Die paradigmatischen Dimensionen eines Nomens sind Kasus, Numerus und Genus; nach Rix (Historische Grammatik des Griechischen, S. 107) beim Substantiv Kasus und Numerus, beim Adjektiv Kasus, Numerus, Genus und Gradus. Heißt das, daß das Neutrum über das Adjektiv sich gebildet hat (und der bestimmte Artikel gleichsam ein absolutes Adjektiv darstellt), und daß es zusammen mit dem Gradus (mit dem sprachlichen Äquivalent der hierarchischen Struktur) sich gebildet hat (vgl. Jürgen Ebachs Hinweis auf den Zusammenhang von Fleischessen und hierarchischer Gesellschaftsstruktur)? Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang der grammatischen mit den räumlichen Dimensionen (z.B. der Hierarchien in Kosmos und Gesellschaft: Ist die spätantike/frühmittelalterliche Engellehre sprachgeschichtlich und sprachlogisch determiniert, und dann zur logischen Grundlage des Feudalismus geworden)?
Gründet die Bemerkung von Rix über die Dimensionen des Substantivs im Griechischen (zu denen er nur Kasus und Numerus, nicht das Genus zählt) darin, daß das Genus fürs Substantiv keine dimensionale Kategorie ist (jedes Substantiv hat ein Genus, aber anders als bei Kasus und Numerus und anders als das Adjektiv vermag es nicht alle drei Genus – m, f, n – zu durchlaufen)? Aber eignet nicht dem Genus gleichwohl eine quasidimensionale Struktur, die an der besonderen Funktion des Neutrum zu demonstrieren wäre: Ist nicht der Name des Substantiv ein Hinweis auf seine innere Neutralisierung, die an der Trennung des Nomens vom Objekt und der darin gründenden Transformation des Männlichen und Weiblichen in bloße Eigenschaften des Objekts sich erweist? Hier ist der Punkt, an dem Grammatik und Inertialsystem sich berühren (in der Depotenzierung des Namens, theologisch gesprochen: in der Entmächtigung des göttlichen Gebots). Liegt hier der Grund, weshalb im Deutschen die Logik der Kasus und die Zuordnung des grammatischen zum natürlichen Geschlecht willkürlich und zufällig erscheint (vgl. die entsprechenden Artikel in H. Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft)? Läßt der zugrundeliegende Sachverhalt sich aber nicht auch so verstehen, daß die Genus-Dimension das Substantiv nur von außen trifft, seine innere logische Struktur hingegen unberührt läßt? Welche Schlüsse lassen sich hieraus ableiten hinsichtlich der Beziehungen der grammatischen Dimensionen des Substantivs zu den Dimensionen des Raumes; oder in welcher logischen Beziehung steht das grammatische Substantiv zum räumlichen Ding? (Gibt es eine Beziehung des Taumelbechers, Kelch des göttlichen Zorns und des Unzuchtbechers zu Kasus, Numerus und Genus?)
Wer sagt, Gott sei ein Substantiv, leugnet Gott.
Spekulation und Reflexion sind beide optische Kategorien; sie reflektieren den Vorrang des Sehens vor dem Hören in der Geschichte der europäischen Aufklärung. Bezieht sich hierauf der Satz „Da gingen ihnen die Augen auf“ sowie auch sein Kontext (Vertreibung aus dem Paradies und Ursprung der Scham, die Fähigkeit, sich in den Augen der anderen wahrzunehmen); bezeichnet auch die Paradies- und Sündenfall-Geschichte einen sprachgeschichtlichen (und sprachlogischen) Vorgang? Ist nicht die Fähigkeit, sich in den Augen der anderen wahrzunehmen, der logische Kern der grammatisch entfalteten Sprache, auf den auch die Mathematik, die zugleich von dieser Fähigkeit abstrahiert (ihren eigenen Grund „leugnet“), zurückweist. Mathematik und Scham: Die Mathematik hat den Blick des andern ins eigene Innere mit aufgenommen; so glaubt sie, ihm zu entkommen, während sie gerade dadurch unentrinnbar in ihn sich verstrickt. Die Mathematik (und die Physik als Emanation der Mathematik) ist Ausdruck der Logik dieser Verstrickung (oder das irre Herumlaufen im Käfig der verstummten Sprache). Der gleiche Vorgang drückt im Ursprung der Schrift und in der Logik der Schrift sich aus: Mit der Schrift sind dem Menschen „die Augen aufgegangen“.
Ist nicht der Unzuchtsbecher, dessen einzelne Momente schon bei Ezechiel auftreten, der Hinweis darauf, daß das Keuschheitsgebot ein politisches Gebot ist, das dann durch die Logik des Weltbegriffs privatisiert worden ist? Die (reale und die Sprach-) Geschichte dieser Privatisierung wäre zu demonstrieren anhand der kirchlichen Geschichte von der Pornokratie zur Pornographie, die die Geschichte einer Befreiung und einer Verstrickung zugleich war. Im Kontext dieser Geschichte müßte der gesamte Problembereich von der Pseudepigraphie über die Fälschungen im Mittelalter, von der Reorganisation der Kirche durch Zölibat, Ohrenbeichte, Inquisition bis hin zum steinernen Herzen der Welt, zu dem die Kirche heute geworden ist, sich durchsichtig machen lassen.
Definition des Katholizismus: Verweltlichung durch Sakralisierung.
Wenn einer einen auf Praxis abzielenden humanen Impuls in die Philosophie gebracht hat, dann war es Max Horkheimer, und das ist einer der Gründe, weshalb er am Ende kein „Werk“ mehr geschrieben hat.
Die Geschichte der drei Leugnungen beschreibt genau die Entfaltung der inneren Beziehungen der Theologie zur Logik der Schrift. Diese Geschichte gehört zur Geschichte der „Erfüllung der Schrift“.
Mit der Vergesellschaftung von Herrschaft ist das hierarchische Moment im Begriff der Herrschaft nur verdrängt, nicht aufgehoben worden: Jeder will oben sein. Diese Logik liegt der gesamten Geschichte des Sports seit den Wettkämpfen in Olympia zugrunde.
Im Hebräischen gibt es keine Steigerung der Adjektive; die Steigerungsformen der Adjektive sind zusammen mit dem Ursprung des Neutrum entstanden. Die Steigerung der Adjektive gründet in einer Form des Vergleichs, für die es im Hebräischen noch keine Grundlage gab, die erst im Kontext der Bildung des Neutrum (oder mit der Bildung des Neutrum als Preis) möglich war.
Das „gut“ und „sehr gut“ (gut gar sehr) im biblischen Schöpfungsbericht ist keine Vorstufe dieser Steigerungsform, sondern eine Entsprechung der Beziehung von Imperfekt und Perfekt: „Gut gar sehr“ ist das Vollendete (und gar sehr ist der Tod; aber stark wie der Tod ist die Liebe). Die Steigerungsformen im Griechischen sind das Produkt der Neutralisierung der Beziehung von Unvollendetem und Vollendung. Sie gehorchen der gleichen Logik, der die Verwandlung der Barmherzigkeit in Hysterie sich verdankt. Die Steigerungsformen in den indoeuropäischen Sprachen sind Folgen einer Logik, die das Unvergleichliche vergleichbar, das Ungleichnamige gleichnamig macht. (Ähnlich macht die Logik des Geldes das Unvergleichliche vergleichbar, während sie über den eingebauten Gewinnmechanismus, das Konkurrenzprinzip, das Handeln dem Rekordtrieb unterwirft.)
Die Steigerungsformen sind der sprachliche Reflex des Konkurrenzverhältnisses, in dem die Hierarchie in der Gesellschaft gründet. (Es stimmt nicht, daß Rix in seiner Historichen Grammatik des Griechischen nichts über den Ursprung des Neutrum sagt; sein Werk handelt von nichts anderem.)
Hat nicht auch der Zusammenhang der nicht-vegetarischen Lebensweise mit hierarchischen Strukturen in der Gesellschaften seinen sprachlichen Grund in der gleichen Konstellation, der die Steigerungen des Adjektivs sich verdanken? Wäre nicht in dieser Konstellation die Logik dieses Zusammenhangs zu bestimmen? Und gründet nicht in dieser Logik das opfertheologische Mißverständnis der Eucharistie (das dann zum begriffsgeschichtlichen Grund des modernen Dingsbegriffs geworden ist)?
Im Christentum ist das Stier- und Rindopfer abgeschafft worden, während die Auslösung der Erstgeburt des Esels durch das Lamm zum Kern der Theologie geworden (ähnlich wie die Auslösung des Erstgeborenen der Armen durch die Taube, die dann jedoch schon früh verdrängt worden ist).
Hat die Tradition der Eucharistie etwas mit den mysterienkultischen Ursprüngen der Mysterientheologie zu tun, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß die Mysterienkulte hauptsächlich im Militär üblich und gebräuchlich waren?
Das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande: Bezieht sich das Meer auf die Vergangeheit, die uns beherrscht, und das Land auf die Vergangenheit, auf der wir stehen?
Gibt es zu gesinnt und gesonnen noch andere vergleichbare Bildungen (wie verwirrt und verworren)?
Mystik
-
15.3.1995
-
5.3.1995
Keine Wand ohne Rückseite, oder: Bemerkung zur Bekenntnislogik (zu Jer 3134 und Kafkas Erzählung „Vor dem Gesetz“): Hat nicht jeder nur seinen eigenen Zugang zum Gesetz (zur Gotteserkenntnis)? Wer glaubt, einen allgemeinen Zugang gefunden zu haben und ihn allen anderen vorschreiben will, steht nicht nur selbst vor einer verschlossenen Tür, sondern versperrt sie auch für andere.
Von der Pflicht zur Gotteserkenntnis kann sich niemand freisprechen. Aber wer nach Gotteserkenntnis strebt, hat es auch mit der Wand zu tun, die die andern vorm Gesetz aufrichten, mit der sie allen den Zugang versperren. Unterscheidet sich nicht die philosophische von der mystischen Schöpfungslehre dadurch, daß, während diese mit dem vierten Tag endet, jene mit dem fünften beginnt? Die Welt, die Gott aus dem Nichts erschaffen hat, ist das große Seeungeheuer, das Tier aus dem Wasser (das Korrelat des hegelschen Absoluten). Und die Kirche in der Welt: das ist der Bauch des großen Fisches, der Jonas verschlungen hat. Die Gottesfurcht, die der Anfang der Weisheit ist, ist das Ende der Dummheit, die aus der Herrenfurcht stammt.
