Der Name des Menschensohns erscheint zuerst bei Ezechiel und bei Daniel, er reflektiert bei beiden die Situation im babylonischen Exil. Bei Ezechiel steht er offensichtlich im Zusammenhang mit der Individualisierung der Schuld. Ist dieser (theologische) Begriff des Menschensohns nicht immer mit dem (juristischen) der Person verwechselt worden? Die Individualisierung der Schuld bei Ezechiel bedeutet keine Entlastung (z.B. von der Schuld der Väter), sondern eher einer Verschärfung: Der ezechielische Begriff der Verantwortung schließt auch die für die Sünde des Andern mit ein (vgl. das „dixi et salvavi animam meam“): ein Vorgriff auf Joh 129?
Der Name des Menschensohn unterscheidet sich vom Begriff der Person wie die Verantwortung von der Zurechenbarkeit: durch den Weltbegriff (und seine exkulpierende Funktion), durch das juristische Prinzip der Nachweisbarkeit (durch die Grenzen der Beweislogik; anders als der Menschensohn gilt die Person als schuldig nicht durch die Tat, sondern nur durch deren Nachweisbarkeit: durchs Erwischtwerden), nicht zuletzt durch ihr Verhältnis zur Gemeinheit: Während der Menschensohn seine moralische Integrität aus der Solidarität mit der Menschheit gewinnt, gewinnt die Person ihre Integrität aus einem strategischen Handlungsbegriff, der darauf abzielt, unter Ausnutzung der Grenzen der Beweisbarkeit die Vorwerfbarkeit von Handlungen auszuschließen. Personalistische Ethiken sind Urteilsethiken, keine Ethiken des richtigen Handelns; deshalb waren alle Wertethiken personalistisch.
Zu den zehn ägyptischen Plagen: Die Geschichte des Objektivationsprozesses ist die Geschichte der Verstockung, die Entstehungsgeschichte des steinernen Herzens.
Es ist irritierend, bei Miskotte all die Namen wiederzufinden, die mich in meiner theologischen Phase so verwirrt haben. Was mich ärgert ist, daß er das modische Geschwätz seiner „religiösen“ Kollegen (das Geschwätz, das verschweigt, was wirklich geschehen ist, und eigentlich nur noch als Objekt prophetischer Kritik Beachtung verdiente) ernst nimmt.
Ist nicht jede Kosmologie, von den Mythen bis zum Urknall, Teil eines durch Verschiebung ins Ästhetische ichfremd und angstfrei gemachten apokalyptischen Gesellschaftsbegriffs? Insbesondere der modernen kosmologischen Konstrukte, die aus hastig zusammengebastelten naturwissenschaftlichen Versatzstücken bestehen, gewinnen ihre Überzeugungskraft nicht aus ihrer naturwissenschaftlichen Konsistenz, sondern aus den gesellschaftlichen Modellen, deren Deckbild sie sind. Hatten nicht schon das Entropiegesetz und die Marxsche Kapitalismus-Kritik eine gemeinsame Basis (deren Nicht-Reflexion dann so verhängnisvolle welthistorische Folgen hatte)?
Die Privatisierung staatlicher Dienste schränkt die demokratische Kontrolle, die Kontrolle durch Vernunft, ein und ersetzt sie durch die Kontrolle durch die blinden Marktkräfte. Den Müll, den dieses System produziert, soll Verbrechensbekämpfung dann entsorgen. Was bedeutet es, wenn Ökonomie und Justiz auf diese Weise kurzgeschlossen werden; werden so nicht die Voraussetzungen für eine positivistische Rechtspraxis geschaffen, die die Urteilsfindung dann auf ein Verfahren der Konstruktion synthetischer Urteile apriori zusammenschnurren läßt und das Recht – ähnlich wie zugleich auch die Politik – immer mehr dem Verwaltungsverfahren angleicht? Die Kraft des reflektierten Urteils verschwindet im Recht wie in der Politik. Ist dies nicht der Zustand, auf den sich die biblische Geschichte von den zehn ägyptischen Plagen und den Verstockungen des Pharao bezieht?
Im Exodus ist der Müll, den das Sklavenhaus Mizrajim produziert hat, im Namen Gottes zum befreienden Bewußtsein seiner selbst gekommen.
Ist nicht jede Gefangenschaft (auch die strafrechtliche) eine Art der Kriegsgefangenschaft, und die „Strafe“ ein nach innen gewendeter Krieg? Deshalb läßt sich das Recht, Krieg zu führen, ohne die Existenz der Todesstrafe nicht begründen.
Das Gewaltmonopol des Staates ist ein Erbe der Kriege, durch die es einmal begründet worden ist: es ist ein Kriegsrecht. Die Naturwissenschaften wenden dieses Kriegsrecht gegen die Natur; deshalb ist die Reflexion der Naturwissenschaften für den Staat, der die Erinnerung an seinen Ursprung nicht hochkommen lassen darf, so gefährlich.
Hat das Tier vom Lande (der falsche Prophet) etwas mit der Beziehung von Adam und adama zu tun, und ist der Name des Menschen, auf den die Zahl des Tieres sich bezieht, der Name Adams? Was hat der ben adam mit dem bar enosch zu tun: Ist der ezechielische Menschensohn der ben adam und der danielische der bar enosch?
17 = 10 + 7; 23 = 30 – 7; und 36?
Im Englischen gibt es zwei Namen des Himmels, der eine bezieht sich auf den Himmel der Vögel, der andere auf den der Engel. Kann es sein, daß diese Unterscheidung mit der englischen Version des Infinitivs von Sein, mit dem to be, zusammenhängt?
Ist nicht die Verstockung ein anderer Name für das pathologisch gute Gewissen (ein Sinnesimplikat der Ontologie), das ohnehin seit langem mit der Sündenvergebung und dem christlichen Verständnis der Erlösung verwechselt wird? Verstockung: das ist die Frucht der Opfertheologie und der „Entsühnung der Welt“.
Das historische Christentum hat ohne es zu wissen die Sünde der Welt auf sich genommen; es käme darauf an, daß es endlich das Bewußtsein davon erlangt, daß es endlich erwacht.
Marx
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6.5.96
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5.4.96
„Post haec accepit de substantia sua et discessit ad mare …“ Diesen Satz aus der lateinischen Quelle des altfranzösischen Alexius-Liedes übersetzt Erich Auerbach wie folgt: „Darauf nahm er etwas von seinem Vermögen und begab sich zum Meere …“ (Mimesis, S. 114). Enthält die Übersetzung von substantia mit Vermögen nicht den Schlüssel zum materialistischen Verständnis der Philosophie? War der Begriff der Transsubstantiation vielleicht ein hilfloser Versuch, das Tauschprinzip zu verstehen? Und wenn Hegels Philosophie mit dem Programm antritt, „die Substanz als Subjekt“ zu begreifen, war das nicht schon ein verschlüsselter Ausdruck der Marxschen These, daß die den historischen Prozeß bewegenden Kräfte die ökonomischen sind?
Hinweis auf den logischen Grund der Opfertheologie: Die Konstituierung der Raumvorstellung zieht die Vorstellung nach sich, daß die Materie von außen in den Raum hineinkommt. In der gleichen Bewegung konstituiert sich die Materie als „träge Masse“; sie stößt ihre sinnlichen Qualitäten von sich ab, die danach auch gleichsam nur von außen in sie hereinkommen, wobei als dieses Außen der Materie, das im Raum keinen Halt findet, nur das Subjekt noch übrigbleibt. Die naturwissenschaftliche Aufklärung hat dem Begriff des Opfers den Grund entzogen, ohne ihn wirklich aufzulösen. Barmherzigkeit, nicht Opfer: Die Naturwissenschaften haben nicht nur dem Opfer, sondern auch der Idee der Barmherzigkeit den Grund entzogen; sie haben, indem sie das Opfer durch seine Universalisierung gegenstandslos (und zu einer bloßen Manifestation von Gewalt) gemacht haben, die Barmherzigkeit blind gemacht („Ihr laßt die Armen schuldig werden“).
„Sie (die Ereignisse und Figuren des Alten Testaments, H.H.) haben keine Wirklichkeit mehr, sondern nur noch Bedeutung“ (Mimesis, S. 113): Diese Bemerkung Erich Auerbachs über die frühchristliche Verarbeitung der Vorvergangenheit des Christentums verweist auf den (opfertheologischen) Ursprung dessen, was seitdem Bedeutung heißt. Bedeutung hat eine Sache nicht an sich, sondern nur für etwas; der Begriff der Bedeutung schließt die Funktionalisierung schon mit ein, von der gewaltsam abstrahieren muß, wer versucht, so etwas wie eine „objektive Bedeutung“ einer Sache, eines Begriffs, dingfest zu machen.
Der Sinn erinnert an die Sinnlichkeit, die Passivität der Wahrnehmung, die Bedeutung ans Deuten, sie enthält ein aktives, deiktisches Moment. (Hat diese Unterscheidung etwas mit mit den Zeichen an Kopf und Hand in der Apokalypse zu tun?)
Die Definition der Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand bannt das Proletariat auf die Objektseite der Welt, und mit der Proletarisierung aller (mit der Verwüstung der Welt durch die Ökonomie) die Menschheit.
Im 7. Kapitel der Johannes-Apokalypse werden die Stämme Israels aufgeführt, aber mit folgenden Abweichungen: Während der Stamm Dan fehlt, wird der Stamm Manasse genannt, obwohl auch der Stamm Joseph (zu dem er gehört), mit aufgeführt wird, während Ephraim (der andere Halbstamm Joseph) wiederum fehlt. Hat das etwas mit der Rolle dieser Stämme im Buch der Richter zu tun?
Der Drache hat die Kronen auf seinen sieben Häuptern (Apk 123), das Tier aus dem Meere hat die Kronen auf seinen zehn Hörnern und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen (131). Ist das nicht ein ungeheurer Hinweis?
Ist nicht der Hebräer-Brief, in dem übrigens die einzige Stelle sich findet, an der das „Neue Testament“ definiert wird, der Beweis dafür, daß das Christentum Israel nicht beerbt hat? Das Christentum ist ein Hebräertum, das sich fälschlich für Israel gehalten hat. Diese Verwechslung war tödlich.
In Bubers Bibel-Übersetzung gibt es den Begriff der „Weltzeit“. Den gleichen Begriff haben die Christen immer mit Ewigkeit übersetzt. Ist nicht die Bubersche Übersetzung in diesem Falle besser?
Sind nicht die theologischen Konstruktionen, die die Seligkeit als „selige Anschauung Gottes“ und als „Teilhabe am innertrinitarischen Prozeß“ definieren, exakte Darstellungen der Hölle?
Der Satz, daß der Schrecken des Faschismus durch Verurteilung sich nicht bannen läßt, gilt auch für die Kirche.
Das Wort „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ gewinnt heute, angesichts der entfalteten Naturwissenschaften, auch kosmologische Bedeutung.
Himmel und Erde sind Manifestationen eines vorweltlichen Urteils; darauf bezieht sich der biblische Schöpfungsbegriff, das bara. Deshalb sind die großen Seetiere wie auch die Menschen erschaffen. Die Erschaffung des Menschen war dreifach: in seinem Bilde (im Angesicht Gottes), im Bilde Gottes (im Bilde seiner Attribute) und als Mann und Weib.
Wider die Harmonie und die Geborgenheit: Das Sich-Reiben ist auch eine Methode der Erzeugung des Feuers. Hat das etwas mit dem Satz „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249) zu tun?
Ist Helmut Kohl, der sich immer auf das Urteil der Geshichte beruft, nicht selber der Protagonist der Revision des geschichtlichen Urteils über den Faschismus, der real-ironischen Realisierung des faschistischen Ziels der Weltherrschaft mit den „rationalen“ Mitteln der Ökonomie. Dazu paßt der Slogan der „Versöhnung über den Gräbern“, in denen endlich Täter und Opfer vereint sind.
Ist nicht Antje Vollmer die feminine Version Kinkels bei den Grünen?
Im Buch Esther gibt es die Stelle, daß ein Erlaß des Königs „an die Gaue (Provinzen) in ihrer Schrift, an die Völker in ihrer Sprache und an die Juden in ihrer Schrift und in ihrer Sprache“ ergeht. Die Gaue (Provinzen) sind Verwaltungseinheiten, und die haben die Schrift als Grundlage, während die Völker durch ihre Sprachen sich definieren.
Das „Quidquid non est in actis, non es in mundo“ verweist auf den genetischen Zusammenhang von Schrift und Welt. Die Welt wurde nicht durchs Wort, sondern durch die Schrift erschaffen. -
31.3.96
Ist nicht jeder Indikativ ein versteckter Imperativ (jeder Indikativ erhebt Anspruch auf die „normative Kraft des Faktischen“; darin gründet der Anspruch der Ontologie)? Und käme es nicht darauf an, diesen Anspruch reflexionsfähig zu machen, anstatt ihm blind zu folgen? Das imperativische Zentrum des Indikativs ist die Idee des Absoluten: Produkt der Selbstreflexion des Subjekts im Unendlichen, der Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft.
Das Proletariat in der Marxschen Theorie ist nicht austauschbar und nicht beliebig ersetzbar, insbesondere nicht durch irgendwelche Avantgarden. Stattdessen wäre endlich der Paradigmenwechsel zu reflektieren und zu begreifen, der einhergeht mit der Globalisierung des Kapitalismus, mit der universalen Realisierung des „freien Marktes“ und in deren Folge mit der inneren Differenzierung im Begriff und in der Realität des Proletariats: Der ökonomischen Proletarisierung ganzer Weltregionen entspricht die politische Proletarisierung der Metropolen.
Der Markt gründet im Fernhandel, in den Außenbeziehungen der handeltreibenden Staaten und Völker; seine Wurzeln liegen im Raub, in der Eroberung und im Opferwesen. Der Markt hat diese Beziehungen im Hegelschen Sinne in „Naturbeziehungen“ transformiert. Es wäre nachzuweisen, daß in dieser Konstellation der Naturbegriff überhaupt erst entspringt (daß die zweite Natur das Modell der ersten war, in deren Bild sie sich bewußtlos wiedererkannte). Natur war seit je potentielles Eigentum (herrenloses Gut, das, was einfach nur da ist), und die vorsokratische Philosophie, die unter dem Standardtitel peri physeos sich entfaltet hat, war ein Produkt der Vergesellschaftung der Logik des Handels, die dem Expansionstrieb des Staates den Weg freigemacht hat. So war Philosophie von Anbeginn (auch als Naturphilosophie, die durch Entzauberung der Natur die Widerstände und Hemmungen abgebaut hat, die der Aneignung und Beherrschung der Natur und der Begründung des Gewaltmonopols des Staates im Wege standen) politische Philosophie. -
7.3.96
Wer den Terrorismus aufarbeiten will, muß den Schrecken aufarbeiten, aus dem er hervorgegangen ist. Auf keinen Fall aber sollte man die Urheber des Schreckens zu Richtern über ihre Opfer machen. Spielt hier nicht der Modernisierungsprozeß, der der Faschismus auch war, mit herein: Was im Faschismus naturwüchsig war (das „gesunde Volksempfinden“), ist zu einem technischen Instrument geworden: zum Rechtspositivismus.
Ist nicht die gegenwärtige ökonomische Entwicklung die höhnische Verwirklichung dessen, was Marx einmal intendiert hatte. Auch die Privatisierung ist eine Form der Vergesellschaftung. Der Staat ist längst abgestorben, er weiß es nur noch nicht: er verrottet und verfault.
Die Erfahrung, aus der der verzweifelte Genius der Kritischen Theorie hervorgegangen ist, daß nämlich das Proletariat nicht mehr das Subjekt der Revolution ist – eine Erfahrung, die bis zu Marcuse die Reflexion durchzieht und beherrscht -, gründet in diesem Sachverhalt. Sie hängt zusammen damit, daß die subjektlose Form der Vergesellschaftung der Produktionsmittel Teil einer allgemeinen Proletarisierung ist: Auch die, die an den Hebeln der Macht sitzen, sind Lohnabhängige. Die Ökonomie ist der Feuerofen, in dem die Barmherzigkeit verbrennt; und das Leiden daran wird solange der Grund des Faschismus bleiben, wie es sich nicht selbst begreift, wie es nur den Weg der projektiven Verarbeitung kennt.
Georg Büchners Frage: Was ist das, was in uns mordet, stiehlt, hurt und lügt, drückt das aufs genaueste aus. Gibt es noch eine Möglichkeit, dieses Marionettenspiel, in dem wir nur noch Puppen in den Händen und an den Fäden einer subjektlosen Regie sind, zu begreifen?
Der strafrechtliche Tatbestand des Mords läßt sich aus dem mosaischen Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht ableiten. Der Mord ist kein Tat-, sondern ein Täterdelikt: Strafrechtlich verfolgt wird der Mörder, nicht der Mord, verfolgt wird die Person, die sich ein Recht anmaßt, das der Staat als sein eigenes begreift und um keinen Preis aufgeben kann, an dem er sein Monopol nicht aufgeben will und auch nicht kann: das Recht zu töten. Der biblische Gründungsakt des Staates ist der Brudermord Kains an Abel. Jürgen Ebach hat darauf hingewiesen, daß der Fluch „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden“ ein sprachliches Echo hat in der Jotham-Fabel, in der Charakterisierung der „wurzellosen“ Königsherrschaft „Soll ich … hingehen, über den Bäumen zu schweben?“ (J.Ebach: Ursprung und Ziel, S. 59) Kain ist der Gründer der ersten Stadt, der er den Namen seines Erstgeborenen (Henoch!) gibt (Gen 417), während zur Zeit, da der Erstgeborene Seths geboren wurde, erstmals der Name Gottes angerufen wird (Gen 426).
War das Ziel des historischen Objektivationsprozesses die Neutralisierung der Prophetie (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Neutralisierung der vergangenen Zukunft)? Ist der Historismus aufgrund seiner eigenen Logik antisemitisch?
Der Begriff der Gesinnung gehört zu Bekenntnislogik; jede Gesinnung ist nationalistisch (wohlgesonnen ist in allem das Gegenteil von national gesinnt).
Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang von Sonne und Sinn (gesonnen/gesinnt, Sinnlichkeit)? Ist die Feminisierung der Sonne im Deutschen in dieser sprachlichen Konstellation begründet (Reflex des männlich-heroischen Sinns)?
Ist nicht die Suche nach dem Sinn der Versuch, der zweiten Natur eine Sonne einzubilden? Der Sinn lebt (wie die Gesinnung) von der Bekenntnislogik, die ebenso zwangshaft wie vergeblich versucht, sich als Zentrum zu etablieren.
Hat das lateinische sol etwas mit solus zu tun; welche Wurzeln hat helios; steckt im hebräischen schemesch schem, der Name? Und gibt es neben Sonne/Sinn auch die Beziehung von Sonne und Sohn (vgl. im Englischen son und sun, aber auch sin, die Sünde)? -
25.2.96
Der Universalismus heute ist nicht der theologische, es sei denn der der Verwüstung.
Das Korrelat des Weltbegriffs ist die Selbsterhaltung. Die Welt ist zur Welt erst in einer Gesellschaft geworden, zu deren Grundlagen die Organisation des Privateigentums und der Selbsterhaltung, mit einem Wort: der Staat, gehört. Deshalb ist der Kern des Weltbegriffs nicht die Vernunft, sondern das Tier.
Sind die beiden apokalyptischen Tiere, das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande, nicht das Römische Reich und – in dieser Folge – die Philosophie, die Kirche und die Aufklärung?
Welches sind die Zeichen, auf die Jesus verweist, als er sagte: „So erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht“ (Lk 2128)?
– „Es werden Zeichen eintreten an Sonne und Mond und Sternen
– und auf Erden Angst der Völker, sodaß sie sich nicht zu raten wissen vor dem Tosen und Wogen des Meeres;
– Menschen werden den Geist aufgeben vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden;
– denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
– Und dann wird man den Sohn des Menschen auf einer Wolke kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit.“
Die Selbstlegitimierung des Bestehenden gründet darin, daß der Objektivierungsprozeß (der wissenschaftliche Erkenntnisprozeß) von der gleichen Logik geleitet wird, die sich als Herrschaftslogik in der Geschichte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur herausgebildet und in den Institutionen des Staates, der Wirtschaft und des Rechts auskristallisiert hat.
„Die Etappen des Weltgeistes folgen nach Hegel einander mit logischer Notwendigkeit, keine kann übersprungen werden. Marx ist ihm darin treu geblieben. Die Geschichte wird als unverbrüchliche Entwicklung vorgestellt. Das Neue kann nicht beginnen, ehe seine Zeit gekommen ist. Aber der Fatalismus beider Denker bezieht sich, merkwürdig genug, bloß auf die Vergangenheit. Ihr metaphysischer Irrtum, daß die Geschichte einem festen Gesetz gehorche, wird durch den historischen Irrtum aufgehoben, daß es zu ihrer Zeit erfüllt sei. Die Gegenwart und das Spätere stehen nicht wieder unter dem Gesetz. Es hebt auch keine neue gesellschaftliche Periode an. Fortschritt gibt es in der Vorgeschichte. Er beherrscht die Etappen bis zur Gegenwart. Von geschichtlichen Unternehmungen, die vergangen sind, mag sich sagen lassen, daß die Zeit nicht reif für sie gewesen sei. In der Gegenwart verklärt die Rede von der mangelnden Reife das Einverständnis mit dem Schlechten. Für den Revolutionär ist die Welt schon immer reif gewesen. … Er ist mit den Verzweifelten, die ein Urteil zum Richtplatz schickt, nicht mit denen die Zeit haben. Die Berufung auf ein Schema von gesellschaftlichen Stufen, das die Ohnmacht einer vergangenen Epoche post festum demonstriert, war im betroffenen Augenblick verkehrt in der Theorie und niederträchtig in der Politik.“ (Horkheimer: Der autoritäre Staat. Schwarze Reihe Nr. 3, Amsterdam 1968, S. 58f) Daß die „Logik der Geschichte“ nur post festum sich demonstrieren lasse, daß sie niemals prognostische Qualität gewinnt, ist vielleicht die entscheidende Einsicht, die auch in die Interpretation der Naturwissenschaften einschlägt.
Waren nicht alle Kosmologien auf den jeweiligen Stand der gesellschaftlichen Naturbeherrschung bezogene Legitimationstheorien? Deshalb war Prophetie als Kritik des Götzendienstes die Kritik dieses Legitimationsverfahrens. Und das Bilderverbot bezieht sich auf die Götzen und auf die „Weltbilder“ der Naturwissenschaften zugleich.
Das Inertialsystem ist das Referenzsystem aller naturwissenschaftlichen Begriffe, Gesetze und Erscheinungen. Diese Eigenschaft des Inertialsystems wird durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht aufgehoben. Das Inertialsystem wird zwar durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit systemisch berichtigt, aber diese Berichtigung wird greifbar nur in Erscheinungen, die wiederum das unberichtigte Inertialsystem als Referenzsystem voraussetzen, in einer Gruppe von Bestimmungen, die an den Begriffen, Gesetzen und Erscheinungen als dingliche Eigenschaften sich manifestieren. Ebenso wie eine empirische Bestimmung zum Kern einer systemischen Korrektur des Systems geworden ist, manifestiert sich das korrigierte System in einer Gruppe empirischer Erscheinungen. Dazu gehören die universalen Naturkonstanten der Mikrophysik (insbesondere das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elementarladung), aber auch strukturelle Eigenschaften wie der Korpuskel-Welle-Dualismus oder die (Heisenbergsche) „Unbestimmtheitsrelation“.
Die Lichtgeschwindigkeit bezieht sich auf die Richtungen im Raum, auf ihre physikalische Realität, die sich von ihrer mathematischen unterscheidet. Nur die mathematische Richtung enthält die Reversibilität, ihre Umkehrbarkeit, als ein konstitutives Moment in sich, es ist die gleiche Gerade, in der die beiden Gegenrichtungen aufeinander sich beziehen. Der Lichtstrahl, der die Gerade beschreibt, ist hingegen nicht nur idealiter, in der Richtungsintention, sondern real von seiner Umkehrung unterschieden: Die Umkehrung eines Lichtstrahls ist ein anderer Lichtstrahl; nicht nur sein Richtungssinn, sondern auch sein Zeitsinn ist dem des ersten Lichtstrahls entgegengesetzt. Was ist das für eine Bewegung, auf die sich die Geschwindigkeit des Lichts bezieht?
Weltanschauungen sind das Problem der zweiten Generation.
Die Verwandlung von Kritik in Meinung (die Neutralisierung der Kritik) ist ein Produkt der Verdinglichung. Meinungen lassen sich (auf dem Markt der Meinungen: in der Öffentlichkeit) vertreten, sie sind vererbbar, sie können erworben oder ausgetauscht werden, sie unterliegen dem Tauschprinzip, sie sind das Eigentum dessen, der sie hat (und aufgrund dieser Eigentumsbeziehung nicht mehr einsichtig). Als Meinung wird die Kritik gleichsam zur Ware, die nach Subsumtion unter die Logik des Tauschprinzips auf einen Zirkulationsprozeß zurückweist, dessen nähere Analyse den „Geisteswissenschaften“ obliegt: Kritik wird zur Meinung durch Eliminierung des Moments der Einsicht, aus der jede Kritik hervorgeht, auf die sie sich beruft, an die sie appelliert; deshalb ist jede Meinung über die Zwischenstationen ihrer Herkunft zurückzuverfolgen zu ihrem Ursprung, dem sie ihr Echtheitssiegel verdankt.
Ist nicht die Meinungsfreiheit auch ein Instrument zur Zerstörung der Kritik?
Wo findet in den Konstellationen der drei Subjektivierungsphasen (der Verkürzung und Subjektivierung der sinnlichen Qualitäten in Empfindungen, der Kritik in Meinungen und der Reflexion in Schuldgefühle) der philosophische Gebrauch des Wertbegriffs seinen logischen Ort? Werte sind instrumentalisierte und vergesellschaftete Urteile, der Wert einer Sache ist die automatisierte Kurzfassung eines Werturteils über die Sache.
Sind die Schuldgefühle nicht das Pendant der Empfindungen im Bereich der zweiten Natur?
Matthäus zitiert das Wort „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ (Hos 66) an zwei Stellen (913 und 127), die erste bezieht sich auf den Umgang Jesu mit den „Zöllnern und Sündern“, die zweite auf die Heiligung des Sabbat (nach dem Ährenessen der Jünger). -
21.2.96
Zur logischen Konstitution der gegenwärtigen Physik gehören
– die Universalisierung des Begriffs des Proletariats (der nicht durch die Armut, sondern durch die lohnabhängige Arbeit sich definiert) und
– der Zerfall der Staatssouveränität.
Der Begriff und die Vorstellung der anorganischen Materie (die Vorstellung des mechanischen Objekts, aber auch der Begriff der Ware) gründen in der verdinglichenden Gewalt des einheitlichen Zentrums des Objekts, sie sind Produkte der transzendentalen Ästhetik und ihrer drei Aprioris: der subjektiven Formen der Anschauung, des Geldes und der Bekenntnislogik, letztlich der Subsumtion unter die Vergangenheit. Ist nicht jeder Organismus ein System von Zentren (und verweist nicht die insbesondere durch die Form des Raumes vermittelte Vorstellung des einheitlichen Zentrums, des Gravitationszentrums des Körpers als räumlichen Punkts, die die Vorstellung der anorganischen Materie begründet, auf die Beelzebub-Geschichte: das Reich Beelzebubs zerfällt, wenn es mit sich selbst uneins ist)?
Gehört die Beelzebub-Geschichte zur Geschichte von den sieben unreinen Geistern: Zuvor ging der eine unreine Geist „in die Wüste“, dort traf er die sieben anderen unreinen Geister, mit denen er in des „leere, gereinigte und geschmückte“ Haus zurückkehrte.
Das „Unum et verum convertuntur“ wurde allein durch die Sakramentenlehre gerettet. Es hat dann allerdings die Sakramente in den Orkus mit hereingezogen.
Manifestieren sich die verdrängten und unterdrückten Unterschiede der Identitätszentren (Adornos „Nichtidentisches“) nicht in den Unterschieden der Aggressionsabfuhr (in den Unterschieden der Identitätszentren der Bekenntnislogik, deren Feindbild- und Verräterlogik sich auf diesem Wege differenziert)?
Die politische Urgeschichte der Ökonomie (der Ursprung des Handels im „Fernhandel“: im Raub, in der Ausplünderung und in der Eroberung und Aneignung fremder Länder) liegt vor der Begründung des Tauschprinzips.
Der Satz aus den Feuerbach-Thesen, daß die Philosophen die Welt nur verschieden interpretiert haben, und es käme darauf an, sie zu verändern, richtet sich bereits gegen Definitionsmacht des Tauschprinzips (und des Trägheitsgesetzes). Wer nur über die Dinge urteilt, bleibt in den Verstrickungen der Interpretation (des Indikativs, der Bekenntnislogik). Er glaubt an die magische Kraft der Verurteilung.
Gibt es nicht schon eine Reihe von Fällen, an denen sich belegen läßt, daß heute Siege katastrophischer (weil selbstzerstörerischer) sind als Niederlagen (der Ausgang des Zweiten Weltkrieges, der Vietnam-Krieg, und jetzt die Implosion Jugoslawiens)? Welche Folgen wird der „Sieg der freien Marktwirtschaft“ haben?
Ende des Mythos: Siege haben die Kraft eingebüßt, ein neues Recht zu begründen. Erst jetzt erweist sich, daß das Christentum keine Siegerreligion ist. -
14.2.96
Vierzig Jahre Flaschenpost – Norbert Rath zitiert in seinem Beitrag den Satz Horkheimers: „Die Philosophen im 19. Jahrhundert, Hegel und Nietzsche, haben geschrieben: Gott ist tot. Wahr ist vielmehr, daß der Gedanke gestorben ist“ (S. 95). Ist die Aufsatzsammlung selber nicht eine Sammlung von Grabreden, wird hier der „Gedanke“ nicht in der Tat nur noch als toter Gedanke erfahren? – Auf der gleichen Seite, auf der er den Horkheimer-Satz zitiert, spricht Norbert Rath vom „Schwanken (sc. Horkheimers) zwischen den miteinander unvereinbaren Bezugstheorien von Marx und Nietzsche“. Hier werden Philosophen zu Erfindern von Theorien, die dann verifiziert oder falsifiziert werden können. Daß in der Philosophie „Theorien“ Organisationsformen von Einsichten und nicht die Organisationsformen, sondern diese Einsichten (die Habermas als privilegierte Erkenntnis ausscheidet, während sie durch Reflexion ihrer logischen Form, die ihren Zeitkern bildet, wiederzugewinnen wären) der eigentliche Gegenstand der philosophischen Tradition sind, das wird durch den Begriff „Bezugstheorien“ verdrängt. Eben dieser Verdrängung verdankt sich die Ideologisierung der Einsichten von Marx und Nietzsche, die beide zu „toten Hunden“ macht und die Philosophie zu einem Beerdigungsinstitut am Gräberfeld der Philosophiegeschichte.
Heute verstellt schon der Naturbegriff der Einsicht den Weg (Habermas‘ Stellung zur Natur gehört zu den Voraussetzungen seiner Beziehungen zur Kritischen Theorie und des Konzepts seiner Theorie des kommunikativen Handelns, deren Zweck es sein könnte, Philosophie von der Last der Einsicht zu befreien). Kann es sein, daß die Totalitätsbegriffe Welt und Natur den logischen Grund bezeichnen, aus dem die mythischen Gestalten des Satans (des Anklägers) und des Teufels (des Verwirrers) einmal hervorgegangen sind (während das Wissen auf einen dämonischen Grund verweist)?
Steckt nicht im Namen ein magisches Element, und war nicht in der Tat die Magie in erster Linie Namenszauber (während der Mythos zur Vorgeschichte des Begriffs gehört)? -
21.1.96
Herrschaftsbeziehungen sind Eigentumsbeziehungen; deshalb schließt der Begriff des Heiligen Herrschaftskritik mit ein.
Das Inertialsystem ist das Instrument der Niedertracht in dem Sinne, in dem Franz von Baader diesen Begriff gebraucht hat. (Ist nicht Niedertracht eine Übersetzung von Gravitation?)
Das Licht ist die Prophetie der Barmherzigkeit.
Die Logik der Schrift ist ein Produkt des urteilenden, vergegenständlichenden Seitenblicks auf die Sprache. Die Sprachlogik der indogermanischen Sprachen ist eine Emanation der Logik der Schrift.
Der Seitenblick ist der vergegenständlichende Blick, Grund der Unterscheidung der primären von den sekundären Sinnesqualitäten (der Seitenblick verhält sich zum Angesicht wie die Schrift zum Wort).
Im Kreuzestod erfüllte sich die Schrift, in Seiner Wiederkunft wird sich das Wort erfüllen.
Hören und Sehen unterscheiden sich durch ihre Beziehung zur Zeit: Während das Hören auf das vergängliche, flüchtige Wort sich bezieht (das erst durch die Schrift gegenständlichen Bestand gewinnt), ist das Sehen das Organ der durch alle Bewegungen und Veränderungen hindurch sich erhaltenden beständigen Welt.
Die Verurteilung ist das urteilslogische Äquivalent des Tötens. Das Sterben ist die naturale Form der Verurteilung.
Habermas‘ Theorie des kommunikativen Handelns ist ein Beweis des Satzes, daß die Geschichte der Zivilisation die Geschichte der Verinnerlichung des Opfers ist. Die Kritik der funktionalistischen Vernunft ist selbst ein Werk der funktionalistischen Vernunft.
Wenn die Astrologie der Taumelkelch ist, dann ist das kopernikanische System der Unzuchtsbecher.
Das Planetensystem ist ein System der Selbsterhaltung, ein organisch gegliedertes System.
Heute gibt es keine berufliche Tätigkeit mehr, die nicht proletarischen Charakter trägt, alle Berufe unterliegen dem Wertgesetz, haben Teil an der Warenform der Arbeit. Nur: Es gibt halt Luxusgüter und Wegwerfartikel (Waren unterschiedlichen Werts). Ein Vorstand ist ein Luxusgut, ein Arbeiter ein Wegwerfartikel.
Als Kostenfaktor ist der Arbeiter heute ein Stück anorganische Natur (die Menschheit ist zum Rohstoff der Industrie geworden).
Der Klassenkampf ist eine logische Konsequenz des Systems, aber keine Realität: Es gibt keinen Sieg mehr, nur noch die Niederlage (eine Niederlage ohne Friedensschluß).
In der Nacht vor dem Besuch in Theresienstadt träumte meiner Frau, sie hätte einen Blumenstrauß ins Lager mitgebracht, nur die Blumen waren Stacheldraht. Ist nicht der Stacheldraht eine Instrumentalisierung der Dornen und Disteln, und war nicht jedes KZ der Nazis ein brennender Dornbusch?
Läßt sich die 68er Marx-Rezeption nicht daraus herleiten, daß sie an den Problemen der Produktion nicht mehr wirklich interessiert war, sondern nur noch an ihrer Bewertung? Diese Marx-Rezeption diente nicht der historischen Selbstverständigung im Anblick der fortbestehenden faschistischen Gefahr, sondern sie sollte helfen, Ballast abzuwerfen, und zugleich den eigenen privaten Problemen, die nicht zu verharmlosen sind, eine Projektionsfläche schaffen. So wie sie das Profit-Motiv nur noch nach dem „moralischen“ Kriterium des „Gewinnstrebens“ beurteilte, hat sie den Marxismus insgesamt personalisiert; Gegenstand der (moralisierenden) Kritik war – auf der Grundlage eines Klassenbegriffs, der den nachfaschistichen Generationenkonflikt mit dem Klassenkampf verwechselte – der Kapitalist (wie im Kontext des Antisemitismus „der Jude“), nicht mehr die Rekonstruktion des Standes der ökonomischen Entwicklung und ihrer politischen und bewußtseinsgeschichtlichen Konnotationen (die eine weit ausgreifende Neubestimmung der historischen und empirischen Grundlagen notwendig gemacht hätten). Dieser Marxismus zielte nicht mehr auf die Änderung des Bestehenden, sondern auf den Beweis der eigenen Unschuld. -
17.1.96
Die Kritik der Bewußseinsphilosophie leugnet den Schmerz. Diese Leugnung gründet in der Verdrängung der Empathie durch die Logik der Verurteilung (die Logik der Verurteilung begründet den Rechtfertigungszwang); sie ist der Grund der heute sich ausbreitenden Form des Atheismus.
Gehört nicht zur Theorie des kommunikativen Handelns die Reflexion darauf, daß sie die Wahrnehmung und Erinnerung des Leidens ausschließt? Und zwar deshalb ausschließt, weil das Handeln, auf das diese Theorie sich bezieht, ein subjektloses Handeln, ein gehandelt Werden, eigentlich ein Erleiden ist (man muß in die Sprache hineinhören, um wahrzunehmen, was es heißt, wenn das immenente telos des kommunikativen Handelns ein „Konsens“ ist, der durch den Diskurs herzustellen ist). Im Kontext des kommunikativen Handelns ist die Stelle des Leidens schon vom Handeln besetzt (was auf den realen Grund des kommunikativen Handelns verweist: aufs Selbstmitleid).
Hier liegt der (selbstverschuldete) systematische Grund der „Neuen Unübersichtlichkeit“, die Habermas später einmal beklagte.
Kommunikatives Handeln steht unterm Rechtfertigungszwang und ist ein Instrument des Schuldverschubsystems. Die dem Begriff des kommunikativen Handelns zugrunde liegende Idee der Intersubjektivät ist die der Bekenntnislogik, der subjektiven Formen der Anschauung, des Logik des Geldes. (Im Begriff der „Weltanschauung“ gibt sich die Bekenntnislogik als subjektive Form der Anschauung zu erkennen.)
Habermas verwechselt die Norm (die zur Logik der Welt gehört) und das Gebot (das von Gott ausgeht).
In den drei Sprechakten präsentiert sich das eigene Handeln als ein Ausfluß der objektiven Welt, in deren Gesetze es eingebunden ist, deren Norm es unterworfen ist, während Subjektivität im expressiven Sprechakt auf den reinen Ausdruck des Leidens zusammenschrumpft (logischer Grund der Geschichte der Kunst).
Die Kulturindustrie hat die Expression als Ausdruck des (von jeder Fremderfahrung abgeschnittenen) Selbstmitleids dem Wertgesetz unterworfen und zur Ware gemacht. Mit der Verwerfung der Mimesis, mit der Verwerfung des Eingedenkens der Natur im Subjekt (die Habermas als „Eingedenken der ‚gequälten‘ Natur im Subjekt“ denunziert) wurde die Selbstreflexion des kommunikativen Handelns unterbunden, das Konstrukt dogmatisiert.
Im Bereich des expressiven Sprechakts (der „subjektiven Welt“) kennt Habermas zwar den Begriff der „Wahrhaftigkeit“ (der „Authentizität“). Den Begriff des „falschen Zeugnisses“, der eine Schlüsselfunktion in einer Philosophie, der die Ethik zur prima philosophia geworden ist, bezeichnet, kennt er nicht (wie er auch – trotz einer Theorie der Argumentation – eine Beweistheorie nicht kennt).
Die beiden ersten Sprechakte, die sich auf die objektive Welt und auf die Normen beziehen, sind eigentlich nur zwei Seiten ein und derselben Sache. Hier wird aus der asymmetrischen Struktur einer Sache ein Nebeneinander zweier getrennter Dinge (was dem „Nebeneinander“ der empirischen Fakten und der normativen Kraft der mathematischen Theorie <der „Formeln“> in den Naturwissenschaften entspricht: Produkt der Verdrängung des Bewußtseins der konstitutiven Bedeutung des Inertialsystems für die Erscheinungen in ihm). Die Reflexion der Asymmetrie ist aus dem Erkenntnisbegriff ausgeschieden worden, als die Erkenntnistheorie gelernt hat, zwischen primären und sekundären Sinnesqualitäten zu unterscheiden.
Das Inertialsystem und die mathematischen Naturwissenschaften haben das Seufzen der Kreatur nicht aufgehoben, sondern nur zum Schweigen gebracht (und ins Selbstmitleid des bürgerlichen Subjekts, in den Grund seiner Empfindlichkeit, zusammengezogen: aus diesem Fundus, den am Ende die Kulturindustrie auszubeuten gelernt hat, hat die Kunst geschöpft).
Die Kunstbewegungen des letzten Dezenniums vor dem ersten Weltkrieg waren Ausbruchsversuche der Kunst aus der Kunst.
Habermas hat vergessen, was er aus seiner Hegel-Kenntnis hätte wissen müssen: daß große Philosophie nicht widerlegt werden kann. Die These, daß Georg Lukács in den „objektiven Idealismus zurückgefallen“ sei, ist eine Denunziation, die versucht, seine eigenen Voraussetzungen polemisch gegen ihn auszuspielen. Wenn Marx Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt hat, dann hat er ihn berichtigt, nicht widerlegt. Diese Form der Kritik dagegen ist nur hilflos und deshalb aggressiv, sie macht Hegel zum toten Hund und möchte den Lukács gleich mit verscharren (hat nicht Wellmer in einem Seminar bei Adorno einmal die These Georg Lukács‘ vom kontemplativen Charakter der Naturwissenschaften mit dem Hinweis auf die experimentelle „Praxis“ zu widerlegen versucht? Ist es nicht gerade das Experiment, das durch seine Kriterien: Wiederholbarkeit, Unabhängigkeit von Raum und Zeit, Gültigkeit für jeden, die „Praxis“ ins Gefängnis der Kontemplation einsperrt, Modell der repetitiven Tätigkeiten, zu denen die Arbeit in Büro und Fabrik geworden ist?).
Gehört dieses Verständnis des Experiments nicht zu einer Logik, die die Leute veranlaßt, die Ärmel aufzukrempeln, wenn sie „Praxis“ hören?
Wird in Tschetschenien nicht die Schraube des Terrorismus, die im jugoslawischen Bürgerkrieg schon angezogen worden ist, um eine weitere Windung weitergedreht?
Wer Elendsflüchtlinge, die hier, um dem von uns verursachten Elend in ihrer Heimat zu entgehen, um Asyl nachsuchen, „Wirtschaftsflüchtlinge“ nennt, macht die wirklichen Wirtschaftsflüchtlinge unsichtbar: von Jürgen Schneider über Leeson zu Steffi Graf und Boris Becker, oder auch die Kunden der Commerz- und der Dresdner Bank, die über deren luxemburgische Filialen ihre hier erworbenen Vermögen der Steuer entziehen.
Mit der Orthodoxie, mit dem Dogma und mit der Bekenntnislogik hat sich die Theologie zu einem Instrument der Begründung und Stabilisierung der Welt gemacht, hat sie die Vorarbeit geleistet, die am Ende, in der durchrationalisierten Welt, die subjektiven Formen der Anschauung übernommen haben, die heute helfen, die gesamte Vergangenheit durch Vergegenständlichung zu verdrängen.
Wie hängt der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, mit der logischen Struktur des Schuldbegriffs zusammen, einer logischen Struktur, die anhand der Konstruktion des Schuldverschubsystems oder auch im Kontext des Satzes, daß nur, wer die Schuld auf sich nimmt, sich von ihr befreit, zu bestimmen wäre. Im Kontext des Weltbegriffs, der in allem dem Angesicht Gottes opponiert, ist das Herz der Menschen nicht nur unsichtbar, es versteinert.
Die Theologie im Angesicht Gottes öffnet das Herz, während die Welt (in deren Bann die Theologie hinter dem Rücken Gottes steht) es verhärtet und verschließt.
Der Satz, daß „Bewußtsein aufgrund seiner intentionalen Struktur stets Bewußtsein von etwas (ist)“ (Theorie des kommunikativen Handelns, 2. Band, S. 80), ist in dieser Form falsch: Bewußtsein schließt auch die Fähigkeit zur Reflexion seiner eigenen intentionalen Struktur mit ein. „Wo Es ist, soll Ich werden“: Dieser Satz wäre ohne diese Reflexionsfähigkeit nicht zu halten. Wäre er wahr, so wäre der Atheismus unvermeidbar, da der Name Gottes den Einspruch gegen Seine (wie gegen jede) Vergegenständlichung mit einschließt. Gott ist nicht Gegenstand eines intentionalen Akts. -
16.1.96
Die Schicksalsidee war die erste gegenständliche Verkörperung des Rechtfertigungszwangs. Damit aber gehört der Rechtfertigungszwang auch zu den Voraussetzungen des Begriffs, die in der Folge dann den Begriff zu einem Instrument der Exkulpation durch Schuldverschiebung gemacht hat. Darin gründet die Logik.
Die Idee der Entsühnung der Welt (der Kern des Logozentrismus) ist der Angelpunkt der Zivilisation: Was zuvor das trinitarische Dogma geleistet hat, leisten heute die subjektiven Formen der Anschauung.
Die Bekenntnislogik ist ein Produkt der Vergesellschaftung der Selbsterhaltung (daraus wären die Komponenten der Bekenntnislogik: das Feindbild, das Verrätersyndrom und die Frauenverachtung, abzuleiten).
Schlüsselbegriffe:
– der Weltbegriff und die subjektiven Formen der Anschauung,
– Objektivation und Instrumentalisierung,
– die Bekenntnislogik,
– das Dogma als die Wahrheit des Inertialsystems,
– der Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang, die Reflexion von Herrschaft,
– die Logik der Schrift,
– die Geschichte der drei Leugnungen, der Kelch (Getsemane),
– die Attribute Gottes (Indikativ und Imperativ),
– das Angesicht, der Name und das Feuer (über das Feuer hängt der Name mit dem Licht zusammen: im Kontext des Begriffs ist der Name ebenso gegenstandslos wie das Licht im Kontext des Inertialsystems – das Hören Seiner Stimme ist das Leuchten Seines Angesichts),
Wichtig der Stellenwert des Naturbegriffs in der Rosenzweigschen Konstruktion der Vorwelt: Er konstituiert sich an der Grenze des Nichtwissens, als die Bejahung dessen, was nicht Gegenstand des Wissens ist (Gott Welt Mensch), während der Weltbegriff in der Verneinung, in der Begrenzung dieses Gegenstands, gründet. Insofern gehört die Welt, die aus dem Nichtwissen hervorgeht, zu den Konstituentien des Wissens. Das aber heißt, daß alles Wissen unter dem Bann des Weltbegriffs steht und erst die Reflexion des Nichtwissens den Blick in die Vorwelt eröffnet.
In welcher Beziehung steht die innere Differenzierung des Naturbegriffs bei Eriugena (die Unterscheidung von schaffender, geschaffener und ungeschaffener Natur) zur Rosenzweigschen Konstruktion?
Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt ist die Vorstufe zur Reflexion des („trinitarischen“) Naturbegriffs.
Die merkwürdige Konstruktion im Stern der Erlösung, in dem die Kritik der Geschichtsphilosophie geschichtsphilosophisch begründet wird (wie die Kritik des Systems systemisch).
Eucharistieverehrung: Der Dingbegriff ist der entfremdete, entstellte Statthalter der Barmherzigkeit (das steinerne Herz, das am Ende durch ein fleischernes ersetzt wird). Wandert nicht der Objektbegriff im historischen Objektivationsprozeß in ähnlicher Weise durchs System wie die Gebärmutter nach der traditionellen Hysteriekonstruktion durch den Körper der Frau? – Vgl. hierzu die Zitate aus Geschichte und Klassenbewußtsein bei Habermas (im letzten Kapitel des 1. Bandes der Theorie des kommunikativen Handelns).
War nicht der Marxsche Begriff des Proletariats (und die Entfaltung dieses Begriffs bei Lukács) ein Versuch, dem Objektbegriff Subjektqualität zu verleihen?
Ist nicht die Beziehung von Objektivation und Instrumentalisierung ein Hinweis auf die verborgene Beziehung des Objektbegriffs zur Idee der Barmherzigkeit?
Der Objektbegriff ist ein Produkt der projektiven Verarbeitung des Selbstmitleids (und die subjektiven Formen der Anschauung sind die geronnenen Formen dieser Verarbeitung im Subjekt).
Die Differenz zwischen dem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ und der „Theorie des kommunikativen Handelns“ läßt sich an der Differenz der beiden zentralen Kategorien festmachen: an der des Raisonnierens und der Rationalisierung. Wie das Raisonnement (die Meinungen und der Stammtisch) zur Information, so verhält sich die Rationalisierung zur „objektiven Welt“ (von der Habermas nicht mehr weiß, ob es die der Natur oder die der Ökonomie ist). Der Fortschritt von seinem Begriff der Öffentlichkeit zum Begriff des kommunikativen Handelns (vom Raisonnement zur Rationalisierung) ist ein Indiz für die überwältigende Macht des Rechtfertigungszwangs, er ist determiniert durch den Zwang, um jeden Preis die Idee einer eingreifenden Erkenntnis auszuschließen (die Idee einer Erkenntnis, die die Objektivität der Lehre gewinnt).
Hat nicht Habermas an der kritischen Theorie sich die Zähne ausgebissen, und jetzt steht er zahnlos da?
Hat die Geschichte von Stephanus und Saulus/Paulus etwas mit der Geschichte von Kain und Abel zu tun? Stephanus sah den Himmel offen und den Sohn zur Rechten des Vaters stehen, Paulus hingegen hatte eine Erscheinung und wurde später (in den dritten Himmel) entrückt (eine Allegorie der Theologie hinter dem Rücken Gottes, die in ihrem Ursprung an dem Tötung dessen, der den Himmel offen sah, teilhat). Ist die Entrückung eine Entrückung aus dem den Himmel öffnenden Angesicht?
Kopernikus oder das heliozentrische System als Reflex der ökonomischen Neutralisierung und Säkularisierung der Astrologie (erst der beginnende Kapitalismus hat die immanente Logik des heliozentrischen Systems begründet und stabiliert).
Wer sich dem Schuldverschubsystem (der Grundlage des Konkretismus, der Verdinglichung und der Personalisierung) überläßt, wird lernunfähig.
Im Begriff der Natur (Produkt der projektiven Leugnung der Barmherzigkeit) hat sich der Begriff des Wissens seine eigene gegenständliche und zugleich apriorische Grundlage geschaffen.
Mit dem Namen des Mutterleibs wird die Berufung des Propheten einem Ort zugewiesen, den der Begriff der Natur (und damit die Philosophie, die mit der Konstruktion dieses Begriffs beginnt) systematisch ausgeblendet, zum Nicht-Ort, zur Utopie, gemacht hat. Die gegenwärtige Abtreibungsdebatte gehorcht den Imperativen des Schuldverschubsystems; sie trifft, wenn man sie beim Wort nimmt, den Naturbegriff und die Philosophie. -
12.1.96
Wie der Mensch das Ebenbild Gottes, so ist die Ware (das Objekt als Subjekt) das des Staates. Der Begriff der Zerstörung des Gebrauchswerts ist als ökonomische zugleich eine politische Kategorie: Mit der Ware verliert auch der Staat seinen Gebrauchswert.
In dem Zitat aus Hans-Jürgen Krahl „Konstitution und Klassenkampf“ (in Wolfgang Pohrt „Theorie des Gebrauchswerts“, S. 53) sind einige Kategorien auf offensichtlich signifikante Weise unverständlich:
– Was ist gemeint, wenn es bei Krahl heißt, daß „Entfremdung und Verdinglichung heute Kategorien sind, deren Gültigkeit für den Kapitalismus zweifelhaft wird“, oder
– „das Stadium der immanenten Selbstzersetzung der Warenform zugunsten des totalitären Tauschs ist erreicht“?
Zur Verdinglichung: Diese Kategorie wird nicht „zweifelhaft“, sondern ungegenständlich, sie ist in den blinden Fleck der Erkenntnis gerückt. (Es hängt mit der logischen Beziehung von Ware und Staat zusammen, wenn der Dingbegriff als der Kern der hegelschen Logik sich erweist – als Quellbegriff des Absoluten.)
Zum Tausch: Der Begriff des Tauschs wird nicht totalitär, sondern universal, Kristallisationskern der Totalitätsbegriffe (Wissen, Natur, Welt), deren Kritik auf der Tagesordnung steht. Die Unterstellung eines totalitären Tauschbegriffs steht schon unterm Systemzwang der entgegenständlichten Verdinglichung; zu ihren Konsequenzen gehört die personalisierende Umformulierung der Marxschen Theorie, die in die Verwirrungen des Terrorismus geführt hat.
In dem gleichen Maße, in dem die Produktion den Gebrauchswert der Waren zerstört, wächst ihr eigener Gebrauchswert für den Staat.
Gebrauchswert und Tauschwert sind Reflexionskategorien, das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften. Die verdinglichende Kraft des Tauschprinzips reduziert die Dinge auf ihre (vergleichbaren) Eigenschaften, durch die sie in den Prozeß von Arbeit, Produktion und Konsum hineingezogen werden.
Der formale Charakter des Begriffs Gebrauchswert läßt an den Objekten seiner Anwendung sich demonstrieren: Dem Geld, dem Staat, der Lohnarbeit, dem Kreuzestod Jesu, dem Militär, auch der Philosophie wächst unter definierbaren Bedingungen Gebrauchswert zu. Gebrauchswert ist ein Aspekt der Instrumentalisierung, in deren Geschichte verflochten, keine Natureigenschaft eines Objekts. Das, was Pohrt die Selbstzerstörung des Gebrauchswerts nennt, ist keine Selbstzerstörung, sondern eine Verschiebung des Gebrauchswert, der im gesamten Objektbereich wandert.
Der letzte Gebrauchswert des Staates ist der faschistische: der Nationalismus, das Gefühl, dazuzugehören, auch wenn man selbst davon nichts hat.
Der Terrorismus, der den Staat zwingen will, sein wahres Gesicht zu zeigen, hat schon vergessen, daß der Staat gesichtslos ist; er gleicht sich selber dem an, was er für das „wahre Gesicht des Staates“ hält. Wer glaubt, dem Staat den Spiegel vorhalten zu können, vergißt, daß der Staat blind ist.
Kann es sein, daß das Modell für die astrophysikalische Theorie des „schwarzen Lochs“ in dem zu suchen ist, was die analsadistische Sprache ein „Arschloch“ nennt?
Gehören nicht die Theorien vom Urknall wie vom schwarzen Loch zu den Legitimationskonstrukten der Naturwissenschaften, die von den Ursprungs- und Zielphantasien, die sie zugleich zu neutralisieren gezwungen ist, sich nicht lösen können?
Zieht sich nicht heute das Opfer der Vernunft, welches Adorno im Ursprung der Zivilisationsgeschichte erkennt, auf den einen Punkt der Verwerfung der Theologie zusammen? Das fast Irrsinnige daran ist, daß die Verwerfung der Theologie selber aus einer theologischen Tradition sich speist, die auf den Kern der christlichen Tradition zurückweist. Der Ursprung des Säkularisationsprozesses liegt in der Ursprungsgeschichte der Orthodoxie, der Bekenntnislogik. Er liegt an genau dem Punkt, als die Theologie einen Gebrauchswert bekam (für den Staat, aber auch für die Geschichte des Ursprungs und der Entfaltung des Herrendenkens, der Vergesellschaftung von Herrschaft). Der Gebrauchswert der Theologie ist der Quellpunkt ihrer Instrumentalisierung, die ihren Grund in der Opfertheologie hat.
Paradigmatisch für den Gesamtumfang des Problems des Gebrauchswerts ist der Jugoslawienkonflikt (wahnsinnige Vorstellung, daß dieser Konflikt auf eine frühe bundesrepublikanische Intervention, auf ein Projekt der Destabilisierung Jugoslawiens durch den BND unter der Leitung von Klaus Kinkel, des heutigen Außenministers der BRD, sich zurückfnhren läßt).
Hätte nicht Sloterdijk, der Autor der Kritik der zynischen Vernunft, diesen Vorgang erkennen mnssen? Ja, wenn er nicht selber seine Kritik am Ende ins Affirmative umgebogen, als Ausweg den Kynismus empfohlen hätte. So wurde aus der Kritik der zynischen Vernunft ein Stück Schwabinger Philosophie.
Nach kabbalistischer Tradition sind die sechs Richtungen des Raumes auf sechs göttliche Namen versiegelt. Die Vermutung, daß diese Siegel unter Einschluß des siebten Siegels (des Sabbats, als dessen Herr der Menschensohn sich zu erkennen gegeben hat) in den sieben unreinen Geistern (in der Gestalt der Maria Magdalena) und in den sieben Siegeln der Apokalypse sich wiederfinden, mag vielleicht ein Licht nach beiden Seiten werfen.
Zur Astrologie: In welcher Beziehung stehen die Venus zum Mond, der Mars zum Jupiter und der Merkur zur Sonne? -
8.1.96
„… in den Sozialwissenschaften (hat) der Wettstreit der Paradigmen einen anderen Stellenwert als in der modernen Physik. Die Originalität der großen Gesellschaftstheoretiker wie Marx, Weber, Durkheim und Mead besteht, wie in den Fällen Freud und Piaget, darin, daß sie Paradigmen eingeführt haben, die in gewisser Weise heute noch gleichberechtigt konkurrieren. Diese Theoretiker sind Zeitgenossen geblieben, jedenfalls nicht in demselben Sinne ‚historisch‘ geworden wie Newton, Maxwell, Einstein oder Planck.“ (Theorie des kommunikativen Handelns, S. 201) Hier weiß Habermas nicht, wovon er redet. Newton, Maxwell, Einstein oder Planck sind sicher in einem sehr viel genaueren Sinne „aktuell“, als es Weber, Durkheim und Mead, oder auch Piaget, je gewesen sind. Wer die Naturwissenschaften von Kopernikus/Newton bis Einstein/Planck heute entschlüsseln, wer sie erkenntnis-, und d.h. herrschaftskritisch begreifen würde, wäre einer kritischen Theorie der Gesellschaft näher als die Habermassche Theorie des kommunikativen Handelns.
Die drei Stufen der modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnis lassen sich als Phasen der Erkenntnisumkehr begreifen:
– die Mechanik als universale Richtungsumkehr (von allen Seiten hinter dem Rücken: der umgestülpte Raum),
– das Gravitationsgesetz als Objekt- und Begriffsumkehr (es macht das Ungleichnamige gleichnamig) und
– die Maxwellschen Gleichungen und das Gesamtsystem der durch die Lichtgeschwindigkeit bestimmten Erscheinungen als Zeitumkehr, die im Phänomen der Lichtgeschwindigkeit selber enthalten ist (Paradox eines mit Lichtgeschwindigkeit bewegten Objekts).
Modell dieser Umkehrungen ist die Etablierung und Entfaltung des Selbsterhaltungsprinzips in der vom Tauschprinzip beherrschten Gesellschaft.
Der Marxsche Satz, der die Waffe der Kritik an die Kritik der Waffen bindet, enthält den Hinweis, daß die Revolution heute auch ein Problem der Kritik der Logik ist. Eine Herrschaftskritik, die nicht zugleich die Kritik der Herrschaftslogik mit einschließt, bleibt in der Herrschaftslogik gefangen und stärkt die Macht des Staates.
Der Begriff des „herrschaftsfreien Diskurses“ steht unterm Unschuldsbann; gemeint ist der schuldfreie Diskurs, ein Diskurs, der glaubt, von der Schuldverstrickung sich freihalten zu können. Aus der Schuldverstrickung aber gibt es nur den einen Weg der Schuldreflexion, und die führt nber die Herrschaftsreflexion. Der herrschaftsfreie Diskurs glaubt, die Last abwerfen zu können, von der sich nur befreit, wer sie auf sich nimmt.
Steht nicht Habermas‘ Konzept eines herrschaftsfreien Diskurses in der Tradition der Opfertheologie, und zwar in ihrer protestantischen Version als Rechtfertigungslehre?
Weder die raf noch ihre Verurteilung löst das Problem, deren Symptom die raf ist. Die Trennung von Theorie und Praxis ist ein Teil des technologischen Verständnisses der Wirklichkeit und zugleich ein Instrument der Instrumentalisierung der Moral: Die raf und ihre Verurteilung unterliegen dem gleichen logischen Bann.
Ist nicht Petrus wirklich der Fels, und ist nicht die Selbstreflexion dieses Felsen die Voraussetzung der Ersetzung des steinernen durch ein fleischernes Herz? Ist Petrus der Stein, gleich einem großen Mühlstein, der ins Meer geworfen wurde, und ist die Kirche dieser ins Meer geworfene Stein (vgl. Off 1821)?
Wenn nach dem Strafrecht nicht das Töten, sondern der Mord bestraft wird, hat dies auch den Zweck, das Militär aus dieser Regelung herauszunehmen, d.h. dem Staat das Recht zu töten (oder zumindest das Recht, das Töten zu exkulpieren) zu lassen. Das aber begründet die Vermutung, daß es bei der Bestrafung des Mords nicht um die Bestrafung des Tötens geht, sondern um die Bestrafung der Anmaßung eines Rechts, das der Staat sich vorbehalten will. Deshalb ist der Mord kein Tatdelikt, sondern ein Täterdelikt, deshalb wird der Mörder bestraft, nicht der Mord.
War nicht die mittelalterliche Eucharistiefrömmigkeit das Opfer einer Logik, die dem Tauschprinzip sich verdankt, war nicht das Modell der Transsubstantiation die Beziehung von Ware und Geld? Der wirkliche Leib Christi wäre das Brot, das gebrochen wird, das Brot, das man mit den Hungrigen teilt, nicht das Brot, das man als einzelner oder in Gemeinschaft ißt.
Welchen Ursprung haben die englischen Begriffe mankind (kind: Gattung, Sorte, Art; adj. freundlich) und woman?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie