Für den „Leidenskelch“, von dem Bedenbender gelegentlich spricht, gibt es zwei neutestamentliche Belegstellen: die Getsemane-Geschichte und die Stelle, an der Jesus den Jakobus fragt, ob Jakobus den Kelch trinken könne, den er, Jesus, wird trinken müssen. Aber meinen diese Stellen nicht eigentlich etwas anderes: Ist der „Leidenskelch“ nicht in Wahrheit der Taumelkelch, der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende der Unzuchtsbecher: Symbol der Geschichte des Herrendenkens (der Taumelkelch ist der Kelch, den die Herrschenden trinken, der sie besoffen macht; vgl. Hegels Definition des Wahren in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, Theorie-Werkausgabe, S. 46)?
Zur Jotham-Fabel: Der Feigenbaum ist ein Symbol des Friedens (das Sitzen unterm Feigenbaum). Die Dornen und Disteln wachsen in der Wüste (mit der Wüste als Symbol der wachsenden Herrschaft des Äußeren über das Innere: der Geschichte des Weltbegriffs).
Verweist nicht der strafrechtliche Begriff des Mordes auf eine merkwürdige Über-Kreuz-Verschiebung (ursprünglich verweist das lateinische mors, aus dem der Begriff des Mordes sich herleitet, auf das subjektlose Sterben, während der Begriff des Todes auf ein Töten durch einen andern zurückweist)? Im Begriff des Mords ist nicht mehr die Tat, sondern der Täter das eigentlich definierende Moment: in ihn ist das Moment der Konkurrenz zum Staat mit eingegangen, das den Mord zum Mord und den anderen Tod zu einem neutralen Ereignis, einem Naturereignis, gemacht hat (darin spiegelt sich die Beziehung des Ursprungs und der Geschichte des Staats zum Ursprung und zur Geschichte des Naturbegriffs).
Gehört nicht das strafrechtliche Konstrukt des Mörders zu den logischen Bedingungen des Objektbegriffs, fällt es nicht unter die Kritik der Verdinglichung? Die Begründung einer Eigenschaft durch eine vergangene Tat, die zugleich verurteilt wird (die Begründung der Eigenschaft und des Dings in der Logik der Verurteilung): Steht dagegen nicht Joh 129, die Forderung der Übernahme der Sünde Adams, die den christlichen Namen begründet? Es gibt keine Theologie ohne die so begriffene Idee der Erbsünde: Die Sünde der Welt ist die Erbsünde (und die Taufe, die „von der Erbsünde befreit“, das Symbol der Erfüllung des Nachfolgegebots).
Die Theologie im Angesicht Gottes gründet in der Erinnerung des Paradieses.
Im Gegensatz zum Gott der Philosophen ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs einer, den etwas gereut: der lernfähig ist. Diese Lernfähigkeit gehört zu den Attributen Gottes, die im Imperativ, nicht im Indikativ stehen.
Die kantische Vernunftkritik hat (als Kritik des Wissens) die Idee eines „allwissenden“ Gottes widerlegt; sie hat damit eine Gottesvorstellung widerlegt, zu deren Konsequenzen die Leugnung der Lernfähigkeit: die Leugnung des Attributs der Barmherzigkeit, gehört.
Der aristotelische Gott war der „erste Beweger“; den „allwissenden“ Gott hingegen haben die Muslime erfunden, die dann konsequenterweise aus der Barmherzigkeit Gottes seine unterschiedslose „Allbarmherzigkeit“ gemacht haben.
Gott ist nicht allwissend, er sieht ins Herz der Menschen (das ist das Feuer, das Jesus vom Himmel bringen wollte, und er wollte, es brennte schon).
Die InfoAG gleicht darin dem Gericht sich an, daß sie die Beziehung der „Kirchenleute“ zur Angeklagten zu diskriminieren versucht, ihnen in ähnlicher Weise wie das Gericht Hubertus Janssen unterstellt, er unterstütze die raf, den Verdacht, „objektiv“ für den VS zu arbeiten, anzuhängen versucht. Beide Konstrukte sind paranoid, beide arbeiten nach der Methode der Umkehr der Beweislast: der Ankläger braucht seine Unterstellung nicht zu begründen, der Beschuldigte soll seine Unschuld beweisen. Beide machen Gebrauch von dem Satz, wonach Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist.
Das Feinddenken und die Ausgrenzung und Diskriminierung des Verräters sind, weiß Gott, nicht unbegründet, sie sollten aber reflexionsfähig gehalten werden, weil sie anders in eine Logik hineinführen, die am Ende als Logik der Identifikation mit dem Aggressor sich erweist. Diese Logik ist die Logik des Staates, die es zu durchbrechen gilt.
Die Bekenntnislogik hat einen paranoiden Kern.
Der Begriff der Erscheinung erinnert nicht zufällig an den Bereich des Gespenstischen: Sind nicht die neutestamentlichen Dämonen Vorläufer der Naturwissenschaften (in deren Bann die Welt insgesamt heute steht)?
Hegel hat den kantischen Kritikbegriff vergegenständlicht (ins Vergangene transformiert), ihn in den Begriff der Objektivität selbst hineingetrieben, wo er dann in der Idee des Weltgerichts sich verkörpert. So ist Kritik zu einer im Interesse der Herrschaft instrumentalisierten und domestizierten Kritik geworden. Dieser Kritikbegriff hat die Dialektik begründet, er ersetzt Solidarität durch Komplizenschaft. Er hat den Erkenntnisbegriff durch ein eingebautes Freund-Feind-Denken vergiftet.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit läßt auch eine Interpretation zu, in der die Lichtgeschwindigkeit selber als unendliche Geschwindigkeit sich erweist, während die schlechte Unendlichkeit der räumlichen Ausdehnung (und mit ihr das die Raumvorstellung konstituierende Prinzip der Gleichzeitkeit) auf die Logik der Zeitumkehr, der im Objekt nichts entspricht, zurückweist. Nur im Kontext dieser Logik, die die Vorstellung des Zeitkontinuums begründet (die Zukunft zu einer zukünftig vergangenen Zukunft macht), sind die Richtungen des Raumes reversibel. Die Logik der Zeitumkehr verwirft die Idee der Rettung, sie macht den katastrophischen Lauf der Geschichte unumkehrbar. In den indoeuropäischen Sprachen beherrscht diese Logik über die Formen der Konjugation (insbesondere über das Präsens und über den darin fundierten Ursprung des dritten Geschlechts, des Neutrums) die Grammatik (in der Geschichte vom Sündenfall symbolisiert die Schlange das Neutrum). Die Logik der Zeitumkehr ist der Kern der Logik der Schrift.
Zum Verständnis der „subjektiven Formen der Anschauung“: Ein Kind, das etwa 20 m hinter seiner Mutter hergeht, blickt mich, als ich ihm begegne, ganz kurz aus seinen Augenwinkeln an, senkt dann seinen Blick, verschließt sein Gesicht und drückt so seine Weigerung aus, aus dem Status des Objekts meiner Anschauung (dem Status des räumlichen Objekts) herauszutreten und mit mir, und sei es nur durch den Blick, zu kommunizieren.
Es gibt nichts Neues unter Sonne (Kohelet): Es ist die gleiche Sonne, die Homer und die uns bescheint, aber es sind nicht die gleichen Sterne.
Gehört nicht das Auftreten der Ehrenbataillone beim Empfang fremder Staatsmänner im Fernsehen ebenso zu den Formen der politischen Verdummung wie der Auftritt der MP- und Schußwesten-bewehrten Polizeibeamten beim Hogefeld-Prozeß? In beiden Fällen verselbständigt sich die öffentliche Demonstration gegen das, was wirklich dort passiert (und gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt werden soll). Dieser Prozeß darf nicht einmal mehr ein Schauprozeß sein, weil er sich damit selbst entlarven würde. Daß Justitia eine Binde vor den Augen trägt, heißt, daß sie ohne Ansehen der Person urteilt (sie soll nicht den Rang der Person, sondern nur die Tat vor Augen haben). Dieser Grundsatz jeden rechtsstaatlichen Verfahrens wird suspendiert, wenn statt des Angeklagten ein Feind zum Gegenstand des Verfahrens wird.
Zu den Konstruktionsprinzipien synthetischer Urteile apriori gehört das Prinzip der Austauschbarkeit, der Reversibilität von Subjekt und Prädikat. Im Rahmen dieser Logik begründet der Satz „Alle Mörder sind Staatsfeinde“ den Schluß „Alle Staatsfeinde sind Mörder“. Das aber ist die Logik des Vorurteils (der moralischen Version des synthetischen Urteils apriori) ebenso wie die der mathematischen Erkenntnis (diese Logik liegt u.a. der kopernikanisch-newtonschen Astronomie zugrunde): Sie macht das Ungleichnamige (e.g. Himmel und Erde) gleichnamig. Die kantischen Antinomien der reinen Vernunft (die Hegel, um seine dialektische Logik zu begründen, neutralisieren muß) beziehen sich auf diesen Sachverhalt, sie haben ihn erstmals kenntlich gemacht, und zwar mit Hilfe der logischen Figur des „apagogischen Beweises“, mit dessen Hilfe Kant dem Prinzip der Reversibilität von Subjekt und Prädikat endgültig die Grundlage entzogen hat. Dieser Nachweis aber reicht weiter, als es zunächts erscheint: Er rührt an den Grund und die Grenze der Beweislogik, und damit an den Grund und die Grenze des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (der u.a. dazu dient, das Verfahren der Umkehr der Beweislast unangreifbar zu machen). Der kantische Nachweis ist die erste Demonstration der logischen Relevanz des Levinas’schen Hinweises auf die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern, ein Hinweis, der den logischen Universalismus sprengt (und in diesem Zusammenhang den Erkenntnisbereich, auf den in der theologischen Tradition der Begriff Lehre sich bezog, neu begründet). In der kantischen Antinomie der reinen Vernunft hat die Philosophie das Prophetenwort vom Rind und Esel (und dessen biblischen Konnotationen, die tief in den theologischen Begriff des Opfers hineinreichen) eingeholt.
Das Prinzip der Umkehr der Beweislast begründet das positivistische Rechtsverständnis, indem es das Recht zu einem Subsumtionsrecht macht (das dann den Weg frei macht für ein Verfahren, in dem der Angeklagte zum Feind wird).
Gemein ist jede Präventiv-Anklage, die dem andern die Last des Unschuldsbeweises zuschiebt, die davon ausgeht, daß die Verteidigung allein Sache des Angeklagten sei. Diese Form der Präventiv-Anklage geht davon aus, daß Unbarmherzigkeit und Gnadenlosigkeit erlaubt sind (und das ist der logische Abgrund, aus dem der Staat hervorgeht). Dieser Logik hat Kant den Boden entzogen.
Was ist von einem Verfahren zu halten, in dem durch Gerichtsbeschluß die Wege verstellt werden, auf denen vielleicht der Unschuldsbeweis zu führen möglich wäre?
Ist nicht die Bekenntnislogik der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, der eigentlich zu lösen wäre: der Knoten, der den gesellschaftlichen Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang zusammenbindet? Wäre nicht die Kritik der Bekenntnislogik das Ende des Bücherschreibens (die Widerlegung des Kohelet), das Heraustreten aus dem Bann der Logik der Schrift, das Heraustreten aus dem Bann der Logik des Weltbegriffs?
Hängt die Bedeutung der apokalyptischen Formel „der ist, der war und der sein wird“ nicht auch von der Reihenfolge der Zeitbestimmungen ab?
Zu den Orionen (vgl. das Jesaia- Zitat bei Bedenbender) wäre die Hiob-Stelle hinzuzunehmen (über den Orion und die Plejaden). Beschreiben nicht die Planeten die Außengrenzen, zu denen neben dem König, dem Krieg und dem Handel (der Geldwirtschaft) auch die Frauen gehören (Zitat eines Ethnologen: das ist ein feindlicher Stamm, mit dem heiraten wir nur).
Empfindlichkeiten sind Wege in die Opferfalle: Bezeichnen sie nicht genau den Punkt, in den das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden, Hoffnung zu pflanzen versucht?
Pharisäer und Schriftgelehrte: Nur unterm Rechtfertigungszwang, der selber aus dem Vergangenheitscharakter des Gebots entspringt, wird das Gebot zum Gesetz.
Zu Kafkas Parabel vom Schauspieldirektor, der eine Neuinszenierung vorbereitet: Müßte er nicht den zukünftigen Schauspieler, dessen Windeln er wechselt, erst zeugen?
Diente nicht die Verschiebung des Naturbegriffs von der Zeugung zur Geburt (von physis zur natura) dazu, die messianischen „Wehen der Geburt“ zu verdrängen, sie unsichtbar zu machen, sie zu individualisieren, sie als individuelle Strafe für die „Sünde der Welt“ dem ganzen Kollektiv der Frauen anzuhängen? Verweist die Bedeutungsverschiebung in den Begriffen Natur und Welt nicht auf eine sprachlogische Differenz, die auf die Beziehung der griechischen zur lateinischen Grammatik zurückweist? Und liegt dieser sprachlogischen Differenz nicht die Differenz in den politischen Institutionen zugrunde, der Unterschied der institutionellen und imperialen Entfaltung des Römischen Reiches und des Caesarismus zur philosophiebegründenden polymorphen Gestalt der griechischen Polis?
Gab es die hagiographische Unterscheidung von Confessor und Virgo schon in der griechischen Kirche, oder gehört sie zur Gründungsgeschichte der lateinischen Kirche? Hängt sie mit der Umformung des Symbolums in eine Confessio, mit der nicht nur der Name, sondern zugleich die Logik der Sache sich ändert, zusammen? Die Vermutung wäre zu begründen, daß das Symbolum (das für Augustinus noch ein sacramentum war) im Schuldzusammenhang der imperialen lateinischen Sprachlogik zur Confessio geworden ist.
Mathematik
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26.12.95
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18.12.95
Unzuchtsbecher: Hängt nicht der 68er Bruch mit Veränderungen in der Kindheit nach 45 zusammen? Mit der Struktur einer Kindheit, die nach der radikalisierten Trennung von Beruf und Familie von jeder realen Erfahrung der Außenwelt abgeschnitten war. Die ersten Erfahrungen der Außenwelt, deren Repräsentanten in der Familie deren „beruftätige“ Mitglieder, der Vater und immer häufiger auch die Mutter, waren, verschmolzen mit verworrenen Meldungen über eine Zeit, die so schrecklich war, daß man sich damit möglichst nicht befassen sollte. Der Faschismus war gleichsam der letzte Repräsentant jener Tabuzone, deren Grenzen in „normalen Zeiten“ durch die Sexualmoral (und versteckt durch die politischen und kirchlichen Herrschaftsstrukturen, in die das Leben eingebunden war) definiert wurden. Die Wand, die die Selbsterfahrung von einer Vergangenheit trennte, die nur noch den Schrecken repräsentierte, schien erfahrbar zu werden, als die Schrecken der Vergangenheit begannen, mit den ersten Außenwelt- und Öffentlichkeitserfahrungen zu verschmelzen, mit dem Bild der verständnislosen Eltern, mit den Schockerfahrungen, die, beginnend mit der Einschulung, dann zum Modell der Realitätserfahrung überhaupt geworden sind, sowie schließlich mit dem Eintritt in die Berufs- und Erwachsenenwelt, der durch die im Zuge der Rezession zusehends sich verschärfenden Zugangsbedingungen die Schrecken der Kindheit ins Unerträgliche potenzierte.
Der 68er Bruch hat der wirklichen Öffentlichkeitserfahrung den Weg verstellt, die Außenwelt dem Schuldverschubsystem, den Empörungsmechanismen und dem Urteil, insgesamt dem projektiven Rachetrieb, preisgegeben (er hat die Außenwelt zum Objekt einer Logik gemacht, deren sexualmoralisches Modell die Vergewaltigung ist). Das religiöse Korrelat dieser Außenweltlogik ist der Fundamentalismus.
Wenn der Faschismus zur Tabuzone wird, wird die Menstruation zur politischen Frage.
Die Tagträume werden heute von der Kulturindustrie produziert, verwaltet und in eigene Regie übernommen. Bei allen wechselnden Moden hält sie das eine Ziel fest in Augen: die Leute am Erwachen zu hindern.
Unter den Spinnen gibt es Arten, bei denen das Weibchen das Männchen nach der Begattung frißt. Ist das nicht ein Symbol der Beziehung von Genesis und Geltung, insbesondere in den Naturwissenschaften, in denen der Ursprungsprozeß unrekonstruirbar geworden ist? Haben die Naturwissenschaften nicht überhaupt etwas sehr Spinnenhaftes?
Das Urteil ist nur zu retten, wenn die transzendentale Logik selber zum Gegenstand der Kritik der Urteilskraft geworden ist.
Die Wahrheit hat etwas mit der metaphorischen Kraft der Sprache zu tun, die die Gewalt des Indikativs sprengt: Ist nicht der Indikativ der Repräsentant der mathematischen Erkenntnis in der Sprache? Der Indikativ schließt Vergangenheit und Zukunft kurz, bringt so die reale Gegenwart zum Verschwinden und ersetzt sie durch das Präsens. Nur durch die Metaphorik hat die Sprache noch Teil an der realen Gegenwart. Läßt sich daraus nicht begründen, daß und weshalb die Bibel endlich soweit zu dekonstruieren ist, daß sie als Steinbruch für die dogmatische Beweislogik unbrauchbar wird? Statt dessen käme es darauf an, in den Text hineinzuhören: sowohl in die Querverweise (vgl. Lazarus, die sieben unreinen Geister, den Kelch) als auch in die narrativen Elemente, die jedes für sich aufs genaueste aufzunehmen (und so dem erbaulichen Gebrauch zu entreißen) sind.
Das Hören, der Gehorsam und das Herrendenken.
Zu Gehorsam: woher kommt das Suffix -sam? Hat es etwas mit Sammeln, mit der inneren Pluralisierung zu tun (mit dem Vertreiben des Subjekts), oder genauer: mit der Ersetzung der erhabenen Gemeinschaft, für die der Name Israel steht, durch eine Form der Kollektivität, die im Bannkreis der Herrschaft (unterm Herrenblick: im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung) sich konstituiert? Läßt nicht der Name Israel, der u.a. auch das Subjekt der Psalmen bezeichnet, durch das Wort sich definieren: Solidarität ohne Komplizenschaft (ein Wort, das sich sehr eng mit Ton Veerkamps Titel „Solidarität und Autonomie“ berührt)?
Vgl. auch die Beziehung des Namens Israel zum Namen der Hebräer, der die Hereinnahme der Fremdbezeichnung ins eigene Selbstverständnis der Israeliten dokumentiert (vgl. hierzu wiederum die Bedeutung und Funktion des griechischen Kollektivbegriffs der Barbaren). Auf ein merkwürdiges Problem in dem Gebrauch, den Moses von diesem Namen macht, wenn er gegenüber Pharao sich auf den „Gott der Hebräer“ (später dann auf JHWH) sich beruft, bleibt hinzuweisen: Spricht Moses hier nur die Sprache Pharaos, oder sind weitere Konnotationen mit zu heranzuziehen (u.a. eine mögliche Beziehung zur dreifachen Gotteserscheinung: im brennenden Dornbusch, am Sinai, als Moses IHN von hinten sehen darf, und schließlich in der Erscheinung „von Angesicht zu Angesicht“?
Wenn die Schöpfung im Zeichen des Lichts steht, steht dann nicht die Apokalypse im Zeichen des Feuers (und sind beide nicht sprachsymbolische Zeichen, deren Verhältnis sich bestimmen läßt und zu bestimmen wäre)?
Ist das Feuer ein durch Tragheit und Schwere vermitteltes Licht, steckt in der Beziehung beider mocht die ganze Geschichte des Dogmas (der Bekenntnislogik) und der Naturwissenschaften (des Inertialsystems)? -
25.11.95
Ist nicht die „Endlösung“, auf die Derrida den Benjaminschen Begriff der „göttlichen Gewalt“ glaubt beziehen zu können, ein Produkt der mythischen Gewalt, der Benjamin die göttlichen Gewalt entgegensetzt, und die er (mit durchschlagenden Gründen) im Recht erkennt? Und zeigt diese mythische Gewalt sich nicht insbesondere daran, daß der Holocaust die Nachgeborenen „nur verschuldeter als vordem“ hinterläßt (Zur Kritik der Gewalt, S. 56).
Daß es nach dem faschistischen Krieg zu einem Friedensschluß nicht gekommen ist, hängt nicht nur mit der Zweideutigkeit der politischen Konstellationen zusammen (damit, daß der Sieg über den Faschismus den Keim des Kalten Krieges gegen den Sozialismus schon in sich enthielt: der Atombomben-Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki hat sowohl den faschistischen Krieg beendet als auch den Kalten Krieg eröffnet). Was mit dem Faschismus in die Welt (und über die Welt) gekommen ist, war mit einem Friedensschluß, der eine neue Rechtsordnung hätte begründen können, nicht mehr ins Reine zu bringen. Im Faschismus hat das jeder staatlichen Rechtsordnung zugrunde liegende Gewaltpotential die Ordnung, die es begründen sollte, nur noch gesprengt, eine neue Rechtsordnung hätte sie nicht mehr begründen können. Ausdruck davon (und nicht einer göttlichen Gewalt, die nicht die Rechtsordnung, sondern das ihr zugrunde liegende Gewaltpotential vernichtet hätte) war der Holocaust. Und wenn Derrida darauf hinweist, daß rechtssetzende und rechtserhaltende Gewalt nicht mehr sich unterscheiden lassen (mit der Absicht, damit der Benjaminschen Argumentation den Boden zu entziehen), so übersieht er, daß genau diese Ununterscheidbarkeit der Grund ist, aus dem der faschistische Gewaltbegriff hervorgeht: Der Holocaust ist die Manifestation einer Gewalt, die ihren eigenen Ursprung, an den sie gefesselt bleibt, zugleich zerstört. Daraus wäre die nachfolgende Erosion des Rechts (von der Unfähigkeit, mit der eigenen faschistischen Vergangenheit ins Reine zu kommen, bis hin zu den „Staatsschutzprozessen“, in denen der Angeklagte zum Feind und der Prozeß zum Verfahren der Herstellung synthetischer Urteile apriori geworden ist, zwanglos abzuleiten.
Auch der Kalte Krieg war schon früh überlagert von einem Konflikt, dem Nord-Süd-Konflikt, in dem die Geschichte dieses Jahrhunderts als die Exposition und Eskalation einer Katastrophe sich enthüllt (Stichworte: Schuldenkrise, Ausbeutung der Dritten Welt, Entstehung der Militärdiktaturen, Politik als Mittel der Herrschaftssicherung der Besitzenden, gleichzeitige Explosion des Bankengeschäfts und der Militärtechnik und der Rüstungsausgaben, Etablierung transnationaler Finanz-, Wirtschafts- und Verwaltungsinstitute, neoliberale „Privatisierungs“-Politik, Freisetzung der Marktkräfte: in denen die Besitzstrukturen als reine Herrschaftsstrukturen sich erweisen).
Standort Deutschland: Alle Machtpolitik steht unter dem Primat der Außenpolitik (und das seit dem Ursprung des Handels im Fernhandel, der eigentlich ein organisierter Raub von Gütern, Sklaven und Frauen war). Sie erfüllt sich in einer Außenpolitik, die nur noch Organ und Instrument der Außen-Wirtschafts-Politik (der Sicherung der Rohstoff- und Absatz-Märkte) ist.
Paradigma: Stimmt es, daß Kinkel schon als BND-Chef Initiativen zur Destabilisierung Jugoslawiens (eines der Sprecher der Gruppe der Blockfreien) und damit einen Prozeß eingeleitet hat, der dann nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen war und mit der Bosnien-Katastrophe endete?
Wie hängt der Hinweis, daß das Recht in seinem Ursprung ein Vorrecht der Herrschenden (der Könige, der Besitzenden) war, daß es erst als geschriebenes Recht „allgemeines“ Recht geworden ist, mit dem andern zusammen, daß die Distanz zum Objekt, Voraussetzung jeder Abstraktion, vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt? Auch die Rechtsgeschichte ist ein Teil der Geschichte der Konstituierung des Objektbegriffs (vermittelt durch den Eigentumsbegriff, dem Statthalter der Herrschaft im Recht).
Ist der Bogen in den Wolken das prophetische Gegenstück zur philosophiekonstituierenden Winkelgeometrie?
Der „mystische Grund der Autorität“ (Untertitel zu Derrida: Gesetzeskraft): Hier verwechselt Derrida Mystik und Mythos, und diese Verwechslung ist, wie es scheint, konstitutiv für seinen Begriff der Dekonstruktion.
Einer der Gründe, aus denen Derrida seine argumentative Kraft zieht, ist seine These, daß rechtssetzende und rechtserhaltende Gewalt sich nicht voneinander trennen lassen. Hängt diese Trennung zusammen mit der Trennung von Natur und Welt, mit dem Durchschlagen des gordischen Knotens (der Joch und Deichsel mit einander verband)?
Beachte die logische Inkonsistenz, wenn Derrida aufgrund einer Bemerkung Benjamins über die Polizei (und gleichsam als Retourkutsche) den benjaminschen Text (den er als dekonstruktiven Text versteht) gespenstische Züge attestiert (Gesetzeskraft, S. 90f).
Mit dem, was der Verbrecher anderen antut, greift er ein in das Vorrecht des Staates (zu töten, in die Eigentumsrechte seiner Bürger einzugreifen); deshalb wird er vom Staat (im Rahmen des Rechts) verfolgt. Nicht zufällig bleibt im Rechtsverfahren, das allein auf die Verletzung des Gesetzes, des Staatswesens, abhebt, das Opfer ebenso wie der Anspruch des Täters auf eine Bereinigung seiner Tat im Anblick des Opfers unberücksichtigt. Für den Mord wie für jedes andere „Verbrechen“ gilt, daß allein erheblich ist, was die Tat dem Opfer und was sie Gott und dem Täter selbst antut, (Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, S. 62). Völlig unerheblich aber ist, was sie dem Staat antut. -
22.11.95
Der Andere und der Fremde: Der Begriff des Anderen ist ein Systembegriff, der des Fremden ein systemsprengender Begriff. Der Weltbegriff macht alles Weltliche zu Anderem für Andere; das Eine, das das Andere für Andere ist, ist im Kontext des Weltbegriffs in diesem Anderssein aufgehoben und verschwunden. Der Satz: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“, drückt diese Struktur aufs genaueste aus. Als ihnen die Augen aufgingen, lernten sie sich in den Augen der Anderen sehen: Da erkannten sie, daß sie nackt waren. Diese Nacktheit ist das biblische Äquivalent des philosophischen Andersseins. Das, was ich unter dem Zwang der Logik der Scham (unterm Rechtfertigungszwang) in mir verdrängen muß, ist damit nicht wirklich verschwunden: Es erscheint in der Gestalt des Fremden (zugespitzt in den Gestalten des Feindes, des Verräters und in der der Sexualität, der weiblichen Verführung), der, weil er der Systemlogik des Andersseins sich nicht einordnet, zur Projektionsfolie meiner Verdrängungen wird. In dieser Logik gründet die Xenophobie.
Läßt die Beziehung des Andern zum Fremden nicht an der Beziehung des Inertialsystems zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich ablesen? Bezeichnet nicht die Lichtgeschwindigkeit (zusammen mit der Gravitationskonstanten) genau den Fremdheitspunkt im System? Im Inertialsystem ist die Division durch 0 (das Äquivalent der Orthogonalität) nicht gleich Unendlich, sondern = c, gleich der Lichtgeschwindigkeit (vgl. hierzu die Erörterungen Derridas über die Beziehungen der Begriffe des Andern, des Fremden und des Unendlichen in seinem Essay über Levinas, in: Die Schrift und die Differenz, S. 121ff, insbes. S. 149ff, 159ff, 174).
Die 0 (Null) ist der Statthalter der Orthogonalität in der Mathematik. Die Vorstellung der Unendlichkeit des Raumes ist durch ein dreifaches Nichts (durch drei Nullen, die erst durch ihre wechselseitige Reflexion mit einander identisch, zu Nullen, werden: durch eine dreifache Abstraktion) vermittelt. Vorläufer der Null, ihr Statthalter in der Sprache, war das Neutrum, in der Schrift symbolisiert durch die Schlange: „An jenem Tage wird der HERR mit seinem harten, großen und starken Schwerte heimsuchen den Leviathan, die flüchtige Schlange, und den Leviathan, die gewundene Schlange, und wird den Drachen töten, der im Meere haust“ (Jes 271).
Die Null ist die Narbe an der Stelle, an der Alexander den gordischen Knoten durchschlagen hat, sie ist dann zu einem Instrument im Klassenkampf geworden.
Redundanz: Der Begriff des Rassismus erklärt die Xenophobie auf der Basis und im Rahmen der Logik der Xenophobie.
Zur Geschichte des Objektbegriffs: Die Kopenhagener Schule hat die ungelösten Probleme der Äthertheorie in den mikrophysikalischen Objektbegriff mit hereingenommen, sie hat sie zu dinglichen Eigenschaften von Objekten (der „Elementarteilchen“) gemacht. Hierauf bezog sich meine These, daß die Strukturen der Mikrophysik (des gesamten Bereichs, den das Plancksche Wirkungsquantum eröffnet hat) aus der Form des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit neu definierten Inertialsystems sich müssen herleiten lassen.
Hat der Faschismus nicht eine sehr christliche Tradition terroristisch zugespitzt, als er den Opfern auch nachträglich noch unauslöschliche Schuldgefühle mitgegeben hat? Der daraus sich herleitende Rechtfertigungszwang läßt sich nur im Kontext der Reflexion der Genesis dieser Schuldgefühle (die gegenstandslos, aber nicht grundlos sind) auflösen. Und nur auf die Auflösung dieses Rechtfertigungszwangs, nicht der Schuldgefühle, kommt es an. Was heute Religion heißt: der vergebliche Versuch, diese Schuldgefühle (unter Hinweis auf ihre Gegenstandslosigkeit) loszuwerden, bleibt in diese Rechtfertigungszwänge verstrickt. Diese Religion ontologisiert das Schuldverschubsystem: Sie macht sich selbst lahm und blind.
Liegt das ungeheure symbolische Potential des Konflikts um die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie nicht in ihrer Beziehung zu diesem Schuldverschubsystem? Welch schreckliche symbolische Logik liegt nicht in der Geschichte, daß C. F. von Weizsäcker, der in die Entstehungsgeschichte der angeblich friedlichen Nutzung der Atomenergie involviert war, vor Jahren sich einen privaten Atombunker gebaut haben soll? Und ist die Wirksamkeit des Schuldverschubsystems nicht direkt an seiner Formel für die Energiebilanz der Sonne, die eigentlich auf die Technik der „Uranmaschine“ abzielte, abzulesen (an der kosmologischen Verschiebung eines technischen und erkenntnistheoretischen Problems)? Auch das ein Versuch der Verharmlosung (und Schuldentlastung): die Verschiebung des Problems aus einer ethisch relevanten in eine ethikfreie Zone: ins Kosmologische. War dieses Konstrukt nicht ein Vorläufer der „kosmologischen“ Theorien des Urknalls oder auch des Schwarzen Lochs (der „Kosmologisierung“ technischer Redundanz-Probleme)?
Entsühnung der Welt: Ersetzen heute nicht Exkulpationsmechanismen, der Trieb, den Komfort des guten Gewissens sich zu erhalten, immer deutlicher und massiver die Arbeit an der Erkenntnis dessen, was hinter dem Vorhang sich abspielt? Heute wollen die Menschen nicht mehr wissen, was sie tun, sie wollen nur noch, was sie tun, ohne Schuldgefühle tun.
Beim Tod Jesu „(zerriß) der Vorhang im Tempel … von oben bis unten in zwei Stücke, und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Grüfte öffneten sich, und viele Leiber der Entschlafenen wurden auferweckt; und sie kamen nach seiner Auferweckung aus den Grüften hervor, gingen in die heilige Stadt und erschienen vielen“ (Mt 2751f). Wird hier nicht beschrieben, was „hinter dem Vorhang“ ist? -
16.11.95
Die These, man müsse den Staat dazu bringen, sein faschistisches Gesicht zu zeigen, weiß nicht nur nicht, was Faschismus heißt, sie ist ebensosehr Ausdruck der Hilflosigkeit des militanten Antifaschismus. Es kommt nicht darauf ein, ein Urteil zu vollstrecken (auch nicht das Urteil des Geschichte, das selber unterm Bann des Faschismus steht), sondern die Erkenntnis wie das Handeln vom Bann des Urteils zu befreien.
Es gibt zwei Formen der Beziehung der Vergangenheit zur Erkenntnis: Während die Naturwissenschaft die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert, ratifiziert der Historismus die Vergangenheit des Vergangenen. Beide gemeinsam rücken die Gegenwart in das Licht der Vergangenheit (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, Grund der Ästhetisierung der Wirklichkeit).
Nur bei Johannes steht die Geschichte mit der Aufschrift am Kreuz, auf die Pilatus schreiben ließ: Jesus der Nazoräer, der König der Juden (1919).
Wer war der erste Confessor, und wer war die erste Virgo? Während das Martyrium noch auf die unmittelbar bevorstehende Parusie bezogen war, ist der neue Heiligentyp auch eine Konsequenz aus der Enttäuschung der Parusie-Erwartung (der Rezeption des Weltbegriffs). Confessor und Virgo waren gleichsam das erste aus dem Paradies der zukünftigen Welt vertriebene Menschenpaar, und der katholische Himmel eine Verkörperung der gefallenen zukünftigen Welt (zweiter Sündenfall, mit Alexander und seinen caesarischen Nachfolgern als Cherube mit dem Flammenschwert vor der verschlossenen Zukunft. Ist der Katholizismus die Erzeugungsmaschine der Wolken, auf denen der Menschensohn einst kommen wird?
Verweist der Satz des Paulus, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet, nicht darauf, daß die ganze Schöpfung teilhat an der Passion und am Kreuzestod Jesu? Hat Kopernikus den Kosmos ans Kreuz geschlagen, und war Newton der Paulus dieser neuen Theologie?
Die Geschichte ist das Produkt der Historisierung, wie die Welt das Produkt der Verweltlichung und die Natur das Produkt des Objektivationsprozesses ist.
Die Astronomie, die Elektrodynamik und die Mikrophysik sind auch ein Beweis für die Sprengkraft des Inertialsystems, des Herrendenkens, das in diesem System sich verkörpert.
Antisemitismus, Ketzer- und Hexenverfolgung gehören zur Vorgeschichte der Konstituierung des Inertialsystems. Der Jude, das war der Feind, der Ketzer der zum Verräter gewordene Genosse und Frau war das, was unten ist.
Nach welchen Prinzipien sind in den Nationalsprachen die Zahlen gebildet worden, und welche Konnationen stecken in diesen Bildungen (im Deutschen mit der Folge Hunderter, Einer, Zehner: Sechshundert sechs und sechzig, im Englischen in der logischeren Folge Hunderter, Zehner, Einer: sixhundred sixty six; was bedeutet die abweichende, auch auf Subtraktionen zurückgreifende Zahlenbildung im Französischen)? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Trennung der (arabischen) Zahlen von der Schrift, der Einführung der Null (aus Indien über die Araber), der Bildung der Dezimalzahlen und der modernen Raumvorstellung, der „subjektiven Form der Anschauung“ (die Null ist das Korrelat der unendlichen Ausdehnung des Raumes), dem Ursprung der analytischen Geometrie und der doppelten Buchführung? Die Null hat (als mathematischer Reflex der Unendlichkeit) die Mathematik von der Sprache getrennt, sie gleichsam auf ihre eigenen Füße gestellt. In der Geometrie repräsentiert die Null den Ursprungspunkt des Raumes: den Repräsentanten des Subjekts und des Objekts zugleich. Die Null hat den Raum zur subjektiven Form der Anschauung gemacht, sie war der Ich-Generator; sie hat die Schöpfungslehre verwandelt. Erst das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat die Null widerlegt (oder auch dynamisiert).
In welcher Beziehung steht die Logik der durch die Null neu begründeten Mathematik zur Logik der symbolischen Zahlen (die ihre eigene Rationalität haben, die nicht widerlegt, nur verdrängt worden ist)?
Habermas‘ Konzept eines herrschaftsfreien Diskurses wird durch schon durch den Hinweis auf die Deklination (insbesondere auf den Genitiv, das innersprachliche Äquivalent der Herrschafts- und Eigentumsbeziehungen) widerlegt.
Das Substantiv bindet den Nominativ ans Inertialsystem. -
15.11.95
Das Schuldverschubsystem ist ein Mittel der Stabilisierung der Welt. Die Selbstentlastung, die mit seiner Hilfe erreicht wird, ist ein Konstituens der Einheit der Welt (und der Einheit des Subjekts, die logisch mit dem Schuldverschubsystem verknüpft ist).
Die transzendentale Ästhetik enthält bereits die Elemente einer Kritik des Inertialsystems, und sie verweist zugleich auf den Grund der Trennung der mathematischen und dynamischen Kategorien, der Trennung von Natur und Welt. Wird diese Trennung im Generationenkonflikt ausgetragen, in der die Trennung von Begriff und Objekt oder der mit der Urteilsform gesetzte Konflikt ausgetragen wird? Das Über-Ich ist der Repräsentant des Begriffs im Ich (Pendant der Objektivierung des Subjekts). Und die vaterlose Gesellschaft verdrängt das Über-Ich anstatt es durch Reflexion aufzulösen.
Auf diese Konstellation verweist der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt (Hinweis auf den herrschaftsgeschichtlichen Grund der Logik).
Als Dinglogik ist die Hegelsche Logik die Selbstreflexion der Bekenntnislogik. Deren Vorstufe war die aristotelische Logik, die am Neutrum sich entfaltet.
Das Neutrum ist das Schwert, das den gordischen Knoten durchschlagen, die Objektivität begründet, indem sie sie in Welt und Natur getrennt hat. (Das Neutrum ist der Statthalter des Urteils in der Sprache: Repräsentant des durch den Begriff vermittelten Objektbegriffs.)
Durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ (durch die Herausnahme von Joh 129 aus dem Nachfolgegebot) ist das Christentum zu einer Religion der präventiven Schuldbefreiung geworden, zum apriorischen Alibi für die Unterwerfung und Ausbeutung der Welt: des europäischen Imperialismus. -
13.11.95
Ist die Bezeichnung der Urkirche als „Sekte“ nicht ebenso konsequent wie anachronistisch, wenn man – wie Wayne A. Meeks – die gesamte Eschatologie, das apokalyptische Element in der paulinischen Theologie, nur als ein Instrument der Gemeinschaftsbildung (der Bindung nach innen und der Abgrenzung nach außen) begreift? Der Begriff der Soziologie, der den Erörterungen Meeks‘ zugrundeliegt, projiziert die Gegenwart in die Vergangenheit, weil er von der politischen, herrschaftsgeschichtlichen Reflexion abstrahiert.
An der Zeit wäre eine Kritik der Naturwissenschaft, die sie nicht „widerlegt“, wohl aber die Wunde, die sie geschlagen hat, erfahrbar macht.
Das Inertialsystem hat die subjektiven Formen der Anschauung Kants nicht nur vergegenständlicht, sondern zugleich die Zeit unter die Form der äußeren Anschauung subsumiert. Das war der Preis für die Konstruktion des Inertialsystems. Aber ist nicht in der gleichen Bewegung der Raum zu einer Form der inneren Anschauung geworden: zur Grundlage und zum Medium der subjektiven „Vorstellungen“, zum Phantasieraum?
Verletzt nicht der Rassebegriff, die Vorstellung von Erhaltung der Reinheit des Blutes, indem er der Exogamie den Weg verstellt, das Inzestverbot (Zusammenhang mit dem modernen Naturbegriff!)?
Der „Mantel der Nächstenliebe“ übt Gnade für die Täter, aber er ist gnadenlos gegen die Opfer.
Die Maschine, die Hegel in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes als das Reifen des sich bildenden Geistes mißversteht (Bd 3 der Theorie-Werkausgabe, S. 18), hat nach Hegel weitergearbeitet, sie hat sich durch die Idee des Absoluten nicht bremsen lassen.
Im Rahmen einer Kritik der Beweislogik wäre nachzuweisen, daß es Beweise gibt, die das genaue Gegenteil dessen beweisen, was sie zu beweisen vorgeben. Darauf bezieht Benjamins Satz „Überzeugen ist unfruchtbar“. Die Kritik des ontologischen Gottesbeweises ist unter Berücksichtigung Hegels nach Kant über Kant hinauszutreiben.
Im Lateinischen heißt Beweis demonstratio. Dr Begriff und die Methode des Beweises stammen aus der Geometrie (von Euklid bis Spinoza).
Steckt nicht in jedem Beweis etwas vom Anspruch der Intersubjektivität, der dem andern bedeutet, dem eigenen Denken zu entsagen. Der Beweis fordert die Unterwerfung unter eine Logik, die – allerdings nicht grundlos – zu durchbrechen wäre. Es ist kein Zufall, daß die Formalisierung der Logik zu Lasten der Logik der Begründung geht. Die Argumentation appelliert auch an die Namenskraft der Sprache, in der der Satz „Wer A sagt, muß auch B sagen“, nicht unbedingt gilt.
„Rede von Gott“: Die Rede ist per definitionem monologisch. Ihr Adressat ist nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft: ein Kollektiv. Wer einen einzelnen „zur Rede stellt“, will, daß er sich „unterordnet“, in eine ihm vorgeordnete Gemeinschaft wieder eingliedert. Reden erwarten keine Antwort, vielleicht Beifall, aber niemals Widerspruch. Die Rede ist die säkularisierte Predigt. Keine Rede ohne Selbsterhöhung, ohne die Hybris des Redenden. Es ist diese Hybris, die sich den Hörern mitteilt (und die von ihnen erwartet wird). Hitler war in erster Linie, wenn nicht sogar ausschließlich, ein Redner. Seine politischen Handlungen waren Inszenierungen, die den Raum, den Resonanzboden, für seine Reden bereiten sollten (der Zusammenbruch des Faschismus war der Zusammenbruch dieses Raumes: danach, ohne diesen Raum, war Hitler ein Nichts, nur noch eine komische Figur: einer, der sich grundlos aufregt). Es gibt keine Rede ohne Ritual, ohne standardisierte Argumentation, auch ohne den spezifischen Ton der Rede. Die Rede lebt von dem Klima der Empörung, das sie erzeugt (darin gleicht sie dem Gerede, mit dem sie unter dem beiden gemeinsamen Bann von Rechtfertigungszwängen steht, auf deren Instrumentalisierung, die ausschließlich über die Mechanismen der Empörung läuft, sie abzielt). Ziel der Rede ist es, Emotionen zu wecken, „Hunde hinterm Ofen hervorzulocken“. Für die Hörer ist die Rede der Handlungsersatz (das moralische Alibi) der Ohnmächtigen. Das Grundmodell der Rede ist die antisemitische Rede. Reden sind ghettobildend: Sie „überzeugen“ nur die eigenen „Anhänger“, andere erreichen sie nicht mehr.
Zum Begriff der Rede: Jemandem „ins Gewissen reden“ heißt, ihm das Gewissen ausreden. -
3.11.95
Aufklärung ist die letzte Chance, nachdem der Determinismus, der in der Entfremdungserfahrung des Proletariats den wirksamen Grund der Revolution zu erkennen glaubte, im Faschismus seine raison d’etre und im Stalinismus seine Unschuld verloren hat.
Wie hängt die Vorstellung, daß Gott die Thora nicht nur selber geschrieben hat, sondern auch weiterhin studiert, mit der Vorstellung vom Buch des Lebens zusammen, in dem die Taten der Menschen aufgezeichnet sind, und in dem sie am Ende sich selbst erkennen?
Der Kreuzestod hat die Welt nicht entsühnt, sondern ihren Zustand offengelegt.
Binden und Lösen: Die Orthodoxie hat die Wahrheit einer Zwangslogik unterworfen. Das mathematische Äquivalent dieser Zwangslogik ist die Orthogonalität. Die Griechen haben die Winkelgeometrie erfunden/entdeckt: Der Satz des Thales, der pythagoreische Lehrsatz und schließlich die euklidische Geometrie sind Stufen der Entfaltung der Logik der Orthogonalität.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist ein Teil der physikalischen Lösung des Problems der Orthogonalität.
Was drückt eigentlich in der Beziehung der Köpfe, Hörner und Kronen sich aus, durch die apokalyptischen Tiere sich unterscheiden? Hat die Beziehung von Köpfen, Hörnern und Kronen etwas mit dem Verhältnis von Herrschaft, Macht und Gewalt oder von Ökonomie, Staat und Religion zu tun? Der Drache unterscheidet sich vom Tier aus dem Wasser dadurch, daß er die Kronen auf seinen Köpfen hat, während das Tier aus dem Wasser sie auf seinen Hörnern hat. Ist der Drache die Ökonomie, das Tier aus dem Wasser der Staat und das Tier vom Lande die Religion?
Zum Ursprung der Ohrenbeichte (der Priester wird Stellvertreter des Opfers, nimmt ihm die Kompetenz der Vergebung und Versöhnung ab) und zur Geschichte des neuen Sündenbegriffs (der das Bewußtsein und den Willen zu sündigen mit einschließt, die Formalisierung der ezechielischen Eigenverantwortung): Hat die Kirche nicht, als sie die Ohrenbeichte einführte, den Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was zu tun“ in den Indikativ übersetzt (die Bitte generalisiert und als erfüllt angesehen)? Sie hat damit alle, die nicht wissen, was sie tun, für unschuldig erklärt; seitdem aber bleiben alle dumm: die einen angepaßt und „fromm“, die andern rücksichtslos und schlau. Aber sind wirklich, wenn keiner mehr weiß, was er tut, alle unschuldig (ist keiner mehr Täter, verantwortlicher Urheber seiner Handlungen, sind alle nur noch Opfer: Selbstmitleidssyndrom)?
Wenn die Weltgeschichte das Weltgericht ist, sind alle nur noch Objekt dieses Gerichts, gibt es keinen Ausweg aus der Urteilsmaschine (sind die Pforten der Hölle geschlossen). -
24.10.95
Mein ist die Rache, spricht der HERR. Wird diese Rache als Barmherzigkeit sich manifestieren, als Resultat Seines Gereuens, Seiner Umkehr? Ist der Tag des HERRN der Tag Seines Gereuens?
Wie das Angesicht und der Name ist auch das Feuer ein Attribut Gottes: das Feuer, das die Söhne Aarons und die Rotte Korach trifft, aber auch das Feuer, das bei Aaron und später bei Elias das Opfer für JHWH (nicht das für den Baal) entzündet. Die Verwaltung und das Hüten des Feuers obliegt den Priestern (nicht den Leviten).
Was wird aus der Heiligung des Gottesnamens, wenn der Name – wie unter der Herrschaft des Nominalismus: nämlich im Begriff des Objekts, das er „bezeichnet“ – längst untergegangen und vergessen ist?
Wenn der Rechtfertigungszwang das Schuldverschubsystem irreversibel macht, ist er dann nicht
a. der Grund der Mathematisierung der Erkenntnis (des Inertialsystems) und
b. zugleich der Grund des Herrendenkens (der Bekenntnislogik)?
Ist nicht das Inertialsystem das naturale Äquivalent der Logik, die in der Moral den Rechtfertigungszwang ans Schuldverschubsystem bindet?
Brunnenvergiftung: Das Gewaltmonopol des Staates ist der Brunnen, aus dem die Verwaltungen ihre Allmachtsphantasien schöpfen.
Der Tag des HERRN, das wird der Tag seiner Reue sein und der Tag, an dem seine Rache in Barmherzigkeit sich wandeln wird. Aber hängt nicht die Umkehr Gottes von unserer Umkehr ab? Ist nicht die Umformung der Theologie hinter Seinem Rücken in eine Theologie im Angesicht Gottes (eine Umformung, die IHN von Seinem Autismus befreit) die Voraussetzung dieser Umkehr?
Die Ursprungsgeschichte der Lohnarbeit ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte, der Geschichte der „Dornen und Disteln“. (Hat der Schweiß des Angesichts etwas mit Getsemane und die Dornenkrone mit diesen Dornen und Disteln zu tun?)
Die Kirche hat das Symbol (den Vorschein der Erfüllung des Worts) indikativisch verdinglicht, während die jüdische Tradition es konjunktivisch verflüchtigt hat: Aber ist diese Verflüchtigung nicht Teil der Bewegung, in der das Symbol zur ruach, zum Geist wird? Wie hängt die Beziehung von Indikativ und Konjunktiv mit der von Genitiv und Dativ zusammen?
Die Prostitution ist nicht nur das älteste Gewerbe der Welt, sie ist zugleich ein Gründungsgewerbe der Welt, Teil ihrer Ursprungsgeschichte.
Dem melancholischen (saturnischen) Blick wird alles bedeutungsvoll: Josue (Jesus) hieß ursprünglich Hosea.
Was bedeutet es, wenn die „apokryphen“ Bücher, wie Judith, Tobias, die Makkabäer-Bücher, Jesus Sirach, Baruch, zwar in den christlichen Kanon mit aufgenommen worden sind, nicht aber in den jüdischen?
Sind die Naturwissenschaften das Grab (und die Pyramide über dem Grab), in dem die Tradition vergraben ist? Die Kinder Israels haben unter dem Pharao, der Joseph nicht mehr kannte, die Pyramiden bauen müssen.
Fällt nicht der Ursprung der newtonschen Gravitationstheorie zusammen mit der Geschichte, die Marx als die Geschichte der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals (Freisetzung des Proletariats durch die Verwandlung des Grund und Bodens in ein handelbares Objekt: die gemeinsame Subsumtion der Arbeit und des Bodens unters Tauschprinzip) beschrieben hat?
Wie hängt der Ursprung des Inertialsystems (der Entwicklung der Mechanik, dem Ursprung des Gravitationsgesetzes und der physikalischen Optik) mit der gemeinsamen (selbstreferentiellen) Subsumtion der Arbeit, des Bodens und des Geldes unters Wertgesetz zusammen?
Was als Gemeinheit erfahren wird, ist in der Regel bloße Gedankenlosigkeit: Ist diese Gedankenlosigkeit nicht das Grundgesetz der gegenwärtigen Welterfahrung und des Weltbegriffs? (Und hat der Positivismus diese Gedankenlosigkeit nicht zur Methode erhoben?)
Auch die Astrologie war einmal ein Stück Welterklärung: in der Phase des Ursprungs des Weltbegriffs.
Zu dem Satz: Das Sein bestimmt das Bewußtsein, gehört der andere dazu: Das herrschende Bewußtsein ist das Bewußtsein der Herrschenden. -
11.10.1995
Die Dinge beim Namen nennen, das heißt: einen Stuhl einen Stuhl, ein Elektron ein Elektron, einen Mörder einen Mörder, einen Nazi einen Nazi, einen Juden einen Juden und eine Terroristin eine Terroristin nennen; es heißt, mit dem Namen ein System von Konnotationen zitieren. Die Dinge beim Namen nennen heißt heute, eine gemeinsame Sprache mit anderen sprechen, ein Einverständnis voraussetzen, das in der Klassengesellschaft in den entscheidenden Fragen nicht mehr gegeben ist. Diese Gemeinschaft, dieses Einverständnis oder auch nur eine gemeinsame „Überzeugung“ ist am leichtesten herzustellen durch die Beziehung zu einem gemeinsamen Feind (dem Repräsentanten des Objekts), welche Beziehung übrigens im Begriff der „verschworenen Gemeinschaft“ aufs deutlichste sich ausdrückt. Und die Aufforderung, die Dinge beim Namen zu nennen, heißt dann, sich zu der Gemeinschaft zu bekennen, die die Dinge bei diesem Namen nennt und sich am gemeinsamen Gebrauch dieses Namens erkennt.
Orthodoxie ist ein Produkt der Anwendung der Orthogonalität auf die Metaphysik. Kern der Metaphysik war die noesis noeseos, das Denken des Denkens, Produkt einer Anwendung des Genitivs (der grammatischen Form der Herrschafts- und Eigentumsbeziehung) auf die Beziehung des Denkens zu sich selbst. Die spekulative Entfaltung der noesis noeseos war die Trinitätslehre, die nicht sowohl in den christlichen Ursprüngen, auf die sie sich berief, gründete, als diese vielmehr als Stichwortgeber für die Konstrukte ihrer eigenen spekulativen Zwangslogik nutzte und verwertete.
Ähnlich wie an den Begriffen physis und natura, an kosmos und mundus, läßt sich die Beziehung der griechischen zur lateinischen, der prä- zur postdogmatischen Sprache, am Verhältnis von pneuma und spiritus, prosopon und persona demonstrieren. Bei den letzteren ist der Hinweis auf die grammatische Geschlechtsverschiebung nicht unwichtig (beim Geist vom Femininum ins Maskulinum, bei der Person vom Neutrum ins Femininum).
Prosopon ist das neutralisierte Angesicht, persona dessen Instrumentalisierung zur Maske (durch die hindurch die Stimme tönt): Vorläufer und geschichtslogischer Grund der subjektiven Formen der Anschauung. Sind nicht alle Anschauungen „persönliche Anschauungen“, Konstrukte aus vermittelter Unmittelbarkeit und Subjektivität? Läßt sich aus dem prosopon ein dem des Persönlichen vergleichbares Adjektiv bilden, mit vergleichbaren Konnotationen, und gibt es ein Äquivalent zur Hypostasierung dieses Adjektivs, zur Persönlichkeit?
Ist der logische Bildungsprozeß, dem der Name der Persönlichkeit sich verdankt, nicht ein Reflex und eine Rekapitulation der Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs? Ist die Persönlichkeit nicht ein Produkt der dreifachen Leugnung (mit der Selbstverfluchung am Ende): Produkt der Hypostasierung des neutralisierten und instrumentalisierten Angesichts? Im Kern dieses Bildungsprozesses steckt die Logik der Gemeinheit, die Hegel List der Vernunft genannt hat.
Auf dem Boden des Herrendenkens, zu dem es heute keine Alternative mehr zu geben scheint, ist die andere Seite die stärkere.
Die Orthogonalität ist das geometrische Äquivalent der algebraischen Multiplikation. Die Formel 3 x 5 läßt sich durch eine dreifache Fünfergruppe oder durch eine fünffache Dreiergruppe abbilden. Diese Gruppenbildung, deren Elemente gleichnamig sein müssen, aber ist das Äquivalent der Begriffsbildung, Abbild der Subsumtionsbeziehung von Begriff und Objekt. Begriffsmerkmale sind Dimensionen in einem durch Orthogonalität definierten Kontinuum.
Um Verständnis bitten ist nicht dasselbe wie um Mitleid bitten (ebensowenig wie alles verstehen alles verzeihen heißt).
Dekonstruktion des Praesens als Voraussetzung der Rekonstruktion der Gegenwart. -
28.9.1995
Liegt das Problem der Theologie heute nicht darin, daß in einer Gesellschaft, in der man keine Fehler mehr machen darf, Mitleid als Diskriminierung (als Hinweis auf einen unentschuldbaren Mangel) erfahren wird? Das unterscheidet Gott von der Idee des Absoluten: daß ihn eigene Handlungen „gereuen“. Gott ist lernfähig und nicht „allwissend“. Daß Gott etwas gereut, gehört zu den Attributen, die im Imperativ stehen.
Abraham argumentiert im Falle Sodom mit Blick auf die göttliche Gerechtigkeit, Moses, beim Exodus, im Hinblick auf das Ansehen: Was werden die Ägypter sagen?
Die Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft ist die Geschichte der Sünde der Welt. Deshalb ist die Theologie, die Joh 129 aus dem Nachfolgegebot herausnimmt (mit der Vergöttlichung Jesu und der Entsühnung der Welt), Herrschaftstheologie.
Auch in der Theologie hat Griechenland Rom (die Orthodoxie dem Katholizismus) vorgearbeitet: Die griechische Sprache ist vordogmatisch (vorimperialistisch), die lateinische nachdogmatisch (imperialistisch); die griechische Sprache ist die Sprache des Ursprungs und der Entfaltung des Dogmas, die lateinische die seiner Instrumentalisierung. Nur in diesem Kontext werden die Differenzen zwischen natura und physis, mundus und kosmos, und zusammen damit die grammatischen Neukonstruktionen des Lateinischen (paradigmatisch: Plusquamperfekt und Futur II) durchsichtig. Besiegelt wird die Differenz, die ihr Zentrum in der Trinitätslehre hat, durch die Übersetzung von homousia mit consubstantialis. Umgekehrt: Erst die genaue Bestimmung der grammatischen Differenzen (zu denen der Natur- und Weltbegriff als Schlüsselbegriffe dazugehören) macht die lateinische Trinitätslehre (mit dem filioque) durchsichtig.
Die dies dominica ist der achte Tag (der „Tag des Herrn“), der noch nicht eingetreten ist, im Sonntag nur antizipiert wird. Was bedeutet es, wenn es heißt, daß der Menschensohn auch Herr des Sabbats ist?
„Tatsache“, „in der Tat“: Wodurch unterscheidet sich die Tat vom Handeln? Ist die Tat das Plusquamperfekt des Handelns? Wie verhält sich der Begriff der Tat zum Begriff der Welt. Eine „gute Tat“ ist eine Tat vor aller Welt. Es gibt die weltbegründenden Taten des Herakles (das Buch der Richter ist eine Parodie darauf). Das Handeln setzt die Welt voraus, die Tat begründet eine Welt. Taten sind geschichtsbegründend (deshalb gibt es Heldentaten), sie konstituieren und reflektieren den Blick des Historikers, des Nachgeborenen. Tatsachen entspringen dort, wo der Blick des Historikers die Gegenwart mit einbegreift (und durchdringt: ihren Begriff konstituiert). Die Vorform des Empirischen war das Historische. Tatsachen sind zusammen mit den Dingen entsprungen; beide sind Abkömmlinge der Sachen, die in Taten gründen.
Tatsachen (das gegenständliche Korrelat des Indikativs) werden in der Schrift durch „Dornen und Disteln“ symbolisiert; sie gehören zu einem Begriff der Welt, der durch Gewalt und durch Herrschaft von Menschen über Menschen sich definiert, der unser Bewußtsein und unsere Erfahrung determiniert, durchdringt und beherrscht. Tatsachen bilden sich in einem Raum, zu dessen Konstituentien auch das kontrafaktische Urteil gehört, in dem auch alles hätte anders gewesen sein können und Taten die Ursache sind, daß die Dinge so gewesen sind wie sie waren. Tatsachen gehören zum Begriff der instrumentalisierten Welt, die für alle subjektiven Ziele offen ist, soweit ihnen keine „Tatsachen“, Verkörperungen der Macht und der Ziele anderer, entgegenstehen; sie gehören zu einer Welt, die der Phantasie keine Grenzen zu setzen scheint, in der man sich alles auch ganz anders vorstellen kann. Am Widerstand der Tatsachen entzündet sich das Reich der Phantasie: die Kunst, die diesen Widerstand allerdings bloß spiegelt, nicht bricht. Gebrochen wird dieser Widerstand durchs Wunder, die Erfüllung des Worts.
Tatsachen entspringen gemeinsam mit dem Bewußtsein (mit der Konstituierung des Unbewußten und seiner Trennung von ihm) und mit dem Staat. Sie sind nicht naturgegeben, sondern das gemeinsame Resultat eines langen und schmerzhaften, eines katastrophischen Prozesses.
Die natürlichen Objekte des kontrafaktischen Urteils sind neben der politischen Geschichte die Objekte des Geschwätzes (des moralischen Urteils; die Urteilsmoral, deren verdinglichte Gestalt die bei Politikern so beliebte Wertethik ist, ist der private Anwendungsbereich des kontrafaktischen Urteils).
Der Indikativ (die transzendentale Logik) definiert den Inhalt des Kelches (der subjektiven Formen der Anschauung), der Kelch konstituiert den Indikativ. Ist der Kelch der Reflex des Himmelsgewölbes im Subjekt? Worauf bezieht sich dann das Bild des offenen Himmels?
Das kontrafaktische Urteil ist das Pendant des Raumes, in dem die kopernikanische Theorie sich bilden konnte. Die Logik der mathematischen Naturwissenschaften, die in den subjektiven Formen der Anschauung und in der Form des Inertialsystems sich entfaltet ist die Kehrseite der Logik des kontrafaktischen Urteils. -
18.9.1995
Die theologische Übersetzung der Schrift in den Indikativ läßt sich insbesondere am Begriff des Wunders, der in der christlichen Tradition an der Abweichung vom Naturgesetz, in der jüdischen an seiner Beziehung zur Prophetie – als deren Erfüllung – gemessen wird, nachweisen: daran, daß die Theologie hinter dem Rücken Gottes keinen Spaß mehr versteht (der durch das theologische Apriori ausgeschlossen wird). Die Folgen sind dann selber komisch, wenn z.B. ein von Grund auf ironischer Text wie das Buch der Richter (vgl. die Untersuchung von Lillian Klein) blindwütig als historischer Text verstanden wird (in den gleichen Kontext gehört das nationalistische Verständnis der Erwählung Israels, der Prophetie, des jüdischen Messianismus: auch der Nationalismus versteht – ähnlich wie ein Alkoholiker – keinen Spaß). Wie hängt die Unfähigkeit, Spaß zu verstehen, mit der Neutralisierung und Verdrängung der Idee des seligen Lebens, mit der Privatisierung der Religion, zusammen: mit dem Ausschluß der durch das Motiv der Reflexion von Herrschaft vermittelten politischen Relevanz dieser Idee?
Die Quellentheorie ist die logische Konsequenz der Übersetzung der Schrift in den Indikativ (ihre Validität gleicht der der rassistischen Lösung des Problems des Ursprungs der indoeuropäischen Sprachen, selber ein Produkt der Anwendung des indoeuropäischen Indikativs auf das Problem des Ursprungs der Sprache, in der dieses Problem allein als Problem sich konstituiert).
Der Rassismus ist das Produkt der Selbstanwendung des Indikativs. So hängt er mit den kantischen Antinomien der reinen Vernunft (mit der Selbstanwendung der subjektiven Formen der Anschauung) zusammen. Der Rassismus ist das absolute synthetische Urteil apriori.
Wer keinen Spaß versteht, säuft und macht Witze. Deshalb gilt im deutschen Recht Trunkenheit als Strafmilderungsgrund.
Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Wenn auch dieser Satz im Imperativ, und nicht im Indikativ steht, ist er dann nicht identisch mit der Idee des Heiligen Geistes: dem verteidigenden Denken?
Der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, findet seine Begründung in den Grenzen der Beweislogik: Gemeinheit ist mit den Regeln der juristischen Beweislogik nicht nachweisbar. Es gibt keine juristisch faßbaren „Fälle“ von Gemeinheit. Wer die Realität mit ihrer Beweisbarkeit gleichsetzt, schließt damit die Erkennbarkeit der Gemeinheit aus. Darauf bezieht sich der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht. Und darin gründet der Horkheimersche Satz, daß außerhalb des theologischen Zusammenhangs Moral sich nicht begründen läßt. Hängen nicht die kantischen Antinomien der reinen Vernunft, die alle auf den Bereich der transzendentalen Ästhetik sich beziehen, auf die subjektiven Formen der Anschauung, auf Raum und Zeit, zusammen mit der Abstraktion von der Unterscheidung (der qualitativen Differenz) zwischen Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie Oben und Unten, die im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung ebenso wie die sekundären Sinnesqualitäten subjektiviert werden? Ist nicht die Gemeinheit der blinde Fleck des mathematischen wie auch der begrifflichen Erkenntnis (wie auch der Grund der Trennung beider)?
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