Der Rechtfertigungszwang, unter dem heute alle stehen, ist der Schatten von Auschwitz. Die Frage „Warum Auschwitz?“ setzt den historisierenden Blick voraus. Wichtiger wäre, den Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, und der in diesem historisierenden Blick sich reproduziert, zu durchdringen. Der Schatten, den Auschwitz auf uns wirft, ist die Reflexion des Schattens, den das Subjekt in der Idee des Absoluten auf Gott wirft. Gehört nicht die Geschichte der Fälschungen zu den Ursprüngen (zur Selbstbegründung) und das kontrafaktische Urteil zum Ende (zur Selbstwiderlegung) des historisierenden Blicks, der objektivierenden Geschichtsschreibung (der Verdrängung des Bewußtseins, daß die Toten unsere Richter sein werden)? Steht das kontrafaktische Urteil in der Logik der Geschichtsschreibung an der Stelle, an der das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit – oder das der Identität von träger und schwerer Masse? – in der Logik der Naturwissenschaften steht? Sind die Geschichtsfälschungen säkularisierte Formen der Mystik (vgl. die Apokryphen, den Pseudodionysius und den Sohar)?
Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; dadurch unterscheidet sie sich vom Begriff des Überzeitlichen, der unterm Primat der Vergangenheit steht. Die Idee des Ewigen hält die Vergangenheit offen, der Begriff des Überzeitlichen verschließt die Zukunft. Der Unterschied läßt sich sinnfällig machen am Verhältnis zur Prophetie: Im Licht des Ewigen ist die Prophetie nicht vergangen, sondern immer gegenwärtig: das Wort, das Gott durch die Propheten spricht und das auf seine Erfüllung (daß wir es hören und tun) wartet, während der Begriff des Überzeitlichen (der auf andere Inhalte, auf einen anderen Wahrheitsbegriff sich bezieht) an die Vorstellung anknüpft, daß die Prophetie in der Menschwerdung des Gottessohns sich erfüllt hat und daß sie für uns vergangen ist (als Unheilsprophetie nur noch auf die Juden sich bezieht, so als bestünde die Erlösung darin, daß Jesus uns gegen den Fluch des Gesetzes gleichsam abschirmt).
So konnte der Eindruck entstehen, daß die Prophetie als vergangene ohne Rest der historischen Forschung freigegeben sei, bis hin zum bibelwissenschaftlichen Mißbrauch des Gottesnamens, der zu einem unter vielen toten Götternamen geworden ist, die mit den Völkern, an die sie erinnern, der Vergangenheit angehören. So ist auch Israel am Ende zu einem toten Volk geworden, das noch nicht gemerkt hat, daß es sich selbst überlebt hat (und Hitler hat nur versucht, dieses „Urteil der Geschichte“ an den Juden vollstrecken). In diesen Zusammenhang gehört es, wenn in christlichen Texten der Name Israel von der Kirche usurpiert wird, während die Israeliten (wie für den Pharao und die Philister) für christliche Autoren wieder zu Hebräern geworden ist. Äquivalenzen: – Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht:
– Stoß: vorn und hinten (Zerstörung des Angesichts),
– Gravitation: oben und unten (Aufhebung der Unterscheidung von Herrschaft und Religion, Zerstörung der Sprache, ihrer dialogischen Struktur durch die Schrift, Zerstörung des Namens),
– Lichtgeschwindigkeit: rechts und links (Trennung des richtenden Prinzips von der Barmherzigkeit, Ursprung des Feuers).
– Inertialsystem als Produkt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit: Zerstörung des Lichts, des Namens, der Barmherzigkeit, insgesamt der sinnlichen Welt; Konstruktion des Totenreichs (Schattenreich, Scheol).
– Naturwissenschaft als Instrument der Legitimation des Bestehenden (Naturwissenschaft und Kapitalismuskritik).
– Das Gravitationsgesetz und die Vergesellschaftung von Herrschaft,
– die Elektrodynamik und der Zivilisationsbruch (Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).
Der Name des Himmels:
– schamajim, Wasser und Feuer (Was und Wer), – die Feste (die Einheit des Was und Wer) und die Trennung der Wasser (oberhalb und unterhalb),
– Tierkreis und Planetensystem,
– Spiegelung des Himmels im Inertialsystem: die Todesgrenze im Namen des Himmels,
– Himmel als Buch, das Buch des Lebens (die nicht vergangene Vergangenheit), Jüngstes Gericht, „Weltuntergang“ als Entmächtigung des Begriffs und Befreiung der Namen (der verdrängten vergangenen Zukunft).
– Der neue Himmel und die neue Erde, die Auferstehung der Toten. Die Welt als System von Instrumentalisierungen (Selbsterhaltung im Kern des Weltbegriffs): Welt und Tier. Differenzierung im Begriff der Instrumentalisierung: Das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande. -
27.2.1995
Die Vision des Ezechiel hängt zweifellos nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell mit der Situation in der babylonischen Gefangenschaft zusammen, mit einer bestimmten Phase in der Geschichte der Prophetie. Mit dieser Vision gründet (und entspringt) auch die Apokalypse in der durch Babylon bezeichneten neuen Geschichtssituation, im Zeitalter der Weltreiche als Teil der Ursprungsgeschichte des Staats (und der Astronomie).
Die Sünde der Welt auf sich nehmen, heißt: den Staat und die Welt reflexionsfähig halten.
Das Inertialsystem ist die Materie, aus der das kreisende Flammenschwert geschmiedet ist. Es ist Produkt der Neutralisierung des Feuers, des Namens und des Angesichts.
Haben die „Gleichnisse“ Jesu mit dem „Bild und Gleichnis Gottes“ in der Schöpfungsgeschichte zu tun?
Sind nicht die Armut am brennenden Dornbusch (Ziehe deine Schuhe aus, …), der Gehorsam (das Hören) am Sinai und nur das Keuschheitsgebot apokalyptisch: in der Hure Babylon vorbezeichnet?
Haben Armut, Gehorsam und Keuschheit etwas mit Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge zu tun? Und ist nicht Nachfolge die Wahrheit des Bekenntnisses (von dem es nur durch die Umkehr getrennt ist), und insofern das Neue, das als Antwort auf den Ursprung des Weltbegriffs mit dem Christentum in die Welt gekommen ist? Und hängen nicht die drei Gestalten des Kelches: Zornesbecher, Taumelbecher und Unzuchtsbecher hiermit zusammen? Wie das Keuschheitsgebot auf den Unzuchtsbecher, so bezieht sich das Armutsgebot auf den Kelch des göttlichen Zorns und der Gehorsam auf den Taumelbecher.
Die Stämme, Völker, Nationen und Sprachen, sind das nicht die vier Formen der kollektiven Vergangenheit, die uns beherrschen?
Auch die entzauberte Welt steht noch unter einem Bann, aber es gibt keinen Weg zurück. Zu ergänzen ist: Mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist auch das Nach-vorne-Denken zur Regression geworden. Deshalb erinnert Hegels Idee des Absoluten an den Swinegel, an das „Ich bün all do“.
In Rosenzweigs „deus fortior me“ ist das me sehr wörtlich zu nehmen: als Ich, mit Vor- und Zuname.
Das Christentum hat aus Angst vor dem Feuer den Namen und das Angesicht geleugnet, sie durch den Begriff und die Person ersetzt. Wenn die Person zum Träger des Namens geworden ist, so ist darin das Vergessen des Namens schon mit eingebaut.
Das mystische Nu ist die Erinnerungspur des Zeitkerns der Wahrheit, des Mediums der Prophetie. Im kirchlichen Gebet erinnert nur noch das per saecula saeculorum an diesen Zeitkern der Wahrheit.
Aus dem Gefängnis der apologetischen Selbstbezogenheit und des theologischen Autismus ausbrechen (nach Rosenzweig hat Gott nicht die Religion, sondern die Welt erschaffen): Das geht nur unter dem Signum des Parakleten, des verteidigenden Denkens.
Im letzten Wahlkampf wurde man insbesondere aus Kreisen der christlichen Partei mit dem unverschämten Ansinnen behelligt, daß man von einer bestimmten Einkommenshöhe an eigentlich nur noch diese „christliche“ Partei wählen dürfe. Dieser Appell ans unmittelbare Eigeninteresse (an die Solidarität des Klassenkampfs von oben), der im übrigen im deutschen Recht seine Stütze findet, ist er nicht die reale Verführung zur Sünde wider den heiligen Geist: Das verteidigende Denken wird als Verrat an den Zielen dieser Partei erfahren?
Droht nicht die Apologetik zum Greuel am heiligen Ort zu werden? Unterm Rechtfertigungszwang wird das Verteidigen vom Objekt aufs Subjekt (und auf die Gemeinschaft, durch die das Subjekt sich definiert) umgelenkt.
No pity for the poor: So heißt ein Kapitel in Adornos Untersuchung über die autoritäre Persönlichkeit. Gewinnt dieser Satz im Zeitalter der Schuldenkrise in der Dritten Welt nicht kosmischen Dimensionen?
Die mathematischen Naturwissenschaften sind die Erben des Dogmas geworden. Ihre legitimatorische Funktion für das Bestehende hat ihre Wurzeln im Dogmatisierungsprozeß, mit dem die Säkularisation in der Theologie begonnen hat (mit der opfertheologischen Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes). Steht nicht dagegen das Wort: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon?
Wie hängt die Kritik der Naturwissenschaften, der politischen Ökonomie und der Bekenntnislogik mit den drei evangelischen Räten zusammen? Ist nicht die Abstraktionsgeschichte, der die Raumvorstellung sich verdankt, die Wurzel von allem; die Raumvorstellung als Verletzung des von Jesaia übermittelten Gebots zu Rind und Esel?
Schwachsinnige Frage, ob die Tiere in den Himmel kommen (so der Titel einer Sendung im Fernsehen gestern): Sie sind schon im Tierkreis und in den Sternbildern am Himmel.
Kann es sein, daß die Arche, mit der auch die Tiere vor der Sintflut gerettet wurden, etwas mit dem Tierkreis zu tun hat? Ist die Arche Noahs der symbolische Inbegriff der „Häuser“ des Tierkreises?
Welche Sternzeichennamen gibt es, und welche Tiere sind darunter enthalten (Stier und Widder, die Schlange, die Fische, der Löwe, der große und der kleine Bär)? Gibt es nicht eine Beziehung zwischen den Heroen des Mythos (die an den Sternenhimmel versetzt wurden) und den Tieren der Sternzeichen? Hat das heroische Zeitalter nicht etwas mit dem apokalyptischen (und geschichtsphilosophischen) Tierbegriff zu tun? „Das steinerne Herz des Unendlichen erweichen“: Bezieht sich darauf nicht das Wort vom Lösen (vom Orion über den gordischen Knoten bis zum Wort an Petrus und die Kirche)?
Ist das Verhältnis des Autors zum Leser, dieses asymmetrische Verhältnis von Nähe und Fremdheit (ein Strukturelement der Logik der Schrift), nicht ein realsymbolischer Hinweis auf die Astronomie? -
21.2.1995
Das Elend der Kommunikationstheorie (und der Linguistik) ist ihre Unfähigkeit, die erkennende und benennende Kraft der Sprache zu reflektieren. Das Nomen ist zum Substantiv geworden, und die Kommunikationstheorie zur Rache des Begriffs an der Sprache. Aber ist das nicht die logische Konsequenz daraus, daß in beiden die sprachlogische Struktur und Funktion der Grammatik vergessen wurde? Beide sind durchs Neutrum geblendet. Man könnte auch sagen: Die Kommunikationstheorie steht unter dem Bann der (Mono-)Logik der Schrift: Sie verwechselt die Welt im Kopf des Theoretikers mit der Welt.
Auschwitz ist ebenso unvergleichbar wie in der Sprache der Name unvergleichbar ist. Das schließt nicht aus, daß es andere Namen und daß es Metastasen von Auschwitz gibt.
Dem Ausdruck „gequälte Natur“, mit dem Habermas das Adornosche „Eingedenken der Natur im Subjekt“ glaubte berichtigen zu müssen, ist die Neutralisierung der Natur im Habermasschen Philosophiekonzept vorausgegangen.
Und sie erkannten, daß sie nackt waren: Wodurch unterscheidet sich der Rock aus Fellen von den Feigenblättern? Ist das Feigenblatt nicht der Anfang der verandernden Kraft, aus der der Weltbegriff erwachsen ist?
Die phonetische Aufschlüsselung der Buchstabenschrift im Hebräischen scheint auf die griechische und lateinische und auf die nachfolgenden europäischen Sprachen nicht anwendbar zu sein. Kann es sein, daß es prophylaktische Gründe sind, die die Anwendung verhindern, weil die Ergebnisse erschreckend wären? Hat das Neutrum die Sprache ihrem phonetischen Ursprung entfremdet hat? Und hat die Spiegelung am Neutrum auch die Etymologie tangiert und verfremdet? Die Logik der Schrift hat ihre verandernde, neutralisierende Kraft bis in diese Sprachschicht entfaltet (mit dem Ich als Statthalter des Neutrum im Subjekt)?
Sind die Differenzen zwischen den verschiedenen Gestalten der Mystik in den drei „Welt“-Religionen (Kabbala, christliche Mystik, Sufismus) sprachgeschichtlicher Natur? Das hic et nunc (grammatisch das Präsens) ist der (dem Neutrum und dem Ich korrespondierende) Reflexions- und Spiegelungspunkt, an dem Prophetie und Philosophie sowohl sich scheiden als auch auf einander sich beziehen. Diese Scheidung vollendet sich in den „subjektiven Formen der Anschauung“, den Reflexionsformen und Stabilisatoren des „intentionalen Akts“, der umkehrlosen Erkenntnis (des Wissens).
Die indoeuropäischen Sprachen haben das hic et nunc zum überzeitlichen Präsens gemacht.
Wie hängt die mittelalterliche Eucharistie-Verehrung (und die „Monstranz“) mit dem Stellenwert und der Konstruktion der bestimmten Artikel im Deutschen, mit der Verknüpfung des vom Nomen abgelösten Demonstrativum mit den Formen der Deklination, zusammen? Ist nicht in der Konstruktion des bestimmten Artikels im Deutschen, in dem „der da“, die Selektion, die Hybris der Säkularisation des Jüngsten Gerichts (des Hegelschen „Weltgerichts“) in Auschwitz, vorgebildet?
Der Faschismus war eine Knechtsrevolte: der Aufstand Kanaans.
Schuldgefühle nach Auschwitz hatten die Überlebenden aus dem Volk der Opfer, nicht die Täter; zur Infamie dieses Ereignisses gehörte es, daß es den Tätern und ihren Angehörigen die Möglichkeit offenhielt, durch Flucht in die Rolle des Zuschauers sich vor sich selbst freizusprechen, in die Opfern aber den Stachel des Bewußtseins einpflanzte, Komplizen des Verbrechens geworden zu sein.
Die Gottesfurcht ist die Furcht vor einem Gericht, in dem die Opfer unseres Handelns und unserer Versäumnisse gegen uns als Richter sich erweisen werden. So hängt die Gottesfurcht mit der Idee des Jüngsten Gerichts zusammen.
Mein Joch ist sanft und meine Last leicht: Würde auch nur einer noch diesem Satz glauben, würde er die ganze Theologie verändern.
Zum Problem des Gebets (zur Theologie als Gebet) vgl. Mk 1125.
Läßt sich das Problem der Dialektik an dem Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ demonstrieren? Dieser Satz ist nicht objektivierbar, er läßt sich nicht verallgemeinern. Nur das Opfer kann ihn sprechen; kein Täter darf ihn von seinem Opfer fordern. Was im Munde des Opfers das Humanste wäre, wird im Mund des Täters zur Waffe, die ihn ein zweites Mal erschlägt. Darauf bezieht sich das Prophetenwort vom Rind und Esel. Gründet nicht der Bann, der auf der christlichen Theologie lastet, darin, daß sie Last und Joch identifiziert?
Das Lamm, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, ist das Lamm, das für die Auslösung der Erstgeburt des Esels eintritt.
Das göttliche Gebot ist eine (befreiende) Last für mich, kein (verknechtendes) Joch für andere. Dazu wird es im Kontext des Urteils, dessen Kritik in dieser Konstellation gründet.
Hängt nicht die Urteilsform mit der Ursprungsgeschichte der indoeuropäischen Sprachen, mit dem Ursprung des Neutrum, der Struktur des Wissens, der Philosophie und des Natur- und Weltbegriffs, zusammen? Die Urteilsform. die über die subjektiven Formen der Anschauung (und in Wechselwirkung damit über die Geldwirtschaft und die Bekenntnislogik) in der Objektivität sich verankert, macht das befreiende Gebot zum verknechtenden Gesetz.
Die Bekenntnislogik, die die Neutralisierung der erkennenden Kraft der Sprache, ihre kommunikationstheoretische Denaturierung, voraussetzt, ist die geschichtliche Gestalt der dritten Leugnung. -
17.2.1995
Am zweiten Tag schuf Gott nur die „Feste“, die erst am vierten Tag die „Feste des Himmels“ heißt. Die Feste war das Instrument der Scheidung der oberen von den unteren Wassern, die Feste des Himmels die Folie, an die die Leuchten des Himmels geheftet wurden.
Sind nicht die Wasser die Wasser der Vergangenheit, das Feuer und die Leuchten des Himmels Verkörperungen der vergangenen Zukunft?
Nach der Kabbala hat auch die Hand ein Gesicht und einen Rücken. Wie verhalten sich dazu die Hufe, Pfoten und Klauen der Tiere, und in welchem Verhältnis stehen diese zu den Zeichen des Tieres an der Stirn und an der rechten Hand?
Ist nicht der Zusammenhang, in dem der Begriff der Wollust in der Kabbala erscheint, ein Hinweis auf ihre Verstrickung in den Weltbegriff, auf die Unfähigkeit, den Weltbegriff zu reflektieren, zu durchdringen und zu begreifen? Die Reflexion des Weltbegriffs ist erst in der Spannung von realgeschichtlichem und symbolischem Zusammenhang möglich (und notwendig).
Die Welt oder das subjektlose Subjekt des Weltgerichts.
Muß nicht die Kirche heute an die Aufforderung „Wachet und betet“ erinnert werden? Und wird nicht die Nacht des gegenwärtigen Weltzustands nur noch durch die Apokalypse erhellt? (Ist von der Feste des Himmels heute nur noch die Feste geblieben; und ist das Werk dieser Feste wieder einmal die Scheidung der oberen von den unteren Wassern?)
Das Vergangene ist nicht nur vergangen: Dieser Satz gilt insbesondere für die Prophetie, aber auch im Hinblick auf realsymbolisch-historische Ereignisse wie Sintflut und Turmbau zu Babel.
Wird nicht der Begriff der Wörtlichkeit heute anstatt durch die Sprache durchs Inertialsystem definiert (und so „fundamentalisiert“)? Das „Nichts“, aus dem die Welt erschaffen wurde. ist ein konkretes Nichts: das Inertialsystem (oder allgemein: das Überzeitliche). Die dem Inertialsystem (und der Historisierung der Geschichte) zugrunde liegende Vorstellung des Zeitkontinuums neutralisiert die Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft und löscht die Zukunft. Grund dieser Neutralisierung ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
Sind nicht die apagogischen Beweise, die in die Antinomien der reinen Vernunft hineinführen, Widerlegungen des Moments der Subjektivität in den subjektiven Formen der Anschauung?
Die Diskussion um den Standort Deutschland beweist insbesondere, daß es national-ökonomisch lösbare Wirtschafts-Probleme nicht mehr gibt.
Hängt jubilare mit dem hebräischen Jobel zusammen?
Daß das „Buch der Schöpfung“ (aus dem Sohar) nur bis zum vierten Schöpfungstag reicht, hängt mit der Verstrickung jeder Mystik in den Weltbegriff zusammen und mit der Unfähigkkeit, dessen politisch-ökonomischen Grund zu reflektieren. Die Binde auf den Augen der Synagoge in den Darstellungen in mittelalterlichen Kirchen ist Ausdruck sowohl dieses Sachverhalts als auch der projektiven Struktur der christlichen Symbolik. Das Rätsel des fünften und sechsten Tages gehört zu den bis heute unerfüllten Aufgaben des Christentums (die deutschen Chassidim waren einmal nahe an der Lösung dieses Rätsels: sh. das Dornen und Disteln-Symbol und die Rezeption des Armutsgebots). Der Confessor und die Virgo sind Verkörperungen dieses Rätsels.
Der Weltbegriff neutralisiert die Generationsbeziehungen (und macht das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, unerfüllbar). Er macht den Generationenkonflikt unlösbar. Der Weltbegriff ist totemistisch; er wird gesprengt durch Namen den Menschensohn, der auf den Wolken des Himmels kommen wird.
Zu Ezechiel: Wie hängt die Merkaba-Vision mit dem Titel Menschensohn zusammen?
Das Inertialsystem ist ein Produkt aus Hochmut und Niedertracht; es ist der Hochmut, der nicht vor dem Fall kommt, sondern mit dem Fall eins geworden ist.
An der Struktur des Inertialsystems läßt sich das Verhältnis von Gesetz, Begriff und Erscheinung demonstrieren, das nicht nur die Natur, sondern auch die Gesellschaft beherrscht. Nur so konnte die naturwissenschaftliche Aufklärung zu einem Instrument der Legitimierung des Bestehenden werden.
Ökonomie und Physik sind die Instrumente der Verweltlichung der Welt. Die Bekenntnislogik ist der Grund der Abspaltung der Religion von der verweltlichten Welt und damit das Instrument der Verweltlichung der Religion. -
4.2.1995
Gethsemane: Die Rechtfertigungslogik und die Verdrängung des Todes machen den Kelch zum Kelch: sie gehören zu den Konstituentien der subjektiven Formen der Anschauung. Der Tod begründet die subjektiven Formen der Anschauung, die die Vergangenheit abschließen; so schließt er den Kelch, macht ihn „inhalts“-fähig. Deshalb gehört die Reflexion des Todes (bis hin zu seinen objektiven Manifestationen und Verzweigungen in den Formen der begrifflichen, der „intentionalen“ Erkenntnis) zu den Bedingungen der Rekonstituierung des Angesichts. Theologie im Angesicht Gottes hat Gethsemane als Ausgangspunkt. Rabbi Akiba, „von dem der Talmud sagt, daß er das Paradies der mystischen Spekulation heil betrat und heil verließ“ (Scholem, Hauptströmungen, S. 20), bezeugt damit die Todesgrenze, die nach biblischer Tradition überschreitet, wer Gott von Angesicht zu Angesicht sieht. Darauf bezieht sich der Satz: Stark wie der Tod ist die Liebe, der Rosenzweig zufolge die Offenbarung begründet. Deshalb gibt es (vgl. Büchners „Lenz“) keine Theologie ohne Kritik der Naturwissenschaften. Die Versuche, Theologie und Naturwissenschaft zu harmonisieren, zerstören beide.
Heute sind die Naturwissenchaften zum Opfer ihrer eigenen Prämissen geworden.
Die Verdrängung des Todes, seine Objektivierung und Instrumentalisierung, und die Logik projektiver Erkenntnis gehören zu den Grundlagen des Herrendenkens; deshalb gehören Magie und Mythos zur Geschichte der Äufklärung.
Das altchristliche Symbolum war noch Mysterium, ein Sakrament. Erst als Confessio, als Bekenntnis ist es (als Korrelat der Verinnerlichung des Opfers) öffentlich geworden, wurde es vergegenständlicht und instrumentalisiert: der Logik der Schrift unterworfen. Als Bekenntnis wurde es zum Instrument der Verinnerlichung von Herrschaft.
Kennt Hegel den Begriff der Hysterie? Im Register der Suhrkampschen Werkausgabe kommt der Begriff nicht vor.
In den „Hauptströmungen der jüdischen Mystik“ verweist Scholem auf den männlichen Charakter der jüdischen Mystik, die „von Männern für Männer gemacht ist“ (S. 40). Er bemerkt dazu u.a., daß so einerseits die jüdische Mystik „von der gefährlichen Neigung zu hysterischen Extravaganzen verhältnismäßig frei geblieben“ sei, während auf der andern Seite der „Verzicht auf das Weibliche teuer bezahlt“ worden sei, nämlich „mit einer besonders stark hervortretenden Dämonisierung gerade des weiblichen Elements im Kosmos“ (ebd.). Im kabbalistischen Symbolismus bedeutet „das Weibliche nicht, wie man erwarten möchte, das Zarte …, sondern das Strenge und Richtende“ (S. 41). Läßt sich hieraus nicht der Stellenwert und die Grenze der Kabbala (ihre Beziehung zur Geschichte des Weltbegriffs und zur Herrschaftsgeschichte) herleiten? -
9.5.1994
Es ist das Anschauen, das das Angesicht verdrängt und es durch Vorstellungen ersetzt. Das Anschauen als die reine Abstraktion vom Blick des andern, vom Gesehenwerden (der Ursache der Scham), ist zugleich die vollständige Identifikation mit dem Blick der anderen; darin gründen die Formen der Anschauung, die das Anschauen endgültig taktlos und voyeuristisch machen: zum Anblick der Blöße, die die Selbstverdammung zur Knechtschaft nach sich zieht. Die Idee einer „Anschauung Gottes“ ist die Kurzform der Theologie hinter dem Rücken Gottes, Grund der Idee des Absoluten, der Logik des autistischen Gottes. Die Neutralisierung und Verdrängung der Asymmetrie zwischen mir und den andern (die Subsumtion des Ich unter das Alle) geht nur über die Identifikation mit dem Anderssein (den Ursprung des Weltbegriffs) und die Leugnung des Selbst. Die Selbstverleugnung ist keine theologische Kategorie. Die Funktion und Bedeutung des Begriffs des Falls („die Welt ist alles, was der Fall ist“) läßt sich an dem ärztlichen „Wir“, das dem Patienten die Ehre des Subjektseins verweigert, das Ich des Patienten auslöscht („wie geht es uns denn heute“), ablesen. Emanationen der subjektiven Formen der Anschauung sind das Geld und die Bekenntnislogik. Die Bekenntnislogik (die Logik der „Weltanschauungen“) ist gleichsam die Innenseite der transzendentalen Logik: der entfaltete logische Sinn der Formen der Anschauung (die Logik des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, als welche die Form des Raumes wie auch die Zeit am Ende sich enthüllt). Ist das Verhältnis des Geldes zu den Waren das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften: das Geld das wahre hypokeimenon, oder auch die Wasser, die den Meeresboden bedecken? Die Idee der Seligkeit wird durch die Unsterblichkeitslehre nur abgelenkt und verwirrt, nicht erfüllt. Ist der grasfressende Behemoth (der Erstling der göttlichen Schöpfung) ein Monster (Hiob nachlesen)? Haben nicht die Kirchen den Teufel mit dem Satan ausgetrieben (war das die Verführung, der sie erlegen sind)? Und haben die Kirchen etwas mit dem Widersacher im Buch Hiob zu tun? Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres in der Apokalypse etwas mit den Planeten (mit der Astrologie) zu tun? Aber was bedeuten dann die zehn Hörner (und die sieben/ zehn Diademe des Drachen/ des Tieres)? Ist das archaische Lächeln (und das Lächeln der Seligen in Bamberg) ein Lächeln im Angesicht der Katastrophe; hat es nicht etwas mit dem Lächeln der Auguren zu tun? Und ist die Isaak-Geschichte die Ursprungsgeschichte dieses Lächelns? Die meisten Faschismus-Theorien tragen die Züge der Abwehr; deshalb erreichen sie ihren Gegenstand nicht. Gibt es überhaupt eine Chance, die Erfahrung, aus der der Faschismus erstanden ist, an sich herankommen zu lassen? Aber gründet darin nicht die Gefahr einer Transformation des Faschismus, der mit Sicherheit nicht in der gleichen Gestalt wiederkommen wird, in der er einmal da gewesen ist. Kontrafaktische Urteile haben eine Ähnlichkeit mit der Frage, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Sie lenken ab von den realen Problemen dieser Geschichte (dieses Planeten). Sie sind ein Element ideologischer Geschichtsschreibung; eine ihrer Brutstätten war der Marxismus, eine andere die nationalistische Geschichtsschreibung. Liegen nicht Auschwitz, aber auch die „Auschwitzlüge“ und die Friedhofschändungen von heute in der Konsequenz kontrafaktischer Urteile, sind sie nicht zu verstehen als der Versuch, die Geschichte zu korrigieren, ein einmal Versäumtes nachträglich doch noch in die Tat umzusetzen? Gehört nicht zum Schuldverschubsystem (dem Relativitätsprinzip wissenschaftlicher Erkenntnis) die Exkulpations- und Verteufelungslogik? Theologie im Angesicht Gottes ist der Versuch, in die Theologie die Idee der Auferstehung und das Bewußtsein des Jüngsten Gerichts mit hereinzunehmen. Die, die da sagen, daß die Deutschen nicht ewig im Büßerhemd herumlaufen können, wissen nicht, wovon sie reden: Was sie das Büßerhemd nennen, ist das weiße Kleid der Umkehr. Was sind das eigentlich für Christen, die das Wort Buße nur noch mit einem pejorativen Klang hören und aussprechen können (wie bei der „Büßerin“ Maria Magdalena, von der man sich nur noch hat vorstellen können, sie müsse es aber schlimm getrieben haben)? Ist der Menschensohn (der bar enasch) der Sohn des Enosch, in dessen Lebenszeit man anfing, den Namen des Herrn anzurufen? Mit der Sprengung des All hat Rosenzweig die Form des Raumes gesprengt, die drei „Freiheitsgrade“ des Raumes aus ihrer orthogonalen Verklammerung (aus ihrer Beziehung zum All, zum totalisierenden Weltbegriff) gelöst und als Freiheitsgrade in einen neuen Zusammenhang gerückt, in dem sie als Umkehr, als Name und am Ende als Angesicht sich enthüllen? Problem des Schreibens: Das Ganze ist durchsichtig und klar, aber immer, wenn ich es niederschreiben will, wird es chaotisch und undurchsichtig. Kann es sein, daß das Schreiben die Sache der gleichen Logik unterwirft, deren Destruktion die Voraussetzung dafür ist, daß sie klar und durchsichtig wird? Dann wäre der Knoten gelöst, wenn es gelänge, die Logik des Schreibens mit in die Reflexion und Kritik einzubeziehen (dem Bücherschreiben ein Ende zu machen)? Wie hängt die Logik der Schrift mit der Logik der Welt zusammen? Ist die Logik der Schrift die Logik der Veranderung (das Äquivalent des Inertialsystems in der Sprache): der Objektbindung? Ist die Schrift die das finstere Geheimnis abschirmende Außenseite des Dings? (Liegt hier der Grund der Pseudepigraphie im apokalyptischen Schrifttum, in der mittelalterlichen Philosophie und Mystik und der geschichtswirksamen Fälschungen im Mittelalter, sowie nicht zuletzt die Lösung der Rätsel der Chronologie – der „Sumerer“ und Karls des Großen, aber auch der chronologischen Beziehungen zwischen der Abraham-, Moses-/Exodus-/Landnahme- und der Königsgeschichte Israels, der Zuordnung zu der Geschichte Chaldäas, Kanaans, Ägyptens, der Philister, Assurs und Babylons?)
-
3.3.1995
Ist nicht Gunnar Heinsohn Opfer seines eigenen historischen Objektivitätsbegriffs geworden? Seine These, daß Hitler die Judenvernichtung angeordnet habe, um mit den Juden die Erinnerung an das Tötungsverbot zu tilgen, ist von der Motivation her wahr; nur gilt diese Motivation für den Antisemitismus insgesamt, und Hitler unterscheidet sich von den Antisemiten sonst durch durch das Maß an Konsequenz, durch den pseudomessianischen Akt: Er legitimiert sich als Führer dadurch, daß er in vollem Bewußtsein der Konsequenzen die Verantwortung für diesen Antisemitismus übernimmt; er nimmt „die Sünde der Welt“ auf sich (er nimmt den Tätern die Schuld ab, in die er sie doch zugleich verstrickt). Es geht in der Tat nicht um die Juden; eine Erinnerung tilgt man nicht, indem man die Träger dieser Erinnerung vernichtet. Zur beabsichtigten Wirkung der „Endlösung“ gehört sowohl die Binnenwirkung der Komplizenschaft (der „Treue“: wer in diese Taten verstrickt ist, kommt davon nicht mehr los) als auch die Außenwirkung des Terrors („wat denn, icke mir uffhängen lassen, lieber gloob ick an’n Sieg“) mit dazu: die irrationale Kommunikation der Gewalt als Verdrängungshilfe, ohne die das Tötungsverbot nicht aufzuheben ist. Ohne den gesamtgesellschaftlichen Resonanzboden, der selber zu dechiffrieren wäre, allein durch den Rekurs auf die Absicht und den Willen Hitlers wäre diese Tat nicht möglich gewesen. Dieser „Resonanzboden“-Effekt hat am Ende des Krieges, als das Konstrukt in der Niederlage implodierte, den ungeheuren Rechtfertigungsdruck erzeugt, der die Nachkriegsgeschichte in Deutschland beherrscht (und alle Voraussetzungen des Wiederholungszwangs in sich birgt). Selbst der Erklärungsbedarf steht unter diesem Rechtfertigungszwang und müßte ihn in die Reflexion mit aufnehmen, wenn er wirklich zur Befreiung beitragen soll. Ich habe das Gefühl, daß die heinsohnsche Form der Verarbeitung des apokalyptischen Aspekts dieser Geschichte (Entschärfung der Apokalypse durch Neutralisierung, durch Reduktion auf die Erinnerung an eine längst vergangene Naturkatastrophe, als hätten wir nicht das Objekt für das Studium der Apokalypse in der jüngstvergangenen gesellschaftlichen Naturkatastrophe vor Augen).
Gunnar Heinsohn scheint alle bisherigen „Auschwitz-Theorien“ nur als Konkurrenz zum eigenen Konzept wahrzunehmen; und es gehört schon einiges dazu, allen bisherigen Reflexionen über Auschwitz (so u.a. den Studies in Prejudice, der Dialektik der Aufklärung, oder etwa dem Werk Hannah Arendts) bloß „Ratlosigkeit“ zu attestieren, um dann sein eigenes Werk als die gleichsam endgültige Lösung des Problems zu empfehlen. Wäre nicht eher von einer gemeinsamen Anstrengung zur Aufklärung des wahrhaft Unbegreiflichen ausgehen. Denn unbegreiflich bleibt diese Tat (wie auch die Welt, in der sie möglich war) für jeden, für den die Moral das sich von selbst Verstehende ist. Das Problem ist eher: Wie müßte die Welt aussehen, wenn man sie unter der Voraussetzung dieses Prinzips zu verstehen versucht; eine Welt, die dem Bann der Ontologie entronnen ist, und deren prima philosophia die Ethik wäre?
Durch seinen Beitrag zur Chronologie-Revision („Die Sumerer gab es nicht“), zur Ursprungsgeschichte des Geldes („Privateigentum, Patriarchat, Geldwirtschaft“), und jetzt zur Erforschung des Antisemitismus („Was ist Antisemitismus“ und „Warum Auschwitz“) hat Gunnar Heinsohn Wesentliches zur Selbstaufklärung der Gegenwart beigetragen. Kann es sein, daß es nur noch einer kleinen Korrektur seines Konzepts bedarf?
Zu Heinsohns Bemerkungen über den Totenkopf wäre an Benjamin zu erinnern, der im Totenkopf die Urallegorie erkannt hat. (Gibt es nicht Gesichter, in denen dieses leere Grinsen des Totenkopfs geronnen, als Charaktermaske eingezeichnet ist? Sind es nicht die „schneidigen“ Profile, die unter Offizieren verbreitet waren, und dann in der SS zum Züchtungsziel der nordischen Rasse geworden sind?)
Tucholskys Satz „Alle Soldaten sind Mörder“ ist zweifellos eine Übertreibung; aber gibt es nicht im Bereich des Soldatischen ein Magnetfeld, das seine Anziehungskräfte vor allem auf einen disziplinierten Mordtrieb ausübt, auf die, die zur Ausübung dieses Triebs die institutionelle Deckung (den „Befehl“) brauchen? Und ist es nicht gerade dieser disziplinierte Mordtrieb, der so empfindlich auf den Vorwurf in dem Satz Tucholskys reagiert?
Die Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung, die nicht zufällig mit der Astronomie beginnt (sowohl in der Antike, als auch in der modernen Welt), ist ein Teil des Gattungsprozesses der Menschheit.
Das Angesicht steht für die Fähigkeit, sich mit anderen zu identifizieren, für die Empathie und Barmherzigkeit, dafür daß niemand weiß, ob er selbst anders wäre als einer, den er zu verurteilen geneigt ist, wenn er ernsthaft in seine Situation sich hineinversetzt. So hängt das Angesicht mit Urteil zusammen: Es ist nicht nur die Tötungshemmung, die Emanuel Levinas in ihm erkennt, sondern vielmehr und vor allem eine Urteilshemmung, die zugleich deutlich macht, daß es eine Erkenntnis gibt, die den Rahmen des Urteils sprengt. Auf diesen Sachverhalt bezieht sich das Prophetenwort vom Rind und vom Esel: Diese Urteilshemmung macht die Unterscheidung von Last und Joch erfahrbar.
Die homousia ist das neutralisierte homologein, Produkt der Hellenisierung der Theologie, Anfang der Theologie hinter dem Rücken Gottes. Dieser Neutralisierung verdankt sich der Begriff des Bekenntnisses.
Gründet das Neutrum im Menschenopfer?
Waren nicht die Astrologie und die Alchimie gleichsam Häresien zu einer naturwissenschaftlichen Orthodoxie, die aus ihnen (durch symbolischen Elternmord) sich entwickelt hat? Wie alle Häresien sind sie nur verurteilt, verdrängt und verfolgt, nicht aber aufgearbeitet worden. Während die Astrologie gleichsam die politische Außenseite der Naturwissenschaft repräsentiert, repräsentiert die Alchimie ihre mystische Innenseite. Beide bezeichnen Knotenpunkte der Begriffsgeschichte von Schicksal und Scham.
Der Begriff der Kollektivscham hat den Rechtfertigungszwang, der im Kern der modernen Aufklärung enthalten ist, nur verstärkt, anstatt ihn zu reflektieren.
Der Objektbegriff ist der Pflug, vor den Rind und Esel gespannt sind.
Hodie, si vocem eius audieritis: Dieses Heute tritt ein, wenn der Bann der Natur gelöst ist (mit der Einung des Gottesnamens): Wenn aus den Blinden und Lahmen die, die tun und hören, geworden sind.
Definition der Kommunikationstheorie: Theorie der Signale, mit denen Isolationshäftlinge sich untereinander verständigen (oder auch, nur getrennt davon, ihre Wächter).
Dauer, Folge und Zugleichsein: Gründet nicht die Dauer in der Beziehung von Vorn und Hinten, die Folge in der von Rechts und Links und das Zugleichsein in dem von Oben und Unten (im Verhältnis der Fläche zu der zu ihr gehörenden Normalen)? Ist nicht die Orthogonalität zweier Geraden in einer Fläche zu unterscheiden von der Orthogonalität der Normalen zur Fläche? Kann es sein, daß diese beiden Formen der Orthogonalität sich zueinander verhalten wie die Orthodoxie des Symbolums zu dem der Konfession? -
11.08.93
Ist nicht die Bühne ein Inertialsystem, und das Schauspiel, die Oper ein ästhetisches Korrelat der Physik?
Opfer, Tragödie, Schauspiel: Ist das nicht ein Teil der Geschichte der Ausbildung der Raumvorstellung?
Hat die Salbung des Königs etwas mit der Einbalsamierung der Toten, insbesondere des Opfers, zu tun? Ist der König nicht das gerettete (das wieder auferstandene) Opfer, der Kaiser hingegen die Verkörperung des philosophischen Monotheismus (der Einheit der Welt)? Was bedeutet dann die Krone, hatten die israelischen Könige eine Krone (David: 1 Sam 1230, 1 Chr 202; Joasch: 2 Kön 1112, 2 Chr 2311)? Ist die Krone der Kranz des Siegers oder der Kranz des Siegers ein Abbild der Krone? Hat nicht (nach der Legende) Karl der Große sich selbst die Krone aufs Haupt gesetzt?
Natur und Welt werden durch den Einbruch der Subjektivität (genauer: der Intersubjektivität) getrennt.
Es fehlt eine Kritik der indogermanischen Sprachen.
Reicht nicht Rosenzweigs Bemerkung, daß das Äquivalent der modernen Technik in der alten Welt die Rhetorik gewesen sei, tiefer, als er selbst es gewußt hat: Sind nicht die sogenannten klassischen Sprachen des Altertums Ingenieursprodukte?
Was verändert sich in der Sprache mit und nach der Entdeckung der Schrift? Welche innersprachlichen Voraussetzungen müssen für die Entwicklung der Schrift gegeben sein, und welche Rückwirkungen hat die Schrift auf die Sprache (Zusammenhang mit der Tempelreligion, dem Tempelbau, der Tempelwirtschaft: War die Schrift der Turm von Babel)?
Ist das Christentum nicht ein Produkt der griechischen und lateinischen Tradition, bei gleichzeitiger Instrumentalisierung der jüdischen (wodurch unterscheiden sich die griechischen von den lateinischen Kirchenvätern)?
Welche ökonomische Entwicklung liegt der Entdeckung des Winkels und welche der des Inertialsystems zugrunde?
Auf das Futur II und die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit antwortet der Logos mit einer Art Zeitumkehr: mit der Übernahme der Sünde der Welt und der Hereinnahme der schöpferischen Kraft des Wortes in die Schöpfungsidee. Wird hier nicht verständlicher, was mit dem homologein gemeint ist? Und gewinnt nicht erst hier das von den Kirchen entsetzlich verharmloste Wort vom Binden und Lösen seinen ungeheuren Sinn?
Sind nicht die drei evangelischen Räte Ansätze oder Teile des Versuchs, den Wiederholungszwang endlich zu durchbrechen, der Katastrophe, die darin besteht, daß es immer so weitergeht, Einhalt zu gebieten?
War nicht der Untergang des Zweiten und Dritten Reiches (die Ergebnisse der beiden Weltkriege) ein zweistufiger Weltuntergang? Oder waren sie nicht die Nachwehen (und ein spätes schreckliches Echo) jenes Weltuntergangs, dessen Zeuge Hegel war? Ist nicht das Erste Reich untergegangen, als Hegel seine Phänomenologie des Geistes schrieb?
Der 68er Marxismus war von einer erschreckenden Banalität, eigentlich doch nur ein Rechtfertigungskonstrukt privater Probleme der 68er Generation: der Generation der verlorenen Söhne. Sie lebten von dem Gefühl, neu und unbelastet in die Welt gekommen zu sein und haben die Last der Vergangenheit (auch in ihnen selber) offenkundig falsch eingeschätzt.
Zum Weltbegriff: Wird hier nicht seit seinem Ursprung eine entstehende Atombombe mit einem Rettungsboot verwechselt? Die Geschichte der Welt ist das Maß für das Anwachsen der kritischen Masse der Selbstzerstörung.
Kritik des Weltbegriffs als Weissagung des Jüngsten Gerichts: Das Jüngste Gericht ist das Gericht der Barmherzigkeit über das Weltgericht.
Das Zeichen des Jona: Jona, der vor dem Prophetenamt nach Tarschisch flieht, wird ins Meer geworfen, vom großen Fisch verschlungen, betet im Bauch des Fischs, wird wieder ausgespien und geht dann nach Ninve, um zu verkünden: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört. Und welche Folgen hatte das?
War die BALM der große Fisch?
Wo und in welchem Kontext kommt die Auferstehung im AT vor (Jes 2619, Ez 37, Dan 122f, Hos 1314, 2 Makk 79, 1244f)? Alle im Zusammenhang mit der Unterwerfung Israels unter die Weltreiche (Assur, Babylon, Griechen)?
Privatexistenz heute: das Ersticken im Komfort; das Fernsehen: der Schnuller im Mund; die Medien als Drachenfutter? Aufgabe der Medien heute: den Leuten die Welt, von der sie leben, vom Leibe halten?
Wäre nicht Habermas‘ Strukturwandel der Öffentlichkeit endlich fortzuschreiben? Ist nicht Habermas der Mentor einer Wiederbelebung einer Theologie, die längst an den Naturwissenschaften erstickt ist? Gemeinsam mit Bloch, dessen große mystische Inspiration nach seiner marxistischen Bekehrung zur Rhetorik verdampft ist. Und wäre es nicht fortzuschreiben unter dem Aspekt:
– Distanz zu den Frankfurtern (Verwerfung der Idee einer Rettung der Natur) und
– im Hinblick auf die gegenwärtige Engführung des „Strukturwandels der Öffentlichkeit“ selber (die Hilflosigkeit und die Ohnmacht der Öffentlichkeit gegen dem, was jetzt sich zuträgt: Zusammenbruch des Ostblocks und Nichtgelingen der „Wiedervereinigung“, Ausbruch der Nationalismen, Verschärfung der ökonomischen Weltsituation; Fremdenhaß, Haß auf das Sichtbarwerden von Armut, Situation der Frauen)
Hat nicht Habermas mit dem Ausklammern der „Naturfrage“ der Erinnerungsarbeit die Wurzeln abgeschnitten, dem einzigen Hilfsmittel gegen eine immer mehr in der eigenen Logik sich verstrickenden Öffentlichkeit? Ist der Verzicht auf die Kritik an den Naturwissenschaften nicht der Grund für den affirmativen Öffentlichkeits- (und Welt-) Begriff, an dem Habermas festhält, und der seinem Diskurs-Konzept zugrundeliegt (und ihn so harmlos macht)? Ist nicht die Abwehr der Postmoderne (ein Gemeingut der Habermas-Schule) die Abwehr dessen, der sich ertappt fühlt? Ist nicht die Verwechslung des Fremden mit dem Andern das, was die Habermas-Schule mit der Postmoderne verbindet, nur daß Derrida daraus die logischen Konsequenzen zieht, während Habermas die Früchte der Frankfurter Schule weiterhin ernten möchte, aber den Baum längst abgehauen hat? Weiter hilft nur die Einsicht, daß der Begriff des Anderen systemimmanent bleibt (und das Anwachsen der kritischen Masse mit befördert), während nur der des Fremden das System sprengt (bzw. die Sprengkraft des Systems auflöst). Zum Adorno/Benjaminschen Konzept der Säkularisierung aller theologischen Gehalte: Diese Säkularisierung setzt die Erinnerungsarbeit voraus, die Rekapitulierung der theologischen Gehalte. Denn: Auch die Naturwisenschaften sind eine Gestalt der restlosen Säkularisation der theologischen Gehalte, aber eine bewußtlose und die automatische und universale Verdrängungsarbeit fördende. Opfertheologie und Christologie sind Gestalten einer Logik, deren blindes und bewußtloses Fortwirken in den Zivilisationsprozeß selber eingewandert ist und, um des Begreifens dieses Prozesses willen, durch Erinnerungsarbeit der Bewußtlosigkeit zu entreißen ist.
Die Physik ist der Stein vorm Grab der Vergangenheit: Wer wird ihn fortwälzen?
Die ersten sechs Siegel (Off 6): die vier apokalyptischen Reiter, die Seelen der Märtyrer und Sonne, Mond und Sterne (die vom Himmel fallen wie ein Feigenbaum seine Blätter abwirft).
Muß nicht, wer die Lehre von der Auferstehung ernst nimmt, die Unsterblichkeitslehre, die die Welt verrät, indem sie sie affirmativ rezipiert, verwerfen?
Zur prophetischen Tradition: Neben dem Votum für die Fremden steht das für die Witwen und Waisen, wobei das für die letzten beiden gemeinhin zusammengefaßt wird als Votum für die Armen. Aber gehören die Frauen (die Witwen) nicht konstitutiv zu den Armen: Wer sind die Witwen? Sind es nicht die, die wie die Fremden und die Armen nur noch herausfallen aus den Strukturen des Patriarchats? Die Töchter leben unter dem Schutz des Vaters, die Frauen unter dem ihres Mannes, aber die Witwen fallen nur noch heraus. Müßte es heute nicht heißen: das Votum für die Fremden, die Armen und die Frauen?
Wo wurde das Konzept der „narrativen Theologie“ entwickelt? Verdacht der Ambivalenz: Ist es nicht auch ein Kozept der Remythisierung, der Neutralisierung des kritischen Gedankens? (Gefahr, daß mit dem Urteil, dem Begriff, auch das Gebot, die Lehre, verworfen wird.) -
22.06.93
„Zorn ist ein Verlangen nach Rache.“ (Katechismus, Nr. 2302) Diese Definition, die auch durch das nachfolgende Thomas-Zitat nicht besser wird, rührt an den Kern der theologischen Unkenntnis und der Dummheit dieses Katechismus. Wenn sie stimmen würde, dürfte es keinen göttlichen Zorn geben, es sei denn, man unterstellte auch Gott ein Rachebedürfnis (das dann die projektive Abfuhr durch den Antisemitismus nach sich zieht: z.B. durch die Unterscheidung des christlichen Liebesgottes vom jüdischen Rachegott). Die deutsche Sprache unterscheidet Wut und Zorn; und die Katechismus-Definition trifft die Wut, nicht den Zorn. Aber ist nicht die Unfähigkeit, beide zu unterscheiden, beide unterschiedslos auf das „Verlangen nach Rache“ zu beziehen, eine zwangsläufige Folge eines theologischen Konzepts, in dem Gottesfurcht und Herrenfurcht, Umkehr und Umdenken sowie Nachfolge und Unterwerfung unter jegliche Autorität nicht mehr sich unterscheiden lassen, in dem m.a.W. der Gegenstandsbereich, auf den der Begriff des Zorns sich bezieht: die Verletzung der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, längst aus dem Blickfeld geraten ist? Hier gibt es keine Möglichkeit mehr, den göttlichen Zorn und die teuflische Wut (einen teuflischen Zorn gibt es nicht) zu unterscheiden. Zu prüfen wäre insbesondere der Begriff des Rachebedürfnisses selber (der eigentliche Existenzgrund des Rechts, der Strafe und der gesellschaftlichen Einrichtungen des Strafvollzugs): Bezeichnet er nicht das subjektive Korrelat des Schuldverschubsystems, steckt nicht in jedem Rachebedürfnis ein projektives Element, die lustvolle Verschiebung eigener Schuld auf andere? Ist nicht in jedem Objekt eines Rachebedürfnisses auch etwas vom Sündenbock? Dann aber wäre nach der Katechismus-Definition der Begriff des Zorns auf Gott nicht anwendbar, dann wäre der Begriff des gerechten Zorns gegenstandslos. Aber ist nicht die kirchliche Theologie heute dabei, mit dem theologischen Begriff des Zorns die Theologie selbst gegenstandslos zu machen?
Auschwitz hat in Deutschland (und in der Kirche?) stärkere Rachebedürfnisse ausgelöst als bei den Juden (ist nicht die kirchliche Position in der heutigen Abtreibungsdiskussion, die nicht selten bei den kirchlichen Hardlinern mit Auschwitz-Assoziationen sich verbindet, eine Form der projektiven Abfuhr dieses Rachebedürfnisses: der ihr zugrunde liegenden Mordlust, die man dann in die Frauen hineinprojiziert?).
Wenn der Zorn ein Verlangen nach Rache ist, dann ist die Welt ein Geschöpf des göttlichen Zorns und der Kreuzestod der bis heute mißlungene Versuch, diesen Zorn zu besänftigen (die Welt zu „entsühnen“). Aber diesen Anschein erweckt ja nun in der Tat die christliche Theologie (aus diesem finsteren Konstrukt hat die Gnosis einmal versucht, die Konsequenzen zu ziehen). Gehört nicht in diesen Zusammenhang nicht auch der Satz: Extra ecclesiam nulla salus, der die Konsequenz mit einschließt, daß es nur um die Rettung der einzelnen aus der bösen Welt, nicht aber um die Rettung der Welt selber geht, und daß, wenn es Heil nur in der Kirche gibt, alles, was draußen ist, verworfen ist.
Der Gott, der den Tod seines eigenen Sohns als Sühne fordert: nimmt der nicht seine eigene Selbstoffenbarung im brennenden Dornbusch zurück, ist das nicht die Rücknahme des JHWH (in der Geschichte der Bindung Isaaks war es der Engel der Elohim, der das Opfer forderte, und der Engel JHWH’s, der die Forderung zurücknahm)?
Merkwürdige Stelle bei Kant (Kr.d.r.V., S.403f), wo er in der Verlängerung einer geraden Linie ins Unendliche die gleiche Logik erkennt wie bei dem Elternpaar, von dem man „in absteigender Linie der Zeugung ohne Ende fortgehen“ könne. Liegt hier, in der Beziehung der endlos sich fortzeugenden Geraden zu den endlos sich fortzeugenden Gattungen in der Natur, nicht ein Hinweis auf den Ursprung des christlichen Sexualtabus und auf sein anderes, verdrängtes Objekt: in der Verdrängung des Zeugungselements bei der Mathematisierung der Raumes (in der Abstraktion vom Licht, das beides, das Sehen und das Gesehenwerden, in sich enthält, und darin den Ursprung sowohl des Lebens wie des Angesichts; vgl. den biblischen Zusammenhang des Gesehenwerdens mit der Scham: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“).
Auch eine Bemerkung zur feministischen Theologie: Die Vorstellung einer unendliche Ausdehnung des Raumes steht unter dem Zwang der Verdrängung des Gesehenwerdens, der Scham, die dann im Begriff der trägen Masse (und im Realsymbol des Blutes?) wiederkehrt: Ist die mathematische Raumvorstellung nicht (wie in anderer Hinsicht das Geld und das Bekenntnis) ein Realsymbol der Vergewaltigung (und der Onanie)? Liegt der Anfang hierzu in der geschlechtsspezifischen Trennung der Heiligen nach der Märtyrerzeit in Confessores und Virgines? Und liegt hier nicht ein Hinweis auf den Zusammenhang der Hexenverfolgung (einschließlich der damit verbundenen Mythen – vgl. Carlo Ginzburg: Hexensabbat) mit dem Ursprung der naturwissenschaftlichen Aufklärung?
Meistveraltet ist die jeweils jüngst vergangene Mode. Ist nicht auch das ein Teil des Schuldverschubsystems, seiner Mikrologik: Indem das gerade Vergangene nur durch den Zeitablauf reflexionsfähig wird, erzeugt es nur den Zwang zur Verdrängung; dieser das Ich bedrängenden Scham- und Schuldflut ist unser Reflexionsvermögen nicht gewachsen. Zu verarbeiten ist sie nur über die projektive Schuldverschiebung. – Anwendung auf die Beziehung zur Vergangenheit in Deutschland.
Liegt hier nicht auch der Schlüssel zum kritischen Verständnis der Habermasschen Verarbeitung der Kritischen Theorie? War nicht der „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ schon eine affirmative, neutralisierende Umformung des Begriffs der Kulturindustrie? Unter diesem Neutralisierungsdruck ist die Kommunikations- und Diskurstheorie entstanden (die letzte Fluchtburg vor der andringenden Notwendigkeit der Restituierung der benennenden Kraft der Sprache). Ist nicht das Reale in der Habermasschen Intersubjektivität verdampft (unter dem Hitzedruck der rekursiven und selbstreferentiellen Logik der Intersubjektivität)?
Der Geist Gottes brütend über den Wassern ist bei Heidegger zur Mordlust ausbrütenden Daseins-Philosophie verkommen (Rückfall in die gleiche Finsternis über dem Abgrund, die Habermas jetzt als Neue Unübersichtlichkeit überfällt).
Der Weltbegriff bedarf der quasitheologischen Idee der Entsühnung (er bedarf der Opfertheologie), und das deshalb, weil nur auf diesem Wege die projektive Verarbeitung der Erfahrung (der historische Objektivationsprozeß), die der Weltbegriff absichert, möglich gewesen ist. Die projektive Verarbeitung selber lief unter dem Titel Naturerkenntnis.
Wie verhalten sich eigentlich die bestimmten Artikel im Deutschen, in die die Deklinationsformen sich verlagert haben, zu den Nomen selber (den deutschen „Substantiven“), an denen die Deklinationen nur noch fragmentarisch an Endungsresten erkennbar sind? Die ehemaligen Suffixe sind zusammengeschrumpft und nur noch ein verhallendes Echo der die Deklination repräsentierenden bestimmten Artikel. Welcher Unterschied liegt zwischen der Deklination des Nomens Deutscher (der D’e, des D’en, dem D’en, den D’en) und der des Nomens Wald (der W, des W’es, dem W’e, den W)? In dem einen Fall drücken sich alle Beugungen durch das -en aus, in dem anderen stehen neben der Einheit des Nominativ und Akkusativ die getrennten Formen des Genitiv und Dativ. Sind in den femininen Nomen die Deklinationen insgesamt endungslos (die Frau, der F, der F, die F)? Aber sind hier die Deklinationen nicht ohnehin nur Varianten der fem./masc. Artikelbildungen? Und sie die Wald-Endungen nicht versteckte Neutrums-Endungen (vgl. das Haus, des H’es, dem H’e, das H)? Kann es sein, daß im Deutschen die Flexionen (die Deklinationen) durch genus-spezifische Elemente überlagert werden, gleichsam eine zweite Reflexionsstufe zum Ausdruck bringen? Wenn ja, welche Sprachlogik verbirgt sich dahinter? Auffällig ist eine merkwürdige Reflexions-Beziehung des Femininum zum Maskulinen (der maskuline Artikel erscheint als Genitiv- und Dativ-Artikel im Femininum, und die feminine Deklination des Artikels ist zugleich das Modell der allgemeinen Deklination im Plural) wie des Maskulinum zum Neutrum. Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang mit der Ersetzung der Suffixbildung durch Bildung mit Hilfe von Hilfszeitverben bei den Konjugationen (und der Ersetzung der hierarchischen Begriffs- durch hierarchische Satzkonstruktionen) und schließlich mit dem exzessiven Gebrauch von Prä- und Suffixen im Deutschen?
Wie verhält sich eigentlich das Wort vom Weizenkorn, das sterben muß, um hundertfältige Frucht zu bringen, zu dem Gleichnis vom Weizen, der unter die Dornen, auf felsigen und auf fruchtbaren Grund fällt? Sind die Dornen und der Felsen nicht Symbole der Hypostasierung des Todes (die in die Theologie durch den affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs hergekommen sind, und in denen sich die entscheidenden Aspekte dieses Weltbegriffs, seine Subjekt- und Objektfunktion, ausdrücken)? Grund ist die Weigerung, das Nachfolge-Gebot in die Grundlagen der Theologie (der Gotteserkenntnis) mit hereinzunehmen. Aber Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt.
Ist nicht die Versteinerung (der Fels) Grund und Folge der nicht übernommenen Arglosigkeit (der Unfähigkeit, die Klugheit der Schlange ohne projektive Entstellung, ohne der Paranoia zu verfallen, zu übernehmen)? Ist sie nicht eine Folge der bis heute unaufgelösten Paranoia im Kern der Welt?
Zum Brief an Metz: Das „Zeit ist’s“ verweist auf den Aktualitätskern der theologischen Erkenntnis, auf das, was die Mystiker das „nunc stans“ (und Ernst Bloch das „Dunkel des gelebten Augenblicks“) nannten. Dieser Aktualitätskern ist die bis heute ungehobene Wahrheit des Sterns der Erlösung.
Ist nicht die Kirchengeschichte der paulinischen Theologie die Geschichte des kirchlichen Kleinglaubens, und hat nicht die lutherische Rechtsfertigungslehre diesen Kleinglauben auf den Begriff gebracht? Aber Jesus ist der, der dem Sturm und den Wellen des Meeres gebietet, und ist uns nicht ein Teil dieser Kraft in seinem Namen mitgegeben? -
14.04.93
Die Vorstellung von den Privilegien der Opfer ist ein christliches Erbe: Darin steckt die christologische Logik der Vergöttlichung Jesu, die spätestens seit Rousseau zur Logik des Naturbegriffs geworden ist und mit dem Naturbegriff in der Gesellschaft sich reproduziert.
Werden nicht die Antinomien der reinen Vernunft dadurch relativiert, daß sie (im Raum) jeweils nur auf eine Dimension sich beziehen?
Die ersten beiden Antinomien beziehen sich auf die Welt, die dritte auf die Natur, und die vierte?
Kann man eine logische Folge der Formen des subjektiven Apriori bestimmen derart, daß die Konstruktion des Bekenntnisses das Geld voraussetzt und die Entfaltung der Raumvorstellung das Bekenntnis?
Die Schöpfungsgeschichte der Genesis unterscheidet sich von den Kosmologien insgesamt (den mythologischen wie den naturwissenschaftlichen) dadurch, daß sie eine Beziehung zur Erfahrung herstellt, die ästhetische Distanz zum Kosmos nicht akzeptiert. Sie ist m.a.W. kein Vorläufer der Naturwissenschaft, sondern einer der Mystik; sie ist Teil der Prophetie.
Durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird in die Struktur des Raumes ein Widerstandsmoment eingebunden, daß als Grund des physikalischen Materiebegriffs (als Grund des Begriffs der trägen und schweren Masse) sich begreifen läßt. Hier wird ein Äquivalenzsystem zu den mechanischen Vorstellungen, zu den Stoßprozessen eingeführt, dessen realer Ausdruck die Konstanten der Mikrophysik sind.
In einer Sprache, in der es neben dem Maskulinum und Femininum auch ein Neutrum gibt, wird das vierte Gebot unverständlich, wird es ins Herrendenken transponiert und unter den Satz subsumiert „de mortuis nihil nisi bene“: Hier liegt zwischen den Generationen die ihre Beziehungen neutralisierende Grenze des Todes. Im gleichen Zusammenhang ist schon das Du, das seine Geschlechtsbezogenheit verliert, Produkt einer Neutralisierung: der die Geschlechtsdifferenz aufhebenden Personalisierung. Der Geschlechtsunterschied findet sich erst in der dritten Person wieder, in einer anders objektivierten und neutralisierten Gestalt (Begriff der Scham).
Läßt sich anhand der Neutralisierung und Personalisierung des Du in den indogermanischen Sprachen der Zusammenhang von Neutrumsbildung, Futur II, Fortfall des Dualis u.ä. mit dem Ursprung des hypostasierenden Denkens (Begriffbildung und Philosophie) nachweisen? Und steckt nicht in den Fundamenten der Neutralisierung und Personalisierung des Du der Ödipuskomplex (und die Geschichte von Kain und Abel), und hängt diese Sprachkonstruktion nicht auch mit der materiellen Geschichte der Sexualität (und damit mit der Geschichte der Rezeption des evangelischen Rates der Keuschheit) zusammen? Und ist nicht die islamische Sexualmoral auch ein Sprachproblem (ein Problem das mit der Einschränkung der Fähigkeit zur Reflexion zusammenhängt)? Und liegt hier nicht auch der Sprachgrund des islamischen Konzepts der Schöpfung (in dem Schöpfung und Vorsehung nicht auseinandergehalten werden)? Hat in der islamischen Theologie nicht die Philosophie die Offenbarung ersetzt, substituiert? Ist nicht der Islam in ganz anderem Sinne eine Weltreligion?
Sind nicht die griechische Knabenliebe und der Rousseausche Inzest Indikatoren der wichtigsten Wendepunkte der Weltgeschichte (Ursprung und Erfüllung des Naturbegriffs)? Und läßt sich nicht an ihnen überhaupt erst ermitteln, was mit dem evangelischen Rat der Keuschheit gemeint ist? Sind es nicht die Begriffe der Barbaren, der Materie und der Natur, die das Keuschheitsgebot verletzen (und auf die sich der prophetische Begriff der Hurerei bezieht)? Erst die Kirche hat das Keuschheitsgebot zur Sexualmoral neutralisiert. Auch nach dem hebräischen Zusammenhang von Sexualität und Erkenntnis ist die Sexualmoral ein Teil der Erkenntnismoral: ein gnoseologisches Begriff. Wer heute die Last nur loswerden will, anstatt sie zu begreifen, verfällt ihr erneut. In der Gnosis wurde bloß die Erkenntnislust verurteilt, und das war der Ursprung der Diskriminierung der Sexuallust; versäumt wurde, das Problem der Gnosis selber zu begreifen.
Wie hängen Lust, lustig, Verlust (verlieren) zusammen? Ist nicht der Verlustbegriff ein Produkt der Verurteilung der Lust?
Der Pornokratie folgte in der Kirchengeschichte die Pornographie; und ein Teil der Theologie seit der Scholastik ist Pornographie, aber eine, auf die auch der Satz anzuwenden wäre: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Auch das Sündenvergeben, das „dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris“, ist ein Moment in der Erkenntnis (ein Teil der Fähigkeit, hören zu können, sich in einen anderen hineinzuversetzen, der Barmherzigkeit). Hierauf bezieht sich das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist.
Der heilige Geist: die durchs Feuer der Schuldreflexion gereinigte Zunge.
Der Mund ist das Organ des Essens und des Sprechens: Beide sind durch den Begriff des Gerichts verbunden.
Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt ist die Revozierung Rousseaus und ein Vorbegriff der Erinnerungsarbeit.
Gibt es eigentlich eine Untersuchung über die weiblichen Namen im Hebräischen (von Ischa, Eva, Lilit über Sara, Rebekka, Leah und Rahel bis Mirjam, Deborah, Judith, Esther, Rut, Batseba, Susanna, auch Rahab, Tamar etc.)? Ist das theophore Element nur bei männlichen Namen zu finden?
Ist nicht die Physik das Netz, in dem wir glaubten, die ganze Welt einfangen zu können, in Wahrheit sind wir selber darin gefangen. (Gibt es nicht Spinnen, bei denen das Weibchen das Männchen nach dem Geschlechtsakt frißt?)
Ist nicht der Raum der Inbegriff des Hämischen: Wohin ich mich auch wende, ich bleibe in dem System gefangen, aus dem auch die Umkehr nicht heraus-, sondern jede wieder ins System zurückführt: Inbegriff des Schrecken um und um. In diesem System wird die Umkehr zwangsläufig zur Buße, aber auch die verliert ihren Adressaten mit dem Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft: Hier gibt es nur noch welche, die Buße fordern, aber niemanden mehr, der Buße tut.
Wie war das eigentlich mit der Buße in Ninive: Auch die Tiere haben dort Buße getan, und der König hatte dazu aufgerufen.
War der philistäische Dagan ein Mars, und waren die altorientalischen Könige nicht in erster Linie Kriegsherren?
Die Vergangenheit ist nicht nur vergangen: Das hat die Nazizeit gelehrt. Das war der Kern der Ohnmachtserfahrung. Man kann die Vergangenheit nicht abwerfen, ohne ihr gerade dadurch zu verfallen.
Jesus ist eine Gestalt der Erinnerung: deshalb ist er (zusammen mit der Tora und der Prophetie) das Wort, das im Anfang bei Gott war. Und er ist es auch für uns nur, wenn wir diese Erinnerung mit aufnehmen (während die Kirche gerade die reale Erinnerung durchs Dogma verdrängt hat).
Nichts Vergangenes ist nur vergangen: Das ist die Idee, die das Inertialsystem sprengt. Sie schließt auf eine noch zu bestimmende Weise die Idee der Auferstehung der Toten mit ein.
Mit dem ersten Satz der Genesis wird im Namen des Himmels die Erlösung zitiert. Der Himmel des zweiten Schöpfungstages ist dagegen bereits die von der Vergangenheit eingefangene Zukunft: das, was zu lösen wäre. Das drückt sich aus in der Beziehung des Himmels zu den Wassern, in der Trennung der oberen von den unteren Wassern (der Trennung von Schuld und Segen, von Mythos und Offenbarung).
Der Fürst dieser Welt lebt vom Vergessen. Ein sich selbst begreifendes Christentum, das die Sünden der Welt auf sich nimmt, hingegen lebt von der sich selbst begreifenden Erinnerung. -
19.03.93
Beschreiben die drei evangelischen Räte nicht die vollständige Umkehr:
– Der Gehorsam das Im Angesicht (vorn und hinten),
– die Armut die Barmherzigkeit (rechts und links) und
– die Keuschheit die Nachfolge (oben und unten)?
Sie hängen zusammen mit der Geschichte der Schrift, des Geldes und des Staates. Der Gehorsam bezieht sich auf die Schrift, die Armut auf das Geld und die Keuschheit auf den Staat.
Die dogmatische Theologie insgesamt ist politische Theologie, und das auf eine verhängnisvolle Weise vor allem dort, wo sie es nicht weiß.
Das Sechstagewerk ist auch Teil einer mystischen Erkenntnistheorie.
Das Thalessche „Alles ist Wasser“ macht die Trennung des zweiten Schöpfungstages rückgängig: es zerstört das Firmament, den Himmel, und eröffnet die Philosophie.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie