Ökonomie

  • 28.6.1995

    Geometrie und Arithmetik verhalten sich wie Privatsphäre und Öffentlichkeit, wie Innenpolitik und Außenpolitik, wie Ägypten und Babylon.
    Ist das Meer die nach außen gewendete Gebärmutter, der nach außen gewendete Mutterschoß? Die Prophetie wurde im Mutterschoß erweckt, die Philosophie im Wasser. Aber das Meer hat die großen Seetiere nicht – wie die Erde die Pflanzen und Tiere – „hervorgebracht“, Gott hat sie erschaffen. Erschaffen, so wie er die Finsternis erschaffen hat (Jes 457). Haben das Tier aus dem Meer (das Gott erschaffen hat) und das Tier vom Lande (das aus der Erde hervorgegangen ist) etwas mit dem fünften und sechsten Schöpfungstag zu tun?
    Zu den Konstituentien der Außenwelt gehören der Handel und der Krieg, gehört auch das Gewaltmonopol des Staates.
    Der Corpus Christi mysticum ist die Sprache, die heute gekreuzigt, gestorben und begraben und zur Hölle niedergefahren ist. Ist das Inertialsystem (sind die subjektiven Formen der Anschauung) das leere Grab?
    Die Grundlage und der Preis für die Rezeption des Hellenismus war die Opfertheologie, die Objektivierung und Instrumentalisierung des Kreuzestodes.
    Zu den Feuerbach-Thesen von Marx: Ist nicht die Alternative, entweder die Welt zu interpretieren oder sie zu verändern, falsch: Gibt es nicht eine Gestalt der Reflexion, die den Bann der Welt bricht?
    Mit dem Urschisma hat das Christentum die Offenbarung zu einer vergangenen, toten Sache gemacht; hier liegt der Grund für die „Tyrannei der Schrift“.
    Die nur scheinbar durch Rentabilitätsgründe erzwungenen Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen versorgen in Wirklichkeit eine Klientel, die für ihr freies Kapital risikofreie aber rentable Anlagemöglichkeiten sucht. Das paßt in den übermächtigen Trend zur Entpolitisierung der Politik (zur „funktionierenden Demokratie“). In den Metropolen wird nachvollzogen, was in der Dritten Welt schon seit langem sich durchgesetzt hat: Die Politik wird zum Vollzugsorgan der alle Quellen der Macht in sich kontrahierenden Ökonomie, die gegen alle Einrichtungen demokratischer Kontrolle als immun sich erweist.
    Ideal des schlanken Staats: Ein Balletensemble, das nach der Musik, die die Wirtschaft macht, tanzt.
    Das Buch Daniel – und dazu gehören die drei Jünglinge im Feuerofen und Daniel in der Löwengrube -: das Paradigma der Theologie in der Metropole?
    Das Wasser sammle sich an einem Ort. In der mystischen Tradition des Judentums wurde dieser Satz anders verstanden und übersetzt: Das Wasser sammle sich an dem Ort des Einen (der Einheit). Paßt diese Version nicht zur Ursprungsgeschichte der Philsophie (erster Satz des Philosophie: Alles ist Wasser) und des Begriffs des Universums, der zusammen mit der Organisation des Wissenschaftsbetriebs in den „Universitäten“ sich bildet?
    „Im Munde süß, im Magen bitter“: Verum et unum convertuntur? Ursprung und Programm eines historischen Projekts, bei dem am Ende das Gegenteil herauskommt: Unum est contradictio veri.

  • 19.6.1995

    Logik der Schrift: Die Schrift erzwingt die Vergegenständlichung der Einsicht zur Erkenntnis (der Sprache zum Instrument der Mitteilung).
    Leserbrief zu Metz „Religion und Politik …“ in der FR von heute (Prof.Dr.Thomas Feuerstein, FH Wiesbaden):
    – „‚Die Autorität der Leidenden‘ ist nicht unmittelbar gegeben. Stellvertreter dieser Autorität stehen unter prinzipiellem Ideologieverdacht ‚im Lichte‘ diskursiver Vernunft“. Dieser Satz stellt verteidigendes Denken unter Ideologieverdacht („Ihr laßt die Armen schuldig werden“), macht Barmherzigkeit gegenstandslos, verwirft apriori jede Alternative zu der (bis in unsere Naturvorstellungen hinein) vom Selbsterhaltungsprinzip beherrschten Welt. Sie verschiebt den Begriff der Ideologie von der Bezeichnung des Verblendungszusammenhangs auf alles, was diesen Verblendungszusammenhang durchbrechen könnte. Ist nicht schon der Begriff der diskursiven Vernunft ein Instrument des Verblendungszusammenhangs: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie durch diskursive Vernunft nicht bestimmbar ist, weil sie der Beweislogik sich entzieht. (Zu den Grenzen der Beweislogik vgl. Kants Aporien der reinen Vernunft.)
    – Es sollte nicht geleugnet werden, daß auch die memoria passionis instrumentalisierbar ist; nachzuweisen am Christentum, an der Opfertheologie und der damit systematisch verbundenen Orthodoxie (am Dogma und seiner Logik).
    – Der prinzipielle Ideologieverdacht bleibt abstrakt, er verfällt der gleichen Logik, gegen die er sich wendet: Indem er das Problem von der sachlichen auf die Bekenntnisebene verschiebt, macht er aus einer Frage der Einsicht eine Bekenntnisfrage und gehorcht so der gleichen Bekenntnislogik, deren Folgen er kritisiert. So werden das reale Leiden, die Armut wie auch Unterdrückung und Verfolgung durch einen logischen Trick zum Verschwinden gebracht. Der prinzipielle Ideologieverdacht gründet in einem logischen Trick, der die Differenz zwischen der Realität des Leidens und ihrer Instrumentalisierbarkeit selber nochmal instrumentalisiert; dieser Logik zufolge wäre jedem Bettler zunächst einmal zu unterstellen, er habe hinter der nächsten Straßenecke seinen Mercedes stehen (soll er doch das Gegenteil beweisen).
    – Zu reflektieren wäre die Instrumentalisierung des Leidens (liegt hier nicht der Kern der christlichen Opfertheologie und eine der christlichen Wurzeln des Antisemitismus?), und das wäre allerdings in der Tat die Aufgabe einer Theologie nach Auschwitz (wie auch Johann Baptist Metz sie fordert).
    – Ein alltäglicher Ausdruck des „prinzipiellen Ideologieverdachts“ ist der Elternspruch: „Stell dich nicht so an“ (er unterstellt, der Schmerz sei nicht real, sondern nur ein Mittel, damit ein anderes Ziel zu erreichen).
    – Der „prinzipielle Ideologieverdacht“ wird gleichsam zur Schufa der Philosophie; er verringert das Risiko, selber zum Opfer eines Betrugs zu werden, das aber zu dem Preis, daß er das reale Leiden ins Dunkel rückt, es unsichtbar macht. Hier wäre ein Beleg für Metz‘ Hinweis auf die Gewalt des Markt-Apriori auch in der Philosophie.
    – Was hier ins Dunkel gerückt wird, ist schon in den Anfängen der Moderne an einer realprojektiven Verschiebung nachzuweisen: am Begriff des Wilden.
    – Die Diskurslogik hat die Erinnerung an die Theologie bloß abgeschafft, anstatt, wie Adorno einmal die Intention Benjamins zu umschreiben versucht hat, alle theologischen Gehalte restlos zu säkularisieren.
    – Der prinzipielle Ideologieverdacht vermittelt das erhebende Gefühl, über der Sache zu stehen, ohne zu bemerken, daß er damit aus der Sache heraus ist. Er ist in Wahrheit ein Instrument des mitleidlosen Herrendenkens. Im sicheren Bewußtsein, daß dieser Beweis nicht zu führen ist, legt er den Opfern die Pflicht auf zu beweisen, daß sie Opfer sind. Auch so schafft man, wenn nicht eine reale heile Welt, so doch ihren allgegenwärtigen Schein.
    – Gehörte nicht die Sympathisantenjagd im Kontext des Terrorismus zu den manifesten Folgen des prinzipielle Ideologieverdachts: der Unfähigkeit, zwischen dem humanen Impuls der Empathie und ihrer politischen Instrumentalisierung zu unterscheiden? Ist nicht die Geschichte der (auf ihre juristischen Aspekte reduzierten) Auseinandersetzung mit der raf so unendlich mit den verhängnisvollen Folgen dieser Logik belastet (und hat nicht die raf selbst durch ihre Wendung zum Terrorismus diese Folgen mit zu verantworten)?
    Der Metz’sche Versuch, das Konzept einer anamnetischen Vernunft zu entfalten, ist – weiß Gott – nicht schon „gelungen“; er ist weiterhin entfaltungsfähig und -bedürftig. Es ist überhaupt keine Hilfe, diesen Versuch gleichsam apriori abzuwehren. Der prinzipielle Ideologieverdacht (der heute aus sehr tiefen gesellschaftlichen Gründen so nahe liegt, daß er fast durch Reflexion nicht mehr aufzulösen ist) wird zur Quelle der Paranoia, deren erstes Opfer – zusammen mit dem Antijudaismus, der innerkirchlichen Quelle des Antisemitismus – die kirchliche Theologie selber einmal geworden ist.
    In welcher Beziehung stehen die aufbrechenden Nationalismen und die Wendung zu fundamentalistischen Instrumentalisierungen der Religionen (auch dies ein Gegenstand einer politischen Theologie) zum derzeitigen Stand der Geschichte der politischen Ökonomie? (Ursprung der Einen Welt in der Geschichte des Marktes; Zerfall der Souveränität; Übergang von Regierung in Verwaltung, Abgabe von Regierungsaufgaben an die Verwaltung: Übergang der Souveränität an Institutionen wie Bundesverfassungsgericht, Bundesbank, EG, UNO, Weltbank und IWF.)
    Wiederkehr der kantischen Antinomien der reinen Vernunft in der Politik:
    – Die Verwaltung sprengt die Gewaltenteilung (durch Implosion): sie übernimmt zu den ihr obliegenden Aufgaben der Exekutive inzwischen auch die der Legislative und der Jurisdiktion – Angleichung von Rechtsprechung und Verwaltung; Verwaltung als Selbstorganisation des gesellschaftlichen Gewaltpotentials.
    – Verwischung der Grenzen von Innen- und Außenpolitik: Folgen für den Begriff der Gewalt (der nach innen anders definiert ist als nach außen): Läßt sich das Gewaltmonopol des (nationalen) Staates auf internationale Organe übertragen (vgl. den Golfkrieg und die Probleme der UN-Blauhelm-Truppen im Jugoslawienkonflikt).
    – Sonderstellung der Bundesbank und der Weltbank: Dekonstruktion des Prinzips der Gewaltenteilung; Teilhabe eines in der reinen Lehre nicht vorgesehenen Instituts an der Gewalt (an einer Quelle des Gewaltbegriffs: im Falle der Bundesbank im Bereich der Währungshoheit des Staates, der „Subjekt“-Länder; im Falle der Weltbank Eingriff in die Souveränität der „Objekt“-Staaten, der „Entwicklungsländer“).
    – Neonationalismen gründen in dieser Krise des Gewaltbegriffs; sie sind rational und irrational zugleich: Nation als transzendentales Subjekt in einer Welt, die zur Selbsterhaltung keine Alternative mehr kennt.
    – Fortschreitende „Privatisierung“ staatlicher Aufgaben; Folge der Expansion der Marktlogik in den Bereich der Souveränität; Begriff des Neofeudalismus zu harmlos. Ausdruck der Strukturänderungen im Gewaltbegriff (im „Begriff“: in der Herrschaftslogik des Ganzen wie in der Depotenzierung des Bewußtseins).
    Sprache und Mathematik: Kant hat die Welt als mathematischen, die Natur als dynamischen Totalitätsbegriff definiert; spiegelt sich darin das Verhältnis von Mathematik und Sprache?
    Auffallend, daß Habermas Horkheimers Skrupel hinsichtlich der Neuauflage der Dialektik der Aufklärung als Ausdruck eines offenen Problems verdrängt, sie statt dessen als „Beweis“ dafür nimmt, daß die Dialektik der Aufklärung überholt sei. Er nutzt Horkheimers Skrupel als Mittel der Neutralisierung der Dialektik der Aufklärung anstatt als Impuls ihrer Weiterentwicklung.

  • 9.5.1995

    Steckt nicht in dem Satz aus der Dialektik der Aufklärung: „Die Distanz des Subjekts zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, gründet in der Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt“ (Neupublikation 1969, S. 19), die ganze Kritik des Inertialsystems und der Raumvorstellung? Die Distanz zum Objekt und die Beziehung des Herrn zum Beherrschten gründen in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit. Ist nicht, was bei Kant Erinnerung heißt, eine in die Vergangenheit zurückprojizierte Planung?
    Sind die Planeten Instrumente zur Austarierung des Zeitkontinuums (und damit auch des Inertialsystems: des dreidimensionalen Raumes)?
    Das Menetekel: Gezählt, gewogen und zu leicht befunden, ist ein frühes Symbol des Inertialsystems (und jeder Ästhetik): der Abstraktion von der Schwerkraft.
    Was haben Rind und Esel mit der Gravitation zu tun? Gibt es nicht auch eine astronomische Anwendung des Satzes vom Rind und Esel (auch ihrer Beziehung zum Opfer, zur Auslösung der Erstgeburt)? Sind nicht Sünde und Schuld die moralischen Äquivalente der Gravitation (und Objekt und Begriff Reflexe der Abstraktion von der Gravitation)?
    Ist die Technik der Esel und die Ökonomie das Rind? Und ist nicht die Beziehung von Technik und Ökonomie (von äußerer und innergesellschaftlicher Naturbeherrschung) ein Schlüssel zur Lösung des Rätsels der Beziehung von Astronomie und Banken? Verweist nicht die Unterscheidung der Zentralbanken von den Geschäftsbanken und innerhalb der Geschäftsbanken die Unterscheidung von Depositen- und Kreditbanken auf den Grund der Dreidimensionalität des Raumes?
    Was bedeutet eigentlich der Spruch „quod licet Jovi non licet bovi“?
    War nicht die Astrologie so etwas wie das frühe Modell einer Regierung: mit Jupiter (Baal?) als Regierungschef, Mars (Nebu?) als Verteidigungsminister, Venus (Ischtar?) als Familienminister und Merkur als Handels- und Wirtschaftsminister; Saturn wäre dann der Finanzminister? Von den klassischen Ressorts fehlen (aus rekonstruierbaren Gründen) insbesondere der Außen- und der Justizminister.
    Und ist nicht die Musik das Echo des Seufzens der Kreatur, das am Ende seinen Wiederhall in den Posaunen des Gerichts und den sieben Donnern finden wird? (Haben die sieben Donner etwas mit dem Brüllen JHWHs zu tun, oder auch damit, daß der Himmel am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollen wird, und hängt es damit zusammen, daß ihre Botschaft nicht niedergeschrieben werden durfte?)
    Der übermächtige Rachetrieb im Nachkriegsdeutschland, der die Politik, das Recht, aber auch die privaten Verhältnisse durchsetzt, gründet in den Racheängsten nach Auschwitz. Die Kollektivscham hat die Kollektivschuld nicht aufgelöst, sondern stabilisiert und zugleich verdrängt. Durch Transformation in die Kollektivscham ist die Kollektivschuld unauflösbar geworden.
    Läßt sich nicht an dem Thalesschen „Alles ist Wasser“ die Beziehung von Selbstreflektion und Vergegenständlichung sich demonstrieren. Was bei Aristoteles aus diesem Satz geworden ist, ist bereits ein Produkt der Veranderung der Thalesschen Intention.
    Den Positivismus aus dem Gesetz der doppelten Negation ableiten.
    Im Begriff des Notwendigen bezeichnet die Not eher das Subjekt als das Objekt des Wendens.
    Drückt nicht das Moment der Abwehr in der Habermasschen Philosophie aufs deutlichste in der Irrationalisierung der Mimesis (im Nachwort zur Neupublikation der Dialektik der Aufklärung) sich aus (hier prallt der Habermassche Gedanke von der Härte des unreflektierbar gewordenen Raumes ab)?
    Newtons Theorie des absoluten Raumes war darin begründet, daß die Drehung des Raumes um eine seiner Achsen zwar die Form des Raumes, nicht aber die Bewegungen in ihm, unberührt läßt. Das Relativitätsprinzip gilt nur für Translationsbewegungen (für geradlinig gleichförmige Bewegungen), nicht für Rotationen. Ein ruhender Körper in einem um eine seiner Achse rotierenden Raum läßt sich von der Kreisbewegung eines Objekts in einem ruhenden Raum durch das Auftreten von Zentrifugalkräften (in denen die Inertialkräfte sich manifestieren) unterscheiden. Reale kreisförmige Bewegung (wie die Planetenbewegungen im kopernikanischen System) sind in einem Inertialsystem nur möglich, wenn die Zentrifugalkräfte durch Gegenkräfte aufgehoben werden, die nicht auf Inertialkräfte sich zurückführen lassen (wie z.B. die Gravitationskräfte). Noch verwickelter werden die Probleme im Falle der Anwendung des Inertialsystems auf das Licht: Die Erscheinung der Fortpflanzung des Lichts im Raume zieht zwangsläufig (und keineswegs nur empirisch) den ganzen Formalismus der Elektrodynamik und der Mikrophysik (einschließlich des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Paradoxien der Mikrophysik) nach sich: Das Inertialsystem verwandelt die Welt in die Totalität dessen, was der Fall ist.

  • 22.4.1995

    Nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit: Gehört das Opfer zur Geschichte der projektiven Erkenntnis (zur Ursprungsgeschichte des Staates)?
    Adornos gelegentliche Bemerkung, daß man vom Selbst wahrscheinlich nur in theologischem Zusammenhang reden könne, bezeichnet genau den Kern seiner Bindung an die Ästhetik. Sie wird wahr nur, wenn man im Selbst nicht das eigene, sondern das des Andern begreift. Die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen, ist nur theologisch zu begründen.
    Das Gebot der Nächstenliebe (Lev 1918) wird in der Fassung überliefert: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Dieses „wie dich selbst“ lautet in wörtlicher Übersetzung des hebräischen Textes „er ist wie du“ (Buber: Halte lieb deinen Genossen, dir gleich); es heißt nicht „er ist wie ich“. Erst im griechischen Text des NT erscheint das Selbst: „wie dich selbst“ (Mt 2239: agapäseis ton pläsion sou hos seauton – vgl. auch Mk 1231, Lk 1027).
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind nicht gleichwertig; beide sind durch die jeweils andere vermittelt: Die Vorstellung des Raumes setzt die Vergegenständlichung der Zeit (die Vorstellung eines Zeitkontinuums) voraus, die selber ein Produkt der Verräumlichung ist, die Form ihrer Beziehung zum Raum zur Grundlage hat. Die Form des Raumes konstituiert sich in diesem doppelten Akt: über das Konstrukt der Verräumlichung der Zeit. Das Inertialsystem ist das Produkt dieser doppelten Abstraktion; darin gründet seine Logik, in der Redundanz der Wechselbeziehungen der einzelnen Momente.
    Die Verräumlichung der Zeit hat ihre sprachliche Vorgeschichte in den Konjugationsformen, durch die die indoeuropäischen Sprachen z.B. von den semitischen sich unterscheiden, in der Bindung der Verben an die Zeit, ihrer Subsumtion unter die Zeit, die hier erstmals eine gegen das Tun und Leiden der Menschen selbständige Realität gewinnt (Grund der mythischen Schicksalsidee). Diese Konjugationsformen sind gemeinsam entsprungen mit dem Neutrum (dem dritten Geschlecht) und mit den Steigerungsformen des Adjektivs; sie sind Ausdruck einer tiefgreifenden Veränderung der inneren Logik der Sprache. Wenn es im Hebräischen keine Entsprechungen zu den Totalitätsbegriffen gibt, die die Geschichte der Philosophie beherrschen, zu den Begriffen des Wissens, der Natur und der Welt (an denen die idealistischen Systeme nach Kant sich abgearbeitet haben), so hängt das mit diesem sprachgeschichtlichen Vorgang, mit der seitdem differierenden Sprachlogik, zusammen. Diese Differenz läßt sich an der Beziehung zum Fremden, in der sprachliche und gesellschaftliche Strukturen sich durchdringen, demonstrieren: an den Namen der Barbaren und der Hebräer. Während die griechische Sprache zur eigenen Stabilisierung die Projektionsfolie der Barbaren (als distanzierende, vergegenständlichende Kollektivbezeichnung der Anderen) geschaffen hat, war die hebräische schon in ihrem Namen (in dem die Benennung durch andere als Selbstbezeichnung übernommen wird) auf die Reflexion der eigenen Fremdheit verwiesen. Diese inverse Beziehung zum Fremden ist ein gesellschaftlicher Reflex der grammatischen Differenzen.
    Gehören nicht die Namen der Barbaren und der Hebräer zur Ursprungsgeschichte der Schrift? Gehört nicht der phönizische Ursprung der Schrift (der Ursprung der Buchstabenschrift im Bedürfnis des Handels nach einer Schrift, die fremde Sprachen in ihrer Lautgestalt wiederzugeben in der Lage ist) zu den Voraussetzungen, aus denen die Namen der Barbaren (der die Fremden und die Stammelnden zugleich bezeichnet) und der Hebräer hervorgegangen sind? Nicht das Geld, sondern die Schrift gründet im Tauschprinzip; das Geld gründet in der Schuldknechtschaft (in der Tempelwirtschaft). Die Logik der Schrift ist die Logik der Entfremdung. Wie hängt der Name des Logos (und die theologische Idee der Erfüllung des Worts) mit dem Namen der Schrift (und dem Topos der Erfüllung der Schrift, die von der des Wortes wie der Kreuzestod von der Auferstehung sich unterscheidet) zusammmen? Die gegenwärtige Phase der Geschichte der Aufklärung (wie auch der Politik und der Ökonomie) scheint sich auf eine dramatische Weise in die Ursprungsgeschichte der Schrift und des Geldes (in die Ursprungsgeschichte des Staats und des Weltbegriffs) zurückzuschlingen.
    Die Theologie im Angesicht Gottes ist eine Theologie, in der Gott nicht mehr als Objekt vorkommt: der Anfang einer areligiösen Theologie.
    Der Schatten des Faschismus: das ist die Nacht der dritten Leugnung. Auf diese Nacht verweist das Krähen des Hahns in der Geschichte der drei Leugnungen.
    Joh 129, sein Kontext in der Johannes-Apokalypse: Das Kelchsymbol in der Prophetie und in Gethsemane, das sich auf das durchs Anschauen verhexte Denken bezieht, auf die Selbstverstopfung der Ohren durch die „optische“ Grundlegung des Denkens, auf die Unfähigkeit zu Hören (das deshalb in der christlichen Tradition durch den Gehorsam ersetzt wurde). Das Schiff des Odysseus, der Pfropf in den Ohren der rudernden Mannschaft und der Strick, mit dem Odysseus sich an den Mast hat binden lassen, gehören zusammen; und das Ganze hat etwas mit dem Kelch und den subjektiven Formen der Anschauung zu tun, auch mit dem „Grauen, Grube und Garn“ bei Jeremias. War nicht das Erlösungskonzept, das an den Begriff der Entsühnung der Welt sich anschloß, daran, daß „das Lamm … die Sünde der Welt hinweggenommen“ (und nicht, wie es bei genauer Übersetzung heißen müßte, auf sich genommen, H.H.) hat, für die andern das Grauen und die Grube, für die Christen aber das Garn, in das sie hoffnungslos sich verstrickten? Entsprechen nicht der Grube die subjektiven Formen der Anschauung (sowie der Begriff und, als dessen Totalitätsbegriff, die Welt), dem Grauen das Erstarren der Dinge zum Objekt (die „Erscheinungen“ und die Natur) und dem Garn die davon nicht zu trennende Selbstverstrickung des Subjekts (oder der Begriff des Wissens, der Grund und die Totalität dieser Selbstverstrickung)? Das Grauen ist das gegenständliche Korrelat der verinnerlichten Scham, der Grund der Erstarrung des Objekts, die Grube die Verkörperung des Schreckens (dessen gegenständliches Korrelat das Grauen ist) und das Garn das Symbol der Selbstverstrickung des Subjekts in diese Konstellation. Diese Konstellation wäre zu demonstrieren am Ursprung des Massenbegriffs, an der Bekenntnislogik, an der Gestalt des apokalyptischen Tieres (und seiner Beziehung zum Weltbegriff): des Tieres aus dem Meere, dem der Drache seine Macht verliehen hat, und des Tieres vom Lande, Inbegriff und Symbol des falschen Propheten, der Selbstlegitimation der Welt.
    NB: Die Bekenntnislogik ist aus dem gleichen herrschaftsgeschichtlichen Grunde indifferent gegen ihren Inhalt geworden, aus dem der Begriff der Materie von seiner Beziehung zu den materiellen Qualitäten sich emanzipiert hat. Die Austauschbarkeit der Bekenntnisinhalte ist Ausdruck des Stands der Naturbeherrschung. Damit hängt es zusammen, wenn gesagt wurde, daß mit der Reformation die häresienbildende Kraft erloschen sei (seitdem gibt es keine Häresien mehr, nur noch Sekten).
    Im Begriff der Masse schlägt die projektive Gewalt, die einmal in den Namen der Barbaren und der Wilden sich ausdrückte, ins Innere der Zivilisation zurück (in der gleichen logischen Konstellation, der auch im Ursprung des Antisemitismus sich ausdrückt). Deshalb wird das Zeitalter des Antichrist das Antlitz des Hundes tragen. Der Begriff der Masse ist das Realsymbol einer Logik, die die Theologie verhext, er bezeichnet aufs genaueste den Bann, aus dem der Name Gottes zu befreien wäre: Bezieht sich nicht hierauf das Gebot der Heiligung des Gottesnamens?
    Als das Christentum in die Welt hinausging, stand es im Bann des Weltbegriffs (der Philosophie und des Römischen Reiches). Dieser Bann drückte in der Theologie in ihrer vergegenständlichenden Gewalt (in der Theologie hinter dem Rücken Gottes), in der Logik der Orthodoxie, in der Bekenntnislogik, und in den durch sie determinierten inhaltlichen Bestimmungen des Dogmas (von der Opfertheologie über die Vergöttlichung Jesu bis in die Trinitätslehre) sich aus. Die Grundlegung dieses Konstrukts war die Leistung des Paulus (der nur Apostel, nicht aber Jünger Jesu war: seine Legitimation war das Zeugnis der Auferstehung, nicht die Nachfolge).
    Die Bekenntnislogik ist ein Teil der Logik des Weltbegriffs. Deshalb ist die Theologie zu einem Teil der Geschichte der Aufklärung (im Sinne der Dialektik der Aufklärung) geworden.
    Die moderne Aufklärung ist keine Häresie, sondern Ergebnis und Produkt der Selbstentäußerung der Theologie, die nur deshalb ohnmächtig gegen die Aufklärung ist, weil sie unfähig ist, darin sich wiederzuerkennen („da verließen ihn alle Jünger und flohen“).

  • 19.4.1995

    Nicht der leere Raum, sondern der Begriff der trägen Masse bezeichnet den horror vacui aufs genaueste: nämlich an seinem Objekt. Produziert nicht die neoliberale Wirtschaftspolitik heute das ökonomische Äquivalent des horror vacui? Bei Jeremias erscheint dieser Sachverhalt in dem prophetischen Wort vom „Grauen um und um“ und im Bilde von „Schwert, Hunger und Pest“. Die moderne Geschichte beginnt mit der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip: mit der Produktion der Armut, die man dann ausbeuten kann; sie endet mit dem Entzug der vergesellschafteten Arbeit: mit der Überproduktion von Armut in einer Welt, in der es unmittelbare Verwertungsmöglichkeiten hierfür nicht mehr gibt. Heute verzehren bereits alle, die noch überleben, die Häuser der Armen, die keine Chance mehr haben.
    Das Angesicht Gottes ist kein Gegenstand der Anschauung; und in Seinem Licht die Dinge sehen, heißt: die Dinge im Licht der Sprache sehen. „Laß leuchten, Herr, Dein Angesicht“: Dieses Leuchten ist das Wort. Der Sündenfall der christlichen Theologie war es, als die Kirche glaubte, das Angesicht Gottes zu einem Gegenstand der Anschauung machen zu können, als sie die Schamgrenze, die das Anschauen von der Wahrheit trennt, glaubten überspringen zu können. So ist die Religion zu einem Herrschaftsinstrument geworden. Und das war der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen. Dieser Kelch war in der Tat der Grund seines Todes.
    Nach Auschwitz: Hat nicht, wer Auschwitz überlebt hat, den Weltuntergang überlebt? Auschwitz ist das Opfer, das nicht mehr sich instrumentalisieren läßt, sondern nur noch nach Barnmherzigkeit schreit.
    Im Hogefeld-Prozeß die transzendentale Logik studieren: die Konstruktion eines synthetischen Urteils apriori. Grundlage ist die selbstlegitimierende und -rechtfertigende Gewalt einer transzendentalen Vorurteils-Ästhetik (die in der Beziehung von Staat und Anschauung, in der Logik der Weltanschauung, gründet), zu der die Antinomien, auf die sie hinausläuft, längst verdrängt worden sind.
    Die raf-Prozesse beweisen insgesamt, daß die Selbstrechtfertigung des Staates nur im Kontext eines Feindbildes möglich, der den Vernichtungstrieb, der zur Konstruktion des Staates gehört, legitimiert.
    Enthält nicht auch das Konzept der subjektiven Formen der Anschauung (mit dem Objektbegriff, zu dessen Konstituentien sie gehören) das verdrängte Feindbild, die verdrängte Paranoia und die verdrängte Frauenfeindschaft?
    Zum Begriff der Materie oder das steinerne Herz der Welt: Der Massenbegriff bezeichnet zwei scheinbar getrennte Sachverhalte:
    – die physikalische „träge Masse“ (in der alle Unterschiede, die der verschiedenen Materien und die ihrer sinnlichen Qualitäten, verschwinden) als auch
    – die gesellschaftliche Form des Kollektivs, in der die Individualität verschwindet, sich auflöst, und Kollektivität, das Anderssein aller, den Schein des Substantiellen gewinnt.
    Die Masse ist eine Erscheinung im Bannkreis von Herrschaft: In der Masse wird das Substrat, ohne das es Herrschaft nicht gibt, das Objekt von Herrschaft, zu einer Gewalt, die dem Herrn seine Selbständigkeit raubt, ihn zu einer Funktion ihrer selbst macht. Masse ist das Sich-auf-sich-selbst-Beziehen des Objekts von Herrschaft, die gegen den Herrn ihre Trägheit geltend macht, ihn so in den Bann ihrer Trägheit zieht, als Herr des Herrn sich etabliert. Im Begriff der Masse wird „mit Rind und Esel zusammen“ gepflügt (Dt 2210): wird die Differenz von Joch und Last verwischt. Keiner weiß mehr, daß die Last, unter der er stöhnt, dem gleichen Joch sich verdankt, das alle allen auferlegen. Logische Äquivalente dieses Jochs sind
    – eine Moral, die nur noch als Maßstab des Urteils über andere, jedoch nicht mehr als Gebot: als Richtschnur des eigenen Handelns, begriffen wird, und
    – eine Form des Bekenntnisses, die seinen Inhalt neutralisiert (ihn austauschbar macht), das Bekenntnis selbst jedoch instrumentalisiert, mit der Folge, daß niemand auf den Gebrauch seiner Funktion, als Bekenntnis für andere ein Instrument der Herrschaft und Kontrolle über alle anderen zu sein, mehr verzichten kann.
    Der Kern des Massenbegriffs ist der einer ethischen Verblendung: der Schein der Unschuld als objektiver Grund des universalen Schuldzusammenhangs. Im Begriff der Masse erfüllt und vollendet sich das Schuldverschubsystem.
    Das Sehen führt in das stumme Innere der Gattung; auch Tiere urteilen, wenn sie ihrem Selbsterhaltungstrieb folgen.

  • 26.3.1995

    Der Name der Erbsünde ist sehr wörtlich zu nehmen: Die Menschen verhalten sich in der Tat so, als hätten sie eine Sünde geerbt, zu der niemand sich zu bekennen wagt. Anders sind die Paranoia und der Rachetrieb, die in Institutionen wie Zucht- und Irrenhäusern (die heute zwar nicht mehr so heißen, es der Funktion nach aber immer noch sind) und Kasernen sich manifestieren, nicht zu erklären. Aber auch der Ursprung der „romantischen“ Liebe, des im Begriff des Subjekt selber verankerten Triebs geliebt zu werden (die Erwartung, durch den Andern erlöst, von der Erbsünde freigesprochen zu werden: eines der Signa der Moderne, struktureller Kern des modernen Dramas), verweist auf diesen Sachverhalt. Die unmittelbaren Repräsentanten dieser Erbsünde sind die subjektiven Formen der Anschauung, die der Barmherzigkeit den Weg zum Objekt versperren: Grund der „kommunikativen“ Selbstbeschränkung (und Selbstzerstörung) der Sprache in der folgenlosen Rede (der folgenlosen „Rede von Gott“). Die Welt ist das Medium, in dem diese Erbsünde sich fortpflanzt (der „Unzuchtsbecher“). Die „Sünde der Welt“ ist nicht „hinweggenommen“, und nur wer sie auf sich nimmt, befreit sich von dieser Last.
    Ist das Wissen der Taumelbecher, die Natur der Kelch des göttlichen Zorns und die Welt der Unzuchtsbecher (und alle drei zusammengehalten durch die „subjektiven Formen der Anschauung“, den Kelch)?
    Hat sich die Frage Rosenzweigs, ob Künstler selig werden können, angesichts einer völlig durchästhetisierten Welt nicht schlicht auf alle ausgedehnt? Aber hat Rosenzweig mit seiner Kritik des All nicht bereits den Grund der Lösung dieser Problems bezeichnet?
    Waldspaziergang (Kritik der deutschen Ideologie): Wenn einer „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht“, wäre zu fragen, ob es nicht in der Tat wichtiger ist, die Bäume anstatt den Wald zu sehen.
    Gott ist auf keine Weise gegenständlich zu machen. Das drückt sich aus in der Idee des Ewigen, die den Grund der Gegenständlichkeit, die Vergangenheit, von sich ausschließt. Die Objektivation Gottes gehört zu den Ursachen des Kreuzestodes, sie macht die Objektivierenden nachträglich noch zu Tätern. (Der Preis für die Göttlichkeit Jesu war die Vorstellung vom Gottesmord, der dann projektiv auf die Juden verschoben wurde.)
    Wenn die Idee des Absoluten der Schatten ist, den das Subjekt auf Gott wirft, dann hat die Theologie seit den Kirchenvätern in diesem Schatten gestanden. Dieser Schatten wird in den Fundamentalismen heute handgreiflich.
    Verhält sich nicht der Name der Hebräer zu der Logik, zu der der Name der Barbaren gehört, wie das verteidigende zum apologetischen Denken?
    Auch für die Opfertheologie gilt: Barmherzigkeit, nicht Opfer, oder auch: verteidigendes, nicht apologetisches Denken. Die Resultate des apologetisches Denkens gelten ein für allemal (sie gehören zur Logik der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit), die des verteidigenden Denkens sind immer neu (sie eröffnen die Zukunft, die jeden Tag neu beginnt).
    Das katastrophische Moment in der Apokalypse ist als Realsymbol der Kritik des Scheins selber Schein, es ist ein Produkt der Logik der Schrift, die in ihm zugleich sich auflöst (nachzuweisen an der Funktion des Traums und des Engels in der Apokalypse).
    Warum kommt am Ende des Ezechiel nur der Osten und der Norden vor (und zwar beide als Orte des Erscheinens der göttlichen Herrlichkeit)? Und worauf beziehen sich hier der Thron und der Schemel (verbinden sie den Osten mit dem Himmel und den Norden mit der Erde)?
    Die „Buße“ Ninives beginnt beim Volk, geht von da zum König, der dann das Vieh mit einbezieht. Aber im Buch Tobias (das die katholische Kirche in den Kanon mit aufgenommen hat) wird Ninive am Ende doch zerstört. – Ist es nicht der gleiche Fisch, der den Jonas verschlingt und wieder ausspeit, der dann im Buch Tobias gefangen und geschlachtet wird, und aus dem die Mittel gewonnen werden, mit denen Sara vom Dämon Asmodei befreit und Tobias von seiner Blindheit geheilt wird? Zugleich wird das Symbolum eingelöst, und zwar durch den Engel Raphael (nicht Gabriel, der nach islamischer Tradition – und nach der Verkündigungsgeschichte – den Heiligen Geist repräsentiert). War das Vermögen des Tobias nicht in Susa deponiert, dem Ort der Esther-Geschichte? – Kann es sein, daß der apokryphe Teil des Buches Daniel (mit der Susanna-Geschichte) dem gleichen symbollogischen Zusammenhang angehört?
    Haben Sara und Asmodei etwas mit der Maria Magdalena und ihrer Befreiung von den sieben unreinen Geistern zu tun?
    Welche Anspielungen und Bezüge stecken in den Namen der Apostel? Gibt es ebenso wie den hellenistischen (Andreas und Philippus) auch einen makkabäischen Bezug (Simon, Judas)? Worauf verweisen Jakobus und Johannes? Welche Väter werden genannt (Simon Barjona, Bartholomäus, Jakobus und Levi, Söhne des Alphäus), welche Mütter (die Mutter der Zebedäussöhne) und welche Schwiegermütter (die des Simon Petrus)?
    War Johannes Scottus Eriugena ein Laie (trägt seine Theologie nicht die Züge einer Laientheologie)?
    Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist durch die Apokalypse auf die Theologie im Angesicht Gottes bezogen.
    „Als Mann und Weib schuf er sie“: Ist das nicht die Besiegelung des vorhergehenden „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn“? Hat die Geschlechtertrennung etwas mit der Beziehung des Nomen zum Personalpronomen zu tun?
    „Im Schweiße deines Angesichts“: Bezieht sich das auf Gethsemane? Und haben die Dornen und Disteln etwas mit dem brennenden Dornbusch zu tun?
    Unterm Bann der indoeuropäischen Sprachlogik, die das Inertialsystem antizipiert, ist das Symbolum zum Bekenntnis geworden, hat die Bekenntnislogik sich gebildet.
    In welcher Beziehung stehen die Sünde Adams, die Sünde der Welt und die Sünde wider den Heiligen Geist?
    Die Figur des Kleinbürgers, in der nach Walter Benjamin Teufel und arme Seele konvergieren, ist nicht vergangen, sondern mit dem Faschismus universal geworden. Das war der Modernisierungsschub, der ökonomisch abzuleiten wäre. Wäre nicht aus der Logik des Kapitals, aus der gegenwärtigen Entwicklung ihrer Strukturen, sowohl die gegenwärtige Renaissance der Bekenntniskriege (der Weltanschauungs- und Vernichtungskriege) wie auch die eklatante Unfähigkeit der politischen Institutionen, das was hier vor sich geht, zu begreifen und konstruktiv zu bearbeiten, abzuleiten? Hinweis: Ist nicht alle Ökonomie (aufgrund der Währungshoheit der Staaten) Nationalökonomie, die im Außernationalen ihre „Natur“ vor sich hat, die Hegel zufolge den Begriff nicht halten kann, d.h. der staatlichen Herrschaftslogik sich entzieht? Dringen über die Internationalisierung des Marktes Naturverhältnisse in die Ökonomie ein, die zur Machtanarchie keine Alternative mehr zuläßt? (Paradigma: Hat sich nicht das Militär im Golfkrieg und jetzt in der Jugoslawienkrise als ohnmächtig und hilflos erwiesen, und zwar aus strukturellen, mit institutionellen Mitteln nicht zu behebenden Ursachen?)
    In einer Welt, die ohne Rest von den Marktmechanismen, vom Wertgesetz, so durchdrungen wird, daß sie auch die Politik (und ihre Grundlage: eine funktionierende Öffentlichkeit), wie das schwarze Loch jegliche Strahlung, in sich aufsaugen, wird auch die Sprache in den Strudel mit hereingerissen, die allein fähig wäre, das, was hier sich zuträgt, zu begreifen.
    Privatfernsehen: Wenn Information zur Unterhaltung wird, übernimmt Unterhaltung die Rolle der Information (Politiker wissen das; die Konsequenz, die sie daraus ziehen, heißt Imagepflege).
    Kritik der Wissenschaft ist Kritik der Verwaltungswissenschaft, der Versuch, Erkenntnis hinter dem Rücken in eine im Angesicht zu transformieren.
    Unsterblichkeitslehre: Das Präsens ist die Gegenwart unterm Primat der Selbsterhaltung.
    Gerechter Preis/gerechter Lohn: Woher kommt es, daß Europäer die festgelegten Preise in Schaufenstern, Warenlisten, auf Werbeprospekten nicht nur als vorgegeben und feststehend, sondern auch als „gerecht“ anzusehen geneigt sind, während sie in „orientalischen“ Bazaren, in den gehandelt und gefeilscht wird, das Gefühl nicht loswerden, belogen und betrogen zu werden? Liegt nicht in der kapitalistischen Preisgestaltung (entgegen der Theorie, die außer denen, die sie anwenden, niemand ernst zu nehmen scheint, und deren katastrophische Folgen, nämlich im Falle des Konkurses, genau die trifft, denen man sie permanent ausredet: daß der Preis auf dem Markt, durch Angebot und Nachfrage, sich bestimmt) die Suggestion, die Preise seien kalkulatorisch begründbar: Ausdruck der Erstellungskosten? Darin steckt das Bewußtsein, daß erst mit der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (der differentia specifica des Kapitalismus) für den Preis ein Maß gefunden worden ist, das einer objektiven Überprüfung offensteht. Der Preis entspricht dem „Wert“, und der ist gleiche Weise „objektiv“ wie das Gewicht eines materiellen Dings (dessen Logik in ihm sich reproduziert: Liegt hier, in der Beziehung des Wertgesetzes zur Gravitation, der Grund der logischen Affinität des Staates zur Astronomie?).

  • 17.3.1995

    Die Unzucht ist ein Symbol für die Struktur der politischen Ökonomie (der Beziehung der männlichen Öffentlichkeit zur weiblichen Privatsphäre: der Politik zur „Privatwirtschaft“). Und die feministische Patriarchatskritik ist ebensosehr eine Vorform der Kritik der Logik der Schrift (die für den Ursprung und den Begriff der Öffentlichkeit konstitutiv ist). Deshalb erfolgte nach der Märtyrerzeit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligentypen in den (männlichen) Confessor und die (weibliche) Virgo, und deshalb ist der Konfessionalismus (die Bekenntnislogik, die eine Emanation der Logik der Schrift ist) apriori frauenfeindlich.
    Ist das zoon politikon des Aristoteles ein Synonym für das apokalyptische Tier (und ein Hinweis auf die wechselseitige konstitutive Beziehung von Tier und Welt)?

  • 13.3.1995

    Die subjektiven Formen der Anschauung sind eine Verdrängungsmaschine.
    Hat das „leer, gereinigt und geschmückt“ etwas mit der Form des Raumes zu tun?
    Das Buch mit den sieben Siegeln („innen und auf der Rückseite beshrieben“) sah Johannes „in der Rechten dessen, der auf dem Thron saß“ (Off 51).
    Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Die Form des Raumes ist das Produkt der Verdrängung der Scham. Daraus läßt sich die Bedeutung der Kleidung ableiten (auch ihre geschlechtsspezifische Gestaltung, die heute neutralisiert zu werden tendiert? – Gibt es einen Zusammenhang dieser Neutralisierung mit der Tendenz beim Kirchenbau, die Innenwand wie die Außenwand zu gestalten?).
    Das Dogma ist zum Labyrinth geworden; ohne den Faden der Ariadne findet keiner mehr heraus. Aber ist nicht auch hier ein Minotaurus im Innern, der das Lamm ersetzt hat?
    Daß das Rind in der christlichen Symbolwelt nicht mehr vorkommt, sondern nur das Lamm (als Auslösung der Erstgeburt des Esels) und die Taube (als Auslösung der Erstgeburt der Armen), hängt das damit zusammen, daß an seine Stelle der Wolf getreten ist?
    Das Lamm und die Taube symbolisieren das stellvertretende Opfer.
    Welche Bedeutung haben in der jüdischen Symbolwelt die Raubtiere, erscheinen sie nur als Herrschaftssymbole (Löwe, Bär, Panther)?
    In den prophetischen Bildern des Tierfriedens gehört der Löwe zum Rind, der Wolf zum Lamm und die Natter zum Kind: Sind nicht Rind, Lamm und Kind Opferbilder? Hinsichtlich der Charaktere der Raubtiere scheint ihre Zuordnung in diesen Bildern des Tierfriedens nicht ohne Bedeutung zu sein. Haben Löwe und Rind etwas mit der Frontalität (und der Herrschaft) zu tun, Wolf und Lamm mit der Stellvertretung (und der Messianität), die Natter und das Kind mit dem Reich? „Seht, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe; deshalb seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.“
    Sind nicht Tiere die Charaktere der Welt?
    Hat das Tier aus dem Wasser etwas mit oben und unten (mit den oberen und unteren Wassern) zu tun, das Tier vom Lande mit den vier Himmelsrichtungen?
    Die Schlange war das klügste aller Tiere: Sie symbolisiert das Wissen? Drückt im Spiel des Kindes mit der Schlange nicht schon das Jesus-Wort sich aus: „Seid klug wie die Schlange und arglos wie die Tauben“?
    Ist die Taube das Symbol des Heiligen Geistes, weil sie die Erstgeburt der Armen auslöst?
    Welche Bedeutung hat das Pferd, wo und in welchem Zusammenhang kommt es vor? Das Pferd zieht den Sonnenwagen, und die apokalyptischen Reiter haben etwas mit den Himmelsrichtungen zu tun.
    Hängt die Geschichte der Verinnerlichung der Scham mit der Erweckung des Tieres in uns zusammen?
    Die Ökonomie ist ein symbiotisches System. Indem wir uns von diesem Apparat ernähren lassen, ernähren wir ihn. Und die Freiheit, die uns dieser Apparat gewährt, ist die Quelle seiner Macht.
    Wer den Glauben als ein Instrument, sich selbst unnützes Wissen einzureden, begreift, sollte es lieber lassen. Was hat Jesus davon, wenn wir glauben, daß er der Sohn Gottes ist, daß er gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater ist? Wichtiger wäre der Ausbruch aus der Selbstinstrumentalisierung der Religion, die in dieser Art des Glaubens gründet.
    Wer verfolgt wen in der Apostelgeschichte:
    – Petrus und Johannes durch die Priester, Schriftgelehrten, Sadduzäer (41),
    – die Apostel durch die Hohepriester, Sadduzäer (517),
    – Stephanus durch die Hohepriester, Saulus, Steinigung des Stephanus (68),
    – die Gemeinde in Jerusalem durch Saulus (81),
    – Hinrichtung des Jakobus, Bruder des Johannes, durch den König Herodes (121),
    – Gefangennahme des Petrus durch den König Herodes (123),
    – Verfolgung des Paulus und Barnabas in Antiochien durch die „Juden“ (1344),
    – Steinigung des Paulus in Lystra durch Heiden und Juden (148),
    – Verfolgung des Paulus und Silas in Philippi (1619),
    – des Jason in Thessalonich durch die Juden (175),
    – Paulus in Beröa durch die Juden aus Thessalonich (1713),
    – Paulus in Korinth durch die Juden (1812),
    – Aufstand des Silberschmieds Demetrius in Ephesus gegen die Christen (1923),
    – Aufstand der Juden aus Asien gegen Paulus in Jerusalem, Gefangennahme des Paulus (2127),
    – Paulus vor dem Hohen Rat (231),
    – Verschwörung zur Ermordung des Paulus (2312),
    – Paulus vor dem Statthalter Felix in Caesaria (2323),
    – Anklage durch die Hohepriester in Caesaria (241),
    – Paulus vor Statthalter Fester (Nachfolger des Felix) in Caesaria (251),
    – Paulus vor König Herodes Agrippa II (2513),
    – Paulus nach Rom (271).

  • 27.2.1995

    Die Vision des Ezechiel hängt zweifellos nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell mit der Situation in der babylonischen Gefangenschaft zusammen, mit einer bestimmten Phase in der Geschichte der Prophetie. Mit dieser Vision gründet (und entspringt) auch die Apokalypse in der durch Babylon bezeichneten neuen Geschichtssituation, im Zeitalter der Weltreiche als Teil der Ursprungsgeschichte des Staats (und der Astronomie).
    Die Sünde der Welt auf sich nehmen, heißt: den Staat und die Welt reflexionsfähig halten.
    Das Inertialsystem ist die Materie, aus der das kreisende Flammenschwert geschmiedet ist. Es ist Produkt der Neutralisierung des Feuers, des Namens und des Angesichts.
    Haben die „Gleichnisse“ Jesu mit dem „Bild und Gleichnis Gottes“ in der Schöpfungsgeschichte zu tun?
    Sind nicht die Armut am brennenden Dornbusch (Ziehe deine Schuhe aus, …), der Gehorsam (das Hören) am Sinai und nur das Keuschheitsgebot apokalyptisch: in der Hure Babylon vorbezeichnet?
    Haben Armut, Gehorsam und Keuschheit etwas mit Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge zu tun? Und ist nicht Nachfolge die Wahrheit des Bekenntnisses (von dem es nur durch die Umkehr getrennt ist), und insofern das Neue, das als Antwort auf den Ursprung des Weltbegriffs mit dem Christentum in die Welt gekommen ist? Und hängen nicht die drei Gestalten des Kelches: Zornesbecher, Taumelbecher und Unzuchtsbecher hiermit zusammen? Wie das Keuschheitsgebot auf den Unzuchtsbecher, so bezieht sich das Armutsgebot auf den Kelch des göttlichen Zorns und der Gehorsam auf den Taumelbecher.
    Die Stämme, Völker, Nationen und Sprachen, sind das nicht die vier Formen der kollektiven Vergangenheit, die uns beherrschen?
    Auch die entzauberte Welt steht noch unter einem Bann, aber es gibt keinen Weg zurück. Zu ergänzen ist: Mit der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist auch das Nach-vorne-Denken zur Regression geworden. Deshalb erinnert Hegels Idee des Absoluten an den Swinegel, an das „Ich bün all do“.
    In Rosenzweigs „deus fortior me“ ist das me sehr wörtlich zu nehmen: als Ich, mit Vor- und Zuname.
    Das Christentum hat aus Angst vor dem Feuer den Namen und das Angesicht geleugnet, sie durch den Begriff und die Person ersetzt. Wenn die Person zum Träger des Namens geworden ist, so ist darin das Vergessen des Namens schon mit eingebaut.
    Das mystische Nu ist die Erinnerungspur des Zeitkerns der Wahrheit, des Mediums der Prophetie. Im kirchlichen Gebet erinnert nur noch das per saecula saeculorum an diesen Zeitkern der Wahrheit.
    Aus dem Gefängnis der apologetischen Selbstbezogenheit und des theologischen Autismus ausbrechen (nach Rosenzweig hat Gott nicht die Religion, sondern die Welt erschaffen): Das geht nur unter dem Signum des Parakleten, des verteidigenden Denkens.
    Im letzten Wahlkampf wurde man insbesondere aus Kreisen der christlichen Partei mit dem unverschämten Ansinnen behelligt, daß man von einer bestimmten Einkommenshöhe an eigentlich nur noch diese „christliche“ Partei wählen dürfe. Dieser Appell ans unmittelbare Eigeninteresse (an die Solidarität des Klassenkampfs von oben), der im übrigen im deutschen Recht seine Stütze findet, ist er nicht die reale Verführung zur Sünde wider den heiligen Geist: Das verteidigende Denken wird als Verrat an den Zielen dieser Partei erfahren?
    Droht nicht die Apologetik zum Greuel am heiligen Ort zu werden? Unterm Rechtfertigungszwang wird das Verteidigen vom Objekt aufs Subjekt (und auf die Gemeinschaft, durch die das Subjekt sich definiert) umgelenkt.
    No pity for the poor: So heißt ein Kapitel in Adornos Untersuchung über die autoritäre Persönlichkeit. Gewinnt dieser Satz im Zeitalter der Schuldenkrise in der Dritten Welt nicht kosmischen Dimensionen?
    Die mathematischen Naturwissenschaften sind die Erben des Dogmas geworden. Ihre legitimatorische Funktion für das Bestehende hat ihre Wurzeln im Dogmatisierungsprozeß, mit dem die Säkularisation in der Theologie begonnen hat (mit der opfertheologischen Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes). Steht nicht dagegen das Wort: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon?
    Wie hängt die Kritik der Naturwissenschaften, der politischen Ökonomie und der Bekenntnislogik mit den drei evangelischen Räten zusammen? Ist nicht die Abstraktionsgeschichte, der die Raumvorstellung sich verdankt, die Wurzel von allem; die Raumvorstellung als Verletzung des von Jesaia übermittelten Gebots zu Rind und Esel?
    Schwachsinnige Frage, ob die Tiere in den Himmel kommen (so der Titel einer Sendung im Fernsehen gestern): Sie sind schon im Tierkreis und in den Sternbildern am Himmel.
    Kann es sein, daß die Arche, mit der auch die Tiere vor der Sintflut gerettet wurden, etwas mit dem Tierkreis zu tun hat? Ist die Arche Noahs der symbolische Inbegriff der „Häuser“ des Tierkreises?
    Welche Sternzeichennamen gibt es, und welche Tiere sind darunter enthalten (Stier und Widder, die Schlange, die Fische, der Löwe, der große und der kleine Bär)? Gibt es nicht eine Beziehung zwischen den Heroen des Mythos (die an den Sternenhimmel versetzt wurden) und den Tieren der Sternzeichen? Hat das heroische Zeitalter nicht etwas mit dem apokalyptischen (und geschichtsphilosophischen) Tierbegriff zu tun? „Das steinerne Herz des Unendlichen erweichen“: Bezieht sich darauf nicht das Wort vom Lösen (vom Orion über den gordischen Knoten bis zum Wort an Petrus und die Kirche)?
    Ist das Verhältnis des Autors zum Leser, dieses asymmetrische Verhältnis von Nähe und Fremdheit (ein Strukturelement der Logik der Schrift), nicht ein realsymbolischer Hinweis auf die Astronomie?

  • 17.2.1995

    Am zweiten Tag schuf Gott nur die „Feste“, die erst am vierten Tag die „Feste des Himmels“ heißt. Die Feste war das Instrument der Scheidung der oberen von den unteren Wassern, die Feste des Himmels die Folie, an die die Leuchten des Himmels geheftet wurden.
    Sind nicht die Wasser die Wasser der Vergangenheit, das Feuer und die Leuchten des Himmels Verkörperungen der vergangenen Zukunft?
    Nach der Kabbala hat auch die Hand ein Gesicht und einen Rücken. Wie verhalten sich dazu die Hufe, Pfoten und Klauen der Tiere, und in welchem Verhältnis stehen diese zu den Zeichen des Tieres an der Stirn und an der rechten Hand?
    Ist nicht der Zusammenhang, in dem der Begriff der Wollust in der Kabbala erscheint, ein Hinweis auf ihre Verstrickung in den Weltbegriff, auf die Unfähigkeit, den Weltbegriff zu reflektieren, zu durchdringen und zu begreifen? Die Reflexion des Weltbegriffs ist erst in der Spannung von realgeschichtlichem und symbolischem Zusammenhang möglich (und notwendig).
    Die Welt oder das subjektlose Subjekt des Weltgerichts.
    Muß nicht die Kirche heute an die Aufforderung „Wachet und betet“ erinnert werden? Und wird nicht die Nacht des gegenwärtigen Weltzustands nur noch durch die Apokalypse erhellt? (Ist von der Feste des Himmels heute nur noch die Feste geblieben; und ist das Werk dieser Feste wieder einmal die Scheidung der oberen von den unteren Wassern?)
    Das Vergangene ist nicht nur vergangen: Dieser Satz gilt insbesondere für die Prophetie, aber auch im Hinblick auf realsymbolisch-historische Ereignisse wie Sintflut und Turmbau zu Babel.
    Wird nicht der Begriff der Wörtlichkeit heute anstatt durch die Sprache durchs Inertialsystem definiert (und so „fundamentalisiert“)? Das „Nichts“, aus dem die Welt erschaffen wurde. ist ein konkretes Nichts: das Inertialsystem (oder allgemein: das Überzeitliche). Die dem Inertialsystem (und der Historisierung der Geschichte) zugrunde liegende Vorstellung des Zeitkontinuums neutralisiert die Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft und löscht die Zukunft. Grund dieser Neutralisierung ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
    Sind nicht die apagogischen Beweise, die in die Antinomien der reinen Vernunft hineinführen, Widerlegungen des Moments der Subjektivität in den subjektiven Formen der Anschauung?
    Die Diskussion um den Standort Deutschland beweist insbesondere, daß es national-ökonomisch lösbare Wirtschafts-Probleme nicht mehr gibt.
    Hängt jubilare mit dem hebräischen Jobel zusammen?
    Daß das „Buch der Schöpfung“ (aus dem Sohar) nur bis zum vierten Schöpfungstag reicht, hängt mit der Verstrickung jeder Mystik in den Weltbegriff zusammen und mit der Unfähigkkeit, dessen politisch-ökonomischen Grund zu reflektieren. Die Binde auf den Augen der Synagoge in den Darstellungen in mittelalterlichen Kirchen ist Ausdruck sowohl dieses Sachverhalts als auch der projektiven Struktur der christlichen Symbolik. Das Rätsel des fünften und sechsten Tages gehört zu den bis heute unerfüllten Aufgaben des Christentums (die deutschen Chassidim waren einmal nahe an der Lösung dieses Rätsels: sh. das Dornen und Disteln-Symbol und die Rezeption des Armutsgebots). Der Confessor und die Virgo sind Verkörperungen dieses Rätsels.
    Der Weltbegriff neutralisiert die Generationsbeziehungen (und macht das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, unerfüllbar). Er macht den Generationenkonflikt unlösbar. Der Weltbegriff ist totemistisch; er wird gesprengt durch Namen den Menschensohn, der auf den Wolken des Himmels kommen wird.
    Zu Ezechiel: Wie hängt die Merkaba-Vision mit dem Titel Menschensohn zusammen?
    Das Inertialsystem ist ein Produkt aus Hochmut und Niedertracht; es ist der Hochmut, der nicht vor dem Fall kommt, sondern mit dem Fall eins geworden ist.
    An der Struktur des Inertialsystems läßt sich das Verhältnis von Gesetz, Begriff und Erscheinung demonstrieren, das nicht nur die Natur, sondern auch die Gesellschaft beherrscht. Nur so konnte die naturwissenschaftliche Aufklärung zu einem Instrument der Legitimierung des Bestehenden werden.
    Ökonomie und Physik sind die Instrumente der Verweltlichung der Welt. Die Bekenntnislogik ist der Grund der Abspaltung der Religion von der verweltlichten Welt und damit das Instrument der Verweltlichung der Religion.

  • 3.2.1995

    Das Präsens bezieht sich nicht auf die Gegenwart, sondern auf die erinnerte Vergangenheit. Diese erinnerte Vergangenheit ist der Boden, aus dem das Neutrum erwächst. Das tode ti ist das philosophische Äquivalent des Präsens: der Vorhang vor der Erkenntnis der Gegenwart.
    Die Geistverlassenheit der Kirche läßt sich an der wachsenden Konfliktunfähigkeit in der Kirche demonstrieren und nachweisen. Damit hängt es zusammen, wenn es – von einem bestimmbaren Zeitpunkt an – keine erkennbare Freiheitsperspektive in der Kirche mehr gibt.
    Die Welt ist der institutionalisierte Rechtfertigungszwang, als deren Subjekt der Staat sich begreift. Nur durch die Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt kann man sich daraus befreien.
    Der naturwissenschaftliche Massenbegriff steht in einer dreifachen Reflexions- und Äquivalenzbeziehung:
    – als träge Masse (bezogen auf den mechanischen Stoß),
    – als schwere Masse (in der Beziehung äußerlich getrennter, wechselseitig sich attrahierender Massen, im Bereich des Gravitationsgesetzes) und
    – als Energie (durch die relativistische Äquivalenz von Masse und Energie).
    Verweist nicht die Äquivalenzbeziehung von Masse und Energie auf den gesellschaftlichen Zusammenhang von Reichtum und Armut („Energie“-Erzeugung durch Proletarisierung) und deren Institutionalisierung in der Geschichte der Banken (der Arbeitsstätte des Geldes)?
    Hat Hegels „Arbeit des Begriffs“ etwas mit der Geschichte der Banken zu tun?
    War nicht der „ungerechte Verwalter“ aus dem jesuanischen Gleichnis ein frühes Modell des späteren Managers, spätkapitalistisches Realsymbol der vergesellschafteten (und proletarisierten) Herrschaft? Auch der Manager ist heute ein proletarisierter Lohnabhängiger. Herrschaft gründet heute nicht mehr in gleichsam substantiellen Eigentumsverhältnissen, sondern in funktionalisierten Organisations- und Verwaltungsstrukturen, denen zwar immer noch Eigentumsverhältnisse zugrunde liegen, die aber weitestgehend polarisierten und atomisierten Eigentumsverhältnissen geworden sind (zusammengehalten nur durchs Finanzsystem der Banken).
    Krankt der Vulgärmaterialismus (neben dem es einen andern nicht mehr zu geben scheint) nicht daran, daß er immer noch von einem längst obsolet gewordenen Eigentumsbegriff ausgeht (und von einem personalistischen Begriff des Klassenkampfs)?
    Erst wer im Problem des Eigentums das Problem der Materie wiedererkennt, wird den Zusammenhang von Ökonomie und Physik begreifen. Im Materiebegriff der traditionellen Metaphysik spiegelt sich deren Abhängigkeit von den Strukturen der Eigentumsgesellschaft. Die Durchdringung der Objektivität mit dem Tauschprinzip (oder die Entfaltung der Herrschaft des Tauschprinzips) hängt mit der Durchdringung der Objektivität mit dem Trägheitsgesetz (mit der Entfaltung der Herrschaft des Inertialsystems) zusammen.
    Arbeiten nicht die Förderung der Weltraumforschung und der Kernforschung (der kapitalintensivsten Forschungsbereiche) nur gleichsam aus Alibigründen an sachlichen, inhaltlichen Problemen, während ihr Hauptaufgabe die der Legitimation des Bestehenden ist?
    Enthält nicht die Bibel selber den Hinweis, daß die Frage, weshalb Jesus sterben mußte, erst beantwortet werden wird, wenn die Bedeutung der Austreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel begriffen wird (was erst möglich ist im Kontext der Erkenntnis der Bedeutung der Geschichte der Banken)?
    Die Befreiung des Erkennens vom Bann des Wissens: Gründen nicht die prophetischen und die apokalyptischen Visionen darin, daß sie den Zusammenhang von Sehen, Wissen und Erkennen aufsprengen (das Wort: da gingen ihnen die Augen auf, rückgängig machen)? Bleibt von den drei eschatologischen Motiven (Unsterblichkeit der Seele, selige Anschauung Gottes und Auferstehung der Toten) am Ende nicht doch nur die Auferstehung der Toten? Die selige Anschauung Gottes liegt jenseits (in der „Gegenrichtung“) dessen, was sonst Anschauung heißt: nach dem Lösen der sieben Siegel.
    Läßt sich aus der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern schließen, daß sie die einzige gewesen ist, die Jesus von Angesicht zu Angesicht gesehen hat, während der Kirche die dreifache Leugnung, und mit der dritten Leugnung die Selbstverfluchung, vorhergesagt ist? Die Idee der Erfüllung der Schrift ist von der der Erfüllung des Wortes in der Tat durch eine Todesgrenze getrennt (so wie das Angesicht vom Angesicht.
    Beschreibt nicht der Satz vom Stein, den die Bauleute verworfen haben (und der dann zum Eckstein geworden ist), im Nachhinein einen objektiven, gegen jedes moralische Urteil abgeschirmten Sachverhalt?
    Die memoria passionis gewinnt ihre theologische Bedeutung durch ihre das Herrendenken auflösende Kraft. Aber hat nicht die Theologie auch die memoria passionis noch im Interesse der Selbstlegitimation von Herrschaft instrumentalisiert: als Opfertheologie, die dann ihre logische Begründung in der Bekenntnislogik gefunden hat? Die Opfertheologie war in der Zeit vor der Bekenntnislogik, diese jedoch logisch vor der Opfertheologie. Die Opfertheologie war gleichsam der Quellpunkt der Bekenntnislogik, und diese der Quellpunkt der modernen Naturwissenschaften. Der naturwissenschaftliche Objektbegriff gründet in der Opfertheologie; für beide gilt: Barmherzigkeit, nicht Opfer.
    Ist nicht das Inertialsystem der „Witwenschleier der Natur“, der Materie, die die Mutter von allem ist?
    Die Sexualmoral ist die Unzucht, deren Bewußtsein sie durch projektive Verarbeitung zu verdrängen, zu tilgen versucht. Deshalb ist sie zum Generator des Fundamentalismus (den es nur in den drei Buchreligionen gibt) geworden.
    Die Rosenzweigsche Sprengung des All läßt sich daran demonstrieren, daß in der Moral zwischen der Richtschnur des Handelns und des Maßstab des Urteils unterschieden werden muß. Beide lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Das hat seinen Grund in der Nichtobjektivierbarkeit des Subjekts, in der Asymmetrie von Ich und Du. Die Leugnung (oder Verkennung) dieser Asymmetrie macht das befreiende Gebot zum verknechtenden Gesetz.
    Ist nicht das Nichtwissen, das dann als das Nichtwissen der drei getrennten Elemente Gott Mensch Welt sich erweist, selber noch begründbar und ableitbar? Und zwar ableitbar aus einer Logik, die zugleich als die Logik eines der drei Elemente sich erweist: als Logik der Welt?
    Sind nicht die drei kantischen Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt durch die subjektive Form der inneren Anschauung, durch die Zeit, an die Vergangenheit gebunden? Ist das nicht die Fessel, von der unser Erkenntnisvermögen sich nicht befreien kann? Und ist der Ursprungspunkt dieser Fessel nicht aufs genaueste bezeichnet in dem biblischen Wort: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren?
    Wer die Moral nur aufs Handeln, und nicht schon aufs Erkennen bezieht, wer an einem neutralen Erkenntnisbegriff glaubt festhalten zu können, wird den Ursprungspunkt der Moral nie begreifen. Die Ontologie ist eine Moralvernichtungsmaschine.
    Haben die vier Grundfarben etwas mit den vier Himmelrichtungen zu tun: Weiß (Gelb) und Schwarz (Blau), Rot und Grün? Und ist nicht der Bogen in den Wolken die Bestandsgarantie der Welt?
    Hat die Finsternis über dem Abgrund etwas mit der Tier aus dem Abgrund zu tun?
    Ist nicht das Blau die Rückseite des Lichts, und sind Rot und Grün das Innen und Außen der Dinge? Gibt es eine biblische Farbenlehre?
    Hängt die Farbenblindheit, die Unfähigkeit, Rot und Grün zu unterscheiden, mit der Unfähgigkeit, das Innere und Äußere der Dinge zu unterscheiden, zusammen?

  • 30.12.1994

    In der Zivilisation (mit dem Ursprung der „Nation“, des Staates) wird der Gast zum Feind (vgl. Benveniste, S. 78). Damit hängt die Beziehung des Begriffs der Barbaren zum Namen der Hebräer zusammen.
    Die Sexualmoral appelliert an einen Trieb, der mit der Zivilisation (als Reflex des Ursprungs des Weltbegriffs und des Staates) im Innern der Menschen bildet: sie bezeichnet genau die „Unkeuschheit“, die sie zu bekämpfen vorgibt (Unzuchtsbecher).
    Die Analyse des Begriffs des Glaubens macht verständlich, wie sehr das etablierte Christentum in der indoeuropäischen Sprachlogik (Ursprung des Neutrum, Logik der flexierenden Grammatik, Inertialsystem und Bekenntnislogik) verwurzelt ist, durch sie zu einer Herrschafts-, Kampf- und Siegesreligion geworden ist (Benveniste, S. 135ff). Die Naturwissenschaft: der Kampf an der Naturfront.
    Liefert Benveniste mit seiner Analyse der indoeuropäischen Institutionen nicht den Schlüssel für die Erkenntnis des Zusammenhangs der christlichen Tradition und seiner Verwurzelung in der indoeuropäischen Sprachgeschichte mit dem Faschismus?
    Hat das Verhältnis der beiden apokalyptischen Tiere (aus dem Meere und vom Lande) etwas mit der Beziehung von Neutrum und Bekenntnislogik (Realität und Reklame) zu tun? Das „es war, ist nicht und wird wieder sein“ bezeichnet nicht eine historische Abfolge, sondern einen logischen, systemischen, strukturellen Sachverhalt.
    Die Vergangenheit ist die Hölle, deren Pforten die Kirche nicht überwältigen werden (ist die Natur die Hölle, und die Welt die Pforte dazu?).
    Ist nicht die Hysterie ein Teil der Geschichte der Beziehung der Philosophie zur Prophetie?
    Theologie kann erst dann wieder neu zum Leben erweckt werden, wenn es gelingt, die Erkenntnis aus dem Bann des Wissens zu lösen (vgl. die Differenz im kantischen Erkenntnisbegriff: die/das Erkenntnis). An die Stelle des Wissens wäre das Vertrauen in die erkennende Kraft der Sprache zu setzen.
    Ist die „Kultur der Empfindlichkeit“ nicht die Versuchung, der Eugen Drewermann erlegen ist, und für die er den Preis hat zahlen müssen: seine Konfliktunfähigkeit? Im Bannkreis der Empfindung kann man auf Konflikte nur mit Projektionen (nur mit dem Instrumentarium des Schuldverschubsystems) reagieren. Grundlage der Kultur der Empfindlichkeit ist die Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die Logik des Rechtfertigungszwangs (die Bekenntnislogik). Der Begriff der Empfindung stammt aus dem Konstrukt der „sekundären Sinnesqualitäten“: er setzt die Unreflektierbarkeit der mathematischen Naturwissenschaften (und der Geldwirtschaft, des Kapitalismus, der politischen Ökonomie) voraus. Gegen die Überflutung durch die chaotische Mannigfaltigkeit der Empfindungen hat Kant den Wall seiner transzendentalen Logik errichtet, der aber auch nicht standgehalten hat.
    In dem Prophetenwort, daß am Ende die Gotteserkenntnis die Erde erfüllen wird, „wie die Wasser den Meeresboden bedecken“, bezeichnet das „wie“ nicht einen Vergleich, sondern das Objekt einer Substitution: Die Wasser werden durch die Gotteserkenntnis ersetzt. Dieses Ende beendet die Geschichte der Sintflut. Hierauf verweist das apokalyptische Bild von der Hure Babylon, die an den großen Wassern sitzt, wobei die Erklärung dieser Wasser, die in der Johannes-Apokalypse gegeben wird, in dieses Bild mit hereinzunehmen ist.
    Ist nicht die Ökonomie das Tier aus dem Meer; gehört dazu nicht der Seehandel (die Kaufleute und die Schiffsführer, die Spediteure)? Das Tier vom Lande (der falsche Prophet) würde dann den Weltbegriff, das Produkt der Selbstlegitimation des Bestehenden durch den Prozeß der Aufklärung, bezeichnen (die Philosophie, die Theologie und die Wissenschaften).
    Kopf und Hand (die Träger des Zeichens des ersten Tieres, des Tieres aus dem Meere), bezeichnen sie nicht die subjektiven Formen der Anschauung (mit der Bekenntnislogik) und den Begriff oder das Geld?
    Die Bekenntnislogik vertauscht Oben und Unten, das Geld (die politische Ökonomie) Rechts und Links und der Raum (die Naturwissenschaften) Vorn und Hinten.
    … Deshalb war der Confessor ein männlicher Heiligentyp und sein Pendant die Virgo (die im Kontext der Sexualmoral zur Imago der Frauenfeindschaft geworden ist).
    Edgar Morin hat einmal, in einer Untersuchung über das Kino, die Situation im Kino, das Eingesperrt- und Gefesseltsein in der Sitzreihe und an den „bequemen“ Kinostuhl (eine Situation, die das Fernsehen vergesellschaftet und privatisiert hat), mit der Situation des SS-Täters nach seiner Gefangennahme verglichen: abgesperrt vom Handeln, eingeschlossen in die „kontemplative“ Situation in der Gefängniszelle, zerfließt er in Selbstmitleid. Dieses Selbstmitleid ist der Boden, auf dem die Bilder des Films zu leben beginnen, die identifikatorischen Bedürfnisse des Zuschauers an sich binden (den Zuschauer „in ihren Bann ziehen“). Wäre die Erlösung nicht die Erlösung von der Erlösungsbedürftigkeit, die im Selbstmitleid gründet, und die der Ursprungsquell jener verhängnisvollen Religiosität ist, die heute um sich greift.
    Unterscheiden sich nicht Schrift und Wort wie Wasser und Feuer (die nur im Namen des Himmels eins sind)?
    Der Kreuzestod hat die Welt erschüttert, den Vorhang im Tempel (vor der Gegenwart des göttlichen Namens) zerrissen und den Himmel verdunkelt: Er hat die Welt in den Anklagezustand versetzt: in den Akkusativ. Das war der Anfang des Objektivationsprozesses.
    Nicht die Dummheit gilt es in der Vergangenheit zu begreifen, sondern den Erkenntnistrieb, der auch in dem befremdenden Erscheinungen sich manifestiert, und seine Behinderungen.

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