Hat die Eigentumstheorie Heinsohns etwas mit der Erforschung der Tiefen des Satans in der Apokalypse zu tun?
Zu Prinzip der „Verteidigung des Eigentums“ gehören die Diebstahl- und Einbruchsängste, gehört das Bild einer Wolfswelt, deren Ordnung durch Gewalt sicherzustellen ist, gehören Hunde, während zum Prinzip der Anerkennung des Eigentums eine Welt gehört, die durch gegenseitige Achtung sich bestimmt. Die Ambivalenz des Eigentumsbegriffs gründet in der Dichotomie zwischen mir und dem Andern.
Der apokalyptische Topos, wonach die Zeit des Antichrist das Gesicht einer Hundes tragen wird, hängt mit Eigentumsbegriff zusammen. Die „Verteidigung des Eigentums“ scheut das Licht, das Eigentum ist etwas, was man (wie die Sexualiät) verbergen muß. Hunde und Skinheads ertragen den Blick des Andern nicht, aber sie koitieren öffentlich.
Der hündische Zwang, überall Duftmarken zu setzen, scheint etwas mit dem Eigentumsbegriff zu tun zu haben.
Ist nicht die Eigentumswirtschaft in ihrer praktischen Realität eine Besitzwirtschaft? Die Eigentümer sieht man nicht mehr, sie sind die unsichtbaren Götter. Wer die Verfügungsgewalt über sein Eigentum an andere delegiert, setzt auf deren Komplizenschaft, möchte sich selbst die Hände nicht mehr schmutzig machen.
Ist das der „Greuel am heiligen Ort“, daß die Eigentümer den Himmel zu ihrem Thron und die Erde zum Schemel ihrer Füße gemacht haben? Und hat nicht das kopernikanische System (mit der Vorstellung des „unendlichen Raumes“) den Himmel, aus dem es den Gott vertrieben hat, zum Thron der Eigentümer gemacht?
Sind Insekten elektromagnetische Tiere, Inertialsystem-Tiere? Und kann es sein, daß Beelzebub, der „Herr der Fliegen“, etwas mit dem mikrophysikalischen Herrschaftskonzept (mit der atomaren Technik) zu tun hat?
Gibt es eine Beziehung der Einheit des Reiches in der Geschichte vom Beelzebub mit der Einheit des Ortes, an dem die Wasser sich sammeln sollen.
In dem Wort von dem „einen Ort“ ist das Eine kein unbestimmter Artikel, sondern eine Zahlbestimmung, und die kabbalistische Anmerkung hierzu ist sprachlich determiniert. Das Mißverständnis rührt daher, daß es, wie es scheint, den unbestimmten Artikel, der ein Subsumtionsverhältnis anzeigt, im Hebräischen (allerdings auch im Griechischen und Lateinischen) nicht gibt. Im Griechischen und Lateinischen gibt es wohl die Beziehung des Einen zum Andern, die aber das Nomen noch unberührt läßt, das erst durch den unbestimmten Artikel in diese Logik mit hereingezogen (und damit zum Substantiv) wird. Das ontologische Prinzip „Unum et verum convertuntur“ begründet (durch die Vermittlung des bonum, das im Eigentumsprinzip gründet) die Herrschaft des Beelzebub.
Der unbestimmte Artikel reflektiert das Anderssein des Einen, er setzt den Weltbegriff voraus. Ist die Frage nach dem Ursprung des unbestimmten Artikels nicht eine sprachgeschichtliche Schlüsselfrage, mit deren Hilfe die sprachlogische Funktion und der Stellenwert des Neutrum sich bestimmen läßt?
In allen modernen Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch) gibt es den unbestimmten Artikel (die sprachliche Form der Subsumtionsbeziehung); in all diesen Sprachen konvergiert der unbestimmte Artikel mit dem Begriff des Einen, nur im Englischen ist er davon unterschieden (Unterscheidung von a und one).
Fundamentalontologie: Das Eigentum ist die metaphysische Wurzel des Besitzes. Ist es nicht eine Funktion des oikos, des Hauses?
Die Begriffsbildung läuft über das Verfahren der Objektivierung: der Unterwerfung und Beherrschung von Feinden (Modell der Objekte).
Erst wenn die Theologie sich von ihrem philosophischen Erbe, vom Einverständnis mit dem Tod (mit der Vergangenheit des Vergangenen) befreit, befreit sie sich selber, wird sie aus einer Theologie hinter dem Rücken zu einer Theologie im Angesicht Gottes (werden die Apostel aus dem Schlaf von Getsemane geweckt).
In folgenden Situationen sind in den Evangelien die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes mit dabei:
– bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 129 parr),
– bei der Heilung der Tochter des Synagogenvorstehers (Mk 537 parr),
– auf dem Berg der Verklärung (Mt 171 parr) und
– in Getsemane (Mt 2637 parr).
Diese drei sind nicht identisch mit den von Paulus so genannten „drei Säulen“ (zu denen der „Herrenbruder“ <nach Karl Thieme identisch mit dem „kleinen“ Jakobus, mit Jakobus Alphäus>, nicht der Zebedäussohn Jakobus gehört). Zu Petrus und Johannes vgl. das Johannes-Evangelium (1323, 1815, 202, 217, 2120) sowie Apg (3,4 und 814).
Welche sprachlogische Funktion haben die Pronomina (Personal-, Demonstrativ-, Frage-, Possessiv-, Reflexiv-, Relativpronomen)? Gibt es eine sprachlogische/sprachgeschichtliche Beziehung zu den Affixen?
Naturwissenschaft
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7.7.96
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4.7.96
Die Pforten der Hölle (Mt 1618): Der Faschismus hat hat eine atomisierte Selbsterhaltungsgesellschaft hinterlassen, in der alle in der Isolationshaft ihrer Eigentlichkeit sitzen (die Eigentlichkeit ist die unterm universalen, ausweglosen Rechtfertigungszwang allein noch mögliche Gestalt des Selbstbewußtseins, die Keimzelle der neuen Bilder-Religion, der Drache, dessen unendlichen Hunger die Medien zu stillen vergeblich sich abmühen). Jeder sitzt im Hochsicherheitstrakt seines Verdrängungsapparats, als dessen objektives Modell die Naturwissenschaften sich erweisen (die objektivierten Naturwissenschaften, die die Phantasie, aus der sie einmal hervorgegangen sind, absorbiert und stillgestellt haben: die ganze Physik ist zu einer grandiosen, alles ergreifenden „Form der Anschauung“, zu einem unversalen synthetischen Urteil apriori, geworden). Nur durch Schuldreflexion ist der Bann zu brechen. Das Absolute als Schuldverschubsystem, oder der Staat als subjektive Form der Anschauung: Ist die Stillstellung der Phantasie nicht eines der Hauptziele des im Bereich des Staatsschutzes tätigen Ermittlungsapparats? Und ist der Verdacht so unbegründet, daß diese Intention in den Objekten dieses Apparats sich reproduziert? Bewegen sich die Ermittlungen nicht einem Bereich, in dem die Objektivität der Schuld nur durch Abstraktion vom gesellschaftlichen Schuldzusammenhang, durch Projektion, und d.h. auf der Basis des Schuldverschubsystems (im wörtlichen Sinne) sich „bestimmen“ läßt: durch das Verfahren der Konstruktion synthetischer Urteile apriori?
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3.7.96
Gegen den 68er Bruch: Der Faschismus war keine Naturkatastrophe, und das Horkheimer-Wort, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen dürfe, wird heute durch Umkehrung wahr: Vom Kapitalismus darf nicht reden, wer vom Faschismus schweigt.
Die 68er Bewegung hat den faschistischen Zivilisationsbruch als Kulturbruch ratifiziert. Mit der Beziehung zum (weiterhin realen) Staat hat sich auch die Beziehung zur Sexualität, das Verhältnis von Eigentum und Besitz, verändert. Die traditionelle Sexualmoral war Ausdruck der am Eigentumsbegriff sich orientierenden Beziehung der Person zu sich selbst. Ist nicht an die Stelle der Eigentumsbeziehung (deren Respektierung die Sexualmoral leisten sollte) das Besitzverhältnis (an die Stelle des Respekts vor dem Andern die Freiheit der Güternutzung) getreten? Gibt es (nach der Globalisierung des Marktes und der Verrottung des Staates) überhaupt noch „Eigentum“? Ist sein Verschwinden nicht am Verschwinden des Tabus auf der Sexualität (mit den Folgen, die das insbesondere für den weiblichen Teil der Gesellschaft hatte) ablesbar?
Das Privateigentum konstituiert die Privatsphäre (den idiotes).
Rühren die Probleme der Theorien Heinsohns nicht daher, daß er einem Theorie- und Objektivitätsmodell sich verpflichtet fühlt, daß aus der Physik stammt? Die vermittelnde Kategorie scheint der Eigentumsbegriff zu sein, der in der Tat einmal den Naturbegriff konstituiert hat: Der Eigentumsbegriff verhält sich zur Geldwirtschaft wie die träge Masse zur Physik insgesamt.
Die begriffliche Trennung von Eigentum und Besitz, die mit der von Tausch- und Gebrauchswert zusammenhängt, determiniert die Widersprüche, die Heinsohns Konzept durchziehen (vgl. z.B. S. 129 und 137 zum Verhältnis der Volkswirtschaftslehre zur Geschichte).
Wenn Heinsohn die Geschichte sowohl braucht als auch abwehrt, so drückt sich darin genau die Ambivalenz seiner Theorie aus: Er braucht die Geschichte als Mittel zur Erkenntnis der Logik der Ökonomie, er muß sie abwehren, weil sie diese Logik zugleich zum Sprechen zu bringen droht.
Besitz ist eine Gebrauchskategorie, Eigentum eine Geldkategorie (vgl. Heideggers Unterscheidung des Zuhandenen vom Vorhandenen). Hat nicht Polyani den Ursprung der Eigentumsgesellschaft sehr viel genauer beschrieben, nämlich anhand der Übertragung der Wareneigenschaften auf Grund und Boden (Eigentum), auf die Arbeit (Lohnarbeit) und aufs Geld (Banken)? Heinsohn selber verweist darauf, daß die Lohnarbeit erst in der modernen Entwicklung hinzukommt; verweist das nicht auf eine qualitative Differenz auch beim „Eigentum“ und beim Geld (doppelte Buchführung)?
Der philosophische Reflex des Eigentumsbegriffs ist der Begriff der Substanz (der mit dem Begriff des Substantivs das Verständnis der Grammatik und der Sprache verändert hat, der das Nomen gelöscht und die Sprache zu einem Mittel der Information gemacht hat).
Das Substantiv ist eine Fortbildung des Begriffs der Substanz. Drückt nicht im Begriff des Substantivs eine qualitative Veränderung im Eigentumsbegriff sich aus?
Der Konkretismus Heinsohns manifestiert sich nicht nur in der Theorie der Venus-Katastrophe (in der Ersetzung der gesellschaftlichen Naturkatastrophe durch eine reale kosmische Katastrophe), sondern auch in seinem Eigentumsbegriff, der ihm zu einem festen Grundlagenbegriff wird, und an dem er den historischen Prozeß, dem er entspringt und in dem er sich verändert, nicht wahrnimmt. Die Trennung von Eigentum und Besitz manifestiert sich in den Änderungen der ökonomischen Gesellschaftformen, in der Übertragung der Geschäftsführung an ein Management und im Ursprung und in der Entfaltung und Ausdifferenzierung der Verwaltung (die die Besitzfunktionen des Eigentums realisiert). Aber ist nicht das Eigentum unabhängig vom Besitz (vom Gebrauch, der es qualifiziert) eine leere Abstraktion? Wie das Eigentum im ökonomischen Prozeß sich verändert, kann man heute von jedem Landwirt (noch krasser freilich an den Vorgängen in der Dritten Welt, die jetzt langsam anfängt zu begreifen, was ihr geschieht) erfahren.
Durch seinen Eigentumsbegriff wird dieses Buch zum Kompendium einer Hausbesitzer-Ideologie.
Das Konstrukt der Venus-Katastrophe war notwendig, weil der genetische Zusammenhang des Eigentumsbegriffs mit dem Begriff und der Praxis der Gewalt in der Gesellschaft ausgeblendet wird. Gehört nicht der Eroberungskrieg (wie am modernen Kolonialismus drastisch sich zeigen läßt) zur Ursprungsgeschichte des Eigentums (die Ureinwohner der kolonialisierten Länder „kennen keine Schrift, kein Geld, sind nackt“; sie sind deshalb nicht fähig, über ihren Besitz wie über Eigentum zu verfügen; als „Wilde“ sind sie apriorische Objekte von Gewalt)?
War die Kosntituierung des Eigentums das Ergebnis einer Revolution von innen (bei den Griechen als Revolution gegen den mykenischen Feudalismus), oder war sie das Ergebnis einer Eroberung von außen, durch umherstreifende Brüder- und Männerhorden (Rom, die Hapiru, die „Hebräer“)? Unterscheidet sich darin nicht das Eigentums-Buch vom Patriarchats-Buch Heinsohns?
Irgendjemand hat einmal die Tempel als Säkularisations-Instrumente beschrieben (Entzauberung der Welt durch Konzentration des Heiligen im Tempel). Eine ähnliche Funktion scheinen die christlichen Kirchen, Kathedralen und Dome im Mittelalter gehabt zu haben. Als Säkularisations-Instrument hat der Tempel die Welt eigentumsfähig und damit zur Welt gemacht; deshalb gehören zur Tempelwirtschaft die Kosmogonien.
Waren der Islam das Persien, Frankreich und England hingegen das Griechenland des Mittelalters? Dann war Deutschland das Rom.
Adorno hat mich in die Lage versetzt, mein Faschismus-Trauma zu bearbeiten; anders wäre ich das Opfer dieses Traumas geworden.
Heinsohn: der Drewermann der Nationalökonomie?
Die Orthogonalität ist das Abstraktionsgesetz der Erkenntnis, sie ist zugleich das Formprinzip des Urteils. Durch die Orthogonalität werden die Richtungen des Raumes getrennt und unterschieden und zugleich zueinander in Beziehung gesetzt; das gleiche Formgesetz gilt für die Beziehung von Raum und Zeit und dann auch für die Beziehung von Raum und Zeit zur Materie. Die Orthogonalität (die Entdeckung der Winkelgeometrie durch die Griechen) ist das Modell der Beziehung von Begriff und Objekt. Wie hängt die Entdeckung der Orthogonalität mit dem Ursprung des Eigentumsbegriffs, mit der Unterscheidung von Eigentum und Besitz und mit dem Ursprung des Staates zusammen?
Im Buch Josue wird das Land Kanaan durchs Los auf die Stämme Israels verteilt. Wann und auf welche Weise erfolgte die individuelle Eigentumsbegründung (zusammen mit der Begründung weiblicher Erbrechte)? In der Bibel wird vom Kauf eines Grundstücks nur im Hinblick auf kanaanitisches Eigentum (bei Abrahams Kauf des Grundstücks für das Grab Saras und bei Davids Kauf der Tenne Araunas) berichtet.
Sind die Probleme, vor die die Philosophie in jeder Epoche neu sich gestellt sieht, die logischen Probleme des Eigentums; und ist die Philosophie deshalb der Reflex der Herrschaftsgeschichte?
Das Armutsgebot, das wir heute ganzen Erdteilen aufzwingen, der Export der Armut in die Dritte Welt: Die Eigentumslosigkeit schlägt die Eigentumslosen zur bloßen Natur, macht sie zu einer brachliegenden Ressource, für die es keine Verwendungsmöglichkeiten mehr gibt: zu herrenlosem Gut.
Nachdem die Aufklärung, und ihrer Folge Kant und der deutsche Idealismus, der Natur schöpferische Kräfte angedichtet hat, hat da nicht Marx, als er glaubte, im Proletariat das Subjekt der Revolution zu erkennen, daraus nur die Konsequenz gezogen (das Proletariat: die Verkörperung er resurrectio naturae)?
Werden heute nicht alle Siege zu Pyrrhus-Siegen?
Ist nicht jede Personalisierung ein Indiz mangelnder Autonomie? Zitiert nicht jede Personalisierung (und jeder Konkretismus) die kollektive Absicherung einer Projektion?
Hängt nicht die mittelalterliche Fälschungsgeschichte mit den übermächtigen Legitimationsbedürfnissen, die die Begründung der Eigentumsgesellschaft wachgerufen hat, zusammen? -
1.7.96
Die Nachkriegsverdrängung in Deutschland hat den Prozeß der Verdinglichung vollendet: sie war das Äquivalent der Konstituierung des Inertialsystems. Mit der Nachkriegsverdrängung ist eine Stummheit in die Verhältnisse eingedrungen, die die Sinnlichkeit unvermittelt und direkt gemacht hat, die der Kritik nur den Ausweg der Gewalt gelassen hat und der Schuld nur den der Projektion. Ist nicht die raf, an der diese Strukturen sich studieren lassen, das getreue Spiegelbild des Staates, den sie bekämpft?
Mit der Fixierung aufs Feindbild transportieren wir den Staat in den Hinterkopf, machen wir uns zu Marionetten des Staates. Der Einzige, der dem sich hat entziehen können, ist dafür gekreuzigt worden, und sein Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist das Motto für die Befreiung des Sünders vom Weg des Irrtums (für die Kritik der Astronomie). Der eine Sünder, der sich bekehrt, über den mehr Freude im Himmel herrscht als über die 99 Gerechten: das ist der Staat.
Das Schlimme ist, daß man heute selber als Opfer, als „Betroffener“, sich präsentieren muß, wenn man an die Leiden der Anderen erinnern will. Jeder, der für andere sich einsetzt, muß den Verdacht ausräumen, er tue es aus Eigeninteresse. Warum soll man sich dann nicht auch auf dieses Eigeninteresse, daß man in einer Welt nicht leben möchte, in der man für andere nicht mehr sich ensetzen darf, berufen? Heute muß die einfachste Sensibilität noch begründet werden. Damit ist man in der Täter-Opfer-Falle drin, die den Tätern den Weg frei macht, sie unangreifbar macht.
Ist nicht das Meßopfer, die „Wandlung“, die Transsubstantiation, das Deckbild eines anderen Vorgangs: der noch ausstehenden Realisierung?
Gerät nicht die katholische Tradition zur Zeit auf eine Entwicklungsstufe, auf der sie nur durch Realisierung noch zu retten ist?
Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wird, wird an der gleichen Stelle erwähnt, an der berichtet wird, daß sie die erste war, der der Auferstandene erschienen ist (Mk 169, vgl. hierzu Joh 2011-18, insbesondere v. 14 u.16). Nur bei Lk wird das Ausfahren der sieben Geister schon bei der ersten Nennung der Frauen aus Galiläa erwähnt (Lk 82).
Die Geschichten mit den sieben unreinen Geistern gehören zu den sich wechselseitig erhellenden Geschichten in der Schrift, ähnlich wie die Geschichten über Lazarus. Gehört dazu nicht auch der Jonas ben Amittai, Jair (und Jairus)?
Die Wertethik hat versucht, die Ethik auf die „Gefühle von Lust und Unlust“ zu gründen. Aber gründen nicht die Gefühle von Lust und Unlust selber in der Urteilsform, und käme es nicht darauf an, diese Beziehung aufzuhellen?
Die christliche Gestalt der Unsterblichkeitslehre, die Lehre vom individuellen Seelenheil, der katholische Mythos von Himmel, Fegfeuer und Hölle, hat durch Hypostasierung der Urteilslust die Wahrheit (in der Form des Dogmas) ans Urteil gebunden und das Urteil selber (ähnlich wie der Weltbegriff die Herrschaft) der Kritik entzogen.
Andersens Märchen von „des Kaisers neuen Kleidern“ wäre kein Märchen, wenn der Kaiser ein König wäre.
Zu den im Kontext der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht mehr rekonstruierbaren Sinnesqualitäten gehören die Farben, das Licht, Wärme und Kälte, Geschmack und Geruch, der Klang, nicht zuletzt das Wort, die Sprache. Ist diese Abstraktion nicht ein verständlicher Vorgang, der sich erklären läßt aus dem Gesetz der „Veranderung“: Ich kann nicht mit den Augen des Andern sehen, mit seinem Gefühl fühlen, mit seinen Ohren Hören, mit seiner Zunge schmecken, mit seiner Nase riechen. Genau das ist aber der Effekt der subjektiven Formen der Anschauung wie auch des Weltbegriffs, daß jeder – ebenso wie er Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann – sich als Anderer für andere erfährt, dann aber mit seinen Augen nicht mehr sehen, mit seinen Ohren nicht mehr hören … kann.
Die Aufgabe, die der Philosophie heute gestellt ist, ist aber nicht die Rekonstruktion der sinnlichen Erfahrung, sondern die Rekonstruktion des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis: Erinnerungsarbeit.
Das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum ist die List, mit der der Verstand gegen die Dinge sich durchsetzt. Das Angesicht ist die Realität des durchs Prinzip der Reversibilität Verdrängten: die Widerlegung der Vorstellung eines unendlichen Raumes, gegen die das Angesicht eine andere Unendlichkeit repräsentiert: den Blick des Andern.
Die Schamfalle: Der Angeschaute senkt den Blick, der Anschauende ist frech.
– Die Plagen an dem erkennen, wie sie hervorgerufen werden, was sie wem tun,
. das Blut,
. die Frösche,
. die Mücken,
. das Geziefer,
. die Pest,
. die Beulen und Geschwüre,
. der Hagel,
. die Heuschrecken,
. die Finsternis.
– Welche Plagen werden angekündigt, wie werden sie herbeigerufen?
– Bei welchen Plagen sagt der Herr „Laß mein Volk ziehen, daß es mir diene“?
– Und wie verhält es sich mit dem Opfer, das nach drei Tagen in der Wüste dargebracht werden sollte: Wann wird es wirklich dargebracht, was wird geopfert (das „Scheusal Ägyptens“)? Vgl. die Stelle in der Johannes-Apokalypse, das Sodom, Ägypten und Golgatha zusammenbringt?
Heinsohn/Steiger: Eigentum etc. (Hamburg, 1996).
. Wird hier nicht die Ökonomie in eine Engführung gebracht, aus der sie nicht mehr herauskommt?
. Erneut Berufung auf „kosmische Katastrophen“, kann sich gesellschaftliche Naturkatastrophen (trotz Auschwitz, für das er eine Spezialtheorie braucht) nicht vorstellen (vgl. S. 34)?
. Kennt Hegels Rechtsphilosophie nicht: Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (gemeinsamer Ursprung des Staats, des Welt- und des Naturbegriffs). -
29.6.96
Karl Thieme zufolge war das Konzil von Trient das Konzil der Privatisierung des Glaubens (Gott und die Geschichte, Herder Freiburg 1948, S. 160ff, vgl. hierzu insbesondere S. 175, 191), mit folgender bemerkenswerten Konsequenz: „Anders als die Frage nach dem Verhältnis von geistlicher und weltlicher Obrigkeit, die seit dem Ende des ‚Mittelalters‘ suspendiert ist …, ist … der große Kampf zwischen Episkopalismus und Papalismus zugunsten des letzteren entschieden worden, … zur restlosen freiwilligen Unterwerfung … dann 1870 …“ (S. 196). So der „universalhistorisch orientierte Laien-Theologe“ (S. 195), als den er sich selbst bezeichnet.
Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße: Gott, nicht dem Staat, gehört das Land. Deshalb ist das Territorialprinzip (cujus regio ejus religio) der Keim des Totalitarismus (vgl. das Burckhardt-Zitat bei Thieme, S. 155).
Karl Thieme verweist auf die Differenz zwischen Phil 210 und Kol 120, auf das „nicht zufällige Fehlen der ‚Unterirdischen’“ an der letzteren Stelle (S. 137): Die „unter der Erde“ beugen auch ihr Knie, haben aber keinen Anteil an der Versöhnung. Die Unterirdischen, das sind die im hades, in der scheol, im Totenreich: Reicht dieses Totenreich nicht in unsere Erfahrungswelt hinein: mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, mit dem Trägheitsprinzip, mit dem durch die subjektiven Formen der Anschauung definierten Reich der Erscheinungen?
Ist der Schlüssel Petri nicht sowohl der Schlüssel zum Abgrund (zu den „Pforten der Hölle“) wie auch der zum Himmel, und das kopernikanische System der Totenkopf des kosmos?
Das Ich denke begleitet nicht nur alle meine Vorstellungen, es ist das Formgesetz ihrer Erscheinung. Im Begriff der Erscheinung steckt als sein Apriori der Adressat mit drin: Was erscheint, muß jemandem erscheinen. Deshalb gehört zur transzendentalen Logik die transzendentale Ästhetik, die diesen Adressaten repräsentiert. Ist nicht das „Fest der Erscheinung des Herrn“ der Namenstag jeglicher Phänomenologie von Lambert über Hegel bis Husserl?
Alle meine Vorstellungen: Das ist der Inhalt des Unzuchtsbechers.
Aufgrund welcher Logik erscheinen Firmenbeziehungen im Bilde der Mutter-Tochter-Beziehung? Ist die juristische Peron weiblich?
War das der Hintergrund der „Venus-Katastrophe“, die eine gesellschaftliche Naturkatastrophe war: War die Tempelwirtschaft die mythische Vorform der kapitalistischen Wirtschaftsorganisation, der Ischtar/Astarte-Kult die Ursprungsgestalt der juristischen Person, die weiblich war? Zu dieser Logik, die mit der Praxis der Schuldknechtschaft sich entfaltet hat, würde der hieros gamos wie auch das Bild vom Kinder-fressenden Moloch passen.
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27.6.96
Die Gnadenlehre ist das theologische Pendant der Mechanik, ihr Orientierungspunkt, das individuelle Seelenheil, das Korrelat des Trägheitsprinzips; abgeschnitten – und zwar durch die innere Logik des Weltbegriffs selber – wird die Beziehung des Seelenheils zur Praxis, zum Zustand der Welt im Ganzen. Die Frage, ob und wie die Idee des seligen Lebens denkbar ist, wenn sie von der Reflexion auf den Zustand der Welt getrennt wird, wird verdrängt. Die Frage ist nicht: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, sondern: Wie erhalte ich die Gnade, befreit zu werden zum befreienden Handeln. Es gibt keine Hoffnung für mich ohne Hoffnung für die Hoffnungslosen. Darauf ist der letzte Satz des Jakobus-Briefs und das Wort von der Freude im Himmel über die Bekehrung des einen Sünders zu beziehen. Der „Weg des Irrtums“ ist der Weltbegriff; auf ihn (und auf die Geschichte vom gordischen Knoten?) bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen. Wird das Ganze nicht durch Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, in einen apokalyptischen Zusammenhang gerückt? Hat nicht das Wort vom Binden und Lösen, in dem Erde und Himmel zitiert werden, etwas mit dem Satz: Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße, zu tun? Adorno hat mit dem Programm der „vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte“ nicht Benjamins Konzept, sondern sein eigenes beschrieben. Walter Benjamin hat sein Konzept in seinem „theologisch-politischen Fragment“ beschrieben: „Die Ordnung des Profanen hat sich aufzurichten an der Idee des Glücks. Die Beziehung dieser Ordnung auf das Messianische ist eines der wesentlichen Lehrstücke der Geschichtsphilosophie. Und zwar ist von ihr aus eine mystische Geschichtsauffassung bedingt, deren Problem in einem Bilde sich darlegen läßt. Wenn eine Pfeilrichtung das Ziel, in welchem die Dynamik des Profanen wirkt, bezeichnet, eine andere die Richtung der messianischen Intensität, so strebt freilich das Glückssuchen der freien Menschheit von jener messianischen Richtung fort, aber wie eine Kraft durch ihren Weg eine andere auf entgegengesetzt gerichtetem Wege zu befördern vermag, so auch die profane Ordnung des Profanen das Kommen des messianischen Reiches.“ (Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze, es 103, 1965, S. 95f) Kritik des Weltbegriffs heißt für die Kirchen u.a. Entkonfessionalisierung (eine Bekennende Kirche wäre eine entkonfessionalisierte Kirche: Der Faschismus, der Antisemitismus, der Sexismus, nicht zuletzt auch die ihnen zugrundeliegende verwüstende Gewalt der Ökonomie, der Kapitalismus, diese Dinge sind Verkörperungen eines status confessionis, an den das Formelbekenntnis nicht mehr heranreicht; Dialektik der Beziehung von Orthodoxie und Häresie?)
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26.6.96
Steckt nicht im hebräischen Namen des Himmels der Ansatz zur Lösung des Rätsels der Astronomie? Wie verhalten sich haschamajim und ha’arez zu ouranos und gaja, caelum und terra? Paßt nicht zu der Wahrnehmung, daß es im Märchen (wie in der Kabbala) keinen Kaiser gibt, und zu der These, daß diese Stelle im Märchen durch den Teufel besetzt wird, Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern? Dieser Kaiser ist ein Popanz, er ist ein Produkt seiner Umgebung, und nur das Kind sieht, daß er nackt ist (vgl. die Erkenntnisbedeutung der Nacktheit). Beschreibt die Vision des Ezechiel nicht ein Modell des Himmels? Wer sind die Kerubim und wer die Ofanim? War nicht Weizsäckers Sonnentheorie eine ad hoc-Konstruktion, die ein Problem nicht lösen, sondern verwischen sollte, ein Teil seiner Legende? Sie war in Wahrheit ein Schritt auf dem Weg zur H-Bombe. Erklärt sie wirklich die energetischen Prozesse in der Sonne? Sind die Varianten der Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao (zusammen mit den Varianten der Gottesnamen, auf die Moses sich beruft, und mit den Varianten der Zauberer-Geschichten, der Geschichten von Jannes und Jambres) der Schlüssel zum Verständnis der zehn Plagen?
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25.6.96
Versöhnung über Gräbern: Um eines von jeder Erinnerung unbelasteten Anfangs willen hat das Christentum die Vergangenheit verraten, sie aber gerade dadurch konserviert.
Sind nicht die Rechtfertigungszwänge, die Daniel Goldhagen evoziert hat, ein Beweis für die Wahrheit seiner Thesen?
Daß „Hitler selbst und seine Satrapen … soviel Wert darauf gelegt (haben), den Holocaust dem deutschen Volk möglichst nicht öffentlich bekannt zu machen“ (Jörn Rüsen in der FR vom 25.6.96, S. 11), ist kein Beweis dafür, daß die Deutschen „nichts gewußt“ hätten, sondern diese Geheimhaltung, deren Adressat weniger das deutsche Volk als vielmehr die Weltöffentlichkeit war, lag im Interesse aller; auch die Komplizenschaft scheut die Öffentlichkeit. Lifton hat in seinem Ärztebuch nachgewiesen, daß selbst die Täter auf zwei Ebenen lebten, die gleichsam durch eine innere „Geheimhaltungs“-Grenze (eine Grenze in den Subjekten selber) von einander getrennt waren. Das war die objektive Grundlage des pathologisch guten Gewissens nach dem Kriege.
Anmerkung zur Rechtfertigungslehre: Auch das Geld deckt eine Menge Sünden zu.
Das Ende der Zeiten wird kommen, wenn entweder aus Freiheit die Umkehr vollzogen wird oder es zur Umkehr keine Alternative mehr gibt. Und wehe denen, die das dann nicht wahrzunehmen in der Lage sind.
Wird nicht bei Hauke Brunkhorst (Der Mensch muß sich selbst erfinden, FR vom 25.6.96) das projektive Moment im Begriff der Ursache (und im Konzept der „Ursachenforschung“) mit Händen greifbar? Ist nicht der Begriff der Ursache ein Schuldverschub- und Exkulpationsbegriff?
Gehört nicht zum Reden auch das Ausreden (sowohl das Ausreden-Lassen, als auch das Jemandem-etwas-Ausreden), die Nutzung der Sprache als Radiergummi?
Ist nicht das „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ die Finsternis über dem Abgrund?
Wer so umstandslos gegen die Todesstrafe ist, sollte der nicht auch einmal darüber nachdenken, daß der Wohlstand hier das Todesurteil für Millionen ist?
Zum Weltbegriff:
– Gott hat Himmel und Erde erschaffen, nicht die Welt,
– Weltbegriff als Schwelle der Zivilisation, Ursprung des Weltbegriffs (zusammen mit den Begriffen Wissen und Natur),
– Weltbegriff das gegenständliche Korrelat des Staates und der Philosophie (Verstrickung der Philosophie in die Herrschaftsgeschichte),
– Weltbegriff als logisches Apriori (Reorganisation des Zeitbegriffs, Konstituierung und Legitimierung der instrumentellen Vernunft),
– wechselseitige Legitimation der Totalitätsbegriffe: Selbstlegitimation des Bestehenden durch die Naturwissenschaften,
– das Eine ist das Andere des Anderen: der Begriff der Erscheinung und die Logik der Veranderung, das Anderssein (nur Gott sieht ins Herz der Menschen),
– die List der Vernunft oder der „hintertückische“ Weltbegriff, Grenzen der Beweislogik, Ursprung und Begriff der Gemeinheit,
– Gnosis, Theologie und Hegel: der Staat als Schöpfer der Welt, Problem des Begriffs der creatio mundi,
– „Entsühnung der Welt“: Sexualmoral für andere (Sexualmoral als Urteilsmoral) und die apriorische Freisprechung der Herrschaft.
– Der Weltbegriff transformiert die Theologie aus dem Angesicht Gottes hinter Seinen Rücken.
– Das schwierigste Teilstück der Kritik des Weltbegriffs ist die Kritik der Naturwissenschaften: die Geschichte der Subjektivierung der „Sinnesqualitäten“ zur Empfindung, der Kritik zur Meinung und der Schuld zu Schuldgefühlen.
– Gehört nicht auch die Lösung des Rätsels Swedenborgs (der Träume eines Geistersehers, dessen Geistesgegenwart jedoch hinreichte, Luthers Begriff der Rechtfertigung zu durchschauen) zur Kritik des Weltbegriffs? -
22.6.96
Wenn es zutrifft, daß die Sprachlogik auch die Wahrnehmung determiniert und organisiert, welche Bewandnis hat es dann, wenn im Hebräischen die Begriffe Welt und Natur nicht vorkommen, und es kein Neutrum gibt? Hilft da nicht die letzte Bemerkung in Thiemes „Biblische Religion heute“ weiter, wenn gegen Rankes Erkenntnisbegriff, der darauf abzielt zu erkennen, wie es denn eigentlich gewesen sei, die Frage setzt: Was denn gewesen ist? Worauf zielt das Wie, und worauf das Was? Gibt es im Hebräischen ein Äquivalent zum Wie? Ist das Wie nicht der Statthalter des Neutrum, des Inertialsystems, der Instrumentalisierung? Und gründet Heideggers Hypostasierung der Frage nicht darin, daß im Bannkreis des Wie die Frage nach dem Was objektlos wird (dieser Objektlosigkeit des Was entspricht die Neutralisierung des Himmels und die objektlose Angst: die Heroisierung des philosophischen Gestus)?
Waren nicht schon die Philosophie, und dann das Dogma die ersten Gestalten der Überwucherung des Was durch das Wie, des Namens durch den Begriff (der logische Grund der Verdinglichung des Himmels, des katholischen Mythos)?
Gegen Bloch: Nicht das Dunkel des gelebten Augenblicks begreifen, sondern das Hören hell machen.
Die Griechen haben den Winkel entdeckt, die Inder die Null (die über die Araber, den Islam nach Europa gekommen ist). Nach der Entfaltung der dogmatischen Theologie begann mit der Entwicklung des Trägheitsbegriffs die Geschichte der dritten Leugnung.
Weshalb hat der Teufel im Märchen eine Großmutter, während der König einen Sohn oder eine Tochter hat (Prinz und Prinzessin)?
Hat Franz Rosenzweig mit der Entdeckung, daß das Ich mit Vor- und Zunamen keine quantite neglegeable ist, nicht den Erkenntnisgrund der Prophetie entdeckt?
Zur Begriffsgeschichte der Heiden (deren Name als Projektionsfolie zu den Konstituentien des modernen Kirchenbegriffs gehört): Das Wort, das im Deutschen mit Heiden übersetzt wird, bezeichnet im Hebräischen und im Griechischen die „Völker“. Nur im Lateinischen gibt es ein Adjektiv, das die Heiden erstmals abweichend davon gesondert bezeichnet: paganus, die auf die Landbevölkerung verweist, ähnlich wie das hebräische am haaretz. Thomas von Aquin setzt in den Titel seiner Summa contra gentes den lateinischen Begriff für Völker, gentes, wieder ein. Wenn der Name der Heiden heute die nicht bekehrten Völker bezeichnet, klingt darin nicht der Name der Barbaren nach (die Logik des Hellenismus)? In der modernen Welt wurde dieser Name noch zugespitzt zu dem der Wilden (der gleichursprünglich zu sein scheint mit dem Begriff der „rohen Natur“).
Stimmt eigentlich der Satz, daß Hitler nicht der Antichrist war, sondern die Generalprobe? Kann es nicht sein, daß er es doch war, und wir den Weltuntergang bloß überlebt haben? -
17.6.96
Spital begründet die kirchliche Ablehnung des Priestertums von Frauen mit dem Hinweis auf die Einsetzung des Priestertums beim letzte Abendmahl, bei dem auch nur Männer zugegen gewesen seien. Hierzu einige Hinweise:
– zweimal verweisen die Evangelien auf das Gedenken: bei der „Einsetzung der Eucharistie“ und bei der Salbung Jesu;
– war die Teilnahme der Jünger nicht stumm und passiv, und waren es nicht die gleichen Jünger, die in Getsemane geschlafen haben und bei der Kreuzigung geflohen sind, während nur die Frauen Zeugen der Kreuzigung waren?
– Unter diesen Jüngern war der eine, der ihn verraten hat, und der andere, der ihn dreimal verleugnet hat.
– Ist nicht die Eucharistie zum Anfang der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, zum Kristallisationskern der Opfertheologie geworden?
Am Verständnis des Abendmahls entscheidet sich, ob Joh 129 in die Opfertheologie hineingehört, oder ob es ein Teil des Nachfolgegebots ist. (Johannes berichtet nicht über das Abendmahl, bei ihm steht an der Stelle die Geschichte von Fußwaschung. Im Johannes-Evangelium wird nicht Wein in Blut, sondern Wasser in Wein verwandelt. Ist nicht das Johannes-Evangelium das Auferstehungs-Evangelium?)
Wenn das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht ist, heißt das dann auch, daß es gnadenlos gegen die Gnadenlosen sein wird, daß es die Richtenden richten wird?
Hat Lillian Klein nicht ein für allemal klargemacht, weshalb das Buch der Richter ein prophetisches und kein historisches Buch ist?
Der real existierende Sozialismus war ein auf Verwaltung sich gründendes Herrschaftssystem, während der Faschismus als „naturwüchsige“ Volksbewegung sich konstituierte, die die „natürlichen“ Vorurteile aller mobilisiert und ausgebeutet hat. Der Faschismus lebte von der Symbiose („alle hatten das Gefühl, daß Hitler jeden persönlich angeblickt hat“).
Grundlage dieser Symbiose ist eine Emanation der Urteilsform, der Mechanismus der Verurteilung, ein Mechanismus, von dem die Theologie in der Geschichte der Dogmenentwicklung erstmals Gebrauch gemacht hat, und der in diesem Gebrauch sich konstituiert hat, und zwar sowohl im Urschismus (im kirchlichen Antijudaismus) als auch im „Kampf“ gegen die Häresien. Erkauft war diese Symbiose mit dem Ausschluß der Frauen aus der Theologie (und aus der Bekenntnisgemeinschaft, die ein Männerbund war).
Der Mechanismus der Verurteilung war das erste Produkt einer Vergesellschaftung der Philosophie, der Anfang einer Säkularisationsbewegung, an deren Ende die naturwissenschaftliche Aufklärung steht, die den Verurteilungsmechanismus im Inertialsystem (und schon in seiner erkenntnispraktischen Voraussetzung, in den „subjektiven Formen der Anschauung“) selber instrumentalisiert hat. Stabilisatoren dieses Verurteilungsmechanismus waren die Totalitätsbegriffe der Aufklärung: Wissen, Natur und Welt, die in diesem Prozeß erst entsprungen sind (war nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens des Pharao in der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen der erste prophetische Begriff dieses Prozesses? – Sind die drei Frösche der Apokalypse, die auf die ägyptische Froschplage zurückweisen, Symbole der Totalitätsbegriffe?).
Das theologische Konstrukt der creatio mundi ex nihilo war nicht nur eine Fortentwicklung des philosophischen Weltbegriffs. In Wahrheit war der Weltbegriff nur über dieses Konstrukt (über seine theologische Verarbeitung mit den Mitteln der Verurteilungsmechanik) zu halten. Der Preis dieser Fortentwicklung war zugleich sein Gewinn, der Mehrwert, der auf diesem Wege produziert worden ist und abgeschöpft werden konnte: die Verinnerlichung der vergöttlichten Herrschaft (die Verinnerlichung des Opfers). Das schlimme Wort aus dem katholischen Weltkatechismus, daß der erste Satz der Bibel, der von Himmel und Erde spricht, damit eigentlich die Welt meine, belegt, daß die Kirche nicht mehr weiß, wovon sie redet (oder weiß sie es nur zu genau?).
Zu den nachkatholischen christlichen Denominationen: Man kann nicht die Orthodoxie rezipieren und gleichzeitig die Philosophie, aus der sie hervorgegangen ist, verwerfen. Hier liegt der Grund, weshalb ich vom Katholizismus nicht lassen kann.
Zur Genese des pathologisch guten Gewissens (und der Verhärtung des Herzens): Die Fatalitäten des Schuldverschubsystems liegen darin, daß sie die Schuld selber unsichtbar machen, sie der Reflexion entziehen; dem verdanken sich die „Schuldgefühle“, die als Materie des Schuldverschubsystems leicht als „irrational“ sich denunzieren lassen, damit aber dem Herrendenken (das der Schuldgefühle der anderen sich bedient, dazu, nämlich zur Reproduktion dieser Schuldgefühle, der Religion und ihrer Institutionen bedarf) die Bahn freimachen, ihm die Widerstände aus dem Weg räumen. Die Befreiung von der Last wird zum Instrument der Unterjochung aller.
Heute beginnen die Dinge sich in eine Normalität zurückzuentwickeln, die es nach Auschwitz eigentlich nicht mehr hätte geben dürfen. Führt diese Normalität nicht aufgrund ihrer eigenen Logik zu dem Punkt, der in der Geschichte der drei Leugnungen als Selbstverfluchung sich enthüllt?
Hegel hat (in der Folge Kants) die Wahrheit zu einer Qualität des Urteils gemacht. Eben dadurch ist ihm das Wahre zum bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist, geworden.
Wenn Drewermann den Begriff der Lehre, zu dem er nur das Dogma assoziieren kann (und dessen jüdische Tradition er offensichtlich nicht kennt), verwirft, so bleibt in der Tat nur die Personalisierung übrig. Die Konfliktunfähigkeit Drewermanns gründet in der Unfähigkeit, im Licht des theologischen Begriffs der Lehre die Urteilsform zu reflektieren. Er bleibt dem Glauben an die Magie des Urteils, der im dogmatischen Theologieverständnis (und d.h. in der katholischen Tradition) begründet ist, verhaftet; deshalb kennt er zur therapeutischen Bearbeitung von Schuldgefühlen keine Alternative. Ebenso wie es einmal einen jüdischen Antisemisemitismus gegeben hat, scheint es heute einen katholischen (klerikalen) Antiklerikalismus zu geben.
Zum Verständnis des Rosenzweigschen Begriffs des „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ gehört die Einsicht, daß das Wissen auch im Denken gründet (nicht allein im Objekt). Diese Einsicht verdankt sich der kantischen Vernunftkritik, der Transzendentalphilosophie.
Mit der Sexualmoral hat die Kirche das Jesus-Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ verletzt (und die Welt von jeder Kritik freigestellt).
Die Empörungslust, die hier ihren Ursprung hat, und die jedes Geschwätz und jedes Gerede nährt, ist die Lust, über die die Erbsünde sich fortpflanzt, nicht die Sexuallust. Sie pflanzt sich über die Zunge fort, nicht über den Phallus. Die Empörungslust ist identisch mit der Urteilslust und der Augenlust (mit der Lust an dem Aufdecken der Blöße). Ist das Keuschheitsgebot nicht auch ein die Gotteserkenntnis leitendes Gebot?
Die Empörungslust gründet im Schuldverschubsystem, das mit ihr sich entfaltet und stabilisiert. Wäre die Reflexion dieses Schuldverschubsystem nicht heute der Schlüssel zur Theologie?
Die Empörungslust verhindert die Schuldreflexion; sie verhindert die Reflexion jener Mechanismen, von denen sie bewußtlos Gebrauch macht und deren Objekt sie selber ist.
Die Empörungslust ist Urteilslust, ein Ableger der in die Bekenntnislogik transformierten und zugleich verdrängten Sexuallust. Sie nährt sich vom Rachetrieb, den sie selber zugleich mit nährt. Dagegen steht das Wort „Mein ist die Rache, spricht der Herr“.
Gibt es ein griechisches Wort für den Ankläger, den Satan (wie heißt der Akkusativ im Griechischen?)? Und wie hängt der daimon (der böse oder auch der unreine Geist der Evangelien) mit dem Ankläger zusammen? Gibt es den daimon (auch den sokratischen) erst, seit es den Weltbegriff gibt? Hat die Austreibung der Dämonen (und der daraus abgeleitete kirchliche Exorzismus, auch der Hexenwahn) etwas mit der Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs zu tun (ebenso wie die Krankenheilungen, die Totenerweckungen und die Sündenvergebung)?
Hat nicht Franz von Assissi diesen Zusammenhang noch gekannt, als er dem Mitbruder, der für die Einführung der Studien sich einsetzte, entgegenhielt: Unus daimon plus scit quam tu?
Ankläger ist der kategoros, kategor; Anklage die kategoria, und anklagen kategoreo. Also ist die Kategorienlehre eine Theorie der Anklage.
In ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft (Stuttgart 19902) nennt Hadumod Bußmann den grammatischen Begriff Akkusativ (lat. casus accusativus) eine „Fehlübersetzung von griech. ptosis autiatike, Kasus des Bewirkten“ (S. 57). Sind im Griechischen nicht Ursache und Grund (aitia) und die Schuld noch ungeschieden; und verweist nicht der Name der Kategorie (des Begriffs) über die Anklage an die Schicksalsidee, aus der der Begriff hervorgegangen ist? Der Akkusativ ist der eigentlich Objekt-Kasus, der durch diesen Namen in den Kontext des Gerichts (der Anklage und des Richtens) gerückt wird. Gründet nicht die kantische Lehre von den synthetischen Urteilen apriori, die Deduktion der Kategorien, in der Apriorisierung des Objekts durch die subjektiven Formen der Anschauung (durch die transzendentale Ästhetik)?
Im Griechischem gibt es den Parakleten, den Beistand, den Verteidiger.
Das „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist der Stachel im Fleisch der griechischen, insgesamt der indoeuropäischen Sprachen.
Das Dogma entspringt mit der Verschiebung der Urteilslust auf die Sexuallust (mit dem Ursprung der Sexualmoral); die Freigabe der Urteilslust durch die Sexualmoral (die aufs engste mit der Geschichte des Zölibats zusammenhängt) ist der apokalyptische Unzuchtsbecher.
mit der Bekenntnislogik, die den Namen leugnet, indem sie ihn bekennt, ist der unreine Geist in die Theologie eingedrungen.
Mizrajim:
– Steckt darin mi und sara? Und gehört zum Namen Mizrajim nicht die Geschichte von Abraham und Sara in Ägypten (taucht hier vielleicht der Name Ägyptens zum erstenmal auf)?
– Hängen die Namen Mizrajim und Israel mit einander zusammen (Mizrajim wird mit Sade, Israel mit Sin geschrieben, ebenso Sara)?
Mit dem „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, hat Kant den Grund der Idolatrie und seiner modernen Denomination, des Nationalismus (der Nationalismus ist der durch den Weltbegriff modifizierte Götzendienst), benannt.
Als Jesus am Kreuz starb, hat die Erde gebebt, ist der Vorhang des Tempels entzweigerissen. Als er auferstand, da gab es keine Pauken und Trompeten, nur das leere Grab, und die ersten, die ihn sahen, erkannten ihn nicht.
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16.6.96
Zeugen der Kreuzigung waren die Frauen, Zeugen der Auferstehung waren nach Maria Magdalena die Apostel. Ist nicht darin das Schicksal der Kirche vorbezeichnet gewesen? War nicht das Dogma (und mit ihm die Confessio: das Bekenntnis und die Konfession) der Fluchtpunkt des männlichen Verhaltens in den Anfängen?
Die Idee des Jüngsten Gerichtes widerspricht der Vorstellung, daß der Tod alle gleichmacht.
Instrumentalisierung: Wird der Katholizismus heute nicht zu einer Gemeinschaft der verbiesterten Frommen, die es nur noch als Erscheinung, als „Vorbilder“ für andere sind?
Zur Frage der Sündenvergebung:
– die Taufe des Johannes,
– vergeben wird dem, der anderen vergibt,
– Verstockung: „daß sie sich nicht bekehren und keine Vergebung finden“ (Mk 412),
– die Heilung des Gelähmten,
– „ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt“,
– die Sünde wider den Heiligen Geist,
– wenn ihr betet, so vergebt dem, der etwas gegen euch hat,
– „in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt allen Nationen, anfangend von Jerusalem“,
– wem ihr die Sünden vergebt (behaltet), dem sind sie vergeben (behalten). (Die einzige Stelle im Johannes-Evangelium, 2023)
Das Inertialsystem als Generalamnestie: Ist das nicht die Quelle der Inspiration Drewermanns?
Der Kapitalismus hat die Schuld von der Sünde getrennt; er „läßt den Armen schuldig werden“. Hier gründet die Logik, für die das Schuldigwerden mit dem Erwischtwerden zusammenfällt. Steckt diese Logik nicht schon in Hegels Begriff des Handelns, der allein auf dessen objektive Manifestation abstellt; die Gesinnung, die „bloße“ Absicht und das „abstrakte“ Sollen werden unerheblich.
Verhält sich nicht der Sabbat zur dies dominca wie die Erfüllung des Worts zur Erfüllung der Schrift? Der Sabbat ist der Tag, an dem Jesus im Grab gelegen hat; und es war Joseph von Arimathäa, der ihn am Vorabend des Sabbat vom Kreuz abgenommen und in sein Grab gelegt hat, in das gleiche Grab, das am „Ostermorgen“, am Tag nach dem Sabbat, leer war.
Die Augenlust ist die Urteilslust, der Zwang, das Gesehene einzuordnen.
Gründet das Rosenzweigsche Wort vom „hintertückischen, verandernden Wissen des Denkens“ nicht in dem kantischen Satz vom „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“, auf das Einheitsprinzip der transzendentalen Logik, den Grund des kantischen Begriffs der Erscheinungen? Das „meine Vorstellungen begleitende Denken“ macht sie zu „meinen Vorstellungen“, begründet eine Art Eigentumsordnung der Vorstellungen (zusammen mit dem rechtlich faßbaren Begriff des Plagiats). Ist nicht die Eigentumsordnung, deren Urheber und Garant der Staat ist, das Organisationsprinzip der transzendentalen Logik? Gründet nicht der Nationalismus (und mit ihm die Xenophobie, in letzter Konsequenz der Antisemitismus) in der Organisation der instrumentalisierten Vernunft, deren gegenständliches Korrelat die in Natur und Welt aufgeteilte Objektivität ist?
Die Lichtgeschwindigkeit ist die Asche der Teleologie.
Augenschein als Ideologie: Das Auge „scheint“ nicht, sondern wird vom Schein des Lichts getroffen.
Ist nicht die Fallbeschleunigung die Pforte der Hölle (der Grund des Zeitkontinuums)?
Mit dem Himmel hat der katholische Mythos auch die Hölle verräumlicht, die ihr innewohnende Beziehung zum Herrendenken, zur Vergangenheit, zum Tod, durch Ideologisierung unkenntlich gemacht. -
15.6.96
Als Hegel die Antinomien der reinen Vernunft aus der transzendentalen Ästhetik in die transzendentale Logik transformierte, hat er die Logik ästhetisiert. Die Spuren davon sind in der Hegelschen Logik nachzuweisen, insbesondere im Stellenwert und in der Funktion des Begriffs des Scheins, aber auch im Konzept der „List der Vernunft“ und nicht zuletzt in der Idee des Absoluten selber. So ist die Hegelsche Logik zur dialektischen Logik geworden.
Sind nicht die von Daniel Goldhagen herausgearbeiteten Elemente des deutschen Vernichtungs-Antisemitismus in Strukturen aufzuweisen, die den Faschismus deshalb überlebt haben, weil er nie wirklich aufgearbeitet worden ist, insbesondere in der schrecklichen Neigung der Deutschen, sich ständig in den Augen der anderen (des „Auslands“) zu sehen? Dem entsprechen die öffentlichen Reaktionen auf Anschläge auf Ausländer, an denen ein deutscher Innenminister nur schlimm fand, daß sie „im Ausland“ einen so schlimmen Eindruck machen? (Wenn es das Ausland nicht gäbe, dann dürften wir’s?) Die Taten selbst und ihre entsetzlichen Folgen wurden nicht einmal wahrgenommen. Seitdem laufen alle Meldungen über Anschläge auf Wohnungen, in denen Ausländer wohnen, solange die Täter noch nicht ermittelt wurden, mit der stereotypen Erklärung, „ausländerfeindliche Motive“ seien nicht erkennbar.
Nach 68 haben wir eine Form der Auseinandersetzung mit dem Faschismus gefunden, die es nicht mehr nötig hat, wirklich an die Wunde rühren. Auch das ist ein Resultat der „68er Bewegung“, die aus dem Bann der Logik ihrer Eltern nie herausgetreten ist.
Hat die Grundthese Daniel Goldhagens nicht schon in den „Minima Moralia“ gestanden: in dem Hinweis auf das Gespräch im Eisenbahnabteil, das in seiner Konsequenz auf einen Mord hinausläuft? Diese Gespräche gibt es auch heute noch, nur daß niemand mehr die Sensibilität aufweist, die die Voraussetzung wäre, um die Konsequenzen dieser Gespräche noch wahrzunehmen.
Was hat Jean Amery, Primo Levi, Paul Celan in den Selbstmord getrieben, wenn nicht die Erfahrung, daß die schrecklichen Erinnerungen am steinernen Herz der Gegenwart abgeprallt sind, die Öffentlichkeit nicht erreicht haben?
Es gibt einige Lieblingsvokabeln der deutschen Medien, an denen man das demonstrieren kann. Dazu gehört das Adjektiv „selbsternannt“, auch der Hinweis von Autoren, die mit dem Faschismus sich befassen, daß es ihnen nicht darauf ankäme, „das Entsetzen zu konservieren“. Hier trifft sich die prinzipielle Gehorsamsbereitschaft gegenüber dem Bestehenden mit dem drohenden Hinweis, daß man auf die Gefühle derer, die den Schrecken und das Entsetzen nicht mehr loswerden (die sie „konservieren“), keine Rücksicht mehr zu nehmen braucht. So wurden die letzten, die sich noch erinnerten, unter Quarantäne gestellt, als wären sie Aussätzige.
Haben die Emotionen, die das Stichwort „Rinderwahnsinn“ provoziert, die nicht unbegründet sind, nicht auch etwas mit diesem verdrängten antisemitischen Bodensatz zu tun?
Die antisemitische Tradition wurde u.a. konserviert durch eine Tradition, die von den Flüchtlingswitzen nach dem Krieg bis hin zu den Türkenwitzen der 80er Jahre reicht, bevor diese Tradition dann in einer manifesten Ausländerfeindschaft explodierte. Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen dem Antisemitismus und einer Witz-Tradition, zu der auch die an Stammtischen wie in der Politik allgegenwärtigen sexistischen Zoten gehören, an denen die Mechanismen der Demütigung des Opfers und der Komplizenschaft der Lachenden sich demonstrieren lassen.
Dazu gehört auch eine Logik, die in völliger Umkehrung der Grundsätze der Gastfreundschaft davon ausgeht, daß Fremde als „Gäste“ in Deutschland sich anzupassen haben.
Wer an diese Dinge erinnert, wird prompt darauf hingewiesen, daß es diese Dinge doch nicht nur in Deutschland gibt, sondern auch in den USA, in Frankreich, in Polen und wer weiß, wo sonst noch. Als ob das eine Entschuldigung wäre.
Sind nicht Vorurteile generell synthetische Urteile apriori, und ist nicht eines der ersten das antisemitische Vorurteil? Das kantische „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ ist zum logischen Repräsentanten des Kollektivs, des Nationalismus und seiner Derivate geworden.
Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit hat Einstein die Lichtgeschwindigkeit und den ganzen Bereich der Erscheinungen, auf den sie sich bezieht, von der empirischen auf die systemische Ebene verschoben. Es war die besondere Leistung der „Kopenhagener Schule“, daß sie, indem sie Einstein für veraltet erklärte, diese Einsicht verdrängt hat. Das gilt vor allem für ihre deutsche Version, für die Gruppe um Heisenberg und Weizsäcker. So brauchten sie sich um die Irritationen der speziellen Relativitätstheorie nicht mehr zu kümmern, ersparten sich aber zugleich die Peinlichkeiten der „deutschen Physik“.
Wird nicht heute das Konzept der Gewaltenteilung dadurch obsolet, daß die Gewalt, um deren Teilung es geht, aus der Politik in die Ökonomie gerutscht ist? Gesetzgebung, Verwaltung und Richten: Heute vereinigt sich das in der Gewalt, die im Tauschprinzip (im Wertgesetz, in der normativen Gewalt des Marktes) sich verkörpert.
Ist nicht die Gewaltenteilung ein Säkularisat der Trinitätslehre und durch sie vorbereitet? Und hängen nicht beide auf eine unterirdische Weise mit der Dreidimensionalität des Raumes, mit den Verdrängungsprozessen, in denen dieses Konstrukt sich konstituiert, zusammen: mit der Abstraktion von den qualitativen Differenzen der räumlichen Dimensionen?
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