An diesen logischen Sachverhalt, der an den Grund des Strafrechts selber rührt, reicht der strafrechtliche Begriff des Verbrechens nicht mehr heran.
    Der Versuch, das Undenkbare zu denken, liefert den Schlüssel zu den finsteren Geheimnissen des Staates (oder auch der Bekenntnislogik und der Opfertheologie, die die Religion zur Staatsreligion gemacht haben), vielleicht hilft er, Licht in dieses Dunkel hineinzubringen.
    Das Undenkbare denken: Dazu gehört auch, daß man einer Logik, die davon ausgeht, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, sich entzieht, daß es gelingt, die Kräfte, die es unterm Nationalsozialismus erlaubten, reale Greuel als „Greuelmärchen“ zu dementieren und so ihre Wahrnehmung zu verhindern, zu reflektieren und damit unwirksam zu machen. Ein Denken, das Herrschaftsinteressen, die heute mit dem Eigeninteresse derer, die an dem Privileg des Denkens noch teilhaben, konvergieren, sich unterordnet, mag sich als klug erweisen, es mag von einem hohen Grad der Intelligenz zeugen, es ist doch im Kern zugleich auch dumm, es verlernt, die Verblendung, deren Opfer es wird, zu durchschauen, es sieht insbesondere nicht mehr, was es anrichtet.
    Was einmal das „pathologisch gute Gewissen“ genannt wurde, ist eine in die Logik des Bewußtseins selber mit eingebaute Automatik; diese Automatik hat die kantische Philosophie, und zwar in der transzendentalen Ästhetik, erstmals rein herauspräpariert, sie ist damit bestimmbar und analysierbar geworden. Der erste, bis heute freilich nicht verstandene Beginn der Analyse dieser Automatik war Franz Rosenzweigs Stern der Erlösung, ein im Kern logisch-philosophisches Werk, das nur aufgrund seiner Konsequenzen der speziellen Disziplin der Religionsphilosophie zugeordnet und so neutralisiert worden ist (der Gedanke, daß der Kern der Logik in der Theologie liegt, gehört zu dem Undenkbaren, auf das die Forderung, es endlich zu denken, sich bezieht). Der Stern der Erlösung gehört zu den epochalen Werken der Philosophie dieses Jahrhunderts, von gleichem Rang wie das Werk Walter Benajmins, Georg Lukacs‘ „Geschichte und Klassenbewußtsein“ oder die „Dialektik der Aufklärung“.
    Der Begriff Greuelmärchen war ein prophylaktischer Teil des aus ihm entwickelten Mechanismus, der nach dem Krieg den kollektiven Verdrängungsprozeß mit getragen hat. Danach konnten alle (und das subjektiv ehrlich) sagen, sie hätten nichts gewußt.
    „Satanisch, teuflisch, dämonisch“: An diesen Begriffen läßt die Magie des Urteils sich demonstrieren. Deren Bann wird erst gebrochen, wenn man, ohne Verharmlosung in der Sache, diese Begriffe reflexionsfähig macht, wenn man im Satanischen den Ankläger, im Teuflischen die feindbild-logische Instrumentalisierung der Sprache, ihre Subsumtion unter fremde Zwecke, im Dämonischen die Sprache der Rechtfertigung erkennt, in ihnen allen die Formen der Selbstzerstörung der erkennenden Kraft der Sprache; auch das ist ein Teil des Versuchs, das Undenkbare zu denken. Der Ansatz zur Lösung des Banns ist in dem Jesus-Wort vom Geist enthalten: „Wenn sie euch dann hinführen, um euch zu überliefern (Einheitsübersetzung: und <man> euch vor Gericht stellt), so sorget euch nicht im voraus darum, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde gegeben (E.: eingegeben) wird, das redet. Denn nicht ihr seid es, die reden, sondern der heilige Geist.“ (Mk 1311) Der heilige Geist ist das Subjekt der erkennenden, aus dem Bann ihrer Instrumentalisierung befreiten Sprache. Der Kern dieses Banns ist die Logik der Welt: die Feindbildlogik, die dem Feind aus freien Stücken die Waffen liefert, mit denen er uns besiegt.
    Das Undenkbare denken, auch im Anblick des Schreckens den klaren Verstand zu behalten: Das wäre der Schlüssel zu einer Theologie im Angesicht Gottes.
    Zur Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit: Die stoische Ataraxia, die dann in den Begriff und in die Konstruktion der Öffentlichkeit mit eingegangen ist, ist kollektiv eingeübt worden in den römischen Arenen, in dem freiwilligen und zum Genuß (zur „Augenlust“) dargebotenen Anblick des Schreckens, der nur die Opfer, nicht die Zuschauer des Spektakels traf. Schon die aristotelischen Affekte Furcht und Mitleid, die die Tragödie im Zuschauer hervorruft, hatten Teil an dieser Ataraxia: Dem Mitleid war durch die ästhetische Grenze, durch die Abstraktion vom eingreifenden Handeln, die den Zuschauer vom tragischen „Geschehen“ trennt, die moralische Gemeinschaft mit dem ästhetischen Objekt aufhebt, der Weg zur Barmherzigkeit abgeschnitten: Im Mitleid genießt das Publikum (der Zuschauende) nur noch seinen eigenen Affekt, es erreicht sein Objekt nicht mehr. Die Arenen haben diese (die logische Konstruktion der Öffentlichkeit begründende) ästhetische Grenze zum Objekt vergesellschaftet. In diese Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit gehören die Scheiterhaufen, auf denen die Ketzer und Hexen verbrannt worden sind, die öffentlichen Hinrichtungen. Auch der Kreuzestod Jesu ist durch die christliche Opfertheologie zu einem öffentlichkeitskonstituierenden Akt geworden (der in den Christen das schlechte Gewissen installiert hat, das dann bekenntnislogisch abgearbeitet werden mußte). Die Theologie war seit den Kirchenvätern nur das Exil der Philosophie, diese war das Schiff, auf dem sie aus Furcht vor ihrem Auftrag, Ninive den Untergang anzusagen, nach Tarschisch zu fliehen versucht hat.
    Aber war die Philosophie nicht auch der eine unreine Geist, der am Ende mit sieben anderen Geistern in das leere, gereinigte und geschmückte Haus zurückkehren wird; und die letzten Dinge werden dann ärger sein als die ersten?
    Der Staat ist die Quelle und der Produzent des „Seitenblicks“, der in den Arenen (und in der nachfolgenden Geschichte der Kunst) zunächst eingeübt und dann auch reflektiert worden ist. Und das hegelsche Absolute ist der Gott, der in diesem Staat sich verkörpert (und durch ihn hindurch das Reich der Erscheinungen als seine Welt erschafft, die am Ende niemand von der wirklichen mehr unterscheiden kann).
    Das kantische Religionsverständnis unterscheidet sich vom hegelschen dadurch, daß es das Moment der Hoffnung (auch für die Toten) noch in sich enthält, es weder verleugnet, noch verdrängt, noch unterdrückt hat, und in dieser Hoffnung die Kraft der Reflexion, die er in der Kritik der Urteilskraft zu entfalten versucht hat.
    Das Undenkbare denken, oder die Bundeanwaltschaft als Verkörperungen der Staatsparanoia.
    Der Konkretismus und die Personalisierung verstören die Sprache der Reflexion, versuchen ständig, sie eine Sprache des bestimmenden Urteils (der synthetischen Urteile apriori), des Indikativs, zu übersetzen.
    Das Undenkbare denken (Gliederung):
    – Indikativ und Imperativ (Levinas),
    – Verstörung des reflektierenden Denkens durch die Mechanismen der Verdinglichung,
    – die Auflösung des Problems der Verhärtung des Herzens (Pharao und hodie, si vocem eius audieritis),
    – Theologie im Angesicht Gottes,
    – die Sünde wider den heiligen Geist (die Sünde der Übersetzung des reflektierenden Urteils ins bestimmende Urteil, der Verdinglichung, der Feindbildlogik, die Sünde der Welt <im Kontext des Nachfolgegebots, nicht der Opfertheologie>).
    Die Theologie im Angesicht Gottes ist eine herzzerreißende Theologie: Sie zerreißt das steinerne Herz (das sentimentale Herz) und ersetzt es durch das fleischerne Herz (ein Herz, in dessen Verletzlichkeit seine erkennende Kraft gründet). – „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“
    Auch der Satz, daß Gott am Ende das steinerne Herz durch ein fleischernes ersetzen wird, steht im Imperativ, nicht im Indikativ.
    Zu Kafkas Bau: Das Tier hat vierzig Jahre im Untergrund gewühlt, und jetzt steckt es die Nase heraus in der Hoffnung, daß da nicht ein Gärtner mit dem Spaten steht und es erschlägt.
    Das Undenkbare denken: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns (Kafka). Auf diesen Satz antwortet eine Theologie, die die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele aufgibt, dafür aber an der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten festhält. Nicht für mich (und nicht für die, die unter Rechtfertigungszwängen auf einen gnädigen Gott hoffen), nur für die Andern gilt: Die Liebe deckt eine Menge Sünden zu. Das Jakobus-Wort, daß, wer einen Sünder von seinem Weg des Irrtums befreit, seine eigene Seele vor dem Tode rettet, schließt die Frage mit ein, wer ist dieser Sünder? Ist es nicht der gleiche, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über die 99 Gerechten?
    (Adressaten: Christiane Dannemann, Michael Schwenn, auch Pfarrer Nieder, Antje Vollmer?)
    Wenn ich die „objektive“ Analyse einer Sache durch die Erfahrung, die ich mit ihr gemacht haben, ersetze, so ist das der einzige Ausweg, über den ich die Sache selbst noch herauszubringen vermag.
    Instrumentalisierung der Anklagepraxis durch die Bundesanwaltschaft (mit dem Ziel der Aussagenerpressung: Angebot der Kronzeugenregelung bei Birgit Hogefeld, Ermittlungsverfahren gegen Steinmetz, Anklage mit Kronzeugenangebot bei Frau Andrawes), dazu paßt die fiktive Anklage im Hogefeld-Prozeß (eine Anklage, die aus den gleichen Gründen, die dann zum Freispruch führten, eigentlich schon bei Prozeßeröffnung hätte zurückgewiesen werden müssen, die aber nur so ihren Zweck erfüllen konnte: die zwar nicht nachgewiesene, aber wegen der Freispruchs der Angeklagten auch nicht mehr revisionsfähige gerichtliche Feststellung, daß Wolfgang Grams den GSG-9-Beamten Newrzella erschossen hat). Steht nicht die Anklagepraxis der BAW, die ein Teil ihres Politikverständnisses ist, in einem so exzessiven Maße unter dem Zwang der Feindbildlogik, daß sie deren Reflexion schon vom Grunde her auszuschließen gezwungen ist?

  • 11.8.1996

    Ist nicht die Nachkriegsgeneration in der verqueren Situation, daß sie eine Reflexion, die wir versäumt haben, nachholen müßte und es nicht kann, – weil sie den Gegenstand der Reflexion nicht kennt, und – weil wir sie zugleich der Mittel beraubt haben, mit deren Hilfe es vielleicht möglich gewesen wäre? Die Bedeutung von Sätzen hängt nicht nur von der Bedeutung der Worte ab, aus denen sie gebildet sind, sondern ebenso sehr auch von der Situation, zu der die Sätze gehören. Deshalb gibt keine Dogmen, und deshalb gibt es keine in Urteilen ausdrückbare Wahrheit. Zum Angesicht: Der Blick ist ein Teil der Kommunikation. Blick ein Kind an, und achte darauf, wie es zurückblickt: Dieser Blick spricht. (Gibt es nicht Situationen, in denen die Sprache zu einer unzulängnlichen Ausdrucksform wird?) Resurrectio naturae: Die Natur ist kein Objekt der Barmherzigkeit; sie ist kein Subjekt, darin gleicht sie den Toten. Das Eingedenken der Natur im Subjekt gilt dem Toten, das zum Leben zu erwecken wäre (und nicht der „gequälten Natur“). „Nur Gott sieht ins Herz der Menschen“, und „Wer euch angreift, greift meinen Augapfel an“: Sind diese beiden Sätze nicht durch den Antisemitismus, der mit der Vernichtung der Juden dem Angesicht Gottes sich entziehen zu können glaubt, bewiesen? Wenn der Antisemitismus darauf abzielt, den Augapfel Gottes zu vernichten, dann war Auschwitz der Versuch eines absoluten Verbrechens (vgl. Lyotard). Sind nicht die Planeten zu Planeten geworden, als sie sich die Sonne zum Feind machten? Sind die Planeten Feinde der Sonne, ist der Mond der Erde Feind, und wie steht es mit Erde und Sonne, wer kreist hier um wen (wo ist die Sonne still gestanden)? Zur Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos: Nach Kopernikus war die Erde Feind der Sonne (so hat das heliozentrische System zur Begründung und Legitimierung des Absolutismus beigetragen). Kopernikus war (als Astronom) Monarchist. Müßte die Demokratie nicht wieder davon ausgehen, daß die Sonne um die Erde kreist? Oder müßte sie, wenn sie endlich sich selbst begreift, nicht dieses Feindsystem ingesamt auflösen: die Klassengesellschaft? Steht der Tod der Erstgeburt unterm Zeichen des Saturn, die Finsternis und das Blut unter denen der Sonne und des Mondes? Sind die ägyptischen Plagen die Negative der Sefirot? Feindbindung und Sucht: Wie der Sexist so kommt auch der Antisemit von seinem Feind nicht mehr los. Wer in den Menschen Feindbilder erzeugt, macht sie zu Objekten der Mechanik (des Seitenblicks, der der Kommunikation ausweicht und sich entzieht) und damit beherrschbar. Die sublimste Art der Feindbild-Erzeugung ist es, sie zu anschauenden und urteilenden Wesen zu machen. Deshalb ist die kantische Unterscheidung zwischen bestimmenden und reflektierenden Urteilen so wichtig. Der Glaube, man könne den Faschismus durch Verurteilung unschädlich machen, hat seine Wurzel in dem ungeheuren Verdrängungsakt, mit dem die Deutschen am Ende des Krieges ihr Wissen von den Verbrechen der Nazis und ihre Beteiligung an ihnen glaubten loswerden zu können. Die Verurteilung als Instrument der Selbstexkulpation gehört zur Bekenntnislogik, die hier erst endgültig von ihren christlichen Ursprüngen sich abgelöst (und sie zugleich instrumentalisiert) hat. So fanden sich Täter und Opfer in der Gemeinschaft der Verurteilenden wieder. Was (im Hinblick auf Filbinger) einmal das „pathologisch gute Gewissen“ genannt worden ist, gründet in dieser Verurteilungsstrategie. Aber war diese Problemlösungsstrategie nicht doch nur auf der high-brow-Ebene (vor allem in der Politik und an den Universitäten) anwendbar, während unten der Antisemitismus teils im Anblick von Auschwitz wirklich sich aufgelöst hat, teils allerdings nur in die Potentialität zurückgedrängt wurde (und das insbesondere bei denen, die aktiven Anteil an den Verbrechen, die sie nie als Verbrechen wahrgenommen haben, gehabt hatten, bei denen die Verdrängung ein Teil, mehr noch: die Voraussetzung der Tat war)? Diese Problemlösungsstrategie aber hat die Probleme nicht wirklich gelöst, sondern nur auf die folgenden Generationen verschoben. Ich hätte mir gewünscht, daß dieser Sachverhalt, zumal Birgit Hogefeld ihn selbst angesprochen hat, in dem Bändchen „Versuche, die RAF zu verstehen“ thematisiert worden wäre. Die wütenden Reaktionen auf die Untersuchungen von Daniel Goldhagen sind ein weiteres Indiz für die Unwirksamkeit aller Problemlösungsstrategien, die, auf der Grundlage und unter dem Bann der Bekenntnislogik, sich allein des Instruments der Verurteilung bedienen. Die dritte Leugung oder der verdorrte Feigenbaum: Ist nicht der kollektive Verdrängungsakt am Ende des Krieges in Deutschland durch eine Logik (durch die „pharisäische“ Logik der kollektiven Verurteilung) abgesichert worden, die die Bekenntnislogik von der Theologie getrennt, damit der Theologie endgültig den Boden entzogen und den Nachgeborenen jede Chance genommen hat, an die Sache überhaupt noch heranzukommen (die die Bekenntnislogik zum Instrument der Selbstverfluchung gemacht hat)? Als Heidegger die Angst (zur Unterscheidung von der Furcht) als objektlos definierte, hat er ihrer Reflexion (und damit der Reflexion der Schuld und der Herrschaft, die den Zeitkern der Wahrheit ins Licht rückt) den Weg verstellt. Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Produkt und Instrument der Abstraktion von dieser dreifachen Reflexion? Stammheim oder das Haus des Seins: Die „Fundamentalontologie“ ist die Selbstreflexion der Isolationshaft des Denkens im Hochsicherheitstrakt der subjektiven Formen der Anschauung (die Kritik der reinen Vernunft war der erste Ausbruchsversuch).

  • 27.7.96

    „Was nicht erzählt wird, ist nicht passiert“ (Ton Veerkamp, TuK 70, S. 23): Heißt das, daß, wenn Primo Levi seine Erinnerungen nicht niedergeschrieben hätte, Auschwitz „nicht passiert“ wäre? Heißt das, daß, wenn der 5. Strafsenat des OLG in Frankfurt jede Nachfrage nach dem, was in Bad Kleinen wirklich geschehen ist, wenn das Erzählen unterdrückt wird, dann auch die Ereignisse ungeschehen zu machen sind? Begründet dieser Satz nicht die Logik des Namens: Nestbeschmutzer? Begründet er nicht die Hoffnung der Täter (die Hoffnung, deren Logik Lyotard in seinen an Auschwitz anschließenden Reflexionen über das „vollendete Verbrechen“, das die Tat ungeschehen zu machen hofft, indem es auch die Zeugen aus der Welt schafft, untersucht, eine Untersuchung, die auch Licht in die Logik der frühchristlichen Märtyrer-Geschichte <und in die Umkehrung dieser Logik in der Gestalt des Confessors, der den Märtyrer ablöst> bringt)?
    Zahl und Schein: Wie hängt der Begriff der Erzählung mit dem der Erscheinung zusammen? Ist nicht das Organisationsprinzip der ersten die Form der inneren Anschauung (die chronologische Einheit der Erzählung), das der zweiten hingegen die der äußeren Anschauung (die räumliche Einheit, in welche die Naturprozesse durch Verräumlichung der Zeit mit hereingezogen werden)? Erscheinungen sind Erscheinungen im Raum (ihre Gegenwart ist die der Präsenz des Objekts), während Erzählungen als Vergegenwärtigung von Vergangenem deren Gegenwart (nicht das Vergangene selber) als eine sprachliche, als erinnerte Gegenwart erst herstellt.
    Dem kontemplativen Erzählen des Vergangenen entspricht das Beschreiben des Gegenwärtigen: In welcher Beziehung steht das Zählen zum Schreiben?
    Das Erzählen, das heute notwendig wäre, hätte das Prinzip der chronologischen Einheit mit zu reflektieren.
    Kann es sein, daß die Vorstellung sich widerlegen läßt, daß dem Niederschreiben einer Erzählung (des homerischen Epos oder der biblischen Erzählungen) eine Phase der mündlichen Tradition vorausgeht? Ist nicht vielleicht doch das Erzählen ein Produkt der Schrift? Wie hängen Epos, Astronomie und Schrift mit einander zusammen? Ist die Hieroglyphen-Schrift (und ihre Beziehung zum Tempel, deren Wände sie ziert) der Grund dafür, daß Ägypten kein Epos hervorgebracht hat, statt dessen die Pyramiden?
    Zwischen der Himmelfahrt Jesu und Pfingsten liegt nur die Wahl des Zwölften, der stumm bleibt, und von dem dann nichts mehr erzählt wird. Der Zwölfte (sein Name war Matthias) füllt die Stelle aus, die durch den Verrat des Judas Iskariot freigeworden ist.
    Ist das Interesse zu erfahren, was denn wirklich passiert ist, so unerheblich? Gehört nicht die Spannung zwischen dem Erzählten und dem Geschehenen, die nicht aufhebbar ist, zur Wahrheit des Erzählten (zur Wahrheit dessen, was geschehen ist)? Es geht nicht um die nackten Tatsachen, aber auch nicht nur um das Kleid, das die Nacktheit verdeckt (die Legende), sondern um das Unerlöste in der Beziehung beider: um die Erfüllung des Worts, mit der das Vergangene erlöst wird, sich vollendet.
    Hatte der Greuel, das Scheusal der Ägypter, das nach dem Wort des Moses an Pharao die Israeliten am dritten Tag nach dem Auszug aus Ägypten opfern wollten, etwas mit der „Sünde der Welt“ zu tun? Ist nicht der Weltbegriff der Inbegriff der Begriffe, Gesetze und Strukturen, in denen die Vergangenheit fortschreitend Macht über die Dinge gewinnt, der Inbegriff der die Dinge verschuldenden Gewalt; und ist das nicht der Feind, dem die Wahrheit immer erneut abgerungen werden muß? Die Erzählung ist nicht die Welt, aber sie lebt von der Spannung zur Welt.
    Karl Thieme hat einmal gegen das berühmte Wort Leopold von Rankes darauf hingewiesen, es komme nicht darauf an, zu erkennen, wie es eigentlich gewesen sei, sondern was eigentlich geschehen ist. (Biblische Religion heute, Heidelberg 1960, S. 181) Auf dieses Was zielt die Erinnerungsarbeit, aus der das Erzählen sich nährt, auch wenn sie nicht nur im Erzählen sich äußert. Ist nicht jede Theologie, die diesen Namen verdient, Erinnerungsarbeit, und die Schrift der Schlüssel, der die Pforten der Erinnerung öffnet?
    Haben das Wasser und das Trockene (des dritten Tages) etwas mit dem Was und dem Wer, die nach kabbalistischer Tradition im Namen des Himmels gründen, zu tun?
    „Persönlichkeit“: Hierzu wäre an Rosenzweigs Bemerkungen zu diesem „höchsten Glück der Erdenkinder“ zu erinnern, zugleich aber daran, daß nicht sie, sondern die „Kinder Gottes“ es sind, auf deren Freiheit dem Römerbrief zufolge die ganze Schöpfung wartet. Jesus mag der Sohn Gottes gewesen sein, aber er war gewiß keine Persönlichkeit. Sprachgeschichtlich dürfte der Begriff der Persönlichkeit auf den gemeinsamen Ursprung mit der Ausgliederung und der Verselbständigung der Personalpronomina in den modernen Sprachen zurückweisen. Er verdankt sich der gleichen logischen Bewegung, der auch die Herauslösung des „Ich“ aus seinem dialogischen Kontext und seine idealistische Hypostasierung sich verdankt. Im Begriff der Persönlichkeit enthüllt sich das idealistische Absolute als Gattungsbegriff (und der Begriff der Zeugung im christlichen Dogma als deren theologischer Reflex). Frage: Wer ist das Ich im kantischen Begriff des transzendentalen Subjekt, im „ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“? Ist es nicht ein männliches Subjekt, das gegen alle „seine“ Vorstellungen als selbständiges, „autonomes“ Subjekt sich muß behaupten können, und ist es nicht das bürgerliche Subjekt, das es sich leisten kann, Herr all seiner Handlungen (und nicht das Objekt seiner Begierden und Triebe) zu sein? Schließt dieses Ich (das Ich der Persönlichkeit), ähnlich wie der frühchristliche „Confessor“, aus dem es sich herleitet, nicht ebenso wie die Frauen auch die Juden (und natürlich die Häretiker) von sich aus?
    Das Sein, der Gegenstand der Ontologie, ist ein durch Neutralisierung unkenntlich gemachtes Maskulinum und zugleich ein von der Beziehung auf ein bestimmtes Subjekt abgelöstes (und so ebenfalls unkenntlich gemachtes) Possessivpronomen, und die Ontologie selber der Statthalter des Patriarchats in der Philosophie. Das Sein steht zwar völlig nackt da, aber es verbirgt sein Geschlecht durch das magische Verbot, es wahrzunehmen: durchs Verbot der Sprachreflexion, das zu den logischen Gründen des Rassismus gehört (der Wirkung dieses Verbots schienen Nazis nicht ganz zu trauen, die, wenn sie in Uniform fotografiert wurden, ihre Hände davor hielten).
    Die Gravitation und das Selbstgefühl gründen in der Oben-Unten-Beziehung, während das Sehen (in dem die Schwere nicht erscheint) auf den Horizont und die vier Himmelsrichtungen verweist. Zur Befreiung des Sehens („da gingen ihnen die Augen auf“) gehört der aufrechte Gang.
    Die Beziehung des Sehens zur Schwere reflektiert sich in der des Trägheitsprinzips zur Schwere (im Verhältnis der trägen zu schweren Masse, deren Identität der Einheit des Inertialsystems sich verdankt), auch in der des Tauschprinzips zur Schuldknechtschaft (die ihre Einheit außer sich, im Geld, erst finden).
    Ist es nicht der Hahn, der einen Sünder vom Irrweg bekehrt? Und wie hängt die Geschichte von der Maria Magdalena und den Frauen, die hinausgingen, um den Leichnam Jesu zu salben, mit der Geschichte der drei Leugnungen Petri zusammen?
    Wenn der Kreuzestod auf die Zerstörung Jerusalems verweist, verweist er dann nicht auch auf Auschwitz?
    „Allein den Betern kann es noch gelingen, …“: Kann es sein, daß das Wort „Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein“ sich auf die Heiligung des Gottesnamens bezieht?
    Die dritte Leugnung: Heute hält selbst sich die Theologie die Theologie vom Leibe, mit der Folge, daß sie unfähig geworden ist, in der Verhärtung des Herzens Pharaos die eigene wiederzuerkennen.
    Als Hegel aus dem transzendentalen Subjekt (dem Ich in Kants „ich denke, …“) die Idee des Absoluten entwickelte, stieß er zwangsläufig auf Strukturen, die identisch waren mit denen des Dogmas, der Orthodoxie.
    Hängt nicht Wittgensteins Satz „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ mit der Schellingschen Formulierung, die Zukunft werde „geahndet“, zusammen, und erfüllen sich nicht beide aufs entsetzlichste in einer Welt, die die Zukunft verrät?
    Ist nicht dieses „Ahnden“ eine logische Folge der Schellingschen Naturphilosophie, die den Schuldzusammenhang universal gemacht hat?
    Natur und Moral: Die Urteilsmoral ist die Folge eines Selbstverständnisses, dem die eigenen Interessen und das eigene Handeln zur reinen, gegen jede moralische Reflexion immunen Natur geworden sind, zu „Sachzwängen“, deren Objekt es bloß ist. Es gehorcht nur den Gesetzen der Selbsterhaltung. Moral ist als Urteilsmoral (als „Wertethik“) Moral für andere: die Moral des steinernen Herzens, dem die Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den andern sich hineinzuversetzen, gegenstandslos und zum flatus vocis geworden ist. Der ökonomische Grund dieser logischen Konstruktion läßt an den Argumenten sich ablesen, mit denen die Sprecher aus Wirtschaft und Politik die Notwendigkeit des Sparens aus den Taschen der anderen begründen. Ist nicht Natur, insbesondere auch die, die die Gesetze diktiert, nach denen ich vorgebe, zu handeln gezwungen zu sein, seit dem Ursprung ihres Begriffs das Korrelat des steinernen Herzens? Deshalb wird es eine Theologie, die diesen Namen verdient, ohne Kritik der „Naturwissenschaft“ nicht mehr geben.

  • 12.7.96

    Zur Kritik der Urteilskraft: Hat nicht Auschwitz der Idee des Erhabenen den Boden entzogen?
    Hegels Bemerkung, daß, was aus dem Grunde kommt, auch zugrunde geht, ist ein Ausdruck der absoluten Verzweiflung: Kant zufolge ist der Grund eine Reflexionsform des Zwecks. Für Hegel gibt es, anders als für Kant, keinen „Endzweck“; der ist in der Idee des Absoluten untergegangen und begraben.
    Der Begriff der Größe wird vor allem auf historische Personen angewandt, insbesondere auf Herrscherfiguren wie Alexander, Konstantin, Karl der Große, Friedrich der Große (und sein Vater: der große Kurfürst); merkwürdig, daß es im gleichen historischen Kontext auch ein weibliches Exemplar der Größe gibt: Katharina die Große. Dieses Attribut scheint insbesondere den Reichsgründern zuerkannt zu werden; welche Bewandnis hat es dann mit der Gründung des preußischen Staates (gegen eine in die Repräsentation des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation eingebundene österreichische Herrscherin, und im Vorgriff auf die Gründung des Zweiten Deutsche Reichs)? Was zeichnete diesen Staat (der zum Modell der Hegelschen Staatsmetaphysik, der Verkörperung der Idee des Absoluten, geworden ist) vor anderen Staaten aus, und was verbindet ihn mit dem Untergang des Ersten Reiches? Dazu merkwürdig, daß Alexander und Karl inzwischen in Verdacht geraten, nur Phantomfiguren zu sein, als Verkörperungen einer Geschichtslogik, die ihre Objekte einem Verfahren der Ästhetisierung unterwirft, sich ins Irreale zu verflüchtigen scheinen.
    Mit dem mathematischen Begriff der Größe ist die Orthogonalität mit gesetzt. Kann es sein, daß der ästhetische Begriff der Größe, der der Idee des Erhabenen zugrunde liegt, durch einen der Orthogonalisierung vergleichbaren Effekt sich auszeichnet? Und kann es sein, daß die Vorstellung des dreidimensionalen Raumes ihre säkularisierende Wirkung darin hat, daß sie die Vollständigkeit der Fundierungsbedingungen der mathematischen Größen (nicht ihre Realisierungsbedingungen: die schließen einen subjektiven Akt, einen Akt der Setzung, der Konvention mit ein) in sich enthält (was darin sich manifestiert, daß sie im Prinzip bereits dem ästhetischen Begriff der Größe die Grundlage entzieht)? These: Der Begriff der historischen Größe und die Idee des Erhabenen gründen in einem noch vornewtonschen, naiven Verständnis der Schwere; sie stehen in einem logischen Zusammenhang mit der Geschichte und der Logik des Weltbegriffs (seiner Beziehung zum Begriff des Falls – vgl. Wittgesteins Definition des Weltbegriffs). Kann es sein, daß Größe und Erhabenheit (die beim Augustus sogar zum Namen geworden sind) als besondere ästhetisch-historische Kategorien die christliche theologisch-dogmatische Weiterbildung der Logik, den Begriff und die Realität der Orthodoxie, voraussetzen, auf ihrer Grundlage sich gebildet haben? – Die vorchristliche Welt kannte die „sieben Weltwunder“ (und die rechtsgründenden Taten der Heroen), aber – außer den erst in christlicher Erinnerung so genannten – keine „Großen“; dagegen stand die Logik des Mythos und des Schicksals, insbesondere das absolute Urteil der Hybris.
    Ist nicht das Attribut „der Große“ ein (dem Alexander aus durchsichtigen Gründen nachträglich zuerkanntes) „historisches“ Attribut?
    Vgl. die Reflexionen Lyotards zum Begriff des Erhabenen!
    Hat die Logik der Orthodoxie (die Bekenntnislogik) für die Geschichte der Theologie und des Dogmas die gleiche Funktion wie die durch die Orthogonalität als Norm determinierte Raumvorstellung für die Bildung der Vorstellung kontinuierlicher und diskreter Größen?
    In welcher Beziehung stehen das aristotelische Staunen und die „sieben Weltwunder“ zu den Wundern der Evangelien, waren sie so etwas wie eine gleichsam prophylaktische Vorkehrung, die dem fundamentalistischen Mißverständnis dieser Wunder Vorschub geleistet (ihren „symbolisch-typologischen“ Sprachsinn unkenntlich gemacht) haben? Und war nicht dieses fundamentalistische Mißverständnis eine der Ursprungsbedingungen des Dogmas?
    Die mathematische Größe bedarf des Maßes; das aber ist Produkt einer Konvention. Es gibt kein „natürliches“ Maß der Länge, der Zeit, des Gewichts, des Geldes.
    Wenn die moderne Sprachtheorie die Worte als konventionelle Symbole begreift, verwechselt sie die Sprache mit der Mathematik. Und ist nicht der Begriff der Konvention ein falscher Ausdruck für die verandernde Kraft des Urteils? Wer das Resultat dieser Veranderung zur Sache der Konvention macht, trennt die Sprache von ihrer Wurzel im Namen.
    Die verandernde Kraft des Urteils aber gründet in der Eigentumslogik (der der Staat und der Weltbegriff sich verdanken, und die dem Naturbegriff sein Objekt gibt): in der Beziehung der objektivierenden Kraft des Seins (der Kopula) zu der objektivierenden Kraft, die der staatlich geregelten und rechtlich sanktionierten Eigentumsordnung (der Trennung und Unterscheidung der Öffentlichkeit, der Sphäre des Eigentums anderer, von der Privatsphäre) sich verdankt.
    Zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Die Tatsache, daß die Lichtgeschwindigkeit eine „empirische“ Größe ist, macht ein durch Konvention definiertes Element (ein durch „konventionelle“ Maßbestimmungen mit definiertes Element) zu einem Systemelement, das die „Objektivität“ der Erkenntnis mit garantiert. Ist dieses Systemelement nicht eines, das in den Grund des Feuers hinabreicht? Deshalb ist die Bestimmung der Beziehungen des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu den Konstituentien der Mikrophysik so zentral. Ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der durch Umwendung ins Äußere unkenntlich gemachte Knoten, der zu lösen wäre?
    Lust ist eine ins Ästhetische reflektierte, durchs Ästhetische vermittelte Empfindung. Das Korrelat der Unlust ist der Schmerz. Jede Empfindlichkeit ist pathologisch, der Schmerz ist real.
    Erscheint der historisch-ästhetische Begriff der Größe (des Erhabenen) auch bei Hegel? Vgl. auch die Weltgeschichtlichen Betrachtungen Jakob Burckhardts. Im Gröfaz („größten Führer aller Zeiten“) ist der Begriff der Größe explodiert (und zwar sowohl in den unmittelbaren Zielen und Folgen der nationalsozialistischen Politik, als auch in den Metastasenbildungen in den Diktaturen heute); seit Auschwitz gibt es kein Erhabenes mehr. Reflektiert sich das nicht in der Sprache der Nachgeborenen, die z.B. den Begriff der Anmut nicht mehr kennen („heute nennen wir das geil“), aber auch in der Neigung der Medien, das Interesse der Gesellschaft anstatt durch die Sache, durch Steigerung der Reize zu gewinnen (Sensation ist ein Empfindungsbegriff, der von der Last der Reflexion entbindet)?
    Ist nicht die Größe prima facie ein Attribut des Männlichen, und das Schöne (die „Anmut“, das „Liebliche“) eines des Weiblichen? Die Blume ist schön, der Baum erhaben? Hängt es nicht mit der Verwischung der Geschlechterdifferenz zusammen, wenn in der Sprache der Jugendlichen das Erhabene vom Wahn und das Schöne vom Sexuellen nicht mehr sich scheint trennen zu lassen? Sind nicht die Attribute, mit denen Jugendliche die Dinge heute benennen, ein Indiz des Weltzustandes? Verweist nicht die Differenz des Schönen und Erhabenen auch auf die Unterscheidung von Natur und Welt, ist nicht das Schöne ein Objektgefühl, das Erhabene ein Verstandesgefühl (das Absolute ist das an sich Erhabene)? Gehören nicht das Schöne wie das Erhabene einer Sphäre an, die im Urteil gründet (und nur dem Gefühl sich erschließt, aber einem, das den Anspruch auf Objektivität erhebt)? Der Faschismus, der zum absoluten Objekt der Verurteilung geworden ist, ist weder schön noch erhaben, eigentlich die Vernichtungsmaschine beider. In diesen Zusammenhang gehört Adornos Satz, nach Auschwitz Gedichte schreiben sei barbarisch (gegen den alle protestierten, die das Privileg nicht aufgeben wollten, sich weiterhin einen Reim auf diese Vergangenheit zu machen).
    Blumen sind schön, Bäume erhaben: Heißt das nicht auch, daß Blumen als Naturwesen, Bäume als Weltwesen apperzipiert werden? Was bedeutet dann die Wendung „durch die Blume sprechen“?
    Wer die Korrektur-Vorschläge der Kant-Herausgeber in den Anmerkungen der Kant-Ausgaben liest, bekommt einen Vorbegriff davon, wie der Duden einmal entstanden sein mag. Kaum eine „Verbesserung“, an der nicht mit Händen sich greifen ließe, daß nicht nur die kantische Sprachlogik sondern mit ihr entscheidende Motive seiner Philosphie nicht mehr verstanden wurden. Alle „grammatischen Fehler“, die hier „berichtigt“ werden, sind nicht nur keine, sie drücken in Wahrheit genau das aus, was seitdem an Kant verdrängt und vergessen wurde.

  • 9.7.96

    Das liberum arbitrium hängt mit den Freiheitsgraden des Raumes so zusammen wie die Reflexion mit der Abstraktion. Es setzt an die Stelle die Freiheit, die der Reflexion sich verdankt, die Freiheit, die die Abstraktion verspricht; die Beziehung beider ist durchs Opfer vermittelt, auf dessen Geschichte sie zurückweist. Der Preis der Abstraktion ist das Opfer der Vernunft. Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist das Produkt des vollendeten Opfers. Der Begriff ist das Opfer des Worts an die Idee des Absoluten. Deshalb hängt die Entdeckung des Begriffs mit der Entdeckung der Orthogonalität, der Winkelgeometrie, zusammen.
    Die Vergegenständlichung der Zeit, die die Sprachlogik der indoeuropäischen Sprachen einmal begründete, ist das Prinzip der Abstraktion. Ihr praktischer Grund war die Konstituierung des Eigentums. Hat die Zeitvorstellung zusammen mit dem Zins sich gebildet? Der Atheismus heute gründet in der Unfähigkeit, den Bann der Logik des Eigentums durch Reflexion zu brechen.
    Die Vorstellung einer unendlichen Zeit, Produkt ihrer Vergegenständlichung und Reflex der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, ist das subjektive Apriori der gegenständlichen Erkenntnis. Im Bann dieser Erkenntnis gilt, daß ER kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Ist die so rapide sich ausbreitende Furcht vor Einbrechern nicht ein apokalyptisches Zeichen?
    Menschenfischer: Das Feindbild ist der Köder, mit dem der Kapitalismus seine Gegner fängt. Über das Feindbild und über die Mechanismen der Empörung (des schnellen Zorns) gerät man in eine subjektive Verfassung, in der man, ohne es zu wissen und auch, wenn man es nicht will, das Geschäft der anderen Seite betreibt. Logischer (und objektiver) Ausdruck dieser „subjektiven Verfassung“ ist der Weltbegriff.
    Mit der Beziehung zur Zeit hängt es zusammen, wenn das Weltgericht nicht mit dem Jüngsten Gericht verwechselt werden darf. Wenn es ein Jüngstes Gericht gibt, wird es das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht sein. Gnadenlos ist das Weltgericht durch die Objektivierung der Zeit.
    Der Faschismus hatte Recht, wenn er sich auf die indogermanische Tradition berief: Im Faschismus ist das barbarische Potential des Abstraktionsschrittes, dem die Logik der indoeuropäischen Sprachen sich verdankt, explodiert. Das erste Opfer dieser Explosion waren nicht zufällig die Juden, die die andere, verdrängte Tradition verkörperten: der Antisemitismus war der Zündsatz des Faschismus.
    Nach dem Holocaust kann man zwar kein Jude mehr werden, notwendig und überfällig aber ist die Rückbesinnung auf ihre Tradition, die die eigene Tradition des Christentums ist, allerdings eines Christentums, das den Hahnenschrei vernommen hat und endlich aus dem Schlaf, in den es seit Getsemane versunken ist, erwacht. Erinnert nicht Reinhold Schneiders Satz „Allein den Betern kann es noch gelingenen …“ an die Aufforderung, die Jesus in Getsemane an die Jünger richtete, als er sie schlafend fand: „Wacht und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallt“?
    Zu Getsemane: Wenn die Todesangst Jesu messianische Qualität hat, dann kann sie sich nicht (oder jedenfalls nicht nur) auf den eigenen Tod, sondern muß sich zugleich auf die Herrschaft des Todes in der Welt beziehen. Da aber stellt sich eine wahrhaft ungeheuerliche Beziehung zum Symbol des Kelches her, der genau diese Herrschaft des Todes repräsentiert.
    Hat das Christentum nicht seit je die Fleischwerdung des Wortes mit seiner Wiederkunft verwechselt, hat es nicht so getan, als hätten Kreuz und Aufertehung schon das geleistet, was erst die Wiederkunft leisten wird? Eben damit aber ist das Christentum selber der Versuchung der Welt zum Opfer gefallen. – Oder war auch diese Opferfalle noch providentiell, ein Teil des Opfers, das eben nicht schon alles geleistet hat?
    Erst wenn die Gestalt der Unsterblichkeits- und Auferstehungshoffnung, die sich aus dem Selbsterhaltungsprinzip herleitet, verbrannt ist, wird die Wahrheit hervortreten. – „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.“
    Der Begriff der trägen Masse, der Materie, ist der Reflex des Eigentumsbegriffs in der Natur, mehr noch: Der Eigentumsbegriff konstituiert den Begriff der Natur (Naturschutz ist Eigentumsschutz). Das Dogma reflektiert den logischen Schritt, mit dem die physis in die natura und der kosmos in den mundus transformiert wurde.
    Wenn Kant Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung begriffen hat, so wäre das heute zu ergänzen: Die Subjektivität der subjektiven Formen der Anschauung ist in sich selber gesellschaftlich vermittelt, sie ist eine gesellschaftliche Subjektivität, die Reflexion des Andern im Subjekt. Insoweit, nämlich als gesellschaftliche, sind die subjektiven Formen der Anschauung zugleich auch objektiv.
    Der Vergesellschaftungsprozeß ist in der Struktur der Raumvorstellung selber nachvollziehbar. Den drei Abstraktionsschritten, in denen der Raum als subjektive Form der Anschauung sich konstituiert, korrespondieren die drei ökonomischen Abstraktionsschritte, denen Polanyi zufolge die Konstituierung der Eigentumsgesellschaft sich verdankt: die Verwandlung von Grund und Boden, der Arbeit und des Geldes in Waren, in Objekte des Tauschprinzips. Es ist der Begriff des Eigentums, der in diesem Prozeß sich entfaltet, der zugleich die Außenwelt konstituiert, die Äußerlichkeit der Dinge außer uns, deren Formgesetz dann in der Form des Raumes sich entfaltet. Insofern ist die kopernikanische Wende, die die Vorstellung des unendlichen Raumes, der nichts mehr außer sich hat, begründet, das kosmologische Korrelat einer restlos vom Tauschprinzip durchdrungenen Welt.
    Es müßte eigentlich nachweisbar sein, daß das Steigen der Grundstückspreise im Nachkriegsdeutschland zusammenhängt mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken (vgl. den Hinweis auf die ostasiatischen Länder <S. 109f> und insbesondere auf Japan <S. 234> bei Heinsohn/Steiger). Haben sich hier nicht die Banken selber die Grundlage für die Ausweitung ihres Kreditvolumens geschaffen?
    Ist der Fall Schneider, wenn er denn wirklich ein Opfer seiner Banken sein sollte, ein Beleg dafür, daß es heute möglich ist, das Erwischtwerden durch die Tat selber auszuschließen (vgl. Lyotards Reflexionen zum „absoluten Verbrechen“)?
    Gibt es eigentlich eine spezielle Affinität
    – der Banken zum Grundstücksgeschäft,
    – der Produktion zum Spekulationsgeschäft und
    – des Staates zum Arbeitsmarkt, dem ersten Objekt seiner „Spar“-Maßnahmen?
    Sind nicht die Banken, die Wirtschaft und der Staat die „natürlichen“ Repräsentanten dieser spekulativen Formen der Eigentumsbearbeitung? (Zum Zusammenhang mit den drei Abstraktionsschritten, die den Kapitalismus begründen: die Überführung des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes in veräußerbare, tauschbare Handelsware, vgl. Polyani.)
    „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“: Ist der Rosenzweigsche Satz, daß Gott die Welt, nicht die Religion erschaffen hat, eine Folge seiner Staatsphilosophie?
    Die Verteidigung des Eigentums, als dessen institutionelle Verkörperung der Staat sich begreift, ist die zentrale Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die mit dem Eigentum eigentlich die universelle Geltung des Tauschprinzips, die „gesellschaftliche Ordnung“, nach innen (wie das Militär das Eigentum selber nach außen) verteidigt und schützt. Ist nicht die Institution des Eigentums der logische Kern des anklagenden („satanischen“) wie auch des verwirrenden („teuflischen“) Prinzips, das seit Babylon in den großen Imperien sich verkörpert, mit deren Ursprung auch die Gestalt und der Name des Anklägers (sh. Hiob) sich gebildet hat? Ist nicht der Teufel wie auch der Satan in den Evangelien der Repräsentant des weltlichen Reiches?
    Das Recht stellt bei der Schuldzuweisung (beim „Urteil“) auf das Wissen und die Absicht der Person (des Angeklagten) ab. Vor diesem Hintergrund ist der Links-Terrorismus das absolute Verbrechen, während Auschwitz eine Naturkatastrophe war. Fürs Recht ist die Unterscheidung einfach: Die Linke weiß, was sie tut, die Rechte weiß nicht, was sie tut.
    Der Fehler des „realexistierenden Sozialismus“, der heute bei den Umweltschutzgruppen sich zu wiederholen scheint, lag darin, daß er glaubte, die Kritik der Ökonomie von der Kritik der Verwaltung (von der Kritik der Macht, deren technische Organisation der Verwaltung obliegt) trennen zu können, die Verwaltung als eine „neutrales“ Instrument anzusehen. Die Kritik der Verwaltung hätte von dem Satz auszugehen: Alle tun ihre Pflicht, aber keiner weiß, was er tut. Die Verwaltung ist das Schuldverschubsystem des Staatsapparats; und das scheint eine ihre Hauptaufgaben zu sein: sie deckt in der Tat eine Menge Sünden zu und wartet auf einen gnädigen Gott.
    Wie hängt die Aufblähung der Verwaltung mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken zusammen; erinnert die Beziehung beider nicht an die Beziehung von Blähungen und Verdauung, und rührt daher die heute verbreitete Neigung zur analen Metaphorik (vgl. Freuds Bemerkung über die Beziehung des Geldes zur analen Metaphorik: „der Teufel scheißt auf den größten Haufen“)?
    Ist nicht die Logik selber das Rattennest der Widersprüche, und die alternative wie insbesondere die Punk-Szene der ebenso hilflose wie selbstzerstörerische Versuch, metaphorisch die Wahrheit der Welt zu verkörpern, sie sichtbar zu machen, die Ratte zu domestizieren, ein unüberhörbarer Aufschrei, in dieser Realsymbolik das Wesen dieser Welt endlich zu begreifen? Anders kommen sie nicht davon los, die Logik dieser Welt symbolisch auszuagieren. Auch die deutsche Wirklichkeit hat ihre Slums, mitten in den Familien, sichtbar auf den Straßen unserer Städte.
    Die Geschichte der Verdrängung, die im Weltbegriff sich gründet, hat einen Punkt erreicht, an dem es auch um die Lösung des Problems der Symbollogik geht, an dem es nicht mehr nur um das Verhältnis von Marx und Freud, sondern zugleich um die Beziehung beider zu Einstein geht.
    Das Mathematische bei Einstein ist nur ein Hilfsmittel der Kritik des Logischen. Das logische Problem wird kenntlich, wenn man das Inertialsystem als ein Referenzsystem begreift, das in der speziellen Relativitätstheorie als ein selbstreferentielles System sich erweist: Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird eine empirische, meßbare Größe zu einem Strukturelement des gleichen Systems, durch das diese Größe selber überhaupt erst sich definiert.
    Ist die Welt die „babylonische Gefangenschaft“?
    Besteht nicht die Sünde wider den Heiligen Geist in der Umkehrung der Beziehung von Anklage und Verteidigung, in dem Versuch, diese Beziehung, die ein asymmetrische ist, reversibel zu machen, die dann unweigerlich auf die Verteidung der Herrschaft hinausläuft, und ist das nicht die Verführung des Staates (die, im Falle des absehbaren Erfolgs, die Pforten der Hölle schließen würde)? Hier ist der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, auf den jedoch auch der Satz sich bezieht: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein (nur wer Himmel und Erde durch den Weltbegriff ersetzt, kann aus diesem Satz die Ohrenbeichte deduzieren).

  • 24.1.96

    Wenn die Welt schlecht ist, ist alles erlaubt, was nicht durch Gesetz verboten ist. Die Unlösbarkeit des Beweisproblems begründet den Satz, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen. Bestraft wird das Erwischtwerden (die Nachweisbarkeit), nicht die Tat. Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand (weil sie aus beweistheoretischen Gründen rechtlich nicht fassbar ist: sie liegt außerhalb der Grenzen des Erwischtwerdenkönnens). In diesem Kontext, nämlich auf der Grundlage der Instrumentalisierung der Grenzen der Beweisbarkeit, ist die Logik, die in Staatsschutzprozessen den Angeklagten zum Feind, die Verteidiger zu Parteigängern des Feindes und die Besucher zu Sympathisanten macht, rekonstruierbar.
    Bei Habermas findet sich ein sonst nur in den Medien gebräuchlicher Genitiv nach „gemäß“: „Diese (sc. Systemdifferenzierung, H.H.) wiederum legt er sich gemäß seines Vierfunktionenschemas zurecht, …“ (Bd. 2, S. 426). Dieser Genitiv ist ein Symptom der Objektsprache, der Verdrängung des Freiheitsraums, den die Sprache eröffnet, der Zernichtung der benennenden Kraft der Sprache, der Trennung von objektiver Welt und subjektiver Meinung (von Realität und kommentierendem Raisonnement). Zerstört ist die Kraft des Namens: Hier wird der Atheismus zum Prinzip der Selbstzerstörung der Erkenntnis.
    Wenn irgend etwas, so beweist die Habermassche Theorie des kommunikativen Handelns die Notwendigkeit kritischer Selbstreflexion der Wissenschaft. Hierbei wäre zu demonstrieren, daß und auf welche Weise der vergegenständlichende Blick (die subjektiven Formen der Anschauung) idealisierend wirkt, d.h. die Theorie von ihren realen Wurzeln trennt. Gründet nicht darin die Notwendigkeit der Theologie, und zielt nicht die Rosenzweigsche Darstellung der wechselseitigen Begründung von Philosophie und Theologie, sein Nachweis, daß die Philosophie um des Objekts willen der Theologie bedarf, auf diesen Sachverhalt?
    Wissenschaftskritik: Die Habermassche Theorie bezieht ihre Namenskraft nicht aus den Objekten, auf die sie sich bezieht, sondern aus dem Verfahren und aus der Vorgeschichte, in denen diese Objekte sich konstituieren. Es gehört zu Habermas‘ Instinkt, an die allerdings seine Einsicht nicht ganz heranreicht, wenn er in der Konstruktion seiner Theorie eigentlich sehr deutlich zu erkennen gibt, daß das politische Subjekt dieser Theorie die amerikanische Weltmacht ist. So war es ihm möglich, den Anschluß an die bundesrepublikanische Wirklichkeit über sein Konstrukt des „Verfassungspatriotismus“ ins Bekenntnishafte zu transformieren. Es war die Bekenntnislogik, die zwar „klare Verhältnisse“ in der Theorie geschaffen, dafür aber die „Neue Unübersichtlichkeit“ der Wirklichkeit begründet, die den Erkenntnisanspruch der Theorie verwirrt hat.
    Ist das Grundgesetz nicht in der Geschichte seiner Änderungen immer realitätsferner, immer bekenntnishafter geworden, bis hin zum Asylrecht, in dem die in den Artikel 16 neu eingefügten Bestimmungen dessen ersten Satz außer Kraft gesetzt haben. (Interessant und wichtig wäre eine Geschichte der Grundgesetzänderungen, in der im einzelnen die Anlässe und die Gründe der Änderungen chronologisch und im Kontext einer kritischen Geschichte der Bundesrepublik entfaltet würden.) Inzwischen hat die bundesrepublikanische Realität das (nicht zuletzt durch den Begriff des „Verfassungspatriotismus“) zum bloßen Bekenntnis depotenzierte Grundgesetz längst besiegt.
    Ein anderes Paradigma für die politische Wendung der Bekenntnislogik in der Bundesrepublik ist die fatale Geschichte der „Wiedervereinigung“, ein Beispiel dafür, wie aus einem Lippenbekenntnis, an dessen Realität bis unmittelbar vor dem Eintritt des Ereignisses, niemand, am wenigsten die, die dieses Bekenntnis immer im Munde führten, geglaubt hat, „wie durch ein Wunder“ (ein Stichwort dafür war „Wahnsinn“) Realität geworden ist.
    Es gibt eine Theologie hinter dem Rücken Gottes, aber gibt es auch eine Theologie im Angesicht Gottes, würde diese nicht aufhören, Theologie zu sein? In einer Theologie im Angesicht Gottes wäre Gott kein Objekt mehr, diese Theologie wäre der Anfang der Heiligung des Gottesnamens. Das Problem gleicht dem der Naturphilosophie, die erst sich erschließt, wenn die Natur nicht mehr als Natur, wenn sie nicht mehr als Objekt begriffen wird.
    Ist der Objektbegriff, der sich der objektiven Erkenntnis in den Weg stellt, die „Pforte der Hölle“, von der es heißt, daß sie sie (die „Kirche“) nicht überwältigen werde?
    Zu Rosenzweigs Kritik des All: Verweist der Begriff des Allgemeinen nicht auf das All als die Wurzel des Gemeinen?
    Bezieht sich nicht die kopernikanische Geldtheorie auf ein Problem der Inflation: auf die Frage, wie es möglich ist, Realwert und Nominalwert der Münze (ähnlich wie die Maße der Entfernungen in unterschiedenen Dimensionen des Raumes) dauerhaft zur Deckung zu bringen? Und hängt dieses Problem nicht in der Tat zusammen mit der astronomischen Lösung des Problems der Planetenbewegung durch Substitution eines einheitlichen Raumes im heliozentrischen System?
    Was ist der Unterschied zwischen den biblischen Namen für Erde und Land? Das „Trockene“ ist die logische Opposition zum Wasser. Steckt nicht im Namen der Erde die Beziehung zum Himmel, in dem des Landes (des Namens für das Trockene) hingegen die zu anderen Ländern? Das Trockene ist das, was dann „sichtbar“ wird. Für wen wurde es sichtbar, nachdem Tiere und Menschen erst am fünften und sechsten Tage erschaffen wurden? Begleitet nicht das Sehen Gottes die ganze Schöpfungsgeschichte („und Gott sah, daß es gut war“, ein Satz nur am zweiten Tag fehlt, als Gott die Feste schuf, die er Himmel nannte). Aber Gott sah nicht „in dem“ Licht, das er am ersten Tag geschaffen hat, sondern er sah „das“ Licht. Gehört in dieses Sehen Gottes nicht auch der Begriff des Ebenbildes: Sieht Er sich in diesem Ebenbild nicht selbst? Zum Sehen aber gehört auch das Werk des ersten Tages, das Licht und seine Unterscheidung von der Finsternis, die nur fürs Sehen gilt.
    Mit dem Satz: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand hängt es zusammen, wenn Verbrechen (strafrechtliche Tatbestände) in letzter Instanz keine tatbezogenen, sondern beweisbezogene Tatbestände sind. Die Nachweisbarkeit ist rechtssystemisch ein Konstituens des Verbrechens. Hier liegt der Ansatzpunkt für die Konstruktion synthetischer Urteile apriori im Recht (vgl. Lyotards Bemerkung zum Zeugenproblem im Kontext des „vollkommenen Verbrechens“, das kein Verbrechen mehr ist, weil es mit den Opfern auch die Zeugen „aus der Welt schafft“: Gehört nicht die Vorstellung einer Natur, die unabhängig von den Menschen da ist, zu dieser Vorstellung eines vollkommenen Verbrechens, ist nicht der Weltbegriff selber die Verkörperung des vollkommenen Verbrechens?).

  • 5.4.1995

    Wie verhält sich die Geschichte von Simon von Cyrene, der das Kreuz Jesu auf sich nimmt, zum Nachfolgegebot, in dem es heißt, daß, wer sein Jünger sein will, „sein Kreuz“ auf sich nehmen und ihm nachfolgen soll. Ist das Kreuz (das eigene wie das Kreuz Jesu) das Kreuz aller (vgl. die „Sünde der Welt“)?
    Simon von Zyrene war der Vater des Alexander (in Ephesus?, vgl. Apg 1933, 1 Tim 120, 2 Tim 414) und Rufus (in Rom, mit seiner Mutter, Röm 1613).
    Zyrene war die Hauptstadt der Cyrenaika, des heutigen Libyen (seit 67 v.Chr. Teil der röm. Provinz Kreta, Sitz einer starken jüdischen Bevölkerungsgruppe, mit einer eigenen Synagoge in Jerusalem).
    Ist die Philosophie der Schlaf der Welt und das Dogma der Traum des Nebukadnezar? (Gibt es nicht auch eine inhaltliche Beziehung des Traums zum Dogma und seiner Geschichte? Vgl. die Materialien des Standbilds, das N. in seinem Traumgesicht schaute: Gold, Silber, Erz, Eisen, Eisen/Ton, die die Phasen der Aufklärungsgeschichte symbolisieren. Am Ende hat N. Gras gefressen wie das Rind.)
    „Laß leuchten, Herr, Dein Angesicht“: Gilt der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ stehen, nicht auch für diesen Vers?
    Paranoia: Kann es sein, daß (spätestens seit Stammheim) auch in der SPD nur noch Leute etwas werden können, die den Geruch der Komplizenschaft an sich tragen (nach Hans Jochen Vogel jetzt Scharping, dessen Behörden den V-Mann Steinmetz betreuten)?
    Staatsräson: Denn also schloß er messerscharf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.
    Weder rechtfertigen die Taten der raf die Mittel, mit denen sie verfolgt wurde, noch rechtfertigen diese Mittel nachträglich die Taten. Hätte die raf die Nazizeit begriffen, hätte sie auch die Phantasie gehabt, die Folgen ihrer Taten sich vorzustellen. Selbst wenn die raf geglaubt hat, durch den Hinweis auf die Reaktionen des Staates den sinnlichen Beweis seines faschistischen Wesens führen zu können: Wer die Nazizeit erfahren hat, weiß, daß dieser Beweis nicht genügt. Es muß auch eine Öffentlichkeit geben, die bereit und fähig ist, diesen Beweis wahrzunehmen. Wer die Wahrheit nur alleine kennt, kennt sie nicht. An den Gemeinheitskern politischer Gewalt reichen terroristische Aktionen nicht heran (vgl. Lyotards Rekonstruktion des perfekten Verbrechens: das ungeheure politische Gewicht des „falschen Zeugen“, Erbe der „List der Vernunft“).
    Binden und Lösen: Die Rekonstruktion der benennenden Kraft der Sprache setzt die Kritik der Raumvorstellung voraus. Hierauf bezieht sich das Symbol der Befreiung von den sieben unreinen Geistern und der Lösung der sieben Siegel. Zwischen Name und Begriff steht der Raum, der Namen in Begriffe verwandelt, während seine Reflexion den Bann des Begriffs löst und den Namen freisetzt. Der Raum domestiziert den Fremden, indem er ihn zum Anderen macht (das individuelle Korrelat des Namens zum allgemeinen Nicht-Ich).
    Nackte Tatsachen: Wer (wie der Staat) hinter dem Rücken der andern handelt, stellt sie vor vollendete Tatsachen. Alle Tatsachen haben ihre Urheber, und dazu gibt es zwei Verhaltensweisen:
    – Sich mit den Tatsachen abfinden, sie (wie Kant die Empfindungen) unterm Gesetz des Eigeninteresses als schicksalhaft „gegeben“ ansehen, oder
    – sie (im Licht des emanzipatorischen Interesses) als Gegenstand der Reflexion und als Grundlage der Selbstaufklärung und des verändernden, eingreifenden Handelns begreifen .
    Was haben die „vollendeten Tatsachen“ mit der Sünde der Welt zu tun? (Hegels Logik ist die Selbstreflexion der Sünde der Welt.)

  • 1.1.1995

    Zu Benveniste: Ist die Ehe nicht gleichursprünglich mit dem Staat, mit ihm zusammen entsprungen, und wie dieser zunächst „namenlos“ und eine der Quellen der Idee des Absoluten? Beide, Ehe und Staat, entspringen zusammen mit dem Weltbegriff. Verweist die Ehe auf das Moment der Unzucht in der Idee des Absoluten (den „Unzuchtsbecher“)?
    Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Selbstlegitimation des Bestehenden, der durch den Naturbegriff und seinen Kern, die mathematische Raumvorstellung, gegen die Wahrnehmung seines eigenen Widerspruchs sich abschirmt (und mit Hilfe des Rechts gegen die Manifestation dieses Widerspruchs).
    Der Weltbegriff bezeichnet den Bedingungszusammenhang der Selbsterhaltung; daran mißt sich das Bestehende. Die drei evangelischen Räte sind die Erinnerungsmale an die parvi errores im Weltbegriff (die Formulierung am Anfang von de ente et essentia wäre zu korrigieren: parvi errores magni sunt in fine).
    Wie ist eigentlich die Beziehung des zweiten zum ersten Tier in der Apokalypse (des Tieres aus dem Meer zum Tier vom Lande)? Verweisen Meer und Land nicht auf den dritten Schöpfungstag („und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer“)?
    Als Sprache der Rechtfertigung hat die Sprache ihre erkennende Kraft verloren, verstrickt sie sich in den Schuldzusammenhang, aus dem sie entrinnen möchte. Nur durch die Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt gewinnt sie die erkennende Kraft zurück, wird der Logos zum Logos.
    Zur Geschichte der drei Leugnungen: Eine Barmherzigkeit, die vor der Vergangenheit Halt macht, erreicht auch die Gegenwart nicht mehr, verliert ihre Kraft für die Gegenwart. Hier liegt die Wurzel sowohl der Prophetie als auch des parakletischen Denkens. In diesen Kontext gehört die Habermassche Entscheidung, die Reflexion der Natur beiseite zu stellen, davon abzusehen. Ihm wurde die Erinnerung an die Theologie an der Stelle unheimlich, an der sie allein fähig ist, Barmherzigkeit zu begründen.
    Wenn die Idee des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt, dann können die vergangenen Hoffnungen nicht nur vergangen sein: nicht an sich, sondern nur für uns sind sie vergangen (vgl. Kafka: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns). Ein Begriff der Vergangenheit, die nur vergangen ist, mag die Voraussetzung begrifflicher Erkenntnis sein, er ist aber zugleich das Verdammungsurteil über diese Erkenntnis.
    Zur „Kultur der Empfindlichkeit“: Ist das Kabarett nicht deshalb unwirksam, weil es die eigene Empfindlichkeit (die eigene Abhängigkeit vom Urteil anderer) in die andern (in sein Publikum) hineinprojiziert, und damit aufs präziseste sein Objekt verfehlt?
    Postmoderne: Wer in England, in Belgien, in Frankreich war, kennt den Schock bei der Rückkehr, nach dem Überschreiten der Grenze. Die Einübung in die Ellenbogen-Gesellschaft auf den deutschen Autobahnen entspricht dem horror vacui in den durch den „Wiederaufbau“ verwüsteten Städten: Jede Spur, die an die Vergangenheit erinnert ist getilgt; die pseudohistorische Fachwerkseligkeit der Fußgängerzonen besiegelt das nur. Lyotards an Auschwitz erarbeitetes Konzept des vollkommenen Verbrechens, zu dessen Ausführung die Beseitigung aller Zeugen und Spuren gehört, scheint der deutsche Wiederaufbau post festum realisiert zu haben.

  • 7.4.1994

    Sind die Amoriter und Hethiter (der Vater und die Mutter Jerusalems, Ez 163) die Chaldäer und Perser, und sind die sumerisch-hethitisch-akkadischen Vokabulare Zeugen des Turmbaus zu Babel?
    Der Feminismus und seine Kritik (die den Feminismus voraussetzt, nicht überflüssig macht) sind deshalb so wichtig, weil sie an die geschlechtlichen Wurzeln des Rassismus erinnern.
    Was hat es mit dem Reflexivpronomen (mich, dich, sich, uns, euch, ihnen) auf sich: ist es eine akkusativische Reflexivbildung (Instrument der Selbstvergegenständlichung, Selbstinstrumentalisierung)? Gibt es die reflexiven Verben auch außerhalb des indogermanischen Sprachraums; in welcher Beziehung stehen sie zu den medialen Konstruktionen und zum Aorist?
    Es kommt darauf, an die Religion
    – von der Blasphemie,
    – von der Idee des Absoluten und
    – von der Bekenntnislogik
    zu heilen: von den drei Gestalten der petrinischen Leugnung. Wie hängen sie mit
    – dem Angesicht,
    – der Umkehr und
    – dem Namen
    zusammen?
    Wird die Trinität, wenn sie von der Umkehr, der Nachfolge und vom Angesicht getrennt wird (wenn sie zum Schibbolet einer dogmatischen Orthodoxie wird), nicht zu einer Leerformel, die dann in den
    Begriffen der Natur und der Logik bewußtlos sich reproduziert? Schützt davor nicht allein die Heiligung des Namens?
    Ist nicht der Marxsche Begriff einer resurrectio naturae der Ersatz für die fehlende Lehre des Namens?
    Hündische Philosophie: Hegel hat zur Absicherung seines Reviers Duftmarken gesetzt, zu denen insbesondere die Diskriminierung des Sollens und die Warnung vor dem bloß Programmatischen, nicht Ausgeführten (vor der tatlosen Gesinnung, dem Innern, das sich nicht äußert) gehört. Duftmarken verfolgen aber auch das Ziel, Spuren zu beseitigen; sie haben etwas mit dem Konzept des vollkommenen Verbrechens, das ungeahndet bleibt, weil es sich nicht nachweisen läßt, gemein (vgl. Lyotard).
    Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ ist gegen die logikbegründende Paranoia gerichtet, von der Hegel sich nicht hat befreien können.
    Zum Anfang der Hegelschen Logik (Sein, Nichts und Werden): Unterschlägt Hegel darin nicht das Haben und das Würde (die instrumentalisierende Kraft des Seins und ihre Grenze)? Das Sein (das nicht zufällig an das Personalpronomen 3. Pers. sing. erinnert) hat das Haben in sich und ist dadurch auf das Nichts bezogen (wie Heideggers Vor- und Zuhandenheit).
    Die Würde: Was hat der Konjunktiv mit dem Feminismus zu tun?
    Wie unterscheiden sich Eigentum und Besitz? Ist das Eigentum eine rechts- (und staats-) begründende Kategorie, während der Besitz privatrechtlicher Natur ist: im Vertrag gründet, und damit das Recht und den Staat bereits voraussetzt? Hängt der rousseausche Naturbegriff mit der Verwechslung von Besitz und Eigentum (Konsequenz aus der Begründung des Staats durch einen privatrechtlichen „Gesellschaftsvertrag“) zusammen (wäre auszuführen)?

  • 04.01.94

    Der Satz, daß Gott die Welt erschaffen hat, ist nicht aus Gen 11, sondern 121 abzuleiten: aus der Erschaffung der großen Seeungeheuer.
    Ist nicht der Klassenkampf ein Vorgang ebenso in der Realität wie in der Sprache: eine Manifestation des Herrendenkens? Wer die Macht hat, Fakten zu schaffen, braucht seine Begründungen nur noch diesen Fakten anzupassen: er spottet jeder Argumentation (wie die Reklame und die Propaganda). Zu klären wäre das Verhältnis von wirtschaftlicher Macht und politischer Gewalt, der materiellen Gewalt der Ökonomie zum Gewaltmonopol des Staates: wirtschaftliche Macht ist Macht über Objekte, politische Gewalt Gewalt über das Leben und die Sprache. Die Ökonomie herrscht über Erscheinungen, die Politik über die Namen.
    Nur der Staat hat Militär und Polizei, wobei das Militär das Gewaltmonopol des Staates nach außen, die Polizei nach innen wahrnimmt. Heute, da das Militär immer mehr die Funktion einer Weltpolizei in einer durch die Ausbreitung der Marktmechanismen geeinten Welt wahrnimmt, sind Innen und Außen nur noch relativ, im Verhältnis zueinander zu unterscheiden (Außenpolitik als Welt-Innenpolitik).
    Die beiden Asylrechtsfälle, die heute in der Rundschau zitiert wurden, haben mit Sicherheit keine dienstrechtlichen Folgen für die verantwortlichen Sachbearbeiter gehabt. Reicht eigentlich noch die Empörung auslösende Beschreibung der Fälle, käme es nicht darauf an, den systematischen Zusammenhang, in dem sie möglich waren (und weiterhin sind), zu analysieren? Sie haben paradigmatische Bedeutung für die Wahrheit des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Der Grund liegt in der Beweislogik, aus deren Analyse allein noch die Grenzen des Rechtsstaats sich bestimmen lassen. Läßt sich nicht die Differenz zwischen der politischen Rechten und der Linken aus ihrer Beziehung zu dieser Gemeinheit bestimmen: Während die Linke die folgenlose Empörung über die Gemeinheit zu mobilisieren sucht, macht die Rechte sie sich zu eigen und versucht, sie zu übertrumpfen. An den Grund der Gemeinheit rührt keiner von beiden. Hängt es nicht mit ihrer Beziehung zur Gemeinheit zusammen, wenn die Rechten Gräber schänden (die Wahrheit der „Versöhnung über Gräbern“ drückt sich darin aus) und die Linken Mausoleen errichten (letzte Folge des Heroen- und Reliquienkults)?
    Mit zu reflektieren ist die systemlogische Beziehung des Rechts zur Wahrheit: Rechtsgültige Urteile sind wahr, auch wenn sie falsch sind. Und wer je zum Objekt des Polizeihandelns geworden ist, weiß, daß, was nicht beweisbar ist, auch nicht existent ist. (Hierher gehören die Usancen beim Fußballspiel, wenn die Spieler jede Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters hinzunehmen haben, auch wenn sie falsch war: Einübung in den Rechtsstaat.)
    Bemerkung eines Mitglieds der Geschäftleitung eines Konzerns zum Fall Barschel: Schlimm war nicht, was er getan hat, sondern daß er sich hat erwischen lassen.
    Die zentrale Funktion der Beweislogik im Recht verrückt das crimen von der Tat ins Erwischtwerden. Das perfekte Verbrechen wäre eins, bei dem das Erwischtwerden sich ausschließen läßt (unter diesem Gesichtspunkt hat Lyotard einmal Auschwitz untersucht; wären nicht die „Selbstmorde“ in Stammheim auch ein lohnendes Objekt der Analyse?). Hat hier nicht der Staat generell die besseren Chancen und Möglichkeiten (von der Gesetzgebung bis zu den Einrichtungen des Staatsschutzes), und die Logik, die dem Titel des Staatsanwalts zugrundeliegt, ihr fatales fundamentum in re?

  • 20.06.93

    Die Vorstellung einer homogenen Zeit unterliegt in der Tat der Form der inneren Anschauung: Sie ist das Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. In ihre Vorgeschichte gehören die Auguren, die Vogelschau, die Orakel: die Mechanismen der Minimierung des Entscheidungsdrucks und der Schuldvermeidung, die dann in der Form des Inertialsystems sich verselbständigen und die Objektivität insgesamt verhexen (Zusammenhang mit Geld und Bekenntnis). In der Zeit gibt es eigentlich nur Zukunft und Vergangenheit, keine Gegenwart; der Raum, die Form der Gleichzeitigkeit, in dessen Richtungen Zukunft und Vergangenheit als neutralisierte Momente übergangslos aufeinander sich beziehen, ist das erinnerungslose Denkmal der verdrängten, zerstörten Gegenwart. Die Verräumlichung der Zeit (die Vorstellung der homogenen Zeit) verzeitlicht den Raum und verinnerlicht (vergesellschaftet) die Objektwelt. Aber Zukunft und Vergangenheit lassen sich nicht gänzlich neutralisieren: Ein Stück Erinnerung ist aufbewahrt im metaphorischen Gebrauch der räumlichen Beziehungen: in den Beziehungen von vorn und hinten, rechts und links sowie oben und unten. Der Anfang der Neutralisierung liegt in der Beziehung von rechts und links (Gericht und Gnade).
    Kohl und der Empörungsgenuß: Der Exkulpationsbedarf, den der Zustand der Welt heute erzeugt, scheint nur noch mit Hilfe des Instruments der projektiven Empörung befriedigt werden zu können.
    Zum Fall Vücking: Was wäre, wenn
    – hinter Barschel nicht nur Stoltenberg, sondern auch Kohl gestanden hätte, der „Selbstmord“ Barschels demnach auch in Kohls Interesse gewesen wäre;
    – war nicht der Mauss, an den keine polizeiliche oder staatsanwaltliche Ermittlung herankommt, am gleichen Tag in einem Hotel abgestiegen neben dem, in dem Barschel zu Tode gekommen ist;
    – gibt es nicht strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Selbstmorden in Stammheim und dem Barschels?
    Lyotard hat einmal anhand von Auschwitz auf das Problem des vollkommenen Verbrechens hingewiesen: eines Verbrechens, das nicht mehr nachweisbar ist, weil auch die Zeugen beseitigt worden sind. Und ist nicht seit den Nazis das Ungeheuerliche eines Verbrechens ein wirksamer Schutz gegen seine Aufdeckung: Von einer bestimmten Grenze an an kann man eine Untat gefahrlos als Greuelpropaganda, als Produkt einer krankhaft paranoiden Phantasie, leugnen. Taten, die so schlimm sind, daß man jeden Verdacht mit Empörung zurückweisen kann, sind per se unsichtbar: so als wären sie nicht geschehen. Aus welchem Grund ist Kohl fürs politische Kabarett nicht mehr greifbar? Ist es ein Zufall, daß man der Umgebung Kohls (seinem Kabinett, aber auch der Spitze der CDU, und jetzt auch der F.D.P.) mittlerweile „alles zutraut“; und ist das nicht sogar eines ihrer unangreifbaren Qualitätsmerkmale: so sind die Wähler überzeugt, daß sie von Leuten regiert werden, die der Schlechtigkeit der Welt gewachsen sind; sie sind skrupellos, aber sie vermitteln den Regierten zugleich den Eindruck der Unschuld (wer sich erwischen läßt, macht denen, die er vertritt, unerträgliche Schuldgefühle und muß als Sündenbock geopfert werden).
    Zur SPD: War nicht Brand ein Beispiel für das politische Spiel der CDU, ihre Skurpellosigkeit, die dann von seinen innerparteilichen Konkurrenten nur zu gern mit genutzt worden ist: Kontinuität der Selbstkorrumpierung der SPD seit Ebert, Noske, Scheidemann. Passen nicht Engholm und Scharping (diese Verkörperungen der Unschuld, die, in die Pflicht genommen, dann auch bereit sind, die Dreckarbeit derer zu machen, die sie genau dafür verachten) aufs genaueste in diese Tradtion?
    Ist nicht schlimmer noch als die Opferfalle die Unschuldsfalle? Gehört nicht die dogmatisch-sakramentale Verdinglichung des Christentums zu den Konstituentien der Unschuldsfalle? – War nicht der christliche Himmel die Verkörperung der vergangenen Zukunft; einer Zukunft, die nicht restlos vergangen war, sondern eines Tages, zusammen mit der Auferstehung aller Toten, triumphal sich enthüllen würde?
    Ist nicht der Objektbegriff selber diese Unschuldsfalle, und ist nicht Kohl das reine Objekt (ein Genie nur in der Handhabung des Schuldverschubsystems)?
    Kohl: das schwarze Loch, das diese Republik einmal erinnerungslos aufsaugen wird (die Rache für Auschwitz).
    Zur Funktion des Verfassungsgerichts heute: Wenn das Bundes-Verfassungsgericht heute selber nicht mehr den nötigen Takt aufbringt, die Grenze zu den anderen Verfassungsorganen aufs genaueste zu beachten, wenn es der Verführung nicht widerstehen kann und bereit ist, Ersatz-Regierung und Ersatz-Legislative zu werden, so trägt dieser Mißbrauch der eigenen Kompetenzen entschieden mit dazu bei, die politischen Institutionen dieses Landes insgesamt unglaubwürdig zu machen. Dieses Gericht ist selber die Verfassungskrise, deren Vermeidung seine erste Aufgabe wäre. Und das Schlimmste ist: gegen diese Krise gibt es kein rechtsstaatliches Mittel mehr.
    Die genaue Bestimmung des Hegelschen Begriffs der List der Vernunft würde nicht nur fürs Verständnis der Hegelschen Philosophie, sondern für das der Aktualität heute eine der wichtigsten Hilfen sein. Insbesondere Hegels Hinweis auf das Moment der List in jeglicher Technik (im Begriff der „Maschine“) könnte Günter Anders‘ Technik-Kritik in eine andere Perspektive rücken: Anders‘ These, daß, was machbar ist, auch die Tendenz in sich trägt, gemacht werden zu müssen, gilt dann nicht nur für den technischen Fortschritt der Naturbeherrschung, sondern auch für den der Herrschaft und der Macht in der Gesellschaft: für den Gesamtbereich der Ökonomie und der Politik, wo diese Tendenzen sehr viel direkter und sehr viel zwanghafter wirksam sind.
    Sind nicht in der deutschen Sprache die Prä- und Suffixe aus dem Kontext der grammatischen Struktur der Sprache, aus dem Kontext der Flexionen, herausgenommen und übertragen worden in den Bereich der Anpassung der Sprache an räumlich-technische Funktionen: ans Inertialsystem? In diesem Zusammenhang wird die Ausbildung der bestimmten Artikel (in die die Deklinationen sich verlagert haben) der Großschreibung, zusammen mit der Ausbildung der Hilfszeitverben (in die das System der Konjugationen verlagert wurde) verständlich. Die sehr viel flexiblere Funktion der Nebensätze wäre ohne diese Änderungen nicht möglich gewesen. Was im Griechischen und im Lateinischen noch durch hierarchische Begriffskonstruktionen repräsentiert wird, erscheint im Deutschen in einem hierarchischen System von Nebensätzen. Mit der Anschmiegung ans Inertialsystem hat die deutsche Sprache auch die Mittel hervorgebracht, es zu reflektieren.
    Von den sieben Diakonen in der Apostelgeschichte werden nur Stephanus (der Erzmärtyrer) und Philippus (der den Eunuchen der äthiopischen Königin bekehrt, später als Vater der vier jungfräulichen Töchter, die Prophetinnen waren, genannt) weiterhin erwähnt. Beim Nikolaus ist unklar, ob er mit den Nikolaiten der Apokalypse etwas zu tun hat. Gibt es nicht sowohl für die Apostel als auch für die Diakone eine feminine Wurzel?
    Hängt der Taumelbecher, das Trinken aus dem Kelch des göttlichen Zorns, mit der projektiven Empörung, der Ablenkung des göttlichen Zorns auf andere, zusammen? Er ist ein Teil des Schuldverschubsystems, das in die Philosophie durch den Welt- und Naturbegriff, durch den Begriff der Materie, schließlich durch die Form des begrifflichen Denkens selber, als ein konstitutives Moment mit eingeht. Der Taumelbecher ist ein Symbol des Herrendenkens, weil es dieses ohne das projektive Element (das nur durch Reflexion aufzulösen ist) nicht gibt. Aber was hat es dann mit dem Kelch, den Jesus trinken muß, auf sich?

  • 20.04.93

    Die Welt ist (auch in ihrer prophylaktischen Gestalt in der Antike) das Produkt der Neutralisierung des Raumes, der Utopisierung der Umkehr.
    Was Günther Anders unter dem Titel „prometheische Scham“ beschreibt, läßt sich an den „Geräten“, an der Ding- und Warenwelt, nur leichter demonstrieren, sein Ursprung liegt in der Bekenntnistheologie: in der Christologie und Opfertheologie. Hier gewinnt das Phänomen Ludendorff erst sein volles Gewicht (vgl. Lyotards Analyse des vollkommenen Verbrechens: Exkulpierung durch Schuldverschiebung und Abschaffung des Zeugen).
    Anders S. 42: Ist diese „Klimax der Dehumanisierung“ nicht die Folge der Bekenntnislogik: der Neutralisierung der Umkehr in einer Welt, die die Möglichkeit der Umkehr ausschließt (Moral im Gravitationsfeld des Inertialsystems)?
    Die Warenwelt ist eine Parodie der Auferstehung (Konsequenz und Voraussetzung des christologischen Naturbegriffs, der die Auferstehung leugnet und ohne Umkehr exkulpiert).
    Daß man Elektronengehirne „füttern“ muß (Anm. zu S. 61), ist auch insoweit das Tüpfelchen aufs i, als es genau zu der Geschichte von Adam, der Schlange und dem Staub paßt.
    S. 65: Scham und die drei Dimensionen des Raumes.
    S. 66: Die heute so oft beschworene „Identität“ ist ein unreflektierter Scham-Effekt: Sie bleibt im Bannkreis des Schuldzusammenhangs.
    In der 2. Anm. zu S. 69 beschreibt Anders die Fundamentalontologie Heideggers als Aktion (als Ergebnis) einer systematischen Schambekämpfung, den Versuch des sich schämenden Ich, die Schande seines Es-Seins zu überwinden und Es-selbst zu werden (Grund der „Eigentlichkeit“?).
    „Und sie warfen das Los über seine Kleider“: Die Geschichte der aufgedeckten Blöße reicht von der Erkenntnis der Nacktheit nach dem Sündenfall („da gingen ihnen die Augen auf“), vom Feigenblatt und Tierfell, das Gott den Menschen gab (im Mittelalter als Typos der Kirche begriffen), über die Geschichte von Noe, Ham, Sem und Japhet (Entdeckung des Weins, Trunkenheit und Blöße, Aufdecken der Blöße und Ursprung der Knechtschaft) zur Verlosung der Kleider bei der Kreuzigung Jesu: Zum Kreuzestod gehörte das Aufdecken der Blöße, die öffentliche Schande des Gekreuzigten. Diese Blöße wurde nicht mehr zugedeckt: Vergesellschaftung der Knechtschaft.
    Der Entdeckung der Nacktheit und das Aufdecken der Blöße ist ein Teil der Geschichte der Veranderung (und der Herrschaft): der Geschichte der Ontologie. (Ist es ein Zufall, daß der Entdecker der Scham sich Anders nennt? – Aber sein Begriff der prometheischen Scham wäre zuzuspitzen zu einem der christologischen Scham. NB: Beachte das dreifache „zu“; was hat die Präposition mit dem Präfix zu tun?)
    Im Paradies waren die Menschen nackt, und sie schämten sich nicht. Aber nach dem Sündenfall, da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Ist dieses Augen-Aufgehen und die Implantierung der Scham nicht der Naturgrund der Verblendung, auf den das Blinden-Heilen Jesu sich bezieht? Auch den Jüngern in Emmaus gingen dann die Augen auf: aber das war Teil einer prophetischen Erkenntnis (die nicht die Blöße aufdeckt, sondern der Scham-Reflexion fähig ist).
    S: 71 nennt Günther Anders die Scham „ein metaphysicum, die Verkörperung der im Universalienstreit behandelten Dialektik von res und universale.“ Er erinnert hier zugleich an das Gemeine, das im Allgemeinen (universale) steckt (ohne jedoch diesen Aspekt im Ursprung und in der Praxis des über die Universitäten betriebenen Objektivierungsprozesses hier zu bestimmen). Hier stößt er an den Grund des Weltbegriffs.
    Es scheint in der Tat insbesondere im Katholizismus heute eine Scham-Akkumulation zu geben, die eine Folge des Verschwindens des theologischen Gedankens (infolge der Gewalt des Weltbegriffs) ist. Die Theologie ist nicht mehr nur „klein und häßlich“, sondern schlicht verschwunden; und die Gefahr scheint zu bestehen, daß wir nur noch erinnerungslos Abschied nehmen, weil wir nichts mehr begreifen.
    Verweist das eben zitierte Benjamin-Wort (wonach die Theologie heute „klein und häßlich“ ist, und sich nicht darf blicken lassen) nicht auch auf die theologische und kunstphilosophische Differenz zwischen Benjamin und Adorno, die sich u.a. in den Begriffen Kunstphilosophie und Ästhetik ausdrückt?
    War nicht das Grundmotiv des Turmbaus zu Babel, wie aller Turmbauten seitdem, das Man-selbst-sein-Wollen, das in der Fundamentalontologie so entsetzlich verendet (über die Schamlosigkeit: den Exhibitionismus der Türme).
    Die Skyline von Frankfurt aus der Eigenlogik des Bankwesens herleiten.
    Zur Kritik der Existenzphilosophie: Die Existenz ist in sich selber vollständig gesellschaftlich vermittelt; und die Existenzphilosophie verzweifelt nur daran, dieses Rätsel zu entschlüsseln. Das Existenzdenken steht in der Tradition des cartesischen „cogito, ergo sum“, nur leicht variiert: Ich bin, also bin ich.
    Nachdem Dalila ihn verraten hatte, wurde Simson von den Philistern gefesselt, ihm wurden die Augen ausgestochen, und dann wurde er ins Gefängnis geworfen, wo er die Mühle drehte.
    Auch das Schlimmste muß reflexionsfähig bleiben. Die Vorstellung, daß das Qualitative, wenn es reflektiert wird, zerstört wird, ist falsch.
    Ist nicht auch die Josefs-Geschichte (der Bund mit Pharao, dessen Nachfolger dann aber Josef nicht mehr kannten) ein Stück Kirchengeschichte? Aber wer sind dann Ephraim und Manasse?

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie