Newton

  • 24.4.1997

    „Der Junge blieb vor dem Fenster stehen und starrte hinaus: ‚Der Mondschein‘, sagte er, ‚macht die ganze Natur so – knochenlos; die Sonne erweckt in dem Menschen Tatendrang, der Mond Gefühle.‘ – ‚Ja, das ist wahr‘, sagte Wenzlow lächelnd. ‚Darum ist die Sonne im Französischen männlich, le soleil. Der Mond, la lune, ist weiblich.’“ (Anna Seghers: Die Toten bleiben jung. Darmstadt und Neuwied, 1977, S. 386) Welche Konsequenzen hat diese Bemerkung für das Verständnis der deutschen Sprache, ihres sprachlogischen und herrschaftsgeschichtlichen Grundes?

    „Sie wachte zuweilen nachts auf und dachte: Ich möchte mein Kind aufpacken und weit weggehen. Wohin? Es gab kein Wohin mehr.“ (Ebd. S. 402) – Genauer läßt sich die Welt, die im Faschismus sich ausdrückte und die er hinterlassen hat, nicht beschreiben, als durch diese Zerstörung des Wohin. Es gibt keine Ziele mehr, auch keine Fluchtorte vor dem allgegenwärtigen Schrecken.

    Dritte Leugnung: Die Unterstützung des Nationalsozialismus im Rußlandfeldzug, im „Kreuzzug gegen den Bolschewismus und das Judentum“, in dem „Weltanschauungskrieg“, der ein Vernichtungskrieg war, hat die Kirchen in den Abgrund mit hereingezogen, den die Nazis eröffnet haben, und der sich seitdem nicht mehr schließen läßt.

    Ist F.W. Marquardt nicht ein Beispiel dafür, daß die Theologie heute eine Opfer ihrer Sprache ist? Der Abgrund, in den die Theologie hereingezogen wurde, ist der Abgrund der Indikativs. Der Indikativ ist die Sprache der Exkulpation durch Objektivierung, durch Distanzierung von der Sache, die Sprache der reflexionslosen Verurteilung. Die Konstituierung und Rechtfertigung der Gegenständlichkeit hat den Imperativ aus der Sprache vertrieben, der dem Kommando im Wege stand, er hat den Namen Gottes geschändet, die Attribute Gottes unerkennbar gemacht.

    Der sprachlogische Grund des Indikativs ist das Neutrum und die Subsumtion Flexion der Verben, der Formen der Konjugation, unter die Zeit. Deshalb hat nur die Sprache der Schrift, das Hebräische, theologische Qualität, die anderen Sprache nur insoweit, wie es gelingt, die Schrift in diese Sprachen zu übersetzen. Ist das „Neue Testament“ nicht das Paradigma des Problems der Übersetzung der Schrift, und das Christentum die Folge eines – unter dem Zwang, nicht mißverstanden zu werden – unvermeidlichen und notwendigen Mißverständnisses?

    Der Antisemitismus hat den Trieb, nicht mißverstanden zu werden, vollendet und damit endgültig ins Leere laufen lassen. Er gründet in einer Sprache, die Mißverständnisse nicht nur nicht ausschließt, sondern keine Alternative mehr dazu kennt. Das innere Gesetz dieser Sprache ist der Indikativ. Hegel hat den Kern dieses Gesetzes im Begriff der List der Vernunft zu begreifen versucht. Der Antisemitismus ist das natürliche Ende dieser List der Vernunft (der Instrumentalisierung des Mißverständnisses).

    Die Instrumentalisierung des Mißverständnisses begründet die Logik der Gemeinheit (den logischen Kern des Antisemitismus). Kant hat das Gesetz dieser Logik in der transzendentalen Ästhetik vor Augen gestellt: in den „subjektiven Formen der Anschauung“. Aus dieser Wurzel stammen Hegels List der Vernunft, sein Begriff des Scheins und die Idee des Absoluten. Dem korrespondieren die drei den Indikativ sprengenden Kategorien, die Franz Rosenzweig im Stern der Erlösung benannt hat: die Umkehr (das Bild vom Koffer), den Namen (Name ist nicht Schall und Rauch) und das Angesicht. – Das Angesicht, das in der christlichen Idee der Anschauung Gottes, aus der jede Erinnerung an den göttlichen Namen getilgt ist, zum Ende der spekulativen Idee gemacht worden ist, ist bei Franz Rosenzweig der Anfang des Lebens (die Befreiung aus der Isolationshaft des Anschauens).

    Der Indikativ ist die Sprachlogik des objektivierenden Blicks, des Seitenblicks. So hängt er mit den subjektiven Formen der Anschauung (dem Instrument der Vergegenständlichung) zusammen.

    Der christliche Kanon der Schrift (des „Alten Testaments“), der die prophetischen Bücher zu historischen Büchern gemacht hat, ist ein Modell der kopernikanischen Wende, sein Vorläufer in der Theologie, der erste Ausdruck des Seitenblicks, sein Preis war der christliche Antijudaismus. In diesem Modell der kopernikanischen Wende waren die Elemente der Logik schon vorgebildet, die dann den Sternenhimmel, die ganze Natur und mit ihnen den Staat, den Begriff der Politik, verhext haben: Das heliozentrische System war der logische Grund des aus ihm erwachsenen Nationalismus, in dessen Dienst schon die Umwidmung der prophetischen in historische Bücher stand.

    Die Geschichte des Christentums hat ihren theologischen Ort zwischen Tod und Auferstehung: in der descensio ad inferos.

    Läßt sich nicht das Verhältnis von Leviticus und Deuterinomium am Verhältnis von Lev 26 und Dt 28 demonstrieren (und das Verhältnis des Exodus zum Deuteronomium an den beiden Fassungen des Dekalogs)?

    Der islamische theologische Topos, daß Gott die Welt in jedem Augenblick neu erschafft, ist die zwangsläufige Konsequenz einer Gottesidee, die – wie der Begriff des Absoluten – vom Staat nicht zu trennen ist. Die volle Schöpfungsmacht, die hier in jedem Augenblick auf das Geschöpf prallt, ist der theologische Grund des Islam, der Ergebung in Gottes Allmacht, der nichts widerstehen kann. Die Erfahrungsgrundlage dieser Schöpfungsmacht ist die Staatsgewalt.

    Sind nicht die Rechtsstaatsideologie und der Habermas’sche Verfassungspatriotismus ein Versuch, des faschistischen Erbes, das durch Reflexion aufzulösen wäre, durch einen zweiten Objektivationsschritt Herr zu werden: „Dressur des inneren Schweinehundes“. Die Reflexion, die heute notwendig ist, ist ohne die Hilfe der Theologie nicht mehr zu leisten.

    Zu Walter Benjamins Engel der Geschichte: Die Trümmer, die vor ihm sich aufhäufen, ist das nicht der Schutt, unter dem wir begraben sind, und zugleich der Leichenberg, auf dem wir stehen? Hängt das nicht mit der Konstruktion des Zeitkontinuums zusammen, durch den wir uns sowohl an den Anfang wie auch ans Ende der Zeitreihe, die beide im Unendlichen liegen, setzen? Die Aufspaltung der Zeit, die dem Indikativ zugrunde leigt, wird erzeugt und stabilisiert durch die Begriffe Natur und Welt. Die Natur ist der Leichenberg, die Welt der Trümmerhaufen. Dagegen richtet sich der Satz: Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.

    Der Atheismus hat in der Linken seit je die Regression gefördert.

    Das Problem Miskottes ist, daß er aus dem Zwang zur Erbaulichkeit, in den ihn die Gemeindetheologie hineinführt, nicht herauskommt.

    Die Kirchengeschichte der Theologie: Dogma, Orthodoxie und Bekenntnislogik, gründet in der Verwechslung von Erkenntnis und Wissen. Das Wissen ist ein Produkt der Vergesellschaftung von Erkenntnis (die Habermas durch seinen Begriff der „privilegierten Erkenntnis“ zu diskriminieren gezwungen ist). Das Wissen subsumiert die Erkenntnis unter das Objektivierungsgesetz, das insbesondere die Gotteserkenntnis strikt ausschließt. „Von Gott wissen wir nichts, aber dieses Nichtwissen ist Nichtwissen von Gott.“ Das Unkraut, das vor der Ernte nicht ausgerissen werden darf, ist die ins Wissen transformierte Erkenntnis. Die Häretiker sahen das Unkraut, sie wollten es vor der Ernte ausreißen. Mit der Verurteilung der Häresien hat die Kirche nur den Blick auf das Unkraut verboten, seine Wahrnehmung untersagt: hat sie nicht anstelle des Weizens das Unkraut in ihrem Garten gehegt und gepflegt?

    Die kopernikanische Wende (der die Kirche mit der Entwicklung des Dogmas und der Ausbildung der Orthodoxie vorgearbeitet hat) hat die Sensibilität in Empfindlichkeit verwandelt. Ausdruck dessen war die Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten, die Subjektivierung der „Empfindungen“.

    Steckt das Problem des Lichts nicht in der Geschichte der Auseinandersetzung Goethes mit der newton’schen Optik, in der Beantwortung der Frage, ob aus den Farben, aus den Brechungen des Lichts, das Licht sich rekonstruieren läßt? Goethes Bemerkung, daß die Mischung aller Farben grau, nicht weiß ergibt, ist ein Hinweis darauf, daß die Brechung des Lichts wie der Tod irreversibel ist. Physikalischer Ausdruck dieser Irreversibilität ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: So hängt der Bogen in den Wolken mit dem Inertialsystem zusammen.

    Was hat der Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit dem Bogen in den Wolken zu tun?

