„Ein unreiner Geist, der einen Menschen verlassen hat, wandert durch die Wüste und sucht einen Ort, wo er bleiben kann. Wenn er aber keinen findet, dann sagt er: Ich will in mein Haus zurückkehren, das ich verlassen habe. Und wenn er es bei seiner Rückkehr leer antrifft, sauber und geschmückt, dann geht er und holt sieben andere Geister, die schlimmer sind als er selbst. Sie ziehen dort ein ein und lassen sich nieder. So wird es mit diesem Menschen am Ende schlimmer werden als vorher.“ (Mt 1243ff, Lk 1124ff) Aber es gilt auch: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 2442) und „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ (Mt 2641) – „Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria Magdalena, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.“ (Mk 169)
Beschreibt die Geschichte mit dem Tiefschlaf Adams und der Er-schaffung Evas aus einer Rippe einen innersprachlichen Vorgang, ein Hinweis auf den Ursprung der Sprache (nach der Namengebung das Du; Objekt und Adressat)? War die Benennung der Tiere ein Reflex der Benennung Adams, so bildet sich jetzt mit dem Du das Ich (vgl. den „Tiefschlaf“ Abrahams: „große, unheimliche Angst befiel ihn“ – Gen 1512).
Spenglers Hinweis, daß in der modernen Welt die Musik die Stelle einnimt, die in der alten Welt die Statue einnahm, gibt Sinn, wenn man an die Bedeutung der Statue denkt: die Abgeltung des Menschenopfers und die Erinnerung ans Opfer. Die Musik ist die Abgeltung des Opfers der Sprache und die Erinnerung an dieses Opfer (die Erinnerung ans verinnerlichte Opfer). Insoweit ist die Musik auf eine ganz vertrackte Weise christologisch (antimythisch).
Zum Begriff der Hebräer: „der Hebräer Abram“, seine Begegnung mit dem Pharao und Abimelech, dem Philisterkönig; bei welchen der zehn Plagen beruft sich Moses auf den „Gott der Hebräer“? An welchen Stellen in den Philisterkriegen werden die Israeliten von wem Hebräer genannt (Hebräer als Fremdbezeichnung, während die Selbstbezeichnung Israeliten ist – Zusammenhang mit der Abimelech-Geschichte bei Abraham und Isaak)? – Wer hat wann hebräisch gesprochen (die Schrift ist hebräisch, nur Zitate sind aramäisch)? – Steckt der Name Sara in Israel drin, ist Israel von Sara abgeleitet? Weshalb sind die Verwandten Abrahams keine Hebräer, sondern Aramäer?
Ist nicht die Tatsache, daß auch Levi als ein besonderer Stamm erscheint, ein Hinweis darauf, daß auch soziale Schichten in der Schrift völkerähnlichen Status haben können? In Indien ist dieses Verhältnis im Kastenwesen gleichsam geronnen und fixiert worden. Sprechen die indischen Kasten auch unterschiedliche Sprachen?
Was drückt sich darin aus, daß der Jahwist sowohl archaischer als auch jünger ist als der Elohist?
Spricht nicht die Geschichte vom Handel Abrahams mit Jahwe über die Strafe gegen Sodom (was war die Sünde Sodoms?) dafür das Hinkelammert mit seiner Interpretation der Opferung Isaaks recht hat?
In der Exodusgeschichte und in der Geschichte der Philisterkämpfe erweist sich die Selbstbezeichnung Israel als die Innenerfahrung dessen, was von außen Hebräer heißt. Hieran läßt sich die Differenz griechischen Geschichte aufzeigen: Während die Griechen nur den Unterschied zwischen der aktiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Hellenen und Barbaren) kannten, handelt es sich bei den Juden um den Unterschied zwischen der passiven Selbst- und Fremdbezeichnung (Israeliten und Hebräer). – Grund zur Hoffnung, scheint mir, liegt darin, daß die Deutschgesinnten in aller Regel kein Deutsch können: Nur so ist der Sonderfall, daß ein Volk für sich nur die passive Fremdbezeichnung kennt (während der Gebrauch des Volksnamens als passive Selbstbezeichnung selbstzerstörerisch ist) nicht nur ein Verhängnis. Der Name der Deutschen ist nicht mehr als Name, nur noch als Reflexionskategorie verwendbar.
Ist die raf eine biblische Zelotenbewegung?
Das Objekt ist der besiegte Feind.
Wer sind die Völker Kanaans, von den Hetitern bis zu den Jebusitern (Ursprung in den Genealogien)?
– Gen 1519: Keniter, Kenasiter, Kadmoniter, Hetiter, Perisiter, Rafaiter, Amoriter, Kanaaniter, Girgaschiter, Hiwiter, Jebusiter;
– Ex 317: Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter;
– Ex 2323: ebenso
– Ex 2328: Hiwiter, Kanaaniter, Hetiter;
– Num 1329: Anakiter, Amalek, Hetiter, Jebusiter, Amoriter, Kanaaniter;
Gottesnamen:
– … aber unter meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen (sc. Abraham, Isaak und Jakob) nicht zu erkennen gegeben (Ex 63)
– vor Pharao, vor Beginn der Plagen: „der Gott der Hebräer … und Jahwe ….“ (Ex 52)
– Erste Plage (Wasser in Blut): „Sag zum Pharao: Jahwe, der Gott der Hebräer, hat mich zu dir gesandt …“ (Ex 716)
– zweite Plage (Frösche): „So spricht Jahwe“ (Ex 726)
– dritte Plage (Stechmücken): „… der Finger Gottes“ (Ex 815)
– vierte Plage (Ungeziefer): „So spricht Jahwe“ (Ex 816)
– fünfte Plage (Viehseuche): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 91)
– sechste Plage (Geschwüre): ohne (Ex 98)
– siebte Plage (Hagel): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 913)
– achte Plage (Heuschrecken): „So spricht Jahwe, der Gott der Hebräer“ (Ex 103)
– neunte Plage (Finsternis): ohne (Ex 1021)
– zehnte Plage (Tod der Erstgeburt): ohne (Ex 1229)
Melchisedech ist der König von Salem, die Opferung Isaaks fand auf dem Berge Morija statt.
