Kern der Sensibilität heute wäre, was Horst Meier (in einem Beitrag über Jean Amery in der FR von heute) den „antinazistischen Ekel“ genannt hat. Die Verdrängung dieses Ekels hat die Sensibilität in Empfindlichkeit verwandelt.
Zwischen Empfindlichkeit und Sensibilität gibt es eine logische Grenze. Die neue Enzyklika des Papstes liegt auf der Seite der Empfindlichkeit. Diese Empfindlichkeit gehört zu den objektiven Ursachen der Selbstmorde von Jean Amery, Primo Levi und Paul Celan.
Die Unterscheidung von Sensibilität und Empfindlichkeit konvergiert mit der Unterscheidung von Zorn und Wut. (Die Abtreibungsdebatte ist von der Wut, nicht vom Zorn diktiert. Aber Wut führt in die Paranoia hinein, die der Zorn sprengt. Ist das Krähen des Hahns die letzte Ausdrucksmöglichkeit dieses Zorns?)
Zu J.B.Metz‘ Frage, ob man nach Auschwitz noch beten kann, wäre auf die Stelle bei Reinhold Schneider zu verweisen, die für das Gebet eine Norm aufgerichtet hat, die bis heute nicht erfüllt wurde. Die einzig noch zulässige Form des Gebets wäre eine Theologie im Angesicht Gottes.
Zu dem Papst-Wort gegen den Selbstmord, das an sich wahr ist, wäre an die Selbstmorde von Jean Amery, Primo Levi und Paul Celan zu erinnern, an das entsetzliche Faktum, daß nach Auschwitz nur die überlebenden Opfer, nicht aber die Täter sich schuldig gefühlt haben. Die Verdüsterung der Welt, die diese Überlebenden nicht mehr ertragen konnten, ist auch von den Kirchen nicht aufgehellt worden. Die blasphemische „Versöhnung über den Gräbern“ (Ausdruck des verstocktesten Herrendenkens), deren blasphemischen Charakter kein Theologe bemerkt hat, hält heute den Opfern bereits ihre mangelnde Versöhnungsbereitschaft vor, bezieht auf sie (statt auf die Täter und ihre Erben) das Wort vom steinernen Herzen.
Als Kinder haben wir die „armen Seelen im Fegefeuer“ in unser Nachtgebet mit eingeschlossen. Wurden die Vorstellungen, die wir damit verbanden, nicht aufs genaueste von der gleichzeitigen Realität in den KZs erfüllt?
Die Apokalypse endlich unter Verzicht darauf, das Ende zu berechnen, begreifen: Das wäre die Aufgabe der Theologie (und die einzige Möglichkeit, die Apokalypse wirklich zu begreifen).
Wer das Wort vom Kelch begreifen will, muß den Nominalismus begreifen, die Ursachen, die den Name zu Schall und Rauch gemacht haben.
Verweist nicht die Unterscheidung von prophetischer, messianischer und parakletischer Erkenntnis auf ihren trinitarischen Grund?
Meier
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1.4.1995
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