Lyotard

  • 09.04.89

    Der Konflikt Habermas/Lyotard scheint mit den unterschiedlichen Beziehungen zur „Studentenbewegung“ zusammenzuhängen (Paris: Mai 68 / „Deutscher Herbst 77“), insbesondere mit der Unfähigkeit in Deutschland, bis heute den „Terrorismus“-Komplex aufzuarbeiten und aufzulösen. Diese Auflösung müßte politisch, nicht nur theoretisch sein. Und dazu greift halt die Idee eines „herrschaftsfreien Diskurses“ zu kurz.

    Ist das Verhältnis der Ästhetik zur Ethik (der Kritik der Urteilskraft zu der der praktischen Vernunft) dem des Mythos zur Offenbarung vergleichbar?

    Das „postmoderne Babel“ (J.-F. Lyotard: Der Enthusiasmus, S.113): Die Sprache beginnt, ihre benennende Kraft zu verlieren. Aus der materiellen Struktur der (natürlichen/gesellschaftlichen) Welt, die eigentlich ein System von durch Abgründe getrennten Welten (Objekte als Monaden) ist; Welten, die sich gegenseitig sowohl durchdringen als auch vertreten; aus dieser Struktur der Realität rühren die objektiven Widerstände gegen ihre Erkenntnis her. Die Welt ist gleichsam selbst nur noch Objekt von double-bind-Strukturen, die, wie man sie auch benennt, immer falsch sind. Diesen Zustand versucht der Begriff „Postmoderne“ beschreiben. Hier gibt es „Verteidigungs“-Einrichtungen, bei denen man nicht weiß, wer oder was wen oder was gegen wen oder was denn noch verteidigt (die Staaten ein Prinzip gegen die Welt?). Daß jegliche Verteidigung auf einen kollektiven Selbstmord der Menschheit hinausläuft.

  • 08.04.89

    Die Kriege dieses Jahrhunderts stellen sich in Europa in den Erfahrungen der anderen Nationen (Franzosen, Belgier, Polen, eigentlich aller anderen Völker) anders dar als in der der Deutschen. Trotz der Umkehrung am Ende haben die späteren Sieger den Krieg als Opfer (und ihren militärischen und anderen Widerstand als notwendig, sinnvoll und begründet) erfahren, während die Deutschen – als am Ende bestrafte Täter – entweder uneinsichtig verstockt oder reuig abschwörend ein durchaus verworfenes Kriegsbild in sich tragen, das eine Relativierung nicht mehr zuläßt. Dieses Kriegsbild aber wird zugleich „verharmlost“ (durch Verdrängung seiner Ursachen), weil anders der Schrecken unerträglich wäre. Daß die Existenzgrundlagen der Menschen in Europa, die Anhäufung des Reichtums hier, zu ihrer Erhaltung des Gewaltpotentials, das heute die Welt verdüstert, bedarf, daß andererseits eine Änderung, die die Notwendigkeit der Gewaltdrohung aufhebt, nicht mehr erkennbar ist, diese widersinnige Konstellation macht ihre Erkenntnis fast unmöglich (da sie mit einer unerträglichen und absolut lähmenden Ohnmachtserfahrung verbunden ist). Es aber ebenso unmöglich, diesen Zustand unbegriffen und verdrängt zu halten, da anders die Gefahr unabwendbar erscheint, daß in den Menschen, in der Gesellschaft ein explosives Potential (aus Verdrängung und Projektion) heranwächst, dessen Folgen Auschwitz und Vietnam zu Generalproben herabsetzen werden.

    „Gott offenbart sich nicht in der Welt“ (Wittgenstein „Tractatus“, zit. nach Jean-Francois Lyotard „Grabmal des Intellektuellen“, S. 71). Heideggers Philosophie ist atheistisch durch den Begriff des „In-der-Welt-Seins“ und seinen Stellenwert in der Fundamentalontologie: Der Begriff der Welt, obgleich er ein Unendliches bezeichnet, ist endlich gegen das, was „außerhalb“ ist, wobei dieses „außerhalb“ durch die logische Struktur des Kontinuums, das der Weltbegriff bezeichnet, vorgegeben ist (durch die bestimmte Form der Beziehung von Allgemeinem und Besonderem, insbesondere durch die Vorherrschaft des Allgemeinen = Vorherrschaft des Vergangenen); in jedem Falle ist aber Gott „außerhalb“ (da in keinem Sinne „vergangen“). Die Idee vom „Tod Gottes“ ist ein paradoxer Versuch der Rettung der Gottesidee.

    Empörung, Verwaltung, Herrendenken, Verblendung und Paranoia.

    Kirche und Entkonfessionalisierung der Religion. Konfession (als „Bekenntnis“ wie als Gemeinschaftsbegriff) ist das Gegenteil, die Negation von Kirche. Entkonfessionalisierung stellt den Objekt- und Wahrheitsbezug der Theologie, der Religion wieder her.

    Das Wissen konstituiert sich im Verhältnis zur Gesellschaft; Erkenntnisse haben immer auch politische/gesellschaftliche Bedeutung. Die Gründung der Universitäten im Mittelalter hatte nicht nur praktische sondern vor allem Legitimationsgründe. Und der Zerfall der Universitäten heute ist eine Folge des gesellschaftlich-politischen Paradigmenwechsels, der Verlagerung der Zentren der Macht.

    Die deutsche Reichstradition hat das Christentum in Deutschland entscheidend geprägt. Während in den übrigen europäischen Ländern (vgl. vor allem England oder Ungarn) das Christentum mit der Institution des Königtums (Erhaltung und Stabilisierung der bürgerlichen Institutionen und Verteidigung der Armen) verknüpft war, hat es diese Tradition in Deutschland nicht gegeben. Die Kaiser- und Reichsideologie hat den Imperialismus ins Christentum eingeführt (Unterschied der David- und Caesar-Tradition).

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