Die Geschichte vom Traum mit den sieben fetten und den sieben mageren Jahren hat ihre Erfüllung in der Geschichte von den sieben fetten Jahren, in denen der Pharao sich die Überschüsse der Ernte des Landes aneignet, und den sieben mageren Jahren, in denen Joseph die Armut des Landes ausnützt, um die Bauern ins Eigentum des Pharao zu überführen, nachdem sie ihr Geld, ihr Vieh und schließlich ihr Land gegen das Getreide in Zahlung gegeben haben. Das ganze erinnert an den Satz Hegels, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut zu steuern, oder auch an die Geschichte von der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals. – Gab es in Ägypten Gefängnisse, und aus welchem Grunde? War es ein Ort für Schuldgefangene, für Straftäter, für politische Häftlinge?
Was reimt sich auf Dorn: Horn, Korn, Born, Zorn, vorn.
Schneisen durch den Dschungel der neuen Unübersichtlichkeit?
Andere führen ihren Hund spazieren, ich führe meinen Gott spazieren; aber der holt mir nicht jeden Knüppel zurück.
Ist es nicht so, daß die Kirche dort, wo sie zu lösen vorgibt, bis heute immer nur gebunden hat, und das aus eben jenem Kleinglauben, der sich heute zur realen Verzweiflung und zur Selbstverfluchung auswächst?
Die spezielle Relativitätstheorie rückt das Zentrum des Systems in jene Lücke im System, auf die das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hinweist, d.h. auf ein im strengen Sinne systemtranszendentes Element.
Es gibt auch eine historische Anwendung des Inertialsystems, deren Strukturgesetz wird einerseits durch die transzendentale Logik Kants, andererseits durch die Hegelsche Logik des Begriffs beschrieben.
Der Unterschied zwischen der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und der antiken Schuldknechtschaft scheint darin zu liegen, daß, während diese sich aus der Eigenlogik der wirtschaftlichen Entwicklung ergab, jene etwas Gewolltes und bewußt Angestrebtes war, wobei jedoch auch hier der Wille sich am Ende nur als ein Moment im System erwies.
In welcher Beziehung steht der Turmbau zu Babel zur Regenbogengeschichte?
Der Beweiszwang entspricht dem Bekenntniszwang, beide vertreiben die Erkenntnis, die Einsicht aus der Wahrheit. Das ist der Grund für das Mißlingen jeglicher Apologetik.
Die moderne Astronomie versündigt sich gegen das Herrschaftsgebot der Genesis, indem sie nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel versucht sich untertan zu machen. Allerdings hat hier die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung die nötige Vorarbeit geleistet. – Gott hat den Menschen nach seinem Bilde erschaffen; der Mensch hat den ganzen Kosmos dem Bilde der Erde nachgebildet (und so dem Totalitätsbegriff der Natur unterworfen).
Titelvorschlag: Objektivation und Instrumentalisierung?
Wie steht es mit den Realien zu den Geschichten Rut, Judit, Ester, Tobit, Hiob, Jonas? Sind die historischen Überlagerungen vergleichbar mit denen der Abraham-Geschichte? (Nach Franz von Baader hat die Schrift insgesamt apokalyptische Bedeutung.)
Die Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen (die babylonische Sprachverwirrung) in der Theologie.
Idolatrie und Opfer gehören zur Genese des Eigentumsbegriffs. Und diese Geschichte des Eigentumsbegriffs wird fundiert und abgesichert durch Geschichte und Struktur des Weltbegriffs. Die Phasen dieser Geschichte lassen sich ablesen an den Gestalten der Kulturen (der Religionen und der Kulturen, bevor sie durch den Säkularisationsprozeß neutralisiert und musealisiert worden sind). Religionen sind geronnene Formen der subjektiven Verarbeitung der Eigentums- und Rechtsgeschichte. Der heutige Atheismus ist darauf zurückzuführen, daß die Verdrängung heute soweit gediehen ist, daß man glaubt, diese Verarbeitung nicht mehr nötig zu haben.
Bei Heinsohn hängt die Naturkatastrophentheorie, aus der er dann die Genese des Opfers (den Ursprung des Monotheismus und des Geldes) ableitet, erkennbar mit seinem Ökonomiebegriff zusammen, aus dem er die genetischen Zusammenhänge weiterhin heraushalten möchte. Deshalb braucht er die Naturkatastrophen als Mittel der Erklärung.
Ist die lateinische Version des christlichen Dogmas römische Rechtsmystik (Person- und Eigentumsmystik)? Wenn die Person durch ihr Verhältnis zu anderen Personen und zum Eigentum definiert wird, und diese Verhältnis als allgemeines sich im Geld vergegenständlicht, dann gab es für das Christentum keine andere Form der Auseinandersetzung mit dem Mythos als die der Überwindung (nicht der Reflexion, die durch den geschichtlichen Kontext versperrt war). Die Reflexion des Mythos hätte zwangsläufig dem Dogma den Boden, den Grund entzogen. Durch die bloße Überwindung des Mythos hat dieser sich im Dogma (nachdem er unkenntlich geworden ist) reproduziert.
Entspricht das, was Hinkelammert als Schuldenautomatik analysiert, dem, was heute in der Astronomie „schwarze Löcher“ heißt?
Arbeit ist die Sühne für die Schuld, nicht Eigentümer zu sein; der Eigentümer ist der Erlöste; und Sünde ist alles, was dem Streben nach Eigentum im Subjekt selbst im Wege steht. Deshalb ist heute Mitleid, Empathie Sünde.
Die Opfertheologie stützt den Eigentumsbegriff und den Rechtsstaat.
Die endgültige Trennung von Begriff und Objekt gründet in der Verselbständigung des Objekts, die durch die reinen Formen der Anschauung vermittelt ist. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ In diesem Zustand ist der Islam geblieben, weil er das Verhältnis der Arbeit zum Sündenfall (Arbeit als säkularisierter Kampf gegen den Sündenfall) nicht kennt. (Vgl. die Hegelsche Bemerkung über den prosaischen Charakter der modernen Kleidung in seiner Ästhetik.)
Das „die Schuld der Welt auf sich Nehmen“ schließt den Abstieg zur Hölle mit ein.
Die Welt ist die Welt des potentiellen Eigentums (nach universaler Ausbreitung des Tauschprinzips), die Natur die der gegenständlichen Objekte (Produkt der unendlichen Ausdehnung des Raumes).
Daß sich Hegel zufolge der Begriff in der Natur nicht halten kann, reproduziert sich im Absoluten als die Trunkenheit aller seiner Glieder.
„Sein Erlauten“ (Buber) statt „Spruch des Herrn“: Buber ist nicht selten (sowohl in der Bibel-Übersetzung als auch in seinen theologischen Schriften) der Verführungskraft einer Archaik erlegen, die auf feudale Verhältnisse zurückweist; deren Erbe ist aber ist die Verwaltung, nicht die Theologie.
Büchner: „Wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten.“ – „Ich fühle mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte.“ – „Mit einem Lachen ergriff der Atheismus in ihm Platz.“
Musik
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09.09.91
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09.08.91
Geldwirtschaft gründet in Schuldknechtschaft. Der Aspekt der Herrschaft des Tauschprinzips ist insoweit irreführend, als er das Unaufhebbare am Kapitalismus verdeckt, verdrängt. Die Vorstellung, daß gleichberechtigte Warenbesitzer mit einander tauschen und dafür irgendwann ein allgemeines Tauschmittel, das Geld, einführen, erweckt den Eindruck, als sei der Reichtum schlicht vorhanden, bloß gegeben, und bräuchte im Bedarfsfall nur umverteilt zu werden. Es gibt aber keinen Reichtum, der nicht die Armut zur Grundlage hat, die er selbst produziert. Daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, der Armut zu steuern, hängt mit dem Ursprung und dem Begriff des Reichtums zusammen. Die Geschichte vom reichen Jüngling drückt genau diesen Sachverhalt aus.
Es gibt heute – draußen und drinnen – eine Armut, die nicht mehr mit dem Argument zu rechtfertigen ist, die Armen seien selbst schuld, daß sie arm sind.
Gibt es – neben dem Confessor und der Virgo, zu deren letzten Auswirkungen die Penner und die Huren gehören – auch die Heiligengestalt des Gerechten? Diese Gestalt des Gerechten, die kenntlich gemacht hätte, worauf das Ganze hinausläuft, scheint es im Christentum nicht gegeben zu haben. Mit dem Ursprung der Welt ist die Gerechtigkeit zu einer transzendenten, unerfüllbaren Idee geworden, das Recht als seine säkularisierte Gestalt in der verweltlichten Welt ist ein konstitutiver Teil des Schuldzusammenhangs. Erlösung war immer eine Erlösung von der Schuld, aber nicht Befreiung zu einem gerechten Leben. Das drückt sich dann aus in der Idee der Rechtfertigung, dem Kristallisationskern des mythischen Denkens in der Theologie.
Die kantischen synthetischen Urteile apriori und die Kategorientafel sind die Konstituentien des namenlosen Objekts.
Kann es sein, daß der Objektstatus heute nur noch zu ertragen ist, wenn er durch das, was sich heute Musik nennt, übertäubt wird. Beachte die Gesichter von Joggern: ohne Walkman verzerrt, wütend, aggressiv, mit Walkman selig lächelnd.
Heute nagelt das Christentum die Gläubigen an das Kreuz ihres Selbstmitleids, macht sie unsensibel sowie arrogant, böse und stumm.
Die Welt definiert sich gegen die Vorwelt durch die Vergesellschaftung der Gewalt, durch die Installation des Gewaltmonopols des Staates (durch das Recht); oder durch die damit begründete Vergesellschaftung und Internalisierung der Naturbeherrschung. Bevor sie ihren Siegeszug nach außen antreten konnte, mußte sie sich in der Gesellschaft, in den Subjekten konstituieren.
Die staatliche Instrumentalisierung der Gewalt ist die Voraussetzung des Objektivationsprozesses, Grundlage des Weltbegriffs.
Die Bäume in der Bibel:
– „Von allen Bäumen dürft ihr essen“: Vorausgesetzt war das Nahrungsgebot, das die Früchte des Feldes und die der Bäume den Menschen zuwies (und den Tieren das Kraut).
– „Nur nicht von dem Baum in der Mitte des Gartens“ (dem Baum der Erkenntnis, des Lebens?): Vom Baum der Erkenntnis haben sie dann gegessen, mit den bekannten Folgen.
– Die Jotam-Fabel (auch der Dornbusch ist demnach ein Baum), die Zedern des Libanon, der Weinstock, der Feigenbaum, der Ölbaum, das Kreuz.
– Gibt es zu Stammbaum eine biblische Entsprechung? Stammbaum = toledot; Stamm (Baum) und Stamm (Sippe): Jesus kommt aus dem Stamme Davids? Gibt es eine Beziehung zu den Türmen?
Nachdem die häresienbildende Kraft mit der Reformation verbraucht war, hat es neben den Konfessionen (den säkularisierten Gestalten der Kirche) nur noch Sekten gegeben.
Dummheit gründet im allgemeinen in mangelnder Idenfikationsfähigkeit (Aufmerksamkeit), in der Unfähigkeit, sich auf die Erfahrung des anderen einzulassen.
Früher haben Propheten eine Situation durch Symbolhandlungen aufgeschlüsselt, heute sind Symbolhandlungen (aufgrund des Wiederholungszwangs, dem sie unterworfen sind) Formen der Selbstverurteilung.
Opfertheologie und Instrumentalisierung gehören zusammen. Die gemeinsame Wurzel beider ist die Idolatrie.
Der Konkretismus der Heinsohn et al. rührt her von der Unfähigkeit, das, was sie durch Naturkatastrophen hervorgerufen verstehen, aus der genetischen Struktur der Erfahrung und der Geschichte der Sprache abzuleiten.
Fundamentalisten sind Religions-Hooligans (Bindeglied ist das Bekenntnis).
Das Prinzip der Delegation (im postmodernen Management) scheint daraus sich herzuleiten, daß insbesondere das Unangenehme, das, was moralische Skrupel verursachen könnte, an andere delegiert werden soll. Daher kommt es, daß die Bedenkenlosesten im allgemeinen als die besten Mitarbeiter angesehen sind
Warum gibt es keine objektive Moral, oder: warum schließt der Begriff einer moralisch begründeten Erkenntnis den Verzicht auf moralisches Urteil mit ein (Zusammenhang von Erkenntnis und Schuld: Grund des Nachfolge-Gebots)?
Heideggers „In-der-Welt-Sein“ ist das notwendige Korrelat der begrifflichen Aufteilung des Seienden in Vorhandenes und Zuhandenes. Der reflektorische Begriff des Zuhandenen verleiht dem Dasein den Charakter des In-der-Welt-Seins. Als Zuhandenes ist das Dasein uneigentlich, als Vorhandenes eigentlich? Der Trick zieht nicht: Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit sind wie Vorhandenes und Zuhandenes untrennbare Reflexionsbegriffe.
Inertialsystem und Gravitationsgesetz gehören zusammen: sie sind zwei Aspekte der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen.
Hat die Geschichte von Romulus und Remus etwas mit der von Kain und Abel zu tun? Auch Romulus erschlägt seinen Bruder Remus und gründet dann die Stadt Rom.
Sind die Astralreligionen als Herrschaftsreligionen schon in der Schöpfungsordnung (Herrschaftsauftrag an die Leuchten des Himmels) verankert?
Der Personbegriff ist die Stecknadel, mit der der Name getötet und wie ein Schmetterling aufgespießt wird; er nimmt dem Namen das Wesen: das Angesprochen- und Gehört-Werden. Sind Frauen Personen, und sind nur Personen bekenntnisfähig? Auch Gott ist nur ein Personbegriff.
Das Inertialsystem ist das Refenzsystem, auf das alle naturwissenschaftlichen Begriffe, Gesetze und Erscheinungen sich beziehen, und diese drei Begriffe bezeichnen nur drei Aspekte einer Sache (Grund der negativen Trinitätslehre).
Die Welt ist das entstellte Antlitz der Erde, auf das sich der Satz bezieht: emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae.
Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt gehorcht dem Nachfolge-Gebot.
Die Parole Rousseaus „Zurück zur Natur“, die zusammenhängt mit der romantischen Vorstellung von den edlen Wilden, fällt herein auf die christologisch begründete Hypostasierung der Natur (der Vergöttlichung des Opfers) und ist wider Willen einer der Auslöser der Barbarei. Vielleicht müßte man hierzu den zweiten Teil von Derridas „Grammatologie“ lesen.
Die Psychoanalyse und die Psychomatische Medizin sind keine Hilfen bei der Wiedergewinnung des Subjekts, sondern verlängern den Instrumentalismus ins Subjekt hinein. Nicht zufällig sitzt der Psychotherapeut bei der Anamnese hinterm Rücken des Patienten. -
13.05.91
Die Logik des Bekenntnisses beherrscht auch den Erkenntnisfortschritt: Das Objekt ist der Feind, das Wissen das Denkmal des Sieges; gewonnen wird das Wissen in der Auseinandersetzung mit den Häresien: den veralteten, überwundenen Anschauungen (in jeder Häresie tritt der wahren Lehre erneut ein noch nicht überwundenes Stück Heidentum entgegen). Der Materialismus repräsentiert die ungetaufte, noch nicht überwundene rohe Natur: das, was unten ist und da auch hingehört. Universität ist ein Zielbegriff und ein Kampfruf, die Wissenschaft die Phalanx, die ruhig, gewaltig und unwiderstehlich fortschreitet. Die widerlegten, überwundenen Gedankenmassen haben ihre Begräbnisstätten in den Bibliotheken gefunden; an die Möglichkeit einer Auferstehung denkt niemand.
Hat der Satz: „Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag“ auch erkenntniskritische Bedeutung? Und ist nicht der Sinn hierfür durch die Musik geschärft worden: durch die Überlagerung verschiedener Zeitstrukturen? Und ist hier nicht die Klassik ein -wie auch immer ambivalenter – Fortschritt gegenüber der Polyphonie Bachs? Werden hier nicht in die Musik Formstrukturen eingearbeitet, die sich dann in der Musik gegen die Musik (in Richtung Sprache?) abarbeiten? Eine Geschichte der Musik nach Bach (bis Schönberg) müßte diesen Prozeß darstellen. Bach hat gleichsam das Gravitationsgesetz in der Musik entdeckt und ausformuliert, Schönberg das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Das Movens in dieser Geschichte ist mit denm Hegelschen Absoluten verwandt: mit dem Gesetz der Profangeschichte: von der brutalen Form der Selbsterhaltung bis zu den sublimsten Formen des Glücksverlangens.
Das Gefühl, dessen Begriff das Äquivalent des mechanischen Stoßes, das Tastempfinden, wie auch die sublimsten Erfahrungen umfaßt, ist nicht nur der Gegensatz zur Vernunft, zur Logik, sondern es hat seine eigene Logik, die an der der Vernunft partizipiert. Das Gefühl ist die brennende (aber nicht verbrennende) Innenerfahrung der Profangeschichte; durch die Bindung an die Profangeschichte hat es seinen pathologischen Zug, der aber gleichzeitig der Widerstand ist, an dem es sich abarbeitet. Das Gefühl ist das Äquivalent des materiellen Trägheitsmoments im Subjekt. Und die Physik, vom Gravitationsgesetz über die Thermo- und Elektrodynamik bis zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, zum Planckschen Strahlungsgesetz und zur Quantenmechanik, beschreibt nicht nur die Schicksale des Trägheitsbegriffs, sondern ebensosehr die des Gefühls. Das Gefühl konstituiert sich in der Spannung zwischen Welt und Natur (als subjektiver Reflex der entfremdeten, vergegenständlichten Geschichte der Auseinandersetzung mit der Natur). Sein Ursprung licht (sic, B.H.) die Geschichte der politischen Physik (nicht Ökonomie).
Der Säkularisationsprozeß hat seine Grenze darin, daß in seinem blinden Fleck die christlichen Ursprünge versteckt sind (blind herrschen und zugleich unerkennbar geworden sind). Diese verdrängten christlichen Ursprünge aber sind nur erkenntnis- und bewußtseinsfähig im Rahmen einer politischen Physik. Sie sind aufklärungsfähig nur dann, wenn der Bann, der von der Physik auf die Politik ausstrahlt und übergreift, gelöst wird. (Titel-Vorschlag: Probleme des Säkularisationsprozesses oder Kritik der politischen Physik. – Kritik der politischen Physik ist Kritik der Ästhetik, Kritik des Weltbegriffs; in der Theologie: Kritik des Bekenntnisbegriffs. Hintergrund ist der Zusammenhang der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Logik)
Typos meiner Waldspaziergänge: das Brüten des Geistes über den Wassern (in Verbindung mit dem „abgestiegen zur Hölle“).
Über den Gegenstandsbegriff hat das Subjekt alle Objekte in den Strudel seines Falls mit hereingezogen.
Der verdinglichte Begriff des Unbewußten, der Zwang, das Unbewußte im Rahmen einer psychologischen Topographie im Subjekt zu lokalisieren, rührt her vom Telos der Psychoanalyse, von dem Ziel, das Subjekt lebenstüchtig zu machen, es ans herrschende Realitätsprinzip anzupassen, es arbeits- und genußfähig zu machen. Mit der Anerkennung des Realitätsprinzips lädt Freud dem Subjekt die ganze Last der Vergangenheit auf; die Hinnahme der Vergangenheit ist die Grundlage des Realitätsprinzips. Aber mit der Anamnese, mit der Erinnerungsarbeit, stellt Freud auch die Mittel bereit, diese Vergangenheit zu durchschauen; wenn die Anamnese entdomestiziert (nicht selber wieder dem Realitätsprinzip unterworfen) wird, vermag sie vielleicht auch diese Prämisse des Freudschen Konstrukts zu relativieren.
Das Subjekt-Objekt des Rechts ist die Gemeinheit: deshalb ist die Gemeinheit kein Tatbestand des Strafrechts.
Im Gravitationsgesetz und in der Geschichte der Optik und Elektrodynamik ist es der Physik gelungen, die Distanz zum Objekt ins System zu integrieren, so das System überhaupt erst zu konstituieren. Durch diese Einbindung aber ist das System zugleich gesprengt worden (Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Falsch wäre es, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf das Gravitationsgesetz bloß anwenden zu wollen, wichtig wäre es, die Identität zu begreifen.
Velikowsky und seine Nachfolger, die Vertreter einer katastrophischen Geschichtstheorie, bleiben in dem gleichen Konkretismus stecken, der auch die gesamte Ökologiebewegung beherrscht. Ein nicht konkretistischer Objektivitätsbegriff würde allerdings auch eine Kritik der Physik (Kritik des Inertialsystems) voraussetzen, die es bis heute noch nicht gibt.
Steckt in der Masse-Energie-Äquivalenz (E = m.c2) der Schlüssel für die Kritik und Entzifferung der wichtigsten Leistung des Gravitationsgesetzes: der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen.
Enthalten die apokalyptischen Schriften Erinnerungen an die historischen Naturkatastrophen, oder enthalten sie Hinweise für eine Entschlüsselung dessen, was hier durch das Konzept der historischen Naturkatastrophen bewiesen werden soll? Die konkretistischen Weltuntergangsvorstellungen scheinen in den gleichen Zusammenhang hereinzugehören.
Wenn die Juden der Augenstern Gottes sind, wer ist dann der Finger Gottes? Ist es der Finger Gottes, der die Lippen öffnet? (Ein Titel wie „Der Heilige Geist als Person“ ist schlicht blasphemisch, eine Sünde wider den Heiligen Geist.)
Hat der Hahnenschrei etwas mit dem Morgenstern zu tun?
Die installierte Heuchelei des kirchlichen Lebens heute, der Existenz in der Kirche, beruht darauf, daß der Block des Bekenntnisses, wie es scheint, nicht aufzulösen ist. Erst die Verbindung von Gottesfurcht und Herrschaftskritik löst den mythischen Bann.
Das Subjekt in der Natur ist das alte logische Subjekt, das Subjekt im Urteil, das durch die Mathematisierung der Natur sich aufgelöst hat. Geblieben ist die Idee des unbegriffenen Benennbaren. Die Auslöschung des benannten (benennbaren) Subjekts ist der systemlogische Grund des Antisemtismus.
Heute verfängt sich das Herrendenken in seinem selbstproduzierten System. Der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ benennt das Prinzip davon.
Der Begriff des Gerichts hängt mit dem der gerichteten Bewegung, mit der Gewalt des Raumes, zusammen; gerichtet wird außerdem das Haus („aber der Menschensohn, hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen soll“); und das Essen wird angerichtet. Gerichtet wird der Angeklagte, der Verbrecher.
Wie ist es mit dem Haus, dem Wohnen, im Alten Testament (das Zelt, der Tempel), mit dem Land, wo Milch und Honig fließt?
Die Erde erscheint von außen als „blauer Planet“. Warum eigentlich? Und warum nur die Erde?
Hegels List der Vernunft ist heute übergegangen in die Gewalt der Vernunft. Genauer: An die Stelle der List der Vernunft ist heute die nackte und brutale Gewalt getreten, die auch in der Vernunft ihr zerstörerisches Werk vollendet hat.
Die Differenz zwischen dem stalinistischen und dem faschistischen Antisemitismus läßt sich an dem Verhältnis der stalinistischen Schauprozesse und dem faschistischen Judenmord bestimmen: Die Funktion der Antisemitismen war unterschiedlich. Der stalinistische Schauprozeß ging über die Gehirnwäsche zur Auslöschung des Subjekts durch systemkonforme Selbstdenunziation; den Opfern wurde zugemutet, durch die doppelte Selbstdenunziation (als „Verräter“ der Bekenntnisgemeinschaft und des eigenen Gewissens) das von ihnen selbst vertretene System (ihre eigene Identität, wie es heute bei der raf heißt) zu retten. Die Angeklagten bekannten sich schuldig für Taten, die sie nicht begangen hatten. Um der Gemeinschaft, der sie sich verschrieben hatten (dem Bekenntnis, an das sie glaubten), zu dienen, ließen sie sich als Opfer (als Opfer ihrer eigenen Bekenntnislogik) vorführen. Die Nazis hingegen beteten die Gewalt an; und um diese Gewaltmetaphysik bei den eigenen Anhängern rein durchsetzen zu können, vernichteten sie die Angehörigen des Volkes, das an den einzigen Widerspruch gegen die Gewaltmetaphysik: an den Ursprung des Gewissens erinnerte. Die faschistische Gemeinschaft war die der Komplizenschaft, nicht die eines rationalen Bekenntnisses (der Form, nicht des Inhalts des Bekenntnisses).
Die Liquidierung ist ein stalinistischer Akt, die Endlösung ein faschistischer.
Intersubjektivität ist ein Bekenntnisbegriff.
Die Medien sind die Agenten des beschränkten Lesergeschmacks, den sie selber produzieren.
In den Problemen der Agrarpolitik und in den Dritte-Welt-Problemen drückt sich die Tendenz der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur aus, die darauf hinausläuft, die Natur (den Naturstoff und die Arbeit) zum Verschwinden zu bringen.
Legen die Hinweise von Gunnar Heinsohn die Erkenntnis nahe, daß die Schlachtopfer matriarchalischen, die Ganzopfer (Holocaust) hingegen patriarchalischen Ursprungs sind?
Urheber des Krieges ist der Staat, nicht das Volk (Franz Rosenzweig, Kleine Schriften). Das Volk ist Opfer des Krieges, und zwar unabhängig von nationaler Zugehörigkeit und unabhängig von Sieg oder Niederlage: so ist das Volk eine Schicksalsgemeinschaft.
Der Trick der Hegelschen Philosophie, die List der Hegelschen Vernunft, liegt darin, daß er das begriffslos gewordene Objekt zum Verschwinden bringt und auf diesem Wege den Begriff zum Inbegriff des Ganzen macht. Das Objekt, sofern es Deckbild des Anderen ist, dessen, was nicht in den Begriff aufgeht, ist nur noch Denkmal des vergessenen Namens, hat kein Existenzrecht. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der Philosophie insgesamt antisemitisch, und das auch schon im frühchristlichen Dogmatisierungsprozeß, in der christlichen Theologie.
Heideggers Existenzbegriff ist Inbegriff der Gewalt, die dem Objekt angetan wird, während der Existenzbegriff bei Rosenzweig, wenn es denn so etwas überhaupt bei ihm gibt, Inbegriff des Leidens ist, das dem Objekt angetan wird. Philosophie ist der Prozeß der Verdrängung dieses Leidens.
Doppelte Beziehung zum Anderssein im Objekt: die Aggression, die Wut, ist antisemitisch, die Angst vor dem Chaos, vor der Selbstauflösung, ist frauenfeindlich. (Und die Oszillation von Angst und Wut ist die Elektrodynamik.)
Das Medium der Naturphilosophie ist die assoziative, auch aleatorische Aufschlüsselung des Bruchs zwischen der Sinnlichkeit und ihrer physikalischen Objektivierung. Die hierbei gewonnene Erkenntnis gleicht der, die Spengler die physiognomische Erkenntnis genannt hat, jedoch nach ihrer Befreiung von der Herrschaft, des Mythos, des Schicksals. Sie gehorcht dem Satz: Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
Der Werbeslogan „Die Polizei, den Freund und Helfer“ ist schlicht eine blasphemische Lüge. Die Polizei ist die Priesterschaft des neumythischen Staates, das Opfer, das sie ihrem endlichen Gott darbringt, liegt noch jenseits des Ganzopfers, es ist kein Opfer mehr zur Entsühnung des Volkes, sondern das Opfer des Volkes zur eigenen Entsühnung, zur Entsühnung des Tieres, in dessen Dienst die Polizei steht. -
27.08.90
Der Rechtfertigungszwang (Bekenntniszwang) verändert auch das Gerechtfertigte (den Inhalt des Bekenntnisses): den Glauben, den man verteidigt (bekennt). Das wird deutlich an den Äußerungen jenes Anhängers Lefebvres, der die Wiedereinführung der Inquisition forderte und im Zusammenhang damit auch die Todesstrafe rechtfertigte. Zum apologetische Grundzug der Orthodoxie heute gehört offensichtlich auch die Erfahrung, daß eine Verteidigung der Lehre ohne die Hilfe äußerster Rechtsmittel wie Inquisition und Todesstrafe nicht mehr möglich ist. Zugrunde liegt eine Ohnmachtserfahrunmg, die sich anders nicht mehr zu helfen weiß. – Aber ist diese Ohnmachtserfahrung nicht doch real begründet? Und sind nicht die Anpassungstendenzen der modernen Theologie weniger eine Aufarbeitung als vielmehr eine Flucht vor dieser Ohnmacht?
Das „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ ist die schärfste Kritik am Bekenntnis-Christentum. Das christliche Bekenntnis bedurfte seit je des Pharisäers als Verdrängungshilfe und Projektionsfigur, um die damit verbundenen Schuldgefühle loszuwerden.
Wie hängen die Begriffe Bekenntnis und Symbolum zusammen? War das Bekenntnis der Vollzug einer Identifikation mit dem Aggressor, und der Formel-Inhalt das Zeichen (Symbol) dieser Identifikation?
Der theologisch-soziale Doppelsinn des Opfer-Begriffs ist ein Hinweis darauf, daß das eigentliche Opfer das soziale und nicht das kultische ist. Das kultische ist nur die zugleich verdrängte Deckerinnerung ans soziale Opfer. Das Prophetenwort „Barmherzigkeit will Ich, nicht Opfer“ drückt genau das aus.
Sind die Christen (die Katholiken) Gottesfresser? – Durch die Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie steigern wir die Last anstatt sie mitzutragen (Umkehr des Nachfolgegebots). Die Projektion auf die Juden im christlichen Antisemitismus (in der christlichen Judenfeindschaft) ist die genaue Folge davon, ist die projektive Verarbeitung, die nicht zufällig in Auschwitz endet.
Gläubige Theologie wäre Theologie im Antlitz Gottes, hieße Theologie so betreiben, als wäre ER anwesend. Gläubige Theologie wäre Theologie als Gebet, Theologie, die Gott als Adressaten hat und jeden Satz vor IHM verantworten muß.
Die Theologie spricht über Gott hinter seinem Rücken, d.h. sie glaubt nicht an seine Anwesenheit und muß sich deshalb ihrer Wahrheit durch kollektive Zustimmung versichern. (Zusammenhang mit dem Bekenntnis-Begriff!)
Rosenzweigs Satz: „Von der Welt wissen wir nichts, und dieses Nichtwissen ist Nichtwissen von der Welt“ ist so abzuändern, zu ergänzen und zu verschärfen: „Die Welt ist der Grund unseres Nichtwissens“; es sind die (weltlichen) Bedingungen unseres Wissens, die unser Nichtwissen von Gott und Mensch zur Folge haben. – Das jedoch ändert Struktur und Zusammenhang des Rosenzweigschen Systemkonzepts. – Wäre diese Änderung in einem dann allerdings sehr weitreichenden Sinne christlich zu begründen?
Liegt das Problem in Rosenzweigs „Stern der Erlösung“ in der Ambivalenz seines Weltbegriffs? Anstelle Gott/Mensch/Welt: Gott/Himmel und Mensch/Erde? Müßte nicht die Summa contra gentiles neu geschrieben werden?
Adornos Philosophie – vor allem seine Hegel-Kritik – ist der Versuch, den brennenden Dornbusch von innen zu beschreiben (vgl. Franz von Baaders Vergleich der Hegelschen Philosophie mit einem Autodafe).
Titel-Vorschlag: Verwaltete Theologie oder Bemerkungen zum Begriff der Konfession.
Ist der Taumelkelch, von dem die Propheten gelegentlich reden, die Philosophie (an der nach Hegel „kein Glied nicht trunken ist“).
Ist jedes Bekenntnis die Antwort auf eine Anklage (und insoweit Schuldbekenntnis, jedoch ohne wirkliches Schuldbekenntnis): das Zwangsbekenntnis unterstellt, daß jeder (selbst der noch ungetaufte Säugling) zunächst einmal ein Ketzer ist?
Die autoritäre Forderung des Bekenntnisses ist der Mißbrauch des Bekenntnisses. Sie unterstellt, daß der, dem das Bekenntnis abgefordert wird, grundsätzlich schuldig ist und davon durch das Bekenntnis sich freisprechen kann (vgl. hierzu auch Kant!). Ihr Ziel ist die Identifikation mit dem Aggressor, die absolute Heuchelei.
Zwei Dinge, die die Neubegründung der Theologie notwendig machen:
– Ihr Verhältnis zu den modernen Naturwissenschaften (Ausgangspunkt: die spezielle Relativitätstheorie Einsteins), und
– ihr Verhältnis zu Auschwitz: Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. – Der Knecht Gottes ist Israel, aber wir können es nicht wieder instrumentalisieren wie beim Kreuzestod Jesu.
Theologie war in ihrer ganzen christlichen Geschichte der Versuch, hinter dem Rücken des lieben Gottes über ihn zu reden. Die Folgen liegen heute offen zutage. Theologie ist heute die offene Wunde, und nur wer das realisiert, ist befugt, Theologie zu betreiben. So wie Einstein die offene Wunde der Physik ist, während die gesamte pseudometaphysische Mikrophysik und Quantentheorie einschließlich der pseudomystischen Konsequenzen, die einige glaubten, daraus ziehen zu können, nichts anderes ist als die Instrumentalisierung dieser Wunde (Salz für die Wunde). Insofern ist allerdings die Quantenphysik in der Tat die Erbin und Nachfolgerin der europäischen Theologie.
Den Begriff der Umkehr auf die Dogmatik anwenden. Hilfe wäre das „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“, das parakletische Denken; Frage, ob die gesamte Dogmatik zu retten ist.
Die Aufspaltung der Eschatologie, die Trennung des Himmels oben von der zukünftigen Welt, ist historisch erledigt; ihr ist die Grundlage entzogen seit Kopernikus, seit Newton, seit dem Fall Galilei.
Bekennen darf man nur, wo man geliebt wird; das Zwangsbekenntnis ist in einem letztlich auch kosmologischen Sinne der Grund des Übels.
Verteidigendes Denken: Heute sind wir schon soweit, daß die Verteidigung eingeschränkt, teilweise ganz ausgeschlossen wird (u.a. bereits durch das Rechtsdogma von der Verteidigung als einem „Organ der Rechtspflege“, d.h. der Staatsräson, die es auch erforderlich machen kann, einem Vorurteil Rechtskraft zu verschaffen).
Adornos Idee des Nichtidentischen, die Grundlage der Negativen Dialektik, steht in der prophetischen Tradition des Eintretens für den Armen und den Fremden. Diese Tradition wird übrigens unmittelbar aufgenommen und zitiert in der Analyse des autoritären Charakters, unter dem Titel „no pity for the poor“.
Das Phänomen der aggresiven Sanftheit (Drewermann) wäre doch etwas genauer zu beschreiben: Grund ist das verdrängte, nicht aufgearbeitete Selbstmitleid.
Die letzte moralische Barriere ist die Sprache; wenn die zerbricht, brechen alle Schranken; wie es scheint, ist es kein Zufall, daß die, die sich deutsch fühlen, des Deutschen in der Regel nicht mächtig sind (vgl. das in KuS zitierte antisemitische Flugblatt aus der Zeit des Vormärz).
Gibt es eine Geschichte der Aufführungsform, der musikalischen Bearbeitung und Darbietung des Deutschland-Liedes. Kann es sein, daß die Form, in der es heute öffentlich dargeboten wird, die von den Nazis zusammen mit dem unsäglichen „Horst-Wessel-Lied“ für die öffentliche Darbietung eingerichtet wurde? Daß es sich sozusagen um die vom Horst-Wessel-Lied infizierte und vergiftete Version handelt?
Läßt sich das historische Bekenntnis-Problem auch in der Musikgeschichte nachweisen (Entsinnlichung, Vergeistigung der Musik unter christlichem Einfluß, vgl. Kurt Blaukopf oder Wiora)?
Die Übertragung der Schlüsselgewalt an Petrus (Mt 16,19, worauf übrigens die „strenge Weisung“ folgt: „niemand zu sagen, daß er der Messias sei“) begründet keinen Rechtstitel, sondern eine bis heute nicht wahrgenommene Pflicht.
Wurden Marcion und die Gnosis nur deshalb so wütend abgewehrt, weil sie den Christen das Bild ihres verdrängten Selbstverständnisses vorhielten?
Zum Problem des Islam: Gibt es im Islam die Idee eines moralischen Subjekts, des Gewissens? Hat der Islam das (aristotelische) Erbe der objektiven Vernunft angetreten und zugleich seine Widersprüche rein herausgearbeitet? Ist der erfolgs-, nicht moral-orientierte Politik-Begriff des Islam systembedingt? Ist der Islam im genauesten Sinne die Weltreligion?
Zur Dornen und Distel-Tradition: Sündenfall, brennender Dornbusch, Jotam-Fabel, Gleichnis vom Weizen unter Dornen (Unkraut), Dornenkrone.
– Der brennende Dornbusch: die brennende Innenerfahrung der Profangeschichte (Auschwitz); die genaue Beschreibung der Grundlage der Gotteserfahrung;
– Dornenkrone: dieser König der Juden ist der König eines Reichs, das unter der und gegen die profangeschichtliche Herrschaft der Welt heranwächst;
– Dornen und Disteln als Inbegriff der Welt (des katastrophischen Aspekts der Geschichte).
Das „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ als der Anfang der utopischen Kraft des Heiligen Geistes, des parakletischen Denkens.
Hat Kant das Geheimnis der Trinitätslehre durch seine Entdeckung der Form der äußeren Anschauung prinzipiell bereits gelöst? Und hat dazu Einstein die notwendige Ergänzung und Korrektur geliefert? Ist die spezielle Relativitätstheorie eine Teilaspekt der objektiven Bedeutung des brennenden Dornbuschs?
Der vielleicht entscheidende Satz zu Auschwitz stammt von Thomas von Aquin: „Parvus error in principio magnus est in fine“ (De ente et essentia).
Der Haß auf das Alte Testament ist begründet im (projektiven) Herrenneid. (Grundlage ist – gegen den Sinn des Textes – ein autoritärer Gottesbegriff: Gott als der Herr der Geschichte, der man selber sein möchte). Das AT verträgt sich nicht mit einem kolonialistischen Geschichtsverständnis (wie klug sind wir doch heute, und wie dumm waren die vergangenen Geschlechter).
Die Geschichte der Auseinandersetzung der Orthodoxie mit den Häresien ist Teil der Geschichte der Auseinandersetzung mit der Naherwartung der Parusie. Die Orthodoxie stand seit je unter dem Zwang, überlebensfähig zu bleiben in der Welt; sie stand damit immer in der Gefahr der Verweltlichung, der Identifikation mit dem Aggressor. Das Unkraut dessen Vernichtung Jesus dem Jüngsten Gericht vorbehalten hat, sind die Dornen und Disteln aus der Geschichte der Sündenfalls (es sind diese Dornen, unter die nach dem Gleichnis die Weizenkörner gefallen sind, die dann ersticken).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie