Ökonomie

  • 21.11.1994

    Zu den Gründen der Kausalitäts-Diskussion gehörte auch der (durch Krieg, Niederlage und Revolution, durch Kriegsschuld-Debatte und „Dolchstoß-Legende“, verschärfte) Materialismus-Vorwurf: Hier war eine Situation, in der an die Ursachen nicht mehr gerührt werden durfte. Das Kausalitätprinzip mußte so umformuliert werden, damit es auf Politik (und Ökonomie) nicht mehr anwendbar war. Rührt nicht auch das Gefühl, selber Objekt einer feindlichen Umwelt zu sein, in der Zweideutigkeit des Materialismus-Vorwurfs, der primär auf die politische Anwendung des Begriffs abzielte, aber die Naturwissenschaften gleichsam in Sippenhaft nahm? Hatten sich nicht schon die „93 namhaften Wissenschaftler und Künstler“, die am 14. Oktober 1914 den „Aufruf an die Kulturwelt“ unterzeichneten, in dem sie „sich rückhaltlos hinter die militaristische Politik des Reiches stellten und ungeprüft die Übergriffe deutscher Truppen in den besetzten Gebieten bestritten“ (sh. S. 31, Anm. 49), präventiv gegen den seit dem schwelenden Vorwurf, nicht national gesinnt zu sein, verteidigt? Das trübe Kapitel der Kriegspropaganda deutscher Wissenschaftler im Ersten Weltkrieg (wie das des Antisemitismus im Zweiten) gehört in diesen Zusammenhang.
    Liegt nicht die crux des Neopositivismus darin, daß er die Kritik der Bekenntnislogik selber wiederum zum Gegenstand des Bekenntnisses gemacht hat (oder daß er auf der Flucht vorm Rechtfertigungszwang nur noch tiefer in diesen Zwang hinein geraten ist)? Verweist das nicht darauf, daß der innere Kern der Naturwissenschaften, die Handlungslogik des Inertialsystems, selber bekenntnislogische Züge trägt (die ihren „theoretischen“ Charakter fundieren)? Sind nicht die Probleme der Quantenmechanik Ausdruck und Produkt der Verwirrung, die Krieg und Nationalismus und in prästabilisierter Harmonie damit die logische Struktur ihres Gegenstandes selber in den Köpfen der Beteiligten angerichtet haben? Es war diese Verwirrung, die noch in den besten Produktionen der Nachkriegszeit als Spur einer Flucht in die Weltanschauung sich nachweisen läßt.
    Zu Hans G. Kippenberg: Paßt das Jeremias-Wort „Betet für das Wohl der Stadt“ in seine Interpretation der „jüdischen Erlösungsreligion“? Zum Namen-Problem im „Neuen Testament“:
    – Neben Saulus/Paulus (war es, wie Kippenberg unterstellt, üblich, daß die Sühne jüdischer Eltern neben dem traditionellen hebräischen Namen noch einen hellenistischen Namen erhielten?) ist
    – auf die merkwürdige Benennung Simon/Petrus zu verweisen,
    – auch auf den Namen des Nathanael, der einzige, den Jesus einen „wahren Israeliten“ nennt, der aus Kana stammt (oder war er ein „Kananäer“, ein Zelot?), und der im übrigen nur bei Johannes vorkommt,
    – auf die hellenistischen Apostelnamen Andreas und Philippus,
    – auf die hellenistischen Diakone,
    – den Namen der Christen (zuerst in Antiochien); und schließlich: – war Jesus ein Nazarener oder ein Nazoräer? Ist das Problem der Beziehung des Christentums zum Hellenismus ein Teil des Problems des Weltbegriffs? Wäre nicht die Habermassche Dichotomie zwischen „einem performativen Satz und einem davon abhängigen Satz propositionalen Gehalts“ genauer zu reflektieren: Bleibt sie nicht in Logik der Objektivation und Instrumentalisierung (der Subsumtion unter die Vergangenheit) stecken? Der Objektbegriff wird aufgesprengt durch den Satz: „Das Vergangene ist nicht mehr“. Der Begriff der Aufklärung hat die Differenz von Licht und Finsternis ins Metaphorische verschoben (vgl. das „dunkle Mittelalter“). Das „Licht“ der Aufklärung ist das der Subjektivität, das sich der Verdrängung der gleichen Zukunft verdankt, deren Realsymbol das Licht ist. Wäre daraus nicht das Verhältnis von Gravitation und Licht zu bestimmen? Die von Max Born bemerkte eigentümliche „kontrahierende“ Kraft des Lichtstrahls ist eine Folge der relativistischen Zeitdilatation. Der dreidimensionale Raum ist die zur Totalität aufgespreizte Bildebene; deren Emanationen sind die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt. Gibt es nicht Stufen der Objektivierung, die an den Dimensionen des Raumes sich abarbeiten?

  • 14.11.1994

    Wer nicht mehr weiß, was er tut, weiß auch nicht mehr, was er „anrichtet“: welches Gericht er vorbereitet. Der Weltbegriff trennt das strenge Gericht von der Barmherzigkeit. Das ist der Grund des Hegelschen Weltgerichts. Der Preis war die Erfindung der Natur: Produkt der projektiven Verarbeitung der Barmherzigkeit. Es wird erst anders, wenn die Christen aufhören mit der projektiven Verarbeitung der Prophetie und Apokalypse, wenn sie die Apologetik durch verteidigendes Denken ersetzen. Bezeichnet nicht die Differenz zwischen apologetischem und verteidigendem Denken den Unterschied zwischen Schrift und Wort? Das Subjekt der Psalmen wie auch das der Angst und des Schmerzes in Getsemane ist nicht die Privatperson (David oder Jesus), sondern Israel. Ton Veerkamps Bemerkung, daß die Kirchen von der postmodernen Geschmackslage nicht getroffen werden, weil sie „dazu … nicht zynisch genug“ seien (Autonomie …, S. 340), ist wahr und unwahr zugleich: Es ist wahr, daß die Kirchen aus Systemgründen Hemmungen erzeugen, die den subjektiven Zynismus ausschließen. Aber die gleichen Hemmungen produzieren auch die Unfähigkeit, den Zynismus zu reflektieren: Sie haben ihre Wurzeln in dem objektiven Zynismus, auf den Adorno anspielte, als er (in den Minima Moralia) bemerkte, heute sei schon jeder Katholik so schlau wie früher nur ein Kardinal. Dazu zwei Fragen:
    – Gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen der objektiven postkonzilialen Postmoderne in der Kirche und dem vatikanischen Fundamentalismus, und
    – hängen nicht beide zusammen mit der Unfähigkeit, mit dem objektiven Zynismus dessen transzendentallogischen Grund in der kirchlichen Theologie: die Bekenntnislogik (das Verhältnis von Feigenblatt und Frucht) zu reflektieren?
    Der „informelle Sektor“ (Veerkamp, Autonomie …, S. 348) ist ein Produkt und das genaue Pendant des Spekulationsgeschäfts auf der Seite der Produktion (die Armutsproduktion und -vermarktung ist der reale Schatten des Systems: seitdem der Armutsbedarf der dritten Welt gesättigt ist, wird die Armut in die Erste Welt reimportiert; Beispiel: die EG-Agrarmarktordnungen vernichten die agrarischen Ressourcen draußen und drinnen gleichzeitig).

