Die Bewußtseinsgeschichte ist in die politische Geschichte eingebunden: Bezieht sich nicht die große Prophetie auf die Geschichte des Ursprungs der (assyrischen und babylonischen) Großreiche? Die Verinnerlichung des Opfers (und das Ende der Prophetie) ist ein Teil des politisch determinierten Ursprungs des Weltbegriffs.
Bekenntnisfragen sind Machtfragen. Deshalb ist Überzeugen unfruchtbar.
Doppelbedeutung des Seins (und Doppelbedeutung des Sinns, die in der des Seins begründet ist): Die verandernde Kraft des Wörtchens „ist“ gründet darin, daß es das An-sich zu einem Für-mich macht; und das läuft über das Prädikat und den Begriff: seine Eigenschaften machen das Ding (so wie der Begriff das Objekt) verfügbar.
Wenn der speziellen Relativitätstheorie zufolge die Zeit richtungsbezogen ist, wären dann nicht drei (sich wechselseitig durchdringende) Chronologien anzusetzen: durchsetzt mit katastrophischen Zeitbrüchen? Bezieht sich nicht die Geschichte der drei Leugnungen auf diese Zeitbrüche?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind Formen der Selbstzerstörung ihrer eigenen Grundlagen: die Form der äußeren Anschauung zerstört das Licht und das Sehen, die der inneren Anschauung die Erinnerung. Beide sind Produkte der Instrumentalisierung des Todes (der Opfertheologie).
Ist nicht die Opfertheologie der Greuel am heiligen Ort (und das Substantiv ein Produkt der Opfertheologie)?
Hängt nicht der Begriff der Allseitigkeit in der marxistischen Tradition mit der Herrschaft des Tauschparadigmas zusammen?
Es gibt keine Verwaltung ohne Kollektivschuld. Die Kollektivschuld ist das Subjekt-Objekt der Verwaltung.
Der Unterschied zwischen Himmel und Erde und der Welt drückt sich auch in ihrer Beziehung zur Schöpfungsvorstellung aus: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“. Der Schöpfungstheologie zufolge aber „hat Gott die Welt erschaffen“. Es ist der Unterschied zwischen Imperfekt und Perfekt.
Ziel des „Rechtsstaats“ ist nicht die Gerechtigkeit, sondern die Entsühnung der Welt: die Exkulpation der Bürger.
Wenn nicht Ham, sondern Kanaan vom Fluch wegen der Sünde Hams getroffen wird, ist das nicht das Urteil über die „freie Marktwirtschaft“, aber auf keinen Fall eine Begründung der Apartheid, des Rassismus? Hängt Kanaan mit Merkur und Hermes zusammen?
Der jüdische Tempel war das Haus des Namens Gottes: Rührt nicht die Idee des Heiligen an den Grund der Sprache, an den Grund ihrer Beziehung zur Logik der Schrift? In welcher Beziehung stehen die Ideen des Heiligen und des Ewigen?
Die Vertauschung von Genitiv und Dativ ist an bestimmte Konstellationen, insbesondere an ihre Verknüpfung mit bestimmten Präpositionen gebunden. Kann es sein, daß es hierbei um die Gewinnung eines Begriffs der Objektivität geht, die gegen Begründungsforderungen als immun sich erweist? Für die Medien spaltet die Sprache sich auf in das bloß feststellende, konstatierende Sein und die Meinung dazu. Die Meinung wird aber erst zur Meinung, wenn sie den Anspruch auf eingreifende Kraft leugnet. Die Meinung läßt die Dinge, wie sie sind. Die feststellende Gewalt der kommunikativen Wahrnehmung hebt die Veränderbarkeit (das Flüssige) nicht auf, sondern verdrängt sie bloß. Der Indikativ (die durch die ästhetische Grenze von den Dingen getrennte Sprache des Zuschauers) stabilisiert das Herrendenken, entzieht der Kritik den Boden. Die Trinitätslehre macht Gott zu einem ästhetischen Objekt.
Wenn die Sprache im Namen Gottes gründet, dann hat Gott in der Sprache uns sich selbst offenbart.
Die Ontologie ist die Leugnung der Idee des Heiligen und der des Ewigen zugleich.
Marxismus
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9.8.1995
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9.5.1994
Es ist das Anschauen, das das Angesicht verdrängt und es durch Vorstellungen ersetzt. Das Anschauen als die reine Abstraktion vom Blick des andern, vom Gesehenwerden (der Ursache der Scham), ist zugleich die vollständige Identifikation mit dem Blick der anderen; darin gründen die Formen der Anschauung, die das Anschauen endgültig taktlos und voyeuristisch machen: zum Anblick der Blöße, die die Selbstverdammung zur Knechtschaft nach sich zieht. Die Idee einer „Anschauung Gottes“ ist die Kurzform der Theologie hinter dem Rücken Gottes, Grund der Idee des Absoluten, der Logik des autistischen Gottes. Die Neutralisierung und Verdrängung der Asymmetrie zwischen mir und den andern (die Subsumtion des Ich unter das Alle) geht nur über die Identifikation mit dem Anderssein (den Ursprung des Weltbegriffs) und die Leugnung des Selbst. Die Selbstverleugnung ist keine theologische Kategorie. Die Funktion und Bedeutung des Begriffs des Falls („die Welt ist alles, was der Fall ist“) läßt sich an dem ärztlichen „Wir“, das dem Patienten die Ehre des Subjektseins verweigert, das Ich des Patienten auslöscht („wie geht es uns denn heute“), ablesen. Emanationen der subjektiven Formen der Anschauung sind das Geld und die Bekenntnislogik. Die Bekenntnislogik (die Logik der „Weltanschauungen“) ist gleichsam die Innenseite der transzendentalen Logik: der entfaltete logische Sinn der Formen der Anschauung (die Logik des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, als welche die Form des Raumes wie auch die Zeit am Ende sich enthüllt). Ist das Verhältnis des Geldes zu den Waren das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften: das Geld das wahre hypokeimenon, oder auch die Wasser, die den Meeresboden bedecken? Die Idee der Seligkeit wird durch die Unsterblichkeitslehre nur abgelenkt und verwirrt, nicht erfüllt. Ist der grasfressende Behemoth (der Erstling der göttlichen Schöpfung) ein Monster (Hiob nachlesen)? Haben nicht die Kirchen den Teufel mit dem Satan ausgetrieben (war das die Verführung, der sie erlegen sind)? Und haben die Kirchen etwas mit dem Widersacher im Buch Hiob zu tun? Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres in der Apokalypse etwas mit den Planeten (mit der Astrologie) zu tun? Aber was bedeuten dann die zehn Hörner (und die sieben/ zehn Diademe des Drachen/ des Tieres)? Ist das archaische Lächeln (und das Lächeln der Seligen in Bamberg) ein Lächeln im Angesicht der Katastrophe; hat es nicht etwas mit dem Lächeln der Auguren zu tun? Und ist die Isaak-Geschichte die Ursprungsgeschichte dieses Lächelns? Die meisten Faschismus-Theorien tragen die Züge der Abwehr; deshalb erreichen sie ihren Gegenstand nicht. Gibt es überhaupt eine Chance, die Erfahrung, aus der der Faschismus erstanden ist, an sich herankommen zu lassen? Aber gründet darin nicht die Gefahr einer Transformation des Faschismus, der mit Sicherheit nicht in der gleichen Gestalt wiederkommen wird, in der er einmal da gewesen ist. Kontrafaktische Urteile haben eine Ähnlichkeit mit der Frage, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Sie lenken ab von den realen Problemen dieser Geschichte (dieses Planeten). Sie sind ein Element ideologischer Geschichtsschreibung; eine ihrer Brutstätten war der Marxismus, eine andere die nationalistische Geschichtsschreibung. Liegen nicht Auschwitz, aber auch die „Auschwitzlüge“ und die Friedhofschändungen von heute in der Konsequenz kontrafaktischer Urteile, sind sie nicht zu verstehen als der Versuch, die Geschichte zu korrigieren, ein einmal Versäumtes nachträglich doch noch in die Tat umzusetzen? Gehört nicht zum Schuldverschubsystem (dem Relativitätsprinzip wissenschaftlicher Erkenntnis) die Exkulpations- und Verteufelungslogik? Theologie im Angesicht Gottes ist der Versuch, in die Theologie die Idee der Auferstehung und das Bewußtsein des Jüngsten Gerichts mit hereinzunehmen. Die, die da sagen, daß die Deutschen nicht ewig im Büßerhemd herumlaufen können, wissen nicht, wovon sie reden: Was sie das Büßerhemd nennen, ist das weiße Kleid der Umkehr. Was sind das eigentlich für Christen, die das Wort Buße nur noch mit einem pejorativen Klang hören und aussprechen können (wie bei der „Büßerin“ Maria Magdalena, von der man sich nur noch hat vorstellen können, sie müsse es aber schlimm getrieben haben)? Ist der Menschensohn (der bar enasch) der Sohn des Enosch, in dessen Lebenszeit man anfing, den Namen des Herrn anzurufen? Mit der Sprengung des All hat Rosenzweig die Form des Raumes gesprengt, die drei „Freiheitsgrade“ des Raumes aus ihrer orthogonalen Verklammerung (aus ihrer Beziehung zum All, zum totalisierenden Weltbegriff) gelöst und als Freiheitsgrade in einen neuen Zusammenhang gerückt, in dem sie als Umkehr, als Name und am Ende als Angesicht sich enthüllen? Problem des Schreibens: Das Ganze ist durchsichtig und klar, aber immer, wenn ich es niederschreiben will, wird es chaotisch und undurchsichtig. Kann es sein, daß das Schreiben die Sache der gleichen Logik unterwirft, deren Destruktion die Voraussetzung dafür ist, daß sie klar und durchsichtig wird? Dann wäre der Knoten gelöst, wenn es gelänge, die Logik des Schreibens mit in die Reflexion und Kritik einzubeziehen (dem Bücherschreiben ein Ende zu machen)? Wie hängt die Logik der Schrift mit der Logik der Welt zusammen? Ist die Logik der Schrift die Logik der Veranderung (das Äquivalent des Inertialsystems in der Sprache): der Objektbindung? Ist die Schrift die das finstere Geheimnis abschirmende Außenseite des Dings? (Liegt hier der Grund der Pseudepigraphie im apokalyptischen Schrifttum, in der mittelalterlichen Philosophie und Mystik und der geschichtswirksamen Fälschungen im Mittelalter, sowie nicht zuletzt die Lösung der Rätsel der Chronologie – der „Sumerer“ und Karls des Großen, aber auch der chronologischen Beziehungen zwischen der Abraham-, Moses-/Exodus-/Landnahme- und der Königsgeschichte Israels, der Zuordnung zu der Geschichte Chaldäas, Kanaans, Ägyptens, der Philister, Assurs und Babylons?)
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23.03.94
Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Katastrophe, aber bei gleichzeitiger Abstraktion von der Katastrophe. Prophetie ist keine umgekehrte Geschichtsschreibung, sie ist vielmehr der Einspruch gegen die Vorstellung, nach der die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Deshalb gehört zur Rekonstruktion des prophetischen Denkens die Kritik sowohl der Natur- wie der Geschichtswissenschaft, die beide davon ausgehen, daß die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Jeglicher Fundamentalismus – und auch der Stalinismus war ein (marxistischer) Fundamentalismus – steht unter dem Bann des eigenen Feindbildes. Ist die „Schwerkraft“ die Besiegelung der Leugnung des Angesichts? Hat nicht das newtonsche Gravitationsgesetz die Form des Lichts ursurpiert: die Reflexionsbeziehung der „Anziehungskräfte“ spiegelt die zugleich verdrängte innere Form des Lichts, die Einheit des Sehens und Gesehenwerdens, wider. Merkwürdige Wahrnehmung: die Masse wird immer gesichtslos genannt; aber beim Vorbeimarsch der Massen beim Führer hat jeder sich als vom Führer „persönlich angeblickt“ gefühlt. War das ein Schameffekt (und ist nicht auch die Gravitation ein Schameffekt, Produkt der Universalisierung der Scham)? Wer die Astrologie als die Wissenschaft der Chaldäer (der Sumerer?) begreift, begreift den Turmbau zu Babel. Bilden nicht die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte vom Sündenfall und die jahwistische Urgeschichte eine Konstellation, in der die Teile nur begriffen werden können, wenn das Ganze begriffen wird (in gewisser Hinsicht vergleichbar dem Zusammenhang von Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes im Hegelschen System)? Sie werden völlig verkannt, wenn sie historisiert und nur als vergangen angesehen werden, wenn das prophetische Moment darin, das, was die Aktualität, die Gegenwart, berührt, verdrängt wird. Wenn man einen Handschuh umstülpt, wird aus dem rechten ein linker. Ist das ein Bild der Beziehung von Barmherzigkeit und Gericht? In den alten Sprachen waren die Suffixe in erster Linie Determinanten, dann Grund und Mittel der Flexion, in den neuen Sprachen sind sie Mittel der Substantivierung (die die flektierende Sprache voraussetzt, aus ihr zusammen mit dem Inertialsystem hervorgeht). Welches ist die Bedeutung der Präfixe; wie ist ihre Beziehung zu den Präpositionen? Daß Joh 129 unters Nachfolgegebot fällt, ergibt sich aus dem Satz vom Binden und Lösen. Ist nicht die Mathematik, die alles erstarren macht (und damit alles verfügbar macht, instrumentalisiert), das steinerne Herz (Grund der Objektivierung, Verhältnis des Dogmas zur Mathematik)? Es gibt keine absolute Wahrheit, was jedoch nicht heißt, daß es keine Wahrheit gibt. Hat Hegel beim Übergang vom Sein zum Werden nicht das Haben vergessen? Und beschreibt der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht einen sprachlogischen Sachverhalt: Die Würde hängt in der Tat zusammen mit dem konjunktivischen Hilfsverb „würde“ und drückt das Nichtverdinglichte, und deshalb nicht Antastbare, aus. Damit hängt u.a. auch die heute so beliebte Sprachwendung „ich würde sagen“ zusammen. Was ich nur sagen würde (ich habe es ja nicht gesagt), entzieht sich der Anklage, der Kritik; die Wendung erfüllt eine exkulpatorische Funktion. Wie hängen die die Fremdbestimmung reflektierenden Hilfsverben des Handelns „müssen“, „sollen“, „dürfen“ zusammen? Die Gottesfurcht ist der Grund der Weisheit, weil sie der Grund der Fähigkeit zur Sprachreflexion ist. Am Begriff des Glücks läßt sich das alles durchkonjugieren: Glück haben ist etwas anderes als glücklich sein, und das wiederum ist zu unterscheiden vom würdig sein, glücklich zu werden (ist nicht dieses „würdig“ das Verbindungsglied zwischen der Würde und dem Hilfsverb „würde“?). Das Wort von der rechten und linken Wange in der Bergpredigt ruft nur deshalb einen solchen Widerstand (schon gegen das Verständnis des Wortes) hervor, weil heute fast alle ihr Ich an die Fähigkeit, sich rächen zu können, knüpfen. Wer auf Rache Verzicht leistet, entsagt dem Recht, Person zu sein. Hier liegt der wichtigste Grund des Rechtsstaats, der auch dort, wo ich selbst mich nicht rächen kann, für mich einsteht, die Rache stellvertretend für mich leistet. Deshalb brauchen wir Gefängnisse (und totalitäre Staaten Konzentrationslager). Wenn das Stichwort „Terrorismus“ fällt, setzt heute im öffentlichen Gebrauch der Verstand aus. Das beginnt in den Medien mit der geheuchelten Anteilnahme („die Kurden erweisen sich selber einen schlechten Dienst“) und endet mit der öffentlichen Präsentation der Mordlust („alle ins Flugzeug, und dann überm Meer: Klappe auf“). Und der deutsche Innenminister sagt’s dann auch nicht viel anders und hat offensichtlich große Mühe, die Wut, die seine Gesichtszüge und seine Sprache entgleisen läßt, noch zu beherrschen.
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13.09.93
Ist der Nationalsozialismus die Explosion des in der (Herrschafts-)Geschichte des Christentums Verdrängten (der Geschichte der Häresien)?
Der Stand der Theologie läßt sich am Stand des Verständnisses, der Interpretation der Blutsymbolik erkennen.
Die Trinitätslehre gehorcht einer Logik, die ihren Ursprung in der Trennung des Natur- und Weltbegriffs hat (Ursprung des Neutrums).
Das Inertialsystem entzieht der Forderung der Umkehr durch die Vorstellung der homogenen Zeit die damit verbundene Vorstellung der Reversibilität aller Richtungen im Raum den Grund.
Bezeichnen nicht die Dornen und Disteln, die Schlange und der Kelch den gleichen Sachverhalt, nur aus verschiedenen Perspektiven, und hängen sie nicht zusammen mit den drei Aprioris des Objektivationsprozesses: Raum, Geld und Bekenntnis?
Das Glaubensbekenntnis ist das Schuldbekenntnis der Natur; ihm liegt die Sünde der Welt zugrunde, die das Lamm (der Gottesknecht) auf sich nimmt. Ist nicht das Lamm die Naturalisierung des Gottesknechts? Und wird das Lamm nicht erst durch den Geist zum Gottesknecht?
Hat Erich Zenger nicht insofern Unrecht, als der unvermittelte Übergang von der Finsternis über dem Abgrund zum Sechstagewerk (zum „Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht“) eigentlich undenkbar ist. Dazu gehört der über den Wassern brütende Geist. Aber bezeichnet Erich Zenger mit dem Ausschluß von Gen 12b aus Pg (Gottes Bogen, S. 81, Anm. 97) aufs genaueste den parvus error in principio des Christentums, das diesen „brütenden“ Geist seit je durch einen „schwebenden“ Geist ersetzt hat (nur Franz Rosenzweig hat diese Berichtigung im „Stern“, Martin Buber hat in seiner Bibelübersetzung zwar die Alliteration „Braus“ beibehalten, dann aber doch das Brüten wieder in ein Schweben zurückgenommen)?
Der Weltbegriff ist der im Erkenntnisprozeß sich ausbreitende blinde Fleck (oder die aus den unteren Quellen einströmenden Wasser der Sintflut).
„Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt: es ist nicht wieder gutzumachen.“ – Ist nicht die Musik das Läuten aller Nachtglocken?
Das „Wenn die Welt euch haßt“ klingt schon bei Jeremias an im „Grauen um und um“, bei Thales in dem Satz „Alles ist Wasser“ (mit dem Thales das mythische Grauen bannt und die Philosophie begründet).
Die spezielle Realtivitätstheorie Einsteins ist insoweit ein Schritt über die kantische Erkenntniskritik hinaus, als sie im Erstarrungsprinzip des Inertialsystems erstmals das Moment der Subjektivität, seine verandernde Kraft, kenntlich macht. Es steht in der Tradition der Geschichten vom Baum der Erkenntnis, des Sündenfalls, der Erkenntnis des Guten und Bösen, der Nacktheit und der Scham, der Schlange und der Vertreibung aus dem Paradies, des Kerubs mit dem kreisenden Flammenschwert, der Sintflut mit der Noe-Geschichte und ihren herrschaftsgeschichtlichen Konnotationen, des Turmbaus zu Babel und der Verwirrung der Sprache, die alle zur Geschichte dieses Erstarrungsprozesses gehören. Deren letzte Phase wurde eingeleitet durch die Theologisierung (Hellenisierung) des Christentums, durchs Dogma und die Begründung der Bekenntnislogik, die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie (die theologische Begründung und Absicherung des Weltbegriffs, mit Hilfe der Fehlübersetzung von Joh 129).
Müßte Joh 129 nicht so übersetzt werden: Seht den Knecht Gottes, der die Sünde der Welt auf sich nimmt? Jesus hat denen, die ihm nachfolgen, nicht die Last abgenommen, er hat sie ihnen aufgehalst (und sie genau dadurch von der Last befreit).
In Publik-Forum gab es einmal einen Sonderteil mit dem Titel: Gott will keine Knechte. Abgesehen davon, daß dieser Titel aus der Geschichte des deutschen Nationalismus stammt (der Gott, der Eisen wachsen ließ …), würde in der Linie seiner Konsequenz nicht die Streichung von Deuterojesaia, des Gotteslammes und der Apokalypse liegen? Wer aber den Gottesknecht im Gotteslamm verschweigt, will nur noch Lämmer.
Prophetie und Aktualität:
– Korrespondenz der Gegenwart (des Weltuntergangs) mit der altorientalischen Geschichte (Ursprung des Weltbegriffs);
– Ursprung des Staates (Privateigentum), des Geldes (Schuld-knechtschaft, Tempelwirtschaft, Idolatrie), der Schrift (Astronomie);
– babylonischer Turm: Sprachverwirrung (hebräische und indogermanische Sprache, Hebräer und Barbaren, Philosophie und Prophetie)
– Welt- und Naturbegriff (Ursprung und Ende der Naturwissenschaft; Dogma: Theologie als Naturwissenschaft; Weltbegriff als blinder Fleck: abzuarbeiten über den Begriff der prophetischen Erkenntnis);
– im Kern Jeremias:
Im Bereich der Verwandtschaft meiner Eltern wurden in jedem Dorf die Diphtonge anders ausgesprochen (in Erkeln: Mäuse = Miuse). Läßt nicht auch die Aussprache des Niederländischen sich aus dem Trieb ableiten, das eu = oi zu vermeiden? Kann es sein, daß der Erfolg der Nazis daher rührt, daß der Name Deutscher zunächst als fremd, dann aber als Nobilitierung erfahren wurde? Sich als Deutscher fühlen zu dürfen, war wie die Verleihung eines Adelstitels. Dieser Name war ein Kollektivum: Vergesellschaftung eines Plural majestatis. Zu den Konstituentien des Namens der Deutschen gehörte das „Im Felde unbesiegt“, nach der realen Niederlage gleichsam ein geheimer, esoterischer, jedenfalls öffentlich nicht anerkannter Ehrentitel, der heute wieder aus dem kollektiven Unbewußten hochkommt (im Zeigen der Reichskriegsflagge sich manifestiert) und in den Exzessen der Neonazis sich auskotzt. Die Niederlagen in den großen Kriegen waren das größte Unrecht, das den Deutschen angetan worden ist. Denn „eigentlich sind wir die Herren der Welt“, gleichgültig ob die andern uns anerkennen oder nicht (an der Anmaßung der Ausländer, die etwas davon zu ahnen scheinen und deshalb hier in Massen einströmen, um an unseren mystischen Privilegien teilzuhaben, rächt sich die verdrängte Wut). Beweisen nicht der Reichtum hier und die Asylantenflut, die daran Anteil gewinnen möchte, die metaphysische Auszeichnung der Deutschen? Darin steckt das finstere Geheimnis der (heideggerschen) „Eigentlichkeit“.
Steckt nicht auch in der Rechten ein Erbe der vulgärmarxistischen Tradition. Liegt hier nicht ein ebenso ironischer wie fataler Beweis der Nolteschen These von bolschewistischen Abkunft des Nationalsozialismus? Vom dialektischen Materialismus ist nur der Neid übriggeblieben, der die Idee der richtigen Gesellschaft von innen zerstört. -
18.08.93
Nur Gott blickt ins Herz der Menschen: Nur so (nicht unmittelbar: Gott ist kein Historiker) nimmt er Welt und Geschichte und den Stand der Dinge wahr, die Distanz zur Erlösung. Das göttliche Urteil über einen jeden (und dessen Aufzeichnung im „Buch des Lebens“) ist nicht ein Urteil, das Gott über uns fällt, sondern die uns zugewandte Seite des göttlichen Blicks (sein Angesicht), die sich uns allein in dem Versuch, die Gegenwart zu begreifen und zu bestehen, zuwendet: Heute, wenn ihr seine Stimme hört.
Der Name des Logos verkehrt sich in sein Gegenteil, wenn man Joh 129 mit „hinwegnehmen“ (anstatt „auf sich nehmen“) übersetzt. Das Hinwegnehmen sanktioniert das Herrendenken und vermehrt die Last, während allein das Auf-sich-Nehmen von der Last befreit.
Mt 1128ff: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch Ruhe geben. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.
Wer die sogenannten Rache-Psalmen Rache-Psalmen nennt, fühlt sich getroffen.
Wer die Geschichte der Naturwissenschaften nur als eine Geschichte des Erkenntnisfortschritts in einer Welt, die durch die Naturwissenschaften nur erkannt wird, versteht, entzieht der Kritik der politischen Ökonomie den Boden. In diesem Kontext gäbe es zu dem als gesellschaftliche Natur- und Herrschaftswissenschaft verstandenen Marxismus keine Alternative.
Hat nicht der faschistische Modernisierungsschub insbesondere dem Bekenntnis-Nationalismus, dem Bekenntnisstreit generell, den Boden entzogen mit der Folge, daß es ihn in Deutschland eigentlich nicht mehr gibt. Gewalt ist nicht mehr rechtfertigungsfähig (und Begründungen nehmen immer mehr den Charakter der bloßen Rechtfertigung an), sie ist so nackt, brutal und obszön geworden, wie sie im Kontext der Xenophobie heute dann auch tatsächlich sich darstellt. Die weitere Folge ist, daß die Konfessionen in Deutschland immer deutlicher als konkurrierende Religions-Kartelle begriffen werden, und daß niemand mehr von ihnen erwartet, sie könnten noch einmal die Erfahrung der Welt aufschlüsseln, sie auf die Idee des seligen Lebens hin durchsichtig machen. Die Religionen sind zu einem Teil des Systems der freien Marktwirtschaft geworden, zu dem es keine Alternative mehr gibt. Karl-Heinz Haag hat es einmal in einer Vorlesung zur Religionsphilosophie auf den Punkt gebracht: Nachdem die harten wirtschaftlichen Fakten die Realität bestimmen, hat die Religion ihre raison d’etre verloren.
Mit der Auflösung und endgültigen Neutralisierung des Bekenntnisprinzips haben die Religionen ihre identitätsstiftende Funktion verloren. Das ist zuerst in der Existenzphilosophie bewußtlos wahrgenommen worden. Nur in der Provinz: In Nordirland, in Jugoslawien, im Baskenland, in Bayern und im Münsterland gibt es noch verwesende und vergiftete Reste der Bekenntnisidentität.
Liegt nicht das Problem des Weltbegriffs in dem Unvermögen, auch die Vergangenheit ins Reine zu bringen?
„Wenn du nun deine Opfergabe zum Altar bringst und dort eingedenk wirst, daß dein Bruder etwas wider dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar und geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und bringe deine Gabe dar.“ (Mt 523f) Entspricht das nicht dem „Nimm die Sünde auf dich und dann opfere sie“?
Im Inertialsystem ist das Hören und Sehen vergangen: Es ist die nicht mehr aufzulösende (gegen jede Versöhnung sich sperrende) Erinnerung, „daß dein Bruder etwas gegen dich hat“.
Der Weltbegriff ist das Ergebnis des nur durchschlagenen, nicht gelösten Knotens. Er begründet und exkulpiert das Herrendenken (die Leugnung der Schöpfung), während gleichzeitig der ihm korrespondierende Naturbegriff die Knechtschaft verewigt (und die Auferstehung leugnet). -
11.08.93
Ist nicht die Bühne ein Inertialsystem, und das Schauspiel, die Oper ein ästhetisches Korrelat der Physik?
Opfer, Tragödie, Schauspiel: Ist das nicht ein Teil der Geschichte der Ausbildung der Raumvorstellung?
Hat die Salbung des Königs etwas mit der Einbalsamierung der Toten, insbesondere des Opfers, zu tun? Ist der König nicht das gerettete (das wieder auferstandene) Opfer, der Kaiser hingegen die Verkörperung des philosophischen Monotheismus (der Einheit der Welt)? Was bedeutet dann die Krone, hatten die israelischen Könige eine Krone (David: 1 Sam 1230, 1 Chr 202; Joasch: 2 Kön 1112, 2 Chr 2311)? Ist die Krone der Kranz des Siegers oder der Kranz des Siegers ein Abbild der Krone? Hat nicht (nach der Legende) Karl der Große sich selbst die Krone aufs Haupt gesetzt?
Natur und Welt werden durch den Einbruch der Subjektivität (genauer: der Intersubjektivität) getrennt.
Es fehlt eine Kritik der indogermanischen Sprachen.
Reicht nicht Rosenzweigs Bemerkung, daß das Äquivalent der modernen Technik in der alten Welt die Rhetorik gewesen sei, tiefer, als er selbst es gewußt hat: Sind nicht die sogenannten klassischen Sprachen des Altertums Ingenieursprodukte?
Was verändert sich in der Sprache mit und nach der Entdeckung der Schrift? Welche innersprachlichen Voraussetzungen müssen für die Entwicklung der Schrift gegeben sein, und welche Rückwirkungen hat die Schrift auf die Sprache (Zusammenhang mit der Tempelreligion, dem Tempelbau, der Tempelwirtschaft: War die Schrift der Turm von Babel)?
Ist das Christentum nicht ein Produkt der griechischen und lateinischen Tradition, bei gleichzeitiger Instrumentalisierung der jüdischen (wodurch unterscheiden sich die griechischen von den lateinischen Kirchenvätern)?
Welche ökonomische Entwicklung liegt der Entdeckung des Winkels und welche der des Inertialsystems zugrunde?
Auf das Futur II und die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit antwortet der Logos mit einer Art Zeitumkehr: mit der Übernahme der Sünde der Welt und der Hereinnahme der schöpferischen Kraft des Wortes in die Schöpfungsidee. Wird hier nicht verständlicher, was mit dem homologein gemeint ist? Und gewinnt nicht erst hier das von den Kirchen entsetzlich verharmloste Wort vom Binden und Lösen seinen ungeheuren Sinn?
Sind nicht die drei evangelischen Räte Ansätze oder Teile des Versuchs, den Wiederholungszwang endlich zu durchbrechen, der Katastrophe, die darin besteht, daß es immer so weitergeht, Einhalt zu gebieten?
War nicht der Untergang des Zweiten und Dritten Reiches (die Ergebnisse der beiden Weltkriege) ein zweistufiger Weltuntergang? Oder waren sie nicht die Nachwehen (und ein spätes schreckliches Echo) jenes Weltuntergangs, dessen Zeuge Hegel war? Ist nicht das Erste Reich untergegangen, als Hegel seine Phänomenologie des Geistes schrieb?
Der 68er Marxismus war von einer erschreckenden Banalität, eigentlich doch nur ein Rechtfertigungskonstrukt privater Probleme der 68er Generation: der Generation der verlorenen Söhne. Sie lebten von dem Gefühl, neu und unbelastet in die Welt gekommen zu sein und haben die Last der Vergangenheit (auch in ihnen selber) offenkundig falsch eingeschätzt.
Zum Weltbegriff: Wird hier nicht seit seinem Ursprung eine entstehende Atombombe mit einem Rettungsboot verwechselt? Die Geschichte der Welt ist das Maß für das Anwachsen der kritischen Masse der Selbstzerstörung.
Kritik des Weltbegriffs als Weissagung des Jüngsten Gerichts: Das Jüngste Gericht ist das Gericht der Barmherzigkeit über das Weltgericht.
Das Zeichen des Jona: Jona, der vor dem Prophetenamt nach Tarschisch flieht, wird ins Meer geworfen, vom großen Fisch verschlungen, betet im Bauch des Fischs, wird wieder ausgespien und geht dann nach Ninve, um zu verkünden: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört. Und welche Folgen hatte das?
War die BALM der große Fisch?
Wo und in welchem Kontext kommt die Auferstehung im AT vor (Jes 2619, Ez 37, Dan 122f, Hos 1314, 2 Makk 79, 1244f)? Alle im Zusammenhang mit der Unterwerfung Israels unter die Weltreiche (Assur, Babylon, Griechen)?
Privatexistenz heute: das Ersticken im Komfort; das Fernsehen: der Schnuller im Mund; die Medien als Drachenfutter? Aufgabe der Medien heute: den Leuten die Welt, von der sie leben, vom Leibe halten?
Wäre nicht Habermas‘ Strukturwandel der Öffentlichkeit endlich fortzuschreiben? Ist nicht Habermas der Mentor einer Wiederbelebung einer Theologie, die längst an den Naturwissenschaften erstickt ist? Gemeinsam mit Bloch, dessen große mystische Inspiration nach seiner marxistischen Bekehrung zur Rhetorik verdampft ist. Und wäre es nicht fortzuschreiben unter dem Aspekt:
– Distanz zu den Frankfurtern (Verwerfung der Idee einer Rettung der Natur) und
– im Hinblick auf die gegenwärtige Engführung des „Strukturwandels der Öffentlichkeit“ selber (die Hilflosigkeit und die Ohnmacht der Öffentlichkeit gegen dem, was jetzt sich zuträgt: Zusammenbruch des Ostblocks und Nichtgelingen der „Wiedervereinigung“, Ausbruch der Nationalismen, Verschärfung der ökonomischen Weltsituation; Fremdenhaß, Haß auf das Sichtbarwerden von Armut, Situation der Frauen)
Hat nicht Habermas mit dem Ausklammern der „Naturfrage“ der Erinnerungsarbeit die Wurzeln abgeschnitten, dem einzigen Hilfsmittel gegen eine immer mehr in der eigenen Logik sich verstrickenden Öffentlichkeit? Ist der Verzicht auf die Kritik an den Naturwissenschaften nicht der Grund für den affirmativen Öffentlichkeits- (und Welt-) Begriff, an dem Habermas festhält, und der seinem Diskurs-Konzept zugrundeliegt (und ihn so harmlos macht)? Ist nicht die Abwehr der Postmoderne (ein Gemeingut der Habermas-Schule) die Abwehr dessen, der sich ertappt fühlt? Ist nicht die Verwechslung des Fremden mit dem Andern das, was die Habermas-Schule mit der Postmoderne verbindet, nur daß Derrida daraus die logischen Konsequenzen zieht, während Habermas die Früchte der Frankfurter Schule weiterhin ernten möchte, aber den Baum längst abgehauen hat? Weiter hilft nur die Einsicht, daß der Begriff des Anderen systemimmanent bleibt (und das Anwachsen der kritischen Masse mit befördert), während nur der des Fremden das System sprengt (bzw. die Sprengkraft des Systems auflöst). Zum Adorno/Benjaminschen Konzept der Säkularisierung aller theologischen Gehalte: Diese Säkularisierung setzt die Erinnerungsarbeit voraus, die Rekapitulierung der theologischen Gehalte. Denn: Auch die Naturwisenschaften sind eine Gestalt der restlosen Säkularisation der theologischen Gehalte, aber eine bewußtlose und die automatische und universale Verdrängungsarbeit fördende. Opfertheologie und Christologie sind Gestalten einer Logik, deren blindes und bewußtloses Fortwirken in den Zivilisationsprozeß selber eingewandert ist und, um des Begreifens dieses Prozesses willen, durch Erinnerungsarbeit der Bewußtlosigkeit zu entreißen ist.
Die Physik ist der Stein vorm Grab der Vergangenheit: Wer wird ihn fortwälzen?
Die ersten sechs Siegel (Off 6): die vier apokalyptischen Reiter, die Seelen der Märtyrer und Sonne, Mond und Sterne (die vom Himmel fallen wie ein Feigenbaum seine Blätter abwirft).
Muß nicht, wer die Lehre von der Auferstehung ernst nimmt, die Unsterblichkeitslehre, die die Welt verrät, indem sie sie affirmativ rezipiert, verwerfen?
Zur prophetischen Tradition: Neben dem Votum für die Fremden steht das für die Witwen und Waisen, wobei das für die letzten beiden gemeinhin zusammengefaßt wird als Votum für die Armen. Aber gehören die Frauen (die Witwen) nicht konstitutiv zu den Armen: Wer sind die Witwen? Sind es nicht die, die wie die Fremden und die Armen nur noch herausfallen aus den Strukturen des Patriarchats? Die Töchter leben unter dem Schutz des Vaters, die Frauen unter dem ihres Mannes, aber die Witwen fallen nur noch heraus. Müßte es heute nicht heißen: das Votum für die Fremden, die Armen und die Frauen?
Wo wurde das Konzept der „narrativen Theologie“ entwickelt? Verdacht der Ambivalenz: Ist es nicht auch ein Kozept der Remythisierung, der Neutralisierung des kritischen Gedankens? (Gefahr, daß mit dem Urteil, dem Begriff, auch das Gebot, die Lehre, verworfen wird.) -
06.08.93
Die Reversibilität aller Richtungen im Raum ist der Grund der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und die absolute Verhinderung der Umkehr. Das Tote ist das Produkt der Verweigerung der Umkehr.
Ist nicht die Philosophie eine Seitenansicht des Mythos, in der die Formelemente erhalten bleiben, aber die Inhalte sich gleichsam in Luft auflösen. Ein zweiter Schritt des Herrendenkens; den dritten hat dann das Christentum getan (mit der dogmenbegründenden Ausbeutung der Ambivalenz des Oben/Unten-Paradigmas).
Was bedeutet eigentlich der Satz: Musik erfüllt den Raum? Edgar Morin hat einmal darauf hingewiesen, daß im Kino Musik die Funktion erfüllt, den flachen Bildern des Films Tiefe und Plastizität zu verleihen. Ist die Musik nicht (im Rosenzweigschen Sinne) eine Weissagung der Einheit von Licht und Sprache? Und ist es nicht auch von daher begründet und sinnvoll, in der Philosophie der Neuen Musik den Teil über Schönberg auch auf Einstein zu beziehen?
Zu den Konnotationen des Wassers: Schicksal, Sintflut, Rotes Meer, Taufe, der Geist Gottes über den Wassern und die Trennung der unteren von den oberen Wassern. Sind die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn am Ende wiederkehren wird, Projektionen der unteren Wasser in die obere Welt (Produkt der Subsumtion der oberen Wasser unter die Vergangenheit, die Entstellung und Vertreibung des Segens)?
Wir sind die Sintflut, die über die Welt gekommen ist.
Zum Wunder von Kana: Waren es nicht Reinigungskrüge, und war es nicht im Kontext einer Hochzeit, und fällt hier nicht das Wort: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Seine Jünger waren mit dabei, jedoch merkwürdig stumm. Man hat das Gefühl, sie sitzen nur dabei, sperren Nase, Mund und Ohren auf, und verstehen nicht, was hier vorgeht.
Ist nicht die Geschichte von David, dem Hetiter Urijas und seiner Frau Batseba (der Mutter des Salomo) typologisch (der messianische David, Batseba, die Frau des „indogermanisch“-hetitischen Urijas, und Salomo, der Sohn der Batseba)?
Zur Geschichte von den drei Leugnungen: Ist nicht
– die Magd des Hohepriesters die Theologie, und sind nicht
– die Umstehenden die Welt?
Und lassen sich nicht die drei Leugnungen ohne Mühe auf die Anfragen
– der Juden (und den kirchlichen Antijudaismus und die Kirchenväter),
– des Islam (und die Scholastik) und
– der modernen Aufklärung (und die Unfähigkeit der Kirche, darauf noch rational und – aufgrund der Selbstreferenz, der Rückbeziehung auf die erste Leugnung – unterm selbstverschuldeten Rechtfertigungszwang ohne Selbstverfluchung zu reagieren), sich beziehen?
Die Welt ist nicht nur, wie bei Heidegger, das Vorhandene und das Zuhandene; die Einschränkung des Weltbegriffs auf diese beiden Attribute schließt das Moment der Selbstverfluchung mit ein (das Vorlaufen in den Tod, die Entschlossenheit).
Der Heideggersche Begriff der Frage, die heroische Leugnung der Beantwortbarkeit der „eigentlichen“ Fragen, ist die letzte Konsequenz des Nominalismus: die Leugnung des Namens, die letzte Leugnung der Erwartung, daß das Wort sich erfüllt (Heidegger: das letzte Objekt der Sintflut – vgl. das In-der-Welt-Sein, die Entschlossenheit, das Vorlaufen in den Tod, die selbstverschuldete Verstrickung in den alternativlosen Gegensatz des Vorhandenen und Zuhandenen, Folge der Verführung durch die indikativische Logik der Fundamentalontologie, oder: die Selbstneutralisierung durch Eigentlichkeit). Die Fundamentalontologie identifiziert den Infinitiv Sein (aufgewertet zum Seyn) mit dem Possessivpronomen der dritten Person sing. masculinum und neutrum (und findet sein biblisches Gegenstück im Staubfressen der Schlange).
Der Existentialismus, und zwar schon der Kierkegaardsche, dispensiert von der Logik; daher kommt es, daß es zur Struktur des Sterns des Erlösung bis heute, abgesehen von den Ansätzen bei Stephane Moses, keine wirklich zureichenden Analysen gibt. Erst eine produktive und konstruktive Analyse des Sterns, dieses kunstvoll verschlungenen Systems, befreit die Rosenzweig-Rezeption vom Stammeln.
Vater und Mutter ehren heißt auch, ihre Dummheiten begreifen.
Heißt parakletisches Denken nicht, in der von den Vergangenheiten beherrschten Welt die Gegenwart wieder zu entdecken?
Die Instrumentalisierung des Marxismus in diesem Jahrhundert und der Theologie vor 1600 Jahren zum Herrschaftswissen waren nur möglich, solange sie das herrschaftskritische Moment, das beide enthielten, projektiv nach außen wenden konnten, anstatt es reflexiv in den Erkenntnisbegriff mit hereinzunehmen (wie Benjamin, Horkheimer und Adorno es im Anschluß an Georg Lukacs getan haben). Aber ist das heute nicht erst dann möglich, wenn das projektive Moment in den Fundamenten unserer Zivilisation, in dem ihre zugrundeliegenden Erkenntnisbegriffs selber (auch in der Kerndisziplin der Aufklärung: den Naturwissenschaften), begriffen wird?
Ist nicht der Hegelsche Begriff der Aufhebung eine subtile Entstellung des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt, und so, zusammen mit der List der Vernunft (die eine Selbstüberlistung ist: sie leugnet den Tod und ersetzt die Hoffnung auf Auferstehung durch die leere Unsterblichkeitslehre), der reallogische Grund des Absoluten? – Vgl. hierzu Zenger, S. 135f, das Kehl-Zitat. Ist nicht die Grundlage der Hegelschen Aufhebung (der Konstitution des Hegelschen Begriffs) die Ersetzung des Auf-sich-Nehmens durch das Hinwegnehmen? So hängt die Hegelsche Logik in der Tat mit der christlichen Trinitätslehre zusammen. Franz von Baaders Bemerkung über die Hegelsche Philosophie wäre zu ergänzen: Sie ist nicht nur das Auto da Fe der bisherigen Philosophie, sondern auch das der bisherigen Theologie.
Nur im Kontext der Auferstehungslehre ist der Satz im Stern zu begründen: Der Name ist nicht Schall und Rauch.
Ist nicht Simson, der, nachdem ihm die sieben Locken abgeschnitten waren, im Keller der Philister die Mühle drehen mußte, ein Typos der Theologie? Aber als ihm die Locken wiedergewachsen waren, hat er die Säulen eingedrückt und das Haus der Philister zum Einsturz gebracht. Waren es nicht Philister – wie vorher die Ägypter -, die die Israeliten Hebräer nannten?
Ist die griechische Sprache der Kelch, den seine Jünger trinken mußten?
Entspricht der systembegründenden Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip im Ursprung des Kapitalismus am Ende die aus Gründen der Systemerhaltung notwendige Rückkoppelung von Massen-Produktion und Massen-Konsum durch die Werbung (die Adorno zufolge den Tod verschweigt)? (Gibt es einen systemlogischen Zusammenhang mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, der speziellen Relativitätstheorie und seiner ungeklärten Beziehung zur Quantenphysik?)
Im Sozialismus gab es keine Reklame, nur Propagande und die Hypertrophie der Geheimdienste.
Dienstleistungsgewerbe: Ist nicht auch das Militär ein Dienstleistungsgewerbe, und muß heute nicht (aus Gründen der Systemerhaltung) ein immer größerer Teil der Produktion für den Dienstleistungsbereich verwandt werden (vgl. auch das Anwachsen der Kosten der Dienstleistungen im Bereich der privaten Selbsterhaltung)? Und erniedrigt sich nicht der Staat zum Dienstleistungsunternehmen für die Erhaltung des Apparats, in den sich das ganze Gewicht der vergesellschafteten Selbsterhaltung verlagert?
Getsemane: Steckt nicht in jeder Todesangst etwas davon, daß das Entscheidende, das man hätte tun können, um die Welt aus ihrer Verstrickung zu befreien, nicht getan worden ist? Steckt nicht in der Todesangst die unaufgehellte Beziehung zur Welt?
Zu Mantel und Rock (Mt 540, Lk 629) vgl. im Stern der Erlösung, S. 361ff: Der Mantel ist der Gebetsmantel, und zum vollständigen Sterbekleid (das der Bräutigam unterm Trauhimmel auch als Hochzeitskleid trägt) gehört außer dem Gebetsmantel auch noch der Rock (Chiton und Tunica). Steht dieser Rock in der Tradition des Rocks aus Fellen und der Rock, der keine Naht hatte (über den unterm Kreuz das Los geworfen wurde)?
„Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen wurden.“ (Horkheimer) Sind das nicht zwei Seiten eines Blattes: wenn ich die eine durchreiße, vernichte ich auch die andere? Das Gleichnis Jesu vom Weizen und Unkraut würde dazu passen. Hat nicht dieses Blatt solange zwei Seiten, wie die Welt besteht? Aber dann müßte zur „Rückseite“ des Blattes als konstitutives Moment jene Subjektivität mit dazugehören, die den Weltbegriff konstituiert (der die Sicht „Hinter dem Rücken“ zum Ganzen macht: der das Angesicht leugnet). – Es gibt keine Theologie im Angesicht Gottes ohne Kritik des Weltbegriffs. Die Rückseite des Blattes besteht solange wie die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird (wie ein hoffnungsloser Begriff von Erfahrung seine Geltung behält). – „Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe.“
Ist nicht die Leugnung des Sohnes die Leugnung der Auferstehung? Und ist nicht die Geschichte der Beziehung der Kirche zu den Häresien ein Indiz und Gradmesser dieser Leugnung? Welche Bedeutung hat das für die beiden anderen Leugnungen (des Vaters: den Antijudaismus, und des Geistes: den Sexismus)? Verweist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist darauf, daß der Beginn der Umkehr hier, bei der dritten Leugnung, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird“, liegt? Aber wird die Umkehr nicht gekrönt durch die Rücknahme der Leugnung des Vaters?
Das trinitarische Dogma: Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen (an der Todesgrenze).
Ist nicht das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist in der Geschichte des Christentums zu leicht genommen worden; und gehört hierzu nicht auch das Prophetenwort, daß am Ende die Erkenntnis Gottes die Erde bedecken wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken?
Haben die Sündenvergebung und die Austreibung der Dämonen (Maria Magdalena) etwas mit der Aufhebung der Reinheitsgebote zu tun? Ist nicht der Weltbegriff dämonisch (Inbegriff der sieben unreinen Geister)?
Symbolisiert die Dornenkrone nicht beides: das Auf-sich-Nehmen der Sünde der Welt und den Haß der Welt (zielt die Aufschlüsselung der Dornen und Disteln durch den Eleasar von Worms nicht schon auf den Weltbegriff)?
Die Welt als Gemeinheitsgenerator und Exkulpierungsmaschine.
Zum Kelch und zur Trunkenheit: Jemandem reinen Wein einschenken.
Physik und Schuld: Nur in der Physik addieren sich die Lasten, während in theologischem Zusammenhang ich mich von den Lasten befreie, die ich auf mich nehme.
– Elementenlehre hebräisch: ät haschamajim we’ät ha’arez und ruach.
– Theologische Elementenlehre: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße; und der Geist brütend über den Wassern.
Destruktion beider durchs Inertialsystem: Grauen um und um.
Zur Theorie des Namens gehört:
– eine Theorie des Lachens und des Weinens;
– das Lachen und der Schrecken;
– die Logik des Angesichts (das Antlitz des Hundes);
– Prophetie (Erfüllung des Worts) und Apokalypse (Aufdeckung des Namens).
Wird außer Abram, Sarai und Jaakob in der Schrift noch jemand neu benannt? -
05.05.93 (2)
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es verbindliche marxistische Analysen deshalb nicht mehr gibt, weil man Angst vor den Konsequenzen, den Ergebnissen, hat.
Die Methoden-Diskussion: ist das nicht eine Exkulpierungsdiskussion? Sie erinnert an das Verfahren in der ministeriellen Vorstufe der Gesetzgebung, bei der Erstellung des Entwurfs, wo es nicht mehr darauf anzukommen scheint, ob die Vorlage richtig ist, ob sie den gewünschten Erfolg gewährleistet, sondern fast nur noch darauf, ob sie Fehler vermeidet, für die der Referent vielleicht zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Es gehört in einen Zusammenhang, in dem nicht die Tat sondern das Erwischtwerden den Schuldvorwurf begründet. Methodologische Absicherungen sind Absicherungen in einem Feld, in dem verteidigendes Denken keine Chancen mehr hat; sie sind zu Formen der Identifikation mit dem Aggressor in einem Wissenschaftsbetrieb geworden, in dem jeder Richter des andern ist. Daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, ist ein Satz, der nicht nur in der Justiz gilt; er gehört zu den Prinzipien des Wissenschaftsbetriebs. Wichtiger als die Methodendiskussion, die auf die richtige Anwendung der richtigen Instrumente abzielt, wäre es, die kantische Erkenntniskritik, d.h. die Kritik der Instrumentalisierungsmechanismen im Erkennen, auf den neuesten Stand zu bringen.
Als Kind war ich einmal fasziniert vom Bild eines Gesichtes, das mich, aus welcher Perspektive ich das Bild auch ansah, jedesmal anblickte. Dieses Angeblicktwerden wird heute insbesondere in den Nachrichtensendungen des Fernsehens ausgebeutet (insbesondere auch von Politikern, die im Fernsehen auftreten). Das verweist auf den Unterschied zwischen dem Radio und dem Fernsehen: Das Radio macht hörig, das Fernsehen totalisiert die Scham.
Das Inertialsystem markiert die Todesgrenze in den Dingen; aber diese Todesgrenze ist die Schamgrenze.
Das Keuschheitsgebot bezieht sich auf die Herrschaftsgeschichte; es ist von Adorno auf den einfachsten Nenner gebracht worden: Erstes Gebot der Sexualmoral: Der Ankläger hat immer unrecht.
Alle drei evangelischen Räte sind Richtschnuren des Handelns, nicht des Urteils. Es gibt keine wahren Urteile, nur richtige oder falsche, die evangelischen Räte aber rühren an die Sphäre der Wahrheit. Die Wahrheit ist keine Qualität des Urteils selber, sondern nur seiner Reflexion: sie schließt das dem Urteil unerreichbare Moment der Versöhnung mit ein. Die Bindung der Wahrheit ans Urteil (Übereinstimmung von Gegenstand und Begriff) hat das achte Gebot umgefälscht ins „Du sollst nicht lügen“. Die Restituierung des achten Gebots ist nur möglich im Kontext der Kritik des Dogmas und der das Dogma beherrschenden Bekenntnislogik: Deshalb kann man nach Auschwitz nicht mehr so Theologie treiben, als hätte es Auschwitz nicht gegeben. Theologie hinter dem Rücken Gottes lebt von der Vorstellung, man könne ohne Gottesfurcht Theologie treiben (Verwechslung der falschen Befreiung vom Mythos mit der Erlösung; die theologische Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs hat die Idee der Erlösung durch die Unschuldsfalle ersetzt, das parakletische Denken durch die Mechanismen der Selbstexkulpierung: durch die Instrumentalisierung der Umkehr in der Bekenntnislogik, die dann die Natur als Geisel genommen hat: Die Materie ist die Schamgrenze der Dinge, Grund ihrer Beherrschbarkeit).
Schillers Satz „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ ist das letzte Echo der mittelalterlichen Islamisierung des Christentums, er zieht daraus die Konsequenz.
Während das Totalitätsprinzip (als Prinzip der Selbstzerstörung) im Faschismus das direkt intendierte Ziel ist, ist es im Sozialismus ein offensichtlich nicht unter Kontrolle zu bringender Nebeneffekt. Der sozialistische Diktator ist Opfer seiner eigenen Paranoia, während der faschistische Diktator die Paranoia aller als Quelle seiner Inspiration und als Resonanzboden seines Charismas ausbeutet. Sozialistische Länder errichten Mausoleen (für ihre Diktatoren als „Opfer“ und Helden der Revolution), Faschisten schänden Gräber. -
10.02.93
„Haus des Urteils“ und „letztes Gericht“ (Eisenmann/Wise, S. 241): Bezeichnen diese Begriffe nicht den Raum (als Form und Symbol der Verstockung gegen die Umkehr)?
Zu Young, Beschreiben des Holocaust: Die Kritik an Peter Weiss (S. 118ff, wo er den marxistischen Ansatz von Peter Weiss kritisiert) und an Tadeusz Borowski (S. 170ff) bezeichnet genau die Grenzen des Youngschen Versuchs. Zu der folgenden Textpassage (von Tadeusz Borowski): „Erst jetzt erkenne ich, welcher Preis für die Errichtung der alten Kulturen bezahlt wurde. Die ägyptischen Pyramiden, die Tempel und die griechischen Statuen -welch ein abscheuliches Verbrechen! … Die Antike, das gewaltige Konzentrationslager, …“ schreibt Young: „So hat sich im Kopf des Schriftstellers nicht allein die Zukunft (!), sondern auch die Vergangenheit, sein kulturelles Erbe, in ein großes KZ verwandelt“. Wäre etwa die Verwandlung der Zukunft in ein großes KZ nicht so schlimm wie der verzweifelte Blick auf die Entstehungsbedingungen des „kulturellen Erbes“? Und spielt sich der beschriebene Sachverhalt nur „im Kopf des Schriftstellers“ ab? Ist der Begriff der Normalität, der dem Werk Youngs zugrundezuliegen scheint, überhaupt noch zu halten? Und trennt nicht Auschwitz in der Tat das „kulturelle Erbe“ von der Wahrheit?
Der christliche Begriff der Buße konnte sich von dem der Umkehr ablösen und gegen ihn verselbständigen nur dadurch, daß die Welt (in der Konsequenz der Opfertheologie und unter Verletzung des Nachfolgegebots) als entsühnt begriffen und damit die Sünde entpolitisiert, privatisiert wurde. Dem theologischen Begriff der Rechtfertigung (der an die Stelle der Forderung, gerecht zu werden, tritt) setzt die vorhergehende Rechtfertigung der Welt -Grund des Bekenntnisbegriffs und dann jeder Ideologie – voraus. Und dieser Begriff des Bekenntnisses verewigt den ungerechten Zustand der Welt und macht ihn unkenntlich.
Mit der Vorstellung des unendlichen Raumes schützt sich die Subjektivität gegen die Reflexion des sie begründenden Herrschaftsmoments. Ebenso wie die Vorstellung des Raumes sind auch die Begriffe Natur und Welt, die sich im Medium des mathematisierten Raumes überhaupt erst konstituieren, selbstreferentiell und damit fast unreflektierbar.
Wäre das Rosenzweigsche Konstrukt nicht doch einmal anhand folgender Thesen zu überprüfen:
– Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung,
– der Begriff des Wissens die Offenbarung und
– Naturbegriff die Erlösung?
In welcher Beziehung stehen dazu:
– Adornos Kritik der Verdinglichung,
– sein Konzept des Eingedenkens der Natur im Subjekt und
– das auf Benjamin sich berufende Konzept der vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte?
Zur Jotam-Fabel (Ri 97ff): Der König steht in der Figur des Dornbuschs (und, nach Jürgen Ebach, Kains). Ist darin nicht auch ein Stück Messias-Kritik enthalten, die das kritische Element in den Evangelien (die Unkraut- und Kain-Tradition in ihm) antizipiert? Welche Bewandnis hat es dann mit dem Ölbaum, dem Feigenbaum und dem Weinstock? Ist nicht die Jotam-Fabel mehr als nur eine moralische Fabel: eine prophetische Fabel?
Sind die Entdeckung des Winkel und die Entfaltung der Geometrie der Fläche bei den Griechen nicht ein Abfallprodukt der Entdeckung der Schrift, die ebenfalls auf die Fläche sich bezieht (Zusammenhang mit der Schrift als verstummte und deshalb tradierbare Sprache)?
Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkommt: Die in der Schrift verstummte Sprache will wieder laut werden.
Ist nicht die christliche Theologie in ihrer dogmatischen Gestalt mehr als Hurerei: die Vergewaltigung der Schrift? -
04.01.93
„Das steinerne Herz der Welt“: Durch den affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs ist die Kirche zum steinernen Herzen der Welt geworden. Erst durch die Übernahme der Sünden der Welt wird das steinerne in ein fleischernes Herz verwandelt.
Wenn Kohl und mit ihm die insbesondere Seiters sich immer wieder auf die Geschichte, das Ausland oder die Welt als einzige kompetente Urteilsinstanz berufen, so ist das Ausdruck der gleichen „Real-“ und Machtpolitik, zu der die Hegelsche Staatsphilosophie die deutsche Politik „befreit“ hat. Zu deren Folgen gehören die Katastrophen dieses Jahrhunderts, die nicht nur durch den Namen der Weltkriege mit der Hegelschen Weltphilosophie verbunden sind. Immer wollten wir sein wie die anderen Völker; aber in der Leugnung der politischen Moral haben wir sie übertrumpft. Wenn die Deutschen Machtpolitik (und Realpolitik ist Machtpolitik) getrieben haben, dann mit dem Alibi: die anderen tun’s ja auch (was so nicht stimmte).
Kohls Eintreten für die Kürzungen der sozialen Leistungen macht wieder einmal das Stammtischgeschwätz zur Grundlage politischer Entscheidungen. Nach dem „Asylmißbrauch“ jetzt die „Ausbeutung derer, die durch anständige Arbeit ihr Geld verdienen, durch die Sozialhilfe-, Arbeitslosenunterstützung- und Arbeitslosenhilfe-Empfänger“. Der Hinweis darauf, daß Sozialhilfe-Leistungen das Arbeitsentgelt nicht übersteigen dürfen, heißt eigentlich, daß das Arbeitsentgelt möglichst in der Nähe der Sozialhilfe bleiben sollte. Das paßt in die Tradition, die
– Ralph Giordano keiner Antwort für würdig hält,
– angesichts der Morde und Brandanschläge der Rechten nur die „Schändung des deutschen Namens im Ausland“, aber nicht die Opfer wahrnimmt,
– die Teilnahme an den Trauerfeiern für die Opfer von Mölln mit der bösen Vokabel vom „Beileidstourismus“ belegt.
Ich meine, es ist an der Zeit zu begreifen, wer hier den deutschen Namen schändet, wer seinen Amtseid, der ihn verpflichtet, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden, in der Substanz verletzt. Wenn es je einen Rücktrittsgrund für einen deutschen Bundeskanzler gegeben hat, dann jetzt.
Die Wissenschaftsgläubigkeit bei Habermas (wie in der ganzen „marxistischen“ – d.h. eigentlich Engelsschen – Tradition) verkennt, daß sie damit selber das schwarze Loch schafft, aus dem zwangsläufig die Gemeinheit erwächst. Sie macht sich selbst hilflos gegen den aktiven und kontrollierten Gebrauch der Gemeinheit. Was fehlt ist eine Wissenschaftskritik, die nachweist, daß im Rahmen der szientifischen (wie der justiziellen) Beweislogik Gemeinheit nicht erkennbar ist.
Die adaequatio intellectus et rei definiert den Begriff der Erkenntnis, die Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand den Kristallisationskern des Herrendenkens und seines gegenständlichen Korrelats: der instrumentalisierten Welt. -
29.12.92
Die christliche Theologie lebt davon, daß in der Ursprungsphase der Philosophie die Zwangslogik, Reflex der Gewalt im Denken, noch verschränkt war mit der benennenden Kraft der Sprache. Aber nachdem sich der Nominalismus, Konsequenz der Zwangslogik, durchsetzte, hat die Theologie ihre raison de etre verloren und die Partei der Gewalt ergriffen. Das war der Grund der Entstehung der Inquisition.
Weltkritik ist Herrschaftskritik, und nur der Gott, der als Schöpfer der Welt verstanden wird, löst sich im Prozeß der Verweltlichung der Welt auf: im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft. Was sich nicht auflöst, ist der Schöpfer der Himmel und der Erde.
Im empathiefreien reinen Zuschauen, in den Laborbedingungen, die hergestellt werden müssen, um das reine Zuschauen (Georg Lukacs‘ „kontemplative Erkenntnis“ der Herrschaft) zu ermöglichen, sind die Inquisition, die Geheimdienste und die Stasi vorgebildet. Die Stasi war der zwangsläufige Versuch, die reinen Laborbedingungen herzustellen, unter denen der Sozialismus als Experiment durchgeführt werden sollte. Aber daß dadurch die gesamte Gesellschaft zur trägen Masse degradiert wurde, die das Ganze durch ihre eigene Gravitation in den Abgrund geführt hat, wurde aufgrund der naturwissenschaftlichen Verblendung nicht gesehen. Ähnlich hat die Inquisition im Hochmittelalter jene Laborbedingungen hergestellt, in denen die Gläubigen die Chance haben sollten, die Schuld, der sie ohnehin verfallen waren, zu bekennen und zu büßen. Die Scheiterhaufen waren Manifestationen der Hölle, zu der die Welt inzwischen zu werden drohte.
Die Geschichte des Marxismus ist noch nicht zuende; sie wird es erst dann sein, wenn innerhalb des Marxismus das Problem der Armen und der Fremden gelöst wird. Das Gefährlichste am Sieg über den Sozialismus ist der Triumph der Sieger: die Selbstverblendung durch den Sieg. Vergessen wird das Erkenntnismoment in der Kritik der politischen Ökonomie. Aber dem hatte der real existierende Sozialismus selbst schon vorgearbeitet: in der Unterdrückung all dessen, was an Erkenntnis erinnerte, weil es an die theologische Vergangenheit erinnerte. Notwendig gewesen wäre insbesondere, was Georg Lukacs begonnen, dann aber verdrängt hatte: die Kritik der politischen Ökonomie durch eine Kritik der Naturwissenschaften zu ergänzen, die Marxsche Erinnerung an Jakob Böhme und an die resurrectio naturae aufzunehmen. Das aber heißt: nicht nur die gegenständlichen Manifestationen von Herrschaft, sondern ihre Wurzeln in den vergesellschafteten Menschen, die Vergesellschaftung von Herrschaft und die vergesellschaftete Herrschaft selber, in die Kritik mit aufzunehmen.
Nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus ist nur eine Weltmacht übriggeblieben. Was bedeutet das?
Mit der Unterdrückung der Idee der Befreiung der Natur zerstört Habermas die Wurzeln der Empathie.
Königtum und Opfer, Geld und Idolatrie, Schrift und Sternendienst: die drei Angelpunkte der Vorgeschichte des Weltbegriffs. Und diese drei Angelpunkte lassen sich zusammenfassen als Quellpunkte des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs.
Wo gibt es in der Schrift Erinnerungen an gesellschaftliche Naturkatastrophen, z.B. an Hungernöte (Buch Ruth, Josefsroman).
C. G. Jung hat insofern recht, als das, was er die Archetypen nennt, in der Tat etwas bezeichnet, was aufzuarbeiten ist: die Repräsentanten der Vergangenheit in unseren Köpfen. Aber das sind keine Bilder, die „Gott in unsere Seele gelegt“ hat (Drewermann).
Ist es nicht die Namengebung der Tiere, die Adam die Zunge löst, so daß er, als er Eva erkennt, sagen kann: Dies ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.
In welcher Beziehung steht die Inquisition zur Ohrenbeichte, mit der sie ja doch wohl historisch-genetisch zusammenhängt? Ist es nicht die Inquisition, die jenes Schuld- und Sündenverständnis erst durchsetzt, das dann Grundlage der Ohrenbeichte (Entschuldung der Welt, Privatisierung der Schuld) geworden ist?
Das kreisende Flammenschwert, das sinnlose Kreisen der Planeten und die Mühle, die alles zu Staub zermahlt.
Die Angst in Gethsemane war die Angst vor den Folgen dessen, daß er es nicht vermocht hat, die Sünden der Welt „hinweg“ zu nehmen.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Und dieses Wort sitzt zur Rechten des Vaters. Ist nicht dieses Wort, das in der Übernahme der Sünde der Welt sich konstituiert, das Wort, von dem Gott will, daß es nicht leer zu ihm zurückkomme (Jes 5511)? Liegt hier nicht die zentrale Aufgabe der Theologie?Böhme, Drewermann, Geld, Habermas, Inquisition, Jung, Lukacs, Marx, Marxismus, Philosophie, Theologie, Tiere -
26.03.92
Das Konzept von Robert Kurz ist – wie es scheint – doch noch arg idealistisch: Der Sprung in die Utopie (Abschaffung der Arbeit, des Geldes und der Warenform) ist überhaupt nicht durchsichtig und scheint sich einer redundanten, selbstreferentiellen Logik zu verdanken (Vergleich: Kritik der „klassischen Physik“ durch die Kopenhagener Schule). Ein Heisenberg des Marxismus (sucht auch eine Weltformel)?
Wo sieht er in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die empirische Entwicklung, die einen direkten Anhaltspunkt für die eben deshalb als dunkel erscheinende Logik der Marxschen Kritik biete? (S. 88)
Ist Robert Kurz ein Sabbatai Zwi des Marxismus?
S. 99: Dieser Schein ist nicht endgültig verflogen, sondern er verknotet sich hier zur Undurchschaubarkeit, und daraus scheint Robert Kurz zu glauben, die Befreiung ableiten zu können.
Das sieht mir doch etwas zu sehr nach ökonomischer Elementarteilchenforschung aus. Und eine Sackgasse für einen Ausweg zu halten, macht keinen glücklichen Eindruck.
Bei aller notwendigen Kritik an der Kasernenhofwirtschaft des Ostens ist doch nicht zu leugnen, daß auch ein Wirtschaftskrieg geführt worden ist, so wie heute immer noch ein Wirtschaftskrieg gegen Kuba geführt wird; auch die westliche Gestalt des Kapitalismus hat ihre in vieler Hinsicht militaristischen Aspekte (die Rüstung ist ein reales ökonomisches Systemproblem: ihre explosive Ausdehnung nach dem zweiten Weltkrieg verlief in direkter Abhängigkeit von der ebenso explosiven Ausdehnung des Bankgeschäfts, zur Absicherung des aggressiven Kredit- und Geldgeschäfts und als Mittel zur Disziplinierung der Armen draußen und drinnen). Die Rüstungswirtschaft ist keine bloße Kriegswirtschaft, und ein nicht unerheblicher Teil der Friedenswirtschaft ist längst ein Teil potentieller Kriegswirtschaft: der kalte Krieg war der Motor der Weltraumforschung, der Atom- und Automobilindustrie und des Wirschaftswunders in der BRD.
Zusammenhang der explosiven Ausbreitung des Bankengeschäfts, der Armut, der Schuldenkrise in der Dritten Welt und der Rüstung. Der Kolonialismus war ähnlich wie die Sklaverei in dem Augenblick überflüssig, in dem es andere Mittel gab, die den gleichen Zweck erfüllten.
Der steigende Anteil des fixen, gebundenen Kapitals an der Produktion wird gespeist durch Kredite, durch Schuldenkapital. (Zusammenhang von Credo und Kredit?)
Zu kurz kommt das Problem der organischen Zusammensetzung des Kapitals und seiner Nachkriegsgeschichte (mit dem tendentiellen Sinken der Profitrate, das nur scheinbar aufgefangen wird durch das ökonomische Gravitationsgesetz, das die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht). Kern des Mega-Schuldverschubsystems.
Eindruck, daß Robert Kurz gelegentlich fehlende analytische Fähigkeiten durch (projektive) Polemik ersetzt (Hinweis auf einen unvermeidbaren logischen Defekt jeder linken Theorie?).
Der Weltbegriff als Schuldverschubsystem und Schuldverdrängungsmaschinerie?
Der Weltbegriff schließt tendentiell die Barbaren aus, das aber heißt: er schließt die Hebräer aus; er schließt die aus, die bara bara sagen; er schließt eben damit den Schöpfungsbegriff aus und mit dem Schöpfungsbegriff den Namen des Logos und die Reflexion der Schuld der Welt.
Dieser Schuldbegriff wird in der Vorstellung der absoluten Abhängigkeit der Kreatur (und in dem davon abhängigen diffamatorischen Gebrauch des Kreaturbegriffs) falsch reflektiert. Die absolute Abhängigkeit ist die Abhängigkeit vom Schicksal, während durch die Beziehung zur Schöpfungsidee gerade die Aufhebung, die Auflösung des Schicksals und der Vorstellung der Abhängigkeit von einem Übermächtigen einzig möglich ist.
An den Ursprungszusammenhang mit der Schuldkechtschaft erinnert noch der Begriff des Symbolum, und zwar nicht sein Begriff, sondern auch sein Inhalt, das Dogma (Trinitätslehre, Christologie, Opfertheologie).
Was hat zu bedeuten, wenn die Pharisäer an die Auferstehung und die Engel glauben, die Sadduzäer hingegen nicht?
Was drückt sich geschichtsphilosophisch darin aus, wenn
– nach dem zweiten Weltkrieg ein Friedensschluß nicht mehr möglich war (Rechtssetzung als Grenzsetzung),
– es möglich war, das Strafrecht auf die Politik und die Regierenden selber angewendet wurde (wie jetzt wieder gegen Honecker),
– und in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft wurde?
Sind Faschismus und Auschwitz nicht doch nur vor diesem Hintergrund real zu begreifen, und sind diese Folgen nicht doch reale Folgen des Faschismus und des Holocaust?
Die Rüstungsexplosion ist ein Indiz für den Rückfall in Naturgeschichte.
Ergänzend zu Walter Benjamin wäre festzuhalten, daß Schicksal und Charakter nicht nur begrifflich, sondern geschichtsphilosophisch geschieden sind. Auch hier gilt: Wo Schicksal ist ist kein Charakter, und wo Charakter, kein Schicksal. Der Charakter entspringt in der gleichen Bewegung, in der das Schicksal verinnerlicht wird. In dem gleichen Prozeß entspringt der Weltbegriff.
Wenn das homologein („bekennen“) auf den Namen des Logos sich bezieht, der Logos in der Übernahme der Sünde der Welt sich konstituiert, dann wird auch der Begriff des Bekenntnisses verständlichen: es ist in der Tat ein Schuld-Bekenntnis.
Nach der Vergebung der Sünden kommt die Auferstehung der Toten.
„Wer nicht für mich ist, der ist wider mich“: Dieser Satz hat von seinem Kontext her eine andere Bedeutung als Adorno unterstellt, und er ist erst durch die Bekenntnislogik direkt und unmittelbar böse geworden (Teil des autoritären Syndroms).
Der Prozeß der Verinnerlichung des Schicksals und der Genesis des Begriffs, die Entzündung des Subjekts im Schicksal (oder des Subjekts durch Infektion durchs Schicksal), müßte an der Geschichte der Vorsokratiker nachzuvollziehen sein.
Der Ausdruck „Entfremdung“ ist insoweit korrekt, als er einen Vorgang bezeichnet, in dem das Moment der Fremdheit aus den Dingen verdrängt wird, der die Dinge zu Dingen für mich macht (Stichwort: Das Eine ist das Andere des Anderen).
Unkenntlich gemacht wurden in der Geschichte der Philosophie jene Momente, die die Erfahrung des Schicksals kennzeichnen:
– die Bindung an die Schuld,
– Erfahrung des Zweideutigkeit und
– der Schrecken.
Diese drei Momente sind im Begriff des Objekt und der Materie untergangen.
Alle Logik ist Schicksalslogik; der logische Zusammenhang ist ein Schuldzusammenhang und hat teil an der Zweideutigkeit dieses Schuldzusammenhangs, die nur durch die „List der Vernunft“ sich zur Dialektik domestizieren läßt.
Die „verandernde Kraft des Seins“ ist die präziseste Bestimmung des im Sein unkenntlich gemachten Schicksals.
Wenn es denn eine Beziehung Rosenzweigs zu Heidegger gibt, dann liegt sie darin, daß Rosenzweig die Zweideutigkeit, die Heidegger bloß ausbeutet („Sinn des Seins“), aufschlüsselt. Diese Beziehung ist ähnlich invers wie die der Hebräer zu den Barbaren.
Gewitzt ist der, der andere über die Opfer seines eigenen Handelns zum Lachen bringt, und das heißt: jede mögliche Solidarität mit den Opfern schon im Ansatz erstickt..
Die dialektische Beziehung des Lachens zur Waffe drückt sich im Begriff der Entrüstung aus. (Wie hängen Entrüstung und Entfremdung zusammen?)
Der biblische Begriff des Fremden hängt sprachphilosophisch mit der Reflektion des Schreckens zusammen, der sich grammatisch im Gebrauch der dritten Person (Sing. und Pl.) ausdrückt; er hängt mit den Begriffen des Schreckens und des Opfers zusammen, die beide im Ursprung des Begriffs der dritten Person erinnert werden. Die Philosophie ist auf dieser Versachlichung, die sich im Gebrauch der dritten Person ausdrückt, abgefahren; das war sozusagen ihre Geschäftsgrundlage. Dagegen hat die jüdische Tradition genau das, was hier verdrängt wird, erinnert und aufbewahrt. Gegen den Hegelschen Satz, daß das Eine das Andere des Anderen ist, hält die jüdische Tradition daran fest, daß darüber das Eine nicht vergessen werden darf. Diese Differenz, die an den Begriff des Fremden sich anschließt, drückt sich in der Differenz von Barbaren und Hebräern aus. Abraham war ein Hebräer, und er lebte als Fremder im Land, d.h. als „Barbar“. Der heutige diffamatorische Gebrauch des Kreaturbegriffs erinnert an diesen Zusammenhang: des Selbstbewußtseins der Fremdheit mit der Schöpfungslehre, mit dem bara. Die Objekte des bara, nämlich Himmel und Erde, die großen Seetiere und der Mensch (als Ebenbild Gottes, als Sein Ebenbild – Übergang Gottes in die dritte Person – , als Mann und Weib), sind die Reflexionsgestalten der Fremdheit, die im Begriff der Schöpfung sich selbst begreift.
Zur Differenz von Natur und Schöpfung; Zusammenhang beider mit dem Schuldbegriff: Beide verhalten sich zu einander wie der Name des Barbaren zu dem des Hebräers.
Schicksal und Charakter: Wer die Sünde der Welt auf sich nimmt, muß die Verantwortung für seinen eigenen Charakter übernehmen. Der Charakter aber drückt sich aus im Gesicht, und d.h.: er muß sogar die Verantwortung für sein Gesicht auf sich nehmen. Beziehung zu Antlitz und Angesicht?
Zu Derrida: Wenn es eine Beziehung des Begriffs der göttlichen Gewalt zu Auschwitz, zum Holocaust, gibt, dann läßt er sich einzig beziehen auf die Urheber, auf die Täter; und erst der Schrecken, der dem Anblick dieser göttlichen Gewalt entsprechen würde, wäre die angemessenste Bestimmung der Gottesfurcht heute.
Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war der Kampf gegen das Vergessen. Was die Hegelsche Idee als Natur frei aus sich entläßt, ist präzise das Deckbild dessen, was in der Hegelschen Erinnerung der Idee vergessen wurde, und dieses Vergessen ist eine Leistung des Begriffs.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie