Ist das Schweige-Gebot an den Dämon bei Mk (bei Belo S 6c) nicht ein Schweige-Gebot an die Theologen (vgl. auch Anm. 7 bei Belo)?
Gestern (nach Teilnahme an einem Preisausschreiben) Einladung zu einem „Verkaufsgespräch“ bei der Holiday Marketing International, Neu-Isenburg:
– Die Grenze zwischen Sektenwerbung und Verkaufsveranstaltungen wird immer undeutlicher:
. Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit des Firmenchefs, der mit Foto auf einer Präsentationswand vorgestellt wird (die Qualität des Angebots, über das es verbindliche schriftliche Unterlagen nicht gibt, wird von ihm „persönlich garantiert“)
. Fotos von „glücklichen Mitgliedern“ des „Clubs“ (Betonung der „Gemeinschaft“),
. Demonstrativer Applaus bei der Neuaufnahme eines „Mitglieds“ (spätestens hier entsteht der Verdacht auf einen möglichen Zusammenhang mit Scientology, Moon-Sekte o.ä.; Assoziation an die Werbe-Methoden einer Drücker-Kolonne).
– Bei der Präsentation (durch eine 22-jährige Frau) laute Hintergrund-Musik; feste Sitzordnung, auch für meine Frau und mich (mit Blickkontakt zwischen der Präsentierenden und einem Firmen-Team im Hintergrund, außerhalb unseres Blickfeldes).
– Während der Präsentation zum Schein Fragen nach unseren (sehr dezidierten) Urslaubsvorstellung, mit denen das Angebot dann allerdings garnichts mehr zu tun hat.
– Es ist offensichtlich taktlos, über den Preis zu reden. Die junge Frau war nicht ermächtigt, mit uns über den Preis zu reden. Das blieb einem (männlichen) Mitarbeiter des Teams vorbehalten, der aggressiv und unverschämt reagiert, als ich auf mein Interesse an einem Preis-Leistungs-Vergleich hinweise (ein Hinweis, daß HMI „nicht jeden“ aufnimmt, hat schon den Ton einer Drohung).
– Erst am Ende (nach einer Präsentation, die eher wie einem Bekehrungsversuch gleicht, und bei der kein einziges Detail durch eine schriftliche Unterlage belegt wird) dann die Information über den (Fantasie-)Preis für ein Angebot, das mit dem mündlich vorgestellten Angebot nicht mehr viel zu tun hat (Nutzungsrecht für eine Woche im Jahr für ein Appartement an der spanischen Südküste, Nähe Malaga, zum Preis von DM 18.400,00, dazu DM 400,00 Bearbeitungs-/Notargebühr; zusätzliche Kosten für Instandhaltung, Reinigung etc. DM 416,00 im Jahr; bei Wahl eines anderen Urlaubsorts zusätzlich DM 180,00/Woche Verwaltungsgebühr). Bei sofortiger Entscheidung wird ein Rabatt von 20% (!) auf den Kaufpreis angeboten.
– Zuvor (schon bei der telefonischen Einladung am 21.11.94) ein Lockangebot (in jedem Falle eine Woche freie Urlaubsunterkunft in einem ihrer Anlagen in Europa); hierzu werden im Falle eines Vertragsabschlusses noch die Reisekosten und Verpflegung angeboten.
Ist die HMI so etwas wie ein UFO in der Touristikbranche? Die ganze Verkaufsveranstaltung schien unter der Voraussetzung zu laufen, daß alles nur mündlich erfolgte; war dabei bewußt, daß „mündliche Absprachen“ rechtlich unerheblich sind (die zivilrechtliche, aber auch die logische Kehrseite des Prinzips, wonach Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist)? Um einen Vergleich des Verkäufers zu variieren: Man kann mündlich einen SAAB vorstellen, aufgrund des Kaufvertrages aber einen Trabby liefern.
Hat nicht jede Reklame etwas von einem Bekehrungsversuch; läuft nicht jede Reklame auf ein Glaubensbekenntnis hinaus (Persil bleibt Persil)? Und ist die Bekenntnislogik nicht die Logik der Reklame, die ebenfalls den Tod verschweigt? Gleichen nicht die Ängste kirchlicher Mitarbeiter den Ängsten in einem Unternehmen wie HMI? Symbolisieren nicht Sekten wie Scientology oder die Moon-Sekte die wahrhaft apokalyptische Identität von Religion und Reklame, die uns bevorsteht? (War nicht die Wertphilosophie Ausdruck des Einbruchs der Reklame in die Philosophie und die Fundamentalontologie die fundamentalistische Konsequenz daraus?)
Wäre es nicht vielleicht doch sinnvoll und notwendig, die nach Zeitungsberichten vorgesehene Rechtschreibreform noch einmal zu überprüfen: Hat „behende“ (jetzt: behände) wirklich noch etwas mit der Hand zu tun, oder „gestreng“ (jetzt gesträng) etwas mit dem Strang? Werden hier nicht Sprachbeziehungen (wieder-)hergestellt, die die durch die Vokaländerung eingetretene Bedeutungsänderung (ein Stück objektiver Sprachentwicklung) bloß auslöschen? Stränge ist nicht das gleiche wie Strenge. Und war nicht schon der Übergang von Bureau zu Büro eine Sprachkatastrophe? Wie müßte man jetzt Niveau schreiben? Wäre es nicht an der Zeit, die ideologische Großschreibung der „Hauptwörter“ endlich abszuschaffen, eine Orthographieregelung, die über den Begriff des Substantivs die deutsche Grammatik verhext und zugleich die Selbstreflexion der Sprache blockiert, weil sie sie unter das Verdikt der deutschen Staatsmetaphysik stellt (während sie vielleicht eine der Ursachen der deutschen Xenophobie beseitigen würde)? Haben nicht die Großschreibung und das Substantiv das grammatische Geschlecht insgesamt neutralisiert und dieses (zusammen mit den subjektiven Formen der Anschauung) der Reflexion entzogen. Die Großschreibung ist der blinde Fleck der Grammatik und zugleich der Grund der Sexualisierung der Verhältnisse. Über die Großschreibung ist das Wertgesetz und die Bekenntnislogik (die Dornen und der steinige Grund in dem evangelischen Gleichnis vom Weizen), der Grund der Staatsmetaphysik, in die Sprache eingedrungen. Aber mit der Großschreibung wird der Markenartikel, ein essential jeder Reklame, überhaupt erst möglich. Ein Satz wie „Persil bleibt Persil“ wäre ohne die Großschreibung nicht denkbar.
Zu Petrus, Jakobus und Johannes: In den geschichtsphilosophischen Konstruktionen seit Joachim von Fiore erscheint immer die Trias Petrus, Paulus und Johannes; der viel wichtigere Jakobus (der „judaistische“ Gegenspieler des Paulus) scheint vergessen zu sein; er wird ohnehin immer mit dem „Herrenbruder“ verwechselt. Nicht nur Petrus erhielt einen zweiten Namen, sondern auch die Brüder Jakobus und Johannes, denen Jesus den Namen Donnersöhne gab. War nicht Jakobus der erste Apostel, der zum Märtyrer (durch Herodes) geworden ist, während Paulus der Urheber des ersten Todes eines Zeugen Jesu (des Stephanus) war?
War Paulus (der Geringste der Apostel) der Erfinder des Kleinglaubens (nach Hyam Maccoby der Erfinder des Christentums)?
Ist nicht die „Natur des Menschen“ ein Zivilisationsprodukt: ein Produkt der Verinnerlichung des Opfers und eine Folge des Ursprungs des Weltbegriffs?
Hat die Unterscheidung von sex und gender im Englischen mit der Unterscheidung von sky und heaven zu tun? Und gibt noch andere, vergleichbare Unterscheidungen, die dann alle auf die empiristische Struktur der englischen Sprachlogik (auf das to be) zurückzuführen sein müßten: auf die Unterscheidung der Objekte des Raumes und der Bekenntnislogik)?
Ist nicht der Geheimbereich des Staates der Preis für die Trennung von Objekt und Begriff (Natur und Welt)? Im Geheimbereich muß der Staat den Gemeinheitsgrund seiner Praxis verstecken. Zur Absicherung dieses Bereichs bedarf es des Militärs, zu seinen Emanationen gehören die Knäste und Irrenanstalten.
Das Possessivpronomen zur 2. Pers. pl. (ihr) ist „euer“, das zur 3. Pers. pl. und zur 2. Pers. f. sing. (sie) ist „ihr“.
Im Griechischen und im Deutschen wird der bestimmte Artikel dekliniert, aber die Konstruktionselemente sind toto caelo unterschieden. Insbesondere die Beziehung der Artikel zu den Personalpronomina in Verbindung mit dem deiktischen „d“ (er: der, sie: die, es: das), die Einschränkung des besonderen Nominativs auf das Maskulinum und die Gleichheit des Femininum mit dem Plural finden sich nur im Deutschen. Steht nicht zwischen dem Griechischen und dem Deutschen die gesamte Geschichte der Mathematik, insbesondere die Ursprungsgeschichte des Inertialsystems (und damit die Konstituentien der Bekenntnislogik: das Feinddenken, das Verrätersyndrom und die Frauenfeindschaft)? Das Griechische war noch geschützt vorm Inertialsystem, es hatte noch kein Futurum II; das ist erst im Lateinischen, zusammen mit dem Prozeß der caesarischen Verinnerlichung des Opfers, die dann in die Grundlagen des Christentums mit eingegangen ist, entsprungen (hängt es hiermit zusammen, wenn die romanischen Sprachen kein Neutrum mehr kennen?).
Die Logik der Schrift ist monologisch: diese Monologik greift im Inertialsystem auf die Optik über (Abstraktion vom Gegenblick). Die Hereinnahme des Blicks des Andern ins Denken und in die Erfahrung verfällt nur dann nicht der Magie (die insoweit auch in die Urgeschichte der Logik der Schrift hereinfällt), wenn sie die Fähigkeit zur Schuldreflexion (zur Reflexion der verinnerlichten Scham) in sich mit aufnimmt: Zusammenhang des Angesichts mit dem theologischen Begriff der Autonomie.
Zu Kanthers Weigerung, im Falle der Kurden und der Jugoslawien-Flüchtlinge einen Abschiebestop zu erlassen:
– Wenn er die Folgen, die das für die Betroffenen haben kann, nicht berücksichtigt sehen will, wodurch unterscheidet sich dann seine Entscheidung von den Brandanschlägen auf Ausländerwohnungen?
– Und wenn er diese Entscheidung (für den „Asylkompromiß“) mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Wahrung des „inneren Friedens“ in diesem Land begründet, akzeptiert er dann nicht die Erpressung durch den Rechtsextremismus?
Maccoby
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25.11.1994
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24.6.1994
Zur Theorie des Feuers und zur Unterscheidung von Völkern („Heiden“) und Nationen:
– Jer 5158 („Die breite Mauer Babels wird bis auf den Grund zerstört und seine hohen Tore verbrannt werden, sodaß Völker sich quälten für nichts und Nationen fürs Feuer sich abmühten“) und
– Hab 213 (mit der Umkehrung: „Völker arbeiten fürs Feuer, und Nationen mühen sich ab für nichts“).
Kann es sein, daß die Erschaffung der Pflanzen am dritten und der Tiere am sechsten Tag (die beide „aus der Erde hervorgehen“) auf einen sprachlichen Sachverhalt verweisen? Kann man die Pflanzen den Verben und die Tiere den Nomen (den „Substantiven“: mit der Schlange, dem „klügsten aller Tiere“ als Neutrum) zuordnen? Vgl. dazu:
– die beiden Nahrungsgebote (und ihre gesellschaftliche Zuordnung zu Freiheit und hierarchischer Herrschaft) und
– die Opfer Abels und Kains (Gott nahm das Opfer Abels, ein Tieropfer, an, während er das Opfer Kains, der von den Früchten des Feldes opferte, nicht ansah).
Ist nicht jedes Opfer ein „Tieropfer“, während das Früchteopfer an die Wurzel der benennenden Kraft der Sprache rührt (und zielt nicht die Konstellation von
– Rache: das Blut Abels schreit zu Gott, und der kainitische Lamech rächt sich siebenundsiebzigmal, und
– Vergebung: das Kreuzesopfer ist nach Karl Thieme das erste, das nicht nach Rache schreit, sondern um Vergebung bittet, und Jesus fordert Petrus auf, nicht siebenmal sondern siebenmal siebzigmal zu vergeben,
auf das Verhältnis von Zerstörung und Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache)?
Das Problem der Opfertheologie ist ein Sprachproblem, die Geschichte der Opfertheologie ist die Geschichte des Nominalismus.
Ist der Bruch, der im Katholizismus mit dem ersten Weltkreig eingetreten ist (und nach dem zweiten sich vollendet hat), nicht an der Stelle eingetreten, an der die Gemeinheit endgültig eingebrochen ist und die Theologie überschwemmt hat?
Das Transzendentale und das Transzendente sollten nicht verwechselt werden: Das Transzendentale verbleibt im Bann der Subjektivität (der subjektiven Formen der Anschauung).
Welcher Jakobus gehört zu den „drei Säulen“: der Zebedäussohn oder der Herrenbruder?
Die Zebedäussöhne sind die Donnersöhne, aber Johannes, einer der beiden Donnersöhne, darf, was die sieben Donner verkünden, nicht aufschreiben.
Das Wort, wonach Gott „die Welt erschaffen“ hat, kommt nur bei Paulus, und zwar zuerst in Athen und dann im Römerbrief, vor.
In jeder Abstraktion steckt ein Stück Wut, und was hat es mit dem furor teutonicus auf sich?
Das Heil kommt von den Juden, aber Jesus war gesandt zu den verlorenen Stämmen Israels. Wann ist der Name „Jude“ entstanden, und was drückt er aus? Was bedeutet es, wenn die Kirche gegen die jüdische Tradition und Kanonbildung die Makkabäerbücher, das Buch Judit u.a. in ihren Kanon mit aufgenommen hat (Berichtigung der Thesen von Hyam Maccoby durch Eisenmann/Wise als Lösungsansatz: Differenzierung der Konstellation Pharisäer, Sadduzäer, Herodianer, Essener; Einbeziehung der „Essener“ in die makkabäisch-zelotische Tradition)?
Wer war Alexander Jannai?
Führt nicht Adornos Konzept der vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte in seiner Anwendung auf die christliche theologische Tradition (die selber schon ein Säkularisationsprodukt ist, in die Geschichte der Säkularisation eingebunden ist) in eine double-bind-Falle?
Mit der Feststellung der Identität von träger und schwerer Masse in der Allgemeinen Relativitätstheorie hat Einstein den Punkt in der Physik bestimmt, auf den Joh 129 sich bezieht: Die Konstruktion der Last, die in der Vergegenständlichung des Vergangenen gründet.
Der Dingbegriff gründet im Opfer; deshalb ist der Satz: Barmherzigkeit, nicht Opfer, der Kern der Kritik der Verdinglichung.
Heute verstecken sich alle in ihrem Winkel und murmeln vor sich hin: Ich habe doch nichts getan. -
26.5.1994
Die drei Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt definieren die Randbedingungen des projektiven Erkenntnisbegriffs. Die Trinitätslehre ist das Inertialsystem der dogmatischen Theologie, und die Opfertheologie das ihre Objektivität vermittelnde Glied. Ähnlich wie die homousia den letzten Akt der Einbindung der Theologie in die Philosophie, in den Aufklärungsprozeß, bezeichnet, ähnlich bezeichnet das filioque den Übergang dieser Theologie zur modernen Aufklärung. Das homousia symbolisiert die Verinnerlichung des Mythos, des Schicksals, das filioque die mit der Verinnerlichung der Scham verbundene Aufspaltung von Ding und Sache. Läßt nicht die Differenz zwischen der augustinischen und der lutherischen Gnadenlehre durch die Differenz zwischen der politischen Begründung des Terrors und seiner Verinnerlichung durch die lutherische Glaubens- und Rechtfertigungslehre sich bestimmen? Joh 1811: „Da sprach Jesus zu Petrus: Stecke das Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch, den der Vater mir gegeben hat, nicht trinken?“ Gehört nicht Hyam Maccoby noch zur Legitimationsgeschichtsschreibung, steht sie nicht unterm Bann des gleichen Rechtfertigungsprinzips, gegen das sie ankämpft: des paulinischen? An seinem Werk ließe sich der Zusammenhang von Rechtfertigungszwang und Bekenntnislogik demonstrieren. Der Bann des Bekenntnislogik gründet darin, daß die Geschichte als unwiederbringlich vergangen gesetzt wird; genau dadurch gerät sie in den Bannkreis der Vergangenheit, der der Bekenntnislogik zugrundeliegt. Es käme darauf an, die Geschichte aus dem Bann des Schuldverschubsystems zu lösen. Kommt Johannes (der Apostel/Evangelist) bei Paulus und Paulus bei den andern Aposteln oder in der Apokalypse vor (nur in 2 Pt)? Und hat diese Frage nicht Ähnlichkeit mit der andern, ob die Philosophie in der Prophetie und die Prophetie in der Philosophie vorkommt (Taumelkelch und Barbaren)?
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24.5.1994
Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Lassen aus diesem Satz die Rechtsinstitute sich bestimmen, die vor allem in der Gefahr stehen, zu Brutstätten der Gemeinheit zu werden (Kriterium: Problem der Nachweisbarkeit und gesellschaftliche Vorurteilsstrukturen; Institutionen im Schatten der gesellschaftlichen Exkulpations-, Rache- und Verdrängungsbedürfnisse; GBA, die Staatsschutzsenate und Knäste)?
Roman Herzog und das Stichwort „Entkrampfung“: Sie wäre wünschenswert, wenn sie auf die Verstrickung ins Schuldverschubsystem sich beziehen würde, auf die Fähigkeit, der Vergangenheit ohne Rechtfertigungszwänge und dem unerledigten raf-Problem ohne paranoide Ängste (die der Wirksamkeit des gleichen Schuldverschubsystems sich verdanken, das sie zugleich verstärken) sich zu stellen. Hinzu käme, daß wir angesichts der Scheußlichkeiten der aufbrechenden Ausländerfeindschaft und der alten Vorurteile endlich aufhören, auf die Wirkung dieser Vorgänge im Ausland zu verweisen, und das eigene Gewissen entdecken würden; das würde jedoch bedeuten, daß wir nicht nur den Rechtsextremismus verurteilen, sondern (auch in der Politik) unsere Solidarität mit den Opfern: den hier lebenden Ausländern und den anderen bedrohten Gruppen (eigentlich allen Minderheiten: Juden, Obdachlose und Behinderte, aber auch jene, die das gemeinsame Vorurteilsobjekt der staatlichen Gewalt und der Rechten zu werden dohen: die Linke), öffentlich und wirksam manifestieren.
Es gibt eine Last, von der man sich nur befreit, wenn man sie auf sich nimmt, während jeder Versuch, sie abzuwerfen, sie vermehrt. In der Unkenntnis dieser Logik liegt der Grundfehler jeglicher Apologetik.
Zu Hyam Maccoby: Hermann Cohen hat die Attribute Gottes als Attribute des Handelns, nicht des Seins, definiert. Wer die paulinischen Selbstzuordnungen (Hebräer, Israelit, Benjaminit) als Seinskategorien auffaßt, muß sie als „Fälschungen“, als „Selbsttäuschungen“ begreifen; aber könnte es nicht sein, daß sie (nach dem Bild der in den Weinstock eingepfopften wilden Weinreben) als Glaubens-, Ziel- (und Handelns-) Kategorien aufzufassen wären, was dann das paulinische Gesetzes-, Glaubens- und Rechtfertigungsverständnis in ein neues Licht rücken würde? Ist die Frage, ob Paulus ein Benjaminit war, eine Frage der Stammeszugehörigkeit (eine „Rassenfrage“), oder bezieht sie sich auf eine paulinische Wahl: auf eine Tradition, der er aus theologischen Gründen glaubt, sich zuordnen zu können (und zu müssen)? Hat Paulus die Theologie insgesamt zur Verkörperung eines wahrhaft ungeheuerlichen Wunschdenkens (das zu seiner Absicherung dann der Vergöttlichung Jesu bedurfte) gemacht? Sind wir hier nicht im Kern des Problems der Fälschungen in der Geschichte (die nicht zufällig ihre Brennpunkte in der Geschichte der Mystik und der Apokalypsen haben), ihres nicht immer aus betrügerischer Absicht zu erklärenden, immer aber legitimationsbegründenden Gebrauchs (in der Schrift reflektiert im Symbol des Kelchs).
Der Glaube schließt die Treue ein und ist das Bindeglied zwischen Hören und Tun („Bewährung“ der Wahrheit): Er „versetzt Berge“. Das Christentum ist auch der Versuch einer Verkörperung des unerhörten Anspruchs, über den eigenen Schatten springen zu können, die Grenzen der Gattung und des Todes (durch Übernahme der Sünde der Welt) zu durchdringen und zu überschreiten.
Is 2222: Die in Mt 1618 und 1818 zitierte Stelle wurzelt in 2 Kön 18.
Was bedeutet es, wenn Paulus in Athen erstmals von „Gott, der die Welt geschaffen hat“ spricht, und ihn zugleich den „Herrn“ und nicht den Schöpfer „des Himmels und der Erde“ (Apg 1724) nennt?
Hängt Kirche mit kyrios, kyriakä (dem Herrn gehörig) zusammen; wäre dann nicht ekklesia mit Gemeinde zu übersetzen?
Die Pyromanie des Christentums: Wer den Anblick der Qualen der Verdammten in den Feuern der Hölle als Ingredientien der Seligkeit im Himmel begreift, hat der Pyromanie (die dann an den Juden, Ketzern und Hexen sich austobte) die Tür geöffnet, gehört zu denen, die diese Feuer entfacht und in Gang gehalten haben. Aber dies waren nicht die Feuer, von denen Jesus wünschte, sie brennten schon.
Zur Theorie des Feuers: Die Logik der Fälschung ist positivistisch nicht aufzulösen.
Sind nicht Staatsschutzverfahren in der Regel kurze Prozesse, die nur endlos hinausgezogen werden? -
23.5.1994
Die rabbinische Interpretation von Dt 2123 (vgl. Hyam Maccoby, Mythmaker, S. 67f) ist ein eindeutiges Verdikt über das katholische Kruzifix. „Ein Fluch ist der Gehängte“: Das kann nicht für den Gehängten gelten (die paulinische Interpretation ist magisch), wohl aber für die, die ihn gehängt haben oder ihn (über Nacht oder über den Sabbath hinweg) hängen lassen. Die Christen haben diesen Fluch auf sich gezogen, indem sie ihn zum antisemitischen Symbol gemacht und in ihre Kirchen und in ihre Wohnzimmern hereingenommen haben. Kann es sein, daß das apokalyptische Bild vom „Tier von der Erde“ (Offb 3117) auf Paulus sich bezieht (es hat zwei Hörner „wie ein Lamm“ und „redet wie ein Drache“, die Zahl dieses Tieres ist die „Zahl eines Menschen“; hat diese „Menschenzahl“ etwas mit dem messianischen Namen des „Menschensohns“ zu tun: durch Umkehr – wie verhält sich die „Zahl“ zum „Sohn“)? Repräsentiert Paulus (und seine Theologie) den Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Klärt nicht die These, daß Paulus ein Heide war (in jedem Fall kein Pharisäer, kein rabbinischer Schriftgelehrter), eine Reihe von Problemen in seiner Theologie, vom Gesetzesverständnis über den Glaubensbegriff bis zur Rechtfertigungslehre? Insbesondere die paulinische Interpretation des Gesetzes ist fast ein Beweis für die Maccobyschen Thesen, die dann auch das Problem seines Namens (Saulus/Paulus) in ein neues Licht gerückt haben – sh. hierzu S. 95f. Durch Paulus ist das Christentum zur Weltreligion geworden, hat es die Fähigkeit gewonnen, die Welt zu durchdringen (ist damit jedoch selbst von der Welt durchdrungen worden). Was hat es mit dem „dritten Himmel“ auf sich (2 Kor 122, mit dem Problem der Selbstanonymisierung: hier schreibt Paulus von sich selbst in der dritten Person)? Ergeben sich die Affinitäten der Paulinischen Theologie zur Gnosis und zu den Mysterienreligionen der Spätantike nicht von selbst aus der Logik des Maccobyschen Konzepts (liegt die Lösung im Problem des „dritten Himmels“: er hatte die Herrscher der Planetenwelt, die „Archonten“, über, nicht unter sich)? Vorausgesetzt (und mit eingeschlossen) ist in der Stufe des dritten Himmels – das Licht (und der Ursprung des Angesichts), – die Erschaffung der Feste, die die oberen von den unteren Wassern trennt, und – daß auf der Erde das Trockene hervortritt und die Wasser an einer Stelle sich sammeln. Ist es nicht fast unerheblich, ob die Prämissen der Maccobyschen Konklusionen zutreffen; das Ergebnis stimmt: die paulinische Theologie ist so konstruiert, als wäre Paulus ein Heide, kein Jude und erst recht kein „Pharisäer“, gewesen. Ob er nun Jude oder Heide war, ist auch eigentlich uninteressant. Ist nicht die paulinische Theologie eine Theologie für Proselyten, geprägt von der Angst vor der Beschneidung (war Paulus beschnitten, und welche Bedeutung hat die Geschichte mit dem Nasiräer-Gelübde – Apg 2123ff)? Hängt die Archonten-Lehre mit der Angst vor der Beschneidung (und die Beschneidung mit dem „kreisenden Flammenschwert“ des Cherubs vorm Eingang des Paradieses) zusammen: mit der Verdrängung der Astrologie und der Beziehung der „Theologie hinter dem Rücken“ zur kopernikanischen Wende (mit der Verheißung, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden, und dem bis heute unerledigten „was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“)? Aber hat nicht das Lösen ein Echo in der paulinischen Theologie, in dem Satz, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet? Eine verrückte Frage: Hat Tarsus etwas mit Tarschisch zu tun (und ist Paulus der Jona redivivus)? Gibt es nicht gewisse Parallelen zwischen dem Schiffbruch vor Malta und dem Versuch des Jona, mit dem Schiff nach Tarschisch zu fliehen, und seiner Geschichte mit diesem Schiff? Im Kern der paulinischen „invention of Christianity“ stand die Erfindung des Glaubens: die Ablösung des „Glaubens“ von seiner Beziehung zur realen Erfahrung, die ihm den Schein der rechtfertigenden Kraft verleiht, seine Einbindung in die Bekenntnislogik durch Verletzung des Bilderverbots im Kern der neuen Gestalt der Subjektivität (durch Verinnerlichung des Opfers). „Ohne Ansehen der Person“: Wie verhält sich die Person zum Angesicht? Ist nicht das Ansehen der Person das vergesellschaftete (und so blasphemisierte) Angesicht, das in rechtlichen Zusammenhängen (in denen der Personbegriff sich konstituiert) als Maske (als Charaktermaske und als Pokerface) gegen das Gesehenwerden sich verschließt? Durch seinen Ursprung in der Maske verweist der Personbegriff auf magische (patriarchalische und sexistische) Ursprünge. In der Person wird nicht das Angesicht, sondern die gesellschaftliche Rolle (die „Persönlichkeit“) und die Unerkennbarkeit der Absichten angesehen: deshalb setzt Gerechtigkeit das Absehen vom Ansehen der Person voraus.
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18.4.1994
Die Wüste vorn (im Angesicht), das Meer hinten (hinter dem Rücken): Hat das etwas mit dem tohu, dem Thalesschen Wasser, mit der Sintflut, dem Geist über den Wassern, der Trennung der Wasser, mit dem Wunder von Kana zu tun? Der Name gehört zum Angesicht, der Begriff ist hinter dem Rücken.
Adornos Satz „Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“, findet seine konkrete Anwendung in einem Denken, dessen Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, sich selbst zu beweisen, daß die Welt nicht so ist, daß man sie lieben könnte. Der Durchbruch zu diesem Beweis war der Ursprung der Philosophie.
Die Rezeption des Weltbegriffs hatte die Konstituierung der Bekenntnislogik zur Folge, inhaltlich wurden beide abgesichert durch das Konzept der Opfertheologie: Darin lag die Notwendigkeit der christlichen Theologie begründet. Sie hat einen Prozeß ausgelöst, der am Ende auch die Theologie selber ergreift, sie gegen ihren eigenen Inhalt absperrt.
Haben sich nicht die beiden subjektiven Formen der Anschauung der kantischen Transzendentalphilosophie in den beiden Totalitätsbegriffen Natur und Welt kontrahiert? Darin ist es begründet, wenn die transzendentale Ästhetik Kants in der Folge immer als Rechtfertigung der subjektiven Anschauungsformen statt als Kritik verstanden wurden.
Zukünftige Vergangenheit und vergangene Zukunft: Aus dem Relativitätsprinzip (und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) den Beweis dafür entnehmen, daß das Vergangene nicht nur vergangen ist. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit drückt diesen logischen Sachverhalt (den Knoten, der zu lösen wäre) aufs genaueste aus.
Die Verwechslung des Absoluten mit Gott gründet in der Verwechslung des Überzeitlichen mit dem Ewigen. Im Licht der „überzeitlichen Wahrheiten“ ist das Vergangene nur vergangen, im Lichte des Ewigen ist es nicht endgültig vergangen, sind die Pforten der Hölle nicht schon verschlossen.
In der Idee des Gottsuchens hat die Theologie ihren empirischen Kern. Aber davor sitzt die Kirche wie der Igel im Märchen von dem Fischer und seiner Frau und wiederholt ihr „Ick bün all do“ (Trinitätslehre). Entschlüsselt nicht der Türhüter in Kafkas „Vor dem Gesetz“ (in den Evangelien ist es die Türhüterin: die Magd des Hohepriesters) das Geheimnis der Trinitätslehre?
Jede Opfertheologie ist Herrschaftstheologie: Rechtfertigung derer, die Macht über das Leben anderer haben. Die Opfertheologie stellt die Botschaft des Kreuzestodes auf den Kopf (durch Instrumentalisierung). War nicht auch Paulus ein „Sacred Executioner“ (so der Titel eines Buchs von Hyam Maccoby)?
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