  • 4.11.1994

    Wie hängt das Konzept der Gewaltenteilung mit dem Inertialsystem zusammen, mit der Beziehung von Begriff, Erscheinung und Gesetz?
    Nimmt nicht bei Hegel der Begriff der Aufhebung die Stelle ein, die bei Rosenzweig (der Sache nach) der der Umkehr innehat? Das Bindeglied zwischen beiden, oder das, was die Hegelsche Aufhebung von der Umkehr unterscheidet, ist das Moment des Scheins – und die List der Vernunft, die im übrigen heute längst zu einem Teil der Sprache selbst geworden ist, die „Verwirrung“, die die Sprache im Kern ergriffen hat, begründet: sie nimmt den Schein für die Wahrheit. Der Schein wird zu einem Teil der „Wahrheit“, wenn das herrschaftskritische Moment verdrängt, suspendiert wird.
    Bezeichnen nicht der Begriff des Scheins und die List der Vernunft das Moment der Verführung in Hegels Philosophie (und sind nicht schon bei Hegel die politische Ökonomie und die technische Nutzung der Naturwissenschaften durch die List der Vernunft auf einander bezogen)?
    Hegel hat die kantischen Antinomien durch Radikalisierung entschärft. So hat Hegel die kantische Idee der Freiheit (das „Wunder in der Erscheinungswelt“) durch Subsumtion unter den Weltbegriff zum bloßen „Bewußtsein der Freiheit“ idealisiert und verhext (Zusammenhang der „Wahlfreiheit“, des liberum arbitrium, mit der Raumvorstellung: mit den „Freiheitsgraden“ des Raumes). Das Bewußtsein der Freiheit ist mit der Raumvorstellung gegeben, es gewinnt Realität durchs Geld (Grund des Existenzbegriffs). Das liberum arbitrium bezeichnet die Freiheit der Herrschenden; es entfaltet sich mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft und des Marktes (und mit der Entfaltung der Raumvorstellung), seine Geschichte ist Teil der Herrschaftsgeschichte (der Geschichte der Verinnerlichung von Herrschaft). Reale Freiheit setzt das Bewußtsein der Freiheit (das liberum arbitrium) voraus, zugleich aber auch die Fähigkeit zur Reflexion seiner herrschaftsgeschichtlichen Voraussetzungen und Implikationen: die Fähigkeit zur Reflexion der „Sünde der Welt“.
    Ist die Auseinandersetzung zwischen Idealismus und Materialismus nicht eine Folge der Differenz im Naturbegriff (der Differenz zwischen Zeugung und Geburt, physis und natura)? Der griechischen Naturphilosophie korrespondiert systemlogisch das Römische Recht.
    Wie hängt der Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, mit der Feststellung zusammen, daß, wenn traditionsgebundene katholische Theologen von der Natur des Menschen reden, in der Regel eine Gemeinheit dabei herauskommt?
    Gründet nicht die logische Figur einer messianischen Berufung und Kraft des Proletariats (insbesondere bei Georg Lukacs) in der Verwechslung des Armen mit dem Fremden?
    Das Neutrum ist der Sprachgrund des Mythos, sein Fehlen und seine symbolische Repräsentation durch die Schlange hingegen die Konstellation, in der die Idee der Offenbarung entspringt.
    Gibt es das Schlangensymbol im Islam (und in seiner Folge eine Apokalypse), oder treten an seine Stelle die Dämonen? Und verdankt sich diese Transformation dem Ursprung und der Rezeption des Weltbegriffs (ist die creatio mundi ex nihilo ein islamisches Konstrukt)?

  • 16.9.1994

    Der Markt transformiert (über die Schuldknechtschaft, die Lohnarbeit) die Unterscheidung von rechts und links in die von oben und unten. Die Trennung verläuft zwischen positivem und negativem Eigentum: zwischen Besitz und Schulden (Armut: Schulden als Stand). Im Hinblick auf die Sprache erweist sich der Markt als Bedeutungsvernichter und Machtgenerator (Zusammenhang mit dem System der Deklination, Ursprung des Nominalismus). Carl Schmitt: „Die Maschine läuft von selbst“ (Pol.Theol., S. 52).
    Ist es eigentlich so schwer zu begreifen, daß Recht und Religion (Staat und Gewissen) nicht kompatibel sind?
    Die subjektive Form der äußeren Anschauung, der Raum, stabilisiert und konserviert die Bedingungen seiner Genesis: die Geschichte der drei Leugnungen. Der Raum ist das Produkt eines Systems von Abstraktionen, die insgesamt sich herleiten lassen aus der Geschichte der realen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur, der Geschichte der gesellschaftlichen und individuellen Selbsterhaltung im Kampf gegen die Mächte der Natur, des Mythos und schließlich der realen politischen und ökonomischen Gewalten. Zu den Konstituentien der Raumvorstellung gehört ebenso das Geld und das Privateigentum wie auch die Schrift, das Recht und das Gewaltmonopol des Staates. Der letzte Schritt der Bildung der Raumvorstellung, deren Geschichte mit der des Ursprungs und der Entfaltung des Tauschprinzips (auch mit der Geschichte der Religion und des Opfers) zusammenfällt, wurde vorbereitet in der Geschichte der Instrumentalisierung des Opfers und vollendet mit der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip, mit dem Institut der Lohnarbeit. Systemgrund war das Institut der Schuldknechtschaft (das zum Tauschprinzip ähnlich sich verhält wie die Gravitation zum Inertialsystem).
    Ist nicht die Schrift in der Geschichte der Kirche zum Buch mit sieben Siegeln geworden?
    „Jede Grundordnung ist eine Raumordnung“ (Carl Schmitt, Land und Meer, S. 71). Hatte Carl Schmitt nicht in der „Politischen Theologie“ die „Grundordnung“ vom Recht getrennt und zum eigentlichen Produkt der Souveränität, deren Aufgabe es ist, „über den Ausnahmezustand zu entscheiden“, erklärt?
    Für die europäischen Völker waren nach Carl Schmitt die „nicht-europäischen und nicht-christlichen Länder und Völker … herrenloses Gut“ (Land und Meer, S. 72).
    „Innere Kämpfe, Bruderkriege und Bürgerkriege, sind bekanntlich die grausamsten aller Kriege.“ (S. 73) Die „Weltkriege“ dieses Jahrhunderts waren Welt-Bürgerkriege, und „Weltanschauungskriege“ sind zu Vernichtungskriege geworden, weil die der „Weltanschauung zugrunde liegende Bekenntnislogik alle äußeren Verhältnisse in „innere“ Verhältnisse transformiert, zu Objekten der eigenen imperialistischen Ansprüche macht. Tendentiell sind sie dazu geworden, als mit der Vorstellung des unendlichen Raumes auch das Herrendenken grenzenlos und irreversibel geworden ist (die innere Differenzierung des Herrendenkens in der äußeren Welt keine Entsprechung mehr vorfand).

  • 7.9.1994

    „Du hast doch ein Ohr, du hast doch eine Leber, du hast doch einen linken Zeigefinger und außerdem noch Lunge und Brust: Worauf wartest du noch, mach doch daraus schon mal einen kleinen Menschen.“
    Der Kapitalismus ist das Reich der Privatwirtschaft: Er hat die gesamte Ökonomie der Privatsphäre (dem Reich der idiotes) zugeschlagen.
    Hinweis auf den Zusammenhang von Ökonomie, Politik und Privatexistenz: Das Telefon ist für den Geschäftsverkehr, für die politische Intrige und für den privaten Tratsch unentbehrlich. Das Fernsehen ist durch das optische Medium das Institut der vollständigen Durchdringung von Politik und Privatem im neuen Begriff der Öffentlichkeit; beide ziehen sich wechselseitig auf ihr unterstes Niveau herunter (Ableitung aus der Logik der Schrift). Hier wird die Intrige vergesellschaftet und der Tratsch zur Basis der Politik.
    Die Bekenntnislogik ist die Opferfalle, in der das Christentum seine Gläubigen gefangenhält.
    Sind nicht die drei Gestalten des Bösen, Satan, Teufel und Dämon, Konstruktionsmomente der Ökonomie, von Goethe zusammengefaßt in der Gestalt des Mephisto? Der Kapitalismus ist ein Teufelspakt, aber das ist kein Anlaß zur Dämonisierung, sondern ein Hinweis zur Erkenntnis des Kapitalismus (der Name des Kapitals entstammt dem Kreditwesen: „capitalis pars debiti ist der Hauptteil der Schuld, der von einer Nebenschuld, nämlich dem Zins, begleitet wird“, Binswanger, Geld und Magie, S. 48).
    Heute käme es darauf an, die Aufklärung aus den Verstrickungen ihres theologischen Ursprungs zu lösen (aus dem dogmen- und bekenntnislogisch begründeten Gesetz der Verdinglichung).
    Hängt nicht die aristotelische Kritik der Geldvermehrungswirtschaft (vgl. Duchrow) mit seiner Kritik der schlechten Unendlichkeit zusammen, wurde ihr nicht durch die kopernikanische Wende der Boden entzogen?
    Auch die Armut ist eine Ware; sie gehört zu den schamvoll versteckten Produkten der kapitalistischen Produktion; sie wird exportiert und wieder reimportiert. Die Armut der andern ist der Schatten der Erfüllung des Gewinnstrebens der Reichen.
    Die Banken und die verwalteten Schulden (das Kreditsystem) sind der Realgrund und die ideelle Widerspiegelung zugleich der Armut in der Gesellschaft.
    Hält die sogenannte „sumerische“ Sprache (als agglutinierende Sprache) nicht die Erinnerung an den Ursprung der durch die Logik der Schrift verursachten Änderungen der Sprache fest (Turmbau zu Babel)? Ist sie nicht gleichsam der embryonale Zustand der flektierenden Sprache?
    Bezeichnet der Staub in der Sündenfallgeschichte (wie die Schlange, die ihn frißt) auch einen sprachlichen Sachverhalt, das Produkt der Vermahlung der phonetischen zur Schriftsprache: die Buchstabenschrift?

  • 6.9.1994

    Gründe zur Skepsis bei Duchrow:
    – In den Bemerkungen über Luther bemerkt er nicht, daß ein Unterschied besteht zwischen der Kritik des (in die Fundamente der Gesellschaft mit eingebauten) „Wuchers“ und der (bloß moralischen) Verurteilung des „Wucherers“: zwischen dem Problem und seiner Personalisierung; vgl. hierzu das Verhältnis Jesu zur „Steuerfrage“ und seine Beziehung zu den „Zöllnern“.
    – Schließt nicht die Personalisierung gesellschaftlicher Probleme immer ein projektives Element mit ein; ist sie nicht nur verständlich im Kontext von Exkulpationsstrategien?
    – Ist nicht die Personalisierung ein Teil der Verdinglichung, und ist diese nicht ein christliches Erbe (das Ferment der Selbstzerstörung des Christentums)?
    – Gibt es Wirtschaftsstrukturen, die zum Leben, und Wirtschaftsstrukturen, die zum Tode führen, läßt sich das so „klar“ trennen?
    – Was versteht er unter der „Gottesfrage“ und unter einem „funktionierenden Gott“?
    – Bezeichnet nicht die „Nische im Perserreich“ genau die Falle, in die Duchrow hineinrennt? Es unterstellt ein Stück Absicht und Planung (und hängt so mit der projektiven und zugleich paranoiden Logik der Personalisierung zusammen), während es die Irrationalität der Realität bestätigt.
    – Erst die Logik der Verdinglichung macht eine spontane Aktion zum Gegenstand einer Organisation (Verwaltungsdenken). Wiederholen sich darin nicht zwangshaft die Strukturen der Entstehung der Kirchen, des Dogmas und der Bekenntnislogik (Zusammenhang mit der Vergegenständlichung als und durch Geschichte)?
    – Verweist nicht der häufige Gebrauch des Begriffs „Zeichen“ auf den Zusammenhang des symbolischen Politikverständnisses mit der Bekenntnislogik (auf die Konstruktion des Schuldverschubsystems)? Das „Zeichen setzen“ drückt das Einverständnis mit dem Wertgesetz aus. „Zeichen“ sind die Buschtrommeln im Dschungel der entfremdeten Welt; sie sprengen nicht das Gesetz der entfremdeten Welt. Dagegen hilft nur eine rückhaltlose, von allen apologetischen Zwängen freie Erkenntnis. Jonas ist nicht nach Ninive gegangen, um alternative Gemeinschaften zu begründen, er hat nicht einmal zur Umkehr aufgefordert, sondern nur verkündet: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört.
    Zusammenhang von Projektion und Paranoia.
    Die Trennung von Realität und Sprache, Produkt der Urteilsform, gründet in den subjektiven Formen der Anschauung. Beide gründen im Gewaltmonopol des Staates, zu dessen Ursprungsgeschichte sie gehören. Die Befreiung von den sieben unreinen Geistern und die Lösung der sieben Siegel ist die konkrete Kritik des Gewaltmonopols des Staates und der Trennung von Sprache und Realität (die Bedingung der Erfüllung des Worts).
    Die „invisible hand“ ist der Inbegriff der Gewalt, die hinter unserm Rücken sich aufrichtet (des Weltbegriffs, der „Sünde der Welt“). Deren Reflexion ist die einzige Möglichkeit, nicht zum Opfer ihrer Verstrickungen zu werden.
    Ist die „invisible händ“ nicht die Hand, die das „mene, tekel u pharsin“ an die Wand schreibt?
    Bleibt die Kritik der „Geldvermehrungswirtschaft“ nicht abstrakt, wenn man zugleich die Umsatzsteigerungen als Rechtfertigung alternativer Wirtschaftsformen benützt? Wer die Alternativen so am Realitätsprinzip mißt, ist schon in dem System gefangen, das er zu kritisieren meint.
    Die Freude, die Duchrow den „Gemeinschaften“ zuschreibt, hängt mit dem Zeichensetzen logisch zusammen: sie gleicht der Euphorie, die zur Verdrängung der Agonie gehört (Ende der Bekenntnislogik).
    Ist der Blutacker (hakeldama) das Symbol der Subsumtion des Ackers unters Tauschprinzip? Adam: mit dem Acker wird auch der Mensch unters Tauschprinzip subsumiert (gemeinsamer Ursprung der „Befreiung“ des Ackers aus seiner theologischen Bindung, der Schuldknechtschaft und Sklaverei, und der Lohnarbeit). Hängt nicht das faschistische „Blut und Boden“ mit dem hakeldama zusammen, und was drückt es eigentlich genau aus? Ist dieses Blut nicht das Blut der „Helden“, die den eigenen Boden verteidigt und fremdes Land erobert haben: Grund der staatlichen Eigentumsnahme? Und was hat das mit Judas Iskarioth, dem Verrat Jesu und mit den Hohepriestern zu tun? War nicht die erste Leugnung Petri die Leugnung vor der Magd des Hohepriesters?
    Skinheads: die Engel des Hegelschen Weltgerichts. Deshalb gehören Friedhof- und Gräberschändungen zur Einübung rechtsextremer Gewalt.

  • 4.9.1994

    Das Haus des Seins, oder der pharaonische Aspekt der Ontologie.
    Hat das Tier aus dem Meer etwas mit der Entnationalisierung der Ökonomie (insbesondere auch des Banken- und Finanzwesens) zu tun?
    Hinweis hierzu: Wenn das Eigentum zu den Organisationsgrundlagen des Staates gehört, d.h. wenn es nur national sich definieren läßt (deshalb sind die Fragen der Staatsbürgerschaft und der Währungshoheit so wichtig), und wenn außer- und zwischenstaatliche Verhältnisse nach Hegel Naturverhältnisse sind, was bedeutet das dann für die Logik der Entnationalisierung der Ökonomie: für die „vagabundierenden“ Verschuldungs- und Verarmungsprozesse, die den Realitätskern des „vagabundierenden Geldes“ ausmachen? Steckt hier nicht ein Hinweis auf den Ursprung der Nomaden (auf den Zusammenhang ihrer Entstehung mit gesellschaftlichen Naturkatastrophen)? Und liegt hier nicht der eigentliche Grund für die Notwendigkeit der Reflexion des Weltbegriffs (mit dem der Staat, der heute chaotisiert wird, immer schon mit gedacht wird)?
    Ist nicht die Beziehung von Handel und Kredit in ihrem Ursprung durch den Fernhandel vermittelt (in dem Finanzierungssystem des antiken Seehandels), und liegt hier nicht der Ursprung des apokalyptischen Symbols vom Tier aus dem Meer (vgl. die Könige, die Kaufleute und die Schiffsführer in der Johannes-Apokalypse)?
    Ding und Sache: Hat die begriffliche Trennung ihre Vorgeschichte in einer nationalen: in der sprachlogischen Differenz zwischen dem griechischen chräma (Ding, Geld) und der römischen res (Sache)?
    Heute gewinnt Hegels Satz, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, um der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, erstmals globale Bedeutung.
    Ist nicht die in der Jona-Geschichte angedeutete innere Differenzierung der „Buße“ (der Umkehr), die in der Logik ihrer Durchführung sich anzeigt, wichtig: Sie beginnt mit der Buße des Volkes, von dem sie ausgeht; die Kunde davon dringt bis vor den König von Ninive, der sie dann zu seiner Sache macht, indem er selber Buße tut und zugleich das Volk und das Vieh zur Buße aufruft.
    Hängt es nicht mit ihrem Ursprung in Rechtfertigungszwängen und in der Logik des Schuldverschubsystems zusammen, wenn Weltanschauungskriege seit dem „Krieg gegen den Bolschewismus“ Vernichtugnskriege sind?
    Was hat es eigentlich mit dem Pharao, der nichts von Joseph wußte (in der Vorgeschichte der Versklavung der Hebräer), auf sich? Die Josephs-Geschichte läßt als Geschichte der ursprünglichen Akkumulation unter den Bedingungen des pharaonischen Staatskapitalismus, aus dem dann das Sklavenhaus Ägypten geworden ist, begreifen. Die hebräischen Sklaven aber wurden eingesetzt beim Bau der Vorratsstädte Pithom und Ramses.
    Wurde nicht auch im stalinistischen Rußland der Archipel Gulag eingeläutet durch die Enteignung der Kulaken?
    Daß Geschichte jeweils aus dem Gesichtswinkel des Siegers geschrieben wird, ist ebenso wie die Rechtsblindheit des Rechts keine Frage der Gesinnung, sondern eine der Logik. Aus beiden Verstrickungen und Zwängen kann man nur durch (Schuld-)Reflexion sich befreien, zu deren vorrangigen Objekten die Geschichte und das Recht gehören.
    In den Fundamenten des Staats steckt der Mord, so wie in den Fundamenten des Christentums das Kreuzesopfer. Während der Staat die Erinnerung an den Mord unmittelbar verdrängt, verdrängt die Kirche die Erinnerung an den Kreuzestod durch seine instrumentalisierende Vergegenständlichung: durch Ritualisierung (so wappnet sie sich zugleich gegen den Vorwurf der Verdrängung). Die Verdrängungskräfte, die der Staat benötigt (so daß der Pharao an Joseph nicht mehr sich erinnert), liefert das Christentum mit der Opfertheologie (und deren theologischer Absicherung durchs Gesamtsystem des Dogmas).
    Es war, wenn nicht der Trick, so doch der logische Effekt der Rezeption des Weltbegriffs, daß mit ihr die Herrschaftskritik aus der theologischen Reflexion ausgeblendet wurde. Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaftslogik rezipiert. Hierdurch ist der Herrschaftskelch (der Taumelbecher und der Kelch des göttlichen Zorns) zum Becher der Unzucht geworden.
    Die Ablösung des Geldgeschäfts von seinem investiven Realgrund, seine Rückkoppelung an die abstrakten Formen der Geldvermehrung (vom Börsengeschäft bis zur Devisenspekulation), ist eine logische Folge der Transnationalisierung des Geldgeschäfts, der Überschreitung der nationalen Eigentumsgrenzen. Hat die Logik dieser Rückkoppelung etwas mit der Logik der Selbsterzeugung der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes, die so als grenzenlos sich entfaltet und allem, was in den Raum fällt, die Logik der Instrumentalisierung, die Herrschaftslogik einprägt) zu tun? Wird hier nicht dem Taumelbecher, dem Kelch des göttlichen Zorns, die Unzucht als zusätzlicher Inhalt hinzugefügt?
    Nebukadnezar vergißt den Traum, der Pharao vergißt den Traumdeuter. Die anderen Könige haben Eigennamen, sie heißen Abimelech oder Nebukadnezar; nur der König Ägyptens hat einen zweiten Titel, Pharao, aber in der Regel keinen Eigennamen (z.B. in der Abraham-Geschichte und in der Vorgeschichte des Exodus; welche Ausnahmen gibt es, und bei welcher Gelegenheit werden sie genannt?). Kann dieser zweite Titel nicht bedeuten, daß des Pharaos nicht mehr gedacht werden soll?
    Die Israeliten haben den Namen Pharaos verdrängt, die Christen den Namen Ägyptens (Mizrajim) und den Gottesnamen. Wird nicht in Apokalypse der Name Ägyptens mit Sodom und Gomorrha und mit dem Ort, an dem der Herr gekreuzigt wurde, zusammengebracht?
    Im Christentum hat nicht Gott, sondern nur Jesus einen Namen.
    Erinnert nicht der Gebrauch des hebräischen Gottesnamens in der Bibelwissenschaft an die Friedhof- und Gräberschändungen der Nazis? Soll nicht in beiden Fällen – nach dem Modell der in peer-groups üblichen Logik von „Mutproben“ – der Nachweis geführt werden, daß nichts passiert?
    Ich kann mir Bücher nicht vom Leibe halten, ich wühle mich durch sie hindurch in der Hoffnung, mich irgendwann in ihnen wiederzufinden.
    Einstein war der erste Physiker, der ein mimetisches Erkenntnismodell in die Physik hereingebracht hatte, das dann insbesondere durch die Kopenhagener Schule mit einem Tabu belegt worden ist (die metaphysischen Qualität, die der „Unbestimmtheitsrelation“ oder oder dem Komplementaritäts-Prinzip beigelegt wurden, gründet in diesem gleichsam exorzistischen Tabu. Das Paradigma „moderne“ gegen „klassische“ Physik, das auch gegen Einstein gerichtet war, ist nicht zufällig zum Modell modischer Religionskonzepte (und zu einer theologischen Traditions-Vernichtungs-Maschine) geworden.
    Hat nicht die F.D.P. durch ihren neoliberalen Ideologiebegriff – ähnlich wie der Geldmarkt im gleichen Kontext den Produktivitätsbezug – die Bodenhaftung verloren?
    Wie bezieht sich der Geldvermehrungs-Mechanismus, der die wirtschaftliche Rationalität (im Sinne Max Webers) begründet, auf die Logik der Selbsterzeugung des Raumes (Begründung des kopernikanischen Systems)?

  • 3.9.1994

    Vergangene Arbeit und die Arbeit anderer sind austauschbar: Ausbeutung ist das Sparen aus den Taschen anderer.
    Physis und natura: Bei den Griechen waren die Bürger die Erzeuger, bei den Römern die Erzeugten des Staates (und die Konsumenten seiner Leistungen).
    Die Exkulpationsautomatik verdrängt nur die Schuld, löst sie nicht auf; deshalb erzeugt und verstärkt sie den Rachetrieb (Ursprung des Feindbildes und der Bekenntnislogik).
    Zur Säkularisation aller theologischen Gehalte:
    – Das KZ war eine Säkularisation der Hölle, und die Knäste und die psychiatrischen Anstalten sind es immer noch;
    – die rechtsextremistische Gestalt der Gewalt ist ein Produkt der Säkularisation der Bekenntnislogik, der Antisemitismus eine Gestalt der Säkularisation der Opfertheologie.
    Heideggers „Haus des Seins“ steht in der Tradition der Pyramiden, es ist ein Haus des Todes, zu dem das „Vorlaufen in den Tod“ logisch dazugehört. So ist es das genaue Gegenstück, und zugleich eine entsetzliche Parodie des Hauses, das Salomo dem Namen Gottes errichtet hatte. Der Satz „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ gilt auch für die Fundamentalontologie. Ähnlich, aber in einem sehr viel differenzierteren Sinne, gilt das auch für die Philosophie Hegels: Hegels Logik ist das Mausoleum des Namens. Die Vorarbeit dazu hat die Bekenntnislogik geleistet (die aus dem Bekenntnis des Namens das Glaubensbekenntnis gemacht hat).
    Das Haus des Seins ist die zusammengeschrumpfte, ontologisierte und instrumentalisierte Gestalt der transzendentalen Logik.
    Wie wir’s machen, machen wir’s falsch: Die Aufarbeitung, die nach dem Ende des Faschismus notwendig gewesen wäre (und versäumt wurde), versuchen wir heute an der DDR-Vergangenheit nachzuholen. Aber sind die Verhältnisse vergleichbar? Wäre hier nicht etwas anderes vorrangig gewesen, nämlich praktische Hilfe, praktische Solidarität? Und wird das jetzt Versäumte nicht wieder ideologisiert? Man hat ja den Sündenbock: die marode Wirtschaft des SED-Staates, der man auch die Folgen der eigenen Veräumnisse jetzt anlasten kann. Die ökonomische Katastrophe, in die die fünf neuen Länder und die Menschen in diesen Ländern jetzt geraten, ist deshalb nicht so schlimm, weil sie gleichzeitig als ideologische Waffe (als Waffe gegen den Sozialismus) nutzbar ist. Zusätzlich werden die alten Vorurteile mobilisiert, um ganz sicher zu gehen, daß ja niemand auf die falschen (d.h. die richtigen) Gedanken kommt.
    Christliche Ursprünge der Hegelschen Philosophie: Gründet nicht die Hegelsche Staatsmetaphysik in der Instrumentalisierung des Satzes „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“?
    Mit den subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere mit der Raumvorstellung, verankert sich die Urteilsform in der Objektivität. Erst als die Vorstellung des unendlichen Alls sich durchgesetzt hat, wurde die Welt draußen von der Sprache in unserem Kopf endgültig geschieden (wurde der Weg frei gemacht für den Kapitalismus).
    Gehört nicht das Privateigentum an Grund und Boden, deren Subsumtion unters Tauschprinzip, zu den Grundvoraussetzungen einer staatlich organisierten Gesellschaft? Und war das nicht die Grundlage des Kolonialismus: Eigentum an Grund und Boden gibt es nur in staatlich organisierten Gesellschaften; jedes andere Land ist herrenloses Gut, das mit der Aneignung durch einen Staat von jedem Bürger dieses Staates privat angeeignet werden kann. (Bedeutung dieses Zusammenhangs für eine Theorie des Krieges, Anwendung auf die Vorgänge in den Folgestaaten Jugoslawiens.)
    Hängt die Nichtannahme des Opfers Kains vielleicht mit dem vegetarischen Charakter dieses Opfers zusammen? Vegetabilien (die Früchte des Feldes) sind Symbole einer herrschaftsfreien Gesellschaft; deren Opfer aber wäre dann das Symbol der Leugnung der Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Ist es nicht diese Leugnung, die den Weg frei macht zum ersten Mord?
    Das Tieropfer Abels hingegen gehört in die Geschichte der Rücknahme der Sünde Adams, der Sünde der Welt. Korrelat des Weltbegriffs ist wie der Staat (der Schöpfer und Erhalter der Welt), so insbesondere das Tier.

  • 1.9.1994

    Die Bekenntnislogik war das Instrument der falschen Säkularisation der theologischen Gehalte, ihrer Subsumtion unter die Logik der Schrift.
    Mit der Verschuldenskrise (der Krise der Dritten Welt, die jetzt ins Innere der Metropole zurückgreift) reift eine Situation heran, deren Erkenntnis erleichtert wird, wenn Ursprung und Tendenz der hebräischen Geschichte (der Geschichte der Offenbarung) in der altorientalischen Welt begriffen werden.
    Ist nicht die Negativität, in der Hegel zufolge das Selbst und das Allgemeine gründen, der Quellpunkt der Verblendung?
    Die Dinge an sich: das ist der Name Gottes, dem Salomo ein Haus gebaut hat.
    In der subjektiven Form der äußeren Anschauung, in der Raumvorstellung, ist die Erinnerung ihres Ursprungs, ihrer Vorgeschichte, gelöscht, neutralisiert. Zu dieser Vorgeschichte gehören die Geschichte des Tauschprinzips und die Geschichte der Bekenntnislogik. Der Orthogonalität in der Konstruktion der Raumvorstellung entspricht im Bereich des Tauschprinzips die (Schuld-)Knechtschaft und ihre Rationalisierung zur Lohnarbeit, und im Bereich der Bekenntnislogik die Trinitätslehre und die Opfertheologie. Auch die Theologie steht unter einem Bann (war nicht die homousia die Besiegelung der Bekenntnislogik, des Dogmas. der Orthodoxie?).
    Der griechische Mythos gründete in der Vergegenständlichung der Zeit, im Sieg über den Kronos; der Preis war die Schicksalsidee. Der katholische Mythos gründet in der Vergegenständlichung des Raumes, der Verräumlichung des Himmelreichs; sein Preis war die Lehre von der Hölle und vom Fegefeuer (beide vermittelt durch die Logik der Schrift). Der katholische Mythos hat das Herrendenken, das autoritäre Syndrom (symbolisiert in der Unfähigkeit zur Reflexion der Schrift) begründet, gegen deren Vergesellschaftung er hilflos und ohnmächtig ist: Heute ist schon jeder Katholik so schlau wie früher bloß ein Kardinal.
    Die Differenz zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Wort gleicht der von Spontaneität und Reflexion. Ein geschriebener Text unterliegt sehr viel stärkeren Kontrollmechanismen (er ist das eigentliche Objekt des Hasses der Welt, gegen den er als geschriebener Text sich konstituiert), er entspringt dem Trieb, sich unangreifbar zu machen. Davon dispensiert das gesprochene Wort, insoweit es im Gespräch reflektiert, variiert, auch korrigiert werden kann.
    Steckt nicht im Symbol des Drachen, der war, nicht ist und wieder sein wird, eine Beziehung zum Staub, aus dem Adam ward und zu dem er wieder werden wird, und den die Schlange (auf dem Bauche so sie kriechen) frißt?
    Zur Geschichte der Landnahme: Zweimal werden Kundschafter ins Land Kanaan geschickt. Die ersten haben die Riesen gesehen und sind erschrocken (und den Schrecken ans Volk weitergebend) zurückgekehrt; den zweiten, die nach der vierzigjährigen Wüstenwanderung erneut ins verheißene Land gehen, hat die Rahab geholfen, die dann im Stammbaum Jesu erscheint.
    Gibt es eine Formel für die Summe der
    – Quadratzahlen: 1, 5, 14, 30, 55, 91, 140, 204, 285, 385, … (= (Summe n x (2n + 1))/3 = n x (n + 1)/2 x (2n + 1)/3)
    – Kubikzahlen: 1, 9, 36, 100, 225, 441, 784, 1296, 2025, 3025, … (= Quadrate der einfachen Summenzahlen 1, 3, 6, 10, 15, 21, 28, 36, 45, 55, …: Summe n3 = (Summe n)2 = (n x (n + 1)/2)2)
    Für den Nationalismus ist das ganze Ausland, da es nicht unter das eigene Recht fällt, herrenloses Gut (noch nicht angeeignetes Eigentum). Gehört diese Konstellation nicht zur Logik der Ontologie?
    NB: Hegel hat die Außenbeziehungen der Staaten als Naturbeziehungen (die Kriege als Naturereignisse) verstanden: Wirft das nicht ein Licht auf das darwinistische Verständnis der Tierwelt (die Hegel für unschuldig hielt)?
    Zum Problem des „Verfassungspatriotismus“: Wichtiger als die Suche nach einer „richtigen“ Verfassung (der Fata morgana der politischen Philosophie) wäre die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Reflexion der Verfassung (zur Staatskritik).

  • 28.8.1994

    Was bedeutet eigentlich Hegels Satz, daß „Geschichtserzählung mit eigentlich geschichtlichen Taten und Begebenheiten gleichzeitig erscheinen“, d.h. daß Geschichte erst durch die Geschichtsschreibung zur Geschichte wird (sh. Vernunft in der Geschichte, S. 164), mit dem Schluß: „.. die bei ihren vernünftigen Gesetzen und Sitten zugleich äußerliche Existenz des Staates ist eine unvollständige Gegenwart, deren Verstand zu ihrer Integrierung des Bewußtseins der Vergangenheit bedarf“? Rührt diese Konstellation nicht an den Kern des Problems der Logik der Schrift?
    Vgl. hierzu Hegel, Philosophie der Geschichte, S. 112-114, 206, 227, 243.
    Erst die Taufe der Vergangenheit, die die Dinge durch die Logik der Schrift erfahren, macht sie zu Dingen. Grammatik und Mathematik sind durch die Logik der Schrift aufeinander bezogen. Ist nicht das Prinzip der Zahlen in der gleichen Struktur vorgebildet, die auch das Neutrum begründet, nämlich in der Subsumtion der Zukunft unter die (ideelle) Vergangenheit, die der (realen) Vergangenheit, indem sie sie von der Gegenwart ausschließt, überhaupt erst ihre verdinglichende Gewalt verleiht?
    Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man Hegels Bemerkung über den Zusammenhang von Geschichte und Geschichtsschreibung auf den Golfkrieg oder auf den Jugoslawien-Konflikt (und auf die Rolle der Medien, der „Öffentlichkeit“, in beiden) anwendet: Gehört nicht die Vorbereitung und Begleitung dieser Konflikte in der Öffentlichkeit zu ihren Ursachen und zu den Bedingungen ihres Verlaufs: Produzieren hier nicht erstmals die Nachrichten die Ereignisse, von denen sie berichten? Beides sind in hohem Grade Medien-Ereignisse.
    Die Kritik der politischen Ökonomie ist heute zu einer verzweifelten Wissenschaft geworden, aber das ist kein Grund, sie nicht weiter zu betreiben.
    Fortschritt der Erkenntnis: Sind es nicht die Kräfte, die im Innern des historischen Prozesses walten, die der Erkenntnis ihre Objekte zuführen.
    Der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen: war das nicht die griechische Sprache, in der das Christentum auf den Weg geschickt worden ist? Und gilt nicht auch hier: Nomen est omen; ist der Name des Paulus nicht ein Hinweis darauf, daß das von ihm begründete Christentum im Namen des Saulus auf den Weg geschickt worden ist, nicht im messianischen Namen Davids (vgl. die Saulus-/David-Geschichte)?
    Steht nicht die historisch-kritische Bibelwissenschaft unter dem Gesetz der Logik der Schrift; wird nicht durch die Logik der Schrift genau das ausgeblendet, worauf es eigentlich ankäme? So, wie schon Augustinus in seinem Genesis-Kommentar durch das „ad litteram“ den prophetisch-symbolischen Teil des Textes ausgeblendet hat.
    Im Bußsakrament hat die Kirche auch noch das Lösen zu einem Teil des Bindens gemacht (es steht in der Entwicklung der Theologie an der Stelle, an der in der Geschichte der Naturwissenschaften das Trägheitsprinzip steht und in der Geschichte des Kapitalismus die Lohnarbeit). Ein spätes Echo dieses Vorgangs ist die Wiedereinbindung der durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit geöffneten Naturerkenntnis in die Geschichte der gesellschaftlichen Naturbeherrschung durch die Kopenhagener Schule (Wiedereinbindung der Kritik des Inertialsystems ins Inertialsystem). Das Bußsakrament ist eine Station auf dem Wege von der Erfindung des Begriffs zum Naturverständnis der Kopenhagener Schule.
    Partizipieren die sieben Sakramente nicht an der Logik der Schrift, gehören sie nicht zur Urgeschichte des Weltbegriffs? Die sieben Siegel sind die sieben Siegel des Buches, das zu öffnen wäre: Daß der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, heißt das, daß er zur Rolle sich zusammenrollt (zum Buch wird), oder daß er sich aufrollt (das Buch sich öffnet)?
    Bei welchen der zehn Plagen Ägyptens nennt Moses Gott den Gott der Hebräer, und wann nennt er den Gottesnamen (JHWH)?

  • 20.6.1994

    Verantwortung übernehmen heißt heute: lernen zu wissen, was man tut. Und genau das halten heute alle für unmöglich; deshalb stehen sie unter dem Zwang der Absicherung ihres Tuns durch Autorität. Wissen was man tut, das setzt heute prophetische Erkenntnis voraus.
    Die Bekenntnislogik bezeichnet den Naturbegriff der gleichen Sache, deren Weltbegriff transzendentale Logik heißt. Bei Kant bleibt dieser Zusammenhang unerörtert, weil durch die Kritik der praktischen Vernunft (die diesen Naturbegriff durch den der Freiheit ersetzt) gleichsam präventiv schon widerlegt worden ist. Ist nicht die Trinitätslehre durch das homoousios (durch einen Akt caesarischer Souveränität) zu einem Instrument der Konstituierung, Rechtfertigung und Abschirmung der intentio recta geworden, einer von der Last der Umkehr befreiten, und so in die Logik des Weltbegriffs sich verstrickenden Erkenntnis (zum Kristallisationskern der Theologie hinter dem Rücken Gottes)? Die creatio mundi ex nihilo ist der Angelpunkt der Beziehung der Theologie zur politischen Ökonomie (vgl. den Begriff der Geldschöpfung und den Ursprung und die Bedeutung des Begriffs des Geistes der Marktwirtschaft). Das Buch Tobias gehört zu den apokryphen Schriften des AT: Hier wird der Fisch gefangen, geschlachtet und instrumentalisiert, und Ninive wird zerstört (Jonas behält am Ende doch Recht gegen Gott). Sind nicht die Pharisäer-Geschichten im NT allesamt Warnungen vor der Bekenntnislogik (vor dem Ursprung der Heuchelei)? Das Paulinische Wort vom Leib als Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 619), Grund der Warnung vor der Unzucht, begründet die theologische Bedeutung der Sensibilität (nicht die kirchliche Sexualmoral). Die Scham hat durch ihre Bedeutung fürs Schuldverschubsystem auch einen technischen Aspekt. Mit dem Personbegriff ist ein Schuldbegriff verknüpft, der – wie die Maske das Gesicht – die Schuld, um die es in Wahrheit geht, verbirgt, unkenntlich macht. Zur Kollektivscham: Das war die Lösung, mit dessen Hilfe die Schuldwahrnehmung verdrängt worden ist. Statt dessen wurde die Scham als Leistung der Schuldbefreiung begriffen (daran ist zunächst die Religion zugrunde gegangen, Fortsetzung folgt). Diese Scham verändert nicht die Tat, irrealisiert nur die Schuld (indem sie sie aus der Beziehung zu Gott herauslöst und in den Weltbegriff integriert und technisch handhabbar macht). Die Wahrheit des Idealismus liegt darin, daß die Welt in der Tat durch Subjektivität konstituiert wird (wobei die Scham zur objekt-konstituierenden Kategorie geworden ist: die Beziehung des Objekts zum Begriff ist eine Beziehung der Scham, und der Begriff ein Akt der Entblößung; die Scham ist das Grundelement des Schuldverschubsystems). Die Welt des Idealismus ist die aufgedeckte Blöße der gefallenen Kreatur, das Instrument des Aufdeckens der Blöße (der Akkusativierung der Dinge) sind die subjektiven Formen der Anschauung.

  • 15.6.1994

    Werturteile sind Instrumente der Verdinglichung (des Konkretismus und der Personalisierung). Sie erzeugen den Schein, als machten sie die Welt durchschaubar: sie organisieren die Erfahrung vor dem Hintergrund des Eigeninteresses, vor allem der eigenen Rechtfertigungszwänge. Werturteile gewinnen ihre Objektivität unter dem Gesetz des Exkulpationstriebs (sie sind Teil und Basis des Schuldverschubsystems). Werte gehorchen der Bekenntnislogik (dem moralischen Äquivalent des Profitinteresses), ihr Identitätsprinzip ist das kollektive der Konfession, der eigenen Nation. Werte sind (wie die subjektiven Formen der Anschauung insgesamt) Gemeinschaftskitt, ihr Einfluß aufs Handeln ist minimal (sie konstituieren sich in einer durch die moralische Form der Anschauung – durch die reflexionslose, verdinglichte Scham – definierten transzendentalen Logik: in einer dem Anschauen vorgegebenen, vom Handeln durch einen Abgrund getrennten Objektivität, einer moralischen Erscheinungswelt, die durch law and order zusammengehalten wird).
    Kann es sein, daß der Anteil der „windigen Geschäfte“, der Geschäfte mit redundanter Gewinnorientierung und maximaler Gewinnerwartung (die spekulativen Geschäfte: neben dem Rüstungsgeschäft vor allem die Geld- und Grundstücksgeschäfte), anwächst, daß die Erwartung, Investitionen kämen der Produktion und der „Schaffung neuer Arbeitsplätze“ zugute, immer mehr zur Illusion, zu einem rational aufklärbaren (und aufzuklärenden) Schein wird? Der Satz „Leistung muß sich wieder lohnen“ wird in diesem Kontext wahr, wenn man ihn umkehrt: Leistung ist alles, was sich lohnt (Leistungsträger sind die Besserverdienenden).
    Der Hegelsche Begriff der Spekulation hat mit dem gleichlautenden ökonomischen Begriff mehr als nur den Namen gemein: Beide gründen im Schein. Der Begriff der Spekulation ist von dem des Absoluten (der Spieglung des Subjekts im Unendlichen: dem Schatten, den die Subjektivität auf Gott wirft) nicht zu trennen. Wie die Idee des Absoluten löst er sich auf im Licht des Angesichts. Aber zugleich ist das Schicksal der Idee des Absoluten (das heute an den Formen des Rechtsextremismus und am Fundamentalismus zu studieren wäre) in die ökonomische Krise verflochten, die am Begriff der „Spekulation“ sich festmachen läßt.
    Hegels Satz, daß „die bürgerliche Gesellschaft … bei all ihrem Reichtum nicht reich genug (ist), …“, scheint heute seine dynamische Seite hervorzukehren: Die Art, in der die bürgerliche Gesellschaft heute ihren Reichtum produziert, wird heute zur direkten Ursache der Produktion und Ausbreitung der Armut (des „negativen Reichtums“). Die sich beschleunigenden Wirbel und Strudel der Kapitalbewegungen entwerten und vernichten jeglichen Besitz mit Ausnahme des kapitalisierten Eigentums, das selbst zu den die Kapitalbewegungen beschleunigenden Kräften gehört (vgl. als Modell das Ergebnis des cartesischen Versuchs, die Gravitationskräfte aus mechanischen Ursachen abzuleiten). Die Besitzer dieses Eigentums, die die proletarisierten Erben des Feudalismus in ihre Reihen mit aufgenommen haben, sind feudalisiertes Proletariat, Mitglieder eines neuen Feudaladels, dessen Feudalherr das anonymisierte Kapital selber geworden ist.
    Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Gesehenwerden: sie abstrahieren von der Realität des Angesichts; diese Abstraktion betrifft real die Armen, die Fremden und die Frauen. Symbol der Aufhebung dieser Abstraktion ist die Idee der Auferstehung der Toten.
    Projektiver Grund
    – der Urhäresie: der Gnosis (Erschaffung der Welt durch den Demiurgen) und
    – der letzten Häresie, die die häresienbildende Kraft in sich aufgesogen und aufgezehrt hat: des Hexensyndroms (Herrin des Totenreichs).
    Die Herrschaft, die in dem auf die Welt bezogenen Schöpfungsbegriff theologisch verankert (und von der Gnosis auf den „jüdischen Gott“ projiziert) wurde, wird im Hexenglauben, dessen fundamentum in re in den Naturwissenschaften sich konstituiert, auf die „magischen Kräfte“ der Hexen projiziert (das Totenreich ist die Natur im Bann des Inertialsystems).
    Blind und lahm: Das sind die Attribute des Objekts.
    Paulus hat den Mord an Stephanus, dessen Tod er niemals erwähnt, nur dadurch für sich gegenstandslos machen können, daß er
    – sich selbst bei der Tat als Werkzeug der „Juden“ und
    – die Tat als die Tat der andern, die sie ausführen,
    gesehen hat. Und er hat nicht Stephanus, sondern die Kirche verfolgt. So konnte er die Leiden des Stephanus auf den Tod Jesu verschieben, den Kreuzestod zum Opfertod machen. Jesus, nicht Stephanus, ist ihm auf dem Wege nach Damaskus erschienen und hat ihn (nach seinem Verständnis) zu einem seiner Auferstehungszeugen gemacht. – Muß nicht, wer einen Mord zu verantworten hat, das „Gesetz“ und die „Werke“ verwerfen und alle Hoffnung in den Glauben und in die Gnade setzen? Ähnlich regungs- und empfindungslos wie Paulus in seinem öffentlichen Selbstverständnis gegenüber dem Tod des Stephanus waren später die Inquisitoren gegenüber ihren Opfern. War nicht diese projektive Verarbeitung der Schuld das Modell des kirchenchristlichen Erlösungsbegriffs (der kirchlichen Gnadenlehre), und das hier erstmals begründete Schuldverschubsystem der Kern der „Theologie hinter dem Rücken Gottes“: des Dogmas und der Bekenntnislogik? Hier ist die Geschichte der kirchlichen Auseinandersetzung mit den „Häresien“, ihre Logik und ihre gesellschaftliche Funktion, vorgebildet. Mehr noch: Die Konstruktion dieses Schuldverschubsystems war die Bedingung des Überlebens in der durch den Römischen Staat definierten Welt; seine welthistorische Bedeutung liegt darin, daß durch dieses Konstrukt die philosophische Aufklärung in einer Gestalt „gerettet“ worden ist, die dann zur Grundlage des modernen Säkularisationsprozesses geworden ist: in der der christlichen Theologie.
    Paulus und das Relativitätsprinzip, die Opfertheologie und das Inertialsystem (Ursprung des Nominalismus im Schuldverschubsystem).
    Die theologischen Probleme, die aus der Frage der Frauenordination sich ergeben, gleichen nicht zufällig denen der Gründung des Staates Israel (den Problemen der Säkularisation der messianischen Idee).

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie