Mathematik

  • 17.4.1995

    Die mathematische Rationalität ist eine der Ebene (die ihr Gegenteil als Spiegelung in sich enthält). Das Problem kommt herein mit der Tiefe, die die Mathematik als Physik realisiert: mit dem Plastischen, mit dem Widerstand, mit der Schwere. Hierbei verweist die Schwere auf die Gravitation, der Widerstand auf die Mechanik und das Plastische auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Die dritte Dimension ist als deren Norm das Innere der Fläche. Und verhalten sich nicht Norm und Fläche wie die Gravitation zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit?
    Ethik: Ist das nicht heute der Versuch, Perspektiven und Rechtfertigungen für institutionelles Handeln zu gewinnen (allgemeingültige Normen)? Ethik richtet sich an Institutionen; das gilt auch für die „personalistische Ethik“ (für die Wertethik, die sich an die Repräsentanz der Institutionen in Subjekt richtet, an die „Person“). – Merkwürdig, daß ich Adornos Satz zur Sexualethik als einen Satz zur Sexualmoral in Erinnerung habe: Verhält sich die Ethik zur Moral wie die Ästhetik zur Kunstphilosophie? Schließen nicht Moral und Kunstphilosophie die Vergegenständlichung dessen mit ein, was Adorno in der Reflexion halten möchte? Aber sind nicht Vergegenständlichung und Reflexion siamesische Zwillinge, die sich nicht von einander trennen lassen, ohne daß beide sterben?
    An welchen Stellen kommt der Kaiser im NT vor? (Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, Mt, Mk, Lk. – Wir haben keinen König als den Kaiser, Joh. – Vgl. die Kindheitsgeschichte bei Lk und Paulus in der Apg.)
    Ist die Sünde wider den Heiligen Geist nicht aus ihren Folgen zu erschließen: Sie wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben. Nicht vergeben aber wird dem, der selber nicht vergibt, der zur Verteidigung des Andern nicht bereit oder fähig ist, weil er mit dem Ankläger sich identifiziert. Das aber ist das Prinzip der Welt, der Grund ihrer Verführungsgewalt.
    Müßte nicht insbesondere die Kirche endlich begreifen, was der Satz bedeutet: Mein ist die Rache, spricht der Herr? Dieser Satz schließt jede kirchliche Komplizenschaft mit der Rechtsordnung, der gesellschaftlichen Organisation des Rachetriebs, aus. Hiernach dürfte sich die Kirche durchs Gewaltmonopol des Staates nicht mehr dumm machen lassen. Die Idee des Staates gründet im Prinzip der Vergesellschaftung der Rache, und das Gewaltmonopol des Staates („Alle Gewalt geht vom Volke aus“) hat seine Wurzeln im unaufgelösten Rachetrieb der Menschen. Ist nicht der Staat selber der Terrorist, den er projektiv mit dem 129a verfolgt? Müßte nicht endlich der Faschismus zum Gegenstand einer Selbstaufklärung der staatlich organisierten Gesellschaft werden (zum Gegenstand einer Selbstaufklärung, die die Sensibilisierung für Gewalt zum Ziele hat)?
    Rotes Tuch: Ein Staat, der geliebt werden will, ist wie ein Stofftier, das die Liebe instrumentalisiert und ausbeutungsfähig macht (war nicht die goldene Statue des Nebukadnezar das erste Stofftier?). Der Staat, der geliebt werden will, ist eine Projektion derer, die den Staat (den „Schöpfer der Welt“) als Ich-Stütze brauchen: Ihnen werden alle, die dieser Stütze nicht bedürfen, zu Objekten der Wut. Ist das nicht ein Hinweis auf Bölls Sakrament des Büffels (und auf das Verständnis der Tatsache, daß das Symbol des Rindes in der christlichen Symbolwelt nicht mehr vorkommt, weshalb das Symbol des Esels unverständlich geworden ist).
    Der „Götzendienst“ gehört (wie die antiken Kosmologien) zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs.
    Beruht nicht die gesamte Physik auf der Übertragung des Tauschprinzips auf die Erscheinungen der Natur (die in diesem Akt zur Natur erst wird)? Das Instrument dieser Übertragung war einmal der Begriff, der dann im Inertialsystem sich entfaltete und vollendete, sich aus seinem eigenen Grunde selbst erzeugte und begriff. Das Inertialsystem hat die Natur in ein System mathematischer Äquivalenzbeziehungen aufgelöst (sie damit in einen mathematischen und einen dynamischen Teil aufgespalten).
    Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“: War das nicht eine Paraphrase zum Thema „Im Angesicht und Hinter dem Rücken“?
    Theologie wird wieder möglich, wenn es gelingt, die Beziehung von oben und unten aus dem Räumlichen ins Sprachliche zurück zu transformieren.
    Im 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums steht ein Satz über Petrus, mit dem „angedeutet“ werden soll, „durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde“ (V. 18f), während es über Johannes heißt: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“
    Haben sich die Gewichte nicht schon so verschoben, daß es nicht mehr um das Neue unmittelbar, um das zukünftige Neue, sondern nur noch um das Neue im Alten, um das vergangene Neue geht? Nicht, daß die Vergangenheit uns hilft, wir müssen dem Vergangenen helfen.
    Herrschaft, Gewalt und Macht: Auch Frieden und Gerechtigkeit sollen herrschen. Eine ähnliche Bedeutung von Gewalt und Macht scheint es nicht zu geben. Wie es Herrschaft über andere (und mit ihr Knechtschaft) gibt, gibt es auch Gewalt über andere (Sklaverei); Macht hingegen wird an anderen ausgeübt. Herrschaft ohne Beherrschte wäre denkbar, wenn sie die Herrschaft aller ist. Gewalt und Macht hingegen enthalten (wie die transzendentale Logik) eine apriorische Beziehung zum Objekt in sich, von dem sie (wie das Urteil) abhängig sind.
    Der Satz „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ wäre zu korrigieren: Es kommt darauf an, das Erbe zu reflektieren, daß man nicht davon besessen wird.
    Tiere haben die Scham (den Blick der Andern) verinnerlicht und instrumentalisiert: In der Farbe ihres Fells oder ihres Federkleids, aber auch in ihren wesentlichen (Flucht- und Aggressions-) Merkmalen. Die Scham gehört zum logischen Existenzgrund und zu den Formbestimmungen der Gattung.
    Zu dem Titel „Die Autorität der Leidenden“ (J.B.Metz): Wäre hier nicht zu unterscheiden zwischen dem Leiden der Anderen und dem eigenen Leiden, zwischen Last und Joch (das Leiden der Anderen ist meine Last, die ich auf mich zu nehmen habe, mein Leiden ist ein Joch, das ich anderen auferlege)? In jedem Fall ist die Verführung durchs Selbstmitleid zu reflektieren. Dieser Unterschied rührt an die Differenz zwischen dem steinernen Herzen und dem Herzen aus Fleisch, zwischen Barmherzigkeit und strengem Gericht.
    „Die Autorität der Leidenden“: Gibt der Begriff der Autorität die Intention von J.B.Metz korrekt wider?
    Der Satz aus den Passionsgeschichten „Den Andern konnte er helfen, sich selbst nicht“ liefert den Schlüssel zum Verständnis des Ganzen. Durch diesen Satz werden die Richtenden überführt.
    Sind die Disteln und Dornen nicht das Symbol des Staates (der zum Fluch über Adam nach dem Sündenfall gehört)?
    Sind nicht die sieben unreinen Geister die durch Selbstbezogenheit verunreinigten Geister: das Inertialsystem?
    Das Bekenntnis ist die geheuchelte Nachfolge, seine pharisäische Form (das „getünchte Grab“).
    Dritte Leugnung: Die Selbstverfluchung beginnt dort, wo die Paranoia anfängt, von den Freunden sich verfolgt zu fühlen, um sie dann präventiv zu Feinden zu erklären („Viel Feind, viel Ehr“). Zugleich wird man sich jedoch selbst zum Feind: Prinzip des Faschismus, der darin sein eigenes Gemeinschaftsprinzip, das Band, das alle „zusammenschweißt“, erkennt.
    Das Sakrament des Büffels: Der Büffel ist eine Art des Rindes. Es verweist auf das im Christentum verschwundene Stieropfer. Hat nicht die Kirche den Opferbegriff seit je zweideutig gehalten, so daß beides, das Sakrament des Lammes und das des Büffels darunter verstanden werden konnte? Vgl. Horkheimer: Das Christentum ist die menschenfreundlichste Religion; aber es gibt keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen worden sind.
    Der Letzte, der den Himmel offen sah, aber nicht mehr genau zu beschreiben vermochte, was er dort sah, war Swedenborg.
    War nicht die Auferstehung, das Hervorgehen aus dem Felsengrab, in das ihn Joseph von Arimathäa gelegt hatte, auch ein Bild der Geburt?
    Die Väter der Apostel:
    – Simon (und Andreas?) war der Barjonas, der Sohn des Johannes;
    – Jakobus und Johannes waren die Zebedäussöhne;
    – war Nathanael der Bartholomäus (und wer ist Tholomäus)?
    – der kleine Jakobus war (der Sohn) des Alphäus (und der andere Judas, nicht Ischarioth, sein Bruder?).
    Zu Judas Ischarioth: Steckt in dem Beinamen „isch“, der Mann, und die Pluralendung -oth? Und hat das -ari- etwas mit dem Löwen (vgl. Ariel: leo dei, symbolischer Name für Jerusalem) zu tun? Verweist diese Zusammensetzung (Judas als einer der „Löwenmänner“) auf zelotische Herkunft? (War Paulus ein Judas redivivus, mit Stephanus anstelle von Jesus: Beide, Judas und Paulus, handelten im Sold bzw. im Auftrag der Hohenpriester?)
    Vulgata, hebraicorum, chaldaeorum et graecorum nominum interpretatio:
    – Joseph – Augmentum, Domini Augmentum,
    – Simon – Obediens,
    – Andreas – Fortissimus,
    – Jacob – Supplantator,
    – Johannes – Gratiosus, Pius, Misericors,
    – Nathanael – Donum Dei,
    – Bartholomaeus – Filius suspendentis aquas,
    – Matthaeus – Donatus,
    – Levi – Copulatus,
    – Thomas – Abyssus, Geminus,
    – Judas – Laudatus,
    – Thaddaeus – Laudans,
    – Zebedaeus – Dos, Dotatus,
    – Iscariot – Vir occisionis,
    – Jonas – Columba,
    – Lazarus (Eleazar) – Dei adjutorium,
    – Barthimaeus – filius caecus,
    – Israel – Praevalens deo,
    – Hebraeus – Transiens,
    – Amalek – Populus lambens
    – Aegyptus (hebr. Misraim) – Angustiae, sive tribulationes,
    – Pharao – Dissipans,
    – Nabuchodonosor – Planctus judicii,
    – Gog (Agag) – Tectus,
    – Magog – De tecto,
    – Saul – Postulatus, Commodatus,
    – David – Dilectus,
    – Daniel – judicium Dei,
    – Cana – Zelus, Aemulatio.
    Was haben Visionen und Träume mit dem Exil (und mit der politischen, herrschaftsgeschichtlichen Konstellation, zu der das Exil gehört)? War (neben den Träumen des Pharao) der Traum des Nebukadnezar das Urbild des Traumes? Ezechiel hatte seine Vision „am Flusse Chebar, unter den Verbannten“ (Kap. 1 u. 10), aber nach Jerusalem wurde er (durch den Geist Gottes) „entrückt“ (Kap. 11), um dort die Greuel zu sehen, während der Tempel am Ende Gegenstand von „Gottesgesichten“ im Land Israel, auf einem sehr hohen Berg, war (Kap. 40-48).
    Gründet das Problem, daß Apokalypsen unter fremden Namen geschrieben wurden (ähnlich der Pseudodionysius und der Sohar), in der logischen Konstruktion von Vision und Traum?
    Konstruktion eines parakletischen Begriffs der Kritik: In der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften, von Kopernikus bis Newton, wurde der Himmel (zusammen mit Hölle und Fegefeuer) aus dem Raum hinauskomplimentiert. Newtons „absoluter Raum“ (der bei Kant zur subjektiven Form der Anschauung geworden ist) war das „leere Grab“ des christlichen Himmels.

  • 3.4.1995

    Es gibt eine Beziehung der sinnlichen zur sprachlichen Welt, die an der Beziehung des Lichts zu den Dingen sich demonstrieren läßt. Mit dem Licht, mit seiner verborgenen dialogischen Struktur (seiner Beziehung zum Angesicht), ist auch die Sprache erschaffen. Das Angesicht ist die sinnliche Manifestation der Sprache, es schließt nicht nur das „Du sollst nicht töten“ mit ein, sondern das „Liebet eure Feinde“.
    Ist nicht die Scheidung von Freund und Feind ein Werk des Weltbegriffs (ein Grund jeder Kosmologie), und entspringt nicht genau an dieser Stelle der Name des Teufels? Hier gründet die Unterscheidung des Teufels vom Satan, als dessen „Sohn“ er sich fassen läßt: Der Ankläger vor Gott (der Satan) ist für den Angeklagten der Versucher (der Teufel).
    Gott erweist sich daran, daß er nicht die Welt, wohl aber Himmel und Erde erschaffen hat.
    Hat die Wüste (und die Zahl vierzig) beim Exodus und bei der Versuchung Jesu etwas mit dem tohuwabohu im Schöpfungsbericht zu tun?
    Gibt es zur Verinnerlichung des Schicksals, der der Ursprung des Christentums folgt, und zur Verinnerlichung der Scham, die aus der Islamisierung des Christentums hervorgeht, eine dritte Stufe, auf die das Wort vom „Greuel am heiligen Ort“ sich bezieht (und die den Fundamentalismus begründet)?
    Adornos „erstes Gebot der Sexualmoral“ trifft den Fundamentalismus in der Wurzel. Die Sexualmoral ist die durchs Schuldverschubsystem (durch den Weltbegriff) neutralisierte Gestalt der Herrschaftskritik. Deshalb ist jeder Fundamentalismus sexistisch. Ist nicht die Abtreibungsdebatte der letzte (und vergebliche) Versuch, die Sexualmoral als Instrument der Neutralisierung von Herrschaftskritik zu erhalten, und kehren nicht die Elemente der Neutralisierung in der Abtreibungsdebatte wieder? Sie verschiebt die Schuld auf ein Objekt, durch das die Herren, die dieses Instruments sich bedienen, vor der Gefahr sicher sind, sich selbst damit identifizieren zu müssen, die Frauen.
    Das innerkirchliche Produkt der Neutralisierung der Herrschaftskritik war die Bekenntnislogik, mit der Opfertheologie im Kern. Zu den „Nebenwirkungen“ der Bekenntnislogik gehört die Sexualmoral.
    Mit der „Entsühnung der Welt“ wurde Herrschaft freigesprochen. Der kantische Versuch einer Definition der Totalitätsbegriffe Natur und Welt (in der Antinomie der reinen Vernunft) ist in sofern interessant, als Kant hierbei beiden Begriffen bescheinigt, daß sie „gelegentlich ineinanderfließen“, und zugleich die Differenz beider mit den Begriffen des Dynamischen und Mathematischen definiert, deren Ursprung und Anwendung in die transzendentale Logik fällt und hier zu den Konstituentien des Wissens (der Kategorien) gehört.
    Die Schwachstellen der Hegelschen Philosophie:
    – die „List der Vernunft“,
    – der Begriff des Scheins und
    – das Verhältnis der Natur zur Idee (derzufolge die Idee die Natur „frei aus sich entläßt“, wobei diese Natur dann „den Begriff nicht halten kann“: nach Hegel dürfte es – und das rückt seine Philosophie in einen apokalyptischen Zusammenhang – zur Gattung Tier nur eine und nicht verschiedene Arten geben).
    Diabolik: Die Bekenntnislogik hat erste und zweite Natur getrennt: sie hat die erste zu einer Funktion der zweiten gemacht und zugleich die zweite in den Schatten der ersten gestellt. Das war der Grund des Ursprungs des Nominalismus.
    Schall und Rauch: Die Ausbildung der Fähigkeit, mit den Ohren zu denken (das mit dem „Bekenntnis des Namens“ Gemeinte), hätte Hitler seiner Wirkungsmöglichkeit beraubt.
    Binden und Lösen: Ist nicht Odysseus die Imago der Kirche, die den Gläubigen die Ohren verstopft und sich selbst, um dem gehörten Wort nicht folgen zu müssen, an den Mast des Schiffes binden läßt?
    Montevideo liegt auf der anderen Seite der Welt: Ist der Winter die Rückseite des Sommers und der Herbst die Rückseite des Frühlings?
    Mit der Steinigung des Stephanus geht eine Epoche zu Ende: Er war der Letzte, der den Himmel offen sah. Und die neue Epoche beginnt mit Saulus, der später Paulus hieß.
    Hat nicht die raf, als sie glaubte, die strafende Gewalt des Rechts sich aneignen zu können, deren eigene mythische Gewalt, die Gewalt der Institution und deren Macht über die Köpfe der Menschen, unterschätzt (und deshalb verstärkt)?

  • 31.3.1995

    Schaffen nicht die Law- and Order-Leute die Voraussetzungen dafür, daß alle Widerstände gegen den Ausbruch jugoslawischer Verhältnisse abgebaut werden?
    Welche logischen Widerstände mußten abgebaut werden, um das heliozentrische System zu installieren?
    Das Christentum ist bis heute eine Bekehrungsreligion (die Voraussetzungen dafür hat Paulus geschaffen), aber keine Religion der Umkehr.
    Die Mathematik (und der Begriff des Wissens), Bekenntnislogik (und Naturbegriff), der Staat (und Weltbegriff): In welcher Beziehung stehen diese drei Dinge zu einander? Ist nicht die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) ein Bild der Form des Raumes, seiner Dreidimensionalität, Grund der Unterscheidung von Gesetz, Begriff und Erscheinung in den mathematischen Naturwissenschaften?
    Der Staat hat den Nominalismus begründet, indem er die Stummheit des Helden (Prototyp des platonischen und gnostischen Demiurgen) in die Objektivität hineingetrieben hat.
    Der theologische Ursprung des Rassismus liegt in der Vater-Sohn-Beziehung und in dem „gezeugt, nicht geschaffen“.
    Modell des Relativitätsprinzips war die Äquivalenz und Reversibilität von Geldbewegung und Warenbewegung, begründet im Kreislauf des Geldes nach Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (zusammen mit der Eröffnung des unendlichen Raumes und der Konstituierung der Gravitationszentren im Banken- und Kreditwesen). Erst mit der Möglichkeit der wechselseitigen Substitution (der wechselseitigen Vertretung) und der Reversibilität beider konstituiert sich das Tauschprinzip und das Trägheitsgesetz zugleich.
    Ist nicht die Abtreibungsdebatte ein nachgerade apokalyptisches Beispiel des Schuldverschubsystems?
    Bekenntnislogik: An ihren Feinden kannst du sie erkennen (jedes Bekenntnis hat eine Leiche im Keller).
    Exkulpationslogik: Sich über jemanden empören, mit dem man um keinen Preis identifiziert werden möchte (weil man in ihm nicht erkannt werden möchte).
    Apologetik, sakramentale Gnadenverwaltung und Konfessionalismus: die Erbsünden der Theologie. Gegen die Apologetik steht das verteidigende Denken, gegen die sakramentale Gnadenverwaltung das Wort: „Barmherzigkeit, nicht Opfer“, und gegen den Konfessionalismus die Kritik der Bekenntnislogik und das Bekenntnis des Namens.
    Die verhängnisvolle Rolle insbesondere der schelerschen Wertphilosophie lag darin, daß sie die Selbstreflexion der Objektivität abgeschnitten und durch die Mechanismen der Empörung ersetzt hat. Die Empörung liefert der Unmoral den Komfort des moralischen Bewußtseins, auf den keiner mehr verzichten möchte. Hier liegt die Wurzel eines jeden Fundamentalismus.
    Wodurch unterscheidet sich die Entomologie Ernst Jüngers von den Insektenforschungen Reinhold Schneiders (Winter in Wien)?
    Zwei Hinweise auf den Zusammenhang von Sprache und Theologie:
    – Ist nicht die Schlange in der Geschichte vom Sündenfall ein Symbol für die sprachlogische und sprachhistorische Funktion des Neutrum (im Ursprung der indoeuropäischen Sprachen); und
    – hat nicht der Satz Wittgensteins: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ etwas mit dem Sündenfall zu tun?
    Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben mehr fähig ist: Dieser Satz trifft die Rechtfertigungszwänge, denen alle nach Auschwitz unterliegen, im Kern.

  • 24.3.1995

    Wer an dem Satz „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ sich ärgert, muß selber den Zorn in sich verdrängt haben, der einen ergreift im Anblick der Geschichte (das Produkt dieser Verdrängung ist die Herrschaftsgeschichte, der Historismus). Wer diesen Zorn verdrängt, erfährt die göttliche Rache als Konkurrenz zum eigenen Herrschafts- und Rachetrieb, an den er gebunden ist und von dem er nicht lassen kann. Der komplementäre Aspekt dazu ist die Habermassche Resignation angesichts der Natur.
    Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Demnach ist das Herz der Ort einer Theologie im Angesicht Gottes.
    Die Apokalypse ist ein Teil des neutstamentlichen Kanons. Aber die Apokalyptiker waren auch seit je Häretiker. Das Rätsel ist nur zu lösen über eine Revision des Verfahrens gegen die Häresie: im Kontext der Kritik des Dogmas und der Bekenntnislogik.
    Die Kollektivscham hat endgültig das Weltgericht an die Stelle des göttlichen Gerichts gerückt. Das Weltgericht ist unfähig, den Menschen ins Herz zu sehen. So wird das Herz rechtlich irrelevant, mit der wahrhaft dämonischen Folge: Die Gesinnung (und damit auch die Gemeinheit) ist kein Gegenstand des Strafrechts; und Barmherzigkeit ist kein Milderungsgrund , wohl aber die Trunkenheit. Im politischen Strafrecht ist Barmherzigkeit, wenn sie zum Grund des Handelns wird, eher Grund einer Strafverschärfung. Mit der geltenden Trunkenheits-Regelung wird Herrschaft apriori exkulpiert, während Barmherzigkeit Herrschaft grundsätzlich in Frage stellt. Dieser Zustand bezeichnet genau das gegenständliche Korrelat des Kelchs, der in Gethsemane die Todesangst Jesu evozierte, in der Nacht, als die Jünger schliefen.
    Flucht und Aggression sind die Signa einer Theorie des Tieres (mit der Zuspitzung im Hund: als Verkörperung eines Triebs, der Flucht in Aggression transformiert; nur dem Lamm sind beide Wege versperrt: es wird stumm zur Schlachtbank geführt). Welches sind die sprachlichen Äquivalente von Flucht und Aggression?
    Ableitung der Orthogonalität: Die mathematische Form des Raumes (Produkt der Verknüpfung der Reversibilität aller Richtungen im Raum mit der Orthogonalität als Norm) ist das Realsymbol der verdrängten Umkehr.
    Kritik der Transzendentalphilosophie und der Fichteschen Wissenschaftslehre: Der Andere (das Nicht-Ich als Gegenstand und Norm) ist das Alibi des Herrendenkens, nur als Fremder ist der Andere das objektive Korrelat des Gewissens.

  • 19.3.1995

    Der Turm von Babel wurde gebaut, um „sich einen Namen zu machen“, der Tempel in Jerusalem hingegen, um dem Namen Gottes ein Haus zu bauen. Ist es nicht der Begriff, mit dem die Menschen „sich einen Namen machen“?
    Welche Abstraktionsschritte sind nötig zur Bildung des Zahlbegriffs?
    Erbaulichkeit und Trost: Der Trost, den das Erbauliche spendet, ist ein exkulpierender Trost. Er bedient sich des Schuldverschubsystems, um von „Schuldgefühlen“ zu befreien. Damit hängt es zusammen, wenn die erbauliche Schriftinterpretation ohne Antisemitismus nicht zu haben ist.
    War nicht die Fixierung des „Kenntnisstandes“ des Gerichts am Anfang des Hogefeld-Prozesses die Selbstlegitimation einer massiven Vorverurteilung, eine Verurteilung ohne die Notwendigkeit, das Urteil durch sorgfältige Beweisführung begründen und absichern zu müssen. Hier wurden die synthetischen Urteile apriori festgezurrt, unter die die Angeklagte vor jeder Beweisführung, nur aufgrund der transzendentalen Logik des gerichtlichen Vorurteils, zu subsumieren war. Das Ansinnen, sich mit der Sache selbst noch einmal auseinanderzusetzen, war damit vom Tisch gewischt; jedes Argument der Verteidigung, das in diese Richtung ging, galt danach als Versuch einer Prozeßverzögerung. Dazu paßt der Eindruck, den das Verfahren selber im Beobachter hervorruft: Durch Mimik, Gestus und Ton geben Gericht und Staatsanwalt zu erkennen, wie lästig ihnen die Verteidigung ist, so als beruhe deren Anwesenheit (wie auch die der Prozeßbesucher, die man dann auch durch entwürdigende Eingangskontrollen abzuschrecken versucht) auf eigentlich nicht mehr recht einsichtigen formalen Verfahrensvorschriften, an die man sich leider halten muß.
    Haben früher einmal die Taten der raf dazu beigetragen, ihre eigenen Ziele und Motive, und damit auch deren öffentliche Diskussion, zu diskriminieren, so scheint sich heute das Blatt zu wenden: Das rigide Vorgehen gegen Mitglieder der raf in Verfahren, mit denen man nur noch zu testen scheint, was der Öffentlichkeit heute alles zugemutet werden kann, erzwingt geradezu die Reflexion auf die so massiv verdrängten Intentionen der raf, indem sie beginnt, die Weigerung, diesen Diskurs aufzunehmen, unter einen moralischen Rechtfertigungsdruck zu setzen.
    Was Auschwitz und den Nationalsozialismus von allem Vergleichbaren bis in die Gegenwart hinein unterscheidet, scheint darin zu liegen, daß hier erstmals die nationale Paranoia die Mordlust zur vorgeschriebenen Staatsgesinnung gemacht hat. Was bei anderen totalitären Systemen (im Stalinismus wie in den Militärdiktaturen) als ein nicht intendierter Nebeneffekt erscheint, ist im Nationalsozialismus (und in den nachfolgenden rechtsradikalen Gruppierungen) zum Kern der Sache geworden: Ausdruck dessen sind der Antisemitismus und allgemein die Xenophobie (die eigentlich Manifestationen einer Gewissensphobie sind: Vorstufe dieser Gewissensphobie ist die merkwürdige Beziehung der Deutschen zum „Ausland“, das heute im seelischen Haushalt der Deutschen die Stelle einzunehmen scheint, an der in Zeiten, in denen das Moralische das Sich-von-selbst-Verstehende war, das Gewissen seinen Platz hatte).
    Beitrag zur Logik der Schrift: Ist nicht das Verfahren der Pseudepigraphie eines der Delegation: Man möchte für das, was man schreibt, nicht selbst die Verantwortung übernehmen? Und waren nicht die Fälschungen im Mittelalter schon ein Werk der List der Vernunft, Reflex des gleichen Problems, das am Ende im Problem des kontrafaktischen Urteils sich manifestiert?
    Kosmologie, Erkenntnis- und Gesellschaftskritik: Die Verinnerlichung des Schicksals (Ursprung des Begriffs) und die Verinnerlichung der Scham (Ursprung des Inertialsystems) waren ebensosehr objektive wie subjektive Prozesse. Bezeichnen nicht Sem, Japhet und Ham auch welthistorische Knotenpunkte? Und sind nicht die apokalyptischen Tiere Gestalten des Weltgeistes (und der Weltgeist selber die Schlange, die „das klügste aller Tiere“ war)?
    Apokalypse: die Ermittlung und Deutung der Träume der Herrschenden (Nebukadnezars). Nebukadnezar hatte einen Traum, den er aber vergessen hatte, und den Daniel, um ihn deuten zu können, erst finden muß: Die Hegelsche Logik ist dieser Traum; sie ist die Wahrheit, die Hegel verborgen geblieben ist, als Traum. Wäre nicht das Freudsche Verfahren der Traumdeutung dahin zu korrigieren, daß nicht Träume ihre eigene Logik haben, sondern daß die Logik das Material bildet, aus dem die Träume sind? Ohne Logik gäbe es keine Träume: Die Logik ist der Schlaf der Sprache und insofern der Ursprungsort der Träume. Und war nicht die mathematische Logik das Vergessen dieses Traums (Modell des traumlos gewordenen Schlafs)? Verweisen nicht gerade die Elemente der Logik, von denen die mathematische Logik abstrahiert, auf ihre Beziehung zum Traum: das Subjekt und der Grund?
    Die Orthodoxie ist das Mahnmal der heute in sich selber zur Unkenntlichkeit entstellten Erinnerung an das, was die Mathematik, als sie die Orthogonalität entdeckte, verdrängen mußte.
    Wie hängen die sieben Sakramente, die sieben Planeten, die sieben Schöpfungstage und die sieben Siegel miteinander zusammen? Verweist nicht das Siegel auf den Namen: Es war einmal Unterschrift und Signum der Person zugleich. So war mit dem Siebentage-Werk die Welt auf den Namen Gottes versiegelt. Im Namen Beerscheba ist beides enthalten: die Sieben und der Schwur (vgl. hierzu die Siebener-Gruppen in der Johannes-Offenbarung).

  • 15.3.1995

    Die paradigmatischen Dimensionen eines Nomens sind Kasus, Numerus und Genus; nach Rix (Historische Grammatik des Griechischen, S. 107) beim Substantiv Kasus und Numerus, beim Adjektiv Kasus, Numerus, Genus und Gradus. Heißt das, daß das Neutrum über das Adjektiv sich gebildet hat (und der bestimmte Artikel gleichsam ein absolutes Adjektiv darstellt), und daß es zusammen mit dem Gradus (mit dem sprachlichen Äquivalent der hierarchischen Struktur) sich gebildet hat (vgl. Jürgen Ebachs Hinweis auf den Zusammenhang von Fleischessen und hierarchischer Gesellschaftsstruktur)? Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang der grammatischen mit den räumlichen Dimensionen (z.B. der Hierarchien in Kosmos und Gesellschaft: Ist die spätantike/frühmittelalterliche Engellehre sprachgeschichtlich und sprachlogisch determiniert, und dann zur logischen Grundlage des Feudalismus geworden)?
    Gründet die Bemerkung von Rix über die Dimensionen des Substantivs im Griechischen (zu denen er nur Kasus und Numerus, nicht das Genus zählt) darin, daß das Genus fürs Substantiv keine dimensionale Kategorie ist (jedes Substantiv hat ein Genus, aber anders als bei Kasus und Numerus und anders als das Adjektiv vermag es nicht alle drei Genus – m, f, n – zu durchlaufen)? Aber eignet nicht dem Genus gleichwohl eine quasidimensionale Struktur, die an der besonderen Funktion des Neutrum zu demonstrieren wäre: Ist nicht der Name des Substantiv ein Hinweis auf seine innere Neutralisierung, die an der Trennung des Nomens vom Objekt und der darin gründenden Transformation des Männlichen und Weiblichen in bloße Eigenschaften des Objekts sich erweist? Hier ist der Punkt, an dem Grammatik und Inertialsystem sich berühren (in der Depotenzierung des Namens, theologisch gesprochen: in der Entmächtigung des göttlichen Gebots). Liegt hier der Grund, weshalb im Deutschen die Logik der Kasus und die Zuordnung des grammatischen zum natürlichen Geschlecht willkürlich und zufällig erscheint (vgl. die entsprechenden Artikel in H. Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft)? Läßt der zugrundeliegende Sachverhalt sich aber nicht auch so verstehen, daß die Genus-Dimension das Substantiv nur von außen trifft, seine innere logische Struktur hingegen unberührt läßt? Welche Schlüsse lassen sich hieraus ableiten hinsichtlich der Beziehungen der grammatischen Dimensionen des Substantivs zu den Dimensionen des Raumes; oder in welcher logischen Beziehung steht das grammatische Substantiv zum räumlichen Ding? (Gibt es eine Beziehung des Taumelbechers, Kelch des göttlichen Zorns und des Unzuchtbechers zu Kasus, Numerus und Genus?)
    Wer sagt, Gott sei ein Substantiv, leugnet Gott.
    Spekulation und Reflexion sind beide optische Kategorien; sie reflektieren den Vorrang des Sehens vor dem Hören in der Geschichte der europäischen Aufklärung. Bezieht sich hierauf der Satz „Da gingen ihnen die Augen auf“ sowie auch sein Kontext (Vertreibung aus dem Paradies und Ursprung der Scham, die Fähigkeit, sich in den Augen der anderen wahrzunehmen); bezeichnet auch die Paradies- und Sündenfall-Geschichte einen sprachgeschichtlichen (und sprachlogischen) Vorgang? Ist nicht die Fähigkeit, sich in den Augen der anderen wahrzunehmen, der logische Kern der grammatisch entfalteten Sprache, auf den auch die Mathematik, die zugleich von dieser Fähigkeit abstrahiert (ihren eigenen Grund „leugnet“), zurückweist. Mathematik und Scham: Die Mathematik hat den Blick des andern ins eigene Innere mit aufgenommen; so glaubt sie, ihm zu entkommen, während sie gerade dadurch unentrinnbar in ihn sich verstrickt. Die Mathematik (und die Physik als Emanation der Mathematik) ist Ausdruck der Logik dieser Verstrickung (oder das irre Herumlaufen im Käfig der verstummten Sprache). Der gleiche Vorgang drückt im Ursprung der Schrift und in der Logik der Schrift sich aus: Mit der Schrift sind dem Menschen „die Augen aufgegangen“.
    Ist nicht der Unzuchtsbecher, dessen einzelne Momente schon bei Ezechiel auftreten, der Hinweis darauf, daß das Keuschheitsgebot ein politisches Gebot ist, das dann durch die Logik des Weltbegriffs privatisiert worden ist? Die (reale und die Sprach-) Geschichte dieser Privatisierung wäre zu demonstrieren anhand der kirchlichen Geschichte von der Pornokratie zur Pornographie, die die Geschichte einer Befreiung und einer Verstrickung zugleich war. Im Kontext dieser Geschichte müßte der gesamte Problembereich von der Pseudepigraphie über die Fälschungen im Mittelalter, von der Reorganisation der Kirche durch Zölibat, Ohrenbeichte, Inquisition bis hin zum steinernen Herzen der Welt, zu dem die Kirche heute geworden ist, sich durchsichtig machen lassen.
    Definition des Katholizismus: Verweltlichung durch Sakralisierung.
    Wenn einer einen auf Praxis abzielenden humanen Impuls in die Philosophie gebracht hat, dann war es Max Horkheimer, und das ist einer der Gründe, weshalb er am Ende kein „Werk“ mehr geschrieben hat.
    Die Geschichte der drei Leugnungen beschreibt genau die Entfaltung der inneren Beziehungen der Theologie zur Logik der Schrift. Diese Geschichte gehört zur Geschichte der „Erfüllung der Schrift“.
    Mit der Vergesellschaftung von Herrschaft ist das hierarchische Moment im Begriff der Herrschaft nur verdrängt, nicht aufgehoben worden: Jeder will oben sein. Diese Logik liegt der gesamten Geschichte des Sports seit den Wettkämpfen in Olympia zugrunde.
    Im Hebräischen gibt es keine Steigerung der Adjektive; die Steigerungsformen der Adjektive sind zusammen mit dem Ursprung des Neutrum entstanden. Die Steigerung der Adjektive gründet in einer Form des Vergleichs, für die es im Hebräischen noch keine Grundlage gab, die erst im Kontext der Bildung des Neutrum (oder mit der Bildung des Neutrum als Preis) möglich war.
    Das „gut“ und „sehr gut“ (gut gar sehr) im biblischen Schöpfungsbericht ist keine Vorstufe dieser Steigerungsform, sondern eine Entsprechung der Beziehung von Imperfekt und Perfekt: „Gut gar sehr“ ist das Vollendete (und gar sehr ist der Tod; aber stark wie der Tod ist die Liebe). Die Steigerungsformen im Griechischen sind das Produkt der Neutralisierung der Beziehung von Unvollendetem und Vollendung. Sie gehorchen der gleichen Logik, der die Verwandlung der Barmherzigkeit in Hysterie sich verdankt. Die Steigerungsformen in den indoeuropäischen Sprachen sind Folgen einer Logik, die das Unvergleichliche vergleichbar, das Ungleichnamige gleichnamig macht. (Ähnlich macht die Logik des Geldes das Unvergleichliche vergleichbar, während sie über den eingebauten Gewinnmechanismus, das Konkurrenzprinzip, das Handeln dem Rekordtrieb unterwirft.)
    Die Steigerungsformen sind der sprachliche Reflex des Konkurrenzverhältnisses, in dem die Hierarchie in der Gesellschaft gründet. (Es stimmt nicht, daß Rix in seiner Historichen Grammatik des Griechischen nichts über den Ursprung des Neutrum sagt; sein Werk handelt von nichts anderem.)
    Hat nicht auch der Zusammenhang der nicht-vegetarischen Lebensweise mit hierarchischen Strukturen in der Gesellschaften seinen sprachlichen Grund in der gleichen Konstellation, der die Steigerungen des Adjektivs sich verdanken? Wäre nicht in dieser Konstellation die Logik dieses Zusammenhangs zu bestimmen? Und gründet nicht in dieser Logik das opfertheologische Mißverständnis der Eucharistie (das dann zum begriffsgeschichtlichen Grund des modernen Dingsbegriffs geworden ist)?
    Im Christentum ist das Stier- und Rindopfer abgeschafft worden, während die Auslösung der Erstgeburt des Esels durch das Lamm zum Kern der Theologie geworden (ähnlich wie die Auslösung des Erstgeborenen der Armen durch die Taube, die dann jedoch schon früh verdrängt worden ist).
    Hat die Tradition der Eucharistie etwas mit den mysterienkultischen Ursprüngen der Mysterientheologie zu tun, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die Mysterienkulte hauptsächlich im Militär üblich und gebräuchlich waren?
    Das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande: Bezieht sich das Meer auf die Vergangeheit, die uns beherrscht, und das Land auf die Vergangenheit, auf der wir stehen?
    Gibt es zu gesinnt und gesonnen noch andere vergleichbare Bildungen (wie verwirrt und verworren)?

  • 12.3.1995

    Welche Anlässe für die Verfolgung Jesu werden in den Evangelien berichtet, und wer verfolgt in wessen Namen oder Auftrag wen in der Apostelgeschichte?
    Wer über andere redet, ist zu feige, mit anderen zu reden.
    Hegels Bemerkung über den Namen der Geschichte verweist darauf, daß es Geschichte nur als objektivierte Geschichte gibt.
    Gehören zu den Visionen die Engel, die sie erläutern?
    Der Ursprung des Inertialsystems liegt im Andern, in mir nur insoweit, als ich für Andere ein Anderer bin. Und in den subjektiven Formen der Anschauung, seiner Repräsentanz im Subjekt, ist die ganze Herrschaftsgeschichte enthalten. Im Kontext der Anschauung wird alles zur Erscheinung (zum Objekt und zur Grundlage von Herrschaft).
    Die synthetischen Urteile apriori sind Urteile der Andern, die keines Beweises mehr bedürfen, weil ich selbst für Andere ein Anderer bin (weil ich sie selbst vor mir bezeuge). Modell der synthetischen Urteile apriori ist die aristotelische noesis noeseos.
    Der Idealismus in jeder Gestalt (der seine Wurzeln in der Mathematik hat) ist der Versuch, den Rechtsbegriff einer Wahrheit zu definieren, die keines Zeugen mehr bedarf.
    Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Das Ideal jedes Anklägers ist der Apriori-Beweis (der Indizienbeweis aus reiner Vernunft), dessen transzendentales Subjekt der Staat ist (systemlogischer Grund des Titels Staatsanwalt). Anklageschriften und Plädoyers in Staatsschutzprozessen kommen dem nahe. Wie hängt dieser Apriori-Beweis mit dem Stellenwert und der Logik der Gemeinheit im Recht zusammen?
    Ist nicht der Apriori-Beweis der idealistische Erzeugungsbeweis? Der Begriff der Erzeugung ist der Erbe der neuplatonischen Emanation; zwischen beiden liegen der Ursprung und die Geschichte der Naturwissenschaften und die transzendentale Logik.
    Unzuchtsbecher der Hure Babylon: War nicht der Hexenwahn eine projektiv verdinglichte Gestalt der Erkenntniskritik, und insoweit ein Vorläufer des modernen Fundamentalismus?
    Zielt das „et ne nos inducas in tentationem“ nicht auch auf den Historismus und die Naturwissenschaften (auf den historischen Objektivationsprozeß)?
    Bezogen auf die Totalität der mathematischen Naturwissenschaften gibt es nur drei empirische Tatbestände:
    – die Dreidimensionalität des Raumes,
    – das Gravitationsgesetz und die Gravitationskonstante und
    – die Lichtgeschwindigkeit und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit.
    Liegen nicht die Wurzeln dieser drei empirischen Totalitätsbestimmungen in der ersten: in der Dreidimensionalität des Raumes, in seiner Beziehung zur Zeit? Bezeichnen sie nicht Abstraktionsstufen, die in der Struktur des Raumes vorgezeichnet sind? Insgesamt weisen alle drei zurück auf den „ursprünglichen“ Abstraktionsschritt: auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
    Zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Niemand kann über seinen eigenen Schatten springen, niemand kann sich selbst überholen, und niemand kann hinter seinen eigenen Rücken gelangen.
    Gehört dieser erste Abstraktionsschritt zum siebten Siegel, mit dessen Lösung die der sechs anderen, die auf die Richtungen des Raumes sich beziehen, beginnt; liegt hier der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat (Joch und Last: ihre Identifikation gehört zu den Wurzeln des Staates, während die Erkenntnis ihrer Asymmetrie die Prophetie freisetzt)?
    Die Objektivation des Vergangenen, und damit die Konstitution des Objektbegriffs überhaupt, gelingt nur im Kontext der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. So stützen der Historismus und die Objektivation der Natur sich gegenseitig. Genau an dieser Stelle wird die Gotteserkenntnis storniert. Erst mit der Umkehr dieser Logik: mit der Erinnerung des Unabgegoltenen in der Vergangenheit (des nicht aufgehobenen Unrechts, des unabgegoltenen Leidens und der unerfüllten Verheißungen), mit dem Blick der Barmherzigkeit, löst sich der Bann. Hier liegt das von der Orthodoxie bisher nur vergrabene Talent.
    Der Begriff der Sünde der Welt bezeichnet genau diesen Zusammenhang der Objektivation des Vergangenen mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. Die Sünde der Welt auf sich nehmen (nicht hinwegnehmen), das ist die Voraussetzung der Lösung der sieben Siegel; hierauf bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen. Auf dieses Konzept der Rettung der vergangenen Zukunft beziehen sich die drei evangelischen Räte.
    Erinnerungsarbeit: Das Gottsuchen befreit Kräfte, die in die Vergangenheit wirken, sie in die Gegenwart holen.
    Paulus hat die sieben Siegel zu Archonten, zu Elementargeistern gemacht. Das Werk Jesu endete mit dem Kreuzestod, das des Paulus begann mit dem Mord des Stephanus. Paulus mag ein Instrument der Vorsehung gewesen sein, aber das Nachfolgegebot bezieht sich nicht auf ihn, sondern auf Jesus den Nazoräer.
    Die Geschichte der Aufklärung, an der die Theologiegeschichte seit den Kirchenvätern ihren Anteil hat, war ein Instrument der Instrumentalisierung, der Verdinglichung, die sie durch den Objektivationsprozeß bewußtlos weitergetrieben hat (und noch weitertreibt). Auf diesen Prozeß antwortet die gottsuchende Theologie mit dem verteidigenden, dem parakletischen Denken. Bezieht sich nicht hierauf das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann? Verteidigendes Denken sprengt den Bann des instrumentalisierenden Denkens: begründet die Geistesgegenwart der Prophetie.

  • 6.3.1995

    Die Sünde Hitlers: Das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt („die Welt entsühnt“), ist das nicht der Wolf?
    Zur Logik der Schrift: Dem Autor geht es wie dem Fernsehmoderator: Er sieht und hört seine Leser nicht, aber sie sehen und hören ihn.
    Jede Wand hat eine Rückseite: Darin liegt der Grund der Mathematik. Und wenn in modernen Kirchen die Rückseite nach innen gekehrt wird, so ist das ein Indiz für den Grad der Versteinerung des Herzens.
    Setzt die Verdrängung der Vergangenheit nicht an dem Punkt ein, an dem das Bewußtsein, daß diese Vergangenheit (und zwar nicht nur, aber vor allem das prophetische Wort) uns richten wird, unerträglich wird? Jetzt richtet uns die verdrängte Vergangenheit (die „Sünde der Welt“). Das Produkt dieser verdrängten Vergangenheit ist die verinnerlichte Scham, und deren kosmisches Korrelat die Feste des Himmels.
    Der Begriff einer historischen Naturkatastrophe ist real und paradox zugleich: Wenn es so etwas gibt, ist es eben keine Naturkatastrophe.
    Gewinnen die neutestamentlichen Texte, die auf die Hölle sich beziehen, nicht einen ganz anderen Sinn, wenn man den Namen der Hölle durch der Unterwelt, des Grabs (Scheol), ersetzt? Hier werden auch die Verweise auf das Feuer, das nicht erlischt, und den Wurm, der nicht stirbt, konkret.
    Die Bedeutung und Funktion der Astronomie für die Herrschaftsgeschichte (für die Geschichte des Ursprungs des Staates) gründet darin und verweist darauf, daß die Grenze, die uns von den Sternen trennt, der Grenze zur Vergangenheit korrespondiert. Kann es sein, daß die Wahrheit des Gravitationsgersetzes (der Zusammenhang der physikalischen Bedeutung des Falls mit seiner grammatischen und theologischen Bedeutung) in diesem Sachverhalt begründet ist? Und verweist nicht Wittgensteins Satz, daß die Welt alles ist, was der Fall ist, daß sie alles ist, was sich unter die Vergangenheit subsumieren läßt?
    In der Äußerlichkeit, die in der Form des Raumes begründet ist, drückt die Gewalt der Vergangenheit sich aus. Die gleiche Form der Äußerlichkeit beherrscht über das Geld die durchs Privateigentum definierten materiellen, gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Banken verwalten das vergangene Unrecht.
    Das Paradies liegt nicht in der Vergangenheit, es hat vielmehr Teil an der zeitlichen Struktur des Ewigen, das nicht als vergangen gedacht werden kann.
    Die Feste des Himmels: Sind die „Leuchten“ und „Sterne“ nur an diese Feste „geheftet“, oder sind sie nicht die Instrumente, die den Himmel aufspannen und die Feste begründen? Das aber würde bedeuten, daß die „Planeten“ (im Sinne der Astrologie, nicht des heliozentrischen Systems) in der gleichen Sphäre gründen, in der auch die Sprache gründet: daß sie eine Konstellation repräsentieren, die der Grammatik entspricht. Frage: Was hat die Venus mit dem Ursprung des Neutrum zu tun? Sie ist der Morgen- und der Abendstern, die astrologische Entsprechung des A und O. Berührt sich hier das Signum des Tieres, das war, nicht ist und wieder sein wird, mit dem Luzifer?
    Hat nicht der Versuch, den Ursprung des Weltbegriffs zu begreifen, etwas mit dem Lösen zu tun?
    Die Mathematik ist eine Emanation der Logik der Schrift: Sie ist das Schwert, das den Knoten durchschlagen hat, den es zu lösen gilt. Die Ursprungsgestalt dieses Schwertes: das kreisende Flammenschwert des Kerubs vorm Eingang des Paradieses.
    Gott hat am ersten Tag das Licht von der Finsternis geschieden, und er nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Am zweiten Tag hat er durch die Feste die oberen von den unteren Wassern geschieden; während die Wasser namenlos geblieben sind, nannte er die Feste Himmel. In die dritte Scheidung war Adam verstrickt: Nachdem er die Tiere benannt hatte, scheidet Gott selbst ihn von seiner Seite: Eva. Zu dieser Scheidung, die dann die ganze Schöpfung ergreift, gehört dann die Geschichte vom Sündenfall. Das Symbol dieser dritten Scheidung ist das kreisende Flammenschwert, Symbol der Trennung der Welt vom Paradies.
    Der Sündenfall ist der Grund der Trennung von Welt und Natur, der Grund der Urteilsform, die mit dieser Trennung sich konstituiert, in ihr sich ausdrückt. Mit dem Sündenfall (und durch die Urteilsform) ist dem Menschen sein Anteil an der richtenden Gewalt in die Hand gegeben. Seitdem wissen sie nicht mehr, was sie tun.
    Haben die Menschen im Kreuzestod nicht die Folgen des Nichtwissens vor Augen? Und hat das Wort „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ nicht den Toten, der am Kreuz hängt, als Objekt? Ist Sein Kreuzestod nicht das stellvertretende Objekt unseres Richtens, und dadurch der Anfang des Gerichts über uns (der Anfang des Gerichts der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, dessen Subjekt wir sind)? Die opfertheologische Instrumentalisierung des Kreuzestodes verletzt das Verbot zu richten. Ist nicht das Dogma die gegenständliche Repräsentation dieses Richtens, der Kelch, von dem er wollte, er ginge an ihm vorüber, Ursprung und Produkt der Bekenntnislogik und seiner drei Emanationen: Antijudaismus, Ketzerfurcht und Frauenfeindschaft?
    Das entsetzliche theologische Konstrukt, daß Jesus die Sünden Welt hingweggenommen habe, hat das Lamm zum Wolf gemacht und macht uns selbst zu dem Esel, für den kein Lamm mehr eintritt, und dem das Genick gebrochen wird (hat dieses Brechen des Genicks etwas mit der „Halsstarrigkeit“ zu tun: mit der Starrheit der Orthogonalität, mit der Erstarrung der Rechten – vgl. Ps 1375)?
    Kann es sein, daß die Erklärung von Birgit Hogefeld im Prozeß am vergangenen Donnerstag als Hinweis verstanden werden muß, daß der Anschlag am Flughafen, der auch ihr mit angelastet werden soll, nicht die raf als Urheber hat?

  • 27.2.1995

    Die Vision des Ezechiel hängt zweifellos nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell mit der Situation in der babylonischen Gefangenschaft zusammen, mit einer bestimmten Phase in der Geschichte der Prophetie. Mit dieser Vision gründet (und entspringt) auch die Apokalypse in der durch Babylon bezeichneten neuen Geschichtssituation, im Zeitalter der Weltreiche als Teil der Ursprungsgeschichte des Staats (und der Astronomie).
    Die Sünde der Welt auf sich nehmen, heißt: den Staat und die Welt reflexionsfähig halten.
    Das Inertialsystem ist die Materie, aus der das kreisende Flammenschwert geschmiedet ist. Es ist Produkt der Neutralisierung des Feuers, des Namens und des Angesichts.
    Haben die „Gleichnisse“ Jesu mit dem „Bild und Gleichnis Gottes“ in der Schöpfungsgeschichte zu tun?
    Sind nicht die Armut am brennenden Dornbusch (Ziehe deine Schuhe aus, …), der Gehorsam (das Hören) am Sinai und nur das Keuschheitsgebot apokalyptisch: in der Hure Babylon vorbezeichnet?
    Haben Armut, Gehorsam und Keuschheit etwas mit Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge zu tun? Und ist nicht Nachfolge die Wahrheit des Bekenntnisses (von dem es nur durch die Umkehr getrennt ist), und insofern das Neue, das als Antwort auf den Ursprung des Weltbegriffs mit dem Christentum in die Welt gekommen ist? Und hängen nicht die drei Gestalten des Kelches: Zornesbecher, Taumelbecher und Unzuchtsbecher hiermit zusammen? Wie das Keuschheitsgebot auf den Unzuchtsbecher, so bezieht sich das Armutsgebot auf den Kelch des göttlichen Zorns und der Gehorsam auf den Taumelbecher.
    Die Stämme, Völker, Nationen und Sprachen, sind das nicht die vier Formen der kollektiven Vergangenheit, die uns beherrschen?
    Auch die entzauberte Welt steht noch unter einem Bann, aber es gibt keinen Weg zurück. Zu ergänzen ist: Mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist auch das Nach-vorne-Denken zur Regression geworden. Deshalb erinnert Hegels Idee des Absoluten an den Swinegel, an das „Ich bün all do“.
    In Rosenzweigs „deus fortior me“ ist das me sehr wörtlich zu nehmen: als Ich, mit Vor- und Zuname.
    Das Christentum hat aus Angst vor dem Feuer den Namen und das Angesicht geleugnet, sie durch den Begriff und die Person ersetzt. Wenn die Person zum Träger des Namens geworden ist, so ist darin das Vergessen des Namens schon mit eingebaut.
    Das mystische Nu ist die Erinnerungspur des Zeitkerns der Wahrheit, des Mediums der Prophetie. Im kirchlichen Gebet erinnert nur noch das per saecula saeculorum an diesen Zeitkern der Wahrheit.
    Aus dem Gefängnis der apologetischen Selbstbezogenheit und des theologischen Autismus ausbrechen (nach Rosenzweig hat Gott nicht die Religion, sondern die Welt erschaffen): Das geht nur unter dem Signum des Parakleten, des verteidigenden Denkens.
    Im letzten Wahlkampf wurde man insbesondere aus Kreisen der christlichen Partei mit dem unverschämten Ansinnen behelligt, daß man von einer bestimmten Einkommenshöhe an eigentlich nur noch diese „christliche“ Partei wählen dürfe. Dieser Appell ans unmittelbare Eigeninteresse (an die Solidarität des Klassenkampfs von oben), der im übrigen im deutschen Recht seine Stütze findet, ist er nicht die reale Verführung zur Sünde wider den heiligen Geist: Das verteidigende Denken wird als Verrat an den Zielen dieser Partei erfahren?
    Droht nicht die Apologetik zum Greuel am heiligen Ort zu werden? Unterm Rechtfertigungszwang wird das Verteidigen vom Objekt aufs Subjekt (und auf die Gemeinschaft, durch die das Subjekt sich definiert) umgelenkt.
    No pity for the poor: So heißt ein Kapitel in Adornos Untersuchung über die autoritäre Persönlichkeit. Gewinnt dieser Satz im Zeitalter der Schuldenkrise in der Dritten Welt nicht kosmischen Dimensionen?
    Die mathematischen Naturwissenschaften sind die Erben des Dogmas geworden. Ihre legitimatorische Funktion für das Bestehende hat ihre Wurzeln im Dogmatisierungsprozeß, mit dem die Säkularisation in der Theologie begonnen hat (mit der opfertheologischen Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes). Steht nicht dagegen das Wort: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon?
    Wie hängt die Kritik der Naturwissenschaften, der politischen Ökonomie und der Bekenntnislogik mit den drei evangelischen Räten zusammen? Ist nicht die Abstraktionsgeschichte, der die Raumvorstellung sich verdankt, die Wurzel von allem; die Raumvorstellung als Verletzung des von Jesaia übermittelten Gebots zu Rind und Esel?
    Schwachsinnige Frage, ob die Tiere in den Himmel kommen (so der Titel einer Sendung im Fernsehen gestern): Sie sind schon im Tierkreis und in den Sternbildern am Himmel.
    Kann es sein, daß die Arche, mit der auch die Tiere vor der Sintflut gerettet wurden, etwas mit dem Tierkreis zu tun hat? Ist die Arche Noahs der symbolische Inbegriff der „Häuser“ des Tierkreises?
    Welche Sternzeichennamen gibt es, und welche Tiere sind darunter enthalten (Stier und Widder, die Schlange, die Fische, der Löwe, der große und der kleine Bär)? Gibt es nicht eine Beziehung zwischen den Heroen des Mythos (die an den Sternenhimmel versetzt wurden) und den Tieren der Sternzeichen? Hat das heroische Zeitalter nicht etwas mit dem apokalyptischen (und geschichtsphilosophischen) Tierbegriff zu tun? „Das steinerne Herz des Unendlichen erweichen“: Bezieht sich darauf nicht das Wort vom Lösen (vom Orion über den gordischen Knoten bis zum Wort an Petrus und die Kirche)?
    Ist das Verhältnis des Autors zum Leser, dieses asymmetrische Verhältnis von Nähe und Fremdheit (ein Strukturelement der Logik der Schrift), nicht ein realsymbolischer Hinweis auf die Astronomie?

  • 24.2.1995

    Nach Gerhard Fink (Die griechische Sprache, Darmstadt 1986, S. 151) haben sich „die griechischen Neutra aus ursprünglichen Sammelbegriffen wie Dt. ‚Gehölz‘, ‚Gesinde‘ entwickelt“ (deshalb steht bei einem „Neutrum Plural als Subjekt … das Prädikat meist im Singular“). Ähnlich sind auch die lateinischen Pluralia tantum in der Regel Neutra (allerdings mit Ausnahmen wie divitiae, arum, f der Reichtum, die sich müßten begründen lassen?).
    Gibt es hierzu eine Vorgeschichte im Hebräischen: Welche Funktion haben die „neutrischen Verben“ (Körner, S. 56), welche sprachlogische Bedeutung haben Kollektivbegriff wie „elohim“, „majim“ (und davon abgeleitet „schamajim“)? – Nach Hans-Peter Stähli kann „das Femininum … auch die Funktion unseres Neutrums annehmen“ (Hebräisch-Kurzgramatik, S. 22).
    Neutrum und Konjugation: „Eigentliche Tempora gibt es im Hebräischen nicht. Es werden nicht – wie im Deutschen (und ähnlich in den indoeuopäischen Sprachen generell, H.H.) – Zeitformen, d.h. absolute, objektive Zeitstufen angegeben, sondern nur relative Zeitstufen, die aus dem Textzusammenhang zu erschließen sind.“ (Körner, Hebräische Grammatik, S. 118) Schafft nicht die Subsumtion der Sprache unter die „objektiven Zeitstufen“ (die Historisierung der Gegenwart) eine sprachlogische Situation, die nur mit der Bildung von Kollektivbegriffen und des Neutrum sich bewältigen läßt. Ist das nicht die sprachlogische Voraussetzung sowohl des Natur- und Weltbegriffs als auch, im Zusammenhang damit, der Historisierung der Zeit, der Philosophie und des objektivierenden, begrifflichen Denkens? Und steht diese sprachlogische Situation nicht in objektivem Zusammenhang mit dem Ursprung und der Geschichte der politisch-gesellschaftlichen Institutionen, insbesondere des Staats (der Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern)?
    Das innere Kollektivum, der Materiebegriff im Objekt, entspringt (zusammen mit dem Begriff der Gattung) mit der Historisierung der Gegenwart (der Zeit), im Kontext der Logik des Herrendenkens. Modell und Korrelat des dem Objekt einbeschriebenen Kollektivums ist das Zeitkontinuum (die kantische Form der inneren Anschauung).
    Neben-, Hinter- und Übereinander, wie hängt das mit Dauer und Folge und Gleichzeitigkeit zusammen?
    Ist nicht das Neutrum (und seine innere, sprachlogische Beziehung zum Objektivationsprozeß und zum Kollektivum) die Wasserscheide der Sprachgeschichte? Und ist es nicht die dem Neutrum zugrunde liegende Sprachlogik, die die Auflösung des Problems
    – des „Schuldverschubsystems“,
    – des Konkretismus und der Personalisierung,
    – der Beziehung von „dynamischem und mathematischem Ganzen“,
    – der „intensiven Kollektive“ wie Materie und Natur, insbesondere des Massenbegriffs (dessen logische Konstruktion in die Theologie zurückreicht, hier am scholastischen Eucharistie-Problem sich demonstrieren läßt, zuletzt, neben dem der gleichen Logik sich verdankenden gesellschaftlichen Gebrauch des Begriffs, im physikalischen Ätherproblem und in den Problemen der Mikrophysik sich manifestiert),
    fast unmöglich macht?
    Die Historisierung der Zeit (und die ihr entsprechenden Formen der Konjugation) ist ein Korrelat (und Sinnesimplikat) der Logik der Schrift. Deshalb ist die Logik der Schrift auf die Katastrophe bezogen.
    Für das durch die Naturwissenschaft geformte Bewußtsein wird das Bestehen der Dinge (die Erhaltung der Welt) schon durch die Form des Raumes garantiert. Der Gedanke, daß Gott die Welt erschaffen hat und erhält, ist nach Kopernikus und Newton irrational geworden, nicht mehr nachvollziehbar. Erschaffung und Erhaltung sind zu Attributen der Herrschaft geworden: der Unterdrückung und Ausbeutung. Deshalb gehört die Opfertheologie mit zu diesem Weltverständnis; oder umgekehrt: durch dieses Weltverständnis ist die Opfertheologie unverständlich, obsolet geworden. Wird in der Opfertheologie nicht das Lamm, das für die Erstgeburt des Esels eintritt, mit dem Rind verwechselt? Hierauf bezieht sich Heinrich Bölls Unterscheidung des Sakraments des Lammes von dem des Büffels (in Billard um halb zehn?).
    Sind im Jesaia nicht schon die Sätze vom Rind und Esel Vorverweise auf die Gottesknecht- und Gotteslamm-Kapitel? Haben nicht das Dogma und in seiner Folge die naturwissenschaftliche Aufklärung die ungeheure Symbolik, auf die der Kreuzestod und die Opfertheologie aufgetragen sind, ins Gewaltsame, Destruktive verfälscht? Die Verwechslung von Joch und Last verbindet das Dogma logisch und historisch mit der naturwissenschaftlichen Aufklärung. (Lamm und Esel sind ins christliche Symbol übernommen worden, während das Rind in den Evangelien nicht vorkommt.)
    Das Femininum, das Neutrum und das Kollektivum bilden die Folie, auf die die Begriffe der Gattung und der Materie aufgetragen worden sind. Dazu gehören die Konnotationen des Naturbegriffs, Zeugung und Geburt. Während der Begriff der Natur auf die weibliche Seite verweist, erinnert der Weltbegriff nicht zufällig an die männliche Seite: Bezieht sich nicht hierauf das Gebot der Keuschheit?
    Mit der Physik wurde dem Kosmos die Erinnerung ausgetrieben. Sie hat den Baum des Lebens zerstört, das Buch des Lebens zugeschlagen.
    Wenn der Himmel sich aufrollt wie eine Buchrolle: Bezeichnet das nicht das Schließen und das Öffnen des Buches zugleich? Hier ist der Punkt, an dem wir die ganze Vergangenheit nicht mehr hinter uns haben werden, sondern vor uns: von Angesicht zu Angesicht. Das wäre das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, an dem wir durch Anpassung an die Welt teilhaben. Erinnerungsarbeit ist eine der Möglichkeiten, darauf sich vorzubereiten.
    Wenn das Wasser im Namen des Himmels mit dem „Was“ zu tun hat, hat dann das Feuer mit dem „Wer“ zu tun?

  • 16.2.1995

    Im historischen Umwälzungsprozeß rücken uns die Vergangenheiten wieder nahe: Das scheint sich heute auf die Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs (auf den Bedingungszusammenhang der prophetischen Erkenntnis) zu beziehen.
    Zu den drei kantischen Totalitätsbegriffen gehört der des Wissens, der auch zu den Ursprungsbedingungen der indoeuropäischen Sprachen gehört (ich weiß = ich habe gesehen).
    Enthält Jer 3134 nicht die Auflösung des Rätsels der Mathematik? Das Ende der Geschichte, in der einer den andern belehrte, ist das Ende der unbegriffenen Mathematik.
    Der Antisemitismus gründet in der Leugnung und Verdrängung der Gottesfurcht, in der Verdrängung des Schmerzes, daß das Absolute nicht das Absolute ist (deus fortior me). Das Absolute ist ein Konstrukt der Rechtfertigungs- und Bekenntnislogik: Durch die Rechtfertigungslogik ist das Symbolum zum Bekenntnis geworden. Die Bekenntnislogik ist die Rache des Absoluten an der symbolischen Gestalt der Wahrheit.
    Die Teilung der Menschheit unter Heber (Gen 1025) drückt sich in den beiden Stammbäumen Sems aus, deren erster (1022ff) über den zweiten Sohn Hebers, Joktan, zu dessen dreizehn Söhnen führt, während der zweite (1110ff) über den ersten Sohn, Peleg, zu Abram und zur Geschichte Israels führt.

  • 10.2.1995

    Ästhetik und Massenwahn, Drama und Prozeß: Der Faschismus war das Produkt einer Inszenierung, zu der die Massenaufmärsche ebenso gehörten wie die einstudierten Wutanfälle des „Führers“ und der von oben angeordnete „spontane“ Pogrom; Inszenierungen sind die Rituale der Staatsschutzprozesse: von der MP-bewehrten Polizei vor dem Gerichtsgebäude über die entwürdigende Eingangskontrolle, der die Besucher ausgesetzt sind, bis zur Ausstattung des Gerichtssaals, die insgesamt ein vorverurteilendes Klima schaffen. Inszenierungen sind möglich in einer Welt, die nicht mehr durchs Angesicht Gottes, sondern durchs Anschauen aller (durchs Gesetz der Schamlosigkeit) sich definiert. Diese Welt ist das Produkt der kopernikanischen Wende; die erste Getalt ihrer Selbstreflektion war die kantische Philosophie. Die Waren bedürfen der Inszenierung durch die Reklame, die Privatexistenz der Selbstinszenierung durch Beruf, Wohnung und Kleidung (als Bühne, Kostüm und Ausdrucksmittel der „Rolle der Persönlichkeit“). Zu den ersten Inszenierungen gehören die Kulte der Religionen und die Rituale der Herrschaft: der byzantinische Herrscherkult und die Eucharistie-Verehrung im Mittelalter, die die Kulisse bildete für die Juden-Pogrome, die Ketzer- und Hexenverfolgungen.
    Inszenierungen gibt es, seit es Zuschauer gibt. Sie setzen einen Begriff der Welt voraus, zu dessen Konstituentien der Zuschauer (das Bewußtsein des Von-allen-Gesehen-werdens), die „Öffentlichkeit“ (ein Euphemismus für die biblischen Nacktheit), gehört.
    Sind nicht die Tiere Produkte erstarrter, nicht mehr reflexionsfähiger Öffentlichkeiten, Produkte des „Bewußtseins“, von einer namenlosen, nicht ansprechbaren Instanz gesehen zu werden; hat nicht jede Gattung ihre eigene, sie definierende Öffentlichkeitsdefinition? Menschen leben im Angesicht Gottes, die Tiere im Angesicht Adams. Deshalb wartet „die ganze Schöpfung … sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Röm 819ff).
    Haben nicht die apokalyptischen Tiere mit diesem Begriff der Öffentlichkeit zu tun, sind sie nicht Reflexionsformen der Öffentlichkeit?
    Wer die Reflexion der Natur (das Eingedenken der Natur im Subjekt) verweigert, verweigert die Reflexion des Eigentums: Die kopernikanische Wende hat dem Prinzip der Selbsterhaltung die kosmologische Begründung gegeben. Sie hat das Sich-auf-sich-selbst-Beziehen des sturen Eigeninteresses ontologisiert.
    Die Arbeit des Begriffs, deren Geschichte mit der Hegelschen Philosophie nicht beendet war, hat das, was einmal das Substantielle hieß, zermahlen.
    Die Mathematik ist keine rationale, sondern eine ästhetische Wissenschaft.
    „Euch gebührt es nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater nach seiner eigenen Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist über euch kommt, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und ganz Judäa und Samarien bis ans Ende der Erde (heos eschatou täs gäs).“ (Apg 18) Die Erde hat demnach nicht ein Ende, sondern mehrere Enden: welche sind schon erreicht, und welche stehen noch bevor?.
    Sind nicht die „drei Abmessungen des Raumes“, wie Kant sie nennt, drei Formen seiner Beziehung zur Zeit?
    Es gibt die Himmelsheere, die Vögel des Himmels und die Wolken des Himmels. In welcher Beziehung stehen diese drei zu einander?
    Die Rache Gottes ist die Rache der Barmherzigkeit über das gnadenlose Gericht. Und sind nicht der Zorn und der Grimm (der Inhalt des Taumelkelchs) die Außenseite dieser göttlichen Barmherzigkeit, die göttliche Barmherzigkeit im Bann und im Kontext der Logik der Schrift? Theologie heute müßte sich zur Sprache dieses Gerichts der göttlichen Barmherzigkeit machen. Findet nicht Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“, sein Begriff der bestimmten Negation und sein Votum für das Nichtidentische, darin seine Begründung?
    Hängt nicht das Wort von den zwei Auferstehungen (in der Apokalypse des Johannes) mit den Beziehungen der Dimensionen des Raumes zur Zeit zusammen?

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