    Der Bogen in den Wolken verkörpert die Naturbeherrschung in allen ihren Gestalten: Er ist das gegenständliche Korrelat des Schreckens der Tiere.

  • 3.4.1997

    Die Neutralisierung der Schrift (durch – zwangsläufig antisemitische – Historisierung) war das Modell der Neutralisierung des Faschismus (durch Objektivation, Urteilsmagie: „Verurteilung“, „Dressur des inneren Schweinehunds“).
    Die Neutralisierung (Historisierung) der Schrift steht unter dem Bann des „Wie“ und des „Eigentlich“ („wie es denn eigentlich gewesen sei“), das aber heißt: unter dem Bann der instrumentellen Vernunft, die das „Wer“ und das „Was“ in den Himmel vertreibt, um sie dort zu überwältigen (Kopernikus und Newton; Einsteins Einspruch). Das „Wie“ wird durch die Klugheit der Schlangen, das „Was“ durch die Arglosigkeit der Tauben symbolisiert. Die Taube aber verkörpert den Geist.
    Ist nicht die Christenheit in der Wassertaufe steckengeblieben (Apg 15 u. 814f)? Steht nicht die Geist- und Feuertaufe noch aus? Die Scheiterhaufen (der Versuch, den Geist zu instrumentalisieren) sind der Beweis.
    Auf das „Wer“ gibt es drei Antworten: den Namen, das Angesicht und das Feuer.
    Der erste Schritt zur Erfüllung der Prophetie ist es, wenn die Gegenwart in der Prophetie sich wiedererkennt.
    Religion als Religion für andere (Instrumentalisierung der Religion) ist der Nährboden des Faschismus.
    Ist nicht Kirche heute die Kirche derer, die die Wahrheit der Religion zwar nicht mehr kennen, es aber für wichtig halten, daß es Religion gibt. Pfarrer wird, wer sich für berufen hält, diese Religion zu organisieren. Diese Geschichte der Kirche hat zu tun mit dem Verhältnis von Name und Begriff.
    Der Begriff (in dem strengen Hegel’schen Sinn) ist die Verkörperung des Gattungslebens der Menschheit.
    Ist nicht der Kreuzestod Jesu die innerste Konsequenz einer Intention, die darauf abzielte, den Bann der Instrumentalisierung in seinem Kern, in einer Religion, die nur noch Religion für andere ist, zu lösen?
    Empörung ist einer der Knotenpunkte (zu denen auch die Bekenntnislogik gehört), an denen die Schuldverschiebung, die Selbstentlastung durch Projektion, das Feindbilddenken, die Verdummung und die Verrohung sich schürzen, ihr systemischer Zusammenhang sich demonstrieren läßt.
    Die Feindbildlogik ist pornographisch: Sie geilt sich an der in den Andern hineinprojizierten eigenen Gemeinheit auf. Empörung ist Unzucht. Empörung ist Ausdruck einer Idolatrie, deren Gott das Selbst ist (Verinnerlichung des Opfers).
    Naturvölker sind gleichsam Naturprodukte der Paranoia, der sie nichts entgegenzusetzen haben. Die Zivilisation hat – mit der Erfindung der Barbaren – die Paranoia instrumentalisiert (die instrumentalisierte Paranoia ist die Klugheit der Schlangen: deshalb hat die Aufklärung im Sündenfall sich wiedererkannt).
    Das Christentum als Religion und die christliche Theologie sind in diese Geschichte der Paranoia verstrickt (Symptom dieser Paranoia war seit je der kirchliche Antijudaismus).
    Angriff und Verteidigung bleiben im Bann der Klugheit der Schlangen.
    Das Christentum hat durch Privatisierung der Herrschaftsgeschichte die Astrologie, die in diese Herrschaftsgeschichte verstrickt ist, nur obsolet gemacht, sie hat ihr Rätsel nicht gelöst. Das Verhältnis Babylon/Rom spiegelt die Geschichte dieser Privatisierung aufs genaueste wider.
    Johannes in der Apostelgeschichte (Petrus und Johannes, die „drei Säulen“)!
    Nicht die Angst vor der Denunziation, sondern der Schrecken davor, daß es Denunziation gab, daß Menschen dazu fähig waren, war der Schrecken des Faschismus.
    Rekonstruktion des Tags: Der azurblaue Himmel und der Bogen in den Wolken?
    Zum Schuldverschubsystem gehört auch ein Vergessen: Es genügt nicht mehr, daß man einem etwas sagt, man muß ihn auch noch daran erinnern. Nur so ist das aktive Vergessen, dessen Opfer heute die theologische Tradition ist, zu erklären. Es gibt niemanden mehr, der daran erinnert.
    Der Fundamentalismus hat für seine Anhänger den Vorteil, daß sie nicht denken brauchen.
    In seiner Idee eines Natursubjekts hat Bloch die ökologische Bewegung antizipiert, die das Natursubjekt (das dumpfe, bewußtlose Leben) bewahren möchte, darüber aber das Proletariat, die ganze Masse der Unterdrückten, Ausgebeuteten und Verachteten, vergißt.
    Auch die Biolandwirtschaft ist eine Marktstrategie.
    Das Eingedenken der Natur im Subjekt (der Quell der Sensibilität) ist etwas anderes als die Erinnerung an die gequälte Natur (der Reflex der Empfindlichkeit).
    Reproduziert sich nicht in Habermas‘ Kommunikationstheorie die Dumpfheit und Bewußtlosigkeit der Natur? Erschreckend ist allein, wie schnell und wie widerstandslos diese Dumpfheit und Bewußtlosigkeit in die Köpfe eindringt.
    Sind nicht alle ökologischen Probleme auch realsymbolische Probleme, die die Ökologie fundamentalistisch mißversteht? Die atomare Drohung, das Waldsterben und das Ozonloch werden erst dann wirklich verstanden, wenn auch das Symbolische darin, ihr Zusammenhang mit der „Natur im Subjekt“ verstanden wird.
    Wenn ein Kind in den Brunnen fällt, wird alle Ästhetik zynisch; dann bleibt nur das Retten. Nur: Das Kind, das gestern in den Brunnen gefallen ist, kann ich heute nicht mehr retten. Und die Verurteilung derer, die zugesehen, es aber „nicht wahrgenommen“ haben, mag mich entlasten, aber dem Kind hilft’s nicht mehr. Was hilft, wäre allein die Reflexion darauf, welche Kräfte und welche Mechanismen in den Zuschauern den Impuls zu retten unterdrückt und sie am Eingreifen gehindert haben.
    Die Geschichte als Entfaltung der Herrschaftslogik, die alles unter sich begräbt, ist Teil der Geschichte eines Anfangs, der noch nicht abgegolten ist, der zu wenden wäre. Hier ist der eine Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über 99 Gerechte. Und es ist die Bekehrung dieses Sünders von seinen Wegen des Irrtums, mit der der Bekehrende seine eigene Seele rettet.
    Die Vorstellung einer unendlichen Vergangenheit und die eines unendlichen Raumes sind Vorstellungen einer Größe, deren eigentliche Bedeutung in der Vorstellung der eigenen Winzigkeit liegt. Hilft es vielleicht weiter, wenn man sich erinnert, daß der Titel „der Große“ (von Alexander bis zum preußischen Friedrich) sich als Säkularisat des mythischen Helden, des Heros, begreifen läßt? Diese Größenvorstellung hatte seit je etwas Wahnhaftes, und der Faschismus war ein kollektiver Größenwahn. Sie hängt zusammen mit der Wahnvorstellung dessen, der sich für Napoleon hält. Im Faschismus hat die Paranoia sich als Pest, als Seuche, als ansteckende Krankheit erwiesen.

  • 23.2.1997

    Wenn es die logische Affinität der Naturwissenschaft zur politischen Ökonomie gibt, müßte sich dann nicht aus der mimetischen Rekonstruktion der Erfahrung aus ihren politisch-ökonomischen Bedingungen (aus der Fähigkeit, in die Erfahrung des andern unter Reflexion der politisch-ökonomischen Bedingungen seiner Erfahrung sich hineinzuversetzen) so etwas wie ein symbolisch-metaphorischer Zugang zur Kosmologie ergeben?
    Das Relativitätsprinzip begründet das Verfahren der Konstituierung des Raumes als subjektive Form der Anschauung, den Raum dadurch zu neutralisieren, daß der eine Raum über den anderen gezogen wird. Ist nicht dieser Raum das logische Kontinuum, in dem die Ökonomie sich entfaltet (und der im Entfaltungsprozeß der Ökonomie sich bildet): das Geld? Bezeichnet das Relativitätsprinzip am „Unzuchtsbecher“ das Moment der Unzucht?
    Gestern ein Bericht in der FR über Haie. Danach sind Haie zwar keine Säugetiere, aber die kleinen Haie schlüpfen im Bauch ihrer Mutter aus ihren Eiern und fressen dort z.T. sich gegenseitig, so daß z.B. von 70 – 80 ausgeschlüpften Haien nur zwei im Bauch der Mutter überleben und dann ins Freie gelangen.
    Die Tiere des fünften Tags sind die eierlegenden Tiere (Fische und Vögel). Die Säugetiere sind (mit den Menschen) die Tiere des sechsten Tags.
    Sind nicht die Säugetiere nach der Evolutionstheorie gleichzeitig mit den blütentragenden Pflanzen entstanden?
    Das Atheismus-Problem im Marxismus ist zu lösen allein über die Reflexion des Faschismus. Auch im Sozialismus bezeichnet der Atheismus den Sieg Hitlers.
    … et dimitte nos debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris, et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo.
    Hat nicht der Traum des Nebukadnezar etwas mit dem Ursprung des Bekenntnisses zu tun?
    Das Richtige ist nicht das Wahre, das Richtige ist das Unwiderlegbare.
    Wie hängt das salomonische Urteil (über die beiden Frauen, die sich um das eine Kind stritten) mit dem danielischen (über die beiden Alten, die sich an der Susanna rächen wollten) zusammen? Salomo apelliert an den Mutterschoß, das Organ der Barmherzigkeit, Daniel enthüllt die Verwundbarkeit des ungerechten Urteils?
    Tratsch und Gewitter; Tratsch als Instrument der Demoralisierung, Demoralisierung als Herrschaftsmittel. Aus dem Tratsch kann man nur eines lernen: Gegen die darin installierte mythische Gewalt, kommt keiner an; zur Identifikation mit dem mythischen Aggressor gibt es keine Alternative. Wen’s trifft, den trifft’s.
    Das Licht ist der Naturgrund aller Zwecke (die Grenze des Kausalitätsprinzips).
    Gestern in der Sendung über die Höhlenbilder von Lascaux der Hinweis, daß Tiergruppen nicht verschiedene Tiere, sondern möglicherweise verschiedene Bewegungsphasen der Bewegung eines Tieres abbilden. Ist die Höhlenmalerei ein Vorläufer des Kinos? Ist die Höhle (auch das Kino ist eine Höhle) eine Variante des Mutterschoßes (und das Fernsehen der Greuel am heiligen Ort: die endgültig instrumentalisierte Barmherzigkeit)?
    Zur Genese des Vorurteils: Welche Rolle spielt hier das Verbot der Neugier? Wird nicht mit der Neugier die Erfahrungs- und Lernfähigkeit, eine nicht restlos ins „Wissen“ übersetzte Beziehung zur Welt, verboten? Ist nicht die Rückübersetzung jeder Erfahrung ins schon Bekannte das Ziel des ganzen Objektivierungsprozesses (und wird damit nicht die Erfahrung der ganzen vergangenen Menschheit verraten)? Ist die Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis auch die Geschichte der Selbstzerstörung der Lernfähigkeit?
    Kopernikus und Newton haben das Ungleichnamige (Oben und Unten) gleichnamig gemacht, was haben Maxwell und Einstein getan?
    Zum Begriff der Öffentlichkeit: War nicht das Kollosseum die öffentliche Löwengrube, und wurde nicht, als die Scheiterhaufen öffentlich gemacht wurden, die Öffentlichkeit selber verbrannt? Auch Auschwitz war öffentlich, allerdings in der fürchterlichsten Gestalt: als Gerücht. Darauf wäre der von Habermas mißbrauchte Titel vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ zu beziehen: In der kollektiven Verdrängungsleistung der Deutschen, die die Kollektivscham dann besiegelt hat, ist die Öffentlichkeit selber verbrannt worden. Seitdem gibt es keine mehr.
    Der Begriff der Information bezeichnet den Pfropf, der heute die Erfahrungsfähigkeit verstopft.
    Das Feindbild, die Urteilslust und der Unzuchtsbecher.
    Das Perfekt, das vom Handeln ins Sein (in die Vergangenheit) transformiert wird, spaltet sich auf in Sein und Haben (in Politik und Ökonomie). Hier liegt der Ursprung der Auxiliarien, der Hilfesverben, in denen die Gewalt der politischen Ökonomie sich ausdrückt. Das Problem Namens (des Symbolischen, des Metaphorischen) gründet in der Beziehung dieser beiden Formen des Perfekts.
    Name und Begriff sind nicht vergleichbar. Ihr Verhältnis ist das der Umkehr.
    Der Historismus, der die Vergangenheit des Perfekt ratifiziert, ist das Prinzip der Zerstörung des Symbolischen (der Zerstörung der Prophetie). Sind nicht alle Motive der Apokalypse aus dieser Transformation des Perfekt ableitbar? Die Idee der Auferstehung drückt den Widerspruch zwischen der Kraft des Namens und der „historischen Realität“ (der Ratifizierung der Vergangenheit der Geschichte) aus. Das Subjekt der symbolischen Erfahrung ist die Barmherzigkeit.

  • 6.2.1997

    Das Gravitationsgesetz ist der konsequenteste Ausdruck dafür, daß der Fall zur Norm geworden ist. Seit Kopernikus/Newton ist die Welt „alles, was der Fall ist“.
    Die Planetensystem sind Normensysteme, und die Wege des Irrtums (die Planetenbahnen) sind gesetzlich (durch Normen) determinierte Wege, die durch Universalisierung der Gebote zu Normen zu gesetzlich determinierten Wegen geworden sind. (Venuskatastrophe: die Katastrophe der Transformation der Sexualmoral in eine Urteilsmoral, ihre Instrumentalisierung im Kontext der Logik von Anklage, Urteil und Strafe, der Herrschaftslogik und des Staates.)
    Der biblische Ankläger war schon der „Staatsanwalt“, der Anwalt Babylons.
    Die Geschichte der Aufklärung ist auch eine Geschichte der Entwertung von Erfahrung. Diese Geschichte beginnt mit der christlichen „Überwindung“ der Vergangenheiten, die insgesamt (als heidnische wie als jüdische) zum Irrtum erklärt wird.
    Haben nicht alle Hegelianer eines von ihrem Meister gelernt: daß es eine Logik des Unwiderlegbaren gibt? Die Unwiderlegbarkeit aber ist der blinde Fleck der Hegel’schen Philosophie. Aus der Hegelschen Philosophie gibt es – wie aus dem das Planetensystem beherrschenden Gravitationsgesetz – keinen Ausweg. Notwendig wäre die Reflexion der Beweislogik: der Versuch, Licht in den blinden Fleck der Logik hineinzubringen.
    Das Modell des Unwiderlegbaren sind die subjektiven Formen der Anschauung, die selber erst im Kontext der Gravitationstheorie sich konstituieren (deshalb gehört die Kritik der Naturwissenschaften heute zur Rekonstruktion der Philosophie).
    Alle zentralen Motive der Hegelschen Logik (und das reicht zurück in die Phänomenologie des Geistes) sind angelegt in der Kantischen Antinomienlehre, der der Widerspruch in der logischen Gewalt der Norm zugrundeliegt, die Verdrängung, die den Akt der Transformation des Gebots in die Norm, ins Gesetz, begleitet (Dekonstruktion des apagogischen Beweises).
    Habermas‘ Kommunikationstheorie findet den Schein ihrer Begründung darin, daß sie mit dem Konstrukt des performativen Charakters der Sprache, die seinem Konzept der Intersubjektivität zugrundeliegt, zwei Momente mit einander vermischt, die streng getrennt zu halten sind: die Logik der Anschauung mit der der erkennenden Kraft des Namens. Die Anschauung ist intersubjektiv, aber in der Anschauung ist jeder für sich, ist das Subjekt Monade, ist es fensterlos. Die Gemeinschaft der sprechenden Subjekte, und in ihr die kommunikative Kraft der Sprache, gründet in der Kraft des Namens, durch die die Sprache in den Kern der Sache selbst hereinreicht, durch die sie mehr ist als bloßes Raisonnement. Habermas‘ Anstrengungen werden absorbiert von der Strategie, den Widerspruch, den er zu fühlen scheint, den aber nicht mehr zu reflektieren wagt, nicht laut werden zu lassen. Es ist der Selbstwiderspruch der instrumentellen Vernunft, der ihn, weil er ihn nicht mehr reflektieren darf, zur kommunikativen Instrumentalisierung der Vernunft zwingt.
    In der jüdischen Geschichte ist Esra, der erste Schriftgelehrte, auch der Begründer der Thorarepublik. Ist nicht die Apokalypse die Korrektur der Institution des Schriftgelehrten?
    Die analogia entis war des logische Instrument, das es ermöglichte, die Beziehung der beiden Welten, dieser Welt und der zukünftigen Welt, aus der Zeit in den Raum zu transformieren. Sie lieferte die Begründung des katholischen Mythos von Himmel und Hölle.
    Läßt nicht die Bewegung der Grünen daraus sich herleiten, daß sie, um überhaupt noch ein Kriterium für Kritik, deren Notwendigkeit sich nicht mehr verdrängen läßt, zu haben, die Utopie, die Idee der richtigen Gesellschaft, die nicht mehr sich halten läßt, durch „die Natur“ ersetzt? Aber wird so die Natur nicht zu einem gesetzlich geschützten Bereich, in dem am Ende die Menschen nicht mehr vorkommen?
    Haftpflichtversicherung: Gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen der Versicherungslogik, die vor unliebsamen Zufällen schützen soll, und der „Delegation von Verantwortung“, die eigentlich die Entlastung von Verantwortung meint? So wird im Naturschutzgebiet Mönchbruch ein Spazierweg deshalb nicht freigegeben, weil dort Bäume sind, die nicht geschlagen werden sollen, weil sie von seltenen Pilzen befallen sind, die aber die Gefahr in sich bergen, daß Äste herabfallen können, die Spaziergänger treffen könnten. Ist der Weg aus Haftpflicht- oder aus Naturschutzgründen gesperrt? Die Natur, die hier geschützt wird, ist eine gesellschaftliche Natur: Geschützt wird der Staat (und werden mit ihm die Forstbeamten) vor möglichen Schadensersatzansprüchen und Regreßforderungen der Bürger.
    Wir leben in einer Welt, in der die Opfer nicht beendet, sondern außer Sichtweite gerückt werden (in den Schlachthäusern, Psychiatrien, Knästen, Altersheimen, Arbeitersiedlungen, in der Dritten Welt). Zugleich werden die, die die Dreckarbeit zu verrichten haben, soweit es nicht – wie bei der Müllabfuhr – Ausländer sind, in Uniformen gesteckt und unter Ehrenschutz gestellt (Polizei, Militär). Dieser Ehrenschutz ist eigentlich nur ein Wahrnehmungsverbot.
    Ist das Kausalitätsprinzip der vergegenständlichte, ins neutrale verschobene Rachetrieb? Wenn es eine objektive Form der Verdrängung gibt, dann gibt es auch ein Objekt für die Idee der Auferstehung der Toten.
    Man darf die Verwaltungskritik nicht den Liberalen überlassen. Eines der verhängnisvollsten Versäumnisse des real existierenden Sozialismus war der Verzicht auf die Reflexion der Herrschaftsinstrumente, insbesondere der Verwaltung, die nicht zuletzt hier zur Reproduktionsstätte der Gemeinheit sich entwickelt hat.
    Daß es beim Startbahnbau wie in Garzweiler und wie bei den Atomkraftwerken auch um Arbeitsplätze geht, ist ein Argument, das ernst zu nehmen ist. Aber ist es nicht das gleiche Argument, das in andern Zusammenhängen als Triebkraft für Amokläufe sich erweist: so in der Sozialstaatsdebatte, unter den Stichworten: Gesundheitsreform, Rentenreform, Steuerreform?
    Walter Benjamins Bemerkung, daß der Kleinbürger Teufel und arme Seele zugleich sei, wäre heute zu ergänzen: Wird er nicht umso mehr zum Teufel, je mehr er sich als arme Seele erfährt?
    Waren nicht die Mysterienkulte (auch eine Form der „Erlösungsreligion“) insbesondere beim Militär verbreitet? Merkwürdig, daß dieser Sachverhalt beim Kippenberg nicht erscheint. Und wie verhalten sich die „Erlösungsreligionen“ zu den mantischen Praktiken, zum Augurenwesen, zur Astrologie, zu den Weissagern, die dann von den Caesaren verboten wurden?

  • 7.12.1996

    Hat die Zahl 666 etwas mit den 99 Gerechten zu tun?
    Barmherzigkeit und Erkenntnis:
    – Die Frage, ob reflektierende Urteile nur regulative oder auch konstitutive Bedeutung haben, ist bei Kant vorentschieden durch die transzendentale Ästhetik, durch sein Konzept der „subjektiven Formen der Anschauung“. Kant zufolge haben konstitutive Bedeutung nur Urteile, die sich auf Erscheinungen in Raum und Zeit beziehen. Die Einsicht in die Subjektivität von Raum und Zeit eröffnet zwar den Spielraum für reflektierende Urteile, diese haben aber keine konstitutive Bedeutung für mögliche Gegenstände und ihre Erkenntnis.
    – Konstitutive Bedeutung haben demnach nur synthetische Urteile apriori, hat nur das Kategoriengeflecht, das mit den subjektiven Formen der Anschauung eigentlich schon mitgesetzt ist.
    – Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht: Das Gericht verwandelt alles, worüber es ergeht, in Natur (darin gründet die Beziehung des Rechts zum Mythos, auf die Walter Benjamin hingewiesen hat). Konstitutive Urteile, in deren Kontext der Naturbegriff sich bildet, sind richtende Urteile; Inbegriff dieser richtenden Gewalt sind die „subjektiven Formen der Anschauung“, ihr Repräsentant in den Dingen sind die Formen von Raum und Zeit als Formen der Selbstentfremdung der Dinge, als Grund ihres Seins-für-Andere (ihrer Instrumentalisierung); Natur ist der Inbegriff aller Objekte von richtenden Urteilen. Es gibt kein Inneres der Natur, der Naturbegriff selber schließt jedes „Sich-Hineinversetzen“ in die Objekte, auf die er sich bezieht, a limine aus. Die einzige Identifikation, die der Naturbegriff zuläßt, ist die Identifikation mit den Mächten der Naturbeherrschung: die Identifikation mit dem Begriff, der das Objekt außer sich (und unter sich) hat: die „Anpassung an die Welt“.
    – Die Kraft der Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen und den Bann der Fremdheit zu sprengen, sprengt den Bann der subjektiven Formen der Anschauung und mit ihm den Bann, der auf der Natur liegt: Sie öffnet den Himmel und erneuert das Antlitz der Erde (sie begründet die „größere Freude“ über die Bekehrung des einen Sünders und rettet, indem sie den Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, die eigene Seele).
    – Die erkennende Kraft der Barmherzigkeit bewährt sich an der Beziehung des Staates zur Astronomie (in der die Geschichte als Herrschaftsgeschichte und als Geschichte der Verstockung des Herzens erinnert wird).
    – Ist die Zahl 666 der Knoten, der zu lösen wäre?
    katakauchatei eleos kriseos (Jak 213) – Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht (so übersetzen die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und Karrer). katakauchaomai – rühme mich; tue groß, brüste mich.
    Barmherzigkeit und Naturerkenntnis: Welche Folgen hat die Kritik des Naturbegriffs für die Naturerkenntnis selber?
    Es gibt nicht nur ein Inertialsystem, sondern das Inertialsystem hat im Kontext der Mechanik (die dem frühbürgerlichen Handel und dem Handwerk korrespondiert) eine andere Bedeutung als im Kontext des Gravitationsgesetzes (das dem politischen Absolutismus entspricht), und beide sind unterschieden von der Gestalt des Sytems, das der Elektrodynamik und der Mikrophysik zugrunde liegt (dem Korrelat der globalen Durchsetzung der Marktgesetze und ihrer Vorstufe, des Imperialismus).
    Ist die Orthogonalität das logische Symbol der Grenze (und ist deshalb die Gerade, die Verkörperung der Richtung, grenzenlos, unendlich)?
    Tarschisch ist der Name eines Ortes am Ende der Welt. Salomo hat mit den Tarschischschiffen aus Tyrus aus Tarschisch das Gold für den Bau des Tempels holen lassen. Jona, der Ninive den Untergang künden soll, versucht, nach Tarschisch zu fliehen, woran ihn der Sturm hindert, mit den bekannten Folgen.
    Wenn im Begriff der Ware im wörtlichen, außenpolitischen Sinne des Wortes die Beziehung auf eine Grenze, ein Stück Fremdheit und ein Moment des Barbarischen (das im Begriff der rohen Natur, aus der die Waren durch Bearbeitung gewonnen sind, nachklingt) enthalten ist, was bedeutet das für die Logik des Geldes, auf dessen Begriff der der Ware bezogen ist? Hängt es nicht hiermit zusammen, daß an den einzigen Stellen der Schrift, an denen es den Kauf von Grundstücken geht (um die Subsumtion des Bodens unters Tauschprinzip), es sich um Grundstückkäufe von Nicht-Israeliten, von Bewohnern Kanaans handelt (das Grab Saras und den Grund, auf dem dann der Tempel erbaut wurde).
    Wie hängt der Tempel, die Geschichte des Tempels, mit der Ursprungsgeschichte des Geldes zusammen?
    Die Logik des Geldes ist astrologisch: das Geld verweist auf die „Enden“ der sechs Richtungen des Raumes, die die Planeten verkörpern, konkret: die Sonne und der Mond (Gold- und Silberwährung), aber auch die anderen Planeten (Jupiter, Mars, Venus und Merkur, oder auch die vier apokalyptischen Reiter).
    Ist es nicht merkwürdig, daß Kopernikus und Newton mit dem Münz- und Finanzwesen zu tun hatten? Haben nicht die kopernikanische Wende und das newtonsche System den Weg für die Entdeckung, Eroberung und Ausbeutung der außereuropäischen Welt und für den Kapitalismus in Europa freigemacht?
    Hängen nicht Geld und Schwur mit einander zusammen, und beziehen sich nicht beide auf den Himmel?
    Das Geld hängt mit dem Inertialsystem auf ähnliche Weise zusammen wie das Foto im Personalausweis mit dem Angesicht des Menschen: es ist eine Abbildung, die das Abgebildete unkenntlich macht.
    Die endlichen Bilder des Unendlichen sind Bilder des Schreckens. Die Götterbilder versuchen diesen Schrecken zu bannen, indem sie ihn instrumentalisieren, als Schrecken für andere verwenden. Götzen sind Schreckverschubsysteme. Deshalb lehrt die Schrift die Gottesfurcht, erkennt sie in ihr den Anfang der Weisheit.
    Gegen das Leichte: Vom Schweren hat die göttliche Herrlichkeit ihren Namen. Nur wenn ich die Last auf mich nehme, wird diese Herrlichkeit für mich erkennbar. Das Schuldverschubsystem ist das System der Verblendung.
    Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Voraus geht der Cherub, der mit dem kreisenden Flammenschwert das Tor des Paradieses bewacht (und auf den Cheruben thront Gott).
    Die Grundgeschichte der Aufklärung müßte sich an der Geschichte der Banken (deren Ursprung mit dem der Tempel zusammenfällt) demonstrieren lassen. Welchen Punkt in dieser Geschichte bezeichnet die Vertreibung der Geldwechsler und der Taubenhändler (so bei Matthäus und Markus, bei Lukas nur allgemein der „Verkäufer“, bei Johannes zusätzlich zur Vertreibung der Geldwechsler und Taubenhändler auch die der „Verkäufer von Ochsen und Schafen“)?
    Zur Bedeutung der Zahl zehn: Aus welchem Grunde hatte das römische Jahr zehn Monate, und was bedeuten die Namen der Monate?
    Der Weizen, der unter die Dornen fällt, ist das nicht das Wort, das unter die subjektiven Formen der Anschauung fällt? Hat nicht Heidegger die Sorge, in der Jesus die Dornen erkennt, unter die der Weizen fiel, zum Zentrum der Fundamentalontologie gemacht?
    Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist, ohne daß sie es weiß, eine Geldtheorie.

  • 20.11.1996

    Wie hängen das Angesicht, der Name und das Feuer zusammen mit der Subjektivierungsgeschichte der Sinnlichkeit, der Kritik und der Schuld?
    Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion hängt zusammen mit der Unfähigkeit zur Kritik der Verwaltung: des Instrumentariums der Herrschaft (Problem des real existierenden Sozialismus, auch des 68er Marxismus).
    Daß Hegels Philosophie nur bis zum Bewußtsein der Freiheit reicht, ist in der systemlogischen Funktion und Bedeutung des Weltbegriffs begründet. Diese wären zu reflektieren, und in ihnen die Logik der Schuld (die Wurzeln des gesellschaftlichen Schuldzusammenhangs).
    Die Verwaltung ist das Instrument der Herstellung der Welt.
    Was die Nazis einmal das „gesunde Volksempfinden“ nannten, war nichts anderes als der faschistisch entfesselte Rachetrieb; und der hat den Faschismus überlebt.
    Als Habermas den „Verfassungspatriotismus“ erfand, hat er sich selbst von der Reflexion der Natur ausgesperrt. Seitdem kreist er auf den Planetenbahnen seiner Kommunikationstheorie.
    Kant hat noch zwischen dem Endzweck der Natur (den es nicht gibt) und dem Endzweck der Schöpfung (der im Menschen als einem moralischen Wesen sich verkörpert) unterschieden (Kritik der Urteilskraft, § 86). Mit dem Naturbegriff ist die universale Geltung des Kausalitätsprinzips – und damit der Ausschluß jeder Teleologie – mit gesetzt; nur der Begriff der Freiheit fährt aus dem Bann der Natur heraus: dieser Freiheitsbegriff ist der Grundbegriff des Handelns und der Moral.
    Vgl. hierzu Kants Begründung der Subjektivität der Formen der Anschauung und die Konsequenzen dieser Reflexion. Erinnert diese Begründung nicht an die (dreifache) Orthogonalität und damit an die die transzendentale Logik und den Begriff der Erscheinungen begründende dreifache Abstraktion: die Abstraktion von der Sinnlichkeit, von der objektiven Kraft der Kritik (auf deren Rekonstruktion die kantische Philosophie abzielt) und von der Objektivität der Schuld? Diese drei Abstraktionsschritte stützen sich wechselseitig, sie vollenden sich in den subjektiven Formen der Anschauung. Gehört der römische Triumph, der Dreischritt, von dem er den Namen hat (vgl. die Bemerkungen Florens Christian Rangs hierzu in seinem „Shakespeare als Christ“), zur Ursprungsgeschichte der subjektiven Formen der Anschauung, waren die in ihm mitgeführten Gefangenen und die Beute das Modell der dann neutralisierten „trägen Masse“, war das caesarische, imperiale Rom die Geburtstätte des Inertialsystems?
    War nicht das kirchliche Verständnis des Bindens und Lösens, der Sündenvergebung, insbesondere das Institut der Ohrenbeichte, ein wesentlicher und notwendiger Schritt auf dem Wege zur Konstituierung der subjektiven Formen der Anschauung?
    Als Levinas auf den imperativen Gehalt der Attribute Gottes hingewiesen hat, hat er dem fundamentalistischen Schriftverständnis, das diesen imperativen Gehalt in die unreflektierte Gestalt der Schrift verlegt, endgültig den Boden entzogen. Das fundamentalistische Schriftverständnis ist die Flucht vor dem Imperativ, der in den Attributen Gottes sich manifestiert. Deshalb bezieht sich die „Erfüllung der Schrift“ in erster Linie auf die Passion.
    Steckt nicht eine gewaltige Symbolkraft darin, daß Hegel an der newtonschen Gravitationstheorie und Goethe an der newtonschen Farbenlehre sich abgearbeitet haben? Ich meine, es ist eine arge Vereinfachung, wenn man den Abschluß dieser Geschichte darin zu erkennen glaubt, daß Newton gesiegt hat, während Hegel und Goethe gescheitert seien.
    Zur Kritik der Subsumtionslogik: Der Antisemitismus ist kein Anwendungsfall einer allgemeinen Vorurteilstheorie, sondern er ist die Wurzel des Vorurteils.
    Die Venus-Katastrophe ist die Katastrophe, die eingetreten ist, als die Barmherzigkeit durch die Liebe und eine Sexualmoral, die als Urteilsmoral sich etabliert hat, ersetzt worden sind. Diese Katastrophe ist ein Ereignis der Herrschaftsgeschichte, sie ist eins mit dem Ursprung der Begriffe Natur und Welt. Der Preis für die Transformation der Sexualmoral in eine Urteilsmoral war die Heuchelei (vgl. hierzu die Beziehung der Gemeinheitslogik zu dem Begriff der Schwere der Schuld).

  • 16.11.1996

    „Es war, als sei man einfach dadurch, daß man am Leben war, in ein fremdes Grundstück eingebrochen, und der das Wort an dich richtet, läßt dich wissen, daß dein Dasein unerwünscht ist“ (Ruth Klüger, weiter leben, S. 113): Deutlicher kann man den Zusammenhang des Antisemitismus (der Feindbildlogik) mit dem Eigentumsprinzip, das den Staat begründet, nicht zusammenfassen.
    Zur Bemerkung über Adornos Satz, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch, der hier wieder einmal nur in der Gestalt zitiert wird, in der ihn das öffentliche Gerücht kolportiert (Klüger, S. 127), wäre einfach auf die Fundstelle in den Prismen (1955. S. 31), die keiner zu kennen scheint, zu verweisen.
    Heute in der FR ein Hinweis auf Rene Girard („Religion und Gewalt“): In den Erklärungsansatz wäre das Problem des Objektivierungsprozesses, der Zusammenhang von Ökonomie und Naturwissenschaften und ihres gemeinsamen Apriori, in denen die Sündenbockmechanik und die mythische Opferlogik (Feindbildlogik, Sündenbockmechanismus und Bekenntnislogik) sich reflektieren, mit aufzunehmen.
    Der Grund der Unterscheidung von Welt und Natur liegt in der Unterscheidung der subjektiven Formen der äußeren und der inneren Anschauung (in der Unterscheidung von Raum und Zeit). Der Begriff der Natur (der auf das „dynamische Ganze der Erscheinungen sich bezieht) steht unter dem Gesetz der inneren, der der Welt (der auf das „mathematische Ganze der Erscheinungen“ sich bezieht) unter dem der äußeren Anschauung. Der Naturbegriff gründet in der Vergegenständlichung der Zeit, der Weltbegriff in der des Raumes.
    Natur und Ökonomie sind beides Produkte des Seitenblicks auf die Zeit: die Ökonomie unter dem Aspekt der Produktion (des ante rem: der Vergegenständlichung der Zeit), die Natur unter dem des Konsums (des post rem: der bereits vergegenständlichten Zeit): Nach der biblischen Geschichte vom Sündenfall produziert Adam den Staub, den die Schlange frißt. Das Subjekt der Ökonomie setzt sich gleichsam an den imaginären (unendlichen) Anfang der Zeit, das der Natur an ihr imaginäres (unendliches) Ende: so sind die säkularisierten Formen der Schöpfung und des Gerichts auf einander verwiesen. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Weltbegriff die Schöpfung leugnet und der Naturbegriff die Auferstehung.
    Die RAF-Prozesse sind Teil einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, in deren Folge Auschwitz uns immer näher auf den Leib rückt. Es gibt eine Form der Aufarbeitung der Vergangenheit, die ohne es zu wissen in Wiederholungszwänge umschlägt. Der Transmissionsriemen dieses Umschlags ist die Urteilsmagie, die Vorstellung, man könne den Schrecken durchs Urteil bannen.
    Auf einem Sportplatz spielen zwei Mannschaften von 10-Jährigen Fußball; am Rande die Trainer der beiden Mannschaften, die ihre Kommandos ins Feld brüllen, die die Kinder dann begeistert befolgen: So werden Pawlowsche Reflexe eingeübt, die nicht nur die Grundlage sportlicher Erfolge sind, sondern zugleich die Erfolgsreligion (die winner-Mentalität und die Logik, die ihr zugrundeliegt: die Feindbildlogik) eintrainieren. So wird der Sport zu einem Nebenzweig einer von der BWL dominierten Ökonomie, zu einer die Herrschaft des Selbsterhaltungsprinzips stabilisierenden Ideologie. Vor dieser Folie ist der Graf-Prozeß ein nationales Ereignis.
    Ließe sich nicht anhand der Steuerprozesse zunächst gegen Graf Lambsdorf und jetzt gegen Graf der „Fortschritt“ der politischen Ökonomie aufs genaueste bestimmen? Im Zuge der Privatisierung staatlicher Aufgaben und der gleichzeitigen Transformation von Politik in Verwaltung lassen private und öffentliche Interessen sich schon fast nicht mehr unterscheiden.
    Boris Becker und Steffi Graf: So wurden die Funktionen, die früher einmal Filmstars hatten, vom Film in den Sport, vom Himmel auf die Erde, transformiert. Rührt das nicht an den Kern der Logik, aus der der Antisemitismus sich herleitet?
    Haben nicht das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande schon etwas mit der Unterscheidung von Himmel und Erde zu tun, und ist nicht der falsche Prophet und der Antichrist die Verkörperung einer Phase des Säkularisationsprozesses, die das Feuer des Himmels zum Objekt von Naturbeherrschung zu machen strebt (Off 1313: „Und es tut große Zeichen, sodaß es sogar Feuer vom Himmel fallen läßt, vor den Menschen“)?
    Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet: Wenn am Ende die Menschen (die „Väter“) der Verblendung verfallen, selber Schöpfer der Dinge geworden zu sein, werden die Dinge sie verbrennen.
    Ist nicht die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos die früheste Gestalt der Hegelschen Geschichtsphilosophie (mit dem Untergang der Streitmacht Pharaos im Schilfmeer als Weltgericht)?
    Die Gestalt der Selbstreflexion, die heute notwendig wäre, läßt sich nur mit dem Wort in Joh 129 noch bestimmen: Das Sehet, mit dem dieses Wort beginnt, richtet sich nicht an den Zuschauer, sondern an den Nachfolger, es steht nicht im Indikativ, sondern im Imperativ.
    Die Urteilsmoral ist die Moral des Zuschauers (und des Richters). In dieser Konstellation gründet der Zwang zum Geschwätz. Die Feindbildlogik ist ein Teil der Logik des Geschwätzes.
    Beziehen sich das Angesicht, der Name und das Feuer auf eine Trinitätslehre von innen, und was hat diese Trinitätslehre mit einem Schöpfungsbegriff zu tun, in dem neben Himmel und Erde auch das Meer vorkommen?
    Auschwitz hat die Erinnerung des Himmels verbrannt, die Asche gegen den Himmel gestreut. Aber dieses Feuer ist nicht erloschen: in diesem Feuer sind wir.
    Die Logik, die die Oben-Unten-Beziehung reversibel gemacht hat, hat das Ungleichnamige gleichnamig gemacht: Sie hat die Herrschaftslogik ausweglos gemacht und die Feuer der Hölle in der Sprache entzündet.
    Hängt nicht das Wort, daß die Pforten der Hölle sie (die Kirche) nicht überwältigen werden, mit dem anderen zusammen: Was ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein?
    Der ungeheure Gedanke, daß der Himmel die sinnliche Grenze zur Vergangenheit ist (eine Grenze, die nur die Gebete der Heiligen zu durchdringen vermögen). Die Erinnerung an diese Grenze wurde durch Kopernikus verdrängt. Seitdem erreicht das Gebet den Himmel nicht mehr, bleibt es ins monadologische Subjekt, in die Bedürfnisse der Einsamen (wie der Gegenstand der Planckschen Strahlungsformel in den dunklen Hohlraum, aus dem keine Strahlung mehr nach draußen entweicht), eingesperrt.
    Die ergreifende Symbolik des Satzes: „Wenn mei dä Augen togeiht, wär’n se enk opgaohn“, auch das Bild der alten Frau im Krankenhaus, die 1945 immer nur den einen Vers sang „Wildgänse rauschen durch die Nacht … die Welt ist voller Morden“.
    Wenn es einen Fortschritt in der Geschichte gibt, dann müßte er in der Linie Assur, Babylon, Persien, Griechenland und Rom liegen: Militärmacht, Tempelwirtschaft, Rechtsstaat, Zivilisation zur öffentlichkeitsfundierten respublica und zum Caesarismus.
    Das Sklavenhaus Ägypten, der Eisenschmelzofen, ist zu dieser Geschichte exterritorial.
    War es nicht der „politische Auftrag“ der Geschichtswissenschaft seit der Erfindung der Sumerer, diese klaren und durchsichtigen Strukturen zu verwirren? Und gleicht dieser Auftrag nicht dem, den die Kopenhagener Schule in der Physik dann übernommen hat?
    Newton hat das to be ins naturwissenschaftliche Grundgesetz übertragen: ins Gravitationsgesetz (das Präfix be-: Kristallisationskern der Verräumlichung und Verdinglichung).

  • 13.11.1996

    Roland Barthes verweist in seinen Mythen des Alltags auf eine Konstruktion des Mythos, die er als Kreisen um einen leeren und einen erfüllten Ort beschreibt (S. 104): Ist das nicht die genaue Beschreibung der elliptischen Planetenbahnen (der Wege des Irrtums), ist der nach Kopernikus, Keppler und Newton endgültig säkularisierte Himmel die sinnlich-unsinnliche Gegenwart des Mythos (und ist nicht der hebräische Name des Himmels, der Name seiner sinnlich-übersinnlichen Gegenwart, der Beweis für die Realität der Offenbarung: der Wahrheit der in dieser Sprache aufbewahrten Tradition)?
    Stichworte:
    – Dämonen: Produkte der Verinnerlichung des Mythos (unterm Bann des Weltbegriffs, dessen Beziehung zum Naturbegriff der des leeren zum erfüllten Ort gleicht),
    – Kritik des Urteils (Theorie des Angesichts, des Namens und des Feuers): Objekt und Prädikat als Repräsentanten (Statthalter) der Begriffe Natur und Welt; die Grenze, die das bestimmende vom reflektierenden Urteil trennt, wird durch die subjektiven Formen der Anschauung (dem Repräsentanten der sieben unreinen Geister) definiert; Ziel der Kritik des Urteils: durch Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung dem reflektierenden Urteil die Vollmacht des Indikativs, der Lehre, zurückgewinnen.
    – Name des Himmels: wird lesbar, wenn der Himmel wie ein Buchrolle sich aufrollt.

  • 28.9.1996

    Steckt in der kantischen Unterscheidung eines feminenen und eines neutrischen Erkenntnisbegriffs (die bzw. das Erkenntnis) ein bei seinen Nachfolgern schon verdrängtes Bewußtsein davon, daß die transzendentale Logik eine neutralisierte Erkenntnisform begründet? Und liegt hier nicht der Grund für die „romantische Revolution“, die Isaiah Berlin (in Lettre 34, S. 76ff) zu beschreiben versucht? Im Bann der Logik dieser neutralisierten Erkenntnis wird das Wahre (nicht die Wahrheit) zum „bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ (Hegel, Vorrede/Einleitung zur Ph.d.G.).
    Kant begründet seine Vernunftkritik mit dem Hinweis auf die kopernikanische Wende, in der er das Modell seiner philosophischen Revolution erkennt. Ist die transzendentale Logik nicht in der Tat das philosophische Äquivalent der newtonschen Gravitationstheorie, beschreiben nicht beide gemeinsam den Grund und die Grenzen des Begriffs der Erscheinung (und im Begriff der Erscheinung das Korrelat des Begriffs, den Inbegriff aller Objekte von Urteilen)?
    Ist die Fähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, der Anfang der Gotteserkenntnis? Und war es nicht der Pharao, der, weil er Joseph nicht mehr kannte, auch den Namen Gottes nicht mehr kannte? Deshalb mußte Moses auf den „Gott der Hebräer“ sich berufen, wenn er zum Pharao ging.
    Israeliten heißen die, die Gott fürchten; Hebräer heißen die Gottesfürchtigen von außen: in den Augen der Völker. Vereinigt nicht der Name des Gottessohns beide Aspekte in sich (mit der Folge, daß durch die Dogmatisierung dieses Namens seine Wahrheit verdrängt wird, nur der Blick von außen, der dämonische Gebrauch des Namens zurückbleibt: der Gott der Hebräer)?
    Backstreet boys: Gibt es dieses Gekreische nicht auch in der Religion?
    Das „geboren aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria“, das in einigen frühen Bekenntnistexten sich findet, enthält die Erinnerung an den Mutterschoß, aus dem die Propheten berufen wurden, während das „natum de spiritu sancto ex Maria virgine“ den Heiligen Geist in den zeugenden Gott mit hereinnimmt (und die Prophetie storniert).
    Die Erstgeburt ist dem Moloch zubestimmt, seine Auslösung durchs Opfer (des Lammes, auch der Taube) gehört zur Ursprungsgeschichte der Offenbarung. Bei der Bindung Isaaks war der erste Engel, der das Opfer forderte, der Engel Gottes, der zweite, der es verhinderte, der Engel des Herrn. Auch dem Zacharias und der Maria ist der Engel des Herrn erschienen: er nannte sich Gabriel.
    Nach Emmanuel Levinas stehen die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ: Ist nicht der Indikativ die Sprache des Selbstbewußtseins, das sprachliche Korrelat des Weltbegriffs und des Objektivationsprozesses, den der Weltbegriff begründet und legitimiert? Aber gibt es nicht doch auch einen theologischen Indikativ: den der Lehre?

  • 22.09.1996

    Ägyptische Finsternis: Das Verdrängen des Bekenntnisses in der Gegenwart, in der keiner mehr glaubt, was er bekennt, ist eine Folge des in die Bekenntnislogik eingebauten Vergessensmechanismus.
    Im Anfang: Die Schrift kennt nicht die Unterscheidung des zeitlichen und des logischen Anfangs; diese Unterscheidung setzt die Trennung von Natur und Welt (Objekt und Begriff, Schrecken und Urteil, zeitlicher und logischer Ordnung) voraus.
    Das (auf den kaiserlichen Konzilien formulierte) Credo unterscheidet sich vom Apostolischen Glaubensbekenntnis u.a. in folgenden Punkten:
    – Der auffälligste Unterschied dürfte die Ersetzung des creare durch das facere sein (Reflex des Banns der gesellschaftlichen Naturbeherrschung?),
    hinzu kommen:
    – die Unterdrückung der descensio ad inferos (eines Artikels, der dem Apostel Thomas zugeschrieben wird),
    – das unum (vor: deum, dominum Jesum Christum, sanctam catholicam et apostolocam ecclesiam, baptisma),
    – die Umstellung von „gelitten unter P.P., gekreuzigt, gestorben und begraben“ in das sehr merkwürdige „gekreuzigt unter P.P., gelitten und begraben“ (Staats unterstellt hier bloße Schlamperei).
    Dem Credo zufolge ist Jesus weder gestorben, noch abgestiegen zur Unterwelt.
    Zum lateinischen Credo gehört auch das genitum non factum und das ex patre natum ante omnia saecula. Im Griechischen wird genitum und natum nicht unterschieden, in beiden Fällen heißt es gennetenta. – Was bedeutet saeculum: wird es nicht je nach Bedarf mit Jahrhundert (Weltzeit) und Ewigkeit übersetzt?
    Ist das Adjektiv katholisch (wie auch das unum) ein Reflex der Rezeption des Weltbegriffs (dessen zentrale Bestimmungen die Totalität und die Einheit sind)?
    Es ist keineswegs sicher, daß die byzantinische Tradition die ältere ist, nur: sie ist die caesarische Tradition. Hat vielleicht das Apostolische Bekenntnis, das historisch durchaus später sein kann, dagegen bewußt auf die ältere Tradition sich berufen?
    Gibt es eine griechische Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, oder anders: wenn es aus einer griechischen Vorform entstanden ist, hat es später eine griechische Version der lateinischen Endfassung gegeben (vgl. Kelly, S. 113ff)?
    Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben: Ist das nicht die Aufforderung, das Urteil dadurch zu unterlaufen, daß man dem Schrecken sich stellt? – Eines wird nicht mehr möglich sein: aus der Faschismus-Erfahrung durch Historisierung den Schrecken zu bannen. Es wird immer wieder ein Goldhagen kommen, der den Historismus erschüttern wird: An ihren Reaktionen wird man die Historiker dann erkennen können.
    Wenn Reinhart Staats „die säkulare Medienwelt mit ihren Publikationen und Propaganda-Institutionen … an das ursprüngliche Wesen des Christentums als einer bekennenden Religion erinnern“ (S. 306), weiß er dann wirklich, wovon er redet?
    Sind nicht die innerkirchlichen Spaltungen Vorgänge, an denen man den Ursprung des Planetensystems studieren könnte (lassen sich nicht die abgespaltene jüdische Tradition als Sonne, die Kirche selbst als Mond, die abgespaltene Orthodoxie als Jupiter, der Islam als Mars, sowie Merkur und Venus als Aufklärung und Kultur („Kunst“) verstehen)?
    Die Planetenwelt ist der Beweis, daß Newtons absoluter Raum ein siebenfacher (kein einfacher) Raum ist?
    Ist es nicht ein ungeheurer Gedanke, daß die Metalle, aber auch die inneren Organe der Tiere und Menschen auf die Konstellation der Planeten verweisen (ist die Deszendenztheorie eine auf die Welt der Planeten begrenzte Kosmogonie?).
    Kein Mitleid mit Jona: Wichtiger als die Frage, wie es mit Jona weitergegangen ist, ist, scheint mir, die Frage, was mit Ninive geschehen ist, nachdem es nicht zerstört wurde. Kann es sein, daß die „Zerstörung Ninives“ gerade darin bestand, daß alles einfach nur weitergegangen ist?
    Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns: Gewinnt nicht der zweite Teil dieses Satzes ein umso größeres Gewicht, je mehr wir versuchen, ihn zu verdrängen?
    Erinnerungsarbeit: Surfen im Internet der Logik.
    Das Sparprogramm der Bundesregierungen überzeugt vor allem alle die Hausbesitzer: Auch sie haben sich einmal beim Hausbau übernommen und sind jetzt gezwungen zu sparen.

  • 18.08.1996

    Natur ist ein Exkulpationsbegriff, der von der „Last“ des richtigen Lebens (der Barmherzigkeit) befreit. Mit dem Begriff der Natur (und hinter seinem Rücken: dem Bewußtsein nur durch Reflexion zugänglich) konstituieren und entfalten sich die im Weltbegriff zusammengefaßten Herrschaftsstrukturen. Deshalb ist die Geschichte der Naturerkenntnis ein Teil der Herrschaftsgeschichte, deren Erkenntnis sie zugleich ausblendet.
    Jede historische Gestalt der Naturerkenntnis war ein Mittel der Rechtfertigung des jeweils Bestehenden; mit dessen Änderung veraltet auch die ihm jeweils korrespondierende Gestalt der Naturerkenntnis. Der große Fisch und das Vieh im Buch Jona: sind das Leviatan und Behemot? Mit dem Begriff der Buße wurde das herrschaftskritische Element im Begriff der Umkehr ins Autoritäre zurückgebogen. Symbol und Typos konstituieren sich als Erkenntnisbegriffe nur durch die Kritik von Natur und Welt (durch die Kritik der historisierenden Vergegenständlichung) hindurch. Exemplarisch für diese kritische Beziehung zur Objektivität ist die symbolische Beziehung der Schlange zum Neutrum und die logische Beziehung des Namens der Hebräer zu dem der Barbaren. Verhält sich der Stier zum Naturbegriff wie die Schlange zum Neutrum?
    Indogermanisches: Die christianisierten Neutrum-Sprachen sind Sprachen im Bauch des Fisches (Jonas bekennt sich, bevor er ins Meer geworfen und vom Fisch verschlungen wird, als Hebräer). Haben die Christen den Namen der Hebräer nicht seit je als eine spezielle Anwendung (und antijüdische Radikalisierung) des Namens der Barbaren mißbraucht? Der Symbolbegriff bezieht sich auf die Natur, der des Typos auf Welt und Geschichte, und zwar beide als Mittel der kritischen Reflexion. Der Bekennende gibt sich zu erkennen, dieses Bekenntnis (dessen Paradigma das Schuldbekenntnis ist: Ausdruck der Wehrlosigkeit) wird durch die Bekenntnislogik ins Gegenteil verkehrt: die Bekenntnislogik macht das Bekenntnis zur Maske, den Bekennenden zur Person: sie macht die Welt zum Subjekt des Bekenntnisses (und wird so zu einem Instrument der Welt- und Objekt-Erkenntnis). Jesus hat die Bekenntnislogik in der Gestalt des Pharisäers zum Objekt der Kritik gemacht. Durch Historisierung der Pharisäer (wie auch der Propheten) hat das Christentum diese Kritik externalisiert und zu einem Instrument des Antijudaismus gemacht. Für die Christen waren die biblischen Pharisäer gleichsam Pharisäer von Natur, ihr Pharisäertum eine Natureigenschaft (hier liegt eine der Wurzeln des Rassismus), die Christen sind durch diese projektive Verschiebung nicht mehr nur zu Pharisäern, sondern zu Rassisten geworden. Die Logik des Satzes „Rich-tet nicht …“ läßt an dieser Konstellation sich demonstrieren; die Bekenntnislogik ist die Logik der Verurteilung. Sind die Wolken der Zeugen die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn kommen wird? Das Herrengebet hat die Christen ins Leere, in die Wüste geschickt: Wie können sie den Namen heiligen, wenn sie ihn nicht kennen? So wurde aus der Heiligung des Gottesnamens das Verbot des Fluchens (das wahr wird, wenn man es moralisch, als Norm des Handelns, und nicht verbal versteht: als Herrschaftskritik und nicht als Verbot der Majestätsbeleidigung, der „Verunglimpfung“ von Herrschaftssymbolen). Jedes Verurteilen ist ein Fluchen; und dieses Fluchen konstituiert die Wege des Irrtums (den bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist). Hat die Erfindung der Schrift etwas mit dem Versuch der Rekonstruktion der Planetenbewegungen zu tun? Und verweist nicht das Planetensystem (wie auch der hebräische Name des Himmels) auf die Beziehung von Schrift und Wort? Am Ende wird sich der Himmel wie eine Buchrolle aufrollen. Die folgenreichste Wirkung der kopernikanischen Wende war, daß sie die Schrift dieses Buches gelöscht hat. Kohelet: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Deshalb ist des Bücherschreibens kein Ende. Ist nicht Kants Wort über den Sternenhimmel über mir und das moralische Gesetz in mir der Beweis, daß er mehr wußte als er sagen konnte? Kant = Jona: Die Kritik der reinen Vernunft ist der Bauch des Fisches, die Kritik der praktischen Vernunft das Gebet im Bauch des Fisches, und mit der Kritik der Urteilskraft hat der Fisch Jona an Land gespien (dort aber reichte sein Sprachvermögen nur bis zu dem Satz: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört). Hitler war nicht der Antichrist, wohl aber die Generalprobe. Dazu eine Warnung: Der Messias wird in der gleichen Gestalt wiederkommen, nicht aber der Antichrist. Verhalten sich die hebräischen und die griechischen (indoeuropäischen) Deklinations- und Konjugationsformen zueinander wie die Wasser über und die Wasser unterhalb der Feste des Himmels (wie Name und Begriff, Wort und Schrift)? Ist nicht der Himmel das erste Geschöpf, dazu das einzige, das dann als Name Verwendung findet? Der Pharao, der Joseph nicht mehr kannte: Heißt das, daß, wer Joseph nicht mehr kennt, wie Pharao wird? Wenn der Herr sich als Urheber der Verstockung bekennt, ist das nicht der Herr, den Pharao nicht kennt (und ist das die Ursache der Verstockung)? Auch wenn Gott das Herz des Pharao verhärtet, verstockt Pharao sich selbst. Und ist nicht das Gottsuchen der einzige Weg, der aus der Verstockung herausführt? Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: In der objektivierenden Anschauung des Andern erkenne ich meine eigene Nacktheit. Nur Gott sieht ins Herz der Menschen.
    Der „eliminatorische Antisemitismus“ war die Einübung ins Herrendenken, das nach dem Krieg (auf der Grundlage der kollektiven Verdrängung und im Prozeß der Metamorphosen des Feindbilds) als ausgesprochen karrierefördend sich erwiesen hat. Auschwitz steckt in den Fundamenten der Nachkriegsgesellschaft (nicht nur in Deutschland), diese Vergangenheit ist nicht nur vergangen.
    Adornos Bemerkung, daß heute jeder Katholik schon so schlau sei wie früher nur ein Kardinal, gehört in den gleichen Zusammenhang. Dem Antisemiten (ähnlich wie dem Folterer) beweist jede Lebensäußerung des Opfers (jeder Ausdruck der Qual, die der Folterer ihm zufügt) das Recht und die Notwendigkeit, es zu quälen. Das verleiht dem Antisemitismus (aber auch seinen Nachfolgekonstrukten) eine Beharrungskraft, eine inertiale Gewalt, die inzwischen die gesellschaftliche Bewegung insgesamt durchdringt, sie dem mechanischen Prozeß, mit dessen Logik sie seit ihrem Ursprung aufs engste verbunden ist, endgültig angleicht. Der apagogische Beweis (dessen Analyse noch aussteht) ist der Beweis durch Verdrängung. Und die Vorstellung des unendlichen Raumes, die keine ist (der unendliche Raum läßt sich nicht „vorstellen“), gewinnt ihre Überzeugungskraft und ihre logische Gewalt allein aus den Verdrängungsprozessen, die die Anpassung an die Welt (das Selbsterhaltungsprinzip) heute erzwingt. Hegels Kritik des apagogischen Beweises (Logik I, Ausgabe Meiner 1951, S. 231ff, insbesondere S. 236), die ihn nicht auflöst, sondern instrumentalisiert, ergreift (obwohl sein Text das Gegenteil suggerieren will) die Partei der Welt gegen das Subjekt. Verweisen nicht die Aporien des kopernikanischen Systems, in dem bei gleichmäßiger Verteilung der Materie im Universum nicht sich erklären läßt, – weshalb es nachts dunkel ist und – weshalb die Gravitationskräfte, die sich eigentlich akkumulieren müßten, nicht unendlich und chaotisch sind, auf einen inneren Zusammenhang von Gravitation und Licht, und ist es nicht in der Tat merkwürdig, daß Newton, der das allgemeine Gravitationsgesetz entdeckt hat, auch die Grundlagen für die physikalische Optik gelegt hat, und daß Einsteins Relativitätstheorien durch ihre Beziehung zum Licht und zur Gravitation sich unterscheiden? Ist das Inertialsystem die Feste des Himmels, die im Namen des Himmels die Einheit von Wasser und Feuer repräsentiert, und hat nicht Einsteins spezielle Relativitätstheorie den Zusammenhang beider erstmals notiert: das Wasser im Relativitätsprinzip und das Feuer im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (das konkret nur auf thermische <oder allgemein: mikrophysikalische>, nicht auf makrophysikalische Objekte und Prozesse sich bezieht; die Beziehung der speziellen Relativitätstheorie (des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) zur Planckschen Strahlungsformel ist nicht nur eine zufällige, historische, sondern beide beziehen sich, in unterschiedlicher Perspektive, auf den gleichen logischen und empirischen Sachverhalt: auf die Wechselwirkung kinetischer und elektrodynamischer Prozesse)? Sintflut: War der Thalessche Satz „Alles ist Wasser“, der die Geschichte der Philosophie eröffnete, die erste Formulierung des Relativitätsprinzips?

  • 4.8.96

    Luther hatte Recht, als er Rom mit Babylon in eins setzte, aber er hätte die Kirche nicht verlassen dürfen. Babylon unterscheidet sich von Ägypten dadurch, daß es aus Babylon keinen Exodus gibt. Für Babylon gilt der Satz des Jeremias: Betet für das Wohl der Stadt. Nach der Apokalypse ist der Herr in Sodom und Ägypten, aber nicht in Babylon gekreuzigt worden (Off 118). Babylon aber hat Jerusalem zerstört. Unterschlägt (oder verdrängt) die Befreiungstheologie nicht Babylon (und deshalb das Problem der Verhärtung des Herzens Pharaos, die Vorgeschichte des Kelch-Symbols)? Es ist strikt untersagt, die Zeiten zu berechnen, denn den Tag und die Stunde kennen weder der Sohn noch die Engel, sondern nur der Vater. Es ist jedoch geboten, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Heute haben alle Katastrophen ihr bewegendes, ihr kausales Zentrum auch in der Sprache, so wie das heliozentrische System sein Zentrum in der Sonne hat, das die Irrwege der Planeten determiniert. Die Enden der Erde, sind das nicht die göttlichen Namen, auf die die sechs Richtungen des Raumes versiegelt sind (die sechs „Planeten“, ohne Saturn)? Und sind diese Richtungen des Raumes nicht allein erfahrbar im Angesicht (so hängen der Name und das Angesicht zusammen)? Kopernikus und Newton haben die obere und die untere Welt gleichnamig gemacht (den Saturn durch die Sonne, den Sabbath durch die dies dominica, ersetzt), sie haben den Hades totalisiert. Gilt für diese Welt, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden? Wenn wir zu ihm umkehren (in der Heiligung des Namens), wird Er zu uns umkehren (im Leuchten Seines Angesichts). „Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht“: Steht hier das „Er sprach“ in der erzählerischen Vergangenheit und das „Es werde Licht, …“ im Präsens der indirekten Rede? Oder würde der hebräische Text auch die Interpretation zulassen, daß das „Es werde Licht, …“ nur eine Erläuterung des „Er sprach“ ist, daß Sein Wort im Licht sich manifestiert, und daß die Verdoppelung des Lichtwerdens auf das dialogische Moment in Gottes Wort verweist? Und damit auf ein dialogisches Moment im Licht: das das Sehen und Gesehenwerden umfaßt; hiervon abstrahiert die Anschauung, die in den Formen der Anschauung monologisiert und vergesellschaftet wird. Die Konvergenz von Sprache und Licht wird durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum neutralisiert; sie ist die Grundlage der Erschaffung des Menschen: „nach Seinem Bild, nach Gottes Bild, als Mann und Weib“. Deshalb reicht die Unterscheidung des Männlichen und Weiblichen bis in den Sprachgrund herab (im Hebräischen ist auch die zweite Person nach Geschlechtern differenziert). Sprache als Mitteilung, Information, Botschaft: Der Monolog ist Rede über etwas; er ist objektivierend und instrumentalisierend; er vollzieht sich hinter dem Rücken der Dinge wie der Adressaten. Das Paradigma des Monologs ist das Buch, die Wissenschaft, die Vorlesung; seine Erfüllung findet er in den Medien, die nur noch Leser, Hörer, Zuschauer kennen; sein Vorläufer war die Predigt. Im Deutschen wird zur formellen Anrede die dritte Person plural, das Sie, verwandt, im Englischen die zweite Person plural, das you, das dann zur generellen Anrede der zweiten Person geworden ist, das thou verdrängt hat. Im Deutschen ist das Personalpronomen der dritten Person plural identisch mit dem der dritten Person singular femininum (während für die zweite Person plural das Possessivpronomen der dritten Person singular femininum <das Ihr> verwandt wird). Während im Deutschen die Possessivpronomina im Singular analog gebildet sind (mein, dein, sein), und nur das Femininum der dritten Person abweicht (das Ihr, das dann als Personalpronomen der zweiten Person plural verwandt wird), sind im Englischen die Possessivpronomina der dritten Person singular geschlechtsspezifisch differenziert (his, her), nur die der ersten und zweiten Person (mine, thine) sind analog gebildet. Hängen diese Unterschiede mit dem Unterschied beim Infinitiv Sein (englisch: to be) zusammen, und verweisen sie nicht auf ein tiefes sprachlogisches Problem? Wasser zu Blut (1. ägyptische Plage, vgl. auch Off 88, 163,4): Ist dieses Blut das Lebensprinzip des subjektlosen, aus dem gesellschaftlichen Schuldzusammenhang erwachsenden Lebens? Entstehen nicht daraus die Frösche (2. Plage), die dann auch im Nil bleiben (zu den Fröschen vgl. Off 1613f)? Stab/Schlange: Bei welchen Plagen wird der Stab verwandt? Welche Bedeutung hat der Stab in der Wüstenwanderung, und hängt er mit der „ehernen Schlange“ zusammen, die später dann zum Tempel gehörte, aus ihm in der Königszeit (durch Hiskia, 2 Kön 184) entfernt wurde? Das Strafrecht ist das (auf dem Grunde des Gewaltmonopols sich konstituierende) Bekenntnis des Staates (vgl. zur Ursprungsgeschichte des modernen Strafrechts den Zusammenhang von Dogma und Inquisition). Werte sind Reflexionsformen des Strafrechts in der Ethik, gründen sie nicht sowohl in der Ethik als vielmehr in der (Bekenntnis-)Logik des Strafrechts. Sprachlich und logisch sind Werte Urteile, die jedoch objektive Realität nicht durch argumentative Begründung, sondern durch kollektive Sanktionierung (durch Verbote und durch Verurteilung) gewinnen (sowas tut man nicht). Zu Werten „bekennt“ man sich, und Werte werden „durchgesetzt“. Werte sind Reflexionsformen des im Strafrecht gesellschaftlich organisierten Rachetriebs.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie