Metz

  • 20.4.1997

    Die subjektiven Formen der Anschauung, die Feindbildlogik, die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, Weltgericht und Jüngstes Gericht (Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht), die Logik der Totalitätsbegriffe und das Angesicht; Natur und das Apriori der Verurteilung.

    Zur Illustration des Benjamin’schen „Engels der Geschichte“ (und zur Logik des Zeitkontinuums) wäre auf die Figur des Siegers in Elias Canettis „Masse und Macht“ zu verweisen: Er ist der letzte Überlebende, der auf einem riesigen Leichenberg steht. Mit der subjektiven Form der inneren Anschauung (durch die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) setzt sich das transzendentale Subjekt an das Ende der unendlichen Zeitreihe. Die Figur des Siegers ist so in die Vorstellung des Zeitkontinuums und in die Idee des Subjekts mit eingebaut: Die Objektivität (die Natur) ist der besiegte Feind.

    Das Angesicht ist die Widerlegung der Vorstellung eines objektiven, unendlichen Zeitkontinuums (die Auflösung der kantischen Antinomie). Und das Licht und die sinnlichen Qualitäten sind der Beweis dafür, daß eine restlose Objektivation der Natur nicht möglich ist.

    Das Angesicht ist die Widerlegung des Rassismus (und der Rassismus läßt sich aus der Unfähigkeit, den Anblick des Andern zu ertragen, ableiten; hier konvergiert er mit einer Tradition der christlichen Theologie, der Tradition des Dogmas, der Orthodoxie, des Bekenntnisses, die in der Logik der Verurteilung gründet, und zu der die Geschichte der Ausgrenzung und Verurteilung der Häresien gehört).

    Die Fähigkeit, in einen andern sich hineinzuversetzen, ist eins mit der Wahrnehmung der Angesichts. Das Dogma, die Ökonomie und die Naturwissenschaften sind Inbegriffe ungerechter Urteile. Zu ihrer Legitimierung bedürfen sie der (heute verrottenden) Idee des Absoluten.

    „Sie wissen nicht, was sie tun“: Wo und in welchem Zusammenhang kommt der Begriff des Wissens in den Texten des NT vor (Sonderfall Johannes, vgl. insbesondere Joh 1630)?

    Anstatt, wie es Drewermann und Metz tun, die Aufklärung als Legitimation der theologischen Tradition oder aber ihrer Verwerfung zu mißbrauchen, kommt es darauf an, die Probleme der Aufklärung in der Theologie, als ihre Probleme, wiederzuerkennen und die Ressourcen der Tradition zu nutzen als Mittel der Reflexion der Aufklärung.

    Aufgabe heute: Nicht Juden zu „bekehren“, sondern die jüdische Tradition nutzen als Mittel der Selbstbekehrung der Christen, der Umkehr.

    Die Materie ist das „Fleisch“ der Natur. Was ist das „Blut“ (der Blutkreislauf wurde gleichzeitig mit dem heliozentrischen System entdeckt)? Sind die Konjunktionen das Blut der Sprache, und welche Folgen haben die sprachhistorischen Differenzen der Konjugation für die Bedeutung und das Verständnis des Blutsymbols („Reinigung durch das Blut“)?

    In allen Texten über das „letzte Abendmahl“ (die „Einsetzung der Eucharistie“) heißt es „Dies ist mein Leib …“ (Mt 26, Mk 14, Lk 22, 1 Kor 11), nur bei Joh (651ff): … Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, …!).

    A manifestis non discedere: Das Licht ist kein Objekt der Physik.

    Wer nur verurteilt, nicht reflektiert, trägt dazu bei, daß das Verurteilte sich reproduziert. Der Satz „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ ist ein Produkt der universalen Anwendung dieses Gesetzes.

  • 22.11.1996

    Wer immer nur ein gutes Gewissen hat, klinkt sich aus der Solidarität aus.
    Der schärfste Einwand gegen den Unschuldtrieb, gegen den Zwang des guten Gewissens, liegt darin, daß die Freiheit von Schuldgefühlen das Gericht definiert (frei von Schuldgefühlen ist der Ankläger, der Satan).
    Die apokalyptischen Tiere: sind das nicht Verkörperungen des Verfolgers?
    Der Punkt ist die vollständig zusammengeschrumpfte Kugel, die kein Inneres mehr hat, die nur nach nach außen blickt, für die das Innere der anderen ebenso wenig existiert wie das eigene Innere, und die dieses Innere nicht nur nicht erkennt, sondern als inexistent setzt. Die Kugel ist Ausdruck der Gewalt der Rückseite über das Angesicht, der Linken über die Rechte und der unteren über die obere Welt. Der Punkt ist die Basis der Zahlen.
    Haben nicht die Babylonier die Arithmetik und die Ägypter die Geometrie entdeckt? Die Griechen haben Arithmetik und Geometrie mit einander verbunden (nicht versöhnt), und zwar durch die Entdeckung des Winkels.
    Die Entdeckung des Punktes ist eine Folge der Entdeckung des Inertialsystems: Der reine Punkt ist der Schwerpunkt. Die „Definition“ des Punktes ist durch das Bild des „ruhenden Inertialsystems“ vermittelt; der Versuch, dieses „ruhende Inertialsystem“ zu bestimmen, führt in die Paradoxien, deren Ausdruck die beiden Relativitätstheorien Einsteins sind, er führt zu den hochsymbolischen Bildern des fahrenden Zugs und des frei fallenden Fahrstuhls.
    Im Bild des Punktes vollendet sich die Abstraktion, deren Wurzel die Winkelgeometrie ist (der Punkt ist der Eckpunkt eines Winkels, auch im Inertialsystem).
    Daß der Punkt ohne dieses Referenzsystem (das „ruhende Inertialsystem“) nicht sich definieren läßt, drückt im Korpuskel-Welle-Dualismus der Mikrophysik sich aus, einer Konsequenz aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, die das Inertialsystem selber dynamisiert. Hier werden beide, der Punkt und das ihn definierende Referenzsystem, in eine gemeinsame, wechselseitig sich reflektierende Bewegung hineingezogen. Hier erscheint das Referenzsystem in dreifacher Gestalt: als doppeltes Referenzsystem: nämlich sowohl der Korpuskel- als auch der Wellenbewegung, und in dieser Wellenbewegung zugleich als Objekt, als Erscheinung im System. Diese selbstreferentielle Konstruktion, deren systemische Wurzel das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bezeichnet, ist der Inhalt der mikrophysikalischen Strukturen, die in dieser Vermittlung überhaupt erst sich konstituieren.
    In den Dingen ist die Beziehung von Verfolgern und Verfolgtem auf die abstrakteste Form zusammengeschnurrt: auf ihre Beziehung zur Zeit. Die Zukunft des einen ist die Vergangenheit des andern. Die Begriffe Natur und Welt sind logische Zwillinge, die wie Zukunft und Vergangenheit als getrennte auf einander sich beziehen. Die Ontologie ist die Hypostasierung dieses Akts der Trennung (sh. Rosenzweigs „verandernde Kraft des ‚ist’“).
    Ist nicht die Pharao (in der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen und der Verhärtung seines Herzens) der verfolgte Verfolger, und drückt das nicht in den Pyramiden aufs genaueste sich aus?
    Wie hängt der Satz „Allein den Betern kann es noch gelingen …“ zusammen mit dem andern „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“?
    War das nicht einer der fatalen Effekte des Historikerstreits, daß mit dem Bestehen auf der „Einmaligkeit“ von Auschwitz es danach eigentlich nichts Einmaliges mehr geben kann? Und ist das nicht gerade die Voraussetzung der Metastasen von Auschwitz? Manifestation des Einmaligen ist der Name, und indem dieses Einmalige in die Vergangenheit versetzt wird, wird auch der Name ins Perfektum, in die vollendete Vergangenheit versetzt: Kein Ruf, der ihn noch erreicht. So hängt Auschwitz mit der Theologie zusammen.
    Der Begriff instrumentalisiert den Tod, dem er das Objekt, auf das er sich bezieht, überantwortet. Dagegen steht der Name und die Idee der Auferstehung, ohne die es den Namen nicht geben würde. Wenn einer kabbalistischen Tradition zufolge die sechs Richtungen des Raumes auf göttliche Namen versiegelt sind, so drückt genau darin (in der Beziehung der Dinge zum Raum) die Beziehung der Dinge zum Namen sich aus.
    Von der Idee der Auferstehung kennen wir nur das sprachlogische Symbol, das am Namen haftet (und vom Begriff geleugnet wird).
    Ist nicht Jer 3134, wonach am Ende keiner mehr den andern belehren wird, weil alle Gott erkennen, ein Hinweis darauf, daß die direkte Belehrung (das „Überzeugen“) in der Tat unfruchtbar ist? Es bleibt allein noch die reine Erkenntnis Gottes und die Hoffnung, daß sie die Kraft hat, sich mitzuteilen, die Erkenntnis des Namens, in dem die Kraft der Erweckung der Toten beschlossen ist.
    Wäre nicht die Kritik der Ästhetik eine zentrale Aufgabe der Philosophie, die an der Kritik der reinen Vernunft anzusetzen hätte (was hat die „transzendentale Ästhetik“, was haben die subjektiven Formen der Anschauung mit der Kunst zu tun)? Die Ästhetik ist das Feuer im brennenden Dornbusch: Es brennt, aber es verbrennt den Dornbusch nicht. Und dieses Feuer ist nicht Gott, sondern Gott spricht aus diesem Feuer.
    Zu den Grenzen gehören: die Grenzen der Nation (die die „Völker“ und das Ausland ausschließen); das Schaufenster (und die Reklame), das den Käufer von der Ware trennt; die subjektiven Formen der Anschauung, die das Anschauen vom Angeschauten trennen, die Sprachgemeinschaft mit dem Angeschauten neutralisieren. Die Wurzeln dieser Grenzen sind die Grenze zum Himmel und die Grenze zur Vergangenheit, zum Hades.
    Zu Kanther fällt mir nur noch ein: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
    Selbstreferentielle Asymmetrie: Wenn wir heute, in unserer politischen Selbstverständnis, das Handeln des „Auslandes“ zur Norm unseres eigenen Handelns machen, dabei merkwürdigerweise das „Urteil des Auslandes“ (als „Heuchelei“: sie treiben es ja auch nicht anders) ausblenden, weil wir es als Angriff erfahren, holen wir dann nicht über die Metastasen von Auschwitz Auschwitz wieder in unser Handeln zurück? Das Feindbild Ausland bleibt uns so auf jeden Fall erhalten.
    Feindbilder haben seit je auch die Funktion, das, was als Handeln des Feindes erfahren wird, zur Rechtfertigung des eigenen Handelns zu mißbrauchen und damit zur Norm des eigenen Handelns zu machen: die gleiche logische Konstruktion liegt dem naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß zugrunde, sie begründet die Logik der „Naturgesetze“ wie auch die Gesetze des Rechts. Diese Logik wird durchbrochen durchs Gebot der Feindesliebe, das sie aus der Starrheit erlöst und reflexionsfähig macht.
    Die Feindbildlogik ist in sich selber atheistisch, und die einzige Gestalt der Theologie, die heute noch möglich ist, wäre die, die dieses Feindbildlogik sprengt (und die Religion aus dem Bann des Fundamentalismus befreit ohne sie zu verraten). In die Feindbildlogik (und seine religiöse Variante, den Fundamentalismus) gerät zwangsläufig hinein, wer zum Herrendenken keine Alternative mehr kennt.
    Wer Horkheimers Begriff der instrumentellen Vernunft als Angriff erfährt, ist ihr bereits verfallen.
    Wie verhält sich der Satz Reinhold Schneiders „Allein den Betern kann es noch gelingen … und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligt Leben abzuringen“ zu den Reflexionen René Girards über das Heilige und die Gewalt? Ist nicht der Säkularisationsprozeß (der Prozeß der „Verweltlichung der Welt“) Teil einer Geschichte, die diese Forderung eines „geheiligten Lebens“ nachgerade erzwingt? Wie verändert sich der Begriff des Heiligen im Säkularisationsprozeß? Der Säkularisationsprozeß, die Geschichte der Aufklärung, ist ein Prozeß, der, indem er die Idee des Heiligen aus der Objektivität vertreibt, sie ins Subjekt zurücknimmt. Jeder Versuch, das Heilige in der Welt zu erhalten, ist fundamentalistisch, und damit ein Produzent von Gewalt. In diesem Kontext löst sich das Problem der Derridaschen Anfrage an Walter Benjamins „Kritik der Gewalt“ und den Begriff der göttlichen Gewalt, die in keinem Punkt mit irgend einer Form der staatlichen Gewalt sich berührt, es sei denn als Element ihrer Auflösung.
    Johann Baptist Metz‘ Konzept der Verweltlichung der Welt, führt in die Irre, wenn sie nicht die Kritik der Gewalt in sich aufnimmt. Die Kritik der Gewalt ist nicht zu verwechseln mit der Forderung nach Gewaltfreiheit: Während die Forderung nach Gewaltfreiheit sich unter das Gewaltmonopol des Staates stellt, zielt die Kritik der Gewalt auf die Auflösung des Gewaltmonopols des Staates: auf die Manifestation der göttlichen Gewalt. Die göttliche Gewalt leitet sich her aus dem Satz „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, sie manifestiert sich im „Triumph der Barmherzigkeit über das Gericht“, im Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht. Dieser Akt ist der einzige Inhalt der Apokalypse.
    Wer glaubt, das Gewaltmonopol des Staates sei verfügbar im Interesse der Verwirklichung der richtigen Gesellschaft, verkennt u.a. auch den Marxschen Hinweis, daß in der richtigen Gesellschaft der Staat sein Ende findet, sich auflöst. Deshalb sind Staatsschutzsenate und ist der Titel Staatsanwalt schon vom Grunde her reaktionär.
    Wenn es dem Staatsschutz wirklich um die Bekämpfung des Terrorismus ginge, müßte er sein Ziel, nachdem die RAF dem Terrorismus abgesagt hat, im wesentlichen erreicht haben. Was er aber jetzt tut, beweist, daß es ihm garnicht um das Ende des Terrorismus, sondern um Rache geht. Verfolgt wird nicht der Terrorismus, sondern verfolgt wird die Reflexion, die schon der Terrorismus selber verraten hatte. Deshalb war dieser Staatsschutzsenat nicht einmal fähig, die Erklärungen Birgit Hogefelds auch nur sich anzuhören; das Urteil lautet so, als hätte es diese Erlärungen überhaupt nicht gegeben.
    Hegels Reflexion über das Problem des Anfangs in der Philosophie läßt an ersten Sätzen in der Philosophie sich demonstrieren, angefangen mit dem ersten Satz der Philosophie überhaupt (Thales: Alles ist Wasser) über den ersten Satz der Dissertation Thomas von Aquins: Parvus error in principio magnum est in fine, bis hin zum Anfang von Schellings Weltalter: … die Zukunft wird geahndet. Auch die ersten Sätze im Stern der Erlösung und in Wittgensteins Logisch-philosophischem Traktat gehören hierher. Außerdem: Seit wann (und aus welchem Grunde) werden zu philosophischen (und wissenschaftlichen) Werken Einleitungen geschrieben (und im Falle der Phänomenologie des Geistes zur Einleitung noch eine Vorrede)? Ist die Furcht, die Werke könnten mißverstanden werden, und damit der Versuch, diese möglichen Mißverständnisse schon im vorhinein durch eine Vorrede oder Einleitung zu zerstreuen, so unbegründet (haben nicht Rosenzweig und Wittgenstein auf eine Einleitung verzichtet)?
    Sind nicht eigentlich alle naturwissenschaftlichen Bücher Einleitungen zu Texten, die keine mehr sind: zu den Formeln, die die Texte dann nur unzulänglich zu erläutern vermögen? Wer vermöchte wirklich Das Gravitationsgesetz, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit oder die These von der Identität von träger und schwerer Masse in Sprache zu übersetzen?
    Die drei zivilisationskritischen Großprojekte der Aufklärung, Marx, Freud und Einstein, beschreiben sie nicht die Brennpunkte des Aufklärungsprozesses aus der Opferperspektive, Marx aus der des Proletariats, Freud aus der des Unbewußten, und Einstein aus der des materiellen Objekts? Und gehören hierzu nicht die Objekte der Kritik: das Tauschprinzip, das Realitäts- und Lustprinzip und das Trägheitsprinzip?
    Der Unschuldstrieb (das „reine Gewissen“) wird durch die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins symbolisiert und widerlegt.
    Kommt bei René Girard die Geschichte des Stephanus (und des Saulus) vor, und was bedeutet sie für sein Sündenbockkonzept? Ist nicht die Bekehrung des Paulus (die eine Bekehrung und keine Umkehr war) die eines Verfolgers, dessen Opfer „den Himmel offen“ sah?

  • 2.11.1996

    „Ich allein bin entronnen …“: Dieser Refrain der „Hiobsbotschaften“ (vgl. Ebach, Hiob, S. 20ff) gilt nicht nur fürs Erzählen (wozu auch an Primo Levi und Jean Amery zu erinnern wäre), sondern auch für die Philosophie: Ohne dieses Motiv sind die Minima Moralia und die Dialektik der Aufklärung nicht zu verstehen. Und Metz Wort, daß man nach Auschwitz nicht mehr Theologie treiben könne, als habe es Auschwitz nicht gegeben, ist ein bis heute uneingelöstes Programm.
    Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Gemeinheit ist präventive Rache (und deshalb ein spezielles Polizei- und Knastdelikt). Strafe aber wird zur Rache, wenn der, über den sie verhängt wird, keine Chance hat, in ihr sich wiederzuerkennen.
    Die Vorstellung, es könne, wenn alle nett zueinander wären, eine harmonische, konfliktfreie Welt geben, wurzelt in der Privatsphäre, wo sie auch schon illusionär ist. Sie wird zu einer Quelle der Gewalt, wenn sie übergangslos auf die Politik angewandt wird.
    In reflektierenden Urteil hat das „ist“ keine feststellende Funktion; reflektierende Urteile sind nicht ontologisch, sie sind keine verurteilenden Urteile: Sie widerstehen dem Tod und leben von der Weigerung, seiner Gewalt sich zu unterwerfen. Nur zu Heideggers Fundamentalontologie gehört das „Vorlaufen in den Tod“.
    Ist eigentlich an dem Eindruck etwas dran, daß irgendwann bei Ebach wie auch bei Metz etwas umgekippt ist? Und vorher schon und geradezu paradigmatisch bei Habermas: Führt nicht die Habermas’sche Kommunikationstheorie, zu der sein „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ eine Vorstufe war, in den Insektenstaat hinein, in dem Kritik zum folgenlosen Raisonnement wird, das an den versteinerten Verhältnissen abprallt?
    Wenn Weizsäckers Begriff der Philosophie (zusammen mit den Konstruktionen der Kopenhagener Schule in der Physik, aus denen sie hervorgegangen ist) aus der Verdrängung der speziellen Relativitätstheorie sich herleiten läßt, dann der Habermas’sche aus der Verdrängung des Allgemeinen Relativitätsprinzips.
    Ein Beitrag zur Reflexion der Gravitationstheorie: Der vom Objektivierungsprozeß untrennbare Prozeß der Subjektivierung (zunächst der sinnlichen Erfahrung, dann der Kritik und am Ende der Schuld) wird irreversibel, wenn die Kritik des Naturbegriffs aus der Philosophie ausgeschieden wird; jetzt gibt es kein Halten mehr: Dieser Prozeß geht (ähnlich wie die Idee des Rechststaats in den Staatsschutzprozessen) über in den freien Fall, dessen Bahn vorgezeichnet ist durch das Gravitationsfeld der Rechtfertigungszwänge, die mit der Subjektivierung der Schuldgefühle, mit dem Schwinden der Kräfte der Schuldreflexion, unüberwindlich werden.
    In den Staatsschutzprozessen gegen die RAF setzen Anklage und richtender Senat dadurch, daß sie die Identifikation mit den Angeklagten grundsätzlich ausschließen und verwerfen, sich selbst dem Rechtfertigungszwang aus, dem Zwang, das Prinzip „in dubio pro reo“ nur noch auf sich selbst statt auf die Angeklagten anzuwenden. Die Logik dieser Bewegung ist die des freien, von keinen moralischen Hemmungen mehr behinderten Falls. Wenn das Urteil, das am Ende herauskommt, nur noch ein Instrument der Selbstverteidigung der Ankläger und der Richter ist, wenn es den Angeklagten nur noch physisch trifft, wie der Hammer den Nagel, nämlich auf den Kopf, dann gibt’s für den Rechtsstaat keinen Halt mehr.
    Das Urteil, das hier herauskommen wird, ist noch auf eine ganz andere Weise ein Symptom der bewußten und gewollten Reflexionsunfähigkeit dieses Gerichts, das sich zum Hilfsorgan der Bundesanwaltschaft hat machen lassen: Der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand, das sie juristisch nicht zu fassen ist, gewinnt seine volle Bedeutung erst im Zusammenhang mit der weiteren Bemerkung, daß es im Ernstfall diese Gemeinheit ist, die die Grenzen des Rechtsstaats definiert, indem sie sie elastisch macht. Die Aufforderung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidts, „bis an die Grenzen des Rechtsstaats zu gehen“, der man nur zugute halten kann, daß sie von einem Nichtjuristen kam, war eigentlich die Aufforderung, diese Grenzen wenn nicht zu überschreiten, so doch bis Grenze ihrer Belastbarkeit auszudehnen (diese Belastbarkeit des Rechtsstaats ist in den letzten RAF-Prozessen, insbesondere aber im Hogefeld-Prozeß, der einige besondere Anforderungen an dieses Testverfahren gestellt hat, einem Materialtest unterworfen worden: Es waren Versuche, auszutesten, wie weit man gehen kann). Dem entsprach die Prozeßführung im Hogefeld-Prozeß, die Birgit Hogefeld in ihrer Schlußerklärung durchaus zutreffend beschrieben hat. Dieser Prozeß war kein Angriff mehr auf den Rechtsstaat, in diesem Prozeß hat der Rechtsstaat Harakiri begangen.
    Wird man nicht in dem gleichen Maße, in dem man dabei ist, den Sozialstaat abzubauen, die Instrumentarien der Verbrechensbekämpfung und der Vorurteilsproduktion ausweiten müssen? Und wird dieser „Rechtsstaat“ dann nicht fürchterlich sein?
    Während die Reflexionsunfähigkeit auf Seiten der RAF bisher darauf hinauslief, durch blindes Reagieren auf das Unverständliche der Prozesse deren Irrationalität für die Öffentlichkeit zu rechtfertigen, hat im Falle des Hogefeld-Prozesses die Reflexionsfähigkeit der Angeklagten das Gericht gleichsam auf dem linken Bein erwischt; Anklage und Senat waren hierauf nicht vorbereitet und haben stellenweise geradezu hilflos darauf reagiert. Nur, die Öffentlichkeit hat’s unterm dem Bann des Tabus „RAF-Prozeß“, des Trägheitsgesetzes der eigenen Vorurteile, nicht bemerkt.
    Wenn der Bundesanwalt, ohne daß der Senat dazu etwas sagt, in seiner letzten Erklärung der Angeklagten noch einmal das Kronzeugenangebot unterbreitet hat, dann wird man davon ausgehen müssen, daß er dieses Angebot im Einvernehmen mit dem Senat gemacht hat. Und man wird schließlich davon ausgehen müssen, daß die Weigerung der Angeklagten, auf dieses Angebot einzugehen, in die Urteilsfindung mit eingehen wird: Das Urteil, nachdem es als Instrument der Erpressung nicht brauchbar war, wird zu einem Instrument der Rache.
    In den RAF-Prozessen ist der Rechtsstaat zu einem Produkt der Verstaatlichung des gesunden Volksempfindens gemacht worden. Hat nicht der Staat selber in der Geschichte seiner Auseinandersetzung mit der RAF durch eine Reihe von Spezialgesetzen die Instrumente der Reflexionsverweigerung, die der Begriff des „gesunden Volksempfindens“ einmal bezeichnete, so geschmiedet, daß sie beginnen, wirksam zu werden? – Das wäre eines der Themen, die dem Titel „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ wirklich angemessen wären.
    Die Gemeinheit produziert selber die Blenden, die sie davor schützen, gesehen, wahrgenommen zu werden.
    Im Gegensatz zur den Vertretern der Bundesanwaltschaft, die wissen, was sie tun, ist der Vertreter der Nebenklage nur dumm; er ist nur ein apokalyptischer Wadenbeißer.
    Das beweislogische Problem, das dem Satz „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ zugrundeliegt, weist zurück auf den gleichen Sachverhalt, aus dem auch die Feindbildlogik sich herleitet: Jeder Satz läßt sich sowohl inhaltlich verstehen als auch danach abhören, welcher Zweck damit erreicht werden soll. Die Feindbildlogik, die die Sprache vom Verstehen trennt (das dialogische, kommunikative Element aus ihr entfernt), sie auf ihre instrumentalisierte Form reduziert, ist gleichsam die transzendentale Ästhetik zu einer transzendentalen Logik, die auch in der Justiz synthetische Urteile apriori möglich macht, indem sie die Paranoia instrumentalisiert; das Modell und der genaueste Ausdruck dieser Instrumentalisierung, gleicham ihre naturwüchsige Variante, ist der Antisemitismus.
    Die Unfähigkeit, das Selbstverständnis des Angeklagten in die Beweiserhebung mit hereinzunehmen, macht den Angeklagten zum Objekt (was in diesem Kontext heißt: zum Feind) im strengen transzendentallogischen Sinne. In den bisherigen Prozessen hat dieses Verfahren im Verhalten der Angeklagten aus der RAF, die dieser Rolle aufgrund ihres eigenen, von der gleichen Feindbildlogik determinierten Selbstverständnis allzu willig sich überließen, seine „objektive“ Begründung gefunden. Das Verhalten der Angeklagten paßte zur Verhandlungsführung wie das Verhalten von Billardkugeln zu den Gleichungen der Mechanik, die es erklären, nur daß es hier keine Billardkugeln waren, sondern Menschen, die, weil sie nicht als Menschen wahrgenommen wurden, sich wie Objekte verhielten. Es gab gleichsam eine prästabilisierte Harmonie zwischen Prozeßführung und Angeklagten, die ihren Grund in einer beiden Seiten gemeinsamen Logik hatte, einen Feindbild-Clinch, dem keine Seite sich zu entziehen vermochte, weil keiner die Gewalt der Logik, die sie aneinander fesselte, durchschaute. Hierbei stand von vornherein fest, wer gewinnen und wer das Opfer sein würde.
    Was man der RAF politisch vorwerfen kann und muß, ist, daß sie zu den Kräften gehört, die die Gesetze und die Beschleunigungsmechanismen, deren Opfer sie dann selber geworden ist, mit hervorgerufen hat.
    Der Hogefeld-Prozeß unterscheidet sich von allen bisherigen Prozessen eigentlich nur durch das Verhalten der Angeklagten (und durch das ihrer VerteigerInnen), die erstmals versucht, der Objektrolle sich zu entziehen, den Kopf oben zu behalten, indem sie über beides, die Geschichte und das Selbstverständnis der RAF, aber auch die Mechanik der Prozeßführung und des Prozeßverlaufs, durch Reflexion sich Rechenschaft zu geben versucht. Ihre Erklärungen sprechen eine ebenso deutliche wie mutige Sprache. BAW und Gericht haben sich davon nicht beirren lassen, sie führen ihren Krieg weiter gegen einen „Feind“, von dem sie nicht wahrhaben wollen, daß er keiner ist. Sie scheinen die Reflexionskraft der Angeklagten als eine besonders infame Angriffswaffe zu erfahren, die sie zu besonders harten Abwehrmaßnahmen zwingt (die Erklärungen der Angeklagten mußten in pure Heuchelei umdefiniert werden; ein Pfarrer, der auf Wunsch der Angeklagten um Genehmigung eines seelsorglichen Gesprächs gebeten hatte, wurde per Senatsbeschluß zu einem, „der sich selbst als Pfarrer bezeichnet“, in Wahrheit aber nicht nur Sympathisant, sondern Unterstützer der RAF ist). Und es ist zu befürchten, daß das Urteil danach ausfallen wird.
    Kann es sein, daß Birgit Hogefeld dafür jetzt wird büßen müssen, daß sie versucht hat, den Bann durch Reflexion aufzulösen, unter dem beide Seiten stehen? Dieses Gericht erträgt es nicht, daß ausgerechnet die Angeklagte das zu benennen versucht, was es (das Gericht) hier tut. Wenn die „Belastungen“, denen ein Gericht, das zum Instrument der Rache sich machen läßt, ausgesetzt ist, ohnehin schon so groß sind, dann sollen sie nicht auch noch durch Schuldgefühle vermehrt und verstärkt werden. Das logische Gesetz der Rache, einmal enthemmt, ist nicht mehr aufzuhalten.
    Parvus error in principio magnus est in fine: Ist nicht der Ursprung der Zivilisation mit dem Ursprung von Mechanismen erkauft, die inzwischen in der Lage sind, diese Zivilisation in den Abgrund zu befördern?
    Wer den Antisemitismus durch den Begriff des Rassismus zu einer Weltanschauung macht, verharmlost ihn nicht nur, er bestätigt ihn damit zugleich. Er trägt zu seinem Überleben bei, indem er ihm die Würde einer logischen Konsistenz verleiht, die er nicht hat. Der Antisemitismus ist der reinste Ausdruck eines in Aggression und Vernichtungsdrang umschlagenden Rechtfertigungszwangs (und damit dann ein machtpolitisches Instrument zur Enthemmung und Entfesselung dieser Aggression und dieses Vernichtungstriebs). Er enthält kein „theoretisches“ Element, das ihn auf der Theorie-Ebene kritikfähig machen könnte, er ist nur durch Reflexion aufzulösen.
    Elefantengedächtnis: Wer Erinnerungen, die ihm unangenehm sind, verdrängt hat, hat dafür andere Dinge, die er nie vergessen wird.

  • 26.10.1996

    Eine Überschrift in der FR von heute: „Grams-Eltern wenden sich an EU-Kommission“. Erst im Text heißt es dann korrekt, daß die Eltern von Wolfgang Grams (die keine „Grams-Eltern“ sind) vor der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg (die keine „EU-Kommission“ ist) Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben haben. Inzwischen scheinen nicht mehr nur in der BILD-Zeitung Überschriften auch dem Zweck zu dienen, den Text der Meldung, auf den sie hinweisen, zugleich zu vernebeln. Läßt sich nicht am vorauseilenden Gehorsam solcher „Versprecher“ der Zustand der Öffentlichkeit und die Existenz eines durch die Naturkräfte der Bewußtseinindustrie erzeugten und gesteuerten öffentlichen Unbewußten erkennen? Die Nazis hatten den Spruch: „Keiner soll hungern und frieren“, den der Volksmund dann so ergänzte: „Wer’s doch tut, kommt ins KZ“. Ist nicht mit der Verdrängung der Erinnerung an die Nazi-Verbrechen auch die Wahrnehmungsfähigkeit verdrängt worden, die in dieser aufhellenden Ergänzung sich ausdrückte? Das Feindbild ist ein Naturheilmittel, weil es eine Naturkraft ist; es gehört zu den Konstituentien des Naturbegriffs selber, zu dessen sprachlichen Korrelaten der Name der Barbaren und das Neutrum gehören, und deren Logik in der Geschichte des Objektbegriffs und in der Konstituierung und Entfaltung der subjektiven Formen der Anschauung sich vollendet. Zielte nicht hierauf Adornos programmatisches Wort vom „Eingedenken der Natur im Subjekt“? Als das Christentum den Namen des Logos mit dessen griechischer Tradition in eins setzte, hat es sich in seinem Verhältnis zum Kreuzestod auf die Seite der Täter gestellt. Das war der Beginn der zweiten Kreuzigung, der Instrumentalisierung des Kreuzestodes durch die Opferthologie. Läßt das Christentum insgesamt als ein Akt des Tikkun sich begreifen, der Rettung durch Identifizierung mit dem Feind, einer Rettung, die durch den Verrat, den Abfall, hindurchmuß? War nicht die Bubersche „Begegnung“ eine Ersatzhandlung für das, was den Christen eigentlich notgetan hätte: die Reflexion der Naturkräfte, von denen das Christentum sich bis heute nicht hat befreien können? Das Dogma ist die Wahrheit, aber im Stande einer durch die Dogmatisierung (die Bekenntnislogik) verdrängten und ausgegrenzten Reflexion. Durch die Vorstellung einer „Teilhabe am innertrinitarischen Prozeß“, die die Theologie insgesamt verhext, ist der imperative Gehalt der Theologie, der allein eine Theologie im Angesicht Gottes zu begründen vermöchte, ästhetisiert und neutralisiert worden. So wurde aus der Nachfolge die imitatio, aus der Übernahme der Sünde der Welt deren Hinwegnahme, aus der Gottesfurcht die erbaulichen Formen der Frömmigkeit. Diese Vorstellung hat die theologischen Erkenntniskräfte wie die Spinne die in ihren Netzen gefangene Beute gelähmt. Metz‘ Wort, daß man nach Auschwitz nicht mehr so Theologie treiben könne, als habe es Auschwitz nicht gegeben, ist, wie mir scheint, nur durch Reflexion der Verwurzelung der Theologie in der Philosophie, nicht durch Abstraktion von dieser Beziehung, einzulösen. Die Reflexionen Rosenzweigs über das Verhältnis von Theologie und Philosophie im Stern der Erlösung, sind hier hilfreich. Das göttliche Attribut der Barmherzigkeit, das im Imperativ, nicht im Indikativ steht, rührt an das sprachlogische Problem des grammatischen Geschlechts. Die Erinnerung daran ist im hebräischen Namen der Barmherzigkeit, der der Name der Gebärmutter ist, aufbewahrt. Das erinnert zugleich an den sprachlogischen Zusammenhang der Beziehung von Indikativ und Imperativ mit dem des grammatischen Geschlechts: an den genetischen Zusammenhang des Indikativs mit dem Ursprung des Neutrum. Es ist das gleiche Sprachproblem, das auch der Idee einer Theologie im Angesicht Gottes zugrundeliegt, an die Forderung, die dem Begriff der Lehre innewohnt: den imperativen Gehalt der göttlichen Attribute in den Indikativ zu übersetzen (und nicht, wie es das Dogma tut, durch den Indikativ zu neutralisieren, oder ins Ästhetische zu übersetzen). Allein die Schuldreflexion vermag den Bann zu brechen unter dem die Theologie seit der Rezeption der philosophischen Idee der Unsterblichkeit der Seele steht. Verweist nicht die Geschichte vom Sündenfall, wenn man in ihr die Schlange als Symbol des Neutrum, und ihre Geschichte mit Adam und Eva als ein Bild der Neubestimmung des grammatischen Geschlechts, des Männlichen und des Weiblichen, durch das Neutrum, begreift, auf das Problem des grammatischen Geschlechts? Läßt sich dieses Problem des grammatischen Geschlechts nicht an der Sprache Kants demonstrieren, wenn er den Erkenntnisbegriff sowohl in femininer als auch in neutrischer Bedeutung verwendet (die Erkenntnis, das Erkenntnis)? Das, so scheint mir, rührt an eines der tiefsten Probleme der kantischen Philosophie; die Sprachlogik, die darin sich ausdrückt, scheint aus logischen Struktur der Probleme sich herleiten zu lassen, die den Zwang der philosophischen Revolution, deren Ausdruck Kants Werk ist, begründen. Es rührt an eine Schicht in der kantischen Philosophie, die von seinen Nachfolgern dann konsequent verdrängt worden ist: an den Ursprung der drei Totalitätsbegriffe (Wissen, Natur und Welt; zu Natur und Welt vgl. den großartigen Definitionsversuch Kants in der Kritik der reinen Vernunft, im ersten Abschnitt der Antinomie der reinen Venunft). Nicht zufällig standen Fichte, Schelling und Hegel unter dem Systemzwang, diese Begriffe – nach Verdrängung der Reflexion ihres logischen Ursprungs – nacheinander abzuarbeiten.
    Wie wäre die Frage, welcher Teil eines Menschen zum Regieren der wichtigste ist, eigentlich zu beantworten angesichts einer Regierung, die Entscheidungen, die allein von den Interessen ihrer Klientel bestimmt sind, während die Argumente, die sie öffentlich begründen sollen, schmückende Rhetorik und von Waschmittel-Reklame nicht mehr zu unterscheiden sind, nur noch „durchsetzt“ und Probleme, die dieses Verfahren zwangsläufig produziert, nur noch „aussitzt“? Ist nicht die Folge ein Begriff von Öffentlichkeit, der Erfahrungen, Kritik und Reflexionsfähigkeit, das eigentliche Element demokratisch-bürgerlicher Beteiligung, auf ähnliche Weise ausschließt wie RAF-Prozesse, die u.a. die Aufgabe zu haben scheinen, dieser Logik den Charakter einer rechtlichen Norm zu verleihen, das Selbstverständnis der Angeklagten?
    Adorno hat einmal die Situation eines Gesprächs in einem Eisenbahnabteil beschrieben, in der man, um einen Streit zu vermeiden, sich gezwungen sieht, den Anschauungen eines Mitreisenden nicht zu widersprechen, die imgrunde auf einen Mord hinauslaufen. Gehört diese Situation nicht zum Bild des Zuges, der in den Abgrund rast? Und beschreibt sie inzwischen nicht etwas vom Zustand der Öffentlichkeit insgesamt? Die Bundesanwaltschaft als Verkörperung des Inertialsystems (als eines Konstrukts aus Verachtung, Hohn und Zynismus), und das von ihr verkörperte Anklage- und Beweisverfahren als Verfahren der reinen Objektkonstruktion (mit der Idee des Objekts als eines Konstrukts, zu dem es keine kommunikative Beziehung mehr gibt, das nur noch Objekt eines apriorischen Urteils ist: sind nicht die Haftbedingungen der RAF-Gefangenen der Versuch, dieser Konstruktion die Gewalt einer objektiven, sinnlich erfahrbaren Realität zu verleihen)? Die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos beschreibt einen objektiven, nicht nur einen moralischen Sachverhalt. Aber gilt das nicht für die Prophetie insgesamt? Ägyptische Finsternis (ist „Finsternis Mizrajims“ nicht deutlicher?): die Entfaltung des blinden Flecks der Logik zur Totalität.

  • 6.6.96

    Zum Problem der Väter in den Evangelien gehört auch die Frage Jesu, welcher Vater seinem Kind, das ihn um Brot bittet, einen Stein und, wenn es ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange gibt. Ist das Brotbrechen die Antwort auf das Brechen des Stabes des Brots (die Antwort auf die Kommerzialisierung der Ernährung der Menschen in der vom Wertgesetz beherrschten Gesellschaft, den ökonomisch bedingten Hunger)? Hat das Christentum nicht als Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft (der Verhärtung der Herzen und der Desensibilisierung) sich erwiesen? Johann Baptist Metz hat vor einiger Zeit eine „Kultur der Empfindlichkeit“ gefordert. Ich nehme an, er meinte eine Kultur der Sensibilität. Sind wir nicht alle schon empfindlich genug (vom Staat, der sich und seine Symbole nicht verunglimpfen läßt, über das Militär und die Polizei bis hin zu den Standesorganisationen der Ärzte, der Studienräte, der Therapeuten …), und ist es nicht diese Empfindlichkeit, die als Entlastung das Vorurteil und die Sündenböcke braucht, das Schuldverschubsystem? Ist nicht die Empfindlichkeit ein Indikator verdrängter Schuld? Dem deutschen Suffix -ung entspricht im Englischen das -ing, allerdings verbunden mit einer Bedeutungsverschiebung: handling ist etwas anderes als Handlung, es entspricht eher schon einer Behandlung: Hat die Vokal- und Bedeutungsänderung etwas mit dem to be zu tun, das im Deutschen als Präfix erscheint? – Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den -ing-Namen wie Ding, Ring, im Englischen auch king (gibt es eine Beziehung zu den Präteritalformen fing, ging, hing)? Bemerkung: -ung ist weiblich, -ling männlich? Hören und Sehen: „Als ich sie sah, fiel ich auf mein Angesicht, und ich hörte die Stimme eines, der da redete. Der sprach zu mir: Menschensohn, stelle dich auf deine Füße, ich will mit dir reden. Und als er mit redete, kam Geist in mich und stellte mich auf meine Füße, und ich hörte den, der zu mir redete.“ (Ez 128 – 22) Ist der Logos dieses Wort, das den Sturz des Sehens beendet und den Hörenden wieder auf die Füße stellt? (Hängt die Verknüpfung des „Betretens“ mit der Besitznahme nicht damit zusammen, daß Eigentum in der Tat das Selbstbewußtsein begründet, allerdings um den Preis der Verhärtung des Herzens, der Unfähigkeit zu hören?) Ist die Heilung der Schwiegermutter des Simon (Petrus) ein Symbol der Rettung der Völker?

  • 21.6.1995

    Ist nicht die Instrumentalisierung des Leidens – nach der Dialektik der Aufklärung die Verinnerlichung des Opfers – eine der Grundlagen der Zivilisation; liegt sie nicht der Logik des Welt- und Naturbegriffs, der Logik der Trennung dieser Begriffe, zugrunde? Die Geschichte des Opfers (und seiner Objekte: Rind und Esel, Lamm und Taube) rührt an diesen Sachverhalt. Aus diesem Grunde ist Habermas‘ Umformulierung des Adornoschen Konzepts des „Eingedenkens der Natur im Subjekt“ in ein „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“ Ausdruck einer logischen Verwirrung des Problems, keine Verständnishilfe. Hier liegt der Sprengsatz, den Habermas unter Verschluß halten möchte, um sein Diskurskonzept, die Kommunikationstheorie und insbesondere einen ihrer zentralen Begriffe, den der Intersubjektivität, zu retten. Beide, das „Eingedenken der Natur im Subjekt“ und der Begriff der Intersubjektivität, können nicht zusammen bestehen. Und hier wird die Metzsche Unterscheidung zwischen dem eigenen und fremden Leid wichtig: die Unterscheidung zwischen Selbstmitleid und Barmherzigkeit, die der Begriff der Intersubjektivität verwischt und, da das nicht gelingen kann, zugunsten des Selbstmitleids (als dessen kollektive Verkörperung z.B. der Nationalismus sich begreifen läßt) vorentscheidet. Adornos Konzept (das der negativen Dialektik insgesamt) setzt diese Unterscheidung voaus, auch wenn es sie nicht thematisiert. Ihre Thematisierung hätte eine Kritik des Naturbegriffs nach sich gezogen, die Habermas geahnt haben mag, als er von der spekulativen Idee, daß die richtige Gesellschaft auch die Natur mit ergreift, unter Verweis auf den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis sich distanzierte. Auch die Objektivität der Natur ist (und ebenso der Begriff der Intersubjektivität, der die These der Objektivität der Natur zur Voraussetzung hat, an sie gebunden ist) nicht unmittelbar gegeben, sie steht unter einem Apriori, dessen Reflexion übrigens vom Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis selber erzwungen wird. Von dieser Reflexion muß Habermas abstrahieren, um sein Konzept zu retten. Das Adjektiv (im Begriff der gequälten Natur), mit dem er Adornos Konzept verfälschte, ist eine Konsequenz aus dieser Abstraktion.
    – Dadurch unterscheidet sich übrigens die Autorität der Leidenden von der naturwissenschaftlichen Objektivität, die in sich selber vermittelt ist, daß sie sehr wohl unmittelbar gegeben ist: Nur weil der Anblick von Leid den spontanen Trieb zu helfen auslöst, ist das Leiden über seine mediale Reproduktion und Vermittlung instrumentalisierbar. Erklärungsbedürftig und in der Tat in sich selber vermittelt ist nicht der Trieb zu helfen, sondern seine Verdrängung, das Wegsehen („Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“).
    Das „Verständigungsapriori“ (in dem Leserbrief in der FR vom 19.6.95) ist die Mauer um ein selbsterrichtetes Ghetto. Es schließt alle, mit denen man nicht kommuniziert, aus. Dazu gehören Rituale, die diesen Ausschluß vollstrecken. Am Leserbrief lassen diese Rituale sich studieren.
    Metz‘ Idee einer Autorität der Leidenden rührt an einen Punkt, der die traditionelle theologische Beziehung von Natur und Übernatur nicht nur präzisiert, sondern im Kern verändert: Sie sprengt den Bann des Naturbegriffs, unter dem nicht nur der „prinzipielle Ideologieverdacht“ des Leserbriefschreibers noch steht, sondern eigentlich die gesamte theologische Tradition, übrigens nicht nur die christliche.
    Die Natur und ihr Begriff stehen unterm Bann des Prinzips der Selbsterhaltung: Darauf bezieht sich das Adornosche Konzept des Eingedenkens, das Habermas zu früh verworfen hat. Der Begriff einer „gequälten Natur“, den Habermas Adorno unterstellt, wäre eine contradictio in adjecto, er bezeichnete in der Tat ein magisches Relikt. Es gibt keine gequälte Natur, weil der Begriff der Natur die Erinnerung ans allein leidensfähige Subjekt apriori ausschließt, aber die Realität des Leidens rührt an den Grund der Natur (wie umgekehrt der Begriff der Natur an den Grund des Leidens).
    „Schiffsbrüchige machen es genau so“ (Rosencof/Huidobro: Wie Efeu an der Mauer, S. 244): Der Satz bezieht sich auf die Geschichte der Menschheit, die in der Katastrophe, als die die „Schöpfung“ sich erweist, ums Überleben kämpft. Nicht die Frage nach den Urhebern der Katastrophe ist wichtig, sondern nur noch die, ob und wie sie sich wenden läßt, ob und wie es möglich ist, ihr zu entrinnen.

  • 19.6.1995

    Logik der Schrift: Die Schrift erzwingt die Vergegenständlichung der Einsicht zur Erkenntnis (der Sprache zum Instrument der Mitteilung).
    Leserbrief zu Metz „Religion und Politik …“ in der FR von heute (Prof.Dr.Thomas Feuerstein, FH Wiesbaden):
    – „‚Die Autorität der Leidenden‘ ist nicht unmittelbar gegeben. Stellvertreter dieser Autorität stehen unter prinzipiellem Ideologieverdacht ‚im Lichte‘ diskursiver Vernunft“. Dieser Satz stellt verteidigendes Denken unter Ideologieverdacht („Ihr laßt die Armen schuldig werden“), macht Barmherzigkeit gegenstandslos, verwirft apriori jede Alternative zu der (bis in unsere Naturvorstellungen hinein) vom Selbsterhaltungsprinzip beherrschten Welt. Sie verschiebt den Begriff der Ideologie von der Bezeichnung des Verblendungszusammenhangs auf alles, was diesen Verblendungszusammenhang durchbrechen könnte. Ist nicht schon der Begriff der diskursiven Vernunft ein Instrument des Verblendungszusammenhangs: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie durch diskursive Vernunft nicht bestimmbar ist, weil sie der Beweislogik sich entzieht. (Zu den Grenzen der Beweislogik vgl. Kants Aporien der reinen Vernunft.)
    – Es sollte nicht geleugnet werden, daß auch die memoria passionis instrumentalisierbar ist; nachzuweisen am Christentum, an der Opfertheologie und der damit systematisch verbundenen Orthodoxie (am Dogma und seiner Logik).
    – Der prinzipielle Ideologieverdacht bleibt abstrakt, er verfällt der gleichen Logik, gegen die er sich wendet: Indem er das Problem von der sachlichen auf die Bekenntnisebene verschiebt, macht er aus einer Frage der Einsicht eine Bekenntnisfrage und gehorcht so der gleichen Bekenntnislogik, deren Folgen er kritisiert. So werden das reale Leiden, die Armut wie auch Unterdrückung und Verfolgung durch einen logischen Trick zum Verschwinden gebracht. Der prinzipielle Ideologieverdacht gründet in einem logischen Trick, der die Differenz zwischen der Realität des Leidens und ihrer Instrumentalisierbarkeit selber nochmal instrumentalisiert; dieser Logik zufolge wäre jedem Bettler zunächst einmal zu unterstellen, er habe hinter der nächsten Straßenecke seinen Mercedes stehen (soll er doch das Gegenteil beweisen).
    – Zu reflektieren wäre die Instrumentalisierung des Leidens (liegt hier nicht der Kern der christlichen Opfertheologie und eine der christlichen Wurzeln des Antisemitismus?), und das wäre allerdings in der Tat die Aufgabe einer Theologie nach Auschwitz (wie auch Johann Baptist Metz sie fordert).
    – Ein alltäglicher Ausdruck des „prinzipiellen Ideologieverdachts“ ist der Elternspruch: „Stell dich nicht so an“ (er unterstellt, der Schmerz sei nicht real, sondern nur ein Mittel, damit ein anderes Ziel zu erreichen).
    – Der „prinzipielle Ideologieverdacht“ wird gleichsam zur Schufa der Philosophie; er verringert das Risiko, selber zum Opfer eines Betrugs zu werden, das aber zu dem Preis, daß er das reale Leiden ins Dunkel rückt, es unsichtbar macht. Hier wäre ein Beleg für Metz‘ Hinweis auf die Gewalt des Markt-Apriori auch in der Philosophie.
    – Was hier ins Dunkel gerückt wird, ist schon in den Anfängen der Moderne an einer realprojektiven Verschiebung nachzuweisen: am Begriff des Wilden.
    – Die Diskurslogik hat die Erinnerung an die Theologie bloß abgeschafft, anstatt, wie Adorno einmal die Intention Benjamins zu umschreiben versucht hat, alle theologischen Gehalte restlos zu säkularisieren.
    – Der prinzipielle Ideologieverdacht vermittelt das erhebende Gefühl, über der Sache zu stehen, ohne zu bemerken, daß er damit aus der Sache heraus ist. Er ist in Wahrheit ein Instrument des mitleidlosen Herrendenkens. Im sicheren Bewußtsein, daß dieser Beweis nicht zu führen ist, legt er den Opfern die Pflicht auf zu beweisen, daß sie Opfer sind. Auch so schafft man, wenn nicht eine reale heile Welt, so doch ihren allgegenwärtigen Schein.
    – Gehörte nicht die Sympathisantenjagd im Kontext des Terrorismus zu den manifesten Folgen des prinzipielle Ideologieverdachts: der Unfähigkeit, zwischen dem humanen Impuls der Empathie und ihrer politischen Instrumentalisierung zu unterscheiden? Ist nicht die Geschichte der (auf ihre juristischen Aspekte reduzierten) Auseinandersetzung mit der raf so unendlich mit den verhängnisvollen Folgen dieser Logik belastet (und hat nicht die raf selbst durch ihre Wendung zum Terrorismus diese Folgen mit zu verantworten)?
    Der Metz’sche Versuch, das Konzept einer anamnetischen Vernunft zu entfalten, ist – weiß Gott – nicht schon „gelungen“; er ist weiterhin entfaltungsfähig und -bedürftig. Es ist überhaupt keine Hilfe, diesen Versuch gleichsam apriori abzuwehren. Der prinzipielle Ideologieverdacht (der heute aus sehr tiefen gesellschaftlichen Gründen so nahe liegt, daß er fast durch Reflexion nicht mehr aufzulösen ist) wird zur Quelle der Paranoia, deren erstes Opfer – zusammen mit dem Antijudaismus, der innerkirchlichen Quelle des Antisemitismus – die kirchliche Theologie selber einmal geworden ist.
    In welcher Beziehung stehen die aufbrechenden Nationalismen und die Wendung zu fundamentalistischen Instrumentalisierungen der Religionen (auch dies ein Gegenstand einer politischen Theologie) zum derzeitigen Stand der Geschichte der politischen Ökonomie? (Ursprung der Einen Welt in der Geschichte des Marktes; Zerfall der Souveränität; Übergang von Regierung in Verwaltung, Abgabe von Regierungsaufgaben an die Verwaltung: Übergang der Souveränität an Institutionen wie Bundesverfassungsgericht, Bundesbank, EG, UNO, Weltbank und IWF.)
    Wiederkehr der kantischen Antinomien der reinen Vernunft in der Politik:
    – Die Verwaltung sprengt die Gewaltenteilung (durch Implosion): sie übernimmt zu den ihr obliegenden Aufgaben der Exekutive inzwischen auch die der Legislative und der Jurisdiktion – Angleichung von Rechtsprechung und Verwaltung; Verwaltung als Selbstorganisation des gesellschaftlichen Gewaltpotentials.
    – Verwischung der Grenzen von Innen- und Außenpolitik: Folgen für den Begriff der Gewalt (der nach innen anders definiert ist als nach außen): Läßt sich das Gewaltmonopol des (nationalen) Staates auf internationale Organe übertragen (vgl. den Golfkrieg und die Probleme der UN-Blauhelm-Truppen im Jugoslawienkonflikt).
    – Sonderstellung der Bundesbank und der Weltbank: Dekonstruktion des Prinzips der Gewaltenteilung; Teilhabe eines in der reinen Lehre nicht vorgesehenen Instituts an der Gewalt (an einer Quelle des Gewaltbegriffs: im Falle der Bundesbank im Bereich der Währungshoheit des Staates, der „Subjekt“-Länder; im Falle der Weltbank Eingriff in die Souveränität der „Objekt“-Staaten, der „Entwicklungsländer“).
    – Neonationalismen gründen in dieser Krise des Gewaltbegriffs; sie sind rational und irrational zugleich: Nation als transzendentales Subjekt in einer Welt, die zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr kennt.
    – Fortschreitende „Privatisierung“ staatlicher Aufgaben; Folge der Expansion der Marktlogik in den Bereich der Souveränität; Begriff des Neofeudalismus zu harmlos. Ausdruck der Strukturänderungen im Gewaltbegriff (im „Begriff“: in der Herrschaftslogik des Ganzen wie in der Depotenzierung des Bewußtseins).
    Sprache und Mathematik: Kant hat die Welt als mathematischen, die Natur als dynamischen Totalitätsbegriff definiert; spiegelt sich darin das Verhältnis von Mathematik und Sprache?
    Auffallend, daß Habermas Horkheimers Skrupel hinsichtlich der Neuauflage der Dialektik der Aufklärung als Ausdruck eines offenen Problems verdrängt, sie statt dessen als „Beweis“ dafür nimmt, daß die Dialektik der Aufklärung überholt sei. Er nutzt Horkheimers Skrupel als Mittel der Neutralisierung der Dialektik der Aufklärung anstatt als Impuls ihrer Weiterentwicklung.

  • 18.6.1995

    Das den Kindern schon früh eingebläute Gebot: Du sollst nicht lügen, galt eigentlich nur im Hinblick auf die Eltern und in deren Vertretung auf die übrigen Autoritäten: den Pfarrer, die Lehrer und sonstige Obrigkeiten. Der Respekt vor der Obrigkeit bestand im Kern darin, daß sie die Adressatin dieses Gebotes war. Aber war nicht diese Version des Gebots, die praktisch galt, aber nie so deutlich formuliert wurde, der genaueste Ausdruck der eigenen Instrumentalisierung, die einem mit diesem Gebot eingebläut wurde, und war diese Version des Gebots nicht der Grund der in der Nazizeit so weit verbreiteten Praxis der Denunziation?
    Gegenüber den außerfamiliären Autoritäten galt das Verbot allerdings mit einem Vorbehalt: Diese Autoritäten repräsentierten die Außenwelt, und ihr gegenüber war es unter Umständen wichtiger, den Schein zu wahren. Die Wahrheitsliebe durfte nicht soweit gehen, daß man der eigenen Familie schadete oder sie blamierte. Das löste bei Kindern nicht selten Schamkonflikte aus, wenn z.B. die Eltern draußen sich anders verhielten als im Innern der Familie, dort die eigenen Normen nicht einhielten. Es gab Situationen, in denen man sich der Eltern schämte. Hängt nicht der Erfolg der Sozialisierung insgesamt an der Lösung dieser Schamkonflikte und an der Stabilisierung dieser Lösung?
    Hat der Rhythmus von Katastrophe und Rettung, der schon in der Einleitung des biblischen Schöpfungsberichts deutlich markiert wird, auch etwas mit dem Ursprung und der Logik der Sprache zu tun? Und ist nicht die Beziehung von Mythos und Philosophie eine Parodie des Offenbarungsrhythmus, deren verhängnisvolle Folgen am Christentum sich studieren lassen.
    Es sollte Anlaß zur Zurückhaltung sein, wenn man sich erinnert, daß es die Dämonen waren und dann auch Petrus, zu dem er an anderer Stelle sagt „Weiche von mir Satan“, die Ihn als den Sohn Gottes erkennen? – Stand dieser Titel unter dem Bann der Logik der Schrift, aus dem er mit der Erfüllung des Worts befreit werden wird? Gilt für diesen Titel nicht auch die Warnung des Jeremias: „Verlaßt euch nicht auf täuschende Worte wie diese: Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn ist hier“ (74)?
    Nicht die Trinitätslehre ist entscheidend, sondern die Nachfolge, es sei denn, wir begreifen endlich die Bedeutung der Trinitätslehre im Kontext des Nachfolgegebots (ihre imperativische Bedeutung, zu der insbesondere das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist gehört).
    Zu Rosenzweigs Übersetzung „Geist Gottes brütend über den Wassern“: Kann es sein, daß der Geist die Gebärmutter/Barmherzigkeit verkörpert, in der das Reich Gottes ausgetragen wird? Vgl. auch das Wort von den „messianischen Wehen“.
    Woher kommt eigentlich und was bedeutet der Begriff Plusquamperfekt? Ist das Plusquamperfekt das durchs Futurum perfectum vermittelte Perfekt? Drückt sich in der Folge: Ich habe gehabt, ich werde gehabt haben und ich hatte gehabt, nicht eine Stufenfolge der Reflexion aus (ähnlich in: ich bin gewesen, ich werde gewesen sein und ich war gewesen)? Das Perfekt ist Ausdruck der abgeschlossenen Vergangenheit, das Plusquamperfekt: da ist auch die Erinnerung dieser abgeschlossenen Vergangenheit schon vergangen und abgeschlossen. – Das Plusquamperfekt: die grammatische Verkörperung dessen, was der jungen Christenheit die eigene „heidnische“ (mythische) Vergangenheit bedeutete? Das Christentum hat die eigene mythische Vergangenheit zur (vollständig verdrängten) Vorgegangenheit gemacht, um sich in der Gestalt Jesu das in ihm reflektierte Israel als neue Vergangenheit aneignen zu können.
    Ist es nicht fast symbolisch, wenn ein Gesamtschuldirektor seine Absicht bekundet, nach seiner Pensionierung Ägyptologie zu studieren (die Geschichte des Sklavenhauses)?
    Drinnen und draußen: Zum Faschismus gibt es kein Draußen; wer sich äußerlich (als Feind) zu ihm verhält, steckt schon drin. Die einzige Kraft, die die des Faschismus aufzulösen vermag, ist die der Reflexion. Deshalb gibt es keine „liberale Substanz“ der Politik ohne die „negative Bürgschaft“ durch die totalitären Systeme (vgl. Metz‘ Bemerkung zu H. Dubiel in seinem Essay „Religion und Politik auf dem Boden der Moderne“, FR vom 10.06.95). Es ist schlechterdings undenkbar, sich den Faschismus als real vergangen vorzustellen. Es gibt keine „Gnade der späten Geburt“. Der Faschismus ist das, was der Mythos für die junge Christenheit war, ein Plusquamperfekt, das nicht vergehen kann.
    Heute ist die Verwechslung von Komplizenschaft und Solidarität unvermeidbar geworden.
    Warum gibt es keinen Primo Levi der raf, warum gibt es keinen Huidobro und Rosencof der raf? Und warum ist der Primo Levi des Stalinismus, Solschenizyn, der den Bericht über den Archipel Gulag geschrieben hat, zum Faschisten geworden?
    Sind die drei Jünglinge im Feuerofen und Daniel in der Löwengrube Symbole der Politik?
    Ist Habermas‘ Begriff der Moderne nicht ein Bekenntnisbegriff, den es ohne die Häresie der Postmoderne nicht geben würde?
    „Religion und Politik auf dem Boden der Moderne“: Die Moderne ist zwar der Boden der Politik, für die Religion aber Reflexionsgegenstand, nicht ihr Boden. Und wenn Boden: Was liegt unter diesem Boden, worauf stützt er sich? Die Selbstbegründung der Moderne, der Akt, mit dem sie von ihrer Vergangenheit sich absetzt, hat selber ihre verborgenen theologischen Wurzeln.
    Es gibt falsche Zeugen, falsche Eide, falsche Propheten; aber den Nathanael nannte er einen „wahren Israeliten, ohne Falsch und Tadel“. (Wie ist es mit den falschen Zeugen im Verfahren der Hohepriester gegen Jesus, in welchem Sinne war ihr Zeugnis falsch: Verwechslung der Realitätsebene mit der des Symbols?)
    Rührt nicht das Verständnis des achten Gebots (das Verhältnis des falschen Zeugnisses zur Lüge) an ein Problem der Sprache?
    Gibt es nicht den Begriff der Lüge überhaupt erst im Neuen Testament (im Kontext der Gestalt des Teufels, der Dämonen, der unreinen Geister)? – Verhält sich der Teufel zum Satan wie die Lüge zum falschen Zeugnis? – Vgl. die Versuchungsgeschichte Jesu bei
    – Mt: Versuchung durch den Teufel, drei Versuchungen, „Hinweg Satan“, „da verläßt ihn der Teufel, und siehe, Engel traten herzu und dienten ihm“ (41-11),
    – Mk: Versuchung durch Satan, und „er war bei den Tieren, und die Engel dienten ihm“ (112-13),
    – Lk: wie Mt, andere Reihenfolge, ohne das „Hinweg Satan“, „und nachdem der Teufel alle Versuchungen vollendet hatte, stand er von ihm ab bis zu gelegener Zeit“ (41-13)
    Nur wenn die Welt durchs Wort erschaffen wurde, ist sie erlösbar. Sind nicht alle naturwissenschaftlichen Weltentstehungestheorien Versuche, die Erinnerung an das Jüngste Gericht aus der Welt zu schaffen? – Wie verhält sich die Lehre, daß die Welt durchs Wort erschaffen wurde, zur Lehre von der creatio mundi ex nihilo?

  • 13.6.1995

    Die Wahrheit des Dezisionismus ist das Bewußtsein des ungeheuren Gewaltpotentials, das der Zivilisationsprozeß erzeugt hat.
    Mit dem Begriff der Intersubjektivität ist schon eine apriorische Vorentscheidung getroffen, die innerhalb der Philosophie nicht sich rückgängig machen läßt.
    Intersubjektivität entscheidet den Hegelschen Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“ zugunsten des Anderen, bringt das Eine zum Verschwinden. Ins Deutsche übersetzt heißt Intersubjektivität: Anpassung an die Welt, wie sie nun einmal ist. Das eröffnet dann den Spielraum fürs „Experimentieren“, tastet aber die Maschine nicht mehr an.
    Der Begriff der intersubjektiven Vernunft verletzt das Verbot, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen.
    Philosophie und Projektion: Es stimmt, daß wir nur das erkennen, was wir in die Dinge hineinprojizieren (und der Begriff der Intersubjektivität sanktioniert diese Projektion, die eine kollektive ist). Nur daß wir im Prozeß dieser Projektion den eigenen blinden Fleck herausarbeiten, dessen Reflexion dann die Philosophie wäre. Die Hegelsche Philosophie (Hegels Logik) ist dieser gleichsam entfaltete und durchorganisierte blinde Fleck.
    Zu Metz: Die „Verweltlichung der Welt“, das ist die Entfaltung des blinden Flecks.
    Kann es sein, daß die memoria passionis mit dem Gebot der Feindesliebe konvergiert? Oder umgekehrt: Ist nicht das Gebot der Feindesliebe der Hebel, mit dessen Hilfe Moderne und Religion gemeinsam auszuhebeln wären, damit beide sich erfüllen? Was in der Verweltlichung der Welt sich herausarbeitet, ist der „Feind“, in dem wir uns selbst (unser eigenes Angesicht) erkennen. In diesen Zusammenhang gehört das Wort vom Greuel der Verwüstung am heiligen Ort. – Ist nicht die Aufklärung der Feind, in dem die Kirche sich selbst erkennen würde, wenn sie aus dem eigenen blinden Fleck heraustritt? Und ist nicht Religion selber heute der Greuel der Verwüstung am heiligen Ort?
    Die memoria passionis gewinnt konkrete Gestalt erst im Kontext des parakletischen Denkens. Und der Universalimus kommt zu sich selber in dem Satz, daß am Ende Gotteserkenntnis die Erde erfüllen wird, wie die Wasser den Meeresboden bedecken (zusammen mit dem Jeremias-Wort, daß keiner den Andern mehr belehren wird, weil alle Gott erkennen).
    Hat Hegel nicht, als er die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die Logik transponierte, die transzendentale Ästhetik erst recht unangreifbar und undurchschaubar gemacht?
    Warum gibt es in der ganzen Adorno-Schule niemand, der einen Kommentar zu Hegels Logik schreibt? Das Potential, das den Bann hätte lösen können, war da.
    Der Titel des Werks von Hermann Cohen „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“ ist bis heute uneingelöst. – Vgl. insbesondere die Bemerkung Cohens, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind, die Emmanuel Levinas dann so verschärft hat: Die Attribute Gottes stehen im Imperativ, nicht im Indikativ. Hierin liegt das Programm der Gotteserkenntnis, der Grund der Unterscheidung von Gebot und Gesetz und die Dekonstruktion des Begriffs der Intersubjektivität (die das Subjekt zum Objekt seiner eigenen Formen der Anschauung macht).
    Das Angesicht ist eine logische Konstruktion: die Grenze, an der die Logik sinnlich wird.
    Der Begriff ist ein Totengedenken und Hegels Philosophie ein Heldenfriedhof (und Heideggers „Vorlaufen in den Tod“ ein Versuch, selber noch einen Platz auf diesem Heldenfriedhof zu erhalten). Aber wäre nicht dieses Totengedenken aufzusprengen, in ihm die Kraft des Namens wiederzuerwecken, denn Gott ist kein Gott der Toten (und: Laßt die Toten ihre Toten begraben).
    Der Mörfelder Wald ist durchsetzt von Erinnerungen an die Startbahn-Auseinandersetzungen, in denen kommunikatives Handeln durch Schlagstock und Wasserwerfer erfahren werden konnte.
    Die Habermassche Theorie des kommunikativen Handelns hat das hilflose Postulat des gewaltfreien Diskurses an die Stelle der Reflexion der Gewalt gesetzt: Sie hat der eingreifenden Argumentation entsagt und, ohne es noch zu bemerken, ihr Vertrauen in die Kräfte des sich selbst regulierenden Marktes, die selber eine der Quellen der Gewalt ist, gesetzt.
    Als der Studentenprotest aus der Öffentlichkeit herausgeprügelt worden ist, ist die raf in die Studentenbewegung hineingeprügelt worden.
    Es gehört zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, wenn es nicht gelungen ist, Derrida’s unverschämte Benjamin-Kritik öffentlichkeitswirksam zu destruieren.
    Wäre nicht die Frage von Maimonides, ob nicht der Messias, wenn er am Ende erscheinen wird, das Antlitz dessen tragen wird, der schon einmal da gewesen ist, auch in die christliche Theologie mit aufzunehmen: Muß Christus, wenn er wiederkommen wird, notwendig das Antlitz dessen tragen, der im Stall geboren wurde und am Kreuze starb?
    Theologie im Angesicht Gottes wäre nicht mehr religiös, sondern politisch.
    Der Name der Theologie wäre zu retten, wenn der Logos die Erinnerung an den Begriff in sich tilgen und die Kraft des Namens in sich wachrufen würde. Schwieriger wäre es mit dem Namen der Philosophie: Hier wäre aus der Sophia das Abgeklärte zu entfernen.
    Die Fähigkeit zur Reflexion der Gewalt hängt auf eine sehr merkwürdige Weise mit der Fähigkeit zur Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung zusammen: Die subjektiven Formen der Anschauung erbringen (gemeinsam mit dem Weltbegriff) eine Vorleistung, deren Reflexion die der Gewalt überhaupt erst ermöglicht.
    In dem Augenblick, als man den Raum durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen in ihm definierte, als man ihn gegen die Zeit verselbständigte, zusammen mit der Geometrisierung des Raumes, wurde die Idee der Umkehr destruiert. Über diese Logik hängen Orthogonalität und Orthodoxie mit einander zusammen.
    Zur Geschichte der Scham (zu ihrer Ursprungsgeschichte im Sündenfall) gehören auch die Benennung der Tiere durch Adam und die Erschaffung der Eva. Gehört nicht der Tierkreis zur Benennung der Tiere durch Adam, das Planetensystem zur Vertreibung aus dem Paradies und zum Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert?

  • 10.6.1995

    Der christliche Fundamentalismus nimmt das Dogma wörtlich, der islamische den Koran. Beide sind unfähig zur Reflexion (zur Sprachreflexion).
    Der Ursprung des Bewußtseins (seine Trennung von der Wirklichkeit) hängt mit dem Ursprung der List und der Verstellung zusammen. Der Begriff der Welt bezeichnet ein System aus List und Verstellung.
    Leitfaden der Erinnerungsarbeit ist der Name.
    Geschichte ist Weltgeschichte, und die Geschichte vor der Geschichte ist Vorgeschichte. Die altorientalische Geschichte ist die Ursprungsgeschichte der Weltgeschichte (die Wasserscheide ist die Schrift).
    Die Trennung des Dings von der Sache bezeichnet einen qualitativen Sprung in der Geschichte des Urteils. Die Beziehung von Ding und Sache wird in der Hegelschen Philosophie durch die Beziehung der Logik zur Geschichtsphilosophie repräsentiert.
    Hegels List der Vernunft bezeichnet einen objektiven Sachverhalt, eigentlich das objektive Korrelat der Philosophie. (Was drückt darin sich aus, wenn nach aristotelischer Tradition der intellectus agens jenseits der Mondsphäre angesiedelt war?)
    Der Reni’sche Blick ist der Pfaffenblick, die geheuchelte Gottesfurcht (die Gottesfurcht für andere), wie sie in jüngster Zeit an Höffner und am Papst zu sehen war.
    Daß zuerst das Licht und erst danach die Leuchten am Firmament erschaffen wurden, verweist auf die Priorität des Worts vor den sprechenden Wesen. Hängt damit das Versprechen an Abraham, seine Nachkommenschaft werde zahlreich sein wie die Sterne des Himmels, zusammen?
    Die Theologie hat die Logik der Welt in sich aufgesogen; dadurch ist sie zum steinernen Herzen der Welt geworden. Das Einfallstor der Welt, oder auch die Nabelschnur zur Welt, war der Bekenntnisbegriff.
    Warum ist es mir als Kind nie zum Bewußtsein gekommen, was es für die Familie Maashänser bedeuten mußte, daß Gerhard in Dachau war? War nicht die KZ-Haft von Gerhard für mich nur ein Abstraktum, etwas nicht Vorstellbares: Verfolgt wurde, und im KZ war für mich die Kirche (und Gerhard nur als Repräsentant der Kirche). – Hängt das nicht mit dem Paulinismus zusammen (auch Paulus hat – seinem eigenen Bewußtsein nach – nicht Stephanus, sondern die Gemeinde verfolgt und gesteinigt)? – Wäre ich in der Lage gewesen, die Sache auf Gerhard Maashänser zu beziehen, dann hätte ich auch den Antisemitismus damals anders erfahren. Der Katholizismus war eine Verkörperung des Begriffsrealismus, und der Thomismus nur eine Kompromißbildung, die es der Kirche erlaubt hat, den Nominalimus zu überwintern. Dieser Begriffsrealismus hat Auschwitz nicht überlebt. (Ist nicht die memoria passionis von Metz, wenn er sie wirklich begreift, der Ausbruch aus dem Begriffsrealismus?)
    Auschwitz ist auch ein Vorgang in der Geschichte der Philosophie. Die Dialektik der Aufklärung ist der Anfang des Bewußtseins davon.
    Hängt es nicht damit, daß die Kirche als Verkörperung des Begriffsrealismus sich begreifen läßt, zusammen, wenn die Beziehung der Theologie zu den Naturwissenschaften zentral geworden ist?

  • 1.5.1995

    Die Erkenntnis des Guten und Bösen, die daran sich orientiert, wofür oder wogegen einer ist, orientiert sich damit am Prinzip der Selbsterhaltung.
    Erinnerungsarbeit heißt nicht sich dessen erinnern, was man einmal empfunden hat, sondern in die Erinnerung zurückrufen, was man von der Sache her hätte empfinden müssen und auch empfunden hätte, wäre das Wahrnehmungsvermögen nicht durch Rechtfertigungszwänge blockiert gewesen. Ziel der Erinnerungsarbeit ist nicht die Bewahrung der Identität, sondern ihre Sprengung: Wo Es war, soll Ich werden. Identitäten gibt es nur im Bann des Feind-Denkens.
    Die 68er Bewegung läßt sich daran erkennen, daß sie für ihre Eltern (für ihr Versagen unterm Faschismus) sich schämte. Aber blieb nicht die Scham in den Schatten dessen, wofür sie sich schämte, gebannt: den Schatten des Faschismus?
    Die Beziehung des ersten zum zweiten Teil des Stern der Erlösung ist das Modell einer Umkehr, die auch die Natur vom Bann der Naturwissenschaften zu befreien vermöchte. Das Christentum hat seit seinem Ursprung die Umkehr mit der Bekehrung verwechselt: Dadurch ist es zu einem Teil der Geschichte der Aufklärung geworden. Der Begriff der Bekehrung gehört zur Ursprungsgeschichte des modernen Objektivationsprozesses, der an den Bekehrten zuerst erprobt worden ist. Unter dem Bann dieser Konstellation steht die christliche Theologie (als Bekenntnistheologie) seit ihrem Ursprung. Das Bekenntnis bezieht sich in ähnlicher Weise auf die Wahrheit wie die Bekehrung auf die Umkehr: nämlich als Form ihrer Instrumentalisierung; beide sind Teil der Herrschaftsgeschichte, der Geschichte der Naturbeherrschung, in die das Christentum verstrickt ist.
    Zur Konstruktion der Mechanik und zum Bild der Stoßprozesse, die nicht zufällig am Verhalten von Billardkugeln demonstriert werden, gehört das Bild einer ebenen und glatten Fläche: die Realabstraktion vom Einfluß und von den Wirkungen der Gravitation, die Eliminierung der Fallbewegung. Das so Eliminierte kehrte dann als vergegenständlichtes Gesetz im Gravitationsgesetz, das zu den Konstituentien des Inertialsystems gehört, wieder.
    Entspricht nicht die Abstraktion vom Fall im Konzept des Inertialsystems in der Gesellschaft die Abstraktion von der Arbeit im Prozeß ihrer Subsumtion unters Tauschprinzip? Ist nicht die Logik, die das Geld aus dem Tauschverhältnis (statt aus der Institution der Schuldknechtschaft) herleitet, ein Teil der Logik, die das Inertialsystem als naturgegeben hinnimmt und von dem Abstraktionsprozeß, in dem es entspringt, abstrahiert? Den gleichen konstitutiven Abstraktionsschnitt (der dann in den Antinomien der reinen Vernunft reflektiert wird) vollzieht in der Transzendentalphilosophie Kants das Konstrukt der subjektiven Formen der Anschauung.
    Die Geschichte der Erfindung von Instrumenten (der Verdinglichung der Objekte) setzt historisch und genetisch die Entdeckung des Feuers voraus: Prometheus hat die Menschen den Gebrauch des Feuers gelehrt. Gibt es zu diesem Mythos eine Parallele in der Tradition der Bibel?
    Zu Metz‘ Bemerkung, daß man auch nach Auschwitz noch beten könne, weil auch in Auschwitz gebetet worden sei, wäre zunächst zu fragen, ob die Frage Adornos, ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben könne, auf das Gebet überhaupt sich übertragen läßt. Müßte im Falle des Gebets die Frage nicht heißen, wie man nach Auschwitz noch beten kann (ohne die Opfer zu verraten), nicht aber, ob man nach Auschwitz noch beten kann (diese Frage wäre zu erledigen mit dem Hinweis, daß, wer nach Auschwitz nicht betet, die Opfer nochmals verrät). Zu ergänzen wäre einzig, daß nur die Beantwortung der ersten Frage die Bejahung der zweiten zu begründen vermag.
    Lag nicht die Frage, wie man nach Auschwitz noch beten kann, unbewußt schon der Problemlage, aus der die „liturgischen Bewegung“ hervorgegangen ist, zugrunde; wobei die „Liturgiereform“ nur nur als Ausdruck dieses Problems, nicht als dessen Lösung sich erwiesen hat. Die Frage nach der Möglichkeit der öffentlichen Repräsentanz des Gebets nach Auschwitz, scheint mir, ist noch unbeantwortet. Ist diese Frage nicht eine Frage an die Theologie, die in der These sich zusammenfassen läßt:
    Die christliche Theologie ist seit den Kirchenvätern eine Theologie hinter dem Rücken Gottes,
    es käme aber darauf an, endlich Theologie im Angesicht Gottes zu treiben.
    Hierzu einige Erläuterungen:
    – Im Angesicht und Hinter dem Rücken, Beispiel: Kinder in der Familie („machen wir Gott autistisch?“),
    – Cohen/Levinas: Die Attribute (der Gegenstand der Gotteserkenntnis) sind Attribute des Handelns, nicht des Seins, sie haben den Charakter des Gebots (Der Satz: Gott ist barmherzig, heißt: Seid auch ihr barmherzig),
    – Sehen und Hören: Begriff und Name (Rosenzweig und Ernst Schlenker oder die Heiligung des Gottesnamens),
    – Theologie und Naturwissenschaften (Objektivation und Instrumentalisierung),
    – Apologetik, Rechtfertigung und parakletisches Denken,
    – das Gebet als Erinnerungsarbeit (die Vergangenheit offenhalten),
    – Camilo Torres: Revolution, Opfer und Gebet (Mt 522f, Mk 1125; vgl. Elena Hochman und Heinz Rudolf Sonntag: Christentum und politische Praxis: Camilo Torres, Frankfurt 1969, S. 92ff u. 108),
    – Reinhold Schneider: Allein den Betern kann es noch gelingen …,
    – Joh 129 und die sieben Siegel der Apokalypse,
    – der Weltbegriff.
    Zu Mt 1619 und 1818: Hat nicht die Kirche bis heute nur gebunden, nicht gelöst?
    Gunnar Heinsohn hat kürzlich auf die „Methode der parallelen Rätselkumulation“ aufmerksam gemacht: „Sie besagt, daß ein Einzelrätsel leichter zu lösen ist, wenn man es mit benachbarten Rätseln gleichzeitig angeht und einen gemeinsamen Grund für alle sucht.“ („Parallele Rätselkumulation – ‚Warum Auschwitz?’“, Zeitensprünge 1/95, S. 56f) Heinsohn verweist auf mehrere Beispiele, bei denen die Lösung eines Rätsels durch den direkten Zugriff nur erschwert, wenn nicht blockiert wurde, während sie durch Häufung paralleler Rätsel aus deren wechselseitiger Beziehung sich gleichsam von selbst ergab. Alle Beispiele, die er hierbei anführt, beziehen sich auf „Rätsel“, die selber wieder in einer merkwürdigen wechselseitigen Beziehung stehen und auf ein gemeinsames Zentrum zu verweisen scheinen. Und die Vermutung ist vielleicht nicht ganz unbegründet, daß die „Lösungs“-Methode selber auf einen gemeinsamen logisch-systematischen Grund zurückweist.

  • 17.4.1995

    Die mathematische Rationalität ist eine der Ebene (die ihr Gegenteil als Spiegelung in sich enthält). Das Problem kommt herein mit der Tiefe, die die Mathematik als Physik realisiert: mit dem Plastischen, mit dem Widerstand, mit der Schwere. Hierbei verweist die Schwere auf die Gravitation, der Widerstand auf die Mechanik und das Plastische auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Die dritte Dimension ist als deren Norm das Innere der Fläche. Und verhalten sich nicht Norm und Fläche wie die Gravitation zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit?
    Ethik: Ist das nicht heute der Versuch, Perspektiven und Rechtfertigungen für institutionelles Handeln zu gewinnen (allgemeingültige Normen)? Ethik richtet sich an Institutionen; das gilt auch für die „personalistische Ethik“ (für die Wertethik, die sich an die Repräsentanz der Institutionen in Subjekt richtet, an die „Person“). – Merkwürdig, daß ich Adornos Satz zur Sexualethik als einen Satz zur Sexualmoral in Erinnerung habe: Verhält sich die Ethik zur Moral wie die Ästhetik zur Kunstphilosophie? Schließen nicht Moral und Kunstphilosophie die Vergegenständlichung dessen mit ein, was Adorno in der Reflexion halten möchte? Aber sind nicht Vergegenständlichung und Reflexion siamesische Zwillinge, die sich nicht von einander trennen lassen, ohne daß beide sterben?
    An welchen Stellen kommt der Kaiser im NT vor? (Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, Mt, Mk, Lk. – Wir haben keinen König als den Kaiser, Joh. – Vgl. die Kindheitsgeschichte bei Lk und Paulus in der Apg.)
    Ist die Sünde wider den Heiligen Geist nicht aus ihren Folgen zu erschließen: Sie wird weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben. Nicht vergeben aber wird dem, der selber nicht vergibt, der zur Verteidigung des Andern nicht bereit oder fähig ist, weil er mit dem Ankläger sich identifiziert. Das aber ist das Prinzip der Welt, der Grund ihrer Verführungsgewalt.
    Müßte nicht insbesondere die Kirche endlich begreifen, was der Satz bedeutet: Mein ist die Rache, spricht der Herr? Dieser Satz schließt jede kirchliche Komplizenschaft mit der Rechtsordnung, der gesellschaftlichen Organisation des Rachetriebs, aus. Hiernach dürfte sich die Kirche durchs Gewaltmonopol des Staates nicht mehr dumm machen lassen. Die Idee des Staates gründet im Prinzip der Vergesellschaftung der Rache, und das Gewaltmonopol des Staates („Alle Gewalt geht vom Volke aus“) hat seine Wurzeln im unaufgelösten Rachetrieb der Menschen. Ist nicht der Staat selber der Terrorist, den er projektiv mit dem 129a verfolgt? Müßte nicht endlich der Faschismus zum Gegenstand einer Selbstaufklärung der staatlich organisierten Gesellschaft werden (zum Gegenstand einer Selbstaufklärung, die die Sensibilisierung für Gewalt zum Ziele hat)?
    Rotes Tuch: Ein Staat, der geliebt werden will, ist wie ein Stofftier, das die Liebe instrumentalisiert und ausbeutungsfähig macht (war nicht die goldene Statue des Nebukadnezar das erste Stofftier?). Der Staat, der geliebt werden will, ist eine Projektion derer, die den Staat (den „Schöpfer der Welt“) als Ich-Stütze brauchen: Ihnen werden alle, die dieser Stütze nicht bedürfen, zu Objekten der Wut. Ist das nicht ein Hinweis auf Bölls Sakrament des Büffels (und auf das Verständnis der Tatsache, daß das Symbol des Rindes in der christlichen Symbolwelt nicht mehr vorkommt, weshalb das Symbol des Esels unverständlich geworden ist).
    Der „Götzendienst“ gehört (wie die antiken Kosmologien) zur Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs.
    Beruht nicht die gesamte Physik auf der Übertragung des Tauschprinzips auf die Erscheinungen der Natur (die in diesem Akt zur Natur erst wird)? Das Instrument dieser Übertragung war einmal der Begriff, der dann im Inertialsystem sich entfaltete und vollendete, sich aus seinem eigenen Grunde selbst erzeugte und begriff. Das Inertialsystem hat die Natur in ein System mathematischer Äquivalenzbeziehungen aufgelöst (sie damit in einen mathematischen und einen dynamischen Teil aufgespalten).
    Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“: War das nicht eine Paraphrase zum Thema „Im Angesicht und Hinter dem Rücken“?
    Theologie wird wieder möglich, wenn es gelingt, die Beziehung von oben und unten aus dem Räumlichen ins Sprachliche zurück zu transformieren.
    Im 18. Kapitel des Johannes-Evangeliums steht ein Satz über Petrus, mit dem „angedeutet“ werden soll, „durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde“ (V. 18f), während es über Johannes heißt: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“
    Haben sich die Gewichte nicht schon so verschoben, daß es nicht mehr um das Neue unmittelbar, um das zukünftige Neue, sondern nur noch um das Neue im Alten, um das vergangene Neue geht? Nicht, daß die Vergangenheit uns hilft, wir müssen dem Vergangenen helfen.
    Herrschaft, Gewalt und Macht: Auch Frieden und Gerechtigkeit sollen herrschen. Eine ähnliche Bedeutung von Gewalt und Macht scheint es nicht zu geben. Wie es Herrschaft über andere (und mit ihr Knechtschaft) gibt, gibt es auch Gewalt über andere (Sklaverei); Macht hingegen wird an anderen ausgeübt. Herrschaft ohne Beherrschte wäre denkbar, wenn sie die Herrschaft aller ist. Gewalt und Macht hingegen enthalten (wie die transzendentale Logik) eine apriorische Beziehung zum Objekt in sich, von dem sie (wie das Urteil) abhängig sind.
    Der Satz „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ wäre zu korrigieren: Es kommt darauf an, das Erbe zu reflektieren, daß man nicht davon besessen wird.
    Tiere haben die Scham (den Blick der Andern) verinnerlicht und instrumentalisiert: In der Farbe ihres Fells oder ihres Federkleids, aber auch in ihren wesentlichen (Flucht- und Aggressions-) Merkmalen. Die Scham gehört zum logischen Existenzgrund und zu den Formbestimmungen der Gattung.
    Zu dem Titel „Die Autorität der Leidenden“ (J.B.Metz): Wäre hier nicht zu unterscheiden zwischen dem Leiden der Anderen und dem eigenen Leiden, zwischen Last und Joch (das Leiden der Anderen ist meine Last, die ich auf mich zu nehmen habe, mein Leiden ist ein Joch, das ich anderen auferlege)? In jedem Fall ist die Verführung durchs Selbstmitleid zu reflektieren. Dieser Unterschied rührt an die Differenz zwischen dem steinernen Herzen und dem Herzen aus Fleisch, zwischen Barmherzigkeit und strengem Gericht.
    „Die Autorität der Leidenden“: Gibt der Begriff der Autorität die Intention von J.B.Metz korrekt wider?
    Der Satz aus den Passionsgeschichten „Den Andern konnte er helfen, sich selbst nicht“ liefert den Schlüssel zum Verständnis des Ganzen. Durch diesen Satz werden die Richtenden überführt.
    Sind die Disteln und Dornen nicht das Symbol des Staates (der zum Fluch über Adam nach dem Sündenfall gehört)?
    Sind nicht die sieben unreinen Geister die durch Selbstbezogenheit verunreinigten Geister: das Inertialsystem?
    Das Bekenntnis ist die geheuchelte Nachfolge, seine pharisäische Form (das „getünchte Grab“).
    Dritte Leugnung: Die Selbstverfluchung beginnt dort, wo die Paranoia anfängt, von den Freunden sich verfolgt zu fühlen, um sie dann präventiv zu Feinden zu erklären („Viel Feind, viel Ehr“). Zugleich wird man sich jedoch selbst zum Feind: Prinzip des Faschismus, der darin sein eigenes Gemeinschaftsprinzip, das Band, das alle „zusammenschweißt“, erkennt.
    Das Sakrament des Büffels: Der Büffel ist eine Art des Rindes. Es verweist auf das im Christentum verschwundene Stieropfer. Hat nicht die Kirche den Opferbegriff seit je zweideutig gehalten, so daß beides, das Sakrament des Lammes und das des Büffels darunter verstanden werden konnte? Vgl. Horkheimer: Das Christentum ist die menschenfreundlichste Religion; aber es gibt keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen worden sind.
    Der Letzte, der den Himmel offen sah, aber nicht mehr genau zu beschreiben vermochte, was er dort sah, war Swedenborg.
    War nicht die Auferstehung, das Hervorgehen aus dem Felsengrab, in das ihn Joseph von Arimathäa gelegt hatte, auch ein Bild der Geburt?
    Die Väter der Apostel:
    – Simon (und Andreas?) war der Barjonas, der Sohn des Johannes;
    – Jakobus und Johannes waren die Zebedäussöhne;
    – war Nathanael der Bartholomäus (und wer ist Tholomäus)?
    – der kleine Jakobus war (der Sohn) des Alphäus (und der andere Judas, nicht Ischarioth, sein Bruder?).
    Zu Judas Ischarioth: Steckt in dem Beinamen „isch“, der Mann, und die Pluralendung -oth? Und hat das -ari- etwas mit dem Löwen (vgl. Ariel: leo dei, symbolischer Name für Jerusalem) zu tun? Verweist diese Zusammensetzung (Judas als einer der „Löwenmänner“) auf zelotische Herkunft? (War Paulus ein Judas redivivus, mit Stephanus anstelle von Jesus: Beide, Judas und Paulus, handelten im Sold bzw. im Auftrag der Hohenpriester?)
    Vulgata, hebraicorum, chaldaeorum et graecorum nominum interpretatio:
    – Joseph – Augmentum, Domini Augmentum,
    – Simon – Obediens,
    – Andreas – Fortissimus,
    – Jacob – Supplantator,
    – Johannes – Gratiosus, Pius, Misericors,
    – Nathanael – Donum Dei,
    – Bartholomaeus – Filius suspendentis aquas,
    – Matthaeus – Donatus,
    – Levi – Copulatus,
    – Thomas – Abyssus, Geminus,
    – Judas – Laudatus,
    – Thaddaeus – Laudans,
    – Zebedaeus – Dos, Dotatus,
    – Iscariot – Vir occisionis,
    – Jonas – Columba,
    – Lazarus (Eleazar) – Dei adjutorium,
    – Barthimaeus – filius caecus,
    – Israel – Praevalens deo,
    – Hebraeus – Transiens,
    – Amalek – Populus lambens
    – Aegyptus (hebr. Misraim) – Angustiae, sive tribulationes,
    – Pharao – Dissipans,
    – Nabuchodonosor – Planctus judicii,
    – Gog (Agag) – Tectus,
    – Magog – De tecto,
    – Saul – Postulatus, Commodatus,
    – David – Dilectus,
    – Daniel – judicium Dei,
    – Cana – Zelus, Aemulatio.
    Was haben Visionen und Träume mit dem Exil (und mit der politischen, herrschaftsgeschichtlichen Konstellation, zu der das Exil gehört)? War (neben den Träumen des Pharao) der Traum des Nebukadnezar das Urbild des Traumes? Ezechiel hatte seine Vision „am Flusse Chebar, unter den Verbannten“ (Kap. 1 u. 10), aber nach Jerusalem wurde er (durch den Geist Gottes) „entrückt“ (Kap. 11), um dort die Greuel zu sehen, während der Tempel am Ende Gegenstand von „Gottesgesichten“ im Land Israel, auf einem sehr hohen Berg, war (Kap. 40-48).
    Gründet das Problem, daß Apokalypsen unter fremden Namen geschrieben wurden (ähnlich der Pseudodionysius und der Sohar), in der logischen Konstruktion von Vision und Traum?
    Konstruktion eines parakletischen Begriffs der Kritik: In der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften, von Kopernikus bis Newton, wurde der Himmel (zusammen mit Hölle und Fegefeuer) aus dem Raum hinauskomplimentiert. Newtons „absoluter Raum“ (der bei Kant zur subjektiven Form der Anschauung geworden ist) war das „leere Grab“ des christlichen Himmels.

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