Die Verluste, die den spekulativen Gewinnen gegenüberstehen, werden nicht von denen getragen, die sie eigentlich verantworten müßten. Die wirklichen Verlierer sind die, die in der Folge solcher Spekulationen den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten müssen, ihn im Ernstfall verlieren (Metallgesellschaft, AEG, Volkswagen).
Der Vorstellung des leeren Raumes korrespondieren in der Ökonomie die Schulden, im Ernstfall die Besitzlosigkeit, die Armut. Der Begriff des horror vacui gründet in dieser Beziehung. Wenn Kant den ontologischen Gottesbeweises durch den Hinweis widerlegt, daß 100 gedachte Gulden den Beutel nicht füllen, so trifft das genau diesen Sachverhalt. Der Begriff des Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo gewinnt Bedeutung nur, wenn er auf diesen Zusammenhang der Vorstellung des leeren Raumes (die bei Kant als subjektive Form der Anschauung sich erweist) mit dem Begriff der Armut sich bezieht (vgl. die „Geldschöpfung“ der Banken). Der Satz aus Hegels Rechtsphilosophie, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug sei, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, drückt diesen Zusammenhang aufs genaueste aus. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beziehung der kopernikanisch-newtonschen Wende in der Astronomie, zur ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und zum politischen Absolutismus als Ausdruck einer gemeinsamen Logik.
Das Vakuum, die Vorstellung des leeren Raumes (die subjektive Form der äußeren Anschauung), und deren gesellschaftliches Korrelat, die Schulden und die Armut, sind das genaue Korrelat des Kelch-Symbols.
Zur gesellschaftlichen Funktion des Raumes, der subjektiven Form der äußeren Anschauung, gehört es, alle Dinge eigentums- und tauschfähig zu machen. Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Statthalter des Staates im Subjekt.
Verhält sich nicht die schwere zur trägen Masse wie das Geld zur Ware? Und in welcher Beziehung stehen das Ätherproblem und seine Konkretisierung: der Korpuskel-Welle-Dualismus und dessen statistische Interpretation, zum Problem der Tätigkeit der Banken und des Buchgelds?
Wenn Dirk Baecker die Risiken zum eigentlichen Objekt des „Handels“ der Banken, zur Ware, mit der die Banken handeln, macht, so verweist das genau auf das Schuldenverschubsystem, die Fähigkeit, diese Risiken so zu handeln, daß sie die Banken selbst nicht treffen, nicht an ihnen hängen bleiben. Die Tätigkeit der Banken gehört zum Apparat der Umverteilung des „Reichtums“ und der Erzeugung der Armut.
Ist nicht die der katholische Heiligen-Mythos ein Produkt der Verdinglichung und Personalisierung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens?
Der Weltbegriff, der alles, was er begreift, eigentumsfähig macht („säkularisiert“), gehört zum Staat, weil der Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern sich konstituiert. Dagegen ist das Heilige das Nicht-Eigentumsfähige: Ziehe deine Schuhe aus, denn hier ist heiliger Boden.
Hat die Erbsünde nicht etwas mit der Sünde der Welt zu tun: Was mit der Erbsünde sich vererbt, ist die instrumentalisierende Gewalt und sind die darin gründenden logischen Verstrickungen des Weltbegriffs (unter dessen Bann das Tier steht).
Die Gemeinschaft der Heiligen ist eine Gemeinschaft, deren Mitglieder aus den realen und logischen Verstrickungen des Eigentums sich gelöst haben. Deshalb gehört das Armutsgebot zu den evangelischen Räten.
Ökonomie
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25.10.95
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23.10.95
Die Bekenntnislogik ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Rachetriebs. Das Christentum hat den Satz „Mein ist die Rache, spricht der HERR“ mit der Opfertheologie ins Affirmative gewendet und zugleich den „jüdischen Gott“ zum „altorientalischen Rachegott“ erklärt. Diesem Vorgang verdankt sich das Schuldverschubsystem, das der christlichen Gnaden- und Erlösungslehre zugrundeliegt (die Vorstellung von einem gnädigen und barmherzigen Gott, der die Sünden vergibt, ohne noch das sicut et nos dimittimus debitoribus nostris zu fordern).
Der Schrecken Isaaks: Liegt das Befreiende des Lachens nicht darin, daß man lernt, mit dem Schrecken zu leben?
Was war der Grund für den Untergang, die (unblutige!) Vernichtung, der Rotte Korah, die „lebendig in die Unterwelt gefahren“ ist? Nur Korah war ein Levisohn, Dathan und Abiram waren Rubensöhne, wer waren die 250 Männer (Num 16)?
Der Satz, daß es einen Gott gibt, begründet keine Theologie, nur eine Religion für andere. Dieses „es“ repräsentiert die Welt, deren Logik das „es gibt“ die Gottesvorstellung unterwirft. Auch der Begriff der Existenz ist theologisch unbrauchbar: Die Existenz ist in sich selbst gesellschaftlich vermittelt. Nachdem der ontologische Gottesbeweis am Ende auf die Existenzphilosophie zusammengeschrumpft ist, ist der Begriff der Existenz zum Decknamen der Hybris geworden.
Der Tod ist für die Existenzphilosophie der reine Aggressor und das „Vorlaufen in den Tod“ der Akt der Identifikation mit dem Aggressor. Nur durch Identifikation mit dem Aggressor kann man innerhalb der Logik der Existenzphilosophie sich vor diesem Aggressor noch schützen.
Esel und Rind: Das Nachfolgegebot verlangt, das Kreuz auf sich zu nehmen, nicht es den andern als Joch aufzuerlegen.
Eine Musikphilosophie heute hätte von der Allgegenwart einer „Musik“ auszugehen, die längst zum schwarzen Loch geworden ist, das alles Licht in sich aufsaugt, keines mehr ausstrahlt.
Das neue „Asylrecht“: Die Fortsetzung von Hoyerswerda mit anderen Mitteln.
Die Empörung gehorcht bewußtlos dem Schuldverschubsystem.
Barmherzigkeit, nicht Opfer: Nicht auf die Unschuld kommt’s an, sondern aufs Tun.
Wer das eigene Sehen als In-Augenschein-Nehmen erfährt, sollte sich nicht wundern, wenn er am Ende wie ein Auto ausschaut.
Waren die Pyramiden Einrichtungen zur Ehrung der Toten oder zum Schutz gegen sie? Waren sie der Preis für die pharaonische Herrschaft, die präventive Absicherung, daß die Pharaonen nach ihrem Tod nicht wiederkommen werden? War das Grab nicht seit je auch ein Schutz vor den Toten (augenfällig das Hünengrab, dessen Last der Tote niemals würde abwerfen können: waren die Toten in den Hünengräbern nicht gefesselt, in „Hockstellung“)? Und war das Gefühl der Trauer nicht auch seit je ambivalent, der geheuchelte Schmerz, hinter dem die Erleichterung sich verbarg?
Ist die Priesterschaft der Kirche die Wache vor dem Grab, zu dem der Himmel am Ende geworden ist: die Absicherung der Verhinderung Seiner Wiederkunft? Nur der „zur Rechten des Vaters“ sitzende Herr scheint für kirchliche Zwecke brauchbar zu sein.
Für den Fundamentalismus ist das Licht eine Fluchtburg, keine öffnende und offensive Befreiung von der Blindheit. So darf er sich nicht wundern, wenn er das Licht unterm Scheffel wiederfindet. Der Missionsauftrag der Kirche kann nicht darin sich erfüllen, daß am Ende alle unter dem Scheffel sich versammeln.
Durch den Export der Armut ist die Arbeitskraft draußen billiger und zur Konkurrenz der Arbeitskraft im eigenen Lande geworden. Das ist der ökonomische Grund des Reimports der Armut.
Der Lauf der Welt: Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg militärisch zwar verloren, den Raub des jüdischen Eigentums und den Gewinn aus der Ausbeutung der KZ-Sklaven, der Fremdarbeiter und der Kriegsgefangenen aber behalten dürfen. Sie waren ein Teil der Grundlagen der ökonomischen Revision des verlorenen Krieges unter den Bedingungen und in der Folge des „Kalten Krieges“, zu dessen Gewinnern Deutschland gehört. Das Land, das die ganze Last des Zweiten Weltkrieges getragen hat, Rußland, war am Ende der wirkliche Verlierer.
