Ökonomie

  • 8.6.1994

    Ist die Lichtgeschwindigkeit (das Prinzip der Konstanz der Lichtgschwindigkeit) eine „Schranke“ im Hegelschen Sinne (keine Grenze): die des Inertialsystems und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis insgesamt? In der Vorstellung des leeren Raumes abstrahiere ich nicht nur von den Dingen, sondern auch vom Blick der andern: Diese Abstraktion wird zusammengefaßt in dem Begriff „Laborbedingungen“. Schuld, Arbeit und Tausch: die drei Dimensionen des Geldes. Merkwürdig, daß der Begriff der „Erschaffung der Welt“ im Neuen Testament nur bei Paulus, und zwar bei seinem Besuch in Athen (in der Apostelgeschichte) und in seinem Brief an die Römer, vorkommt. Ist nicht das Fehlen einer Kritik des Finanzkapitals, des Depositengeschäfts und des Kreditwesens (der Banken), der Geschichte der Schuldknechtschaft, der Basisfehler der marxschen Kritik der politischen Ökonomie? So wurden die Schätze der Hegelschen Logik nicht wirklich ausgeschöpft und gerettet, während umgekehrt schon bei Engels die Anpassung an den naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriff (und das daraus geschöpfte Technologiekonzept) den Weg in den „real existierenden Sozialismus“, der eigentlich ein Staatskapitalismus war, eröffnete. Zur Theorie des Feuers: – Das Feuer ist ein Grenzproblem der Sprache (genauer: ein Problem der Grenze der Sprache, wie das Lachen, das Weinen, die Scham, die zu den Konstituentien der Sprachlogik, nicht zu ihren Objekten, weder zu ihren Formen, noch zu ihren Inhalten, gehören); – hierzu gehört die Stelle im Jakobusbrief über die Zunge (Sprache, Logik und Gemeinheit); – der sprachliche Grund des katholischen Mythos: Himmel, Hölle und Fegfeuer; – doppelte Umkehrung der Kritik der Astrologie: die apokalyptische Passage in 2 Ptr bezieht sich auf den Himmel der Astrologie und der Astronomie zugleich; – die paulinischen Archonten, die Elemente der Welt und das Harren der Kreatur. Benjamins Theorie vom Zerfall der Aura hat mit der Abstraktion vom Gesehenwerden zu tun (der Blick des Kunstwerks, sein mythisches Erbe, das im Licht des Tauschprinzip zur Echtheit verdinglicht wurde, wird mit seiner technischen Reproduktion gelöscht). Darauf bezieht sich die Bemerkung Benjamins über das Verhältnis von Nähe und Ferne im Begriff der Aura. Schuldverschubsystem, Unrecht und Bekenntnis: Die Fähigkeit eines Sportlers, nach der berechtigten Ahndung eines Fouls die empörte Unschuld zu demonstrieren, gehört nach einer Bemerkung des Sportreporters „zum Handwerk“ (das Publikum fällt drauf rein, hält die Entscheidung für himmelschreiendes Unrecht und läßt seinen Ärger am Schiedsrichter und an den Parteigängern des Gegners aus). – Hierzu paßt die Funktion der Medien in realen Konflikten, im Golf- und im Bosnienkonflikt ebenso wie in politischen und sozialen Auseinandersetzungen, die ohne die Wirksamkeit (und den geschichtlichen Stand) der Bekenntnislogik keinen Grund finden würde.

  • 25.4.1994

    Eine Kritik der politischen Ökonomie heute müßte auch die Astronomie durchsichtig machen.
    Zur Geschichte des naturwissenschaftlichen Freiheitsbegriffs: Sie beginnt mit dem liberum arbitrium, Reflex der Freiheitsgrade des Raumes und Produkt der Neutralisierung der Richtungen im Raum, und sie endet mit dem Freiheitsbegriff der Quantenphysiker, der an die Unbestimmtheitsrelation und das Komplementaritätsprinzip sich anlehnt (als falsches Bewußtsein der Freiheit vom Zwang des Inertialsystems).
    Im Begriff der Weltanschauung enthüllt sich die Bekenntnislogik als (patriarchale und sexistische) eine subjektive Form der Anschauung: Der Krieg Hitlers gegen die Sowjet-Union war als Weltanschauungskrieg ein Vernichtungskrieg (wie jetzt wieder der Bürgerkrieg in Jugoslawien). Weltanschauungen gibt es nur unter der Voraussetzung des „naturwissenschaftlichen Weltbildes“; der Begriff der Weltanschauung rückt die logische Beziehung der Bekenntnislogik zur subjektiven Form der äußeren Anschauung, zum Raum, ins Licht.
    Daß die transzendentale Ästhetik in dreifacher Gestalt sich präsentiert: als Form des Raumes, in der Logik des Geldes und als Bekenntnislogik, ist selbst wieder in der Form des Raumes begründet, im Problem der „drei Abmessungen“ des Raumes, in seiner Dreidimensionalität, darin, daß diese drei Dimensionen entgegen der Form ihrer mathematischen Beziehung im Raum nicht gleichwertig, nicht äquivalent, sind. Ihre mathematische Äquivalenz ist selber bereits Produkt der dreifachen, selbstreferentiellen Abstraktion. Das „von allen Seiten hinter dem Rücken“ konstituiert sich in der Abstraktion
    – von der Umkehr,
    – vom Namen (von der benennenden Kraft der Sprache) und
    – vom Angesicht,
    wobei
    – der Raum primär die Differenz zwischen vorn und hinten,
    – das Geld die zwischen Rechts und Links und
    – das Bekenntnis die zwischen Oben und Unten
    neutralisiert und in dieser Neutralisierung sich konstituiert.
    – Das Bekenntnis ist der Quellpunkt des autoritären Charakters,
    – das Geld der Quellpunkt der verdinglichten Welt und
    – der Raum der Quellpunkt des Absoluten und der Verblendung.
    Sind die subjektiven Formen der Anschauung die Pforten der Hölle; und ist nicht der Abstieg zur Hölle die Vorstufe der Auferstehung?
    Das Substantiv ist das durch die Kasus, die Formen der Deklination (der Veranderung) hindurch sich bestimmende Nomen; der Staub und die Asche in einer Welt, in der der Name zu Schall und Rauch geworden ist. Zu den Konstituentien des Substantivs gehört die Neutralisierung der differierenden Bestimmungen der Kasus (Akkusativ, Genitiv, Dativ, Ablativ, Instrumentalis, Lokativ): Indem das Substantiv die Objektbeziehung ins Nomen mit hereinnimmt, unterdrückt und verdrängt sie die Reflexion auf den Objektivationsprozeß, der in den Formen der Deklination sich entfaltet. Damit hängt es zusammen, wenn in dem Ausdruck „Wir Deutschen“ der Name der Deutschen zum reinen Ausdruck und zugleich zum Alibi der Gemeinheit und Brutalität geworden ist.
    Der Begriff des Substantiv ist Ausdruck der Trennung von Ding und Sache, Geburtsname der Verdinglichung, dem auf der Subjektseite der Personbegriff entspricht (Dinge gibt es, seit es juristische Personen gibt). Er ist der reinste Ausdruck einer Welt, in der alles nur noch das ist, was der Fall ist.
    Welche grammatische Bedeutung und welche logische Funktion hat das Suffix -iv in den grammatischen Begriffen (vom Substantiv bis zum Infinitiv)?
    Ist der griechisch-lateinische Gottesname Produkt einer Verschmelzung des -ivum mit dem deiktischen Affix d- (und damit der genaueste Ausdruck der Geburt des Absoluten)? Woher kommt dann der germanische Name „Gott“ (nach Ferdinand Ebner soll er aus einer Wurzel stammen, die das Anrufen, das Objekt der Anrufung, ausdrückt)?
    Hat die Venus-Katastrophe die Voraussetzungen für die Staatenbildung geschaffen:
    – Privateigentum und Geldwirtschaft,
    – Tempel, Opfer und Schrift,
    – Monogamie und Inzestverbot?
    Die Venus-Katastrophe hat das Planetensystem nicht nur ergänzt und vervollständigt, sondern es in Konstellationen eingerückt, die dann in die internen Voraussetzungen der Staatenbildung mit eingegangen sind.
    Gehört die chaldäische Astrologie zur Ursprungsgeschichte der indogermanischen Sprachen (insbesondere zur Ausgestaltung der Deklinationsformen, die selber vermittelt sind durch die Umgestaltung der Konjugationen)?
    Welcher Kasus und welcher Planet repräsentiert das Selbsterhaltungsprinzip? Die Logik des Selbsterhaltungsprinzips ist eine männliche Logik, es ist die Logik der vom Privateigentum beherrschten Welt. Klingt ihr Geheimnis nicht im Namen des Jupiter an (des Divus-Pater, des Erzeugers des Merkur, der Venus und des Mars, gleichsam seiner Emanationen, der aber der Macht des Kronos, des Saturn, auch wenn er ihn besiegt, nicht entgeht: der der Gefahr der Paranoia ausgesetzt bleibt)?
    Ist die Paranoia die patriarchalische Erscheinung der Melancholie (der messianischen Wehen)?
    Vgl. die Antwort Jesu auf die Frage der Pharisäer (der Schriftgelehrten, der Sadduzäer?) nach dem jenseitigen Schicksal der Frau und ihrer sieben Männer?
    Ist Heideggers Fundamentalontologie nicht gleichsam eine interne Erläuterung des Thalesschen Satzes: Alles ist Wasser? War nicht die Sintflut die Überschwemmung mit dem Was?
    Turmbau zu Babel: Der Turm, der bis zum Himmel reicht, und der herniederfahrende Gott bezeichnen präzise den Ursprung des Mythos.
    Die Bekenntnislogik ist eine reine Exkulpationslogik, Produkt der Weigerung, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen; deshalb gehören die Opfertheologie und das Konzept der Entsühnung der Welt durchs Kreuzesopfer als deren innerster Kern zur Bekenntnislogik.
    Die Confessiones des Augustinus sind (als Dokument seiner Bekehrungsgeschichte) Sündenbekenntnisse (z.B. in den Kindheitsgeschichten, aber auch in der Geschichte der namenlosen Mutter seines Sohnes Adeodatus), aber Sündenbekenntnisse, die vom Instrumentarium des mythischen Schuldverschubsystems: von den Formen projektiver Schuldverschiebung, sich nicht lösen können: Darin stellt sich die Beziehung zum Glaubensbekenntnis her, die durchs Schuldverschubsystem (die Opfertheologie und das Konstrukt der Entsühnung der Welt) vermittelt ist. Vermutlich gehört die Geschichte über das mit der Erbsünde belasteten Kind Augustinus zu den geschichtlichen Ursachen der Einführung der Kindertaufe. Hier wurde der Trieb in die Seelen eingesenkt, der antstatt an der Herstellung gerechter Zustände nur noch an der eigenen Unschuld interessiert ist.

  • 02.03.94

    Ist die Kehrseite der Naturwissenschaften (und ähnlich die der Ökonomie und die des Dogmas und der Bekenntnislogik) elliptisch: Wo ist der zweite Brennpunkt?
    Das Interesse an der Erhaltung der Referenzsysteme der Natur, der Ökonomie und der Religion (Inertialsystem, Geld, Bekenntnislogik), die sich ohnehin gegenseitig stützen, der Widerstand gegen ihre Reflexion, ist heute stärker als das Interesse an der Wahrheit.
    Was entspricht dem Urknall und dem Schwarzen Loch in der Ökonomie und in der Religion?
    Die Rekonstruktion der Bekenntnislogik hat die Entschlüsselung der Sakramentenlehre zur Voraussetzung. Für Augustinus waren das Symbolum und das Herrengebet noch Sakramente, die bei der Taufe übergeben wurden. Wann ist die systematisierte Sakramentenlehre (die Lehre von den sieben Sakramenten) entstanden? Fällt sie nicht unter den gleichen Bedingungszusammenhang wie auch die Konsolidierung der Lehre von den letzten Dingen (Hölle, Himmel und Fegfeuer), die Durchsetzung des Zölibats, der Ursprung der Eucharistie-Verehrung (Fronleichnam) und der Ursprung der Ohrenbeichte; und wird dieser Bedingungszusammenhang nicht durch den neuen, islamisierten (d.h. durch das religiöse Trägheitsgesetz der Ergebung charakterisierten) Weltbegriff, der darin sich abzeichnet, definiert? Ist nicht die Lehre von den sieben Sakramenten (Symptom der Islamisierung des Christentums) bei Thomas von Aquin schon voll ausgebildet?
    Die Hegelsche Logik ist die Selbstreflexion des Dings, und ihre Beziehung zur Theologie wäre in dem gleichen Zusammenhang zu bestimmen, in dem der Dingbegriff als die Säkularisationsgestalt der Eucharistie sich erweist. Ist nicht die Philosophie in der Tat der corpus Christi mysticum, aber in der Gestalt des Fronleichnams (der Eucharistie als Symbol des am Kreuz gestorbenen Leibes des Herrn)?
    Wie verhält sich der Begriff der Totalität zu dem des Absoluten (oder: wie verhält sich der Faschismus zum Barock)?

  • 23.02.94

    Der moderne Existenzbegriff (wie auch die ontologische Mode) schneidet mit der logischen auch die Reflexion auf gesellschaftliche Vermittlung ab, in der sich das Zweideutige der logischen enthüllt: Gesellschaftliche Reflexion ist Schuldreflexion, die sowohl, wenn sie aus Exkulpationsgründen projektiv betrieben wird, der Selbstentlastung dienen, als auch, wenn sie die Schuldreflexion mit einschließt, auf Veränderung, Versöhnung abzielen kann. Fehler der logischen Reflexion ist es, daß sie diese Zweideutigkeit neutralisiert, beide Momente glaubt zusammenschließen zu können: Darin gründet die Idee des Absoluten, der Mythos der Logik. Ist die Logik das „zweischneidige Schwert“ (Ps 1496, Spr 54, Hebr 412, Offb 116, 212).
    Der Existenzbegriff bei Kierkegaard ist nur ein schiefer Ausdruck für das, was Emanuel Levinas die Asymmetrie in der Beziehung des Ich zum Andern (zum Du) genannt hat.
    Der Objektbegriff wird aus drei Quellen gespeist:
    – aus der naturwissenschaftlich-technischen Vergegenständlichung der Dinge in Raum und Zeit (hic et nunc),
    – aus dem unter den Bedingungen des Privateigentums, der Geldwirtschaft, des Tauschprinzips entspringenden Warencharakter der Dinge und
    – aus der Bekenntnistheologie und ihrer opfertheologischen Zuspitzung zur Eucharistieverehrung.
    Auch für den Objektbegriff gilt wie für die Eucharistie: Praestet fides supplementum, sensuum defectui (Thomas von Aquin: Pange, lingua, gloriosi). Ist das nicht ein Hinweis auf die Stellung der Sakramente zur Objektivität insgesamt:
    – Die Taufe und das Wasser (das Wasser im Schöpfungsbericht, die Sintflut, Thales),
    – die Buße, die Exkulpation und das Binden durch Lösen,
    – die Eucharistie, das Opfer und das Ding (Trennung von Ding und Sache),
    – die Firmung und das Selbst (Glaube, Bekenntnis und Autonomie),
    – die Priesterweihe und die Instrumentalisierung der Versöhnung (Religion und Herrschaft),
    – die Ehe, das Patriarchat, das Inzestverbot, der Staat und das Privateigentum,
    – die letzte Ölung, der Messias und die sieben unreinen Geister (die Salbung Jesu durch die „große Sünderin“, Maria Magdalena, die Frauen beim Grabe und die erste Zeugin der Auferstehung)?
    Ist die kirchliche Sakramentenlehre Produkt einer Umkehrung der Astrologie (Produkt der Verinnerlichung des Opfers und der Etablierung des Herrendenkens)? Wie hängen die Sakramente (von der Taufe über die Buße, die Eucharistie, die Firmung, die Priesterweihe und Ehe bis zur letzten Ölung) mit den Symbolen und Bedeutungen der Planeten (Sonne, Mond, Merkur, Mars, Jupiter, Venus und Saturn) zusammen?
    Wer das Rätsel der Hegelschen Philosophie löst, löst den Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat (während Hegel ihn erneut geschürzt hat).
    Ist nicht das Procedenti ab utroque (im Pange, lingua) der konkrete Einspruch gegen das ne-utrum, das Hegel in der Idee des Absoluten restituiert und vollendet hat? – Wenn das Ding die Ursprungsgestalt des Absoluten (der absoluten Neutralisierung) ist, dann ist der Heilige Geist (das verteidigende Denken) der konkrete Einspruch gegen die Verdinglichung (das richtende Denken).

  • 20.02.94

    Die „an sich seiende Wirklichkeit“, auf die sich das Handeln bezieht, ist „eine absolute Vielheit der Umstände, die sich rückwärts in ihre Bedingungen, seitwärts in ihrem Nebeneinander, vorwärts in ihren Folgen unendlich teilt und ausbreitet. – Das gewissenhafte Bewußtsein ist dieser Natur der Sache und seines Verhältnisses zu ihr bewußt …“ (S. 472) Die Umstände bilden demnach eine Fläche, keinen Raum: Das Oben ist durchs Selbstbewußtsein besetzt, unten ist das Objekt.
    Zur Geschichte des Empirismus gehört es, daß das Bewußtsein, das in der Erkenntnis dabei sein will (Hegel: Enzyklopädie, S. 38, 64), am Ende daraus verschwindet, nachdem die Welt (Hegel: die Substanz) zum Subjekt der (vergesellschafteten) Erkenntnis geworden ist.
    Das Tauschprinzip verwandelt die Gesellschaft in eine anorganische Natur (ohne die es eine „organische Natur“ nicht gibt) und begründet so die Erkenntnis der „anorganischen Natur“, das Inertialsystem.

  • 13.02.94

    Grund der Unterscheidung von „Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt“ in der „Phänomenologie des Geistes“ ist die von Hegel undurchschaute Beziehung der Begriffe Natur und Welt.
    „Mit dem Ineinanderfallen aber verlieren die Gesetze ihre Bestimmtheit; das Gesetz wird immer oberflächlicher, und es ist damit in der Tat nicht die Einheit dieser bestimmten Gesetze, sondern ein ihre Bestimmtheit weglassendes Gesetz gefunden; wie das eine Gesetz, welches die Gesetze des Falles der Körper an der Erde und der himmlischen Bewegungen in sich vereinigt, sie beide in der Tat nicht ausdrückt.“ (Ph.d.G., S. 121) Hier (wie generell in seiner Naturphilosophie) unterschätzt Hegel die Gewalt des Inertialsystems, die er nicht wahrhaben darf, ohne seiner eigenen Philosophie den Grund zu entziehen: den Weltbegriff als Grund des Absoluten.
    Wäre nicht die Wirkung des newtonschen Gravitationsgesetzes: die Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen, endlich an der politischen Ökonomie des modernen Staats, in der sie gründet (und dessen Begriff mit der Trennung von Ding und Sache entspringt), zu demonstrieren?

  • 06.02.94

    Das sic et non kommt der Wahrheit näher als das sic vel non: Im Hinblick auf den Bereich der Wahrheit gelten das Urteil und das Widerspruchsprinzip nur mit Einschränkung.
    Die Geschichte des Weltbegriffs (die hegelsche Geschichtsphilosophie) ist die Geschichte der Stellung des Bewußtseins zur Objektivität. Sie ist ein Teil der Herrschaftsgeschichte, die ihr Zentrum ist.
    Wie hängen die „gegenständlichen“ Begriffe Barbaren, Welt, Natur und Materie, die zum Begründungszusammenhang der Philosophie gehören, mit der Gemeinheit und mit den Grenzen der Beweislogik zusammen? Machen sie nicht durch ihr projektives Moment (durch ihre systembegründende Redundanz) die Grenzen der Beweislogik unsichtbar, und deshalb (als Rücksichtslosigkeit: als Gemeinheit nach außen) umso wirksamer? – Deshalb ist die Justiz (und mehr noch die Polizei) tendentiell ausländerfeindlich. Und deshalb ist sie tendentiell nationalistisch und spricht das Recht „im Namen des Volkes“.
    Gemeinheit ist keine Frage der Zwecke, sondern eine der Mittel: Grundprämisse einer Kritik der Verwaltung (einschl. der verwalteten Ökonomie: auch das Geld reinigt nicht seine Objekte).
    Heute nutzen die Menschen die Schlechtigkeit der Welt, die ihnen aus diesem Grunde wie nichts sonst gelegen kommt, zur Rechtfertigung ihrer eigenen. Hier ist den Medien die neue apokalyptische Aufgabe erwachsen (Lieferung von Drachenfutter).
    Sind Urknall und Schwarzes Loch nicht auch Modelle zur Erklärung
    a. wirtschaftlicher Vorgänge (Stichwort: Export und Reimport der Armut als Grundlage der „Schöpfung und Erhaltung“ von Reichtum, oder: die Selbstzerstörungskräfte des „reinen Marktes“) und
    b. von Einrichtungen der Medien (Urknall: Radio, und Schwarzes Loch: Fernsehen),
    insgesamt: realsymbolische Modelle gesellschaftlicher Naturkatastrophen?

  • 11.01.94

    Das Präteritum bezeichnet eine abgeschlossene, das Imperfekt eine noch nicht abgeschlossene Handlung. Wann wurde das Imperfekt zum Präteritum? Nach dem Verschwinden des Aorist (beim Übergang vom Griechischen zum Lateinischen)? Zusammenhang mit dem Ursprung des Futur II und der Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs (vom kosmos zum mundus; Voraussetzung des Inertialsystems)? Die Philosophie und als ihr logischer Ausdruck der Weltbegriff, und in der Praxis dann der Staat, schließt die Vergangenheit ab, macht die Natur zur Natur.
    Nach Hans Krahe (Indogermanische Sprachwissenschaft, II S. 83) geht das „Präteritum“ der starken Verben des Germanischen auf das indogermanische Perfekt zurück (Abstufung im Vokalismus der Wurzelsilben).
    Interessant (S. 86), daß das Futur eine spätere Bildung und vorrangig aus dem Konjunktiv hervorgegangen ist (das Futur II ist eine altlateinische Bildung). – Hängt der Zerfall des Konjunktivs im modernen Deutsch damit zusammen (das Futur läßt keinen Raum mehr zum Wünschen)?
    Zum sanskritischen Infinitiv auf -tum im Zusammenhang mit dem lateinischen Supinum I (i-tum, da-tum, S. 86): Hängt das mit dem deutschen Suffix -tum (Heiden-, Christen-, Juden-, Eigen-, Reich- und Deutschtum) zusammen: bilden die „-tümer“ das genetische Material, aus dem die apokalyptischen Tiere (die Ungetüme) hervorgehen? – Auch ein Beitrag zur Kritik der Gen-Technologie.
    Wie kommen die modernen semitischen Sprachen (auch das moderne Hebräisch) ohne das Neutrum aus (liegt hier nicht der Grund des Fundamentalismus in den islamischen und jüdichen Orthodoxien)?
    Zur Beziehung der grammatischen Strukturen zum Raum: Analyse der Präpositionen, der Prä- und Suffixe, der Deklination, Zusammenhang mit dem Ursprung der Urteilsform und der Trennung von Raum und Zeit (Sprache und Materie: die Materie ist das Grab der Sprache; auch hier erweist sich die Bedeutung der Idee der Auferstehung).
    Hängt nicht die Geschichte der Sprache (insbesondere ihre grammatische Durchbildung) mit der Geschichte der Scham zusammen: Ursprung der indogermanischen Sprache, Entwicklung der Deklinationen und Konjugationen, Ursprung des Neutrum, des Futur, der Casus? In der Sprache wird der Blick des andern antizipiert und in den grammatischen Formen reflektiert: der Bruch zwischen der benennenden Kraft und der mitteilenden Funktion der Sprache ist hier begründet.
    Dei Neutralisierung der Grammatik als Folge ihrer zweiten Verräumlichung (Begriffe als Markenzeichen, Löschung der Reflexionsbeziehungen, gleichgültiges Nebeneinander der Regeln und Vorschriften). Kritik der Naturwissenschaften, Kritik des Inertialsystems, als Voraussetzung einer Erneuerung einer zugleich historischen und spekulativen Grammatik (Befreiung der Grammatik vom Bann des Inertialsystems).
    Merkwürdige Funktion des Dativ, das sowohl den Adressaten des Schenkens bezeichnet als auch den eines Befehls, eines Handlungszwangs (das „Müssen“: er muß, es obliegt ihm). Auch die Unfreiheit steht im Dativ. Auflösung in der Idee der Liebe („Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“)? Das „Lasse Dein Angesicht leuchten über uns“ erfüllt sich nur für die Liebenden.
    Fragen werden beantwortet, Probleme gelöst: Heideggers Begriff einer „absoluten“ Frage: einer antwortlosen Frage, ist das nicht die Abrogation der Sprache (Konsequenz des Vorlaufens in den Tod: der Kapitulation vor der nicht mehr benennbaren Natur)? Für absolute Fragen, für Fragen, die ins Problem zurückgestaut werden (wie die Seins- oder Judenfrage), gibt es keine Antworten mehr, sondern nur noch Endlösungen. Heideggers Philosophie, die die Asymmetrie im Verhältnis zum andern (Grund der Asymmetrie in der Sprache) durch das „Mitsein“ neutralisiert, darf keine Antwort mehr kennen.
    Die synthetischen Urteile apriori Kants beantworten keine Fragen, sondern lösen Problem: Im Bereich der Erscheinungen gibt es keine Fragen mehr, sondern nur noch (lösbare?) Probleme.
    Ehrt nicht die Majestätsbeleidung den König mehr als ihr Verbot?
    Im Angesicht Gottes ist nichts Vergangenes nur vergangen (deshalb gehört die Idee der Auferstehung zum Begriff des Angesichts).
    Gott hat nicht die Welt erschaffen, die Jesus dann entsühnt hat, sondern Gott hat Himmel und Erde erschaffen, die durch Verweltlichung (durch die Sünde der Welt) entstellt worden sind, während Jesus die Sünde der Welt auf sich genommen hat.
    Zu den neuen Vorschlägen zur Gesundheitsreform: Wird jetzt neben dem Wohnen auch die Gesundheit dem Punkt der Unbezahlbarkeit immer näher gebracht? Auch dies ein Nebeneffekt des Siegs der „freien Marktwirtschaft“ (die das Epitheton ornans „sozial“ längst aufgegeben hat).
    Gehört nicht zur Geschichte des Ursprungs der Schrift und des Geldes auch die des Ursprungs der Medizin (die Geschichte der Naturalisierung der physis)?
    Wie verhalten sich die sieben Siegel zu den sieben Plagen?
    Halsstarrigkeit, das steinerne Herz und die eherne Stirn, wie verhalten die drei sich zueinander (wie Orthogonalität, Verdinglichung und Stoß)? Grundlage ist die Trennung von Sprache, das Gesetz der Gleichnamigkeit des Ungleichnamigen, der Ursprung des Nominalismus. Entspricht der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen nicht das Gesetz von Projektion und Verschiebung, das Schuldverschubsystem: mit dem Selbstmitleid, das dem realen Mitleid, der parakletischen, empathischen Erfahrung, keinen Raum mehr läßt, im Kern (mit den eigenen Problemen können für uns die der anderen nicht konkurrieren; wegen der eigenen Leiden haben wir im Krieg die Leiden, die wir anderen zugefügt haben, nicht mehr gesehen). Gründet nicht der Konfessionalismus der Kirchen, der an die Stelle des Votums für die Armen das für die Kirche setzt, im Schuldverschubsystem, in der Logik der Identifikation mit dem Kollektiv und des kollektiven Selbstmitleids (der Logik der Vergöttlichung des Opfers)?
    Wird nicht unter dem Begriff der Blasphemie nur noch die eigene Empfindlichkeit (die pathologische Struktur des religiösen Subjekts) zwangshaft verteidigt und kultiviert, die wirkliche Blasphemie hingegen, die im Zustand der Welt liegt, und die Sensibilität hierfür verdrängt?
    Sensibilität ist eine intellektuelle Qualität.
    Zur Struktur des Konfessionalismus: Instrument der Exkulpationsautomatik, der Abwehr der „Schuldgefühle“, die ihren Ursprung in der Existenz der Armen und in dem Bewußtsein, daß diese Armut systemlogisch mit der Selbsterhaltung im Kapitalismus verknüpft ist, hat (Abwehr der Gottesfurcht). Der Faschismus ist die Orgie der Siege über die eigenen Schuldgefühle; nicht zufällig sind die apriorischen Objekte der faschistischen Wut, des faschistischen Vernichtungstriebs, die Armen, die Schwächsten, die Behinderten, die Fremden, die Toten, die Frauen, die Juden.
    Ist das Gravitationsgesetz (Grund der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen: der Verdinglichung der Sternenwelt, das naturale Äquivalent der Schuldknechtschaft in der Ökonomie) das steinerne Herz der Unendlichkeit?
    Solange wir versuchen, uns in den Trümmern, die die Katastrophen dieses Jahrhunderts hinterlassen haben, häuslich einzurichten, fördern wir nur die bevorstehenden, neuen Katastrophen, bei denen noch offen ist, ob sie mit den alten vergleichbar sein werden.
    Die Zusammenbruchstheorie von Rosa Luxemburg ist nicht widerlegt, sie ist durch den Faschismus bestätigt worden; nur daß dieser Zusammenbruch nicht zum Sozialismus geführt hat, sondern zu einem Modernisierungsschub, zu einer neuen Stabilisierung, deren theoretische Entschlüsselung bis heute nicht gelungen ist.
    Zusammenhang der Kronen der Könige mit den Kronen der Bäume: Als Kränze der Heroen (Lorbeer- und Dornenkranz), als Kapitäle der Säulen, die aus den Kronen der Bäume hervorgegangen sind. Sind die Kronen der Bäume die Luft-Wurzeln des Baums der Erkenntnis?
    Was ist der Unterschied zwischen
    – Krone und Diadem und
    – einem gekrönten und einem gehörnten Haupt?
    Ist nicht der zweite Schöpfungsbericht eine Ergänzung und Erläuterung des ersten? Sind Paradies und Sündenfall, und hier insbesondere die Erschaffung Adams, seine Benennung der Tiere und dann die Erschaffung der Eva, nicht ein Echo auf das „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, als sein Bild schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er sie“?
    Hat es (im Schöpfungsprozeß) „eine Zeit“ gegeben, in der die Trennung von Vergangenheit und Zukunft noch nicht abgeschlossen war, und auf die das Kriterium der eindeutigen Zeitfolge deshalb nicht anwendbar ist? Wann wurde Hören und Sehen (Rechts und Links, Vergangenheit und Zukunft) getrennt: Wann sind aus den Pflanzen die Tiere – und mit ihnen die Welten – entstanden (am fünften Schöpfungstag: mit der Erschaffung der Seeungeheuer)?

  • 07.01.94

    Ist die schechina das Reich Gottes? Und ist die Nähe des Reiches Gottes eine zeitliche?
    Die Umkehr ist das genaue Gegenteil all der Fluchtbewegungen, als welche die Religionen sich heute anbieten. Jede Fluchtbewegung führt nur in die Verstrickungen wieder herein, aus der nur die Umkehr herausführen kann.
    Das liberale Motto: Leistung muß sich wieder lohnen, wäre an seiner Umkehrung zu messen: Ist alles, was sich heute „lohnt“ damit als Leistung ausgewiesen? Interessante Fragen: In welcher Relation stehen die Geldbewegungen und Gewinne an der Börse zu den leistungsbezogenen „Personalkosten“ eines Unternehmens? Und in welcher Beziehung stehen sie zu den („arbeitsplatzschaffenden“) „Investitionen“, auf die sie ideologisch bezogen werden? Der spekulative Anteil an den Geldbewegungen im Spätkapitalismus (in dem u.a. die Leistungen des Staates, der Gesellschaft, die die Infrastruktur bereitstellen, mit gerechnet werden) verweist fast direkt auf dessen astronomischen Hintergrund.
    Wurden die Sparkassen erfunden, als man wegen der spekulativen Zirkulation für die effektiven Kredite (für „Investitionen“) billiges Geld brauchte? Haben Börsen- und Bodenspekulation nicht einen gemeinsamen (ökonomischen und transzendentallogischen) Grund?
    Irrationale (vom Leistungsprinzip abgelöste) Geldbewegungen finden statt im Show-Business (einschl. der Fernsehreligion, zu der auch der Sport gehört), im Bankengeschäft, insbesondere im spekulativen Geschäft (paradigmatisch das Termingeschäft: Brecht und die Getreidebörse, Herstatt-Krise, VW-Krise, Metallgesellschaft).

  • 04.01.94

    Der Satz, daß Gott die Welt erschaffen hat, ist nicht aus Gen 11, sondern 121 abzuleiten: aus der Erschaffung der großen Seeungeheuer.
    Ist nicht der Klassenkampf ein Vorgang ebenso in der Realität wie in der Sprache: eine Manifestation des Herrendenkens? Wer die Macht hat, Fakten zu schaffen, braucht seine Begründungen nur noch diesen Fakten anzupassen: er spottet jeder Argumentation (wie die Reklame und die Propaganda). Zu klären wäre das Verhältnis von wirtschaftlicher Macht und politischer Gewalt, der materiellen Gewalt der Ökonomie zum Gewaltmonopol des Staates: wirtschaftliche Macht ist Macht über Objekte, politische Gewalt Gewalt über das Leben und die Sprache. Die Ökonomie herrscht über Erscheinungen, die Politik über die Namen.
    Nur der Staat hat Militär und Polizei, wobei das Militär das Gewaltmonopol des Staates nach außen, die Polizei nach innen wahrnimmt. Heute, da das Militär immer mehr die Funktion einer Weltpolizei in einer durch die Ausbreitung der Marktmechanismen geeinten Welt wahrnimmt, sind Innen und Außen nur noch relativ, im Verhältnis zueinander zu unterscheiden (Außenpolitik als Welt-Innenpolitik).
    Die beiden Asylrechtsfälle, die heute in der Rundschau zitiert wurden, haben mit Sicherheit keine dienstrechtlichen Folgen für die verantwortlichen Sachbearbeiter gehabt. Reicht eigentlich noch die Empörung auslösende Beschreibung der Fälle, käme es nicht darauf an, den systematischen Zusammenhang, in dem sie möglich waren (und weiterhin sind), zu analysieren? Sie haben paradigmatische Bedeutung für die Wahrheit des Satzes, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Der Grund liegt in der Beweislogik, aus deren Analyse allein noch die Grenzen des Rechtsstaats sich bestimmen lassen. Läßt sich nicht die Differenz zwischen der politischen Rechten und der Linken aus ihrer Beziehung zu dieser Gemeinheit bestimmen: Während die Linke die folgenlose Empörung über die Gemeinheit zu mobilisieren sucht, macht die Rechte sie sich zu eigen und versucht, sie zu übertrumpfen. An den Grund der Gemeinheit rührt keiner von beiden. Hängt es nicht mit ihrer Beziehung zur Gemeinheit zusammen, wenn die Rechten Gräber schänden (die Wahrheit der „Versöhnung über Gräbern“ drückt sich darin aus) und die Linken Mausoleen errichten (letzte Folge des Heroen- und Reliquienkults)?
    Mit zu reflektieren ist die systemlogische Beziehung des Rechts zur Wahrheit: Rechtsgültige Urteile sind wahr, auch wenn sie falsch sind. Und wer je zum Objekt des Polizeihandelns geworden ist, weiß, daß, was nicht beweisbar ist, auch nicht existent ist. (Hierher gehören die Usancen beim Fußballspiel, wenn die Spieler jede Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters hinzunehmen haben, auch wenn sie falsch war: Einübung in den Rechtsstaat.)
    Bemerkung eines Mitglieds der Geschäftleitung eines Konzerns zum Fall Barschel: Schlimm war nicht, was er getan hat, sondern daß er sich hat erwischen lassen.
    Die zentrale Funktion der Beweislogik im Recht verrückt das crimen von der Tat ins Erwischtwerden. Das perfekte Verbrechen wäre eins, bei dem das Erwischtwerden sich ausschließen läßt (unter diesem Gesichtspunkt hat Lyotard einmal Auschwitz untersucht; wären nicht die „Selbstmorde“ in Stammheim auch ein lohnendes Objekt der Analyse?). Hat hier nicht der Staat generell die besseren Chancen und Möglichkeiten (von der Gesetzgebung bis zu den Einrichtungen des Staatsschutzes), und die Logik, die dem Titel des Staatsanwalts zugrundeliegt, ihr fatales fundamentum in re?

  • 17.12.93

    Was versteht Manfred Pohl unter der „relativ autoritären staatlichen Geld- und Kreditpolitik“ im 19. Jahrhundert (S. 218)? Ist eine „nichtautoritäre“ Geld- und Kreditpolitik (die dann wohl nur den Marktgesetzen zu gehorchen hätte und auf alle Schutzregelungen für den Teil der Bankkundschaft, der auf die Dienstleistungen der Banken angewiesen sind, ihrem Machtmonopol aber nichts mehr entgegenzusetzen hat, verzichten sollte) im Ernst denkbar?
    Ebd.: Die neugegründeten Aktien- und Kreditbanken „(nahmen) sich vor allem der Finanzierung der Industrie und des Eisenbahnbaus an“, während die alten Privatbanken weiterhin „bedeutsam (waren) bei der Handelsfinanzierung und bei der Plazierung öffentlicher Anleihen“. Die Nazis unterschieden später zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital?
    Was drückt sich in den Bezeichnungen der Währungseinheiten (Lire, Franc, Mark, Schilling, Gulden, Dollar, Pfund) aus? Ist nicht u.a. der Franc (der 1795 einführt wurde, vgl. S. 220) ein Nationalbegriff, die Mark ein Machtbegriff, das Pfund ein Gewichts- (Materie-, Masse-)begriff?
    S. 222: „Nationalinteressen waren europaweit agierenden Familienunternehmen wie Rothschild, Warburg oder Lazard (d.h. den Privatbanken, H.H.) fremd.“ Erst die Aktien- und Kreditbanken (die u.a. als Depositenbanken Einlagen entgegennahmen und als kurzfristige Kredite weiterverleihen) waren demnach nationalistisch, imperialistisch orientiert, Vorläufer und Agenten jenes Modernisierungsschubs, der in den Weltkriegen sich entlud?
    S. 229: Hinweis, daß „in den kontinentaleuropäischen Ländern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts benötigter Wohnraum zunehmend gemietet wurde“, während „in Großbritannien ein Großteil der Bevölkerung vorwiegend in eigenen Häusern (lebte)“.
    Blut und Boden:
    – Der Zusammenhang von Blut und Sprache (wenn von semitischen oder indogermanischen Rassen und Völkern geredet wird) ist eine der keineswegs nur irrationalen (aufgrund ihrer christlichen Wurzeln nur bis heute unaufgearbeiteten) Ursachen des Rassismus: Er gründet in der christlichen Opfertheologie.
    – Ist nicht der „Boden“ (den man unter den Füßen verlieren kann) der der Herrschaft des Eigentumsprinzips unterworfene Acker? In der Bibel gibt es eine Beziehung der Schuhe (der Fußbekleidung) zur Inbesitznahme: Mußte nicht deshalb Moses vor dem brennenden Dornbusch seine Schuhe ausziehen? Ist nicht das Heilige das, was nicht zum Eigentum werden, nicht instrumentalisiert werden darf?
    Weist nicht der biblische „Staub“ ebenso auf den Begriff des Bodens (den instrumentalisierten Acker) und damit auf den Namen Adams zurück? Wann „schüttelt (man) den den Staub von seinen Füßen“ (Mt 1014)?
    Person, Schicksal und Charakter:
    – Person ist die innerweltliche Erscheinung des Subjekts (im Zeitalter des Imperialismus neutralisiert zur Existenz);
    – verhält sich nicht das Schicksal zum Charakter wie das Geld zum Bekenntnis?

  • 16.12.93

    In der Moderne waren die Banken von Anbeginn Privatbanken, auf den wechselseitigen Verkehr (Finanzmessen, dann Zentralbanken) angewiesen.
    Bankengeschichte, S. 114: Wo lag der Grund für den „außerordentlichen Geldbedarf, den die Weltpolitik der entstehenden europäischen Nationalstaaten schuf“?
    War die Währungshoheit der Staaten erst auf der Grundlage von Papiergeld möglich?
    Die Vertrautheit, die schon die Anfänge der modernen Bankengeschichte kennzeichnet, hängt mit zwei Dingen zusammen:
    – mit dem methodischen Verfahren der Darstellung: die Einschränkung auf die Entwicklung der technischen Aufgaben des Bankwesens, deren Maß der technische Standard von heute ist,
    – außerdem: vor dem Hintergrund des Christentums ist ein Weltbegriff entstanden, der diese technischen Details gleichsam wertneutral darzustellen ermöglicht.
    S. 121: Lag der Unterschied zwischen dem „Süden“ (Italien, Spanien, Frankreich) und dem „Norden“ (Niederlande, England, Deutschland) darin, daß im Süden das (private und politische) Kreditgeschäft weiter entwickelt war, während im Norden der Schuldbrief (die Regelung des Zahlungsaufschubs: gleichsam der „Kredit“ nach vollzogenem Geschäft) im Vordergrund stand (Grundlage des Diskont- und Zentralbank-Wesens?)? Versehen mit einer Inhaber-Klausel konnten diese Schuldbriefe dann auch als Zahlungsmittel verwandt werden.
    Das erste Börsen-Gebäude 1531 in Antwerpen: eine permanente Finanzmesse.
    Der logisch-systematische Grund der modernen Demokratie liegt in den Staatsverschuldungen seit der Renaissance: Die Kreditgeber erhoben den natürlichen Anspruch, über die Verwendung der Kredite mitzubestimmen. Entspringt nicht der moderne Staat generell mit der Staatsverschuldung (als Ende der Geschichte der Schuldknechtschaft)?
    Sind die kirchlichen Banken, die in der Europäischen Bankengeschichte merkwürdigerweise nicht erscheinen, nicht der Vorläufer der Zentralbanken, und das kirchliche Ablaßwesen das Modell der staatlichen Anleihen? Welchen Ursprung und welche Funktion hatten die kirchlichen Banken in der Geschichte der Kirche und der Theologie (ihr Pendant: die pornographische Epoche der kasuistischen Moraltheologie)? In welcher Beziehung stehen sie zu den opfertheologisch begründeten Vorstellungen über die kirchliche Verwaltung des Gnadenschatzes? Zusammenhang von Instrumentalisierung des Kreuzestodes, Ursprung der Sexualmoral, Sakramentenlehre und Kapitalisierung der Gnadenverwaltung, kirchlicher Imperialismus, mit der Geschichte der Geldwirtschaft (Bedeutung der Theologie für die Konstituierung des Objektbegriffs).
    Die Philosophie als der mystische Leib Christi: War Jesus nicht ein am haarez aus Galiläa, aber kein Rabbiner (und deshalb auch nicht verheiratet)?
    Sind nicht die Geschichten vom Sturm auf dem Meere und vom Schiffbruch des Paulus vor Malta Variationen zur Jona-Geschichte? Und ist nicht der dogmatisierte Glaube das, was Jesus in der Geschichte vom Wandeln auf dem Meere den „Kleinglauben“ des Petrus nennt?
    Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie bricht den Bann der Welt.
    Klugheit, Weisheit und Verstand (die „Klugheit der Schlangen“, „hier braucht es Weisheit und Verstand“, in der Prophetie „Weisheit und Einsicht“):
    – Klugheit ist das Vermögen der rationalen Selbsterhaltung,
    – Weisheit, nach Thomas von Aquin eine Tugend der Regierenden, das Vermögen der rationalen Reflexion der Klugheit (Reflexion der Klugheit der anderen im Hinblick auf das Wohl aller),
    – Verstand: das Vermögen der Einsicht, des Verstehens, ein sprachliches Erkenntnisvermögen (das Erkenntnismoment im Namen, Medium der Gotteserkenntnis); das eigentlich mystische Organ ist der Verstand.
    Das Denken der Philosophie ist ein Denken mit eingebautem Feindbild.
    Mit Assur und Babylon beginnt die seither nicht mehr unterbrochene Geschichte der Weltreiche; Ägypten war nur das Sklavenhaus. So war der Pharao der König von Ägypten, ein König unter anderen Königen; der König von Babylon hingegen der König der Völker, ein König der Könige.
    „Oh, du fröhliche …“. Müßte der Folgetext nicht umgedreht werden: Welt ward geboren, Christ ging verloren? Und ist das „Freue dich“ im Kontext der auf den Kopf gestellten christlichen Erlösungslehre nicht der Hohn über die Dinge (der sie zu Dingen macht), der im Gelächter laut werdende Haß der Welt? Wer Ohren hat zu hören, müßte im Inertialsystem und im Begriff Laborbedingungen (in den Bedingungen des Experiments) das höhnische Gelächter hören, daß das Subjekt aus der Welt austreibt (in dem das Subjekt sich selbst aus der Welt austreibt, indem es zur Welt wird). Ist diese Austreibung des Subjekts (die erstmals in der philosophischen Kritik des Anthropomorphismus erscheint) die Antwort der Welt auf die jesuanische Austreibung der Dämonen?
    Ist nicht das Weihnachtsfest zum Fest der institutionellen Abtreibung der Wahrheit geworden, und die kirchliche Abtreibungskampagne eine Form der projektiven Verarbeitung dieser Abtreibung? Ist hier nicht der Greuel am heiligen Ort, der gnadenlose Kult des Selbstmitleids, in dem jede Erinnerung an Barmherzigkeit erstickt?
    Der Weihnachtsmann: eine Mischung aus einem Nikolaus, der eigentlich der böse Wolf ist, und Rotkäppchen, eine Karikatur des Bischofsamts, die dessen historische Wahrheit ausplaudert. Wie erfahren Kinder, die einmal den Nikolaus kennengelernt haben, dann den Bischof?
    Mit dem y im Seyn hat Heidegger das Possessivpronomen vergoldet.

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie