Philosophie

  • 24.05.93

    Nicht die resurrectio naturae, sondern die Befreiung vom Bann der Natur: die Idee der Auferstehung.
    Wenn die Form der inneren Anschauung das verschlossene zweite Auge (das Angeblicktwerden) bezeichnet, dann berührt das
    a. das Zeitverständnis insgesamt, insbesondere auch die sogenannte „Tiefenzeit“, die Fragen der Chronologie, und
    b. den Kern des Konzepts einer Theologie im Angesicht Gottes.
    Mit den Begriffen Natur und Materie wurde die Sprache von ihren metaphorischen Wurzeln getrennt (der Materiebegriff löscht das Licht der Metaphorik): ihrer benennenden Kraft beraubt, als Begriff instrumentalisiert und der menschlichen Herrschaft unterworfen und damit depotenziert.

  • 09.05.93

    Die mikrologische Arbeit ist der Versuch, den Bann, unter dem der Begriff steht, durch Reflexion aufzulösen: die Sache selbst zum Sprechen zu bringen.
    Ableitung des Konstrukts, wonach es heute nicht mehr auf die Tat, sondern aufs Nicht-erwischt-Werden ankommt, aus der Logik des Begriffs, die darin übereinstimmt mit der Logik der politischen Sprache. Kohl bleibt solange unwiderlegbar, und das Verhängnis ist nicht aufzuhalten, wie es nicht gelingt, die Logik des Begriffs (das darin enthaltene Moment der „List der Vernunft“) zu entschlüsseln. Diese Logik ist ein Ausfluß des trinitarischen Konzepts, die das Konzept der Opfertheologie und das der Schöpfung und Entsühnung der Welt mit einschließt.
    Die vollständige Säkularisation aller theologischen Gehalte setzt die Kritik der falschen Säkularisation, der die christliche Tradition verfallen ist, voraus.
    Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten hat Wurzeln, die durchs Christentum begossen und zum Wachsen angeregt, zum Blühen und Fruchttragen gebracht worden sind, und deren Früchte wir heute genießen. An diesen Früchten wird man es erkennen (vgl. das Gleichnis vom Feigenbaum).
    Der Hund und die subjektiven Formen der Anschauung, oder die Trennung von Sehen und Gesehenwerden: Das Zeitalter des Antichrist wird das Antlitz des Hundes tragen. Die subjektiven Formen der Anschauung als Formen des Angeschautwerdens begreifen: das ist der Schlüssel zum Verständnis der kantischen Philosophie.
    Das Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo wird als ein nihil absolutum vorgestellt, aber das ist nicht denkbar. Dieses Nichts, dieses nihil absolutum war ein Konstrukt zur Begründung einer göttlichen Autorität, die mit Seinem Namen Mißbrauch treibt. Durch dieses nihil absolutum ist die den Herrschenden seit je gefährliche Lehre von den göttlichen Namen destruiert worden. (Liegen nicht überhaupt die Wurzeln des Derridaschen Dekonstruktionskonzepts in der Geschichte der dogmatischen Theologie und in der Konsequenz ihrer blasphemischen Logik?)
    Das Wort vom Binden und Lösen geht nicht nur an Petrus, sondern zugleich auch an die Jünger, an die Gemeinde.
    Eine Leiche im Keller, an der alle ihren Schuldanteil haben, paralysiert heute die Politik.
    Ist nicht der „Wissenschaftsbetrieb“ ein Betrieb im Sonnemannschen Sinne, und der Positivismus eine Berufskrankheit, gegen die sich die Schutzimpfung durch die kritische Theorie nur bedingt als wirksam erwiesen hat?
    Das Hinter dem Rücken und der Weltbegriff als Grund und Inbegriff des leeren Objekts, oder „auf dem Bauche sollst du kriechen, und Staub sollst du fressen“, oder die dritte Leugnung, oder über den Ursprung des Autismus in Kirche, Wissenschaft und Staat (die Privatisierung von Religion, Wissenschaft und Politik).
    Ist der Autismus nicht ein Produkt der verandernden Kraft des Seins, kommt in ihm nicht die sprachzerstörerische Kraft des Nominalismus auf seinen Begriff?
    Ist die Schlange nicht deshalb das klügste aller Tiere, weil sie das Bewußtsein, von einem Unerkennbaren erkannt zu sein, verinnerlicht hat? Der Preis hierfür war es, (wie an der astronomischen Begründung der modernen Naturwissenschaften nachzuweisen wäre) auf dem Bauche zu kriechen und Staub zu fressen.
    Wissenschaft lebt von der Verinnerlichung der gesellschaftlichen Produktions- und Kontrollmechanismen und der Leugnung der Spontaneität der Erfahrung.
    Der Samen der Schlange ist der Objektbegriff (das leere Weltenei).
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte des historischen Objektivationsprozesses: die Geschichte von Herrschaft, Schuld und Verblendung, die Herstellung jenes Zustandes, den Jeremias als „Schrecken um und um“ beschreibt.
    Zustand der Theologie: die offizielle. lehramtliche Theologie ist die der dritten Leugnung; alle Ausbruchsversuche aber sind bis heute auf Identifikationen mit dem Aggressor hinausgelaufen (bei Metz direkt nachweisbar im ersten Teil seiner Theologie der Welt).
    Wie hängt das Votum für die Armen und die Fremden mit den sieben Werken der Barmherzigkeit zusammen?
    Die Geschichte der Kirche und der Theologie hat Teil am Abstieg zur Hölle (deren „Pforten“ sie nicht überwältigen werden).
    War Kohl nur im Katholizismus möglich?
    Nicht nur das Überzeugen, auch das Widerlegen ist unfruchtbar: Beide gehorchen dem Bekenntnisprinzip und der Bekenntnislogik (ist nicht das Ideologieproblem ein Problem der Bekenntnislogik? Wie verhalten sich Weltanschauung und Ideologie?).
    Im Autismus kommt der Objektbegriff zu sich selber, der Autismus ist eine Form der Isolationshaft (wie die deutsche Staatsmetaphysik). Wie verhält sich der Autismus zur Paranoia und zur Schizophrenie, ist er nicht die Systemeinheit beider (und darin Modell und Produkt des Objektbegriffs)? Rührt daher die besondere Art des autistischen Sprachverlusts (moderne Version der Stummheit des Helden)? Das Kaninchen vor der Schlange, der Anblick der Medusa oder der Schrecken Isaaks.
    Laufen nicht alle, die heute auf Identitätssuche sind, in die Autismusfalle?
    Die transzendentale Logik ist eine Fernsehlogik: Man sieht, aber wird nicht gesehen.
    Drückt nicht die Schlottsche Hypothese (in Adelheid Schlott: Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München 1989, S. 21f), die die Buchstabenschrift aus der Rezeption der Fremdsprachenschrift anderer (im Falle der Phönizier: Handels-) Völker herleitet, sich aufs genaueste im Namen der „hebräischen“ Schrift aus? (Woher kommen die Namen Griechisch und Latein? Haben die Griechen sich selbst Griechen genannt?)
    Die hebräische Sprache ist eine Objektsprache in dem Sinne, daß sie davon lebt, die Dinge selber zum Sprechen zu bringen.
    Ist nicht die Identität von Sprache und Volk (auf dem Grunde der Idee der Schicksalsgemeinschaft) ein Produkt der modernen Welt (die englische, französische, deutsche Sprache)? Wie drückt sich das in den modernen Sprachen aus? Sind nicht die hebräische, die griechische und die lateinische Sprachen im Kern Kunstsprachen?
    Läßt nicht an der Schlottschen Theorie vom Ursprung der Schrift sich das metaphorische Element der Sprache und der Ursprung seiner Notwendigkeit und seiner Depotenzierung (seines Verfalls) zugleich nachweisen? Das metaphorische Element läuft übers Prädikat und mündet ein im Begriff.
    Die Hegelsche Geschichtsphilosophie führt das kontrafaktische Urteil ad absurdum: in der Idee des Absoluten. Vergleiche hierzu den ungeheuerlichen und blasphemischen Satz, dieses von Hegel umgeformte Schillerzitat, am Ende der Phänomenologie des Geistes:
    aus dem Kelche dieses Geisterreiches
    schäumt ihm seine Unendlichkeit.

  • 02.05.93

    In der Figur des „Kongruisten“, in der Beziehung von „Versagen“ und „Selbstsein“, beschreibt Günther Anders (II, S. 157) den gleichen Mechanismus der Verinnerlichung des Opfers, der in der „Dialektik der Aufklärung“, in den „Elementen des Antisemitismus“, als Opfer des Selbst an das Selbst beschrieben wird. Zu ergänzen wäre nur, daß diese Verinnerlichung des Opfers mißverstanden wird, wenn sie nur psychologisch verstanden wird; sie ist ein Moment der Objektivität selber. Das Opfer und seine Leugnung gehören zu den Konstituentien des Gegenstandsbegriffs.
    Die Verinnerlichung des Opfers und die Verdrängung der Umkehr (die Bekenntnislogik) gehören zusammen; und beide sind Teil des Konzepts einer „Entsühnung der Welt“, in dem diese (im Kontext eines magischen Sakramentenverständnisses) unabhängig von der Nachfolge verstanden wird. Die Vorstellung, die Welt sei bereits entsühnt, ist ein Konstituens der Gemeinheitsautomatik.
    Zum Begriff des Drachenfutters gehört der Empörungsgenuß. Und der durchs Fernsehen bezeichnete Entwicklungsstand der Medien belegt die Notwendigkeit des Satzes „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“. Empörungsbereitschaft und Panikbereitschaft hängen zusammen; beide sind verbunden durch das Ohnmachtsgefühl, zu dem es in der Inertialwelt keine Alternative mehr zu geben scheint. Wenn alle Wege des Handelns verstopft sind, bleibt nur Empörung oder Panik, deren Beziehung in die heute endgültig stillgestellte Dialektik von Herr und Knecht, von Subjekt und Objekt gehört.
    Warum sind in der Bibel nur Tiere mit Hörner Opfertiere? (Und woher kommt die Vorstellung, daß dem Mann, dessen Frau es mit einem andern treibt, „Hörner aufgesetzt“ werden?)
    Aufgabe der Philosophie heute: den Gemeinheitskern des Wissenschaftsbetriebs herauspräparieren.
    Durch die Definition von Wahrheit als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand wird die Trunkenheit zum Prinzip erhoben (vgl. Hegels Logik hierzu). Wenn diese Definition stimmen würde, gäbe es in der Tat nur die Alternative Konformismus oder Gewalt.
    Im Islam ist der Engel Gabriel („Mann Gottes“ – gbr/gbrim, Mann/Männer) der Heilige Geist, was sehr gut zur Verkündungsgeschichte beim Lukas paßt. (Ist im Namen Gabriel das br – dessen Beziehung zu Abraham, zum Namen der Hebräer und zum Begriff der Barbaren – ein Bedeutungselement des Namens?)
    „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Mt 1618): d.h. die Vergangenheit wird die Zukunft nicht überwältigen, oder auch: die Natur wird nicht siegen. Aber die Geschichte der drei Leugnungen Petri geht bis zur Selbstverfluchung.
    „Ich werde dir die Schlüssel der Himmel geben; … was du auf Erden lösen wirst, wird auch in den Himmeln gelöst sein.“ (Mt 1619, vgl. auch 1818) Dieser Satz folgt unmittelbar nach dem über die Pforten der Hölle.
    Mt 1016: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe“: Ihr seid vom Herrendenken entbunden. Und „darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“: Aber verfallt nicht der Paranoia.
    Erinnerungsarbeit: die Einheit von Philosophie und Gebet. Aber in dieser Einheit verändert sich sowohl die Philosophie auch das Beten.
    Die creatio mundi ist die Gründung einer Reinigungsanstalt: der Grund der Fähigkeit, sich trotz der „Sünde der Welt“ und in ihrem Angesicht unschuldig zu fühlen.

  • 01.05.93

    Der Historismus holt uns ein: Der Schein der Objektvität, den das Vergangensein der Geschichte verleiht, verhext die Gegenwart (wie das Inertialsystem die Natur). Die Frage, ob wir aus der Geschichte lernen können, ist so nur mit nein zu beantworten. Lernen können wir nur, wenn wir in der Geschichte die Gegenwart begreifen, uns nicht auf die Beteuerung verlassen: das ist doch vergangen. Denn die Vergangenheit ist nicht vergangen, und auch die Toten haben noch einen Anspruch an uns, der nicht leicht abzutun ist.
    Die „wandlose“, „schamlose“ Gesellschaft, in der „niemand mehr etwas zu verbergen“ hat (Anders II, S. 151), hat die Privat- und Geheimsphäre nicht abgeschafft, sondern insgesamt verstaatlicht. Das ist eine logische Konsequenz aus dem Säkularisationsprozeß, eine Folge des Weltbegriffs. Wer die Hegelsche Logik begriffen hat, weiß, daß es ebenso viele Gestalten des Absoluten wie Staaten gibt: der Nationalismus ist von der Geschichte des Begriffs ebensowenig abzulösen wie das transzendentale Subjekt von der transzendentalen Logik. Der Staat ist in der Tat der sterbliche Gott: er versucht vergeblich die Lücke zu schließen, die die transzendentale (und in ihrer Folge die dialektische) Logik zwischen Erscheinung und Ansich aufreißt.
    Zur Geschichte der Scham: In der mythischen Gesellschaft verstummt der Held, in der schamlosen Gesellschaft verstummen alle (S. 152).
    Die schamlose Gesellschaft ist eine zugleich exhibitionistische und obszöne Gesellschaft: konkret eine Gesellschaft, in der der Reichtum sich nicht mehr schämt, sondern nur noch die Armut, die am liebsten vor Scham verschwinden, in den Boden versinken möchte.

  • 23.04.93

    Anders, S. 143: Die Zweideutigkeit der Medien, bei denen nicht mehr zu unterscheiden ist, was ernst oder unernst („fun“) ist, und ob der Zuschauer als moralisch-politisches Wesen oder als Mußekonsument angesprochen wird, hat ihre Wurzeln im Habitus des Zuschauers selbst (in der Funktion der „subjektiven Formen der Anschauung“). Das Ernste wird unernst, die Information zum Spaß, wenn es in die Exkulpationsmechanismen hineingerät, sie ausbeutet. Wer – als Zuschauer – von der Möglichkeit zu handeln, von eingreifender Praxis, abgeschnitten ist (der Zuschauer kann in das, was er sieht, weder real noch sprachlich, dialogisch, eingreifen, er bleibt in seine Passivität: in seine Impotenz, gebannt), dem bleibt als Reaktion nur das folgenlose Urteil (in dem er sich über die Sache erhaben, moralisch exkulpiert fühlen darf), ihm bleibt das Schuldverschubsystem des Konkretismus und des Personalismus, der Genuß der Empörung, der wie ein Virus, gegen den es kein Mittel mehr gibt, sich ausbreitet. Er darf impotent und inert bleiben, und sich zugleich, da er sich durch Empörung distanziert, unschuldig fühlen. Diesen Fluchtweg beuten heute die Medien aus (Verführung durch Ästhetik). Die Kehrseite der Informationsunterhaltung sind die Hör- und Fernsehspiele, in denen das ungelebte Leben sich in den für es produzierten künstlichen Nachbarschaften („Lindenstraße“) als Voyeur ausleben darf. Hier erscheint der Grund, aus dem die Medien erwachsen und in den sie immer tiefer zu versinken scheinen: der Tratsch, das Geschwätz. Hier braucht kein Propagandeministerium mehr Regie zu führen, Sprachregelungen herauszugeben, das wird durch die synthetischen Urteile apriori der Unterhaltungsindustrie, durch ihre eigene transzendentale Logik, selbsttätig geregelt (Einschaltquote, Auflagenhöhe als Maßstab für Werbeeinnahmen): durch Einbindung der gesamten Sphäre ins Wertgesetz.
    Der „solistischen Massenpanik“ (S. 144) entspricht auf der andern Seite im Falle der realen Untergangsgefahr, das gelassene Zuschauen: Im Golfkrieg wurde in Tel Aviv Nacht für Nacht die Skyline der Stadt im Fernsehen gezeigt; so konnte man die Scud-Raketen anfliegen sehen, deren Opfer man dann selber in Gefahr war zu werden. (Aber ist dieser Unterschied nicht auch einer der Medien: die solistische Massenpanik gehört zum Radio, Zuschauer beim Weltuntergang wird man im Fernsehen.)
    Inertialsystem und Fernsehen: Die Asymmetrie (Neutralisierung der Ethik und Konstituierung des Habitus des Zuschauers) ist in beiden Fällen gleich.
    Ist Ludendorff das Modell der Kohlschen Politik? Sind nicht die Weichen schon gestellt, wonach die Sozialdemokraten die Suppe werden auslöffeln müssen, die hier eingebrockt wird? Und haben die Sozialdemokraten diese Rolle nicht selber längst internalisiert, erwarten sie überhaupt noch etwas anderes für ihre Rolle in der Politik??
    Anders, Anm. zu S. 168: Hinweis, daß „alle heutigen Konterrevolutionen … mit Hilfe derer erkämpft werden, gegen die sie gerichtet sind“. Genauer ist die Funktion von „Solidarpakt“ und „Asylkompromiß“ nicht zu beschreiben.
    Beachte die 1. Anm. zu S. 180 und den dazugehörigen Text, demzufolge in den Naturwissenschaften der Singular noch zum Nichtsein gehört (einmal ist keinmal). Wie hängt diese Bemerkung mit der christlichen Trinitätslehre und der Lehre von der Eucharistie zusammen: Wird hier nicht auch der Kreuzestod durch seine endlose Wiederholung erst real gemacht (aber mit der Folge, daß er so nur als „Gottesmord“, für den ein Schuldiger präsentiert werden muß, real zu machen ist: Ursprung des theologischen „Antijudaismus“)?
    Sind nicht die Banken die Verwalter des Unterirdischen (der Schulden), daher ihre Affinität zum Mythischen (und ist nicht die Bundesbank, oder allgemein die Zentralbanken, ein Erdbebenverhinderungsinstitut – Verhältnis der Zentralbanken zu Geschäftsbanken wie Seismographen zu den Erdbebenzentren)?
    Die Philosophie war das Produkt eines „Erdbebens“ in der mythischen Welt. Sie bedurfte, um sich dann gesellschaftlich zu stabilisieren, der Theologie, des Dogmas, des Bekenntnisses. Für sich genommen, wären die Begriffe Welt und Natur nicht tragfähig gewesen.
    Herrschaft macht blind, und mit der Herrschaft wurde seit Beginn der Aufklärung in Europa auch die Blindheit vergesellschaftet.
    Im Inertialsystem ist die „Schwerkraft“ eine die Dinge von außen (von hinten) angreifende Kraft, die sich auf ihr Substrat, die schwere Masse, ähnlich bezieht wie die Stoßprozesse auf die beteiligten trägen Massen. Ist der Fall ein modifizierter Stoßprozeß, oder der Stoßprozeß ein modifizierter Fall (in der Schwerkraft greift der Feind hinterm Rücken an)?

  • 22.04.93

    Wächst nicht die Hörigkeit in dem gleichen Maße, in dem die Fähigkeit zu hören abnimmt? Wobei diese Fähigkeit zu hören als Fähigkeit zu bewußtem, grammatisch reflektierten und metaphorischem Hören zu bestimmen wäre. Das metaphorische Hören, ein durchscheinendes Hören, ist das Produkt des ersten Schöpfungstages, der Erschaffung des Lichts, während das verdinglichende Hören, jede Art von Konkretismus, oder die Vereidigung des Denkens auf das tode ti, letztlich die Raumvorstellung und seine Konsequenz, das Inertialsystem, das Licht aus der Sprache und aus dem Denken austreibt (dialogisches Denken wird wahr erst, wenn es als das Licht in der Sprache sich begreift, anstatt sich selbst durch seine Beziehung zum „Gespräch“ und zur „Begegnung“ konkretistisch zu neutralisieren). Die traditionelle christliche Interpretation des evangelischen Rats des Gehorsams war autoritär, weil sie im Bann des verdinglichenden Denkens stand; sie hat das wirkliche Hören verdrängt und am Ende auch noch die Erinnerung daran ausgelöscht.
    Wird nicht das Angesicht der Erde in der Herrschaftsgeschichte ebensosehr unterdrückt und entstellt wie es in dieser Geschichte zugleich auch erst bildet?
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen Metaphorik und Umkehr? Sind nicht vor allem die Pflanzen (und auf besondere Weise die Bäume) metaphorische Wesen? (Welches ungelöste Rätsel steckt in den Tieren?)
    Das Dogma ist sowohl das Unkraut, unter das der Weizen fiel, als auch der Scheffel, unter den das Licht gestellt wurde.
    Das Inertialsystem ist ein Grenzbegriff der Sprache, genauer: die Todesgrenze der Sprache (Zerstörung des metaphorischen Elements: seitdem ist der Name Schall und Rauch). Es abstrahiert vom Gesehenwerden (und macht damit auch das Sehen unerklärbar); eben deshalb verfällt es ihm. Hier wird den Dingen dasselbe angetan wie Gott in der Theologie hinter seinem Rücken.
    Das, wovon die Naturwissenschaften abstrahieren, wird in der politischen Ökonomie selber wiederum verdinglicht.
    Haben wir die Tatsache, daß jede Vergangenheit die Vergangenheit von etwas ist, nicht unmittelbar vor Augen?
    Die ganze Welt ist zum Feigenblatt geworden, aber war sie das nicht seit dem Ursprung des Weltbegriffs?
    Zum Binden und Lösen: Paulus hat dieses Lösen genauestens bezeichnet, wenn er darauf hinweist, daß die ganze Kreatur seufzt und in Wehen liegt und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet.
    Wäre nicht heute die Rosenzweigsche Reihe Schöpfung Offenbarung Erlösung umzukehren? Liegt nicht für uns die Erlösung vor der Offenbarung, und diese vor der Schöpfung?
    Schuld wird nicht an sich, sondern nur im Urteil erkannt. Im Urteil wird zur Schuld verurteilt. Schuld ist Ausdruck einer Herrschafts- und Verblendungsbeziehung; deshalb gibt es keine Freiheit ohne Fähigkeit zur Schuldreflektion (ohne Sprachreflektion).
    Ist nicht die Geschichte mit David, Urija dem Hetiter und dessen Frau Batseba, die dann die Frau Davids wurde und ihm, nach dem Tod des Erstgeborenen, den Salomo geboren hat (2 Sam 11f), auch ein Stück Prophetie?
    Verhalten sich Konsonanten und Vokale nicht wie Form und Farbe? Und ist das Inertialsystem zwar inhaltlich eine Konsequenz aus der Struktur der indogermanischen Sprache, formal aber „konsonantisch“ wie das Hebräische?
    Die Forderung an die Kirche, sich endlich mit der Geschichte des Antisemitismus, der Ketzerverfolgung und der Hexenverfolgung auseinanderzusetzen, ist eine Aufforderung an die Kirche, sich mit der Bekenntnislogik und mit den Naturwissenschaften auseinanderzusetzen, mit der genetischen Beziehung der Bekenntnislogik zur naturwissenschaftlichen Aufklärung, zum Inertialsystem.

  • 14.04.93

    Die Vorstellung von den Privilegien der Opfer ist ein christliches Erbe: Darin steckt die christologische Logik der Vergöttlichung Jesu, die spätestens seit Rousseau zur Logik des Naturbegriffs geworden ist und mit dem Naturbegriff in der Gesellschaft sich reproduziert.
    Werden nicht die Antinomien der reinen Vernunft dadurch relativiert, daß sie (im Raum) jeweils nur auf eine Dimension sich beziehen?
    Die ersten beiden Antinomien beziehen sich auf die Welt, die dritte auf die Natur, und die vierte?
    Kann man eine logische Folge der Formen des subjektiven Apriori bestimmen derart, daß die Konstruktion des Bekenntnisses das Geld voraussetzt und die Entfaltung der Raumvorstellung das Bekenntnis?
    Die Schöpfungsgeschichte der Genesis unterscheidet sich von den Kosmologien insgesamt (den mythologischen wie den naturwissenschaftlichen) dadurch, daß sie eine Beziehung zur Erfahrung herstellt, die ästhetische Distanz zum Kosmos nicht akzeptiert. Sie ist m.a.W. kein Vorläufer der Naturwissenschaft, sondern einer der Mystik; sie ist Teil der Prophetie.
    Durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird in die Struktur des Raumes ein Widerstandsmoment eingebunden, daß als Grund des physikalischen Materiebegriffs (als Grund des Begriffs der trägen und schweren Masse) sich begreifen läßt. Hier wird ein Äquivalenzsystem zu den mechanischen Vorstellungen, zu den Stoßprozessen eingeführt, dessen realer Ausdruck die Konstanten der Mikrophysik sind.
    In einer Sprache, in der es neben dem Maskulinum und Femininum auch ein Neutrum gibt, wird das vierte Gebot unverständlich, wird es ins Herrendenken transponiert und unter den Satz subsumiert „de mortuis nihil nisi bene“: Hier liegt zwischen den Generationen die ihre Beziehungen neutralisierende Grenze des Todes. Im gleichen Zusammenhang ist schon das Du, das seine Geschlechtsbezogenheit verliert, Produkt einer Neutralisierung: der die Geschlechtsdifferenz aufhebenden Personalisierung. Der Geschlechtsunterschied findet sich erst in der dritten Person wieder, in einer anders objektivierten und neutralisierten Gestalt (Begriff der Scham).
    Läßt sich anhand der Neutralisierung und Personalisierung des Du in den indogermanischen Sprachen der Zusammenhang von Neutrumsbildung, Futur II, Fortfall des Dualis u.ä. mit dem Ursprung des hypostasierenden Denkens (Begriffbildung und Philosophie) nachweisen? Und steckt nicht in den Fundamenten der Neutralisierung und Personalisierung des Du der Ödipuskomplex (und die Geschichte von Kain und Abel), und hängt diese Sprachkonstruktion nicht auch mit der materiellen Geschichte der Sexualität (und damit mit der Geschichte der Rezeption des evangelischen Rates der Keuschheit) zusammen? Und ist nicht die islamische Sexualmoral auch ein Sprachproblem (ein Problem das mit der Einschränkung der Fähigkeit zur Reflexion zusammenhängt)? Und liegt hier nicht auch der Sprachgrund des islamischen Konzepts der Schöpfung (in dem Schöpfung und Vorsehung nicht auseinandergehalten werden)? Hat in der islamischen Theologie nicht die Philosophie die Offenbarung ersetzt, substituiert? Ist nicht der Islam in ganz anderem Sinne eine Weltreligion?
    Sind nicht die griechische Knabenliebe und der Rousseausche Inzest Indikatoren der wichtigsten Wendepunkte der Weltgeschichte (Ursprung und Erfüllung des Naturbegriffs)? Und läßt sich nicht an ihnen überhaupt erst ermitteln, was mit dem evangelischen Rat der Keuschheit gemeint ist? Sind es nicht die Begriffe der Barbaren, der Materie und der Natur, die das Keuschheitsgebot verletzen (und auf die sich der prophetische Begriff der Hurerei bezieht)? Erst die Kirche hat das Keuschheitsgebot zur Sexualmoral neutralisiert. Auch nach dem hebräischen Zusammenhang von Sexualität und Erkenntnis ist die Sexualmoral ein Teil der Erkenntnismoral: ein gnoseologisches Begriff. Wer heute die Last nur loswerden will, anstatt sie zu begreifen, verfällt ihr erneut. In der Gnosis wurde bloß die Erkenntnislust verurteilt, und das war der Ursprung der Diskriminierung der Sexuallust; versäumt wurde, das Problem der Gnosis selber zu begreifen.
    Wie hängen Lust, lustig, Verlust (verlieren) zusammen? Ist nicht der Verlustbegriff ein Produkt der Verurteilung der Lust?
    Der Pornokratie folgte in der Kirchengeschichte die Pornographie; und ein Teil der Theologie seit der Scholastik ist Pornographie, aber eine, auf die auch der Satz anzuwenden wäre: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
    Auch das Sündenvergeben, das „dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris“, ist ein Moment in der Erkenntnis (ein Teil der Fähigkeit, hören zu können, sich in einen anderen hineinzuversetzen, der Barmherzigkeit). Hierauf bezieht sich das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist.
    Der heilige Geist: die durchs Feuer der Schuldreflexion gereinigte Zunge.
    Der Mund ist das Organ des Essens und des Sprechens: Beide sind durch den Begriff des Gerichts verbunden.
    Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt ist die Revozierung Rousseaus und ein Vorbegriff der Erinnerungsarbeit.
    Gibt es eigentlich eine Untersuchung über die weiblichen Namen im Hebräischen (von Ischa, Eva, Lilit über Sara, Rebekka, Leah und Rahel bis Mirjam, Deborah, Judith, Esther, Rut, Batseba, Susanna, auch Rahab, Tamar etc.)? Ist das theophore Element nur bei männlichen Namen zu finden?
    Ist nicht die Physik das Netz, in dem wir glaubten, die ganze Welt einfangen zu können, in Wahrheit sind wir selber darin gefangen. (Gibt es nicht Spinnen, bei denen das Weibchen das Männchen nach dem Geschlechtsakt frißt?)
    Ist nicht der Raum der Inbegriff des Hämischen: Wohin ich mich auch wende, ich bleibe in dem System gefangen, aus dem auch die Umkehr nicht heraus-, sondern jede wieder ins System zurückführt: Inbegriff des Schrecken um und um. In diesem System wird die Umkehr zwangsläufig zur Buße, aber auch die verliert ihren Adressaten mit dem Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft: Hier gibt es nur noch welche, die Buße fordern, aber niemanden mehr, der Buße tut.
    Wie war das eigentlich mit der Buße in Ninive: Auch die Tiere haben dort Buße getan, und der König hatte dazu aufgerufen.
    War der philistäische Dagan ein Mars, und waren die altorientalischen Könige nicht in erster Linie Kriegsherren?
    Die Vergangenheit ist nicht nur vergangen: Das hat die Nazizeit gelehrt. Das war der Kern der Ohnmachtserfahrung. Man kann die Vergangenheit nicht abwerfen, ohne ihr gerade dadurch zu verfallen.
    Jesus ist eine Gestalt der Erinnerung: deshalb ist er (zusammen mit der Tora und der Prophetie) das Wort, das im Anfang bei Gott war. Und er ist es auch für uns nur, wenn wir diese Erinnerung mit aufnehmen (während die Kirche gerade die reale Erinnerung durchs Dogma verdrängt hat).
    Nichts Vergangenes ist nur vergangen: Das ist die Idee, die das Inertialsystem sprengt. Sie schließt auf eine noch zu bestimmende Weise die Idee der Auferstehung der Toten mit ein.
    Mit dem ersten Satz der Genesis wird im Namen des Himmels die Erlösung zitiert. Der Himmel des zweiten Schöpfungstages ist dagegen bereits die von der Vergangenheit eingefangene Zukunft: das, was zu lösen wäre. Das drückt sich aus in der Beziehung des Himmels zu den Wassern, in der Trennung der oberen von den unteren Wassern (der Trennung von Schuld und Segen, von Mythos und Offenbarung).
    Der Fürst dieser Welt lebt vom Vergessen. Ein sich selbst begreifendes Christentum, das die Sünden der Welt auf sich nimmt, hingegen lebt von der sich selbst begreifenden Erinnerung.

  • 13.04.93

    Hat mlk, König, (im Hebräischen) mit mlhmh, Krieg, und mlakh, Arbeit, Auftrag, zu tun (die Arbeit mit Krieg und Herrschaft)?
    Gehört die Existenzphilosophie zu den Paralogismen der reinen Vernunft (Kr.d.r.V., S. 306, Anm.)?
    Jene Fassung des kategorischen Imperativs, derzufolge man einen Menschen nicht nur als Mittel gebrauchen darf, ist eine logische Konsequenz aus der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere aus der Kritik der Hypostasierung des Raumes. Der Begriff der Dinge an sich und der kantische Begriff der Freiheit verdanken sich der gleichen Logik. Beide, der Begriff der Dinge an sich und die Idee der Freiheit, sprengen die Instrumentalisierungslogik des Raumes.
    Der kantische Begriff der Freiheit unterscheidet sich von dem traditionellen Freiheitsbegriff (dem des liberum arbitrium) dadurch, daß er nicht auf die Entscheidungsfreiheit (die die Freiheitsgrade des Raumes reflektiert) abzielt, sondern auf die Freiheit vom Wiederholungszwang, und d.h. auf die Freiheit vom Zwang des Räumlichen. Das liberum arbitrium und die personale Freiheit (Grundlage der individuellen Zurechenbarkeit von Schuld) führen in die Bekenntnislogik, einer Vorform der transzendentalen Logik. Die kantische Idee der Freiheit führt aus dieser Bekenntnislogik (die in der Kritik der reinen Vernunft als Naturzwang begriffen wird) erstmals heraus: Seitdem ist das Konzept einer Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums denkbar.
    Die Kritik der reinen Vernunft ist der Beweis dafür, daß die Sprache fähig ist, das Gesetz ihrer eigenen Zerstörung zu begreifen und beim Namen zu nennen.
    Das Verhältnis von Sünde und Schuld ist kein kausallogisches, sondern eines der unendlichen Vermittlung. Das Prinzip der kausallogischen Verknüpfung, der individuellen Zurechenbarkeit von Schuld, das Prinzip der Personalität, war einmal ein Hebel im Kampf gegen den Mythos, aber ein Hebel, der dem Mythos selber entnommen worden ist und der ihn am Ende verschärft, nicht aufgelöst hat.
    Der erste Satz der Genesis unterscheidet sich von der Lehre von der Erschaffung der Welt dadurch, daß er im Namen des Himmels die Idee des seligen Lebens, die Möglichkeit der Auflösung des Schuldzusammenhangs, mit einschließt. (Hängt hiermit die apokalyptische Vorstellung des Kristallmeeres zusammen? Und hat sich in diesem Kontext der Geist aus dem Pneuma in das Feuer zusammengezogen, in die „Feuerzungen“? Ist das Kristallmeer der zur kristallinen Struktur erstarrte Mythos: die Opfertheologie und die naturwissenschaftliche Aufklärung? Und ist das Feuer die Einheit von Licht und Pneuma?)
    Nach der Lehre von der Erschaffung der Welt, in der der Himmel nicht mehr vorkommt, ist das Wort vom Lösen gegenstandslos geworden, konnte es zum Bußsakrament neutralisiert werden (mit der einzigen Gegenerinnerung in der Heiligengestalt der Maria Magdalena, der von den sieben unreinen Geistern Befreiten). Aber wäre das Lösen nicht genau auf diesen Neutralisierungsprozeß zu beziehen? Und gibt es nicht vergleichbare Lösungsansätze für alle sieben Sakramente (das Lösen der sieben Siegel als Lösen der sieben Sakramente aus ihrer „Neutralisierung“)? War die faschistische „Endlösung“ nicht eine entsetzliche Parodie dieses Lösens: der Greuel am heiligen Ort?
    Der Konfessionalismus gründet in der Opfertheologie (in der den Weltbegriff begründenden projektiven Gestalt der Erkenntnis), er endet im Kältetod der Religion, die zum steinernen Herzen der Welt geworden ist.
    Hängt das Verschwinden der Idee des Angesichts mit dem Verschwinden des Dualis zusammen?
    Haben die Sterne des Himmels und der Sand am Meer (ähnlich wie die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres) etwas mit den Wassern oberhalb und unterhalb zu tun?
    Die Naturwissenschaften: das sind die Umstehenden, auf deren Frage hin Petrus, die Kirche, zum drittenmal leugnet: sich selbst verflucht und schwört „Ich kenne diesen Menschen nicht“.
    Die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung reicht nicht mehr hin. Vom Wesen, das nur in apologetischem Zusammenhang noch vorkommt, ist das Verwesen nicht mehr zu trennen, und in der Tat: es riecht schon.
    Theologie und Kirche kommen in eine Phase hinein, in der jegliche Apologetik unters Bilderverbot fällt.
    Am Anfang der Geschichte der drei Leugnungen kommt die Magd des Hohepriesters, nach Joh die Pförtnerin. Verweist das nicht darauf, daß die Kirche schon innerhalb der Pforten der Hölle sich befindet, während gleichwohl gilt, daß diese Pforten sie nicht überwältigen werden? Aber das liegt am Hahn und nicht an Petrus.
    Zum Wort Reinhold Schneiders „Allein den Betern kann es noch gelingen …“: Sind nicht die „richtenden Gewalten“ das Dogma und seine Erben?
    Wodurch unterscheidet sich das Messias-Bekenntnis des Petrus („du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ Mt 1616) von dem der Marta bei der Auferweckung des Lazarus („Ja Herr, ich glaube, daß du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ Joh 1127)?

  • 08.04.93

    Die Erfindung der Null ist die Voraussetzung des Konzepts negativer Zahlen und die Grundlage für die Trennung der Dimensionen im Raum (Grundlage des Koordinatensystems, das die negativen Richtungen wie die positiven behandeln muß, ihnen die gleiche Realität verleiht). Gehört zur Genese dieses Konzepts nicht die Opfertheologie, die Vorstellungen von Hölle und Fegfeuer, die nach Etablierung der Vorstellung des unendlichen Raumes gemeinsam ins Unsichtbare verschoben, irrationalisiert werden.
    Weshalb erzeugt die Kritik des verdinglichenden Denkens das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren?
    An der Fallbeschleunigung ist nicht das Moment der Beschleunigung das Wesentliche, sondern das retardierende Moment: weshalb diese Beschleunigung nicht unendlich ist (was sie für ein Punkt-Objekt sein müßte).
    Theologie im Angesicht Gottes: das wäre eine Theologie des Paradieses.
    Ist das Planetensystem der Baum des Lebens, gesehen aus der Sicht des Baumes der Erkenntnis?
    Zum Futur II, „Es wird gewesen sein“: darin klingt auch die Bedeutung mit an „Es wird schon so gewesen sein, wie du sagst“. Das aber heißt, daß es eine Beziehung gibt zwischen Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit und der Zeugenschaft. Im Futur II zitiert sich das Subjekt selbst gleichsam als zuküftigen Zeugen, „verandert“ so seine eigene Erfahrung, gleicht sei strukturell der Erfahrung des Andern an. Das beschreibt zugleich die Grundstruktur des Inertialsystems, das Moment der Vergesellschaftung in ihr. Die Entwicklung der Mathematik und der Raumvorstellung ist ein Indikator des Standes der Vergesellschaftung des Subjekts.
    Die Mathematik begründet das Wissen und mit ihm die Begriffe der Natur und der Welt. Beide Begriffe, Natur und Welt, sind durch die Idee des Wissens und seine mathematische Begründung vermittelt.
    Nur die Sprachreflexion befreit uns von dem Wiederholungszwang, den wir Kultur nennen.
    Hängt es nicht mit der Beziehung von Mathematik und Vergesellschaftung zusammen, wenn schon seit den altorientalischen Ursprüngen die Astronomie ein Reflex und ein Grundlage der Staatenbildung gewesen ist? In diese Geschichte gehören die Megalit-Denkmäler hinein.
    Objektivierung und Scham: Ist nicht die Scham der Reflex des Objektivierungsprozesses in der Sensibilität (in der sinnlichen Erfahrung, die so an den Geschichtsprozeß gebunden ist).
    Grundprinzip des Christentums: Niemand darf die eigenen Untaten mit dem Hinweis auf die der andern rechtfertigen.

  • 06.04.93

    Zu den Gleichungen der Lorentz-Transformation: Entspricht der Längenkontraktion und der Zeitdilatation in der Bewegungsrichtung nicht eine Längendilatation und Zeitkontraktion in der Gegenrichtung? Und sind nicht alle dynamischen Verhältnisse auch in dem Sinne apriori, daß sie die Paritätsverhältnisse, die Gleichgewichtsverhältnisse, voraussetzen? Die Gleichungen der Lorentz-Transformation lassen sich als Drehungen in einem metrischen Kontinuum auffassen: Ist das dynamische Maß dieser Drehungen das Plancksche Wirkungsquantum (aus der Planckschen Strahlungsformel abzuleiten)?
    Sind nicht die Tiere, die den aufrechten Gang verlernt haben, Opfer der Deklination, der Beugung (Zusammenhang von Deklination und Konjugation mit der Struktur des Raumes: mit Linearität und Orthogonalität)? Und ist nicht der Kreis das mathematische Modell des logischen Schlusses (Identitätsprinzip des Begriffs)? Insoweit ist das kopernikanische Weltbild die Grundlage der Hegelschen Idee des Absoluten, und die Vorstellung des unendlichen Raumes ein Reflex des Gewaltmonopols des Staates.
    Zur Theorie des Geschwätzes: Geschwätz, Urteil und Öffentlichkeit; im Geschwätz entfaltet sich die Gemeinheit, die vom Prinzip der Öffentlichkeit nicht zu trennen ist (das Eine ist das Andere des Anderen). Die Hegelsche Logik reflektiert die Gesetze des Geschwätzes, dem sie in der Idee des Absoluten zugleich auch verfällt. Der unendliche Raum ist die verinnerlichte Gestalt des ägyptischen Sklavenhauses.
    Sodom und Gomorrha (sowie Jericho und Gibea) als Konflikt zwischen Stadt und Haus (Babel und Mizrajim): Babel (Stadt und Turm), Ninive (die große Stadt, von Nimrod gegründet, der der erste Held war auf der Erde und ein großer Jäger vor dem Herrn), Pharao (das große Haus). Notwendigkeit der Kritik der politischen Ökonomie.
    Melchisedek hat Brot und Wein geopfert; in der Josefs-Geschichte sitzen der Mundschenk und der Bäcker des Pharao im Gefängnis, und nur der Mundschenk kommt frei, während der Bäcker hingerichtet wird (ein Teil der Geschichte des Zusammenhangs von Trunkenheit und Herrschaft, die das Brot nur im Sklavenhaus sichern kann).
    Sind nicht Stadt und Haus: das Offene und das Geschlossene (Reflexion und Begriff, Deklination und Konjugation), die beiden Aspekte des Raumes? Heideggers Haus des Seins ist anti-urban (wie Heidegger überhaupt das Urbane in den Gestalten des Man, der Uneigentlichkeit, der Neugier, perhorresziert).
    Gefährlich ist die falsche Klarheit, die im Rahmen der Bekenntnislogik nur auf der Grundlage des Feindbilds sich herstellt.

  • 04.04.93

    Wirft nicht der Gebrauch des Begriffs des Staats in der folgenden Formulierung: „… so machen wir uns vergeblich Staat, das Dasein irgend eines Dinges erraten oder erforschen zu wollen“ (Kr.d.r.V., S. 219), ein neues Licht auf die Widmung des Werkes?
    Kants Kritik des Idealismus läuft in letzter Konsequenz auf die Ethik als prima philosophia und den Vorrang des Angesichts hinaus (durch die Widerlegung der Innerlichkeit). Seitdem ist eine Vorstellung des seligen Lebens, die nicht die Erlösung der Welt mit einschließt, nicht mehr zu halten.
    Rousseau, dessen ungeheure Bedeutung für die Geschichte der europäischen Aufklärung Derrida wieder in Erinnerung gerufen hat, hat durch seinen Naturbegriff das Rätsel des Ursprungs der Schrift unlösbar gemacht und die Unlösbarkeit in seinem Versuch über den Ursprung der Schrift selber demonstriert. War nicht der deutsche Idealismus überhaupt erst möglich, nachdem durch Rousseau das Schriftproblem zu einem Problem der wissenschaftlichen Erkenntnis geworden ist (und damit für die Philosophie neutralisiert worden ist).
    Ist es ein Zufall, daß die einzige Stelle, an der die Hegelsche Philosophie ein in der Philosophie sonst unbekanntes satirisches Niveau erreicht, die über die physiognomischen Theorien Lavaters ist? War dieser Aufwand für die Hegelsche Philosophie deshalb erforderlich, weil nur so das andringende Problem des Angesichts abgewehrt werden konnte? Verweist das nicht auf das affirmative Moment in jeder Form des politischen Kabaretts, das die Erinnerungsbereitschaft verhindert, indem es sie im Lachen explodieren läßt? Das wirklich befreite Lachen wäre ein vom Bann der Entfremdung (vom Bann des Raumes) befreites Lachen. Wird in Büchners „Lenz“, als Lenz begreift, daß der Mond nur eine leere Steinwüste ist, das (den Atheismus begründende) Lachen nicht zum Bellen (die Hunde, die den Mond und den Spaziergänger anbellen: sie wachen nur, aber sie beten nicht)? Ist nicht das Lachen des Lenz ein selbstreferentielles Sich-selbst-Auslachen, ein Lachen nach Innen? Daß einem das Lachen im Halse stecken bleibt, verweist auf die Physik, die zum Kloß im Hals der Theologie geworden ist.
    Nochmal bei Böll (Und sagte kein einziges Wort) die Beschreibung der Physiognomie der Prälaten nachlesen: die Unterscheidung des fanatischen Asketen vom hinterhältigen Genießer (beide Physiognomien tauchen bei den Nazis wieder auf: als SS-Offizier und Reichsleiter)?
    Ist scheol, das biblische Modell der christlichen Hölle, nicht in der Tat das Grab?
    Es ist wahr: Über Geschmack läßt sich nicht streiten, aber gleichwohl ist der Geschmack kritisch zu reflektieren (zum Bruch zwischen Theorie und Praxis). Ist nicht sapientia reflektierter Geschmack? Wie hängen sapientia, Geschmack und Gericht mit einander zusammen?
    Wenn die Musik aus dem Bauch kommt, besteht dann nicht die Gefahr, daß das Herz in die Hose rutscht?
    Wie paßt der Grundsatz „in mundo non datur casus“ (Kr.d.r.V., S. 232) zu Wittgensteins „Die Welt ist alles, was der Fall ist“? Auf der gleichen Seite beweist Kant, daß Selbsterkenntnis „ohne Beihülfe äußerer empirischer Anschauungen“, und d.h. ohne Weltreflexion, nicht möglich ist.

  • 03.04.93

    „Alle Erscheinungen liegen in einer Natur und müssen darin liegen, weil ohne diese Einheit (sc. die Einheit der Apperzeption) a priori keine Einheit der Erfahrung, mithin auch keine Bestimmung der Gegenstände in derselben möglich wäre“ (S. 212). Der Weltbegriff ist das Apriori der Natur; er bezieht sich ähnlich auf die Natur wie der Mythos (als Inbegriff der Kosmologien) auf die Opferreligion. Spiegeln die Opferreligionen (bis hin zum Christentum) nicht den „dynamischen“ Grund der Kosmologien?
    „Die Schrift ist als eine Macht der Scheidung in die Welt gefahren.“ (Rosenzweig: Jehuda Halevi, S. 211) Ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Paradies (auch) die Schrift? Liegt hier ein versteckter Hinweis auf die Beziehung des Ursprungs der Astronomie zum Ursprung der Schrift?
    Das Inertialsystem ist der Blick von der Seite: Von welcher, und wie sieht’s von der anderen Seite aus?
    Ist das Trockene des dritten Tages der Grund des Weltbegriffs, das sich aus den Wassern des Mythos erhebt, und die eine Stelle, an der sich die Wasser sammeln sollen: die Philosophie?
    Zu Dt 205ff und Lk 1418ff: Wo liegen die Differenzen?
    – Dt 20 bezieht sich auf die Vorbereitung zum Kampf gegen einen überlegenen Feind, Lk 1418 auf die Einladung zum Hochzeitsmahl;
    – der erste und der dritte Punkt stimmen überein: der Kauf eines Ackers und die Heirat.
    – an der zweiten Stelle steht im Dt „einer, der einen Weinberg anlegt und noch nicht die erste Lese gehalten hat“, bei Lk einer, der „fünf Ochsengespanne gekauft (hat) und … auf dem Wege (ist), sie mir genauer anzusehen“;
    – der letzte Punkt aus Dt fehlt bei Lk: Ist unter euch einer, der sich fürchtet und keinen Mut hat? Er trete weg und kehre nach hause zurück.
    Bei Mt (222ff) geht der eine auf seinen Acker, der zweite in in seinen Laden, andere fielen über die Boten her, mißhandelten sie und brachten sie um.
    Das Sehen, überhaupt die sinnlichen Beziehungen zur Außenwelt, sind bei Tieren und Menschen Mittel der Orientierung und Hilfen der Selbsterhaltung. Mit der Organisation der sinnlichen Wahrnehmung ist (bei Tieren und Menschen) das Moment der Selbstbewegung verbunden. Diesen Zusammenhang (von sinnlicher Gegenständlichkeit und Instrumentalisierung) bildet die Arbeit und dann das Inertialsystem ab. Welche Bedeutung hat vor diesem Hintergrund das Fernsehen (generell die technische Reproduzierbarkeit der sinnlichen Welt), das nicht mehr unmittelbar auf die Außenwelt, sondern auf Bilder der Außenwelt sich bezieht? In welcher Beziehung steht die technische Reproduzierbarkeit der Außenwelt zum Bilderverbot?

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