Ökonomie und Rassismus: Sind nicht die Stabilität der DM und der „Standort Deutschland“ die Erben der faschistischen Rassenideologie, die zynische Aufdeckung ihres ökonomischen Kerns?
Der Slogan „Standort Deutschland“ (der auf die Probleme der Geldwertstabilität, der Außenhandelsbilanz sich bezieht) ist ein Stichwort für die Verwilderung der ökonomischen Sitten.
Heute gibt es (als Pendant zum Gesinnungs-Marxismus) einen Bereicherungs-Kapitalismus, der dabei ist, die eigenen produktiven Grundlagen zu zerstören. 90 % der Geldbewegungen auf den internationalen Märkten sind spekulative Bewegungen, nur noch 10 % beziehen sich auf den Warenverkehr und auf Dienstleistungen.
Der Rechtfertigungszwang (das moralische Pendant zum kapitalistischen Prinzip der Gewinnmaximierung) macht das Schuldverschubsystem irreversibel.
Der Staat, der nur an marktwirtschaftlichen Grundsätzen sich orientiert, ist ein Profitmaximierungsmaschine, ein Instrument der Umverteilung und Ausbeutung. -
20.10.95
Nach Ton Veerkamp haben die hellenistischen Städtegründer das in den Tempeln gehortete Geld geplündert und in die Zirkulation geworfen (Autonomie und Egalität, S. 245). So wurde das Gold zum „unbewegten Beweger“, zu einem Gott, der alles beherrscht und den nichts gereut (gegen diesen „Hellenismus“ richtete sich die Austreibung der Wechsler aus dem Tempel). Ist dieser unbewegte Beweger durch Kopernikus/Newton nicht säkularisiert worden; hat nicht die Gravitationstheorie der aristotelischen Metaphysik, indem sie sie zur Physik machte, den Garaus gemacht? Vorbereitet war diese Geschichte in der der politischen Ideologie, in der der Herrscher, der Monarch, sich immer schon im Bild der Sonne gesehen hat, des Zentralgestirns, das nicht nur den Tag, sondern auch die Bewegungen der Planeten sowie die die Nacht und den Tag begleitenden Mondphasen beherrscht. Hat die Einführung der Goldwährung (wann erfolgte sie, war’s Babylon, waren’s die Perser oder die Griechen?), die die Silberwährung abgelöst hat, damit etwas zu tun?
Die Materialisierung der Sonne durchs Gravitationsgesetz ist das naturphilosophische Pendant zur Geschichte der Privatisierung der Herrschaft (zum Barock).
Die Verdrängung der Vergangenheit (die der Weltbegriff automatisch leistet) hat den einfachen ökonomischen Grund: An die Opfer, die in die Fundamente der Welt, in der wir leben, mit eingemauert sind, soll nicht mehr erinnert werden. Religion ist das Ensemble der Vorkehrungen, mit denen diese Erinnerung neutralisiert wird (sie zu löschen ist nicht möglich). Die kirchlichen Vorstellungen von Hölle und Fegfeuer haben diese neutralisierte Erinnerung ins Symbolische verschoben. Aber werden die Opfer nicht real erinnert im Namen des Feuers, der ein Teil des Namens des Himmels ist? Dieses Feuer wurde zu Hölle und Fegfeuer mythologisiert in dem Augenblick, in dem der Name des Himmels von der Idee (vom Namen) des Ewigen getrennt, ins Überzeitliche verschoben wurde. Seitdem ist in den Himmeln kein Gott mehr. Der katholische Mythos von Himmel, Hölle und Fegfeuer ist die unmittelbare Folge der Historisierung des Himmels, die ihn zeitlich mit der irdischen Geschichte parallelisiert, beide unter ein gemeinsames Zeitkontinuum subsumiert. Ist die katholische Lehre von den Heiligen im Himmel über uns nicht eine Ersatzbildung für die versäumte Heiligung des Gottesnamens, die stellvertretend den Heiligen im Himmel übertragen wird (ähnlich wie die Ohrenbeichte die Versöhnung mit den Opfern stellvertretend den zölibatären Priestern überträgt)?
Führt die kantische Philosophie nicht den Beweis, daß wir in den Fundamenten der Welt mit enthalten sind, und lassen die Naturwissenschaften nicht als das verzweifelte Bemühen sich begreifen, das Bewußtsein davon nicht aufkommen zu lassen?
Die Naturwissenschaften leugnen die Erbsünde und die Auferstehung. Sie haben nicht nur teil an der Erbsünde, sondern sind das Instrument ihrer Totalisierung. Sie gehören zur sadduzäischen Tradition.
Ist Elohim der Gott, der sieht, der NAME hingegen der Name des Gottes, der hört (der Name des Gottes der Propheten)? Im Schöpfungsbericht ist das Gute etwas, das gesehen wird: Gott sah, daß es gut war; diesen Sehen wird am Ende verstärkt durch den Imperativ „siehe“: Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Was an den ersten Tagen für Gott gut war, wird am Ende für alle sehr gut. Aber nachdem sie vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hatten, gingen den Menschen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren. Die Augen gingen ihnen auf, als sie lernten, sich in den Augen der anderen zu sehen. In der Scham sehe ich mich mit den Augen der andern, die nicht ins Herz sehen (nur Gott sieht ins Herz der Menschen).
Positivismus: Die Strafe für die verweigerte Reflexion ist das Mit-dem-Kopf-gegen-die-Wand-Rennen, das die progressiven Teile der Physik heute kennzeichnet.
Was hat die Asymmetrie in meiner Beziehung zu den Andern mit der Asymmetrie im Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft zu tun? Universalität, Allgemeinheit gründet im Vorrang des Andern ebenso wie in dem der Vergangenheit.
Ökonomie und Physik haben den Himmel ehern und die Erde zu Erz gemacht.
Naturschutz: Die Verwaltung hat die Natur in Schutzhaft genommen.
Der Naturschutz vollstreckt die Rache des Staates an einem Begriff, der seinen logischen Grund verloren hat: an dem des Naturschönen. Diese Rache trifft mit dem Naturschönen auch die Kunst.
Der faschistische Modernisierungsschub gründet in einer vertrackten Logik, die sich daran erkennen läßt, daß Kunst und Kitsch nicht mehr sich unterscheiden lassen. Wenn es schien, als sei von der Kunst gleichsam nur noch die Aggression gegen den Kitsch übriggeblieben, so war diese Aggression von Anbeginn umkehrbar, eigentlich der Anfang der Selbstzerstörung der Kunst. Heute will niemand mehr an die Folgen seines Tuns erinnert werden.
Die Benennung der Tiere durch Adam hat nicht nur die Tiere, sondern auch die Dinge zum Verstummen gebracht. Das Zeichen für dieses Verstummen ist der Tierkreis. Deshalb enthält der Tierkreis auch so merkwürdige Dinge wie die Zwillinge, die Jungfrau und die Waage.
Hat dieses Verstummen etwas mit dem des Helden, des Heros (Rosenzweig/Benjamin) zu tun, der auch verstummt, bevor oder wenn er an den Himmel versetzt wird (oder der an den Himmel versetzt wird, weil er ins Erhabene verstummt?). Verstummen macht ihn die Gewalt des Schicksals.
Ist es nicht ein Unterschied, ob man einen Rat vor einer Handlung (in der Phase der Überlegung) oder danach (nach der Tat) erteilt? Der Rat post festum, der eigentlich ein Urteil ist, ist eine Falle, aus der der, der dann schon gehandelt hat, nicht mehr herauskommt. Sind nicht alle Urteile Ratschläge post festum, die Falle, aus der es für das Objekt keinen Ausweg mehr gibt, in dem es allerdings auch erst zum Objekt wird? Der Objektbegriff bezeichnet genau diese Ausweglosigkeit. Wie hängt diese Objekt-Falle mit der Beziehung des Objektbegriffs zur Herrschaftsgeschichte zusammen? -
10.10.1995
Jörg Huffschmid weist in einem Beitrag für den Informationsdienst Weltwirtschaft und Entwicklung (Sonderdienst Nr. 8/95) darauf hin, daß der Handel mit Waren und Dienstleistungen nur etwa 1 – 5 % der Devisenmarktumsätze (Termin-, Zins- und Währungsspekulationen) ausmacht. Der Umfang des Devisenmarktgeschäfts steigt relativ und absolut ständig. Das Geschäft ist zentriert in den Banken und den Börsen, greift aber inzwischen über auf Großunternehmen, die ihre eigenen Devisengeschäftabteilungen eingerichtet haben (AEG: Bank mit Elektroabteilung; Genossenschaften: Bank und Warengeschäft; Spezialfall Getreidehandel: Becher, Bremen). Hat die Beziehung von Geld- und Warenbewegung etwas mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins zu tun, mit der dem Relativitätsprinzip zugrundeliegenden Vorstellung der Äquivalenz von Objekt- und Systembewegung (Definition des Trägheitsbegriffs)? Ist die Vorstellung, man könne das („unmoralische“) Devisengeschäft zugunsten des („moralischen“) realen Geschäfts (der verwendungs-, nicht gewinnorientierten Ausrichtung des Kapitalverkehrs am Güter- und Arbeitsmarkt) durch fiskalische Maßnahmen („Tobin-Tax“) eindämmen, nicht insoweit naiv, als das „moralische“ Problem des Kapitalismus nicht im Gewinn, sondern in der unvermeidlichen Verknüpfung des Reichtums mit der Erzeugung von Armut liegt? Liefert nicht erst dieser Zusammenhang einen Hinweis auf die Logik dieser Verknüpfung, die nicht technisch, nur politisch auflösbar ist?
Jörg H. vermutet den Hauptwiderstand gegen eine Regulierung der Finanzmärkte mit Hilfe von Steuern in den „Gewinninteressen des Bankensektors“. Das ist nur die halbe Wahrheit. Ist nicht viel wichtiger ein wirtschaftliches Interesse der Nation, für das das Schlagwort „Standort Deutschland“ steht; gehen die Kosten des liberalisierten Devisenmarktes nicht zu Lasten der währungsschwachen Länder; und sind nicht die währungsstarken Länder (G 7!) existentiell daran interessiert, auf diesem Wege ihre Außenhandelsbilanz (und damit ihre Währung) zu stabilisieren? Nur: die Stabilisierung der Außenhandelsbilanz auf diesem Wege stürzt die Außenwelt in die Schuldenabhängigkeit, sie bereitet draußen das Terrain für Billigproduktionsbedingungen, und sie eröffnet damit die Wege für den Reimport der Armut (für Massenarbeitslosigkeit, Lohndruck, Kürzung der Sozialleistungen): für einen Armutskrise, die die ganze Welt ergreift.
Hat die Bank (deren Name sowohl den Ort des Geldgeschäfts als auch ein zum Sitzen geeignetes Möbelstück bezeichnet) etwas mit dem Himmel zu tun: „Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße“? Die Bank ist der Thron des Mammon, der die Kinder seiner Diener frißt.
Modell der Projektion: Wie gehen Banken, die doch selber die Schuldner ihrer Einleger sind, mit ihren Schuldnern um?
Ist nicht die Beziehung des Rechts zu den Sanktionen, die ihm Realität verleihen (zur Strafe), das gesellschaftliche Äquivalent der Orthogonalität, die die Keimform der naturwissenschaftlichen Gesetze ist? In welcher Beziehung steht das Opfer zur Strafe?
Der Beschluß des 5. Senats des OLG Frankfurt zum Antrag Hubertus Janssens (zu seiner Bitte um Genehmigung eines von Birgit Hogefeld gewünschten seelsorglichen Gesprächs) behandelt den Antragsteller nur noch als Objekt: Der Beschluß ist nicht an ihn, sondern über ihn ergangen. Nur so vermag sich das mit diesem Beschluß auch dem ganzen Prozeß zugrundeliegende Freund-Feind-Denken selbst zu begründen. Aber auch nur so ließ sich die argumentative Kraft des Antrags außer Kraft setzen (das macht die „Gründe“ des Beschlusses zugleich so hilflos). -
1.10.1995
Liberum arbitrium und die Freiheitsgrade des Raumes: Das Konstruktionsprinzip der Form des Raumes ist das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum. Die Logik dieses Prinzips verbindet die Form des Raumes mit der Logik des Tauschprinzips (mit der prinzipiellen Reversibilität des Tauschs und der darin gründenden Wahlfreiheit). Die Logik des Tauschprinzips gilt jedoch nur für die Besitzenden, die Armen haben keine Wahl.
O Haupt voll Blut und Wunden: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Orgelmusik und dem Kruzifix? Ist nicht die Orgelmusik Raummusik, schafft sie nicht erst den Raum, in dem dann das Kruzifix seinen Platz findet? Die Orgel erfüllt den Raum, den sie definiert: Ist sie nicht die Antizipation (und nach Bach die Parodie?) des Geistes, der am Ende „die Erde erfüllt, wie die Wasser den Meeresboden bedecken“? Apriorischer Gegenstand der Orgel ist die Passion (während die Messe, und mit ihr die Opfertheologie, erst mit dem Orchester und als Konzert ihre angemessene musikalische Form gefunden hat).
Hanspeter Maurer hat durch die Missa Solemnis (durchs Credo) seinen Zugang zur Trinitätslehre (deren Kern die Opfertheologie, nicht die Passion ist) gefunden. -
25.9.1995
Jesus hat die Feindesliebe gelehrt, aber das Christentum hat dazu das Feindbild erfunden. Mit der Bekenntnislogik sind die Elemente des Feindbildes entfaltet worden: der unmittelbare Feind, der Verräter (der Sympathisant) und die Gesamtheit dessen, was unten ist (die Armen, Schwachen, Behinderten, die Unterdrückten und Ausgebeuteten, die Frauen).
Judas war der Prototyp des individualisierten Feindes, mit dem Verrat als Individuationsprinzip. Was bedeutet der Beiname Iskariot? – Judas war nicht listig, eher ein Verräter aus ehrenhaften Motiven, am Ende ein Verzweifelter: er handelte zwar zunächst hinter dem Rücken, dann aber im Angesicht und auf offener Bühne. Die Personalisierung der List, die hinter dem Rücken und im Dunklen agiert: das Objekt paranoischer Herrenängste, Grundmodell aller Verschwörungsängste, gehört zur germanischen Mythologie (und ist in deren Kontext zum „Teufel“, der ursprünglich etwas anderes bezeichnete, geworden).
Feindbild und Ghettobildung: Die Bekenntnislogik ist der Grund der Weltanschauungsghettos.
War nicht das jesuanische Gebot der Feindesliebe eine Fortbildung des Gebots, die Fremden zu achten (und die Figur des Feindes die bekenntnislogisch fortgeschriebene Figur des Fremden)?
Das Glaubensbekenntnis als Umkehrung des Schuldbekenntnisses verschiebt die Umkehr aus dem Bereich des Handelns in den der „Überzeugungen“.
„Standort Deutschland“: Der Schluß, der aus den schon ein wenig konfusen Reflexionen Noam Chomskys zu ziehen wäre, liegt, wie mir scheint, darin, daß die Symbiose von Politik und Ökonomie nicht mehr aufzubrechen ist. Das Handeln der Regierungen hängt nicht mehr von der Zustimmung der Bevölkerung (z.B. von einer Politik der Beschäftigungssicherung), sondern von der Teilhabe des Staates an den Umsätzen und Gewinnen der Großunternehmen und von der Ausfuhrbilanz der Industrie ab. Indikator der Handlungsfähigkeit ist nicht zufällig die Geldwertstabilität. Gegen diesen Realitätsblock, an dem jedes Raisonnement abprallt, wird Öffentlichkeit in zunehmendem Maße funktionslos, ohnmächtig und hilflos, nützlich nur noch Tranquilizer, dessen wirksamste Form immer schon der Nationalismus war. Standort Deutschland ist ein Slogan deutscher Machtpolitik.
Die Idee des Fortschritts stabilisiert den Weltbegriff und die Rechtfertigungszwänge, denen er sich verdankt, durch die eingebaute Diskriminierung der Vergangenheit. Aber spiegelt sich nicht in dem Dunkel, in das die Vergangenheit verdrängt wird, das Dunkel der Gegenwart?
Das Licht, in dem wir die Vergangenheit sehen, ist determiniert durch das Bild der Welt, in der wir leben.
Blinder Fleck: Die subjektiven Formen der Anschauung sind Entfaltungen des die Orientierung destruierenden und verwirrenden Prinzips. Durch die Neutralisierung der Beziehung von Oben und Unten wird die der begrifflichen Erkenntnis innewohnende, sie konstituierende Herrschaftsstruktur aus dem Blickfeld gerückt, verdrängt. Prophetie als das Vermögen der Reflexion von Herrschaft wäre das Licht in diesem blinden Fleck. Mit der Verdrängung der Prophetie wurde die Differenz zwischen theologischer Sprache und Herrschaftsmetaphorik unkenntlich gemacht. Theologische Metaphorik und Herrschaftsmetaphorik wurden in eins gesetzt. Die Übersetzung des Gottesnamens mit „Herr“, die Identifikation des Hörens mit dem Gehorsam, die Herausnahme der Barmherzigkeit aus dem theologischen Begriff der Liebe, die Individualisierung der Hoffnung, ihre Trennung vom Zustand der Welt, die Ersetzung der Herrschaftskritik durch die Sexualmoral sind Teil dieses Prozesses.
Der blinde Fleck im Zentrum der Philosophie ist der Same des Tieres.
Wenn Jupiter das Symbol der basileia, der Königsherrschaft, war, war dann die Sonne das des Caesarismus? Die Astrologie war die Kunst der Chaldäer, das Instrument der Begründung der Herrschaft Babylons.
Das Subjekt der Ontologie ist die autoritäre Persönlichkeit.
Die Kirchenkritik ist an verschiedenen Stellen der Evangelien verankert: in der Geschichte von den drei Leugnungen, in dem Kelchsymbol in Getsemane, in den zwei Lazarus-Geschichten, in den Stellen mit den sieben unreinen Geister.
Die Tatsache, daß das NT in Griechisch geschrieben wurde, gehört zur descensio ad inferos (zum Tikkun).
Überzeugungsarbeit: Nicht durch Überzeugung, sondern durch die Kraft der Erkenntnis gewinnt die Sprache Realität. In einer Welt, in der die CDU handelt und schweigt, während die SPD redet und nichts tut (in der die CDU die Realitäten schafft, die die SPD kommentiert), gibt es keine Alternative mehr zum Faschismus. Überzeugungsarbeit bleibt in den Rechtfertigungszwängen gefangen, die jeder Häme als offene Flanke sich darbieten (Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand; Problem der Beweislogik). -
21.9.1995
Die griechische verhält sich zur hebräischen Sprache wie die Logik der Schrift zum Wort (oder wie das Überzeitliche zum Ewigen: wie der Begriff zum Namen).
Banken und Kredite (das Medium des spekulativen Geldgeschäfts) sind das ökonomische Korrelat des Relativitätsprinzips. Die Mechanik ist eine durch den Kapitalismus (durchs Wertgesetz) vermittelte Gestalt der Naturerkenntnis.
Ist die elektromagnetische Masse kreditierte Masse?
Das Bewußtsein der Konsumenten (der von der aktiven Teilnahme an der Produktion Ausgeschlossenen) verharrt auf dem Stand der Mechanik. Durch den Kauf beweist sich der Konsument seine Bewegungsfreiheit in dem durchs Tauschprinzip definierten Raum (die Bewegungsfreiheit des Autos im Straßenverkehr).
Öffentlichkeit ist ein Reflex des Außen im Innern des Staates; deshalb hätte der Staat gern eine domestizierte Presse. (Wenn der Staat das Tier aus dem Meere ist, dann ist die „Öffentlichkeit“ das Tier vom Lande: der falsche Prophet. Verweist nicht das Genitiv/Dativ-Problem auf den Ursprung dieses Tieres? Und sind nicht Philosophie und Wissenschaften Teil der Vor- und Ursprungsgeschichte der Öffentlichkeit, des Tieres vom Lande? Und ist nicht die Kritik der reinen Vernunft eine der ersten Gestalten der Selbstreflektion dieses Tieres?)
Ist nicht das Wort Jesu gegen das Schwören (Mt 534ff) auch gegen die Kirche gerichtet? Der Zusatz „… vielmehr sei eure Rede: Ja, ja – nein, nein, und was darüber ist, ist vom Bösen“ wäre genauer zu prüfen. Nicht gemeint sein kann das positivistische Verständnis des Satzes, seine Anwendung in den Fangfragen, mit denen die Differenzierung abgewehrt und diskriminiert werden soll. Beachte, daß es nicht heißt: Eure Rede sei Ja oder Nein; die Verdoppelung (Ja, ja – nein, nein) und das fehlende „oder“ sind ein Hinweis.
Die Orthogonalität ist das Resultat des Durchschlagens des gordischen Knotens; aber genau dieser Knoten wäre zu lösen.
Zum Problem des Ursprungs des Objektbegriffs gehört der Hinweis, daß der Handel (und mit ihm der Begriff der Ware, der zu den Modellen des Objektbegriffs gehört) seinen Ursprung im (zunächst auch räuberischen) Außenhandel hat. Und zur Ursprungsgeschichte des Handels gehört mit einer ersten Waren, dem Sklaven, auch der Krieg, die Beute, der Tribut und, als deren Reflex im Innern, die Schuldknechtschaft und das Geld (das nicht im Tausch entspringt, sondern ihn begründet). Hängen nicht auch das Inzestverbot und die Exogamie mit dieser Ursprungsgeschichte des Objektbegriffs zusammen?
Die Bekenntnislogik gründet in dem Schein, man könne durch die Verurteilung einer Sache (einer Häresie wie auch einer unmoralischen Handlung) sich selbst freisprechen.
Ist nicht das Licht der Erlösung, von dem Adorno am Ende der Minima Moralia spricht, das Licht der Welt, das man nicht unter den Scheffel stellen soll? Der Scheffel über dem Licht aber hat den Vorteil, daß er erlaubt, ihn als Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen Licht und Finsternis, zu nutzen (das Licht zu instrumentalisieren). Dann ist alles, was drinnen ist, Licht, und alles, was draußen ist, Finsternis. Ist nicht die Kirche („extra ecclesiam nulla salus“) durch die Bekenntnislogik zum Scheffel über dem Licht geworden? -
4.9.1995
Empfindlichkeit verharrt im Leidensdruck, während Sensibilität die Reflexion auf das Leiden anderer, auf den Imperativ, der von diesem Leiden ausgeht, in sich mit aufnimmt. Diese Sensibilität ist Resultat einer Befreiung, die in der Reflexion von Herrschaft anhebt. Das Bekenntnis gewinnt im Angesicht Gottes (durch Selbstbefreiung von der Bekenntnislogik) eine andere Qualität: Es wird zur Verkörperung des Geistes. Hatte nicht die griechische Kirche recht, als sie darauf beharrte, daß der Geist vom Vater ausgeht? Und war das filioque der lateinischen Kirche, in der Konsequenz der homousia, der zweite Sündenfall der Orthodoxie? Es sei denn, die imago des Sohnes wird als Verkörperung der Wahrnehmung des Leidens anderer: als Inbegriff der Sensibilität, begriffen. Das aber setzt die Auflösung der verdinglichten Gestalt der Wahrnehmung des Leidens anderer im Kruzifix, das die Sensibilität blockiert, von den „geringsten meiner Brüder“ ablenkt und die Leidenswahrnehmung ausblendet, voraus. Das Kruzifix instrumentalisiert diese Blockade, diese Ablenkung, dieses Ausblenden: es ist ein Instrument des Herrendenkens. Gewinnt vor dem Hintergrund dieser Konstellation und im Kontext der Einbindung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte nicht 1 Kor 1527f (Denn alles hat er seinen Füßen unterworfen … Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei) in Verbindung mit Ps 87 (… alles hast du ihm unter die Füße gelegt<: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels, die Fische des Meeres, was da die Pfade der Fluten durchzieht>) einen nachvollziehbaren Sinn: dann wird auch die hypostasierte „Trinität“ in eine Welt im Angesicht Gottes sich auflösen. Ist das Planetensystem das Instrument der Stabilisierung des Gewölbes, der Feste des Himmels? In einer Theorie des Feuers wäre zu klären, wie die Feuer im Namen des Himmels mit der Konstruktion der Verdrängungsmechanismen und ihrer Funktion im Kontext der Erkenntnis zusammenhängen. Himmel und Erde: Im Schöpfungsbericht „bringt“ die Erde die Pflanzen und Tiere „hervor“, der Mensch ist aus dem Lehm der Erde gemacht, während die Feste (die dann Himmel genannt wird) die oberen von den unteren Wassern trennt. Dafür gibt es die Sterne des Himmels, die Vögel des Himmels und die Himmelsheere. Gotteserkenntnis ist in seinem Kern politisch: sie schließt die Reflexion von Herrschaft (die der Gotteserkenntnis den Weg versperrt) mit ein. Gotteserkenntnis, wenn sie ihren imperativen Kern begreift, ist der Grund der Autonomie. „Mein Gott“: Die Bekenntnislogik hängt mit dem Geschwätz, und beide hängen mit dem Gottesgejohle zusammen. Das Bekenntnis rückt Gott in eine Possessivbeziehung zum Gläubigen (es ist das Gegenteil, der Widerpart, der Heiligung des Gottesnamens), das Geschwätz („mein Gott, was hast du denn da schon wieder angestellt?“) ist die Einübung dieser Possessivbeziehung und das Gottesgejohle die Drohung gegen jeden, der sich dem nicht anpaßt. Das „mein Gott“ ist das blasphemische Instrument der Vergesellschaftung des Herrendenkens durch Religion. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen (Mt 2746, Ps 222): Ist diese Verlassenheit nicht eine sprachlogische Folge des Possessivpronomens? Das Bekenntnis ist (bis hin zu den Skinheads) ein Ausdruck der Gottverlassenheit. Ist nicht das Bekenntnis der Greuel am heiligen Ort? Das deutsche Wort Besessenheit (griechisch: daimonizomenos, echontos pneumata akatharta) erinnert nicht zufällig an den Besitz. Besitz ist eine Reflexionskategorie: Man ist besessen von dem, was man besitzt. Drückt in der Besessenheit (im Namen der Dämonen, der unreinen Geister) nicht ein objektiver, in die Geschichte des Tauschprinzips fallender Sachverhalt sich aus: der Ursprung und die individuelle Verkörperung der Herrschaft der Reflexionsbegriffe, der Ursprung des Weltbegriffs? Dann aber wäre das Bekenntnis, das den Glauben zu einem Possessivum macht, die genaueste logische Form der Besessenheit. Steckt darin nicht die Lösung des Problems des Dämonenglaubens in den Evangelien (der kein Dämonenglauben war, den hat erst der Islam hervorgebracht) und der Gechichte von den sieben unreinen Geistern? NB: Mt 424 bringt die Besessenen mit Mondsüchtigen (und mit Gelähmten) zusammen. Mt 1715 definiert einen Mondsüchtigen als einen, der „oft ins Feuer und oft ins Wasser“ fällt (nach Mk 917 handelte es sich um einen „stummen Geist“); die Jünger konnten ihn „wegen ihres Kleinglaubens“ nicht heilen (vgl. den „Kleinglauben“ an den anderen Stellen des Matthäus-Evangeliums: 630, 826, 1431, 168, 1720, sowie Lk 1228 – entspr. Mt 630). Besessenheit und Lachen (Jesus hat nicht gelacht, aber die Dämonen ausgetrieben): Das Lachen ist die reinste Form des Hinter dem Rücken, das Auslachen löscht den Geist (das Dogma lacht die Wahrheit aus). Wer in der Gegenwart eines andern über ihn redet, ohne ihn in das Gespräch mit einzubeziehen (so wie die Theologie über Gott „redet“), lacht ihn aus (macht ihn tendentiell autistisch). Orthogonalität und Trägheit (Maria Magdalena wurde von den sieben unreinen Geistern befreit): In der Form des Raumes lacht jede Richtung die Gegenrichtung und jede Dimension die andere aus, in der Vorstellung des Zeitkontinuums lacht die Vergangenheit die Zukunft aus, und im Inertialsystem lacht das System die Dinge aus. Die Ontologie lacht sich selbst aus: Dieses Auslachen begründet das Bewußtsein der Eigentlichkeit (den Schein der Unschuld im Kern der faschistischen Selbstzerstörung der Moral, der im realitätsverleugnenden Bewußtsein der „heilen Welt“ überlebt; war die Eigentlichkeit Produkt einer Entscheidung, ein dezisionistischer Akt, so bedarf das Bild der heilen Welt der ständigen Erneuerung und Reproduktion: hier liegt der seins- und sprachlogische Grund des Fernsehens – gegenständliches Korrelat der heideggerschen Entschlossenheit). Was etwas „eigentlich“ ist, ist das, was es dem Begriffe nach ist, aber der Begriff ist ambivalent: Deshalb gibt es keine Eigentlichkeit ohne die Diffamierung des Uneigentlichen, das eigentlich identisch ist mit dem Eigentlichen, als Schein. Das Eigentliche ist das Wahre und Echte (das Wahre ist nach Hegel „der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“). Das Eigentliche und Echte ist das Ungeheuchelte, das Nicht-Pharisäische. So hängt der Begriff der Eigentlichkeit mit dem Antijudaismus, der Tradition der Diskriminierung der Pharisäer, zusammen. Eigentlichkeit ist die Narbe an der Stelle der verdrängten Reflexionsfähigkeit, der zerstörten Sensibilität. Eigentlichkeit ist der blinde Fleck der Philosophie. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist der Grund des Mythos, der Ästhetik und der Herrschaftslogik. Hierauf (auf die Umkehr-Beziehung von Sehen und Hören) bezieht sich das biblische Bilderverbot. Die Metastasen der Eigentlichkeit leben fort in der Moral der Polizei und des Militärs (Zusammenhang von Uniform und Folter). Nur die Symbole des Staates lassen sich verunglimpfen: Gegenstand der Verunglimpfung ist das Eigentliche. Im Stern der Erlösung kommt das Purim-Fest nicht vor. Ihr seid das Licht der Welt: Die Prophetie ist das Licht im blinden Fleck der Philosophie (des Weltbegriffs). „Kultur für alle“: Wer die Religionen als kulturelles Erbe begreift und sie konservieren möchte, möchte sie ins religionshistorische Museum (dem historischen Pendant des naturwissenschaftlichen Labors) einsperren. Er blendet genau das aus, was die Religionen ihrer Substanz beraubt und zu einem Teil des Kulturerbes gemacht hat: die Gewalt des alles durchdringenden Wertgesetzes. Religionen sind Formen der Besessenheit und zugleich Denkmäler der Geschichte der politischen Kosmologie; die Kritik der politischen Ökonomie ist ein Teil der Kritik dieser Geschichte. Konservierte Religionen sind (wie die konservierte Kultur insgesamt) fürs Bestehende ungefährlich; die Mauern der Museen sind ein sicherer Schutz.
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28.8.1995
Die Herrschaftsgeschichte löst die Menschen nicht nur aus der Dumpfheit, den Ängsten und der Not der Natur, sie verstrickt sie auch wieder in Natur, als deren Kern Herrschaft sich erweist. Als zweite Natur ist Herrschaft eine neue Quelle der Dumpfheit, der Ängste und der Not.
Himmel und Sprache: In diesen Kontext gehören Wasser und Feuer, die Feste des Himmels und die Trennung der oberen von den unteren Wassern, der Bogen in den Wolken, der Menschensohn auf den Wolken des Himmels, das sich aufrollende Buch, die Heiligung des Gottesnamens. Ist der Indikativ (seine Beziehung zur Logik der Schrift und zum Wort, zu den beiden Bedeutungen des Perfekts) die Feste des Himmels (ist der Perfekt, die Beziehung von Vergangenheit und Utopie, die Feste des Himmels)? Wie verhält sich die Scham zum Himmel? Ist der Himmel die Schamgrenze, die die beiden Indikative von einander trennt (und verweist das Wort vom „aufgespannten Himmel“ auf die Spannung, die die Beziehung der Logik der Schrift zum Wort – die Beziehung dieser zur zukünftigen Welt – kennzeichnet: auf den prophetischen Erkenntnisbegriff und den Begriff der Lehre)?
Scham ist die Fähigkeit, sich in den Augen der Andern zu sehen. Nur im Kontext der Scham gibt es die Nackheit (die zum Begriff der Tatsachen gehört). Nur im Kontext der Scham gibt es das Aufdecken der Blöße, das die Aufklärung seit ihrem Ursprung mit der Erkenntnis verwechselt. Der Radikalisierung dieses Erkenntnisbegriffs durch die Medien verdankt sich die endgültige Trennung von Realität und Sprache im Begriff der Information, der Nachricht, der Kommunikation, des Diskurses, und in diesem Kontext die Verschiebung von Genitiv und Dativ.
Zur politischen Ökonomie der Medien (und der Banken?): Wenn Informationen zur Ware werden, werden sie zu einer paradoxen Ware, deren Produktion ihre Reproduktion, ihre Verwandlung in Masse, voraussetzt, einer ab ovo flüssigen Ware, deren Tauschwert, deren Masse, im Massenkonsum (wie der Kredit in der Kreditschöpfung) erst sich bildet. Wenn sie nach der Logik von Tausch- und Gebrauchswert sich konstruieren lassen, verhält sich diese Logik zu der der materiellen Produktion nicht ähnlich wie das Glaubens- zum Schuldbekenntnis: stehen beide nicht in der gleichen Beziehung der asymmetrischen Spiegelung? Die Extreme der Medien, die Propaganda und die Reklame, sind ein Teil ihrer Definition. Anders als in der materiellen Technologie setzt hier die Anwendung der Gesetze ihre Erkenntnis nicht voraus, sondern ihre Gesetze entspringen erst in ihrer Anwendung. So wie sie die Bedürfnisse, die sie zu befriedigen vorgeben, erst schaffen (aus einem Nichts, das zu bestimmen wäre), rechtfertigen sie sich durch einen „Erfolg“, den sie nicht mehr wahrnehmen dürfen (weil er sich selbst denunziert). Medien gehorchen einer Logik, die ausschließt, daß sie wissen, was sie tun. Die Subsumtion der Information unters Tauschprinzip (durch die sie zur Information überhaupt erst wird) ist kein leichtzunehmender Sachverhalt. Jede Propaganda ist eine propaganda fidei (einer „Philosophie“), und auch die Reklame ist Propaganda. Und jede „seriöse Presse“ ist eine, die weiß, daß sie propaganda fidei ist, die dem Gesetz einer eigenen Orthodoxie gehorcht.
Stehen nicht die Medien und die Banken (ähnlich wie Glaubens- und Schuldbekenntnis) in einem Spiegelungsverhältnis, das sein asymmetrisches Pendant in der technischen und ökonomischen Naturbeherrschung hat?
Ist die Sexualmoral der apokalyptische Unzuchtsbecher (Inbegriff der der Bekenntnislogik zugrunde liegenden Formen der Anschauung)? Welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang der der Sexualmoral zugeordnete Begriff der Unschuld (die Beziehung confessio/virginitas), die kirchengeschichtlichen Phasen der Pornokratie und der Pornographie, die Institution des Zölibats (im Kontext von Ohrenbeichte, Fegfeuer und Ablaßhandel)?
Dann aber gehört Adornos erstes Gebot der Sexualethik zur Kritik der Naturwissenschaften: Die Sexualmoral war seit je der Schatten der Geschichte der Naturbeherrschung.
Gründet die Taufe in der Trennung der oberen von den unteren Wassern, und ist die Taufe das Symbol der Aufhebung dieser Trennung? Der Fehler des Christentums war es, daß es anstatt mit den oberen mit den unteren Wassern getauft hat: es hat immer nur bekehrt, nie die Umkehr vollzogen, es hat die Umkehr durch die Bekehrungswut ersetzt.
Hegels Kritik des Sollens hat ihr fundamentum in re darin, daß das Gebot sich nicht ins Universale transformieren läßt. Hegel aber konnte vom Begriff des Universalen sich nicht befreien; so ist ihm die Menschheit zur massa damnata geworden, zum Kelch, aus dem „ihm seine Unendlichkeit“ schäumt.
Ist nicht jeder Stern, unter dem einer steht, ein Jüngstes Gericht? Und gehört nicht zum Stern von Bethlehem der bethlehemitische Kindermord? Es käme darauf an, in dieser Geschichte nicht das Glück, entronnen zu sein, zu erkennen, sondern das Entsetzliche dieses Schuldzusammenhangs, in den das Kind von Bethlehem seit seiner Geburt verstrickt ist. Hat dieser Kindermord den Entronnenen nicht auch am Kreuz noch eingeholt?
Ist nicht das Matthäus-Evangelium eine Rekapitulation oder eine Relektüre der Schrift insgesamt (oder nur eines Teils der Schrift, und wenn, dann welchen Teils)?
Toledot: Die Trennung des Zeugens vom Schaffen und seine Hereinnahme in die Trinitätslehre („gezeugt, nicht geschaffen“) haben die Theologie insgesamt verhext.
Zu Gen 24: Handelt es sich bei den „Zeugungen des Himmels und der Erde“ um einen genitivus subjectivus oder objectivus, sind Himmel und Erde die Erzeugenden oder die Erzeugten? In welcher Beziehung stehen die Toledot, die Zeugungen Adams und der ihm Folgenden, zum Erschaffen? Sind sie gleichbedeutend, gehen sie ihm (wie in der christlichen Theologie, in der Trinitätslehre: als ewige Zeugung des Sohnes) voraus oder folgen sie ihm (als zeitliches, selber geschaffenes Bild und Echo des Erschaffens) nach?
Zu Mt 11ff und Lk 323ff: Zeugungen sind keine Stammbäume (Stammbäume sind umgekehrte Zeugungen).
Der Objektivationsprozeß als Vergangenheitsproduktion. Wie verhalten sich das Objektivieren und die Objektivität, die Verweltlichung und die Welt?
Politische Ökonomie der Naturwissenschaften: Verhalten sich die Banken zu Produktion und Zirkulation wie das Inertialsystem zu Physik und Astronomie? -
11.8.1995
Zur Kritik der platonischen Idee des Guten: Ist diese Idee nicht durch ihre Beziehung zur Subjektivität (das Gute ist immer ein Gutes für jemanden) zu unterscheiden von der prophetischen Utopie: Wenn Friede und Gerechtigkeit sich küssen. Der Baum der Erkenntnis ist der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Mit der Idee des Guten ist nur der Nationalismus zu begründen, der Staat.
Das Gute ist schon in der Genesis aufs Sehen bezogen (und Gott sah, daß es gut war): Dazu gehört dann das spätere „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“.
Worauf bezieht sich der Name im „Geheiligt werde Dein Name“? Es ist der im Vaterunser (wie im gesamten Neuen Testament) nicht genannte Name des Vaters, nicht der Vatername.
Der „Weltuntergang“ der Apokalypse bezeichnet die Welt als Untergang, das katastrophische Moment in der Ursprungs- und Entfaltungsgeschichte des Weltbegriffs, nicht den „Untergang“ einer bestehenden Welt. Das ist schon die (angsterzeugende statt -verarbeitende) Fehlinterpretation der Apokalypse durch die Herrschaftsreligion, Produkt der projektiven Verarbeitung der Apokalypse. Die Konstituierung des Weltbegriffs ist der Weltuntergang. Und die Welt, die alles ist, was der Fall ist, ist das Bild des vollendeten Weltuntergangs.
Der Weltbegriff und die Feigenblattsprache der Theologie.
Die Botschaft der Welt oder der Ursprung der Bekenntnislogik: Man darf kein Verlierer sein, und: Mit Verlierern darf man kein Mitleid haben. Das aber heißt: Auch mit sich selbst darf ein Verlierer (und das sind eigentlich alle) kein Mitleid haben. Wer schon kein Gewinner ist, sollte sich wenigstens in den Gewinner einfühlen, mit ihm sich identifizieren. Damit aber sind das Feindbild (der Antijudaismus), das Verrätersyndrom (die Ketzerverfolgung) und die Frauenverachtung (die Hexenverfolgung) vorprogrammiert. Wer die Katastrophe, selbst ein Verlierer zu sein, verdrängt, macht sie damit erst zur Katastrophe. Und der Barmherzige, der in die Verlierer sich einfühlt, wird stellvertretend selber als Verlierer verfolgt. Als „heile Welt“ gilt eine Welt, in der nichts mehr an das Verdrängte erinnert.
Politische Ökonomie: Der Exodus aus dem Sklavenhaus Ägypten gehört zur Vorgeschichte des Königtums, des Hauses Israel und Juda, die babylonische Gefangenschaft, die Etablierung der Weltreiche, zur Ursprungsgeschichte der „jüdischen Religion“: der Prophetie, des Weltbegriffs, der Geldwirtschaft und des Staates.
Nach Polanyi liegt der Ursprung des Handels im Außenhandel, im Naturverhältnis der Völker untereinander. Durch den Handel dringt eine Konstellation, die ihre Wurzeln in den Außenbeziehungen der Völker, in der „Außenpolitik“, hat, ins Innere der Staaten ein: die Konstellation von Sklaventum, Schuldknechtschaft, Tempelwirtschaft und Geldwirtschaft (Anfänge der Subsumtion des Geldes, von Grund und Boden und der Menschen unters Tauschprinzip). Wird heute – mit in der globalen Schuldenkrise – nicht die Armut in die gleiche Bewegung (in den gleichen Strudel) hereingezogen? Und ist diese politisch-ökonomische Geschichte nicht zugleich der Grund der Bewußtseinsgeschichte, und sind beide nicht durch die Sprache und durch deren Beziehung zum Gottesnamen mit einander verbunden?
Die Unendlichkeit ist das Resultat der Division durch Null. Die Division durch Null, die Null als Nenner, ist das logische Prinzip des Raumes, der Beziehung der Dimensionen des Raumes (der Orthogonalität). Haben die Nichtse im Stern der Erlösung etwas mit diesen Nullen zu tun?
Ist das N-ich-ts, das isolierte, aus der dialogischen Beziehung der Sprache und des Sehens herausgelöste Ich (worauf beziehen sich das Präfix N und das Suffix ts, das pluralisierte deiktische t)? -
31.7.1995
Bendorf (23.-30.7.):
sch’ma: lt. Goodman-Thau „den Namen sehen“. Wie hängt das Hören (sch’ma) mit dem Himmel (schamajim) zusammen? Ist dieser Himmel der sichtbarer Inbegriff (ein sichtbares Kollektiv-Abstraktum) des Hörens? – Das Sehen ist ein kommunikativer Akt (es bezieht sich auf den Gegenblick: das Angesicht); davon abstrahiert die Anschauung.
Die Anschauung zerstört das Sehen wie der Gehorsam das Hören (beide, Sehen und Hören, sind kommunikative Tätigkeiten).
In der Beziehung der ofanim (der Räder) zu panim (Ez) erweisen sich die Räder als Gesicht, aber in der Einheit von vorn und hinten (der „Felgen“, die eigentlich der Rücken sind, die voller Augen sind).
Mirjam = mar-jam: bitteres Meer. Vgl. das Magnificat.
Zu Ez 49ff: Verweist das Bild von dem Brot das auf Menschenkot (und dann auf Rinderkot) gebacken werden soll (und das „Zerbrechen des Stabes des Brotes in Jerusalem“), nicht auf den Ursprung der Marktwirtschaft, ein wesentliches Moment der Geschichte der politischen Ökonomie in Babylon (und auf das „panem nostrum cottidianum da nobis hodie“)? Vgl. Freuds Interpretation des Kot-Symbols (als Geldsymbol), die Ersetzung des Menschen- durch Rinderkot (Erinnerung an die Opfergeschichte: Auslösung der Erstgeburt des Menschen durch Rind). Das Backen des Brots auf Kot als Symbol der Ersetzung der Eigenproduktion durch die Produktion für den Markt (Grund des Ursprungs des Staates; Substitution des Hungers durchs Geld, ein Produkt der Ausscheidung). – Brot als Symbol der Barmherzigkeit (der oberste Bäcker im Gefängnis des Pharao wird hingerichtet: Ursprung des Sklavenhauses).
Jakob, Esau und das „Erstgeburtsrecht“: Der (das) Erstgeborene ist fürs Opfer bestimmt. Wie hängt die „Erstgeburt“ mit der Beziehung des Raumes zur Umkehr zusammen?
Ps 1379: Tu es Petrus?
Der Indikativ (Prinzip jeder Dogmatik) begründet das Schuldverschubsystem und verhindert die Schuldreflexion (begründet den Schein der Entbindung von der Pflicht zur Schuldreflexion). Der Indikativ (und sein Produkt der Staat) ist eine Exkulpationsmaschine. Vgl. den Sühnedeckel in Lev 16.
Die Erfindung des Indikativ (des „ist“) gründet in der Logik der Schrift. (Das Sein und die Ontologie gehören zu den Fundamenten des Nationalismus.)
Der Fundamentalismus steht unterm Vorzeichen des Indikativs; durch ihn ist er an den Weltbegriff und an den Nationalismus gebunden (an die Begründung der Sprache durch Gewalt und Hierarchie). Der Fundamentalismus macht die Texte stumm, ersetzt das Wort durch die Gewalt.
Die homousia ist das Siegel des Kaisers, des Imperiums, im Dogma: ein Produkt des Indikativs, unter dessen Gesetz das Dogma steht. Sie verletzt das Verbot, Rind und Esel vor einen Pflug zu spannen.
Der Antisemitismus, die Herrschaftstheologie und die Frauenfeindschaft schließen sich nicht nur nicht aus, sie bilden eine Konstellation. Ihr Ursprungsgeschichte beginnt mit dem Urschisma.
Der Weltbegriff leugnet und verdrängt die asymmetrische Verantwortung: er gründet in den subjektiven Formen der Anschauung, die diese Verdrängung gleichsam apriori für ihn leisten.
Verhalten sich Sünde und Schuld wie Objekt und Begriff (Natur und Welt)?
Rettendes Licht: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 514). Die Finsternis wird nicht am Licht, sondern das Licht an der Finsternis gemessen. „Der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe“ (Jes 457; Vgl. 4518: „der die Himmel geschaffen, … die Erde gebildet … hat“). Nur der Fundamentalismus dekretiert alles als Finsternis, was außerhalb des durch ihn definierten „Lichts“, des Dogmas, des „Bekenntnisses“, ist. Vgl. Lk 1135: Sieh nun zu, ob das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis sei! (Ist nicht der Indikativ der Grund dieser Finsternis?)
War nicht der scholastische Begriff der Analogie ein Instrument der Übersetzung des Symbolischen in den Indikativ?
Das Gesicht läßt Ezechiel aufs Antlitz fallen; um hören zu können, muß der Geist ihn wieder auf die Füße stellen.
Wie hängt das Sehen mit dem Wasser und dem Ich zusammen: Vgl. Ez 11, das „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“, Noe, Ham und Kanaan (das Aufecken der Blöße und die Knechtschaft) und den Ursprung der Philosophie (Thales: Alles ist Wasser; Verinnerlichung der Schicksalsidee, Ursprung des Begriffs, Logik der Schrift als Subsumtion des Hörens unter die Logik des Sehens).
Die Trinitätslehre und die Opfertheologie lassen sich aus einem Prinzip ableiten, dessen Rekonstruktion das Christentum vom Bann, der auf ihm lastet, befreien wird.
Das „bara“, diese eigentliche Tätigkeit des göttlichen Erschaffens, bezieht sich in der Genesis außer auf die Himmel und die Erde am fünften Tag auf drei Objekte (die großen Seetiere, die Fische und die Vögel des Himmels) und am sechsten Tag auf ein dreifaches Tun an einem Geschöpf: am Menschen (als Sein Bild, als Gottes Ebenbild, als Mann und Weib schuf er ihn). Spiegelt sich darin nicht eine ähnliche Konstellation in den Werken der ersten beiden Tage, an denen er (das Licht von der Finsternis bzw. die oberen von den unteren Wassern) scheidet, wobei er jedoch am ersten Tag die geschiedenen Objekte (Licht und Finsternis als Tag und Nacht), am zweiten Tag das Instrument der Scheidung (die Feste als Himmel) benennt?
Das Licht im blinden Fleck der Philosophie ist das Angesicht, der Name und das Feuer: der prophetische, der messianische und der apokalyptische (parakletische) Kern der Philosophie.
Die phonetischen Grundlagen der alphabetischen Schrift sind nicht bedeutungsneutral. Das wird deutlich hervortreten, wenn begriffen wird, wie der Name der Deutschen und der des Feuers mit dem Bedeutungsgehalt der deutschen Ausprache des Diphtongs „eu“ zusammenhängen. -
20.7.1995
Allmachtsphantasien und Bekenntnislogik. Die Allmachtsphantasien sind ein Instrument der Verblendung, sie machen den Kopf leer. Sie gründen in dem sich auf sich selbst beziehenden Rechtfertigungszwang: Sie rühren an den Grund der Beziehungen der Dimensionen im Raum. Die Geschichte der Kirchen- und der Dogmenbildung gehören zur Ursprungsgeschichte der Verwaltung, die frühgeschichtliche Tempelwirtschaft zu ihrer Vorgeschichte.
Der theologische Gebrauch der Begriffe Allmacht und Allwissenheit ist blasphemisch; die Begriffe Macht und Wissen sind endliche Totalitätsbegriffe (idolatrische Begriffe) und auf Gott nicht anwendbar, im Gegensatz zu den Begriffen der Gewalt und der Einsicht. Die Macht verhält sich zur Gewalt und das Wissen zur Einsicht wie die Wut zum Zorn.
Die Finanzhoheit des Staates ist der paradoxe Grund seiner demokratischen Verfassung: Durch ihr geldwertes Eigentum und durch ihr Einkommen, ihr durch Arbeit erworbenes Geld, partizipieren die Bürger an der Gewalt-(sprich Finanz-)quelle des Staates. Deshalb erwartet der Staat, daß die Bürger in Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte nicht ihre eigenen Interessen, sondern die ihres Eigentums wahrnehmen: Nur dann gibt es eine „funktionierende Demokratie“.
Mit den Struktur-(sprich Schuld-)verschiebungen in der „inneren Zusammensetzung des Kapitals“ verschieben sich auch die Einkommens- und Gewaltquellen des Staates. Nachdem Wirtschaft und Staat in zunehmendem Maße sich kurzschließen, kommt es auf die Löhne und Gehälter der abhängig Arbeitenden fast schon nicht mehr an. Deshalb entartet die Wirtschaft immer mehr zu einer spekulativen Gewinnmaschine, deren Mechanik spiegelbildlich im Bankengeschäft sich abbildet (wenn Banken Kredite gewähren, produzieren sie Schulden, die zur Quelle aller Gewinne geworden sind).
Die creatio mundi ex nihilo, auf die sich der Allmachtsbegriff bezieht, bezeichnet eigentlich die Konstituierung des Weltbegriffs, die in der Tat in einer „Tathandlung“ des Subjekts gründet, die mit den Allmachtsphantasien zusammenhängen, die dem Herrendenken zugrunde liegen: im Ursprung des Objektivationsprozesses. Die Welt als Inbegriff des Objektivierungsprozesses ist eine „Schöpfung“ des Subjekts, das mit der Welt zugleich sich selbst (als Subjekt) erzeugt. Gott aber hat Himmel und Erde, und kein Universum und nicht die Welt, erschaffen.
Naturschutz: Die Vorstellung einer Natur, in der die Menschen nicht mehr vorkommen, ist eine menschliche Vorstellung, genauer: sie ist eine Zwangsvorstellung, die ihren Grund hat in dem Bilde einer kapitalistisch durchorganisierten Ökonomie, in der die Menschen ebenfalls nicht mehr vorkommen.
Totalisierung oder Sein und Bewußtsein: Wie hängt die Transformation von Regierungs- in Verwaltungsfunktionen und die Privatisierung staatlicher Aufgaben mit der Einschränkung der sozialen Leistungen und der Erweiterung und Steigerung seiner Ordnungs-Aufgaben (Rüstung, Militär, Polizei, Strafrecht und Knast) zusammen? Ist das nicht insgesamt ein Prozeß, der sich zugleich in der „Realität“ und in der Sphäre des Begriffs vollzieht? Und liegt nicht die crux der Linken darin, daß sie glaubt, von der Seite dieses Prozesses, die allein der Erkenntniskritik zugänglich ist, abstrahieren und auf die Kritik seines objektiven, realen Anteils sich beschränken zu können? Verfällt sie nicht damit dem gleichen Herrendenken, das sie bekämpfen glaubt, dem Konkretismus und der Personalisierung? Die Gesteinsverschiebungen in der Struktur der politisch-ökonomischen Realität sind ebensosehr Transformationen in der Sphäre des Begriffs, des Bewußtseins, und diese sind mit zu reflektieren, wenn man jene erreichen will.
Nicht zufällig war die Schwachstelle des real existierenden Sozialismus die Verwaltung, die, indem sie glaubte, sich als Verwaltung von Sachen zu begreifen, den Mangel und das Elend, das sie verwaltete, nicht mehr wahrzunehmen brauchte.
Das Substantiv ist nicht nur der Greuel am heiligen Ort (am Ort des Namens), sondern zugleich die Selbstverfluchung Petri und die dritte Leugnung.
Zur Logik der Schrift: Das tode ti, das hic et nunc, Hier und Jetzt, kann ich eigentlich nur sagen, nicht schreiben. Wenn ich es niederschreibe, ist es, wie Hegel nachgewiesen hat, gelogen. Erst im Kontext der Schrift wird das tode ti zum Präsens oder zum Objekt, und hierauf bezieht sich der Indikativ, der – wie die indoeuropäischen Sprachen insgesamt – der Schriftsprache entstammt und angehört.
Die Idee der Wahrheit schließt die Idee der Versöhnung und die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit ein. Die Unwahrheit des indikativischen Wahrheitsbegriffs liegt in einem Erkenntnisbegriff, der glaubt, von der Beziehung der Erkenntnis zur Schuld <und der Wahrheit zur Idee der Versöhnung> abstrahieren, m.e.W.: die Sünde Adams leugnen zu können. Diese Abstraktion oder diese Leugnung wird gleichsam automatisiert durch die Beziehung des Erkenntnisbegriffs auf die subjektiven Formen der Anschauung: durch die transzendentale Ästhetik. Die Unfähigkeit zur Schuldreflexion gründet in der Unfähigkeit zur Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung.
Worauf bezieht sich das „Gott sah, daß es gut war“ <nur am ersten Tag wird das Objekt benannt: das Licht>? Wenn Gott das Licht sah, was war dann das Medium des Sehens: das Wort, die Sprache, der Name? Und wie verhält sich dieses Licht zu den durch die subjektiven Formen der Anschauung vermittelten Objektivationen des Lichts, deren Geschichte die der Naturwissenschaften begleitet?
Die List der Vernunft ist die List der Schuldverschiebung (die dem Indikativ zugrunde liegt).
Die subjektiven Formen der Anschauung sind nicht „falsch“, falsch ist nur, daß sie durch ihre Formalisierung, die durch ihre Erkenntnisfunktion erzwungen wird, der Reflexion entzogen werden.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie