Patriarchat

  • 16.07.88

    Die Nazizeit hat bei den Beteiligten (und den Nachfahren) Rechtfertigungszwänge für Tatbestände, die nach den Kriterien persönlicher Schuld kaum noch sich dingfest machen lassen, ausgelöst, die dann in den neuen Schuldzusammenhang (der „zweiten Schuld“) erst hineingeführt haben; insbesondere die Hypostasierung des Rechts (vor dem diese Schuld sich nicht fassen läßt) hängt hiermit aufs folgenträchtigste zusammen. Wenn der Satz „Ideologie ist Rechtfertigung“ stimmt (wie übrigens auch die theologische Umkehrung „Rechtfertigung ist Ideologie“), dann ist ein Zustand erreicht, der droht, reine Ideologie zu werden. Vor dem Recht sind offensichtlich die Beamten (Richter, öffentliche Verwaltung, Polizei), ohne die die Verbrechen nicht möglich gewesen wären, unschuldig, während die, die es wirklich sind, an der Last des Entsetzlichen zerbrechen. Hier läßt sich mit Händen greifen, was Benjamins Hinweise auf den Zusammenhang von Recht, Schicksal und Mythos in der Realität bedeuten. (Luthers Rechtfertigunglehre war die notwendige Folge seiner verzweifelten Anerkennung der „rechtmäßigen Obrigkeit“: das Tor für den Einbruch des Mythos ins Christentum hat Paulus eröffnet; Zusammenhang der Rechtfertigungslehre mit der paulinischen Rechtfertigung der Herrschaft und dem Ausschluß der Frauen! – Gibt es eigentlich ein matriarchalisches Recht? Ist das Recht gleichursprünglich mit dem Patriarchat? Hat es irgendwann einmal Richterinnen gegeben? Sind Recht, Patriarchat und Mythos gleichursprünglich?)

    Barock als Ideologie-Generator: Die Reformation hat die Kirche unter Rechtfertigungszwang gestellt, die Gegenreformation hat das Gesetz der Rechtfertigung rein durchgesetzt.

  • 4.5.1997

    Sind nicht die Selbstmorde von Masada über Worms, Uriel da Costa, Walter Benjamin bis Primo Levi prophetisch, bilden sie nicht den andern Suicid in sich ab, auf den die Menschheit zwangshaft sich zubewegt, auf den Selbstmord der Gattung, der alle zu unschuldigen Tätern und die Opfer zu Schuldigen macht?

    Der Antisemitismus ist nur noch irrational, aber er hat seine eigene Rationalität, und hierin liegt seine Verführungskraft: in der Hypertrophie des Gerichts. Es ist die Verführungskraft des kurzen Prozesses, in dem der Ankläger der Richter ist und eine Verteidigung nicht mehr zu­lässig ist. Die Rationalität dieses Verfahrens leitet aus der Wurzel der Gewalt sich her; es ist eine Rationalität, die an der Macht sich orientiert.

    Das Inertialsystem, das Geld und die Bekenntnislogik sind die logischen Zentren nicht eines Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, sondern des Macht-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs. Der Staat hat Herrschaft mit der Gewalt verkuppelt und damit eine Logik auf den Weg gebracht, die den Armen schuldig werden läßt.

    Läßt sich die Astrologie nicht aufschlüsseln anhand der logisch-praktischen Beziehung von Krieg und Handel und der Geschlechterbeziehungen im Patriarchat?

    Das Problem der Öffentlichkeit liegt darin, daß in ihrer gegenwärtigen Verfassung Öffentlich­keit und Schuldreflexion sich ausschließen. Deshalb braucht der Staat eine „Privat-„, nämlich eine Geheimsphäre, die die Staatstreue der Bürger fördert, indem sie die Wahrnehmung und Reflexion des staatlichen Handelns verhindert. Er wird hierbei von den „Medien“ ebenso wie von Wissenschaft und Justiz, den Institutionen der Öffentlichkeit, die zu Schuldreflexion-Ver­hinderungs-Instituten geworden sind, unterstützt; das wichtigste Instrument der Schuldrefle­xion-Verhinderung (der Verdrängung) ist das Instrument der Objektivierung: die Anschauung, das Bild (deshalb gewinnen BILD und Fernsehen für den Begriff der Öffentlichkeit immer deutlicher paradigmatische Züge).

    Gegen Habermas: Der Begriff der Öffentlichkeit ist nicht mehr empirisch, durch Abstraktion von den bestehenden Institutionen der Öffentlichkeit, zu gewinnen, sondern nur als Produkt einer Konstruktion, deren Elemente in der Reflexion und Kritik einer empirischen Öffentlich­keit, in der Information und Verdummung untrennbar sich verbinden, überhaupt erst sich kon­stituieren. Außer in den Spuren dieser Reflexion gibt es noch keine Öffentlichkeit, die diesen Namen verdient.

  • 1.5.1997

    „…, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus“: In die weite, weite Welt (ins feindliche Leben) geht nur der Mann; ist der Grund der Sorge die Frau? Und was Heideggers „Sorge“ hiermit zu tun (kommt die Frau in Sein und Zeit überhaupt vor)?

    Einstein: der Uriel da Costa der Physik.

    Das Eingedenken der Natur im Subjekt ist ein Versuch, gegen die Schwerkraft anzudenken (die Logik ist die Gravitationsbahn des Denkens). Der Hintergrund, vor dem die Schwerkraft sich manifestiert, ist nicht die Ruhe der Trägheit, sondern der Sturz, den das Trägheitsgesetz limitiert, begrenzt. Diese Begrenzung wird im Schöpfungsbericht dargestellt. Der erste Schritt hierzu ist die Erschaffung des Lichts. Die Schwere erzeugt den Schein der Reversibilität, die der Grund der Objektivierung des Lichts, des Hervortretens der Lichtgeschwindigkeit, ist.

    Das Licht ist der Repräsentant der Sprache im Schöpfungsbericht, das erste Werk des göttlichen Worts und die erste Antwort auf dieses Wort. Wenn die üblichen Übersetzungen die beiden jehi or (in Gen 13) unterschiedlich übersetzen, das erste im Imperativ, das zweite im Präteritum, wird übersehen, daß diese Unterscheidung durch den hebräischen Text nicht determiniert ist.

    Erst die subjektiven Formen der Anschauung (das Werk des zweiten Tages: die „Feste des Himmels“) haben das Wort stumm gemacht, die Bedingungen und Voraussetzungen zur Objektivation des Lichts geschaffen.

    Das ewige Licht: Lux aeterna luceat eis, Domine.

    Vorn und hinten wird, wenn es von der Seite (von einem andern) gesehen wird, zu links und rechts.

    In der verdinglichten Welt wird die Freiheit der Schuldreflexion zur Wahlfreiheit.

    Das Hinter dem Rücken (die List der Vernunft, die Hinterhältigkeit, die Gemeinheit, die Niedertracht) gibt es nur unter den Bedingungen der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (des Seitenblicks).

    Theologie im Angesicht Gottes: Wer die Ethik als prima philosophia begreift, begreift, daß Gott – außer für uns – keine Rückseite hat.

    Stehen nicht die Kirchenspaltung und die Konfessionalisierung des Christentums unter dem Bann seines Ursprungs: des Urschismas und der Urhäresie?

    Mene tekel upharsin: Wenn die Naturwissenschaften die freie Phantasie diskriminieren, so diskriminieren sie damit die Reflexion, das Medium der Kritik der Naturwissenschaften. Diese Diskriminierung gehorcht dem Rechtfertigungszwang, den die „subjektiven Formen der Anschauung“ verkörpern. Naturwissenschaftliche Erkenntnis ist eine Verkörperung des Schuldverschubsystems; darin gründet ihre Beziehung zur Naturbeherrschung.

    Die Apokalyptik, der Glaube, sowie Dogma, Orthodoxie und Bekenntnislogik gründen in der Beziehung von Hören und Sehen.

    Stephan Wyss: Passagalia, S. 38f: Der entscheidende Hinweis auf den patriarchalischen Ursprung der hierarchischen Logik (vgl. auch S. 47ff, die Bemerkungen zum Titel fidalgo, Hidalgo, seine Beziehung zum Begriff des Erbes, der zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört: Ist nicht Jupiter Gottvater?). Bezieht sich hierauf Lk 117?

    Der Nominalismus, soweit er auf den Vorrang des Individuellen abstellt, ist wahr. Und der Satz „Name ist Schall und Rauch“ gilt dem Begriff, nicht dem Namen (steckt in „Schall und Rauch“ die Erinnerung an den Schall der Posaunen und die Gebete der Heiligen?). Die Mathematik ist der verwehte Schall.

    Ist das heliozentrische Konstrukt des Kopernikus das ezechielische Leichenfeld, und bezieht sich das „gewaltige Getöse“ in 2 Pt 310 auf Ez 377?

    Num 13: Kaleb, Jephunnes Sohn, war aus dem Stamme Juda, Hosea, der Sohn Nuns, aus dem Stamm Ephraim.

    Haben die zehn Versuchungen Gottes, an die Num 1422 erinnert, etwas mit den zehn Schöpfungsworten und dem Dekalog zu tun?

    Anstatt 2 – 5 Mos (Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium) auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, um dann die Abweichungen dem „biblischen Autor“ als Fehler anzukreiden, käme es vielmehr darauf an, die Konstellation dieser Bücher genau zu bestimmen: Hier wäre zu erinnern an die Doppelfassungen des Dekalogs (2 und 5 Mos), des Fluchs (3 und 5 Mos), sowie an den Zusammenhang des Levitikus mit dem nicht erfolgten Opfer in der Wüste beim Exodus (der „Greuel der Ägypter“ wurde nicht geopfert), die zunächst verschobene, dann eingeschränkte Landnahme nach den zehn Gottesversuchungen durch die Israeliten in der Wüste; danach folgen Josue, Richter, Samuel und Könige als prophetische Bücher.

    Heute geht der Fortschritt über zum zweiten Angriff auf die Erinnerung: zur zweiten Phase der Selbstzerstörung der Tradition. Das wäre unter anderem an der gegenwärtigen Entwicklung der Medizin zu demonstrieren. Die erste Phase fällt zusammen mit der Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften (der Geschichte der Hexenverfolgung: der Vertreibung der Frauen aus der Medizin und der Patriarchalisierung der „Geburtshilfe“).

    Das Dogma verletzt das sexualethische Gebot, das sich gegen die Urteilslust, nicht gegen die „sexuelle Lust“ richtet. Im Banne der Urteilslust wird die Idee des seligen Lebens reduziert auf die „Anschauung Gottes“, die die Theologie im Angesicht Gottes ersetzt. Hier wurde das Bekenntnis vom Handelns getrennt. Dagegen richtet sich der Schluß des Sterns der Erlösung.

    Ich, Es und Über-Ich verhalten sich wie Welt, Natur und Bekenntnislogik.

  • 21.09.1996

    Wenn die sieben Siegel etwas mit den sieben Planeten zu tun haben, ist dann nicht der Himmel das Buch des Lebens, das aufgerollt (abgeschlossen und geöffnet) wird, wenn die sieben Siegel gelöst werden?
    Gilt nicht der Satz über den Faschismus, daß die bloße Verurteilung nicht hilft, sondern der Schrecken zu reflektieren ist, auch fürs Patriarchat insgesamt. Und ist die Instrumentalisierung des Schreckens (in der bloßen Verurteilung des Faschismus wie des Patriarchats) nicht die Falle der Urteilslogik? Hat die „Venus-Katastrophe“ etwas mit diesem Vorgang zu tun, und sind die „Planeten“ die kosmischen Repräsentanten dieser Urteilslogik? Sind die sieben Siegel (wie auch die sieben Planeten, die Wege des Irrtums) Ausdruck objektiver Zwänge, die aus der Verdrängung des Schreckens (an den die paulinischen Elementarmächte erinnern) resultieren? Ist die Astrologie eine Urteilstheorie?
    Die frühe Kirche hat (nach der Rezeption des Weltbegriffs und nach dem Ursprung der Bekenntnislogik) die dämonischen Elementarmächte der Paulusbriefe zu Engelshierarchien gemacht.
    Venus und Merkur sind sonnennahe Planeten, Jupiter und Mars sonnenferne (und auf eine komplizierte Weise auf den Mond bezogene) Planeten. Und gehören Uranos und Pluto auf ähnliche Weise zum Saturn? (Vgl. die Neunzahl der pseudodionysischen Hierarchien: Seraphim/Cherubim/Throne, Herrschaften/Mächte/Kräfte, Fürstentümer/Erzengel/Engel, peri tes ouranias hierarchias.)
    Ist Saturn der Planet der Personalpronomina (erste, zweite, dritte Person bzw. m/f/n)?
    Läßt die Theologie Martin Bubers aus seiner Übersetzung des Gottesnamens (ER, 3. Pers. m.) sich rekonstruieren: aus der Verwechslung des Gottesnamens mit dem Namen Adams? Rührt nicht daher die Affinität seiner Bibelübersetzung (wie auch seiner Bibel-Interpretation) zum Feudalismus? Hatte nicht schon die Orthodoxie, die dogmatische Theologie, Christus mit Adam, den, der die „Sünde der Welt auf sich genommen“ hat, mit dem Sünder, der nur das Bewußtsein der Sünde verdrängt hat, verwechselt?
    Die erst mit dem Dogma entstandene Vorstellung, daß das Reich Christi kein Ende haben wird, heißt eigentlich, daß die Welt unerlösbar ist: die Erlösung wurde ad kalendas graecas vertagt (mit der endlosen Verschiebung seiner Wiederkunft und der Leugnung der Auferstehung). Für die Kirche hatte die Auferstehung mit dem Dogma und seiner Verschmelzung mit dem Bürgerrecht des Imperium Romanum sich „erfüllt“.
    Ist das Ganze nicht (im wörtlichen Sinne) eine Wahnsinnsgeschichte (ebenso wie auch die Astrologie eine Wahnsinnsgeschichte ist)? Aber eine, an deren Lösung die Rettung der eigenen Seele gebunden ist?
    Die naturwissenschaftliche „Lösung“ des Astrologieproblems, hat den Wahnsinn psychotisiert: Sie hat den Wahnsinn ans Selbsterhaltungsprinzip gekoppelt, an das Prinzip der Vergesellschaftung von Herrschaft. Sie hat die translunarische Welt an die Gesetze der sublunarischen Welt geknüpft, sie hat die untere Welt zur oberen Welt gemacht, aber auf der Schiene der Urteilslogik: der Verdrängung des Schreckens (sie hat damit diese und die zukünftige Welt verraten). Kehren nicht die neuen „kritischen Bewegungen“ (der nach-68er-Bewegungen) wiederum die Urteilslogik (mit der Folge der Verinnerlichung des Schreckens)?
    Gegen Kant (und gegen Hegels Logik): Es gibt nicht eine transzendentale Logik (die, in sich selbst reflektiert, zur Idee des Absoluten führt), sondern es gibt sieben transzendentale Logiken. Und deren Repräsentanten sind die sieben Planeten.
    Wenn das Bekenntnis das bara verdrängt, so verdrängt es Himmel und Erde, die großen Meeresungeheuer und das Ebenbild Gottes (an dessen Stelle die homousia des vergöttlichten Sohnes tritt). Und dieser Fehler ist nicht dadurch zu heilen, daß das facere im Deutschen mit erschaffen übersetzt wird, es bleibt ein demiurgisches Machen, es verbleibt im Bannkreis der Naturbeherrschung.
    Sind die ägyptischen wie auch die apokalyptischen Plagen nicht eigentlich Schrecken (die Objektseite der Urteilserfahrung)?
    Die Lösung der sieben Siegel gibt den Blick auf die Schrecken frei (der Faschismus, der diesen Anblick nicht erträgt, erschlägt die, die ihn verkörpern oder ihn laut werden lassen). – Es kann nicht das Ziel sein, daß der Staat sein wahres Gesicht zeigt, sondern es kommt allein darauf an, daß er an den Folgen seines Handelns gemessen wird.
    Sind die sieben Planeten nicht ebenso viele Knotenpunkte der Abstraktion und Verdrängung? Hängt ihre Konstituierung und Erscheinung nicht mit dem Problem der Beweislogik (mit dem kantischen Problem des apagogischen Beweises) zusammen, ebenso mit dem Problem der Genesis des pathologisch guten Gewissens (mit der Logik der Schuld): mit dem Problem, auf das sich das Wort Jesu bezieht „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, mit dem Problem der „Wege des Irrtums“ und der Bekehrung des einen Sünders, mit der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden? Gehört hierzu nicht auch das Väterproblem in den Evangelien? Und hängt die „Heilung der Schwiegermutter des Petrus“ mit diesem Problem zusammen?
    Der ungeheuerliche Verdrängungsakt am Ende des letzten Krieges, der doch so „natürlich“ war, wäre endlich aufzulösen. Hierbei wäre die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos eine unentbehrliche Hilfe.
    Heute in der FR ein Hinweis auf ein Buch mit dem Titel „Blut. Von der Magie zur Aufklärung“. Es ist offensichtlich ein medizinisches Buch, aber ist es nicht zugleich ein theologisches Buch?
    Im Angesicht und Hinter dem Rücken (vorn und hinten): Bezieht sich nicht Rechts und Links auf das Vorn und Hinten des Andern, und das Oben und Unten auf das Angesicht und den Rücken Gottes?
    Nur über die Schuldreflexion (für die im Stern der Erlösung die Todesfurcht steht) ist der Verblendungszusammenhang aufzulösen.
    Die griechische Sprache verhält sich zur lateinischen wie die (prädogmatischen) subjektiven Formen der Anschauung zum (postdogmatischen) Inertialsystem.

  • 15.5.96

    Die Bekenntnislogik trennt das Erbauliche von der Wahrheit. Das Erbauliche ist das (leere, gereinigte und dann) geschmückte Haus, das offensteht für die Rückkehr der Dämonen. Erkennbar ist das Erbauliche an der Psychologisierung objektiver Vorgänge (an der Vorstellung, die Psalmen ließen sich unreflektiert auf private Erfahrungen und Konstellationen anwenden), an der Neigung zu kontrafaktischen Urteilen, an einem Textverständnis, daß von der Intention des Autors ausgeht („was will uns der Autor damit sagen“) anstatt von der Objektivität sprachlicher Gebilde: von einem Sprachverständnis, das vom Begriff der Information und von der Mitteilungsfunktion der Sprache ausgeht.
    Das Subjekt der Psalmen (und das Objekt der Prophetie) ist nicht eine individuelle Privatperson, sondern Israel (die private „Einfühlung“ in biblische Texte ist erbaulich). Die Austreibung Israels aus der Sprache und aus den Texten kehrt als subjektives Bedürfnis nach der „Gemeinde“ wieder.
    Die Jonas-Texte bei Miskotte sind ein Opfer dieser Erbaulichkeit. Erschreckend, mit welcher Verachtung Miskotte von Jonas spricht; trägt sie nicht allzudeutlich projektive Züge? Ist nicht seine Theologie eine Theologie im Bauch des Fisches, eine Theologie, die vor dem Handgemenge, in das sie sich hätte bei Erfüllung des prophetischen Auftrags einlassen müssen, zurückschrickt und nach Tarschisch flieht? Ist es nicht diese Theologie, der die „Gemeinde“ zur Zuflucht, und d.h. zum Bauch des Fisches, geworden ist? Ist nicht die „Verstockung“ des Jonas ein prophetisches Wort an die Kirche (die Gemeinde)?
    Weshalb erinnert mich das Wort Gemeinde an Behörde?
    Ist nicht das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ein Jonas-Wort? Sind nicht die, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, auch die, die nicht wissen, was sie tun? Und führt dieses Wort nicht ins „Handgemenge“ mit der Welt?
    Zur Geschichte der Verstockung des Herzens: Wenn der Infinitiv Sein mit dem (im Deutschen gleichlautenden) Possessivpronomen der 3. Pers. sing. m. zu tun hat, dann ist die Ontologie die philosophische Grunddisziplin des Patriarchats, aber zugleich auch eine, die nicht mehr weiß, daß sie es ist. Ist nicht Heideggers „Sein zum Tode“ und das „Vorlaufen in den Tod“ die Erfüllung des Worts „Laßt die Toten ihre Toten begraben“, das an einen erging, der, bevor er nachfolgte, erst seinen Vater begraben wollte?
    Das Sein, die Kopula des Urteils, an der schon Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ erkannt hat, ist ein Instrument des Patriarchats: Das Urteil ist nicht zu retten.
    Die Selbsterhaltung bedarf nicht der Rechtfertigung, wohl aber der Reflexion: Die unreflektierte Selbsterhaltung betreibt das Geschäft des Feindes.
    Das Prinzip, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen, läßt sich aus dem Stand der Aufklärung ableiten. Dem entspricht es, wenn das Recht nicht mehr die Tat, sondern das Erwischtwerden diskriminiert, wenn alle Straftatbestände aus Prinzipien der Beweislogik sich ableiten lassen. Ist diese Logik nicht im Prinzip des Strafens begründet? Die Strafe aber setzt an die Stelle der Versöhnung die Sühne, mit der der Staat sich an die Stelle des Opfers setzt: Nicht das Opfer ist das Objekt des Verbrechens, sondern der Staat, und dessen Recht wird nicht durch die Tat, sondern dadurch, daß sie öffentlich wird, verletzt.

  • 22.4.96

    Enthält nicht der Gottesname Vater genau die Kritik an den realen Vätern, die in den Evangelien so deutlich sich widerspiegelt? Das Wort „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ gilt einem, der erst seinen Vater begraben wollte, bevor er ihm nachfolgte. Es entbehrt nicht der Ironie, wenn das Christentum dann – von den Kirchenvätern bis zum „Heiligen Vater“ – zu einer „Religion der Väter“ geworden ist (die Kirchen aber nur von Müttern und Kindern bevölkert sind).
    Wird der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ und nicht im Indikativ stehen, nicht durch den Gottesnamen „Vater“ verletzt? Ist dieser Name nicht ein Tabu über die Väter? Der jesuanische Gottesname Vater richtete sich gegen das (väterliche) Richten, es war der Versuch, der Barmherzigkeit eine Schneise zu schlagen: Dieser Vater war einer, der Bitten erhörte und nicht Steine statt Brot und eine Natter anstatt eines Fisches gab. Dieser Vater gehört zum Motto der „Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern“. Patriarchatskritik ist Väter-, nicht Männerkritik (ihr Objekt ist der politisch-ökonomisch determinierte römische pater familias, der privatisierte Pharao).
    Der Vater verkörpert die Vormacht des Vergangenen. Das Inertialsystem ist patriarchalisch.
    Was hat die Trinitätslehre mit der grammatischen ersten, zweiten und dritten Person zu tun?
    Jeder Schuldzusammenhang ist ein hierarchischer Zusammenhang; die kopernikanische Wende hat diesen hierarchischen Zusammenhang universalisiert, damit scheinbar neutralisiert, in Wirklichkeit aber nur verdrängt. Das Objekt ist eine Stufe in einer hierarchischen Ordnung, die keinen Anfang und kein Ende, keine Basis und keine Spitze hat.
    Die Stufen der Hierarchie sind Subsumtionsstufen, Stufen der Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft. Der Rang hierarchischer Mächte gründet in ihrem Alter: Das Höchste ist das Älteste. Begriffliches Denken ist in sich selber hierarchisch, und d.h. zeitlich organisiert. Die hierarchische Ordnung ist eine Schwurordnung, eine Ordnung der Selbstbindung – ist sie deshalb eine Siebener-Ordnung? Der Schwur besiegelt das Zeugnis und die die Zeugenschaft, begründet das Wissen, das im Urteil sich erfüllt. Ist die Ordnung des Raumes in ihrer Wurzel, in der Orthogonalität des Raumes, eine Schwurordnung (und liegt hier der Grund, weshalb die Entdeckung der Winkelgeometrie, zusammen mit der Logik des Beweises, die Philosophie – und die Begriffe von Natur und Welt – begründet hat)?
    Ist die Lösung des Rätsels der der Beziehungen der drei Totalitätsbegriffe (die unser Denken organisieren und beherrschen), der Begriffe Wissen, Welt und Natur, zugleich die Lösung des Rätsels, weshalb der Raum drei Dimensionen hat?
    Die Orthogonalität macht das Ungleichnamige gleichnamig (durch Veranderung identisch), sie begründet die Ordnung der Beweislogik und des Wissens (der synthetischen Urteile apriori, die Totalität der Erscheinungen, die von der Sphäre der Wahrheit geschieden ist).
    Gründet die Idee der Auferstehung in einer Idee der Vergangenheit, die am Ende völlig durchsichtig geworden ist (in der Kritik eines Begriffs der Geschichte, der die Vergangenheit des Vergangenen, indem er es erkennt, bestätig und besiegelt)?
    Lotterie: Das Geld hat die Erfüllung verdinglicht und als verdinglichte endlich gemacht; sie hat zugleich die Begierde grenzenlos wie den Raum gemacht. Seitdem ist die Kausalität universal geworden, während die Teleologie aus dem Bereich der erkenntnisleitenden Prinzipien ausgeschieden worden ist.
    Das Geld (und nicht die sexuelle Begierde) ist der Grund der concupiscentia, der Animalität (der durch Instrumentalisierung irrational gewordenen Vernunft).
    Jils Sander: Die Menschen möchten heute mit dem Ballast der Moral auch den der Kultur abwerfen. Aber das geht nur mit Hilfe des Schuldverschubsystems, der projektiven Verarbeitung der Last, ihrer Umformung ins Joch für andere. Das Fernsehen leistet hierzu erste Hilfe (für die Bewußtseinsindustrie ist das Bewußtsein eine zu bearbeitende Materie).
    Die Beziehung der Pflanzen- und Tierwelt zur Sternen-, genauer zur Planetenwelt (im alten, astrologischen Sinne) ist ein Hinweis auf erkenntniszerstörende Gewalt der kopernikanischen Wende: auf die Gewalt des mit dem heliozentrischen System konstituierten Totenreichs, der Trennung der Dinge vom Grund des Lebens, der Wirkung des Inertialsystems, das Naturerkenntnis erkauft um den Preis der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit.
    Die „Kultur der Empfindlichkeit“ ist in jedem Sinne pathologisch; aber diese Pathologie rührt an den Grund der Welt: Ist nicht das Planetensystem ein Spiegel dieser Kultur der Empfindlichkeit?

  • 28.3.96

    Beitrag zur Logik der Gemeinheit: Der Satz, Jesus habe den Kreuzestod gewollt, ist gemein und blasphemisch. Er ist ihm nicht ausgewichen und er hat ihn nicht verhindert, weil das nur um den Preis des Verrats möglich gewesen wäre. Wer sagt, er habe den Tod gewollt, weil er die Welt entsühnen wollte, dreht ihm das Wort im Munde herum. Ist nicht die dogmatische Theologie insgesamt gemein und blasphemisch, ist sie nicht, wenn sie davon ausgeht, daß die Wahrheit in der Form des Urteils sich müsse dingfest machen lassen, gezwungen, der Schrift das Wort im Munde herumzudrehen?
    Es gibt zwei Formen des Erwachsenwerdens: Die eine benutzt das Erwachsensein als Exkulpationsritual, als Generalamnestie der Gemeinheit, die andere erfährt im Erwachsenwerden ihre Mitschuld an der Sünde der Welt.
    Das Patriarchat ist die einheitliche Begründung des Herrendenkens und der Logik der Gemeinheit.
    Zu den Voraussetzungen eines selbstverantwortlichen, menschenwürdigen Lebens gehören heute neben Nahrung, Wohnung, Kleidung auch die Versorgung mit Wasser, Energie, Information, die insgesamt nur noch über den Markt (gegen Geld) zu haben sind (in dem Beamten-Silo, in dem wir wohnen, gibt es keine Wohnung ohne Fernseher, aber etwa die Hälfte aller Bewohner hat keine Zeitung abonniert: das Fernsehen ersetzt – und intensiviert – den Nachbarschaftstratsch, macht die Welt zum Dorf, während die Zeitung einmal dem Dorf die Welt erschloß). Noch vor hundert Jahren wurden für Bergleute Siedlungen gebaut, die zu den Wohnungen auch noch Stall (für Ziege, Schaf oder Schwein) und Garten enthielten, d.h. eine vom Lohn und vom Markt unabhängige Grundversorgung durch eigene Leistung ermöglichten.

  • 10.3.96

    Das Überzeitliche ist die Unterwelt (deshalb heißt Sterben auch „ad patres ire“: Grund des Partiarchats und der besonderen Rolle der Väter in den Evangelien). Sind nicht die indoeuropäischen Sprachen, die durch ihre Konjugationsformen unterm Bann des Überzeitlichen stehen, ein gleitendes System des Abstiegs zur Hölle?
    Das geozentrische Weltbild, indem es die Beziehung von oben und unten hypostasiert, zur Grundlage der Elementenlehre macht, ist ein Stück Herschaftsideologie. Der hebräische Himmel, dessen Name die Einheit von Wasser und Feuer symbolisiert, ist ein Sprachhimmel, kein Naturhimmel. Die kopernikanische Wendung hat in das geozentrische Weltbild (und in die mit ihr verschmolzene Herrschaftsideologie) eine Scheidung hineingetrieben, die bis heute nicht begriffen ist: Sie hat, indem sie die Beziehung von oben und unten ins Subjekt zurückgenommen und so diese Herrschaftsideologie vergesellschaftet hat, Herrschaft erstmals reflektierbar gemacht. Sie hat der Umkehr (der Bekehrung der Herzen der Väter zu den Kindern, Lk 116) den Boden bereitet.
    Die Orthogonalität ist der Statthalter und der Grund der Logik (und des Staates) in der Mathematik: Die Entdeckung der Winkelgeometrie (im Medium der frühen Astronomie) gehörte zu den Voraussetzungen des Ursprungs der Philosophie (und des Rechts).
    Beschreibt nicht der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ einen geometrischen Sachverhalt: nämlich daß es die intentio recta nur im Kontext der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes) gibt?
    Verweist nicht diese Beziehung der subjektiven Formen der äußeren Anschauung zur intentio recta auf den Fluch über die Schlange: „Auf dem Boden sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“, auf die systemische Unfähigkeit zur Reflexion, auf den Positivismus in Wissenschaft und Recht (und ist nicht das Strafrecht der Versuch der Kodifizierung dieser Unfähigkeit)?
    Problem der Pluralbildung: Kehrt nicht die gleiche Sprachlogik, die der Wendung „Wir Deutschen“ zugrunde liegt, in der Logik der Pluralbildung (im Verhältnis des Genitiv der dritten Person zum Nominativ der zweiten Person pluralis <und zum Possessivpronomen der dritten Person femininum singularis>) wieder? (Hat der Genitiv, die grammatische Herrschafts- und Eigentumsform, im Plural die Kraft, die zweite Person zu objektivieren, zur dritten Person zu machen? Und weshalb greift der Genitiv der dritten Person pluralis, und mit ihm der Nominativ der zweiten Person pluralis, auf eine feminine <„ihre“> und der Dativ der dritten Person pluralis auf eine maskuline Bildung <„ihnen“> zurück?)
    Gibt es einen Zusammenhang der inneren Pluralisierung, der das Femininum mit dem Begriff der Masse verbindet (überhaupt mit dem Begriff, der Ausdruck des „Gemeinsamen“, der Gattung oder der inneren Pluralität, der unter ihm befaßten Objekte ist)? Und sind nicht die Totalitätsbegriffe der europäischen Aufklärung (Wissen, Natur und Welt) Ausdruck des in ihnen verborgenen Mechanismus der inneren Pluralisierung (der innere Grund der Gemeinheit, die beweislogisch nicht zu fassen ist)?
    Das Inertialsystem enthält eine logische Automatik, die das erkennende Subjekt ans Ende der Zeitreihe und ins leere Zentrum (den „Ursprung“) des Raumes setzt. Ausgeblendet werden der Ursprung der Zeit und die Enden des Raumes.

  • 1.9.1995

    Haben die Pforten der Hölle etwas mit dem Tor, dem Ort der Versammlung und des Gerichts (mit der ecclesia), zu tun? War die agora das ins Innere der polis verlegte Tor, und entspringt der Handel dem Bereich des Gerichts?
    Die ecclesia, die Kirche, war eine säkulare, keine religiöse Institution, die Nachfolgerin der Versammlung am Tor. Wie weit klingt das im neutestamentlichen Gebrauch des Begriffs der ecclesia noch nach (insbesondere bei Mt, in der Apg und in der Off)? Das mulier taceat in ecclesia wäre dann nicht auf den sakralen Ort, sondern auf diese „Versammlung“ zu beziehen. Daß die Kirche dann Nachfolgerin des Tempels (mit Opfer und Allerheiligstem) geworden ist, läßt sich aus ihrem Ursprungsbegriff nur im Kontext ihrer kosmologischen (weltkonstituierenden) Funktion ableiten. Die Resakralisierung der Kirche, der neue Opferbegriff, war das Korrelat der Verzauberung der Welt, die das Objekt und die Voraussetzung der modernen Aufklärung war.
    Ecclesia wird in der Regel in der Apostelgeschichte mit Kirche, in der Johannes-Apokalypse hingegen mit Gemeinde übersetzt. Werden hier nicht Spuren verwischt? Seit diesem Präzendenzfall glauben Theologen und andere kirchliche Autoritäten (seit dem Ende des Faschismus auch Laien, an denen Adorno schon wahrgenommen hat, daß sie heute bereits so schlau sind wie früher nur ein Kardinal) den Autoren der Schrift vorschreiben zu können, was sie „eigentlich“ gemeint haben.
    Der Protestantismus hat aus der zum Tempel gewordenen Kirche eine Synagoge (den Ort einer neuen Nationalreligion) gemacht.
    Wann und auf welche Weise ist aus der Versammlung am Tor das synhedrion, der Hohe Rat, geworden? Hat nicht Pilatus wieder am Tor gesessen, mit der Versammlung als Chor? War das der Gründungsakt der Kirche?
    Der Weltbegriff begründet und sanktioniert den Konkretismus und die Personalisierung (Personalisierung und Konkretismus sind die Verführungen zur Sünde der Welt: die Kehrseite der Instrumentalisierung). Deren Kritik setzt die kritische Reflexion des Weltbegriffs voraus. Aber ist diese Kritik heute nicht versperrt? Was die Reflexion des Weltbegriffs verhindert, ist die Grenze zur Vergangenheit, die der Faschismus (als Instrument der Vergesellschaftung der Naturwissenschaften), der die Zukunft ausgelöscht hat, in Deutschland neu definiert hat. Dem Fluch der „Gnade der späten Geburt“ vermag keiner der Nachgeborenen zu entrinnen: gemeinsam mit der ebenso ungeheuerlichen Bekenntnislogik, die nur noch verurteilt, nicht mehr begreift, schirmt die Ungeheuerlichkeit dessen, was geschehen ist, diese Vergangenheit gegen jede Reflexion ab; diese Vergangenheit ist nur noch vergangen, der sich identifizierenden Erinnerung nicht mehr zugänglich. Das ist der letzte Sieg Hitlers.
    Die intentio recta ist in ihrem Ursprung durch die Internalisierung der Schicksalsidee, in ihrer modernen Gestalt durch die Ohrenbeichte, das Zölibat und das Konstrukt des Fegfeuers (die verzauberte Welt als Ursprungsort des Inertialsystems) vermittelt.
    Der Sabbat als Symbol der Lehre: Hat nicht der Sabbat (wie dann auch der Indikativ der Lehre) Gott von der Last des Imperativs befreit? Die Ruhe des Sabbats ist das Gegenteil der Friedhofsruhe (und der Indikativ der Lehre das Gegenteil des historischen Indikativs). Sind nicht die antisemitischen Grabschändungen ein apokalyptisches Symbol? Grabschändungen sind Mutproben im Anblick der Idee der Auferstehung der Toten, an die keiner mehr glaubt.
    Die kopernikanische Wende hat in der Natur die Friehofsruhe hergestellt (und mit dem Himmel die Erinnerung an den Sabbat zerstört).
    Kommt die Wendung „unter der Sonne“ noch an anderer Stelle, außerhalb des Buches Kohelet, vor, und was bedeutet sie (dazu gehört das „nichts Neues“, die Leugnung der Zukunft)?
    Haben die Sterne des Himmels etwas mit den himmlischen Heerscharen zu tun, und sind die Planeten die Wächter dieser Heerscharen (die Versiegelung des Abgrunds, aber auch der Schlüssel zum Abgrund)?
    Beerscheba: Schwurbrunnen und Siebenerbrunnen. Hat das etwas mit den Planeten zu tun?
    Ist der Bogen eine Spiegelung des Gewölbes an den Wolken?
    Das Moment der asymmetrischen Spiegelung aus seiner trinitarischen Gefangenschaft befreien. Ist die Trinitätslehre der Bogen in den Wolken am Himmel der Geschichte, der das Ende der Sintflut des mythischen Zeitalters anzeigt?
    Franz Rosenzweig hat einmal die Vermutung geäußert, daß, wenn ein Christ den Stern der Erlösung geschrieben hätte, er ihn in der Sprache des Neuen Testaments geschrieben hätte. Hier irrte R.: Das Neue Testament hat keine eigene Sprache, seine Sprache ist die des Alten Testaments, und nur wer diese wiedererweckt, bringt das Neue Testament zum Sprechen. Das Neue Testament ist kein Problem der Sprache, sondern eines der Logik der Schrift; deshalb ist es bis Hegel als Offenbarung der Trinitätslehre begriffen und erfahren worden.
    Die Trinitätslehre ist die Endlösung eines logischen Problems, aus dessen Bann wir nur mit Hilfe von Joh 129 werden heraustreten können. Voraussetzung wäre, daß Joh 129 ins Nachfolgegebot mit hereingenommen wird. Die Trinitätslehre ist die Ursprungsgestalt der Idee des Absoluten, und diese das Produkt der Selbstreflexion der Subjektivität im Unendlichen. Die Einheit des Absoluten (die in der Trinitätslehre durch die homousia garantiert wird) ist das Bild der Einheit des Subjekts (und deren erster Repräsentant der Monarch, der Kaiser Konstantin).
    Wenn die Beziehung von Vater und Sohn die einer asymmetrischen Spiegelung ist, welche Bewandnis hat es dann mit der Beziehung von Vater und Tochter, von Mutter und Sohn? Gibt es so etwas wie eine doppelt asymmetrische Spiegelung (Ergänzung der genealogischen durch die Geschlechterspiegelung)? Und liegt hier nicht das Problem und die Kraft der feministischen Theologie?
    Die Psychoanalyse war der erste Versuch, das Problem der doppelt asymmetrischen Spiegelung (am Beispiel der Hysterie) zu lösen.
    Verweist nicht der apokalyptische Unzuchtsbecher auf dieses Problem der doppelten Spiegelung, liegt hierin nicht die Differenz zum Zornes- und Taumelbecher (männlich und weiblich schuf er sie)?
    Liegt hier der Grund, weshalb die Frage des sexuellen Mißbrauchs von Kindern (real und in der öffentlichen Aufmerksamkeit) nach dem Krieg öffentlich geworden ist, öffentliche Relevanz gewonnen hat?
    Die Vater-Sohn-Beziehung (die Genealogie) war ein Konstrukt zur Stabilisierung des Zeitkontinuums (der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit), die Vater-Tochter-Beziehung sprengt das Zeitkontinuum. War die Tochter Zion die erste Reflexionsgestalt dieses Problems (und das Hohelied der Focus)? Vgl. die übrigen Tochter-Stellen (von den Töchtern Adams, den Menschentöchtern, über die Töchter Noes bis zu den Töchtern Jerusalems und Zions; vgl. auch den „einzigen Sohn einer Witwe“ und die Tochter des Jaïrus). Wann hat in der biblischen Symbolik die Tochter (Jerusalems oder Zions) die Gattin (JHWHs) ersetzt? Rührt das nicht an das Wer im Namen des Himmels, das Feuer?
    Waren nicht die Kirchenväter in der Regel die Söhne frommer Mütter (Basilius und Gregeor, Augustinus, auch Konstantin), während die Ordensgründer fromme Schwestern hatten (Benedikt, Franziskus)?
    Zu Basilius: Der Regenbogen ist auf die Vater-Sohn-Beziehung anwendbar, nicht auf die Vater-Tochter-Beziehung. Ist der Bogen ein Symbol des Patriarchats?
    Zur Trinitätslehre: Hat der Vater im Himmel und der Geist auf Erden den Sohn gezeugt? Wie aber kann dann der Geist „aus dem Vater und dem Sohne“ hervorgehen. Steckt darin nicht das Problem der doppelt asymmetrischen Reflexion, das Rätsel des Raumes, auf das die Trinitätslehre versiegelt ist? Die Form des Raumes ist das Instrument des Bildes, der Grund der Logik der Instrumentalisierung.
    Das tohu wa bohu (wüst und leer) ist eine asymmetrische Spiegelung, ein Bild der Vater-Sohn-Beziehung, während die Logik der Tochter-Beziehung auf den Geist verweist. Gibt es eine Hilfe zur Auflösung dieses Strukturproblems in der Apokalypse? Hängt die Rezeption der Opfertiere mit diesem Strukturproblem zusammen: Ist die Verdrängung des Stieres, des Rindes, eine Folge der Ersetzung des Namens durch die Vater-Sohn-Beziehung? Verweist nicht das Spottbild vom gekreuzigten Esel auf die Esel-Lamm-Beziehung, und kehrt nicht die Taube in der Gestalt des Geistes wieder?
    Das Tor/der Tor: Die Versammlung im Tor ist durch die Herrschaft Babylons zu einer Versammlung von Toren (idiotes) geworden.
    Gehört nicht zur Vorgeschichte des Buches Rut (Rut war eine Moabiterin) die Geschichte von den Töchtern Lots (die ihren Vater trunken machen, um die Generationenfolge sicherzustellen) und von Lots Weib (die im Anblick der Katastrophe zur Salzsäule erstarrt)?
    Ist die Magd des Herrn nicht die Gottesknechtin (ein Übersetzungsproblem ähnlich den sieben „Gemeinden“ in Asien, die eigentlich Kirchen sind)?
    Als Juda von der Schwangerschaft seiner Schwiegertochter Tamar erfuhr, sollte sie verbrannt werden (1 Mos 3824). Warum nicht gesteinigt? – Die Thora sieht in der Regel die Steinigung als Todesstrafe vor, nur in 3 Mos 2014 (wenn ein Mann eine Frau heiratet und ihre Mutter dazu, so ist das eine Schandtat), ebd. 219 (wenn sich die Tochter eines Priesters durch Unzucht entweiht: sie entweiht ihren Vater) und Jos 715 (wer im Besitze des Gebannten betroffen wird, den soll man verbrennen samt allem, was er hat) ist das Verbrennen vorgesehen.
    Die physikalische Unsterblichkeit, auf die selbst die Herder-Korrespondenz jetzt hinzuweisen sich gedrängt fühlt, wirft endlich das nötige Licht auf eine Idee des Absoluten, die an dieser Art der Aufhebung, der subjektlosen Erinnerung, der Ästhetisierung ihre Substanz hat. Die Idee der Unsterblichkeit bezieht sich nicht auf das mediale Überleben in einem Buch oder in einem Computer (die ebenso zerstörbar sind wie die physische Existenz der Menschen).
    Der Urknall hat mehr mit Auschwitz und mit Hiroshima (mit der Apokalypse) zu tun als mit dem Schöpfungsbegriff. Zu den Konstituentien der Vorstellung vom Urknall gehört die Logik der Spiegelung, die die virtuelle Zeitumkehr (als Grund der transzendentalen Ästhetik) mit einschließt: Der Urknall projiziert das Ende in den Anfang.
    Hat nicht das Vater-Sohn-Problem etwas mit der Gravitation, das Vater-Tochter-Problem mit der Elektrodynamik zu tun? Das würde ein Licht auf die Bedeutung der speziellen Relativitätstheorie werfen.
    Die „liebende Zustimmung Marias“ zum Foltertod ihres Sohnes am Kreuz (sh. Weltkatechismus) erinnert an den verordneten Stolz der Mütter, die beim „Heldentod“ ihrer Söhne im letzten Krieg nicht einmal mehr trauern durften. Das Vaterland erträgt keine Trauer über das, was es anrichtet.
    Wie würden wir diese Welt wahrnehmen, wenn es kein Fernsehen gäbe? Wer könnte sie ohne diese Dauerablenkung, diese organisierte Dauerverdrängung, noch ertragen?

  • 13.8.1995

    Die Trinitätslehre ist eine Konstellation von Imperativen, die als prophetische, messianische und parakletische Imperative sich bestimmen lassen. Diese Imperative wurden durch die Transformation der Trinitätslehre in den Indikativ neutralisiert, und diese Neutralisierung durch das homousia besiegelt. Das homousia steht in der Tradition des Alexander, der den gordischen Knoten durchschlagen, nicht gelöst hat. Die Trinitätslehre in ihrer dogmatischen Fassung ist der durchschlagene Knoten.
    Wie kommt die Zeugung in die Trinitätslehre? Hodie genui te: Ist die Übersetzung mit Zeugen (die dann in die Trinitätslehre mit eingegangen ist) nicht ein patriarchalisches Konstrukt? Aber auch Buber übersetzt Ps 27 mit „Mein Sohn bist du, selber habe ich heut dich gezeugt“ (mit einer Perfektbildung (!) von „zeugen“), Dt 3218 hingegen mit „Den Fels versäumtest du, der dich gebar (statt „zeugte“), vergaßest Gottheit, die mit dir kreißte (statt „gebar“, das Ganze übrigens im Imperfekt)“. (Zu „Gottheit“ vgl. die Beilage zum ersten Band der Buber/Rosenzweigschen Bibelübersetzung: Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift, S. 30f.; im hebräischen Text steht demnach wahrscheinlich ‚el.)
    Muß nicht beim theologischen Gebrauch des Begriffs der Zeugung mit deutlichen Konnotationsverschiebungen gerechnet werden, wenn im Griechischen der Begriff der Natur (physis) aus der Zeugung (dem phyein) sich herleitet (das Zeugen demnach in einen deutlichen kosmologischen Zusammenhang gerückt wird), im Lateinischen hingegen aus dem Geborenwerden (natura, nasci – mit einer deutlichen Verschärfung des patriarchalisch-imperialen Zusammenhangs des Begriffs der Zeugung durch Trennung von einer Natur, die, nach Unterwerfung unter das männliche Prinzip, das im Begriff der Zeugung sich ausdrückt, nur gebären darf, was zuvor gezeugt wurde)?
    In welcher Beziehung steht die Zeugung zum Namen (die Trinitätslehre zur Sprache)?
    Wird mit dem Konstrukt der Trinitätslehre nicht die bennennde Kraft der Sprache neutralisiert, verletzt die Trinitätslehre nicht das Gebot der Heiligung des Gottesnamens (und ersetzt sie es nicht durch die Selbstheiligung des Denkens, der Mathesis, der Logik der Schrift), schneidet sie nicht die Sprache von ihrer Wurzel ab?
    Die Trinitätslehre neutralisiert die Asymmetrie der Verantwortung durch Universalisierung: Sie macht die Last zum Joch.
    Der Indikativ fixiert die Rolle des passiven Zuschauers (er gehört zu den Konstituentien der subjektiven Formen der Anschauung), die Abstraktion von der tätigen Teilnahme an den Dingen, Ontologie als Abstraktion von der Ethik, die in Wahrheit die prima philosophia ist. Die Trinitätslehre macht diese Abstraktion zum Kern der Theologie. Deshalb ist die Trinitätslehre (das Dogma) der Greuel am heiligen Ort (vgl. Ez 8): der Wächter vor dem Tor der Lehre, die Verweigerung der Heiligung des Namens Gottes, der veranderte, in sein Anderssein transformierte Gottesname.
    Der entscheidende Einwand gegen das trinitarische Dogma: Es ist ein Produkt der Theologie hinter dem Rücken Gottes und zugleich ihre selbstreferentielle Legitimation.
    Verweist die Zeugung des Sohnes (die das Konstrukt der homousia nach sich zieht) nicht auf die Verstrickung des Vaters in den Gattungsprozeß, der für die Zeugung eines Sohnes, der ihm wesensgleich ist, nach mythischer Logik mit dem eigenen Tod zahlen muß? Deshalb mußte auch der Sohn sterben.

  • 17.3.1995

    Die Unzucht ist ein Symbol für die Struktur der politischen Ökonomie (der Beziehung der männlichen Öffentlichkeit zur weiblichen Privatsphäre: der Politik zur „Privatwirtschaft“). Und die feministische Patriarchatskritik ist ebensosehr eine Vorform der Kritik der Logik der Schrift (die für den Ursprung und den Begriff der Öffentlichkeit konstitutiv ist). Deshalb erfolgte nach der Märtyrerzeit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligentypen in den (männlichen) Confessor und die (weibliche) Virgo, und deshalb ist der Konfessionalismus (die Bekenntnislogik, die eine Emanation der Logik der Schrift ist) apriori frauenfeindlich.
    Ist das zoon politikon des Aristoteles ein Synonym für das apokalyptische Tier (und ein Hinweis auf die wechselseitige konstitutive Beziehung von Tier und Welt)?

  • 27.11.1994

    Wichtiger Hinweis auf den Zusammenhang von Gebet und Versöhnung bei Mk (1125). Gibt es dazu Parallelstellen bei den anderen Evangelisten? (Nur Mt 523, hier jedoch nicht aufs Gebet, sondern aufs Opfer bezogen.)
    Beim Opfer ist nur von der Versöhnung „mit dem Bruder“ die Rede (ist nicht die Ver-„söhn“-ung, die an die Vater-Sohn-Beziehung in der Trinität erinnert, ein patriarchalischer Begriff; ist der Begriff der „Versöhnung“ auf „Töchter“ oder „Schwestern“ überhaupt anwendbar)? Verweist das nicht (ähnlich wie die „Brüder“ in den Apostel-Briefen, vielleicht sogar im Zusammenhang damit) auf eine Grenze in der christlichen Botschaft (auf die Funktion des Kelchsymbols im NT)? Liegt hier der Grund, daß Frauen keine Bekennerinnen sein konnten und ihnen nur der Weg der Virginitas, der „Unschuld“, offenblieb? Es gibt nur eine Stelle in den Evangelien, an der die Sündenvergebung auf Frauen bezogen wird – außer bei Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde. Zur Ehebrechering hatte Jesus gesagt: „Auch ich verurteile dich nicht; geh, sündige von jetzt an nicht mehr“, von einer Vergebung der Sünden ist nicht die Rede. Nur von der „großen Sünderin“ heißt es, daß ihr viel vergeben werden wird, da sie viel geliebt hat, und anschließend: „Deine Sünden sind dir vergeben“.
    Hat das Christentum mit der Opfertheologie und der Vergöttlichung Jesu nicht einen Weg der Verinnerlichung beschritten, der der Erlösung jede Möglichkeit, sich öffentlich und materiell zu manifestieren, den Weg verbaut hat?
    Kritik an Belo würde anzusetzen haben bei der unzureichenden Berücksichtigung symbolischer Begriffe (insbesondere des Kelchsymbols) und beim unkritischen Gebrauch des Mythos-Begriffs (die Unterscheidung von Himmel und Erde ist nur dann mythisch, wenn der Weltbegriff der Dialektik der Aufklärung enthoben ist: wenn der mythische Bann, den er auf die Dinge legt, verdrängt und geleugnet wird.
    Ist nicht der „Greuel der Verwüstung“ nach der Geschichte der Verinnerlichung des Tempels (der Verinnerlichung des Opfers) anders zu lokalisieren: nämlich im Subjekt selber (im Selbst)?
    Ist nicht die Orthogonalität, die, nachdem sie in der Theologie als Orthodoxie sich durchgesetzt hat, in der Sprache als Orthographie sich durchsetzt, Produkt und Manifestation der Unterdrückung und Verdrängung der Barmherzigkeit, der dann nur noch die Möglichkeit verblieben ist, als Hysterie sich zu äußern?
    Die Naturwissenschaften haben das Erbe des Kampfes der Orthodoxie gegen die Häresien angetreten: Sie sind ein Opfer der Illusion geworden, es genüge, entgegenstehende Anschauungen zu widerlegen. Der Verdrängungsprozeß, der in der Bildungsgeschichte der Orthodoxie sich durchgesetzt hat, setzt sich fort in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung.
    Müßten wir nicht in einer Welt, in der die Normalität zum Ausdruck tiefer psychotischer Störungen zu werden droht, während in den Psychosen die Normalität hilflos vor der Welt kapituliert, aufhören, das neutestamentliche Phänomen der Besessenheit psychiatrisch zu interpretieren?

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie