Philosophie

  • 08.01.91

    Vorrangiges Objekt der Physikkritik ist das Inertialsystem: als Grundlage und Referent aller physikalischen Begriffe. Bedeutung der zwei zentralen Entdeckungen Einsteins:
    – spezielle Relativitätstheorie: das System ist gegen gleichförmig-geradlinige Bewegungen invariant (Lichtbewegung keine Trägheitsbewegung; Elektromagnetische Gleichungen nur Form der Objektivation unter den Bedingungen des Inertialsystems, Hinweis auf Differenz zur zugrundeliegenden Realität; Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: das System ist endlich, „nach innen“ begrenzt);
    – allgemeine Relativitätstheorie: träge und schwere Masse sind identisch: Fallbewegung gleich Trägheitsbewegung: Anpassung des Inertialsystems: das System muß auch gegen gleichförmig beschleunigte Bewegungen invariant sein („Krümmung“ falsche Erscheinung im Inertialsystem, selbstreferentielle Beziehung: „nach außen“ begrenzt).
    Das Licht und die Schwerkraft sind dem Inertialsystem transzendent. Ihre Subsumtion unters Inertialsystem (die Schwerkraft am Anfang, das Licht am Ende des naturwissenschaftlichen Objektivationsprozesses): ihre Vergegenständlichung ist Produkt einer Vermittlung, die ihr Resultat nicht unberührt läßt (gibt es hierzu gesellschaftliche Korrelate: die Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip begründet den Kapitalismus, die der Privatsphäre, der sinnlichen Qualitäten, der technischen Reproduzierbarkeit der sinnlichen Welt: des Inbegriffs der entfremdeten Subjektivität und der Verinnerlichung der Dialektik von Herr und Knecht, beschließt ihn).
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Identität von träger und schwerer Masse?
    Die Trägheitsbewegung ist ein Derivat der Fallbewegung („die Welt ist alles, was der Fall ist“). Nur das Licht ist dem Fall enthoben? Die Simultaneität des Raumes (des Inertialsystems) ist ein durch den Fall vermitteltes Derivat der Gegenwart (des Lichts), die dem Vergehen – und dem Wissen – ein Objekt verschafft (die Vergangenheit, die nur als eine der Gegenwart entfallene Vergangenheit sich denken läßt: es gibt keine ursprüngliche Vergangenheit).
    Gegenstand des Wissens ist das Vergangene: wie wird es zum Gegenstand des Wissens? In der Physik durchs Inertialsystem, in der Philosophie durch den Begriff (Vernichtung und Aufhebung des Objekts).
    War die Virginitas (das weibliche Korrelat des Bekenntnisses) ein Protest gegen den Warencharakter der Frau (Ehevertrag als Kaufvertrag; Beischlaf als Kauf- und Nutzungsakt)? Steckt darin auch ein Hinweis auf die Bedeutung des Bekenntnisses (Vergeistigung der Zeugung: objektiviert in der Trinitätslehre)? Zusammenhang mit der Geldwirtschaft. Bedeutung der evangelischen Räte (Gehorsam, Armut und Keuschheit): Ihr könnt nicht zugleich Gott dienen und dem Mammon. Die unbefleckte Empfängnis war demnach die vom Tauschprinzip unbefleckte Empfängnis; und Maria ist Jungfrau geblieben heißt: sie ist nicht Eigentum des Mannes geworden. Die Biologisierung des Keuschheitsgebots ist (zusammen mit den damit verbundenen paranoiden Blut- und Reinheitsvorstellungen) Modell und Ursprung des Rassenantisemitismus.
    Das Bekenntnis liegt in der Nachfolge des Martyriums: der Zeugenschaft. Frauen waren nicht bekenntnisfähig, weil sie nicht Zeugen sein konnten (das Martyrium war möglich, das Bekennertum nicht: Folge der Anpassung an die Welt; gleichzeitig Biologisierung der Jungfrauenschaft). Ursprung der Zeugenschaft ist das (Straf- und Zivil-)Recht: der Nachweis eines Verbrechens und der Vertragsstreit, der Streit über ein Schuldverhältnis, der durch zwei Zeugen aufgelöst, befriedigt werden kann (Vgl. hierzu die Bemerkungen von Lyotard zu Auschwitz).
    Die paulinische Kritik des Gesetzes, sein Rechtfertigungs- und Glaubensbegriff, seine Gnadenlehre, seine Christologie, seine Lehre von der Eucharistie, von Tod und Auferstehung, auch seine Frauenfeindlichkeit werden vor diesem Hintergrund verständlich?
    Ödipuskonflikt in der realen Geschichte des Christentums begründet? Inzesttabu und Verletzung des Inzesttabus (Mutterideologie als letzte und gefährlichste Phase des Säkularisationsprozesses: vgl. Drewermanns Kleriker-Buch).

  • 04.01.91

    Zum Begriff der Entfremdung: Generalisierung der Erkenntnis von außen: hinter dem Rücken der Sache, an seiner schwächsten Stelle, an der der Subjektlosigkeit, der Vergangenheit. Bedeutung (und Zusammenhang) der kantischen subjektiven Formen der Anschauung (Raum und Zeit), der Herrschaft des Tauschprinzips (Geld), des Bekenntnisses (Instrumentalisierung der Religion, Blasphemie).
    Das „hinter dem Rücken“ ist die Grundlage der Hegelschen List, die die Vernunft, ja letztlich die Wahrheit leugnet. Hegel hat sich durchs Instrument der List der Vernunft auf die Seite der Sieger geschlagen. Das war der Preis für seine Staatsphilosphie.

  • 01.01.91

    Die Rede von der „Überwindung der Mechanik“, überhaupt von den „Überwindungen“ (des 19. Jahrhunderts o.ä.), ähnelt dem Verhalten von Newcomern, die sich ihrer Herkunft schämen und sich falsche Ahnenbilder ins Wohnzimmer hängen. Das Christentum heute scheint zu einer Galerie falscher Ahnenbilder zu werden.
    Der Begriff der „rohen Natur“ ist ambivalent. In ihm wird der vorzivilisatorische Zustand mit einem durch den Zivilisationsprozeß erst vermittelten: mit dem, was im Verwertungsprozeß als dessen materielle Grundlage (als Rohstoff- und als menschliche und „natürliche“ Rohenergiebasis) selbst erst produziert worden ist, in eins gesetzt. Was im Verwertungsprozeß als das Erste gesetzt wird, muß es nicht auch an sich sein. Ist es so undenkbar, daß das sogenannte Primitive auch als Endstufe eines Verfallsprozesses sich fassen läßt? – Adornos Kritik des „Ersten“ (in seiner Metakritik der Erkenntnistheorie) scheint nicht ganz frei von dieser Verwechslung zu sein, die selber wiederum (mit Konsequenzen bis in seine Ästhetik hinein) mit dem unaufgeklärten Weltbegriff zusammenhängt: mit dem Problem der gegenständlichen Entsprechung seiner Erkenntniskritik, seines Begriffs der negativen Dialektik. Der Begriff der „rohen Natur“ macht Ungleichnamiges gleichnamig. Dieses Ungleichnamige ist der „Eckstein, den die Bauleute (bei dem Turmbau von Babel, der heute seiner Vollendung entgegen zu gehen scheint) verworfen haben“. (Zum Zusammenhang von Geschichte der Architektur und Ontologie: Die Fundamentalontologie als Betonbunker.)

  • 28.12.90

    Das Bekenntnissyndrom vollendet sich in der Wertphilosophie und im damit verbundenen Personalismus. Nicht zufällig ist Scheler einmal katholisch geworden, hat seine Philosophie in der Zeit zwischen den Weltkriegen eine bestimmte Form der philosophischen Adaptation des Katholizismus geprägt. Hier wurde die Spitze der Remythisiserung erreicht: der Punkt, an dem die Umkehr hätte erfolgen müssen. Die versäumte Umkehr fand dann ihren präzisesten Ausdruck im fundamentalontologischen Höllensturz, in dem insbesondere der Personalismus sich als nicht haltbar erwies und völlig einbrach (Geworfenheit des Daseins, seine Verfallenheit an das Man).
    Nach Scheler ist der Mensch als Person Gegenstand der Ethik. Seine „aktiv transzendenten Akte (Gesinnung, Wille, Handlung)“ unterliegen dem Werturteil: Deshalb ist die Person „Wertträger“ (vgl. N. Hartmann: Ethik, S. 227ff). Diesen objektiven Zusammenhang (der Werturteile) denunziert Heidegger später als den des Geredes. Als Person begreift das Subjekt sich selbst (und andere) als Objekt des Urteils anderer, es sieht sich selbst durch die Augen der anderen (als Gegenstand des Geredes). Im Zusammenbruch der Wertethik trat die Gemeinheit dann offen zutage, die die Wertethik (als Theorie der Urteile, die hinter dem Rücken der Betroffenen über sie gefällt werden) noch scheinbar harmlos vorbereitet und verbreitet hat. Die Instrumentalisierung der Wertethik ist der Faschismus (Vermeidung des offenen Gesprächs, Denunziation, Informationen und Urteile als Mittel der Intrige etc.: Inbegriff/System der Gemeinheit, in deren Konsequenz der Mord liegt). Person ist das vorbezeichnete Objekt des Rechts und der Verwaltung: bis hin zur Liquidierung.
    Person, Bekenntnis, Antisemitismus: Jedes Bekenntnis bekommt Gewicht erst dadurch, daß sich gleichsam die Person selbst in die Waagschale wirft; mit dem dohenden Hinweis: wer das Bekenntnis angreift, greift mich, die Person, an („Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“). So wird das Bekenntnis unwiderlegbar, aber um den Preis der Unbelehrbarkeit (vgl. Sartres Portrait eines Antisemiten).

  • 25.12.90

    Was haben Ich und Auge, I und Eye, Ego und Oculus miteindander zu tun?
    Heideggers „Dasein“ (beachte die Zweideutigkeit des „Sein des Da“) macht genau das Objektsein, Prinzip der Verdinglichung, zum Zentrum seiner Philosophie. Subjektivität als Projektion, was einmal mit dem Personbegriff begonnen wurde, kommt hier zum verdienten Ende. Das „Dasein“ ist (wie die Person) Sein für Andere. Der Trick besteht darin, ein Satz-Subjekt zu finden, zu dem es prinzipiell ein Prädikat nicht mehr gibt (dazu gehören insbesondere das Sein und das Dasein): die Frage an sich (die Seinsfrage, die deutsche Frage, die jüdische Frage). Wer dieses Spiel nicht mitmacht, hat den Ernst der Frage (nicht einer bestimmten Frage: die fällt unters Verdikt des metaphysischen Denkens, sondern der Frage, die sich in ihrer eigenen objektlosen Struktur, dem Grund der objektlosen Angst, verstrickt) nicht begriffen. Heidegger kritisiert (destruiert?) die Metaphysik (als Gesetz der Vergegenständlichung) mit ihrem eigenen Prinzip. Das ist eine „Überwindung“, die unvermittelt und ausweglos -Heidegger würde sagen: je schon – dem, was sie überwunden zu haben vorgibt, verfallen ist.
    Bubers Bemerkung, mein Brief habe ihn „personhaft“ berührt, hatte in mir unüberwindlich ambivalente Reaktionen ausgelöst: Ich empfand sie sowohl als Lob wie als Beleidigung.

  • 20.12.90

    Verführung durch den positiven Naturbegriff (das „Zurück zur Natur“ ist die Regression in die Barbarei): Vorstellung eines Grundes, auf dem alles aufruht, unzutreffend; das Widerständige, Böse ist nicht von außen in eine an sich heile Natur hereingekommen und kann deshalb durch menschliche Praxis, durch wissende Veränderung auch nicht eliminiert werden; die Vorstellung, daß die Welt danach wieder in Ordnung wäre, ist Ideologie. Völlige Veränderung der Perspektive, wenn begriffen wird, daß die Hypostasierung der Natur Produkt einer (paranoiden) Projektion ist (Humes Kritik der Kausalität und des Dingbegriffs sowie in seiner Nachfolge die positivistische Kritik der Äther- und Molekulartheorien wurden deshalb so wütend abgewehrt, weil sie an das dogmatische Selbstverständnis und das pathologisch gute Gewissen des wissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs, an die Grundlagen des autoritären Charakters, nicht zuletzt des Antisemitismus, rührten). Heute hätte die Verdinglichungskritik ihr zentrales Objekt an der gesamten Mikrophysik, an der Abwehr aller Versuche, die mikrophysikalischen Strukturen aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit abzuleiten: Voraussetzung wäre die präzise Diskussion des mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verbundenen Bewegungsbegriffs; das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit destruiert die Vorstellung eines mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegenden Objekts; den mathematischen Strukturen angemessener wäre die mit einer Umkehrung des Richtungssinns verbundene Vorstellung einer Bewegung des Raumes, nicht des Objekts: Korrelat des Falls, der Vergängnis: diese Vorstellung löst auch die Rätsel des Quantenproblems.
    Die Instrumentalisierung ist eins mit der Verdinglichung, der Austreibung der Sinnlichkeit; das gilt für die Dogmengeschichte wie für die Geschichte der Naturwissenschaften. Die christliche Sexualmoral ist die Grundlage für die Entrealisierung und Verdrängung der primären Sinnesqualitäten: Nicht zufällig erinnert der Empfindungsbegriff an den der sinnlichen Lust.

  • 12.12.90

    Der Stand der naturwissenschaftlichen Aufklärung und der der polit-ökonomischen Entwicklung sind ein Index für den Stand der „Welt“-geschichte (im Sinne der Geschichte der Welt: der Säkularisation, der Herrschaft). Die Vorstellung, daß die Welt eine statische, in der Zeit sich nicht verändernde Struktur besitze und nur unsere Erkenntnis der Welt sich im Sinne einer immer größeren Annäherung an die Wahrheit sich ändere („fortschreite“), verdrängt den massiven, brutalen Eingriff durch den parvus error in principio, den imgrunde seit je politischen Weltbegriff und die Geschichte der Konzeption des Materie-, schließlich des Trägheitsbegriffs; sie verdrängt das Herrschaftsmoment in der Struktur dieser Welterkenntnis. Und diese Verdrängung ist der Grund für die Blindheit hinsichtlich der Funktion und Bedeutung des Tauschprinzips in diesem Prozeß.

    Eric Voegelin verfällt selbst dem, was er die gnostische Revolution nennt: wenn er den Gnosis-Begriff instrumentalisiert, ihn als Waffe gegen revolutionäre Bewegungen verfügbar macht. Dies ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, daß der Kampf gegen einen Feind (die „gnostische Revolution“ als das „absolut Böse“) zwangsläufig in den Netzen der Identifikation mit dem Aggressor sich verfängt (oder auch: projektive Züge annimmt; das Fatale der christlichen Höllen- und Teufels-Vorstellung liegt in den Konsequenzen der Verletzung des Gebots der Feindesliebe).

    Hobbes‘ These, daß der Friede mit dem Mitmenschen zu den wichtigsten politischen Grundsätzen gehört (Voegelin, S. 212), rührt an einen in der Tat wichtigen Punkt (an den Grund der Notwendigkeit von Gewaltfreiheit): die Welt und die Menschen in ihr stehen in einer Wechselbeziehung, die grundsätzlich den Gebrauch von Gewalt beim Versuch der Weltveränderung ausschließt. Gewalt gehört zu den Konstituentien der Welt und bestätigt und verhärtet sie. Wer Gewalt gebraucht, macht sich mit der Welt gemein, die er zu bekämpfen glaubt. Der einzige Ausweg ist der der Arbeit an der Auflösung des Schuld- und Verblendungszusammenhangs: der Aufklärung. Die Welt gründet in den Köpfen der Menschen (und zwar aller Menschen: der Menschheit), während die subjektiven Konstituentien der Welt zugleich objektive Realität besitzen, unabhängig sind vom Anschauen und Denken der einzelnen Menschen.

  • 20.11.90

    (Notiz 27.11.81: Sinn gibt es nur, wenn mein Handeln Einfluß auf das Schicksal der Toten (der Vergangenheit, der Natur) hat.)

  • 06.11.90

    Freiheit definiert sich nicht im Gegensatz zur Macht sondern zur Schuld (gegen den Rechtfertigungs- und Wiederholungszwang). Grundlage ist nicht die Unschuld, sondern die Versöhnung.

  • 14.10.90

    Zur Pseudonymität der jüdischen Apokalyptik vgl. R.H.Charles (in Koch: Apokalyptik, S. 173ff); Anwendung auf Kabbalah (Apokalyptik/ Prophetie: Mystik/ Rabbinische Tradition).

    Neubestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Theologie: Philosophie ist der verinnerlichte Intimfeind der Theologie; ihre Kritik wird als Selbstkritik, wenn nicht als Nestbeschmutzung erfahren. Es gibt allerdings auch keinen Weg an der Philosophie vorbei, sondern nur durch ihre Kritik (ihre genaueste Kenntnis) hindurch. In dieser neubegründeten Theologie erfüllt sich auch die Philosophie. Das „bis an die Grenzen der Welt“ gilt nicht nur in seiner extensiven (geographischen), sondern auch in der intensiv-qualitativen (geschichtlich-gesellschaftlichen) Bedeutung (im Hinblick auf die fortschreitende Säkularisation).

  • 05.09.90

    Die Differenz zwischen Benjamin und Adorno läßt sich anhand ihrer Beziehung zur Kunst aufzeigen: Benjamin sucht Philosophie und auch Theologie durch Kritik der Kunst zu konstituieren, während Adorno die ästhetische Erfahrung, die Sensibilität des produzierenden Künstlers in die Philosophie mit hereinnehmen, durch Reflexion zur Philosophie erheben möchte. Die Grenze wird bestimmt durch das Verhältnis zum Mythos: Benjamin will die Philosophie aus der Kritik des Mythos, zu dem er auch die Kunst zählt, gewinnen, während Adorno die Kunst selber als antimythisch begreift, sozusagen als auf dem Wege zur Erkenntnis, und er diesen Weg in der Philosophie nachvollziehen will.

    Bedeutung der Philosophie des Islam für die Neubegründung der Philosophie in Europa: Eine Reihe von Themen und Motiven, die in der europäischen Scholastik unmotiviert und wie aus heiterem Himmel erscheinen, sind in der islamischen Philosophie noch sehr deutlich im Zusammenhang und in ihrem historischen Ursprung zu erkennen. Eine Arbeit, die noch zu leisten wäre. Insbesondere die Engel- und Dämonenlehre, die im Islam noch direkte Beziehungen zum Mythos und zur Naturphilosophie (speziell zur Astrologie) aufweisen, wären zu untersuchen. Hinzu kommt: der Islam läßt sich wahrscheinlich als die konsequente Remythisiserung der Offenbarungsreligion beschreiben. Eine ganze Reihe von Kompromißbildungen, die hierbei notwendig waren, sind in die Scholastik bei gleichzeitiger Verdrängung ihres historischen Ursprungs mit übernommen, hierbei aber nicht wirklich aufgearbeitet worden. Ist das Problem des Islam vielleicht überhaupt erst dann lösbar – und ist insofern auch die Summa contra gentiles neu zu schreiben -, wenn die christliche Theologie durch das Purgatorium der Mythoskritik hindurchgegangen ist.

    Die merkwürdige Stellung der Rechtsgelehrten im Islam, die ja doch wohl eine gleichrangige Bedeutung neben den Theologen haben: Ist die hierdurch bestimmte Form der Objektivität der theologischen Wahrheit, die dann von der Scholastik rezipiert wurde, das verhängnisvollste islamische Erbe des Christentums (Produkt der islamischen Aufarbeitung der griechischen Philosophie)? Der Islam ist sozusagen vor der Verinnerlichung und Vergegenständlichung des Daimon und des Schicksals zurückgeschreckt und hat sie wieder nach außen versetzt. Das ist in die Konstruktion der islamischen Naturphilosophie, die insoweit mythisches Erbe übernimmt und den Schritt in die gesellschaftliche Naturbeherrschung durch Instrumentalisierung nicht mitvollzieht. Diese merkwürdige Vorstellung: Allah ist nur der Höchste der Götter; die Engel sind gottähnliche Wesen, Repräsentanten der alten mythischen (Sternen-)Götter; die sublunarischen Dämonen sind offensichtlich Repräsentanten der alten Stammesgötter, von denen nach islamischer Auffassung einige sich zum Islam bekehrt haben.

    Zur Konstruktion des göttlichen Zorns: Hat er kein Objekt mehr oder hat er noch kein Objekt?

    Der Staat, wenn er selbst sich getroffen fühlt, wie im Falle der Terroristen-Verfahren, vergißt alle rechtlichen Selbstbeschränkungen und fällt in die finsterste Vergangenheit der Blutrache zurück.

    Nicht Zwangsbekenntnis, sondern: Säkularisation des Bekenntnisses, Unterwerfung des Bekenntnisses unter Weltbedingungen, die zwangsläufig zur Umkehrung und Vernichtung seiner ursprünglichen Intention führt.

    Die nationale Besoffenheit soll den Heiligenschein liefern für den Reibach, den die BRD-Wirtschaft in der DDR machen will (wie schon einmal die deutsche Wirtschaft in den Arisierungs-Verfahren vor einem halben Jahrhundert: auch damals gab es eine Treuhandstelle).

    Rüstungsindustrie, Entwicklungshilfe, Agrar-Marktordnungen, Energie-Forschung, überhaupt die Großprojekte der naturwissenschaftlichen Forschung (Grundlagen-Forschung), nicht zu vergessen: der Gesundheitsbereich und die Chemische Industrie: Schwerpunkte der westlichen Ökonomie sind längst zu mehr oder weniger verdeckten Subventionsbereichen geworden, wobei die Namensgebung und die nach draußen vertretenen Ziele mittlerweile fast durchgehend Orwellschen Sprechregelungen unterliegen (Beispiel; Kriegs-/ Verteidigungsminister). Die Umkehrung der Beweislast für den, der versucht, die Dinge beim Namen zu nennen, ruht auf öffentlichen (gesamtgesellschaftlich induzierten) Verdrängungsleistungen, die nur an den dafür notwendigen paranoiden Projektionen zu erkennen ist – Modell der Kohlschen Sprachstrategie.

    Der Logos, der an die Stelle des ursprünglich Messianischen trat, als die Naherwartung enttäuscht wurde, war das Indiz für die Veränderungen, die dann im religiösen (und später politischen) Bekenntnisbegriff sich entfaltet haben. Das spekulative Verhältnis Gottes zur Schöpfung, für das der Logos seit Philo und dem Evangelisten Johannes einsteht, hat sein gesellschaftlich-politisches Pendant in der Verwaltung. Nicht zufällig waren die Logos-Spekulationen verbunden mit den Spekulationen über die Engel-Hierarchien, die die Organisation des Kosmos repräsentierten; nach ursprünglicher Auffassung war der Logos selber ein Engel (vgl. Werner: EdChD).

  • 31.08.90

    Das transzendentale (idealistische) Subjekt ist

    – die Einheit von Herr und Knecht (die gerichtete richtende Instanz, „Teufel und arme Seele zugleich“),

    – Produkt und Substrat der Empörung (im theologischen Sinne),

    – Grund der Dialektik in Philosophie und Geschichte,

    – der blinde Fleck der Theologie (der etablierte Atheismus),

    – die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird,

    – Schlüssel des Totenreichs („Vorlaufen in den Tod“ als Entschlossenheit und Grund der Eigentlichkeit – Heideggers Fundamentalontologie als Versuch, die ausweglose Erfahrung der verdinglichten Welt von innen zu beschreiben),

    – Subjekt der „Sorge“ (Sorge als vom Herrendenken nicht abzulösende Quelle des Selbstmitleids; ursprüngliche Akkumulation des Herrendenkens und des Objektivationsprozesses gründet im Selbstmitleid: no pity for the poor).

    Die Physik macht aus einem Akzidenz eine Substanz: Sie unterwirft die Dinge der Herrschaft der Zeit (der Vergangenheit).

    Alle denunziatorischen Begriffe in „Sein und Zeit“ sind projektiver Natur: sie treffen die eigene Intention und den Inhalt des Werkes.

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