Naturwissenschaft

  • 1.5.1997

    „…, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“: In die weite, weite Welt (ins feindliche Leben) geht nur der Mann; ist der Grund der Sorge die Frau? Und was Heideggers „Sorge“ hiermit zu tun (kommt die Frau in Sein und Zeit überhaupt vor)?

    Einstein: der Uriel da Costa der Physik.

    Das Eingedenken der Natur im Subjekt ist ein Versuch, gegen die Schwerkraft anzudenken (die Logik ist die Gravitationsbahn des Denkens). Der Hintergrund, vor dem die Schwerkraft sich manifestiert, ist nicht die Ruhe der Trägheit, sondern der Sturz, den das Trägheitsgesetz limitiert, begrenzt. Diese Begrenzung wird im Schöpfungsbericht dargestellt. Der erste Schritt hierzu ist die Erschaffung des Lichts. Die Schwere erzeugt den Schein der Reversibilität, die der Grund der Objektivierung des Lichts, des Hervortretens der Lichtgeschwindigkeit, ist.

    Das Licht ist der Repräsentant der Sprache im Schöpfungsbericht, das erste Werk des göttlichen Worts und die erste Antwort auf dieses Wort. Wenn die üblichen Übersetzungen die beiden jehi or (in Gen 13) unterschiedlich übersetzen, das erste im Imperativ, das zweite im Präteritum, wird übersehen, daß diese Unterscheidung durch den hebräischen Text nicht determiniert ist.

    Erst die subjektiven Formen der Anschauung (das Werk des zweiten Tages: die „Feste des Himmels“) haben das Wort stumm gemacht, die Bedingungen und Voraussetzungen zur Objektivation des Lichts geschaffen.

    Das ewige Licht: Lux aeterna luceat eis, Domine.

    Vorn und hinten wird, wenn es von der Seite (von einem andern) gesehen wird, zu links und rechts.

    In der verdinglichten Welt wird die Freiheit der Schuldreflexion zur Wahlfreiheit.

    Das Hinter dem Rücken (die List der Vernunft, die Hinterhältigkeit, die Gemeinheit, die Niedertracht) gibt es nur unter den Bedingungen der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (des Seitenblicks).

    Theologie im Angesicht Gottes: Wer die Ethik als prima philosophia begreift, begreift, daß Gott – außer für uns – keine Rückseite hat.

    Stehen nicht die Kirchenspaltung und die Konfessionalisierung des Christentums unter dem Bann seines Ursprungs: des Urschismas und der Urhäresie?

    Mene tekel upharsin: Wenn die Naturwissenschaften die freie Phantasie diskriminieren, so diskriminieren sie damit die Reflexion, das Medium der Kritik der Naturwissenschaften. Diese Diskriminierung gehorcht dem Rechtfertigungszwang, den die „subjektiven Formen der Anschauung“ verkörpern. Naturwissenschaftliche Erkenntnis ist eine Verkörperung des Schuldverschubsystems; darin gründet ihre Beziehung zur Naturbeherrschung.

    Die Apokalyptik, der Glaube, sowie Dogma, Orthodoxie und Bekenntnislogik gründen in der Beziehung von Hören und Sehen.

    Stephan Wyss: Passagalia, S. 38f: Der entscheidende Hinweis auf den patriarchalischen Ursprung der hierarchischen Logik (vgl. auch S. 47ff, die Bemerkungen zum Titel fidalgo, Hidalgo, seine Beziehung zum Begriff des Erbes, der zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört: Ist nicht Jupiter Gottvater?). Bezieht sich hierauf Lk 117?

    Der Nominalismus, soweit er auf den Vorrang des Individuellen abstellt, ist wahr. Und der Satz „Name ist Schall und Rauch“ gilt dem Begriff, nicht dem Namen (steckt in „Schall und Rauch“ die Erinnerung an den Schall der Posaunen und die Gebete der Heiligen?). Die Mathematik ist der verwehte Schall.

    Ist das heliozentrische Konstrukt des Kopernikus das ezechielische Leichenfeld, und bezieht sich das „gewaltige Getöse“ in 2 Pt 310 auf Ez 377?

    Num 13: Kaleb, Jephunnes Sohn, war aus dem Stamme Juda, Hosea, der Sohn Nuns, aus dem Stamm Ephraim.

    Haben die zehn Versuchungen Gottes, an die Num 1422 erinnert, etwas mit den zehn Schöpfungsworten und dem Dekalog zu tun?

    Anstatt 2 – 5 Mos (Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium) auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, um dann die Abweichungen dem „biblischen Autor“ als Fehler anzukreiden, käme es vielmehr darauf an, die Konstellation dieser Bücher genau zu bestimmen: Hier wäre zu erinnern an die Doppelfassungen des Dekalogs (2 und 5 Mos), des Fluchs (3 und 5 Mos), sowie an den Zusammenhang des Levitikus mit dem nicht erfolgten Opfer in der Wüste beim Exodus (der „Greuel der Ägypter“ wurde nicht geopfert), die zunächst verschobene, dann eingeschränkte Landnahme nach den zehn Gottesversuchungen durch die Israeliten in der Wüste; danach folgen Josue, Richter, Samuel und Könige als prophetische Bücher.

    Heute geht der Fortschritt über zum zweiten Angriff auf die Erinnerung: zur zweiten Phase der Selbstzerstörung der Tradition. Das wäre unter anderem an der gegenwärtigen Entwicklung der Medizin zu demonstrieren. Die erste Phase fällt zusammen mit der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften (der Geschichte der Hexenverfolgung: der Vertreibung der Frauen aus der Medizin und der Patriarchalisierung der „Geburtshilfe“).

    Das Dogma verletzt das sexualethische Gebot, das sich gegen die Urteilslust, nicht gegen die „sexuelle Lust“ richtet. Im Banne der Urteilslust wird die Idee des seligen Lebens reduziert auf die „Anschauung Gottes“, die die Theologie im Angesicht Gottes ersetzt. Hier wurde das Bekenntnis vom Handelns getrennt. Dagegen richtet sich der Schluß des Sterns der Erlösung.

    Ich, Es und Über-Ich verhalten sich wie Welt, Natur und Bekenntnislogik.

  • 30.4.1997

    Aufklärung ist präventive Apologie des Autismus (des Atheismus).

    Bekenntnislogik: Über den Verräter verliert man den Feind aus dem Blick. Solidarität ohne Komplizenschaft ist nicht instrumentalisierte Solidarität. Die Instrumentalisierung der Solidarität ist nur über die Instrumentalisierung des Feindbildes möglich, das aber heißt: duch einen Mechanismus, durch den der Feind apriorisiert, durch das Bild (durch ein synthetisches Konstrukt) ersetzt und so aus dem Blickfeld gerückt wird.

    Alle Feindbilder suchen „den Juden“. Der Antisemitismus ist das Grundmodell der Feindbildlogik, der sozialisierte Traum des Nebukadnezar.

    Ist nicht auch die kopernikanische Wende, das heliozentische System, durch die Bekenntnislogik determiniert?

    Wie man den Kopf oben behält: Am Ende nur gemeinsam.

    Es gibt eine Korrespondenz der Gegenwart zur Evolutionsgeschichte, die im Nationalsozialismus erkennbar wird (der Name Faschismus verharmlost den singulären Nationalsozialismus durch Verallgemeinerung).

  • 25.4.1997

    Der Staat verkörpert den „Seitenblick“, das Prinzip der Vergesellschaftung, das dem Begriff der Wissenschaft und den Totalitätsbegriffen Wissen, Natur und Welt zugrundeliegt. Der Staat trennt das Erkennen vom Wissen.

    Gestapo: Die apriorische Feindbeziehung der Aufklärung und die ihr immanente Tendenz zur Paranoia läßt sich am polizeilichen Gebrauch dieses Begriffs in den staatlichen Ermittlungs- und Verfolgungsbehörenden ebenso demonstrieren wie an der Affinität der wissenschaftlichen Bibelkritik zum Antisemitismus.

    Ist der Zettelkasten des Wissenschaftlers das Äquivalent der Asservatenkammer der Kriminalpolizei?

    Wissenschaftliche Kritik: Ist nicht Wissenschaft ein „großer Jäger vor dem Herrn“, der sich dadurch beweist, daß er jemanden zur Strecke bringt? Und jedes Gericht über eine vergangene Gestalt des Wissens muß den Schein erzeugen, es sei das Jüngste.

    Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Insignien der Naturbeherrschung, sie verletzen das Bilderverbot in seiner Wurzel.

    Heute geht es nicht mehr um die Rettung der Kirche(n), heute geht es um die Selbstreflexion des steinernen Herzens.

    Das „Kennen“ in der Buber’schen Übersetzung von Jer 3134 ist ein Indiz für den strategischen Grundzug der Buber’schen Bibel-Übersetzung. Es verwischt das „Erkennen“, ähnlich wie Buber die Substanz des Wortes verdrängt, wenn er die Namen der Armen, der Fremden, der Barmherzigkeit, auch der Gnade, aus der Schrift tilgt.

    Zu Huld und Gnade: Hierzu ist zu erinnern an den letzten Satz des Jakobusbriefs, der den Begriff der Gnade im Bilde der Bekehrung des Sünders aufs genaueste vor Augen stellt. Er macht das Nicht-Gelingen der Bekehrung zur Schuld, aber das Gelingen nicht zum Verdienst, sondern zur Gnade. Es bleibt ein Rest, der nicht in meiner Hand liegt. Dieser Sachverhalt wird durch den Begriff der Huld, der an einen durch den Feudalismus geprägten christlichen Sprachgebrauch erinnert, verwischt; dieser Begriff bindet die theologische Sprache ans Herrendenken. Huld ist ein Attribut des gnädigen Herrn, das auf andere Weise und aus anderem Grunde als die göttliche Gnade unverfügbar ist.

    Dieses Mißverständnis hat seinen sprachlichen Grund in der gleichen Logik, die die indoeuropäischen Sprachen von der hebräischen trennt: die Verzeitlichung der Verben, der Formen ihrer Konjugation. Das hebräische Perfekt ist aufs Gelingen einer Handlung bezogen, das griechische (wie das lateinische, auch das deutsche) auf ihren zeitlichen Abschluß: auf die „vollendete Vergangenheit“.

    Zum Verständnis des Bilderverbots: Die Erkenntnis des Namens ist nicht durch „Einbildungskraft“ (durch Subsumtion unter die subjektiven Formen der Anschauung) vermittelt. Der Leitfaden dessen, was Adorno die „exakte Phantasie“ nannte, ist die Sprache, nicht das Anschauen, ist die benennende Kraft der Sprache.

    Der Begriff des Ewigen bezeichnet nicht das Überzeitliche, sondern den Zeitkern der Wahrheit.

    Wird der „Missionsauftrag“, der am Ende des Matthäus-Evangeliums an die elf Jünger ergeht, nicht erst verständlich im Kontext des letzten Satzes des Jakobusbriefes, der an die „zwölf Stämme in der Zerstreuung“ adressiert ist? Kann es sein, daß „wir“, die „Kirche aus den Heiden“ gar nicht gemeint sind? Ist das Christentum nicht immer noch der „eine Sünder“, über dessen Bekehrung im Himmel größere Freude sein wird als über 99 Gerechte? Und ist Israel, das wir verworfen glauben, nicht der Adressat, an den der Bekehrungsauftrag gerichtet ist?

    Gehört zum Traum des Nebukadnezar – wie zur Apokalypse überhaupt – die Konstellation „Völker, Nationen und Sprachen“? Und beziehen sich die „Stämme“, die die Johannes-Apokalypse hinzufügt, auf die zwölf Stämme Israels (die zwölf Stämme in der Zerstreuung)? Zitiert Johannes hier den Jakobusbrief?

    Verhalten sich die „zwölf Stämme in der Zerstreuuung“ zu den „Wegen des Irrtums“ wie der Tierkreis zu den Planeten, der Dominus Deus Sabaoth zum heliozentrischen System (zu den „Sternendienern“ des Talmud)?

    Zum letzten Satz des Jakobusbriefs: Ist die Umkehr der Christen die Rettung Israels vorm Tod? Aber müßte diese Umkehr und diese Rettung nicht die Toten in Auschwitz mit einschließen? Liegt hierin nicht das Problem des „Kleiner- und Unsichtbarwerdens der Theologie“?

    Das Planetensystem ist der Inbegriff der Instrumentalisierung der Ziele, einer Welt, in der es kein Wohin, aus der es keinen Ausweg mehr gibt, der Welt, die „alles (ist), was der Fall ist“. Das Realsymbol dieser Welt ist Auschwitz.

    Die kopernikanische Wende und das heliozentrische System haben für die Naturerkenntnis die gleiche logische Funktion und Bedeutung wie der Staat für die Ökonomie. Ist die Astrophysik das naturwissenschaftliche Pendant des Neoliberalismus, der Einheit von Globalisierung und Privatisierung (und die Mikrophysik das Pendant der Betriebswirtschaftslehre)?

  • 24.4.1997

    „Der Junge blieb vor dem Fenster stehen und starrte hinaus: ‚Der Mondschein‘, sagte er, ‚macht die ganze Natur so – knochenlos; die Sonne erweckt in dem Menschen Tatendrang, der Mond Gefühle.‘ – ‚Ja, das ist wahr‘, sagte Wenzlow lächelnd. ‚Darum ist die Sonne im Französischen männlich, le soleil. Der Mond, la lune, ist weiblich.’“ (Anna Seghers: Die Toten bleiben jung. Darmstadt und Neuwied, 1977, S. 386) Welche Konsequenzen hat diese Bemerkung für das Verständnis der deutschen Sprache, ihres sprachlogischen und herrschaftsgeschichtlichen Grundes?

    „Sie wachte zuweilen nachts auf und dachte: Ich möchte mein Kind aufpacken und weit weggehen. Wohin? Es gab kein Wohin mehr.“ (Ebd. S. 402) – Genauer läßt sich die Welt, die im Faschismus sich ausdrückte und die er hinterlassen hat, nicht beschreiben, als durch diese Zerstörung des Wohin. Es gibt keine Ziele mehr, auch keine Fluchtorte vor dem allgegenwärtigen Schrecken.

    Dritte Leugnung: Die Unterstützung des Nationalsozialismus im Rußlandfeldzug, im „Kreuzzug gegen den Bolschewismus und das Judentum“, in dem „Weltanschauungskrieg“, der ein Vernichtungskrieg war, hat die Kirchen in den Abgrund mit hereingezogen, den die Nazis eröffnet haben, und der sich seitdem nicht mehr schließen läßt.

    Ist F.W. Marquardt nicht ein Beispiel dafür, daß die Theologie heute eine Opfer ihrer Sprache ist? Der Abgrund, in den die Theologie hereingezogen wurde, ist der Abgrund der Indikativs. Der Indikativ ist die Sprache der Exkulpation durch Objektivierung, durch Distanzierung von der Sache, die Sprache der reflexionslosen Verurteilung. Die Konstituierung und Rechtfertigung der Gegenständlichkeit hat den Imperativ aus der Sprache vertrieben, der dem Kommando im Wege stand, er hat den Namen Gottes geschändet, die Attribute Gottes unerkennbar gemacht.

    Der sprachlogische Grund des Indikativs ist das Neutrum und die Subsumtion Flexion der Verben, der Formen der Konjugation, unter die Zeit. Deshalb hat nur die Sprache der Schrift, das Hebräische, theologische Qualität, die anderen Sprache nur insoweit, wie es gelingt, die Schrift in diese Sprachen zu übersetzen. Ist das „Neue Testament“ nicht das Paradigma des Problems der Übersetzung der Schrift, und das Christentum die Folge eines – unter dem Zwang, nicht mißverstanden zu werden – unvermeidlichen und notwendigen Mißverständnisses?

    Der Antisemitismus hat den Trieb, nicht mißverstanden zu werden, vollendet und damit endgültig ins Leere laufen lassen. Er gründet in einer Sprache, die Mißverständnisse nicht nur nicht ausschließt, sondern keine Alternative mehr dazu kennt. Das innere Gesetz dieser Sprache ist der Indikativ. Hegel hat den Kern dieses Gesetzes im Begriff der List der Vernunft zu begreifen versucht. Der Antisemitismus ist das natürliche Ende dieser List der Vernunft (der Instrumentalisierung des Mißverständnisses).

    Die Instrumentalisierung des Mißverständnisses begründet die Logik der Gemeinheit (den logischen Kern des Antisemitismus). Kant hat das Gesetz dieser Logik in der transzendentalen Ästhetik vor Augen gestellt: in den „subjektiven Formen der Anschauung“. Aus dieser Wurzel stammen Hegels List der Vernunft, sein Begriff des Scheins und die Idee des Absoluten. Dem korrespondieren die drei den Indikativ sprengenden Kategorien, die Franz Rosenzweig im Stern der Erlösung benannt hat: die Umkehr (das Bild vom Koffer), den Namen (Name ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht. – Das Angesicht, das in der christlichen Idee der Anschauung Gottes, aus der jede Erinnerung an den göttlichen Namen getilgt ist, zum Ende der spekulativen Idee gemacht worden ist, ist bei Franz Rosenzweig der Anfang des Lebens (die Befreiung aus der Isolationshaft des Anschauens).

    Der Indikativ ist die Sprachlogik des objektivierenden Blicks, des Seitenblicks. So hängt er mit den subjektiven Formen der Anschauung (dem Instrument der Vergegenständlichung) zusammen.

    Der christliche Kanon der Schrift (des „Alten Testaments“), der die prophetischen Bücher zu historischen Büchern gemacht hat, ist ein Modell der kopernikanischen Wende, sein Vorläufer in der Theologie, der erste Ausdruck des Seitenblicks, sein Preis war der christliche Antijudaismus. In diesem Modell der kopernikanischen Wende waren die Elemente der Logik schon vorgebildet, die dann den Sternenhimmel, die ganze Natur und mit ihnen den Staat, den Begriff der Politik, verhext haben: Das heliozentrische System war der logische Grund des aus ihm erwachsenen Nationalismus, in dessen Dienst schon die Umwidmung der prophetischen in historische Bücher stand.

    Die Geschichte des Christentums hat ihren theologischen Ort zwischen Tod und Auferstehung: in der descensio ad inferos.

    Läßt sich nicht das Verhältnis von Leviticus und Deuterinomium am Verhältnis von Lev 26 und Dt 28 demonstrieren (und das Verhältnis des Exodus zum Deuteronomium an den beiden Fassungen des Dekalogs)?

    Der islamische theologische Topos, daß Gott die Welt in jedem Augenblick neu erschafft, ist die zwangsläufige Konsequenz einer Gottesidee, die – wie der Begriff des Absoluten – vom Staat nicht zu trennen ist. Die volle Schöpfungsmacht, die hier in jedem Augenblick auf das Geschöpf prallt, ist der theologische Grund des Islam, der Ergebung in Gottes Allmacht, der nichts widerstehen kann. Die Erfahrungsgrundlage dieser Schöpfungsmacht ist die Staatsgewalt.

    Sind nicht die Rechtsstaatsideologie und der Habermas’sche Verfassungspatriotismus ein Versuch, des faschistischen Erbes, das durch Reflexion aufzulösen wäre, durch einen zweiten Objektivationsschritt Herr zu werden: „Dressur des inneren Schweinehundes“. Die Reflexion, die heute notwendig ist, ist ohne die Hilfe der Theologie nicht mehr zu leisten.

    Zu Walter Benjamins Engel der Geschichte: Die Trümmer, die vor ihm sich aufhäufen, ist das nicht der Schutt, unter dem wir begraben sind, und zugleich der Leichenberg, auf dem wir stehen? Hängt das nicht mit der Konstruktion des Zeitkontinuums zusammen, durch den wir uns sowohl an den Anfang wie auch ans Ende der Zeitreihe, die beide im Unendlichen liegen, setzen? Die Aufspaltung der Zeit, die dem Indikativ zugrunde leigt, wird erzeugt und stabilisiert durch die Begriffe Natur und Welt. Die Natur ist der Leichenberg, die Welt der Trümmerhaufen. Dagegen richtet sich der Satz: Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.

    Der Atheismus hat in der Linken seit je die Regression gefördert.

    Das Problem Miskottes ist, daß er aus dem Zwang zur Erbaulichkeit, in den ihn die Gemeindetheologie hineinführt, nicht herauskommt.

    Die Kirchengeschichte der Theologie: Dogma, Orthodoxie und Bekenntnislogik, gründet in der Verwechslung von Erkenntnis und Wissen. Das Wissen ist ein Produkt der Vergesellschaftung von Erkenntnis (die Habermas durch seinen Begriff der „privilegierten Erkenntnis“ zu diskriminieren gezwungen ist). Das Wissen subsumiert die Erkenntnis unter das Objektivierungsgesetz, das insbesondere die Gotteserkenntnis strikt ausschließt. „Von Gott wissen wir nichts, aber dieses Nichtwissen ist Nichtwissen von Gott.“ Das Unkraut, das vor der Ernte nicht ausgerissen werden darf, ist die ins Wissen transformierte Erkenntnis. Die Häretiker sahen das Unkraut, sie wollten es vor der Ernte ausreißen. Mit der Verurteilung der Häresien hat die Kirche nur den Blick auf das Unkraut verboten, seine Wahrnehmung untersagt: hat sie nicht anstelle des Weizens das Unkraut in ihrem Garten gehegt und gepflegt?

    Die kopernikanische Wende (der die Kirche mit der Entwicklung des Dogmas und der Ausbildung der Orthodoxie vorgearbeitet hat) hat die Sensibilität in Empfindlichkeit verwandelt. Ausdruck dessen war die Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten, die Subjektivierung der „Empfindungen“.

    Steckt das Problem des Lichts nicht in der Geschichte der Auseinandersetzung Goethes mit der newton’schen Optik, in der Beantwortung der Frage, ob aus den Farben, aus den Brechungen des Lichts, das Licht sich rekonstruieren läßt? Goethes Bemerkung, daß die Mischung aller Farben grau, nicht weiß ergibt, ist ein Hinweis darauf, daß die Brechung des Lichts wie der Tod irreversibel ist. Physikalischer Ausdruck dieser Irreversibilität ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: So hängt der Bogen in den Wolken mit dem Inertialsystem zusammen.

    Was hat der Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit dem Bogen in den Wolken zu tun?

    Der Bogen in den Wolken verkörpert die Naturbeherrschung in allen ihren Gestalten: Er ist das gegenständliche Korrelat des Schreckens der Tiere.

  • 23.4.1997

    Ist nicht der unbewegte Beweger der Inbegriff aller Gewalt, die alles bewegt, aber sich selbst durch nichts bewegen läßt: die Imago der mitleidslosen Herrschaft? Der unbewegte Beweger ist der Prototyp des Faschismus, das theologische Trägheitsprinzip, in dessen Licht die ganze Welterfahrung neu organisiert werden mußte. Die erste vollendete Gestalt dieser Neuorganisation war die aristotelische Philosophie.

    Der Gott, den etwas gereut, ist kein unbewegter Beweger.

    Gewalt ist ein Ausdruck der Ohnmacht, die selber ein Reflex der versteinerten Welt ist.

    Um die Theologie zu retten, um sicherzustellen, daß die Natur nicht das letzte Wort behielt, brauchte Thomas von Aquin die Übernatur (ein Produkt der gleichen Kompromißbildung, der auch schon die Vergöttlichung Jesu sich verdankte). Das Reich der Freiheit war (und blieb) eines Sinnesimplikat der oberen Welt.

    Wenn die Inkarnation ein theologischer Begriff ist, dann steht auch sie im Imperativ, nicht im Indikativ (hängt der johanneische Fleischbegriff mit dem der Inkarnation zusammen?).

    Das Portrait hat das Angesicht gebannt und dem Raum die freie Entfaltung ermöglicht. In diesen Kontext gehört das „Haupt voll Blut und Wunden“. Spiegelt sich nicht in der Unterscheidung von Haupt und Angesicht die von Fleisch und Leib (und gibt es deshalb die Enthauptung als Todesstrafe)?

    Was bedeutet es, wenn man in China „sein Gesicht verlieren“ kann?

    Wie kann einer Christ sein, der das Scheitern als diskriminierend erfährt? Wer so vom Scheitern redet, erträgt nicht die Distanz zwischen Karfreitag und Ostern.

    Wer an die göttliche Gerechtigkeit glaubt, der muß auch daran glauben, daß es eine Erlösung ohne Eingriff in die Vergangenheit und in die Natur nicht gibt.

    Hegels Satz, daß die Natur den Begriff nicht halten kann, ist ein indirekter Hinweis darauf, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden.

    Fichtes Wissenschaftslehre und der ganze nachfolgende Deutsche Idealismus haben die Leugnung der Differenz zwischen der Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft, zwischen reflektierenden und bestimmenden Urteilen, zum Ziel. Die Ideen sollen nicht nur regulative, sondern konstitutive Bedeutung haben. So enden sie in der Idee des Absoluten, in dem Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft. Hegels Wort, er sei „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“, reflektiert den ersten Teil des prophetischen Satzes „der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“.

    Baader zufolge ist Hegels Philosophie das Autodafé der bisherigen Philosophie. Ist sie nicht zugleich die descensio ad inferos?

    Gehören nicht die Ansätze zur Reflexion in der kantischen Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, in den Ansätzen zur Wissenschaftskritik in der Begründung der Naturwissenschaften, zu den Motiven, die Kant dann in seiner Kritik der Urteilskraft zu entfalten versucht, während der Deutsche Idealismus alle Kraft darauf verwendet hat, die sprengende Kraft des reflektierenden Urteils wie in den Bann des bestimmenden Urteils einzubinden? Ausdruck des Gewaltakts in diesen Bemühungen ist die Idee des Absoluten. Theologie beginnt dort, wo die Idee des Absoluten aufhört, seine Absolutheit zu behaupten, und reflexionsfähig wird. Die Idee des Absoluten ist das telos der Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos: die Finsternis und in ihr die Tötung der Erstgeburt. – Ist nicht Israel diese Erstgeburt?

    Ist der Trieb, gut zu sein, nicht der Trieb des Lebendigen überhaupt, und sind die Pflanzen und die Tiere nicht unterschiedliche Phasen und Ausprägungen seiner gehemmten Manifestation?

    Barmherzigkeit ist die Fähigkeit, das Gut-sein-Wollen auch in seinen entstelltesten Manifestationen (auf seinen Irrtumswegen) noch zu erkennen. Hat der biblische Begriff des Blutes etwas hiermit zu tun? Steckt nicht in dem Ruf „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ noch der bewußtlose Wunsch nach der Reinigung durch dieses Blut? Erst das Christentum hat aus diesem Satz die Rechtfertigung des Mords abgeleitet (und aus der Opfertheologie, die eine Barmherzigkeitstheologie ist, eine Metzgertheologie gemacht).

    Barmherzigkeit ist die Kraft zur Auflösung des Rachetriebs durch Reflexion.

    Die Geschichte der Staaten ist die Gattungsgeschichte der Menschheit. Deshalb ist die Sexualmoral im Ursprung politische Moral, und deshalb wird der Taumelbecher, der Kelch des göttlichen Zorns und Grimms, am Ende zum Unzuchtsbecher.

    Weil der Eckstein verworfen wurde, wird kein Stein auf dem andern bleiben.

  • 22.4.1997

    Die Ursprungsgeschichte der Philosophie ist die Ursprungsgeschichte einer theoretischen Beziehung zur Objektivität, die in Alexander praktisch geworden ist (die Ursprungsgeschichte der stoischen Ataraxia – die Keimzelle des „eliminatorischen Antisemitismus“ – ist im Kollosseum in Rom als Kulturdenkmal der Erinnerung präsent und sinnlich erfahrbar).

    Die Geschichte der Häresien ist ein Indikator der inneren Geschichte des Christentums. Die Häresien waren ein projektiv entstellter Ausdruck der historisch-moralischen Probleme des Christentums. Mit der Verurteilung der Häresien sind diese Probleme nicht gelöst, sondern verdrängt – und eben damit perpetuiert – worden. Die Kirche hat ihre eigene Tradition zunächst in Isolationshaft, dann in Geiselhaft genommen: Das Dogma sind die Steine, die Bekenntnislogik der Mörtel und die Orthodoxie die Mauern des Gefängnisses, in die die Tradition eingesperrt worden ist. Der Schlüssel zu diesem Gefängnis ist die logische Figur von Schrecken und Verurteilung.

    Die drei Leugnungen Petri, Maria Magdalena und die sieben unreinen Geister, der Kelch (Taumelkelch und Unzuchtsbecher, die Zebedäussöhne und Getsemane), der Weltbegriff und das Tier, Ankläger und Verteidiger (Satan und Paraklet).

    Zum Kelch: Hegel ist nur bis zum Taumelbecher gekommen, seine Philosophie ist die Grenze und der Übergang zum Unzuchtsbecher.

    Daß Jesus zur Rechten Gottes sitzt, heißt das nicht, daß Gott seitdem keine Rückseite mehr hat?

    Gegen den Gebrauch des antisemitischen Begriffs Judenfrage (Marquardt) ist der Einwand durchschlagend, daß der Antisemitismus nichts mehr mit den Juden, sondern nur noch etwas mit den Antisemiten zu tun hat. Der Holocaust, die „Endlösung der Judenfrage“, war die Eröffnung in eine Sphäre, die sich seitdem nicht mehr schließen läßt. Nicht als ob es Vergleichbares nicht auch schon vorher gegeben hätte, nur hier ist der Durchbruch in die logisch-politische Sphäre der Öffentlichkeit gelungen, der irreversibel ist. Seitdem sind Menschenrechtsverletzungen, sind politische Unterdrückung und Verfolgung, Repression und Folter Objekte der „Weltöffentlichkeit“. Vor diesem Hintergrund sind die Habermas’sche Wendung zur Theorie des kommunikativen Handelns, ist das Motto „Dressur des inneren Schweinehunds“ so tief problematisch.

    Die Welt ist die Gebärmutter des apokalyptischen Tiers. Wer ist die „Frau am Himmel“?

    Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein: Wenn das Inertialsystem etwas mit der Feste des Himmels (mit der Scheidung der unteren von den oberen Wassern) zu tun hat, ist dann das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Hinweis auf die Identität von träger und schwerer Masse der Beginn der Lösung? Ist der zweite Schöpfungstag die Prophetie der Apokalypse?

    Wie hängen der Ursprung der Schrift und die Astronomie, die Sternenkunde, zusammen? Wie wird der Himmel von den Naturvölkern, den schriftlosen Völkern, erfahren? Im Islam ist Gott ein schreibender, kein sprechender Gott: ein Gott ohne Angesicht (ist das nicht die Widerlegung des Islam?).

    Läßt sich die Konstruktion der aristotelischen Philosophie nicht daraus ableiten, daß sie (wie dann wieder Hegel) das tode ti, das hic et nunc, unter dem Apriori der Logik der Schrift erfährt? Wird dadurch nicht zwangsläufig die noesis noeseos zum Ersten Beweger (und Alexander seine historische Verkörperung)? Und ist nicht die noesis noeseos zum Inbegriff der Logik der Schrift?

    Die Aufklärung verdankt sich der Rückprojektion der Logik der Schrift in die Dinge (die so zu Dingen werden).

    In der adäquatio intellectus ad rem ist die res der Reflex der Dinge in der Schrift, in der Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand ist der Gegenstand, das Objekt, der Statthalter des Subjekts in den Dingen.

    Es gibt heute einen vulgärmaterialistischen Begriff des Idealismus, der schon das Begreifenwollen als idealistischen Trieb denunziert.

    Man erkennt einen Menschen daran, was er erkennt, wie er die Dinge sieht. Was bedeutet dann der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, genauer: was bedeutet dieser Satz für die Gotteserkenntnis?

    Das Bilderverbot und das Verbot, den Namen Gottes auszusprechen, sind drastische Hinweise darauf, daß Gott keine Rückseite hat (daß die Idee des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt). Ist der Anfang des Sterns der Erlösung nicht nicht eine deutliche Erinnerung daran, daß das – allerdings auf sehr unterschiedliche Weise – auch für Welt und Mensch gilt? Ist nicht darin das Nichtwissen von Gott Welt Mensch begründet?

    Theologie ist der Versuch, im Imperativ den Indikativ zu entdecken, während der Aufklärung (der Kosmologie) gleichsam unter den Händen der Indikativ zum Imperativ wird.

    Der am Objektbegriff gewonnene Begriff des Allgemeinen bezeichnet nicht das Allgemeine schlechthin, sondern das der Gattung. Deshalb konnte Hegel aus dem Begriff die Tatsache unterschiedlicher Arten und Gattungen der Tiere nicht ableiten. Deshalb kann Hegel zufolge „die Natur den Begriff nicht halten“. Hier ist er gezwungen einzubekennen, daß es die eine Welt nicht gibt. Die Idee der einen Welt ist im Angesicht der Geschichte nur zu halten, wenn die Weltgeschichte zum Weltgericht wird.

    Das Theologumenon, daß Gott die Welt erschaffen hat, die creatio mundi ex nihilo, ist der Grund jeglichen Fundamentalismus. Eine Theologie, die vom Begriff der Weltschöpfung ausgeht, macht Gott zum Absoluten, in dem am Ende nur der Staat sich spiegelt.

    Gibt es nicht einen Kirchen- und Gemeindebegriff, in dem die Kirche selber die Ghettomauern errichtet, in denen sie verrottet?

    Was die Nazis Humanitätsduselei und Ludwig Erhard die „Sünde wider die Marktwirtschaft“ nannten, trägt den theologischen Namen Barmherzigkeit.

    In den Worten Leib und Fleisch drückt die Differenz zwischen dem An sich und dem, was für andere ist, seiner Instrumentalisierung, sich aus (das Angesicht gehört zum Leib, wie die Person zur soma, niemals zum Fleisch). Das Blut hat nur diesen einen Namen, mit der Folge, daß wir allein das instrumentalisierte Blut darunter verstehen, während das An sich (die „Seele des Fleisches“) gegenstandslos geworden ist. Endgültig instrumentalisiert wurde das Blut – über die religiöse Vorgeschichte der Märtyrer- und Reliquienverehrung – in dem gleichen Säkularisationsprozeß, der diese religiöse Vorgeschichte beendete, in der Objektivierung des Blutkreislaufs, in dem gleichen Prozeß, in dem auch – im heliozentrischen System – die Objektivierung der Planetenbahnen sich vollendete. Das heliozentrische System ist das System der Subjektivierung und Instrumentalisierung der Zwecke. Es ist der gleiche Prozeß, in dem – in der Ursprungsgeschichte des Kapitalismus – die Zwecke zu Mitteln geworden sind, der transzendentalen Logik und dem Kausalitätsprinzip unterworfen wurden.

    Im Kontext des heliozentrischen Systems wird die biblische Blutsymbolik nicht nur unverständlich: Das heliozentrische System rückt die Blutsymbolik in eine Logik, in der sie zu den Voraussetzungen des Faschismus, des Rassismus und des Antisemitismus gehört (die gleiche Logik hat die Barmherzigkeit endgültig in Hysterie transformiert und die Barbaren durch die Wilden ersetzt).

    Das kopernikanische System hat mit der Teleologie die Idee des seligen Lebens, die Vorstellung des Endzwecks, in der Wurzel zerstört. Es hat sie durch die Rechtfertigungslehre ersetzt. Entscheidend war nicht mehr die Tat (und das göttliche Gericht über die Tat), sondern das Urteil über die Person („wie bekomme ich einen gnädigen Gott“), nicht mehr die Sünde, die ich zu meiden hatte, sondern die Schuld, der ich entgehen wollte.

    Jesus hat die Welt nicht entsühnt, er hat nicht die Schuld der Welt hinweggenommen, sondern die Sünde der Welt auf sich genommen. Hierfür ist die Kirchengeschichte der Beweis, und hierzu gehört die Geschichte von den drei Leugnungen Petri, von Maria Magdalena und den sieben unreinen Geistern, aber auch die ganze Kelchsymbolik sowie Hegels Wort, er sei „von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein“.

    Hat die fliegende Schriftrolle, „der Fluch, der über das ganze Land ausgeht“ (Sach 51) etwas mit dem Himmel, der wie eine Buchrolle sich aufrollt (Jes 344, Off 614), zu tun?

    Die Zentralbanken haben Himmel und Erde ehern und eisern gemacht (Lev 2619, Dt 2823). Zu ihrer Vorgeschichte gehören das Dogma und die Bekenntnislogik, zu ihrer Begleitgeschichte die kopernikanische Wende und die Naturwissenschaften. Die Geschichte der Banken ist die Ursprungsgeschichte des Inertialsystems.

    Das Urschisma und die Urhäresie (die Gnosis) gehören zu den Konstituentien der Bekenntnislogik, die Ausgrenzung der Frauen gehört zu ihren Folgen.

    Wenn es stimmt, daß der deutsche Name des Himmels etymologisch mit dem des Hammers zusammenhängt, hat das etwas mit Lev 2619 und Dt 2823 zu tun?

    Sind nicht das Inertialsystem, die subjektiven Formen der Anschauung und die Totalitätsbegriffe Natur und Welt Verkörperungen des „ehern“ und „eisern“ in Lev 2619 und Dt 2823? Spiegelt sich in der Differenz zwischen Lev und Dt die Differenz zwischen Kosmologie und Politik?

    Der Wertbegriff stammt aus der Ökonomie. Er gehört zu den synthetischen Urteilen apriori, die der Neutralisierung der Teleologie, der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel (der Zukunft unter die Vergangenheit) sich verdankt. Er gehört in den Bereich der reflektierenden Urteile, die unterm Apriori der Gewalt (des Rechts und des in ihm sich verkörpernden Gewaltmonopol des Staates) zu bestimmenden Urteilen werden. Wertordnungen sind politische Ordnungen. Reflex dieses Aprioris der Gewalt sind die subjektiven Formen der Anschauung, ist die transzendentale Ästhetik.

    In der Kritik der Urteilskraft, in seiner Theorie der reflektierenden Urteile, die auf Ideen sich beziehen, die regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben, steckt die kantische Kritik der Gewalt. Diese kantische Kritik der Gewalt ist durch den Faschismus in eine Engführung gebracht worden, aus der es nur dann einen Ausweg gibt, wenn es gelingt, den Bann zu brechen.

    Wer Gott zum Herrn der Geschichte macht, rechtfertigt nur das transzendentale Subjekt und leugnet Auschwitz.

    Wie hängt der Satz aus der Dialektik der Aufklärung über die Distanz zum Objekt (die vermittelt sei durch die Distanz die der Herr durch den Beherrschten gewinnt) mit dem Problem der Subsumtion der Zwecke unter die Mittel zusammen?

  • 21.4.1997

    Das Vorurteil ist das Urteil vor aller Erfahrung, wobei die Erfahrung durchs Feindbild außer Kraft gesetzt wird, durchs Objektivationsgesetz: den apriorischen Objektbegriff und die subjektiven Formen der Anschauung, durch die Logik der Verurteilung. Auf diesen Zusammenhang bezieht sich der Satz aus der Dialektik der Aufklärung: „Die Distanz zum Objekt ist vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt.“ Der Beherrschte (der Knecht) ist der besiegte Feind.

    Das Urteil gründet in der Verurteilung, es konstituiert sich – zusammen mit den subjektiven Formen der Anschauung – in der durch Herrschaft definierten Welt. Deshalb schließt die transzendentale Logik teleologische Urteile als gegenstandskonstituierende Urteile aus. Die Verurteilung versperrt den Ausblick auf die Zukunft. Deshalb ist das Licht, das nur in seinen raum-zeitlichen Reflexionsformen dingfest zu machen ist, selber kein Objekt der Physik. Zu diesen Reflexionsformen gehören das Gravitationsgesetz, die Elektrodynamik und die gesamte Mikrophysik.

    Das Licht ist ein Realsymbol, eine sinnlich-übersinnliche Kategorie.

    Pflanzen und Tiere unterscheiden sich durch ihre Beziehung zum Licht: Die Pflanzen streben nach dem Licht, Tiere sind Verkörperungen des Lichts; für die Pflanzen ist das Licht Ziel, für die Tiere ist es Schicksal. Allein die Menschen reichen an die Kraft der Bildung des Lichts (aber nur in der moralischen Sphäre, in der physischen haben sie nur Anteil an die Kraft der Reproduktion des Lichts).

    Hierauf bezieht sich das Wort vom Feuer vom Himmel. (Was ist das für ein Feuer, in dem die Welt verbrennt, und was ist das für eine Welt, die in diesem Feuer verbrennt?)

    Bezieht sich das Wort: „Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden“ auf das Wort vom Binden und Lösen? Aber hat nicht der Weltbegriff genau diesen Zusammenhang gegenstandslos gemacht?

    Der katastrophische Aspekt des „Weltuntergangs“ wird von denen erfahren, die sich mit der Welt identifizieren: von den Herrschenden, den Reichen. Die Anpassung an die Welt ist ein anderer Ausdruck für die Feindschaftslogik.

    Das synthetische Urteil apriori, die mathesis, konstituiert das Wissen und begründet die Trennung von Natur und Welt.

    Der Rosenzweig’sche Begriff des Nichtwissens („von Gott – von der Welt, vom Menschen – wissen wir nichts, aber dieses Nichtwissen ist Nichtwissen von Gott – von der Welt, vom Menschen“) setzt den Begriff des Wissens voraus, setzt sich von ihm ab. Er bezeichnet die Grenze des Wissens, die nicht auch die Grenze des Seins ist.

    Enthält nicht der Prolog des Johannes-Evangeliums ein Stück negativer Kosmologie?

    Religion als Blasphemie: Alle Religionen sind naturwüchsige Gestalten der transzendentalen Logik, der Logik der Selbsterhaltung. Sie sind Gattungsreligionen, Tierreligionen, animalisch: Sie konstituieren eine gemeinsame, gattungsspezifische Welt. Lassen sich die Arten gattungsspezifischer Welten, ihre Konstituierungsprinzipien (Religion, Nation, Sprache) rekonstruieren?

    Der Schrecken läßt sich nur von innen auflösen. Von außen läßt er sich zwar bekämpfen, aber in diesem Kampf reproduziert er sich.

    Die Formel des Pfarrers, man müsse in der Bibel das Zeitbedingte vom Überzeitlichen fein säuberlich trennen, verdrängt präzise den prophetischen Zugung zur Bibel, zu ihrem Verständnis; sie verhindert die Gotteserkenntnis. „Zeitbedingt“ ist die Herrschaftskritik, „überzeitlich“ ist der Antijudaismus, der „die Juden“ unterm Apriori des Nationalismus wahrnimmt (aus dem „erwählten“ das „auserwählte“ Volk macht).

    Die reflexhafte Formel: „Du willst doch wohl nicht sagen, daß ich …“, die die Intention eines Angriffs, einer Beschuldigung unterstellt und im Dienst der Abwehr steht, gehört zur Deutschlehrer-Frage „Was will uns der Autor damit sagen“. Es geht überhaupt nicht darum, was einer sagen will, sondern allein darum, was objektiv in einem Text sich ausdrückt (und das ist allemal mehr, als der Autor sagen wollte). Beide Formeln unterstellen, daß alle nur noch „durch die Blume reden“, daß sie etwas anderes meinen, als sie sagen. Beide Formeln sind unverschämt.

    Hegel hat die herrschaftslogische Struktur der Trinitätslehre als zentralen Kern seiner Logik rein herauspräpariert. Damit hat er sie eigentlich widerlegt. Auch die Trinitätslehre wird erst wirklich begriffen, wenn sie im Licht des Satzes begriffen wird, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen. Der Indikativ des Urteils gründet in der Verurteilung. Die Beziehung von Begriff und Name (Indikativ und Imperativ) ist die Beziehung der Umkehr.

    Die Erschaffung der Feste des Himmels und die Scheidung der Wasser unterhalb von den Wassern oberhalb der Feste: Ist das nicht die Scheidung zwischen Israel und den Völkern (vgl. hierzu die ägyptischen Plagen und die Verstockung des Herzens Pharaos)?

    Wer selbst sich den Kopf anderer Leute zerbricht, wird hilflos, ohnmächtig und verletzbar, wenn andere sich seinen Kopf zerbrechen. In dieser Konstellation gründet der Tatbestand der Majestätsbeleidung (Paradigma der Empfindlichkeit).

  • 20.4.1997

    Die subjektiven Formen der Anschauung, die Feindbildlogik, die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, Weltgericht und Jüngstes Gericht (Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht), die Logik der Totalitätsbegriffe und das Angesicht; Natur und das Apriori der Verurteilung.

    Zur Illustration des Benjamin’schen „Engels der Geschichte“ (und zur Logik des Zeitkontinuums) wäre auf die Figur des Siegers in Elias Canettis „Masse und Macht“ zu verweisen: Er ist der letzte Überlebende, der auf einem riesigen Leichenberg steht. Mit der subjektiven Form der inneren Anschauung (durch die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) setzt sich das transzendentale Subjekt an das Ende der unendlichen Zeitreihe. Die Figur des Siegers ist so in die Vorstellung des Zeitkontinuums und in die Idee des Subjekts mit eingebaut: Die Objektivität (die Natur) ist der besiegte Feind.

    Das Angesicht ist die Widerlegung der Vorstellung eines objektiven, unendlichen Zeitkontinuums (die Auflösung der kantischen Antinomie). Und das Licht und die sinnlichen Qualitäten sind der Beweis dafür, daß eine restlose Objektivation der Natur nicht möglich ist.

    Das Angesicht ist die Widerlegung des Rassismus (und der Rassismus läßt sich aus der Unfähigkeit, den Anblick des Andern zu ertragen, ableiten; hier konvergiert er mit einer Tradition der christlichen Theologie, der Tradition des Dogmas, der Orthodoxie, des Bekenntnisses, die in der Logik der Verurteilung gründet, und zu der die Geschichte der Ausgrenzung und Verurteilung der Häresien gehört).

    Die Fähigkeit, in einen andern sich hineinzuversetzen, ist eins mit der Wahrnehmung der Angesichts. Das Dogma, die Ökonomie und die Naturwissenschaften sind Inbegriffe ungerechter Urteile. Zu ihrer Legitimierung bedürfen sie der (heute verrottenden) Idee des Absoluten.

    „Sie wissen nicht, was sie tun“: Wo und in welchem Zusammenhang kommt der Begriff des Wissens in den Texten des NT vor (Sonderfall Johannes, vgl. insbesondere Joh 1630)?

    Anstatt, wie es Drewermann und Metz tun, die Aufklärung als Legitimation der theologischen Tradition oder aber ihrer Verwerfung zu mißbrauchen, kommt es darauf an, die Probleme der Aufklärung in der Theologie, als ihre Probleme, wiederzuerkennen und die Ressourcen der Tradition zu nutzen als Mittel der Reflexion der Aufklärung.

    Aufgabe heute: Nicht Juden zu „bekehren“, sondern die jüdische Tradition nutzen als Mittel der Selbstbekehrung der Christen, der Umkehr.

    Die Materie ist das „Fleisch“ der Natur. Was ist das „Blut“ (der Blutkreislauf wurde gleichzeitig mit dem heliozentrischen System entdeckt)? Sind die Konjunktionen das Blut der Sprache, und welche Folgen haben die sprachhistorischen Differenzen der Konjugation für die Bedeutung und das Verständnis des Blutsymbols („Reinigung durch das Blut“)?

    In allen Texten über das „letzte Abendmahl“ (die „Einsetzung der Eucharistie“) heißt es „Dies ist mein Leib …“ (Mt 26, Mk 14, Lk 22, 1 Kor 11), nur bei Joh (651ff): … Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, …!).

    A manifestis non discedere: Das Licht ist kein Objekt der Physik.

    Wer nur verurteilt, nicht reflektiert, trägt dazu bei, daß das Verurteilte sich reproduziert. Der Satz „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ ist ein Produkt der universalen Anwendung dieses Gesetzes.

  • 15.4.1997

    Weltbilder und Weltanschauungen sind Produkte eines Prozesses, in dem die Welt zum Satellitensystem des Unschulds- und Exkulpationstriebs gemacht wird. Zu ihren Konstruktionsprinzipien gehören der Rechtfertigungszwang und das Schuldverschubsystem. Deshalb war der Rußlandkrieg als Weltanschauungskrieg, der den Nazis die Unterstützung der Kirchen gebracht hat, und in dessen Schatten sie die „Endlösung der Judenfrage“ in Angriff nehmen konnten, ein Vernichtungskrieg.

    Weltanschauungen sind Verkörperungen der Wege des Irrtums, ihr Modell ist das heliozentrische System. Das Christentum ist schon mit Konstantin heliozentrisch geworden: Die Unsterblichkeitslehre und die Verräumlichung des Himmels (der oberen Welt, die so zum Reflex und zu einem Instrument der Herrschaftslogik geworden ist), der katholische Mythos insgesamt, sind ein Teil der Vorgeschichte des heliozentrischen Systems, eine Vorstufe der kopernikanischen Wende.

    Unsere Konflikte sind Eruptionen unserer Konfliktunfähigkeit (eines sehr katholischen Erbes, aber eines Erbes, das nicht durch „Überwindung“, durch Verdrängung ins Vergangene, sondern allein durch Erinnerungsarbeit zu entschärfen ist).

    Ist das Inzestverbot ein Institut der Feindesliebe? Und ist die Ehe deshalb ein Sakrament? Und steckt nicht in der Eucharistie, die auch ein Sakrament ist, die Erinnerung an den Kannibalismus in den Fundamenten unseres Selbstverständnisses: das ungeheure Motiv der Identifizierung von Brot und Fleisch (wie auch der Identifizierung von Wein und Blut)? In der Eucharistie werden das Opfer Abels und das Kains zu einem Opfer.

    Die Logik der Erbaulichkeit wird unvermeidbar, wenn man die Erinnerung des barbarischen Untergrundes der Sakramententheologie nur verdrängt.

    Die Befreiung Maria Magdalenas von den sieben unreinen Geistern ist ein Symbol der Befreiung von den Zwängen der „Wege des Irrtums“, der Heliozentrik und des Planetensystems, vom Bann des Unschuldssyndroms.

    Der Sonntag ist der „Tag des Herrn“, die dies dominica (und die konsequenteste Verkörperung des Unschuldsyndroms ist der „Herr“, der – wie die Sonne die Kraft, die Finsternis der Nacht zu verdrängen – die Macht hat, die Erinnerung an die Schuld zu unterdrücken). Aber der Messias kommt „wie ein Dieb in der Nacht“.

    Natur und Geschichte: Das Sich-den-Kopf-der-Anderen-Zerbrechen gehört zum Bildungsprozeß des Planetensystems. Das Sich-den-Kopf-der-Anderen-Zerbrechen ist das logische Pendant der Unfähigkeit, die Vergangenheit anders als unter dem Zwang der der Schuldsuche zu reflektieren.

    Die Idolatrie zerbricht sich den Kopf Gottes.

    Beschreibt nicht die Geschichte der Verrhärtung des Herzens Pharaos die Bildungsgeschichte des Schuld-/Planetensystems? Das Planetensystem ist das Satellitenssystem der Schuldverschiebung. Die Fähigkeit, dieses System durch Reflexion aufzulösen, ist Teil der Fähigkeit zur Sündenvergebung: sie „deckt eine Menge Sünden zu“.

    Der Harmonietrieb und die Konstellation von „Autismus und Geiselnahme“ sind Teil eines Prozesses.

  • 13.4.1997

    Zu F.W. Marquardt (in TuK 73/74, S. 34f): Ist nicht das Problem der Analogie eins der christlichen Tradition insgesamt, verweist es nicht auf das zugrundeliegende Problem der Beziehung zur Prophetie, ist nicht die Analogie das Instrument der Historisierung und dann der Instrumentalisierung der Prophetie gewesen, damit das Instrument ihrer Neutralisierung (Ursprung der Theologie)? Hat die Analogie etwas mit der Figur des falschen Propheten zu tun (hat zwei Hörner wie das Lamm, redet wie der Drache)? Die Analogie hat die Theologie im Angesicht Gottes in die Rede von Gott transformiert (und den Theologen aus dem Angesicht Gottes hinter seinen Rücken transportiert).

    Die Analogie steht unter dem Apriori der Ontologie, der Historisierung, der Verzeitlichung des Perfekts, der Exkulpationslogik, der Verwischung und Neutralisierung des Imperativs, der grammatischen Form der Attribute Gottes.

    Die Analogie verhält sich zur Prophetie wie das heliozentrische System zum Sternenhimmel, sie macht sie zu Objekt des vergegenständlichenden Seitenblicks. Die Analogie ist eine logische Vorstufe der Aufklärung. Anstatt in der Prophetie sich selbst und die eigene Gegenwart wiederzuerkennen, wendet sie sie bloß auf die Gegenwart an. Den Schrecken des Wiedererkennens lenkt sie (als „Unheilsprophetie“, die sie fein säuberlich von der „Heilsprophetie“ trennt) auf die Juden ab; so wird sie antisemitisch. Die Analogie ist ein Instrument des Schuldverschubsystems, das sie mit einem Mittel der Erlösung verwechselt. – Steht die Sakramentenlehre unter dem Apriori der Analogie?

    Ethik als prima philosophia: Das ist eine Ethik, die nur noch Richtschnur des Handelns, nicht mehr Maßstab des Urteils ist.

    Alle Dogmatik, die glaubt, vom reflektierenden Urteil konstitutiven Gebrauch machen zu können, hat sich vor der Kritik der Urteilskraft zu rechtfertigen. (Im Kontext des reflektierenden Urteils ist das „es gibt“ auf Gott nicht mehr anwendbar.)

    Seit es konfessionelle Theologien gibt, ist nicht die Theologie zum Ensemble geschlossener Gesellschaften geworden.

    Greuel am heiligen Ort: Mit dem Substantiv ist die Erinnerung an den Namen in der Grammatik getilgt, ist der Theologie der Boden entzogen worden.

    Ohne die Logik des Namens, ohne die benennende Kraft der Sprache, gäbe es kein Kommunikation. Wir weigern uns, diese Namenskraft der Sprache zu reflektieren, weil wir Angst haben, das nützliche Instrument des Urteils (den Reflex der Selbsterhaltung, des Geldes und des Privateigentums in der Sprache) preisgeben zu müssen. Der Satz „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ bezieht sich auf einen sprachlogischen Sachverhalt.

    Als urteilendes Wesen ist der Mensch ein Tier.

    Das Problem der Apokalypse liegt darin, daß sie nur noch im Kontext einer Theologie hinter dem Rücken Gottes wahrgenommen und durch diesen Blick verhext wird. So wird sie zum Angsterzeuger. Im Kontext einer Theologie im Angesicht Gottes hingegen wird sie zu einem kostbaren Instrument der Angstbearbeitung.

    Die Apokalypse ist die Entfaltung des letzten Satzes des Jakobusbriefes.

    Sind nicht die Schüler Adornos allesamt Opfer seiner Berühmtheit geworden?

    Die Geschichte vom Traum des Nebukadnezar läßt als Modell der logischen Figur, die dem Stern der Erlösung zugrundeliegt, sich begreifen. Es ist ein ungeheurer Vorgang, wie Franz Rosenzweig aus den Objekten des Nichtwissens, über eine ungeheuer durchsichtige und rational nachvollziehbare Bewegung, zu der auch die Umkehr gehört, die Elemente seiner Gotteserkenntnis entwickelt.

    Drei Seiten einer Medaille:

    – Die intentio recta,

    – die Unfähigkeit zur Reflexion und

    – der Dogmatismus, das imperative Verständnis des Indikativs, der konstitutive Gebrauch reflektierender Urteile.

    Genau darin, in der Ausbildung und gesellschaftlichen Durchsetzung dieser Logik, liegt der Dienst, den die dogmatische Theologie dem Staat erwiesen hat. Das war ihr Beitrag zur Zivilisierung der Menschen, zu ihrer Beherrschbarkeit.

    Zur List der Vernunft: Die Konstellation von Autismus und Geiselhaft ist die Kehrseite der Beziehung von Objektivierung und Instrumentalisierung.

    Wer das Problem der Herrschaft über die Natur zu einem Problem der Gesinnung macht, verschärft das Problem durch Verharmlosung. Naturbeherrschung ist ein gesellschaftslogisches Problem, damit ein Gegenstand der Reflexion, nicht der anwendungsbezogenen Moral. Gesinnungsethik und Verantwortungsethik sind keine Gegensätze, sondern komplementäre Manifestationen des gleichen Grundfehlers.

    Die Logik des Namens verhält sich zu dem des Begriffs wie das Licht zum Inertialsystem (oder wie Israel zu den Völkern).

    Ist der letzte Satz des Jakobusbriefs nicht eine Paraphrase zu dem Wort, wonach Israel das Licht der Völker ist?

    Kann es sein, daß das Problem der Beziehung Israels zu den Völkern (den „Heiden“) in der gleichen Bewegung durchsichtig wird und sich auflöst, in dem auch das Problem des Himmels durchsichtig wird und sich auflöst?

    Am ersten Tag wurde das Licht erschaffen, am zweiten die Feste des Himmels.

    Die Sprache ist das Organ der Erkenntnis, der Begriff das des Wissens. Erkenntnis reicht weiter als das Wissen, und „wissenschaftliche Erkenntnis“ ist eine Selbsteinschränkung der Erkenntnis.

    Der Begriff der Allwissenheit ist ebenso logisch inkonsistent wie der der Allbarmherzigkeit. (Gott ist nicht allbarmherzig, sondern er wird barmherzig, wenn ihn sein Zorn gereut, wenn er umkehrt. Und auch die Umkehr Gottes steht im Imperativ.)

    Gehört das Wort vom Binden und Lösen zur einzigen Stelle in den Evangelien, an der von der Kirche die Rede ist? Worauf bezieht sich dieses Wort; ist es zulässig, seine Bedeutung an den Rahmen der hierarchischen Logik, der Herrschaftslogik, zu binden? Wäre das Lösen nicht gerade als Auflösung dieser Logik zu begreifen, im Kontext der Lösung der sieben Siegel?

    Die Bekehrung des einen Sünders hat mit dem „Gehet hin und lehret alle Völker …“ zu tun, begründet aber nicht den „Missionsauftrag“.

    Verweist Joseph in Ägypten auf die Theologie in der Geschichte der Aufklärung und das Herrendenken auf den Pharao, der Joseph nicht mehr kennt?

    Die Intention, Politik wieder reflexions- und diskursfähig zu machen, die die Voraussetzung jeder Politik der Befreiung ist, schließt auch die RAF mit ein.

  • 11.4.1997

    Das Geld instrumentalisiert die Asymmetrie der Beziehungen zwischen mir und den Anderen, es trennt Natur und Welt, es teilt die Welt in innen und außen. Die Trennung der subjektiven Formen der Anschauung ist durch die Logik des Geldes vermittelt. Das Geld konstituiert den Naturbegriff durch seine Trennung vom Ausblick auf die Auferstehung, die nur für die Andern gilt: durch Instrumentalisierung und Verdinglichung.

    Das Wort „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ ist ein antikapitalistisches Wort.

    Ist nicht der Pharao die Verkörperung der Logik des Geldes: „Faul seid ihr, faul“? Joseph hat geholfen, das Haus zu errichten, an das der Name des Pharao erinnert, und das zum Sklavenhaus geworden ist, als ein Pharao kam, „der Joseph nicht mehr kannte“. Zu dieser Geschichte gehört die Geschichte der Verhärtung des Herzens.

    Das Resultat der christlichen Verarbeitung des „Alten Testamentes“ war die Zerstörung der Logik der Prophetie, das Instrument dieser Zerstörung war die Historisierung der Schrift, die implizite Leugnung der Offenbarung.

    Das Geld begründet die Unendlichkeit des Triebs, den Wurm, der nicht sterben kann.

    Golgatha hat den Exodus zugespitzt auf die Beziehung von Tod und Auferstehung.

    Der Schlüssel zum Verständnis des Christentums liegt in den Häresien: Man wird zu dem, was man verurteilt. Der Akt der Verurteilung trifft nicht nur das Objekt der Verurteilung, er liefert zugleich das Alibi, selber dem Objekt sich angleichen zu müssen.

    Sich von der Terrorisierung durch eine Logik, die dazu führt, daß es bis heute die Opfer waren, die die Zeche haben zahlen müssen, nicht überwältigen lassen!

    (Was hat die Zeche <Entgelt> mit der Zeche <Bergwerk> und dem Zecher zu tun?)

    Die Vögel des Himmels: Sind Vögel (vom Adler über die Raub- und Singvögel bis zum Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt) Geldtiere?

    Der kantische Hinweis, daß das Geld die Vorstellung erweckt, was man damit alles machen könne, gilt eigentlich nur für das Geld der Andern (vgl. hierzu die Reaktion des Judas Ischarioth auf die „Verschwendung“ bei der Salbung Jesu durch die „große Sünderin“).

    Wie sind die betriebswirtschaftliche, die nationaökonomische und die private Erfahrung des Geldes auf einander bezogen?

    Die Verwaltung ist die institutionelle Umkehrung des Satzes „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu“. Die im Kontext des gegenwärtigen Sozialabbaus in Bewegung gesetzten Phantasien („Mißbrauch der Sozialhilfe“) werden von dieser Umkehrung organisiert und geleitet.

    Laufen nicht die Versuche, sich die Befreiung unterm Bilde des Exodus vorzustellen, auf eine Verharmlosung hinaus? Was heute Befreiung heißen darf, dürfte eher der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft gleichen als der aus dem ägyptischen Sklavenhaus. Das Bild des Exodus überläßt die Verantwortung den Opfern (die „selber schuld“ sind).

    Das Gebot der Feindesliebe votiert für den Namen und destruiert den Begriff. Es gibt keinen Begriff ohne das Moment der Feindschaft in ihm (der Feindschaft gegen das Objekt und gegen sich selbst). Der Begriff zerbricht sich den Kopf des Andern.

    Triebleben des Begriffs: Gotteserkenntnis setzt die Entpsychologisierung des Begriffs der Verdrängung voraus, daß man im Begriff der Verdrängung das logische, begriffskonstituierende Element begreift. So steckt in Adornos Begriff der autoritären Persönlichkeit weniger ein psychologisches als vielmehr ein herrschaftslogisches Konzept.

    Der Schlüssel zur Logik der Verdrängung liegt im Problem der Orthogonalität (die Orthodoxie ist das theologische Korrelat der Orthogonalität). Die Orthogonalität ist das Instrument der Veranderung (der logische Kern des Urteils und der Ontologie). Die Orthogonalität begründet die Logik der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die Logik der subjektiven Form der inneren Anschauung, die Vorstellung des Zeitkontinuums. (Die Verräumlichung der Zeit, ihre Vergegenständlichung, die das Zeitliche zu dem, was es nicht ist, zum Gegenstand der Anschauung macht, ist der logische Kern des „Seitenblicks“, der in der kopernikanischen Wende universal geworden ist.)

    Beschreibt der Traum des Pharao (von den sieben Kühen und Ähren, die eigentlich sieben Jahre sind) nicht den Ursprungspunkt des „Seitenblicks“, der Verräumlichung der Zeit, und benennt der Traum des Nebukadnezar das Moment der Verdrängung in diesem Seitenblick?

    Merkwürdig, daß Joseph nach den Träumen Pharaos nur Vorräte von Getreide anlegt, das Fleisch (die „Kühe“) nicht mit einbezieht, während der Traum des Nebukadnezar auf Tiere sich bezieht. Die Erinnerung an die Kühe erscheint erst wieder in der Erinnerung der Israeliten an die „Fleischtöpfe Ägyptens“. Gibt es eine logische Beziehung der biblischen Tieropfer hierzu? Hatten die Ägypter überhaupt Viehbestände (und richtete sich der Widerstand der Ägypter nur gegen die Kleinviehherden der Israeliten)? Die fünfte und die sechste Plage (die Pest und die Beulen aus dem Staub) richteten sich gegen das Vieh (die Beulen auch gegen die Zauberer), in die Tötung aller Erstgeburt in Ägypten war auch das Vieh mit einbezogen.

    Wie hängen der Begriff des Fleischs und das Opfer mit einander zusammen: ist Fleisch der Leib für andere (und zwar im Kontext der Sexualität wie in dem des Verzehrs)? Gehört nicht zum Begriff des Fleischs die Doppelbedeutung des „Gerichts“ (mit den logischen Konnotationen des Urteils und der Verurteilung, der Konstituierung des Objekts)? Gibt es eine logische Begründung für den Zusammenhang des Fleischessens mit der Ausbildung hierarchischer Strukturen und dem Ursprung der Herrschaftslogik (mit den „Wegen des Irrtums“)?

  • 10.4.1997

    Die Auseinandersetzungen um die Errichtung einer theologischen Fakultät in der Stiftungs-Universität Frankfurt in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts werfen ein Licht auf den Zusammmenhang des Selbstverständnisses der universitären Theologie mit dem Nationalismus. Die Frage ist offen, wie weit z.B. Hermann Cohen und Franz Rosenzweig den logischen Prämissen dieses Selbstverständnisses verhaftet waren. Andreas Pangritz scheint die Reflexionen Benjamins, Horkheimers und Adornos u.a. deshalb nur bekenntnislogisch (als bloße Gesinnung) begreifen zu können, weil er die innere (ins Zentrum der Theologie hineinreichende) logische Brisanz dieser Geschichte nicht sieht.

    Die „Gesinnung“ ist ein Teil des nationalistischen (und des bekenntnislogischen) Syndroms. Die Gesinnung bedient sich der Urteilsmagie: Sie ersetzt moralisches Handeln durch die Verurteilung des Bösen, durch „Distanzierung“ (durch Ausgrenzung, durch Distanz zum Objekt). Symbol der Gesinnung ist der „verdorrte Feigenbaum“.

    Das „Kleiner- und Unsichtbarwerden der Theologie“ (und darin das Problem der Gesinnung) hängt mit der Katastrophe des Nationalismus zusammen.

    Zur Geschichte der Privatisierung, die seit je (seit der „Erfindung“ der Barbaren) mit dem „Globalisierungsprozeß“ zusammenhängt, mit der Innenwirkung der der Außenmächte, gehören die Privatarmeen des Faschismus und die „Endlösung der Judenfrage“, der barocke Pomp (der Absolutismus und die katholische Gegenreformation, der Ursprung der Oper).

    Verletzung des Bilderverbots: Der Staat, dem im Subjekt die Ausbildung der subjektiven Formen der Anschauung (das „da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“) entspricht, ist das Prisma, das den Namen in Begriff und Vorstellung aufgespalten hat. Dem Staat entspricht in der Natur der Himmel.

    Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war ein Kampf gegen die religiösen Reflexionsformen des Staates und gegen die Instrumentalisierung der Religion, ihre Subsumtion unters Herrendenken. Hierauf bezieht sich das prophetische Symbol des Kelchs (bis hin zur Beantwortung der Frage der Zebedäussöhne und bis zu Getsemane).

    Die Resignation, die in der Antwort an die Zebedäussöhne: „ihr werdet ihn trinken“, anklingt, weist schon vor auf das „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“.

    Was hat das Rauchen mit dem Räucheropfer und den Gebeten der Heiligen zu tun?

    Professionalität setzt die Anerkennung der Welt und die staatliche Lizenz voraus (der Professionelle ist nicht „selbsternannt“).

    Das Eingedenken ist das Sich-selbst-im-Andern-Wiedererkennen: der fruchtbringende Boden der Barmherzigkeit.

    Die Kollektivscham ist eine unverschämte Scham, sie bringt den Feigenbaum dazu, Blätter hervorzutreiben, aber sie verhindert die Frucht.

    Zu Stammheim ist es nicht notwendig, Partei zu ergreifen, an eine der beiden Versionen zu „glauben“. Notwendig ist allein, beide Versionen reflexionsfähig zu halten. Als Adorno schrieb, daß die Welt immer mehr der Paranoia sich angleicht, die sie gleichwohl falsch abbildet, hat er diese Reflexionsfähigkeit gemeint. Ist Stammheim nicht ein letzter Abkömmling des Marx’schen „Klassenkampfs“? Die Kraft der Reflexion sprengt die verdinglichende Gewalt des Glaubens, sie löst den Bann der Erbaulichkeit (oder: Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht).

    An einer Stelle nennt Pangritz den ersten Kafka-Essay Benjamins (mit Hilfe einer nicht unproblematischen Verwendung eines Benjamin-Satzes) „unausgegoren“ (S. 149). Gehört diese Metapher nicht zur gleichen Sphäre, zu der auch der ägyptische Mundschenk gehört?

    Erinnert das „Christum treiben“ Luthers nicht an den Hund, der die Herde treibt?

    Wer lernt, im Gesicht des Andern zu lesen (jemandem „einen Wunsch von den Augen ablesen“), mag erfahren, was mit dem Angesicht Gottes gemeint ist. Gibt es nicht heute Berufe (insbesondere in Verwaltung, Justiz, Polizei), zu deren Eingangsvoraussetzungen die Verhärtung dagegen gehört? Wo jeder Fall ein Präzedenzfall ist, gibt es kein Gesicht. Wer in dem, den er vor sich hat, alle andern sieht, sieht den Einen nicht mehr. Rosenzweigs Kritik des Alls bezieht sich auf diese logische Konstellation. Das Gesicht ist kein Objekt des Wissens. Die wissenbegründende Orthogonalität (die in die Theologie mit dem Begriff der Orthodoxie eingedrungen ist) macht aus dem Angesicht und dem Namen das Objekt und den Begriff, sie verwechselt das Wahre mit dem Richtigen und begründet eine Ordnung des Lebens, in der alle nur noch ihre Pflicht tun, aber keiner mehr weiß, was er tut. Die Unterscheidung der Wahrheit vom Richtigen gründet in der Unterscheidung des Im Angesicht vom Hinter dem Rücken, der Barmherzigkeit vom Gericht.

    Die Apokalypse ist das kostbare Instrument des aufgedeckten Angesichts.

    Auch wenn man das Bestehende nicht ändern kann, muß man es nicht auch zusätzlich noch rechtfertigen.

    Natürlich steckt in der Reflexion ein auf Realisierung drängendes Moment, aber ich kann die Reflexion nicht davon abhängig machen, ob die Realisierung hier und jetzt möglich oder auch nur denkbar ist.

    Haben nicht alle Initiationsriten etwas mit der Bindungskraft der Komplizenschaft zu tun? Steckt nicht in allen gemeinschafts- und staatsbildenden Kräften der Religionen, auch des Christentums, etwas davon?

    Steckt in der Beziehung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zum Relativitätsprinzip nicht der verborgene Name des Himmels, die Beziehung von Feuer und Wasser?

    Bezogen auf 1948 ist 1997 ein Jobeljahr.

    Der Begriff der Natur im Subjekt wird verständlich nur, wenn man darin das Zitat aus der Kritik der Urteilskraft mit hört, die diesen Begriff auf die Sphäre der ästhetischen Produktion (der Hervorbringung des Genies) bezieht. Dieser Naturbegriff ist in sich selber historisch-gesellschaftlich vermittelt, er ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte, er bezeichnet den Objektbereich von Herrschaft, der in die Geschichte der Herrschaft verflochten ist, mit ihr sich ändert. Erst im Bann des Weltbegriffs wird die Natur zu etwas Festem, Unveränderlichen. Die Sonne Homers scheint auch uns, aber wir leben nicht in der gleichen Natur.

    Ist nicht die Vermutung begründbar, daß die naturwissenschaftliche Medizin heute in eine Krise gerät, die auf die innere Logik der Herrschaftsgeschichte zurückweist und u.a. auch an der RAF sich ablesen läßt, eine Krise, die mit der Konstellation von Objektverlust, Autismus und Geiselnahme sich bezeichnen läßt? Der Autismus wäre z.B. an der „Gen-Forschung“, in der – in der Konsequenz rassistischer Konstruktionen der „Erbforschung“ – die Forschung beginnt, ihre Objekte selber zu produzieren und die Kranken, die, was mit ihnen passiert, nicht mehr zu durchschauen vermögen, unterm Vorwand medizinisch notwendiger Maßnahmen, zur Experimentalmasse tendentiell paranoider Forschungen macht. In wie hohem Grade das auch ökonomisch determiniert ist, mag man an der Tendenz der Apparatemedizin erkennen, die die Nutzung der Geräte nicht mehr an den diagnostischen Erfordernissen der Krankheit, sondern an der Begründbarkeit im Rahmen der kassenärztlichen Abrechnungsmöglichkeiten, der Gebührenordnung, orientiert. Zu untersuchen wäre, in welchem Maße das, was heute „Gesundheitsreform“ heißt, durch Zwänge dieser Entwicklung determiniert ist.

    Die Konstellation von Autismus und Geiselnahme gründet in der Logik der fortschreitender Instrumentalisierung, einer Logik, in der Mittel und Zwecke ununterscheidbar sich vermischen und nicht mehr „objektiv“ sich trennen lassen.

    Ist nicht die Geschichte vom Traum des Nebukadnezar ein Schlüssel zu diesem Vorgang, der nicht auf die genannten Bereiche sich beschränkt, sondern die gegenwärtige Phase der Herrschaftsgeschichte insgesamt charakterisiert (und ist nicht die RAF ein Indikator der Nachkriegs-Herrschaftsgeschichte, des gegenwärtigen Stands der Geschichte der Naturbeherrschung, auch der Nachkriegsgeschichte der Beziehung der Naturwissenschaften zum Staat, die nur sich begreifen läßt, wenn man die darin sich reproduzierende Geschichte des Faschismus erkennt)?

    Modell der Konstellation von Autismus und Geiselhaft ist die Beziehung des Staats zur Wirtschaft, die ökonomische Konstruktion des Lebens in einer Welt, in der nicht mehr nur die Produktions-Einrichtungen, sondern zugleich auch die sie regelnden staatlichen Institutionen ihre Autonomie endgültig eingebüßt haben und zu einem Anhängsel der davon unabhängigen Kapital-Gesetze und -Bewegungen geworden sind.

    Ontologischer Trieb: Heute ertragen es die Menschen nicht mehr, daß andere Menschen – Menschen außerhalb des Definitionsbereichs, dem sie sich selber zurechnen: der Familie, der Nation, dem Geschlecht, dem Stand, dem Beruf, der Religion – sich herausnehmen, auch Menschen zu sein. Sie sollen bleiben, was sie sind: Ausländer, Arbeiter, Frauen, Geschäftsführer, Väter, Verkäufer, Juden, Beamte.

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