Die Barmherzigkeit ist der Mutterschoß der zukünftigen Welt. Hängt nicht die Rosenzweigsche Übersetzung von Gen 12a: „Geist Gottes brütend über den Wassern“ (Stern der Erlösung, Frankfurt 1988, S. 170), hiermit zusammen? Und wenn die Propheten „im Mutterschoß“ berufen wurden, heißt das nicht, daß sie im Namen der Barmherzigkeit berufen wurden?
War nicht die 68er Bewegung ein Ausbruchsversuch aus der gleichen Lähmung, die mich in den 60er Jahren am Schreiben gehindert hat? Aber ein Ausbruchsversuch, der die Voraussetzungen seines möglichen Gelingens zugleich verdrängt hat? Meinen Hoffnungen, mit denen ich die 68er begleitet habe, war eigentlich von Anfang an das Bewußtsein, daß es so nicht möglich war, beigemischt. Die 68er waren einer Logik verfallen, die aus ihrer Beziehung zum Faschismus, aus den daraus erwachsenen Rechtfertigungszwängen, sich herleiten läßt: Die Verurteilung des vergangenen Faschismus, die jedes Verständnis ausschloß, umschrieb die ganze Spannweite der philosophischen Bewegung von Spionoza bis Hegel: das Urteil über den Faschismus war im Anfang der „index veri et falsi“, es erwies sich dann als der „bacchantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist“. Die Verurteilung des Faschismus war ein „historisches“ synthetisches Urteil apriori, es kehrte sich als juristisches „synthetisches Urteil apriori“ in den „Staatsschutzprozessen“ gegen die, die im Licht dieses Urteils die Gegenwart zu zu begreifen versucht hatten. Der Grundfehler lag in dem unausweichlichen logischen Zwang, der mit dem doch so evidenten Schuldspruch über den Faschismus die gesamte Vergangenheit neutralisierte, die Erinnerung gegenstandslos machte.
Welche rechtslogische Bedeutung hat die Umwandlung des Angeklagten in einen Feind: Gewinnt nicht das juristische Urteil erst durchs Feindbild sein apriorisches Objekt (so wie die transzendentale Logik durch die subjektiven Formen der Anschauung)?
Die juristische Adaptation des Feindbildes (deren Logik der Carl Schmittsche Rechtsphilosophie zugrundeliegt) ist der Kern der Notstandslogik, die in den Staatsschutzverfahren den Rechtsstaat dekonstruiert.
Wenn der Rechtfertigungszwang zum Gerüst der transzendentalen Logik des Rechts wird, wird der Strafvollzug zur Grundlage des „Reichs der Erscheinungen“, die selber kein Teil des Reichs der Erscheinungen ist, wird der Strafvollzug zu dem hinter den Erscheinungen verborgenen Ding an sich.
Philosophie
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17.12.95
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16.12.95
Pilatus als Kirchenvater: Hat er nicht mit der Freigabe des Barabas die kirchliche Trinitätslehre begründet? Der Name Barabas bezeichnet die vergegenständlichte Selbsterfahrung Jesu, rückt diese in den Bannkreis des Herrendenkens. Als Jesus mit einer Gegenfrage sich weigerte, die Vollmacht, mit der er spricht, vor den Pharisäern und Schriftgelehrten zu benennen, hat er diese Vollmacht gegen ihre Vergegenständlichung verteidigt. Die Nicht-Antwort war die schärfste Kritik der Theologie. Diese Nicht-Antwort präludiert sein Schweigen vor dem Hohen Rat und dann vor Pilatus. Ist nicht die Theologie heute die Produktion dieses Schweigens? Vertritt nicht die Theologie die Pharisäer und Schriftgelehrten, den Hohen Rat und Pilatus gegen ihr eigenes Objekt, das sie zum Schweigen verurteilt (weil sein Wort ihr Angst macht)? Deshalb ist es zu einer der Hauptaufgaben der Theologie geworden zu beweisen, daß die Schrift das, was sie sagt, nicht so meint.
Ist nicht die Geschichte vom Steuergroschen eine Belegstelle für das Wort vom Greuel am heiligen Ort?
Theologie-Kritik: Die apologetische Suche nach einer Legitimation der Theologie beweist nur, daß niemand an die der Theologie immanente, sie überhaupt erst begründende Kraft der Selbstlegitimation mehr glaubt.
Begründung des Rechts: In den Verbrechern erkennt die staatlich organisierte Gesellschaft das projektive Bild ihres eigenen Tuns; das Rechtsurteil und die Strafe sollen die eigene Schuld und das Erschrecken davor durch projektive Bearbeitung aufheben.
Vgl. Hegels Satz „Das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ mit Spinozas Definition der Wahrheit: Verum est index sui et falsi. Liegt die Differenz zwischen den beiden Sätzen nicht im Problem der Beweislogik? Die Spinoza Wahrheit liegt in der Einsicht, sie unterliegt nicht der Beweislogik, während das Wahre Hegels das Wahre für andere ist, das bewiesen werden muß: die durch die Beweislogik vermittelte Wahrheit. Ist die Differenz nicht ein Beleg für das, was Levinas einmal die Asymmetrie zwischen Ich und Du (zwischen mir und dem Andern) genannt hat? Ist nicht Spinozas Definition eine theologische, Hegels Definition hingegen eine juristische?
Wenn der Apokalypse zufolge das Meer am Ende nicht mehr sein wird, muß man da nicht das Werk des dritten Schöpfungstags zur Erklärung mit hinzuziehen? „Und Gott sprach: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einen Ort, daß das Trockene sichtbar werde! Und es geschah also. Und Gott nannte das Trockene Land, und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer. …“ (Gen 19f). Hinweis: In Texten der Kabbala wird die Stelle, an der es heißt: … sammle sich an einen Ort, übersetzt: sammle sich am Ort der Eins. Bezieht sich das Nicht-mehr-Sein des Meeres auf das Ende des Identitätsbegriffs, auf einen Zustand, in dem es der Identität nicht mehr bedarf? – Vgl. auch die kabbalistische Unterscheidung im Namen des Himmels (schamajim), in dem die Namen von Wasser und Feuer enthalten sind, und das „Alles ist Wasser“ des Thales, mit dem die Philosophie, die Herrschaft des Identitätsbegriffs, beginnt, sowie das Jesus-Wort: „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“. -
3.12.95
Zum Begriff des Objekts:
– Der Begriff des Objekts ist ein Weltbegriff: es ist die Welt, die der Natur den Objektbegriff zugrundelegt, so den Naturbegriff begründet.
– Die Natur dynamisiert den Objektbegriff, der nur im Kontext des Weltbegriffs als statischer, ein für allemal gegebener Begriff erscheint (darin reflektiert sich das Erhaltungsgesetz der kapitalistischen Produktion, die nur als ständig sich erweiternde sich erhält: mit dem marktwirtschaftlichen Konzept der „Währungsstabilität“, das nur über eine „ausgeglichene Außenhandelsbilanz“ sicherzustellen ist, ist die Ausbeutung der Dritten Welt mitgesetzt). Ohne fortschreitende Naturerkenntnis, und d.h. ohne den Prozeß, den sie gegen die Objekte in sie hineintreibt, würde es den Objektbegriff nicht geben.
– Der Satz aus der Dialektik der Aufklärung, daß die Distanz zum Objekt, Voraussetzung der Abstraktion, vermittelt ist durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt, verweist darauf, daß in der Strukturgeschichte des Objekts (in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnis) die Herrschaftsgeschichte sich widerspiegelt, die jedoch dem Herrendenken selber, das unter dem Primat des Welt-, nicht des Naturbegriffs steht (oder das sich selbst im blinden Fleck steht), verborgen bleibt: das „Innere der Natur“, das der Erkenntnis sich entzieht, ist die Herrschaftsgeschichte, die sich selbst nicht durchschaut (außer in der „Heiligung des Gottesnamens“).
In dem Satz: Das Innere der Natur ist die Herrschaftsgeschichte, steckt die Beziehung von Hegel zu Schelling.
Hat die Beziehung der Begriffe Natur und Welt etwas mit der Beziehung der Planeten zum Tierkreis, hat sie etwas mit der Beziehung der Plejaden zum Orion zu tun? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen auf den Weltbegriff, den Inbegriff des Bindens, zu dem es bis heute ein Lösen (das dann auch auf den Himmel sich erstrecken würde) noch nicht gibt?
Ist nicht die „Währungsstabilität“ das politisch-ökonomische Äquivalent der „subjektiven Formen der Anschauung“: die eine garantiert die Stabilität des Marktes im Innern der Nationen (auf Kosten der „Dritten Welt“), sie garantiert die Einheit der Nationalökonomie, die andere die Stabilität des Wissenschaftsbegriffs (der Identität der wissenschaftsfundierenden Totalitätsbegriffe Natur und Welt), und damit die Einheit des erkennenden Subjekts.
Der Kampf gegen den Baal war der prophetische Kampf gegen die Anfänge des Herrendenkens, während die Apokalypse die Ursprungsgeschichte einer Situation reflektiert, in der (mit der Ursprungsgeschichte des Staates, im Namen Babylons, und in der logischen Konstruktion des Weltbegriffs) das Herrendenken objektivitätskonstituierende Bedeutung gewinnt. Dieser Prozeß wird in der Prophetie im Bilde des Kelchs reflektiert (Taumelkelch, Kelch des göttlichen Zorns: der Kelch, den die Herrschenden trinken, bis hin zum Unzuchtsbecher in der Johannes-Offenbarung; vgl. auch Hegels Satz: das Wahre ist der bacchantische Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist).
Bezieht sich nicht das Wort am Kreuz: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, auf alle Gestalten des Bewußtseins, die unterm Bann des Weltbegriffs stehen, auch auf die Theologie seit den Kirchenvätern (auf die Theologie hinter dem Rücken Gottes, eine Theologie, die bis heute nur gebunden, nicht gelöst hat)?
Wer an Gott glaubt, muß an die Aufertehung der Toten glauben. Gott ist der Erwecker der Toten. Alles andere ist Rechtfertigung, Ideologie.
Unschuldssyndrom: Wer nur unschuldig sein will, hat der Gerechtigkeit bereits entsagt. Es gibt keine Unschuld in dieser Welt, nur die Gottesfurcht; und die ist in der Tat der Anfang der Weisheit. Die Bekenntnislogik, zu der die Rechtfertigungslehren gehören, verdankt sich dem Unschuldssyndrom.
Der Satz: „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, sprengt den Objektbegriff, der selber ein Depositum des Rachebedürfnisses ist (das Rachebedürfnis begründet und konstituiert das Präsens und den Indikativ).
Die theologische Qualität der deutschen Sprache läßt sich an Wörtern wie Zorn und Wut (an der Unterscheidung der beiden Begriffe), an der Äquivokation des Seins (Infinitiv und maskulines Possessivpronomen) oder des Zeugen und der Zeugung, die keine bloßen Äquivokationen sind, an der Deklination der bestimmten Artikel und nicht zuletzt am Begriff des Substantivs erkennen.
Im Kontext seiner Funktion als Possessivpronomen ist das Sein das Fundament des Rechts und des Staats.
Der Substantiv ist der apokalyptische Drache, der das Weib, das den Knaben geboren hat, verfolgt. -
1.12.95
Brief an Ton Veerkamp:
Zum apokalyptischen Symbol des Tieres (das im moralischen Gebrauch dieses Symbols, in seiner Anwendung auf den Trieb, die Sexualität, gleichsam halbiert wird) ist darauf hinzuweisen, daß es nicht im Gegensatz zur selbsterhaltenden Vernunft, sondern als die apokalyptische Gestalt ihrer kollektiven Verkörperungen zu begreifen wäre: als Verkörperung einer Gestalt der Vernunft, die durch Einschränkung aufs Selbsterhaltungsprinzip sich selbst ihrer erkennenden Kraft beraubt. Der Repräsentant der Selbsterhaltung im Erkenntnisprozeß ist die intentio recta: der Positivismus (Zusammenhang mit dem Weltbegriff; Wittgenstein; Hegels Logik; Kants Definition von Natur und Welt; die Urteilslogik und die subjektiven Formen der Anschauung, das Geld und die Bekenntnislogik; Sprachphilosophie und Theologie des Falls). -
18.11.95
Der Weltbegriff ist das Produkt einer Transformation der Schicksalsidee: Die Welt läßt sich als der Inbegriff aller Begriffe bestimmen; der Begriff aber ist ein Produkt der Verinnerlichung der Schicksalsidee. Die Form des Schicksals wird in der Form des Begriffs gleichsam instrumentalisiert, sie reproduziert sich in der Beziehung des Begriffs zum Objekt.
Wie die Prophetie (die Offenbarung) aus der Kritik der Schicksalsidee sich herleitet und bestimmt, so die Apokalypse aus der Kritik des Weltbegriffs. Während die Prophetie (und nicht die Aufklärung) als Widerpart des Mythos, als das Element seiner Auflösung, sich begreift, läßt die Apokalypse als Widerpart des Weltbegriffs (des Staats, der Philosophie und des Rechts) sich bestimmen.
Die beiden Bedeutungen des Seins (die dem Infinitiv zugrundeliegende Hypostasierung der Kopula im Urteil und das Possessivpronomen der dritten Person singular, männlich) reflektieren die Beziehung der Philosophie und des Rechts zum Weltbegriff.
Hängt die Übersetzung von tän hamartian tou kosmou (mit der Sünde im Singular) in peccata mundi (Sünde im Plural) mit der lateinischen Sprachlogik (mit der gleichen Logik, die auch in der Übersetzung von kosmos in mundus und physis in natura sich ausdrückt: mit dem Übergang von einer vordogmatischen in eine nachdogmatische Sprachlogik) zusammen?
Wie präsentiert sich die Venus-Katastrophe im griechischen Mythos? Liegt dem, was Velikovsky e.a. die Venus-Katastrophe nennen, im Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Naturkatastrophe ein sprachgeschichtlicher Paradigmenwechsel zugrunde? Hängt die Geschichte mit der des Ursprungs der indogermanischen Sprache (dem Durchbruch und der sprachlogischen Entfaltung des Herrendenkens) zusammen?
In der christlichen Tradition wurde die Schlange mit dem Weib in eins gesetzt (die „Hure Babylon“ entstammt dieser Tradition): Liegt dem nicht eine Verarbeitung der Ischtar-Astarte-Tradition zugrunde?
Mit der Verinnerlichung der Schicksalsidee entspringt – als dessen gegenständliches Korrelat, als Fundus der projektiven Verschiebungsarbeit – der Naturbegriff (Paradigma der Geschichte der Objektivierung).
Zu den geheimen Voraussetzungen des „All“, das – Rosenzweig zufolge – durch die Reflexion der Todesangst gesprengt wird, gehören die subjektiven Formen der Anschauung: Ohne die totalisierende Einheit des Raumes würde es den Begriff des All nicht geben. Die Raumvorstellung ist der Inbegriff der Abstraktionen, die den Begriff des All konstituieren.
Die Logik des Herrendenkens hat das Verdrängte der Zwangserinnerung der Bekenntnislogik überantwortet. Die Bekenntnislogik (die Umkehr des Schuldbekenntnisses) entsühnt in der Tat die Welt, sie hat den kosmos zum mundus gemacht (gereinigt). Ist die Schuldreflexion (die Auf-sich-Nahme der Schuld der Welt) der Schlüssel zum Verständnis der Apokalypse?
Als Habermas die Naturspekulation aus der Philosophie ausgeschieden hat, hat er da nicht die Sprache ihrer Wurzel beraubt? Seitdem gibt es – insbesondere im Zusammenhang seiner Kommunikationstheorie, seines Konzepts des „herrschaftsfreien Diskurses“ – bei ihm Texte, deren appeal dem technischer Gebrauchsanweisungen immer mehr sich anzugleichen scheint. Der herrschaftsfreie Diskurs ist ein Alibi für die Diskriminierung der Reflexion von Herrschaft.
Unterscheiden sich die beiden Stellen, an denen in der Schrift dem Himmel und der Erde die Attribute „wie aus Eisen“ und „aus Erz“ zugesprochen werden (und die invers aufeinander sich beziehen, vgl. Lev 2619 und Deut 2823), auch noch durch andere Konnotationen? -
7.11.95
Der historische Objektivationsprozeß macht das Objektivierte eigentumsfähig, indem er es instrumentalisiert.
Allgemeinbegriffe wie „Sein“ und „Mensch“ unterdrücken und verdrängen den Konflikt zwischen Herrschenden und Beherrschten. Die Ontologie ist eine Waffe der Herrschenden im Klassenkampf.
Hat nicht „gewissenhaft“ etwas mit „Schutzhaft“ zu tun? Das Suffix „-haft“ begründet eine Subsumtionsbeziehung, eine Objektbeziehung, in der das durch das Suffix adjektivierte Substantiv zu einer Funktion wird, die das Objekt instrumentalisiert, es eigentumsfähig und für Herrschaftszwecke nutzbar macht (vgl. auch tugendhaft, schamhaft, zweifelhaft, zaghaft, mannhaft, „personhaft“ u.ä.).
Hängt „heftig“ mit dem Suffix „-haft“ zusammen?
Das Gravitationsfeld ist noch eine Erscheinung im Raum (im Inertialsystem), während das elektromagnetische Feld und alle elektrodynamisch vermittelten Erscheinungen durch die Form des Systems vermittelt, von dieser Form nicht abzulösen sind.
Hat nicht die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (Voraussetzung aller objektiven Erkenntnis) etwas mit der Beziehung von Rind und Esel zu tun, mit Joch und Last? Und drückt diese Beziehung nicht in der Beziehung, die Einstein einmal mit der Formel „Identität von träger und schwerer Masse“ bestimmt hat, sich aus?
Zur Logik der Schrift: Steckt nicht in der Ursprungsgestalt jeder Erkenntnis ein Überschuß, der mit der Kanonisierung der Erkenntnis, mit ihrer Aufnahme in den Bestand des gesicherten Wissens, der Wissenschaft, unterdrückt und verdrängt wird? Und ist nicht die Urgeschichte des Christentums, die Beziehung des Dogmas zur Lehre Jesu: die Verinnerlichung des Opfers, das Modell dieses rätselhaften Vorgangs? (Verhält sich die Theologie des Paulus zur Lehre Jesu wie die Elektrodynamik zum Licht?) -
26.10.95
„Kickerinnen erfüllen ihre Pflicht souverän“: Überschrift zum Bericht über einen Sieg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft über die Slowakei (FR von heute). – Bei Kant war die Pflicht ein Ausfluß des autonomen Gewissens, ihr Rechtsgrund das moralische Gesetz in mir. Hier ist die Pflicht die Pflicht zu gewinnen, die alle Verlierer (und mit ihnen alle, die nicht dazugehören, von den Armen über die Behinderten bis hin zu den Fremden) zu Pflichtvergessenen macht. Aber es gibt keine Gewinner ohne Verlierer, nur darf man zu diesen nicht gehören. Das ist die Botschaft dieser Überschrift.
Die Medien verhalten sich zur Realität wie zur Natur oder zur Vergangenheit, die auch dem ändernden Eingriff entzogen sind. Die Realität ist als Gegenstand der Information bloßes Objekt des Wissens. Sie läßt sich nicht ändern, nur noch „bewerten“, das aber heißt: als Instrument der Verurteilung der Schuldigen nutzen. Deshalb sind die eigentlichen Gegenstände der Medien das Verbrechen und die Korruption. Was die Realität zu etwas Unveränderlichem (und d.h. zum Gegenstand der Information) macht, ist in der Natur der Raum, in der Ökonomie das Geld (als abstrakter Repräsentant des Eigentums anderer), in der Politik die Gewaltstruktur des Staates, in der Religion die Bekenntnislogik.
Gibt es Geld, das niemandes Eigentum ist, das niemandem gehört? Wer ist der Eigentümer des Geldes, das die Bundesbank druckt, lagert und verwaltet, bevor sie es herausgibt? Gewinnt das Geld seine Funktion, Eigentum zu repräsentieren, erst im Umlauf, im Gebrauch?
Ignaz Bubis hat in diesen Tagen den Versuch, die Verbrechen der Nazizeit zu erklären, mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß das Erklären der Verbrechen dahin tendiert, sie auch zu rechtfertigen. Aber wird mit dem Erklären, das auch den Versuch zu begreifen berührt, nicht auch das Lernen ausgeschlossen? Und hat nicht, wer Kritik der Vergangenheit mit ihrer Verurteilung verwechselt, Angst davor, daß sich wirklich etwas ändert? Der Versuch, die Greuel zu begreifen, kann vor der Normalität heute nicht halt machen (aber kein Zweifel: es gibt auch ein Erklären, das der Absicht folgt, diese Normalität nicht in Frage zu stellen, den kritischen Impuls stillzustellen).
Die Mechanik, deren Aufgabe es war, das Referenzsystem der naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu begründen und zu entfalten, mußte insbesondere von zwei materiellen Eigenschaften abstrahieren: von der Schwere und vom Licht. Erst Newton ist es gelungen, mit dem Gravitationsgesetz und in seiner Optik das Verdrängte ins neue System zu integrieren.
Die kopernikanische Wende ist das Gegenstück zur ursprünglichen Akkumulation des Kapitals.
Sind die Schwerkraft und das Licht invers aufeinander bezogen, und kann man sagen, daß die Philosophie einmal unterm Zeichen des Lichts, die Prophetie unter dem der Schwerkraft (dem sie ihre Einsichten abgewonnen hat) angetreten ist?
Welche Bedeutung hat es, wenn die Gravitationstheorie ihrem ursprünglichen Konzept zufolge eine Fernwirkungstheorie ist, die Elektrodynamik hingegen (wie die Mechanik) auf räumlich unmittelbar verknüpfte Ereignisse und Prozesse sich bezieht.
Haben die Christen nicht schon viel zu lange das von ihnen so genannte Alte Testament als eine Selbstdenunziation der Juden verstanden? Da waren die Autoren der Kirchengeschichte von Eusebius his heute schlauer.
Erinnerungsarbeit bereitet die Auferstehung der Toten vor (praeparatio resurrectionis mortuorum: Abbau der Sperren, die der Auferstehung im Wege stehen).
Im Protokoll des Pfarrgemeinderats vom 12.9.95 wird gegen das Kirchen-Volksbegehre eingewandt, daß der wichtigste Punkt, die Ausbreitung des Glaubens, nicht angesprochen werde. Wäre nicht der wichtigste Punkt die Ausbreitung der Erlösung, die dann allerdings die Rückübersetzung der kirchlichen Drohbotschaft in die urspüngliche Frohbotschaft voraussetzen müßte: die Ausbreitung des Evangeliums, nicht des Glaubens?
Aus dem gleichen Protokoll: „… damit sich dieser (sc. der neue Pfarrgemeinderat) diesem Thema annimmt.“ Nach Wahrig muß hier eindeutig der Genitiv stehen („damit sich dieser dieses Themas annimt“). Der Dativ ist ein Produkt der Medienlogik, in der auch eine Handlungsanweisung nicht mehr als Handlungsanweisung, sondern nur als Information darüber erscheinen darf. Die Bedeutung verschiebt sich vom „Sich-einer-Sache-Annehmen“ (mit dem Genitiv), das die Bearbeitung der Sache, ein Handeln, mit einschließt, auf das „Sich-einer-Sache-Widmen“ (mit dem Dativ), das die Sache als vorgegeben und unveränderlich hinnimmt, darüber kritiklos („wertfrei“) berichtet, informiert. Nur der Journalist ist so selbstlos: er widmet sich der Sache, der er sich annimmt (sofern er die ungeheuerliche grammatische Logik, die in dieser Wendung steckt, überhaupt noch begreift; sie paßt nicht mehr in einen Weltbegriff, der aufgrund der Logik der Medien Information und Wissen strikt von Meinung und Handeln zu trennen gezwungen ist). Ich glaube, von Hajo Friedrich stammt der Satz, daß ein Journalist sich nicht mit einer Sache gemein machen dürfe, auch nicht mit einer guten Sache. Wenn der Hogefeld-Prozeß keine Öffentlichkeit mehr hat, so hängt das hiermit zusammen: Dieser Sache müßte man sich annehmen, man dürfte sich ihr nicht mehr nur widmen. Mit dieser Sache müßte man sich gemein machen.
Auch ein Beitrag zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (dessen Folgen in der gleichnamigen Arbeit von Habermas sich ablesen ließen, in der dann die Weichen für seine spätere Kommunikationstheorie, die die kritische Theorie kastriert hat, bereits gestellt worden sind): Schließt die eigene Logik der Medien politische Kritik nicht schon im Ansatz aus, enthält die Verpflichtung auf „wertfreie Information“ nicht eine Handlungsanweisung, die der Gemeinheit den Weg freimacht? Dem Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, hat, bevor er zu einem juristischen Satz geworden ist, schon ein logischer Sachverhalt zugrunde gelegen, der zu den Grundlagen des Weltbegriffs gehört. Es ist nicht nur eine Gesinnungsfrage, wenn die Medien wie die Justiz in der Regel auf dem linken Auge blind sind. Die Wahrheit hat einen Kern, der einsehbar, aber nicht beweisbar ist (darin liegt der logische Vorteil der Gemeinheit, die diesen einsehbaren Kern der Wahrheit leugnen kann, ohne fürchten zu müssen, widerlegt zu werden: Gemeinheit ersetzt Einsicht durchs Vorurteil). -
15.10.1995
Die Instinktbindung der Tiere gründet in ihrem Objektivismus, den Adam, als er sie benannte, an sie delegiert hat. Adam hat die Tiere benannt, das hat sie verstummen gemacht; es käme heute darauf an, sie von ihrer Stummheit zu befreien, sie zum sprechen zu bringen.
Gegen die Ankläger hat es die Verteidung immer schwerer. Aber das nicht deshalb, weil die Verteidung die Dinge nicht beim Namen nennt; wenn das tun würde, müßte sie sich auf eine Macht berufen, die sie nicht hat. Die einzige Chance der Verteidigung liegt darin, das, was der Ankläger beim Namen zu nennen versucht, zum Sprechen zu bringen.
„Mein Gott!“ Gibt es nicht einen gottesfürchtigen Atheismus, einen Atheismus, der das Nichtsein Gottes als Teil der Heiligung Seines Namens begreift, als Unmöglichkeit, Gott in einem Possessivverhältnis zu fassen, als Versuch, Gott von dem dem Sein immanenten Eigentumsanspruch freizuhalten? Die Gottesfurcht beginnt, wenn man begreift, daß der Ausdruck „mein Gott“ blasphemisch ist. Gilt das Gleiche nicht für jede Art von Gottesbeweis?
Sanctificetur nomen tuum: Welcher Name ist hier gemeint, der des Vaters oder der Gottesname, den auszusprechen verboten ist?
Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung, der Naturbegriff die Auferstehung; leugnet nicht die Bekenntnisreligion die Offenbarung?
Das Dogma ist die Narbe an der Stelle, an der Alexander den Knoten, der eigentlich hätte gelöst werden müssen, durchschlagen hat, War der Knoten (der Joch und Deichsel des Ochsenkarrens mit einander verband) der Knoten, der die Objektivierung mit der Instrumentalisierung verknüpfte? Seitdem ist es möglich, das Bewußtsein der mit der Objektivierung verknüpften Instrumentalisierung zu verdrängen. Diese Verdrängung, die die Reflexion des Herrschaftszusammenhangs der Objektivierung verhindert (im Objekt die Spuren des herrschaftsgeschichtlichen Ursprungs seines Begriffs tilgt), ist die Grundlage des Begriffs. Der Inbegriff aller Begriffe ist der Weltbegriff. Deshalb mußte das Dogma (zusammen mit der den Objektbegriff begründenden Opfertheologie) eine Lehre von der Erschaffung der Welt (die von der Schöpfung des Himmels und der Erde unterschieden werden muß) enthalten.
Der Faschismus ist die Rache des Objekts: Deshalb gibt es keine Kritik des Faschismus, die nicht die Kritik des Konkretismus und der Personalisierung mit einschließt. Der Faschismus ist eine Frage der Logik. Zur Faschismus-Kritik gehört heute die Kritik der Naturwissenschaften (Kritik des Weltbegriffs, Reflexion der Beziehung von Philosophie und Prophetie). Alles andere wird heute zusehends ohnmächtiger und hilfloser und am Ende selbst vom Faschismus eingeholt.
Urknall: Handelt es sich hier nicht um das Produkt einer Verschiebung von der formalen auf die materielle Ebene; wäre der Urknall nicht genauer auf die Konstituierung des Inertialsystems durch Sprengung des Lichts zu beziehen? Die Unterscheidung der primären und sekundären Sinnesqualitäten (die Subjektivierung der Empfindungen, die in der Sprache die Personalpronomina hervorgetrieben hat) ist eine Folge dieser Sprengung.
Wenn der Urknall auf die „Sprengung des Lichts“, den Ursprung der naturwissenschaftlichen Lichttheorien, sich bezieht, ist dann das „schwarze Loch“, das alle Strahlungen in sich aufsaugt, aber keine mehr herausläßt, nicht das Realsymbol der Gravitationstheorie?
In welcher Beziehung stehen Verdacht, Unterstellung und Behauptung zur Geschichte der drei Leugnungen? -
23.9.1995
Die Personalisierung (zu der es seit der kopernikanischen Wende, seit der Installation der subjektiven Formen der Anschauung, keine Alternative mehr zu geben scheint) greift den Himmel an. Sie verwechselt Wasser und Feuer, Begriff und Namen, das Was und das Wer (vgl. Sohar, Ausgabe Diederichs, S. 70, sowie Lk 1249: Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon).
Gibt es einen logischen Zusammenhang und eine logische Folge der Stellen der Schrift, an denen vom offenen Himmel die Rede ist (von der Merkaba-Vision bei Ezechiel über die Taufe und die Verklärung Jesu bis zum Tod des Stephanus)?
In welcher Beziehung steht der Kampf Jakobs mit dem Engel zu seinem Traum von der Leiter, die bis an den Himmel reicht?
In den Eltern sind einem auf verschlüsselte Weise Vergangenheit und Zukunft präsent. Hat der „Generationenkonflikt“ (der
Abbruch der Kommunikation mit den Eltern), in den auch die raf verstrickt ist, nicht etwas mit der Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (durch Vergegenständlichung) zu tun, mit der Vorstellung, man könne den Ballast abwerfen und wäre dann frei, mit dem Problem der Personalisierung? Aber nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
Die Trinitätslehre ist ein Konstrukt zur Absicherung der Bekenntnislogik: Sie setzt die Verdrängung der Vergangenheit durch Verurteilung (den Antijudaismus) voraus. Mit der Kritik der Bekenntnislogik fällt auch die Trinitätslehre.
Der Abgrund zwischen der Logik der Schrift und der Erfüllung des Worts wird überbrückt durch das Wunder (die Freiheit ist das Wunder in der Erscheinungswelt).
Wird schon in der hebräischen Bibel zwischen der Erfüllung der Schrift und der des Worts unterschieden, oder erst im Neuen Testament?
Das Präsens ist eine ästhetische Kategorie. Es hat die vergegenständlichte Vergangenheit und die verräumlichte Zukunft zur Grundlage: Der Raum verkörpert die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft. Gegen ihn steht die Erkenntnis (die Heiligung, die Einung) des Gottesnamens.
In der Sache beginnt die Philosophie mit dem Satz: Alles ist Wasser. Ist die Philosophie nicht der strampelnde Frosch, nur daß, was in diesem Wasser dann fest und greibar wird, keine Butter ist, sondern der Begriff (vgl. Dt 2823: Und der Himmel, der über deinem Haupte, wird Erz sein, und der Boden, der unter dir, Eisen; sh. auch Lev 2618f: … werde den Himmel über euch sein lassen wie Eisen und euern Boden wie Erz)?
Ist nicht der Unzuchtsbecher in der Apokalypse der Schritt über den letzten Satz des Buches Jona hinaus? Dort wurde auf die 120.000 verwiesen, die Rechts und Links nicht unterscheiden können; der Unzuchtsbecher instrumentalisiert diese fehlende Unterscheidungsfähigkeit: er symbolisiert die neutralisierende Gewalt des Begriffs.
Die Nicht-Unterscheidung von Rechts und Links trennt das Was vom Wer, den Begriff vom Namen. Die Gemeinheit instrumentalisiert diese Trennung.
Der Raum und der Gottesname: Steckt im hebräischen Namen des Himmels, schamajim, nicht der Raum; ist das Feuer nicht die Normale auf der Angleichung des Wer an das Was, der Grund der Reversibilität beider?
Daß – so Thomas von Aquin – Geister „an sich böse“ sind, läßt an einer Theologie sich ablesen, die die Lehre von den Engeln und Dämonen unter dem Oberbegriff Geister abhandelt. Daß Geister an sich böse sind, gilt auch noch für den Hegelschen Weltgeist, den Antipoden des Paraklet.
Parusieverzögerung: Der Fehler der Trinitätslehre war es, daß sie als Theologie im historischen anstatt im prophetischen Indikativ (in einem Indikativ, der den Imperativ in sich enthält) sich begreift. Die Übersetzung des prophetischen in den historischen Indikativ (mit der Opfertheologie als Zentrum) ist die Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann. Nicht die Ontologie, sondern die Ethik ist die prima philosophia (aber diese prima philosophia trägt das Antlitz der Apokalypse).
Nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit: Das war der Grund und die Urfassung des Satzes, daß die Attribute Gottes nicht auf ein Sein, sondern aufs Handeln sich beziehen, daß sie nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen.
Der Weltbegriff oder die Ontologie ist Objekt einer Kritik, in deren Kontext der Naturbegriff und die Geschichte seiner Entfaltung (die Geschichte der Naturbeherrschung) als Objekt der Umkehr und als Grund einer apokalyptischen Ethik sich erweisen. -
10.9.1995
Was hat die Spinne mit dem Inertialsystem zu tun, und wen repräsentiert das Inertialsystem?
Wenn die Spinne etwas mit der Sexualität zu tun hat, dann als Instrument und Produkt ihrer Verdrängung (merkwürdige symbiotische Beziehung der Insekten zur Sexualität: Spinnenweibchen, die nach der Begattung die Männchen töten, Symbiose von Blumen und Insekten <Beziehung zum Licht, zur „Fortpflanzung“>, staatsähnliche Organisation der <materiellen und sexuellen> Reproduktion bei Ameisen, Bienen u.ä.).
Verdrängung ist nicht nur ein psychologischer Sachverhalt, sondern ein Moment im Begriff der Objektivität selber. Mit dem Konstrukt der „sekundären Sinnesqualitäten“, mit der Subjektivierung der Empfindungen, ist der Sensibilität der Boden entzogen, die Wahrnehmung des Leidens, des Schmerzes verdrängt worden.
Ist nicht die Mikrophysik der vollendetste Ausdruck von Verdrängung, und läßt sich nicht der Punkt, an dem diese Verdrängung sich vollendet, ihre objektivitätsbegründende Kraft beweist, benennen: im Planckschen Wirkungsquantum, der Verkörperung der Redundanz (die nicht zufällig zum Schlüssel der ganzen Mirkophysik geworden ist)?
Spinnen: Während Fische, Vögel und Säugetiere als Verkörperungen von Instrumenten sich begreifen lassen, als Objekte im Inertialsystem, verkörpern Insekten das symbiotische Prinzip der Instrumentalisierung, das Inertialsystem.
Wer ist Beelzebul (Baal Sebub, „Herr der Fliegen“, der Gott von Ekron, 2 Kön 12,3,6,16)? Nach den Evangelien war er der „Oberste der Dämonen“ (Mt 1025, 1224ff, Mk 322, Lk 1115ff)?
Während die Zürcher Bibel Baal Sebub (den „Fliegengott“) für das Original hält und den Beelzebul (mit der unmöglichen Begründung: „weil man sich scheute, den Namen dieses heidnischen Gottes auszusprechen“!) als eine veränderte Fassung ansieht, ist nach Reclams Bibellexikon (S. 67, ähnlich Ton Veerkamp, Die Vernichtung des Baal, S. 144ff) der Baal Sebub (der Fliegenmeister) eine ironisierende Entstellung des Baal Zebul („Baal, der Erhabene“, des Gottes von Ekron), der so korrekt in den Evangelien zitiert wird (als „Oberster der Dämonen“). Liegt nicht die größte Gefahr der christlichen Theologie darin, den Indikativ für die grammatische Grundform der Theologie zu halten; so ist sie unfähig geworden, ironische Stellen in der Schrift überhaupt noch wahrzunehmen (vgl. auch das Buch der Richter und die Arbeit von Lillian Klein dazu: The Triumph of Irony in the Book of Judges).
Wenn der Baal Sebul eigentlich der Baal Zebub ist, wer ist dann Sebul (der Statthalter Abimelechs in Sichem, Ri 928ff)?
Bei Mt (1231) und Mk (329) schließen sich die Stellen über die Sünde wider den Heiligen Geist an, bei Lk (1124ff) die Stelle über die sieben unreinen Geister (vgl. auch Mt 1243 und 2 Pt 220).
Der Herr der Fliegen und der Oberste der Dämonen: Ist nicht die Spinne der Herr der Fliegen? Was haben die Dämonen mit dem Inertialsystem zu tun (die Elektrodynamik ist die Physik des Inertialsystems, die Mechanik die der Objekte im Inertialsystem)?
Sind Säugetiere mechanische, Insekten hingegen elektrodynamische Tiere (sind nicht Insekten resistent gegen radioaktive und atomare Strahlung)? Hängt die Fähigkeit der Insekten zur Staatenbildung, zur „organischen“ Funktionsverteilung in einer durchorganisierten Gemeinschaft, ihre gleichsam planetarische Gemeinschaftstruktur, damit zusammen? Gibt es einen Zusammenhang des Baal Sebub mit der Astrologie? War nicht die Baals-Religion, der Prototyp des „Götzendiensts“, als Herren-Religion eine Sternen-Religion?
Genitiv (und der zugehörige Akkusativ) ist die dem Indikativ zugehörige Deklinationsform, der Dativ (und der Nominativ) korrespondiert dem Konjunktiv und dem Imperativ. Das Inertialsystem vollendet das Neutrum (es bringt Dativ und Nominativ als Repräsentanten des Adressaten in der Sprache zum Verschwinden). Der Indikativ verabsolutiert die Herrschafts- und Eigentumsordnung, in der Philosophie die Ontologie (und begründet so die dämonische Ordnung und ihr Korrelat: die Besessenheit), er destruiert die Idee des Heiligen (die Idee eines der Herrschafts- und Eigentumsordnung, der Objektwelt und dem Gesetz der Instrumentalisierung enthobenen Bereichs).
Wird der Genitiv (der Sprachgrund der Herrschaft und des Eigentums) nicht vom Rachetrieb beherrscht? -
19.8.1995
Zur Unterscheidung der Idee des Ewigen vom Begriff des Überzeitlichen: Es ist der gleiche Unterschied, der die Prophetie (die Schrift) von der Philosophie, die Lehre vom Dogma trennt. Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; das Ewige läßt sich nicht als vergangen denken. Sie gründet darin, daß eine ursprüngliche Vergangenheit sich nicht denken läßt: Jede Vergangenheit ist die Vergangenheit von etwas, das einmal war. So muß jedes Vergangene einen Anfang haben, dessen Vergangenheit es ist, einen Ursprung. Ohne diese Beziehung des Vergangenen zu seinem Ursprung in einer vergangenen Gegenwart gäbe es keine Erinnerung. Das Gegenbild der Idee des Ewigen ist eine Vorstellung der Zeit, in der jede Zukunft einmal vergangen sein wird: Produkt der Subsumtion der Zeit insgesamt, die Zukunft eingeschlossen, unter die Vergangenheit. Während die Idee des Ewigen durch die Erinnerung der vergangenen Zukunft sich bestimmen läßt, steht der Begriff des Überzeitlichen unter dem Gesetz der Vergangenheit, ihrer Gewalt über alles Zeitliche, auch über die Zukunft. In dieser Konstellation gründet der Begriff des Wissens (und des Sehens), der der Philosophie (und dem historischen Objektivationsprozeß) zugrunde liegt, während die Idee des Ewigen die der Offenbarung (und des Hörens) begründet. Die Trinitätslehre ist das Produkt der Übersetzung der Theologie in eine Logik, die an den Begriff des Überzeitlichen sich anschließt: in die Sprache des Indikativs, die unter der Herrschaft der Vergangenheit steht. Die Trinitätslehre steht am Beginn der Geschichte einer Logik, an deren Ende das Inertialsystem steht (nur deshalb ist es möglich, gleichsam trinitarische Strukturen in der Mikrophysik zu entdecken). Der traditionelle theologische Topos der Unterscheidung des Ewigen vom Überzeitlichen ist die Unterscheidung von Barmherzigkeit und strengem Gericht. Bezieht sich hierauf nicht 1 Kor 1522-28?
Der Name des Logos ist ambivalent: Nur im Kontext der Vorstellung des Überzeitlichen wird er zum Begriff, im Kontext der Idee des Ewigen erweist er sich als Name (als erkennende Namenskraft der Sprache). Als Begriff führt er über die Trinitätslehre in den Säkularisationsprozeß. Wiederzugewinnen wäre die im Kontext dieser Logik verdrängte und verloren gegangene (zum Bekenntnis neutralisierte) Idee des Namens.
In der Kabbala gibt es das Motiv, daß die sechs Richtungen des Raumes auf den göttlichen Namen versiegelt sind. Hat nicht die Trinitätslehre eine ähnliche Bedeutung? Und wäre hieraus nicht die Bedeutung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens und dessen Beziehung zur Sprache insgesamt zu abzuleiten? -
12.8.1995
Wie der Indikativ die Herrschenden schützt, oder über den Ursprung des Widerstands gegen die Sprachreflexion: Wie kann einer sagen: „Von Vergewaltigungen habe ich in der Nazizeit nichts gehört“, ohne daß es ihm der Gedanke brennend auf die Seele fällt, daß der Faschismus die totalisierte Vergewaltigung ist?
Der Indikativ ist die Gleitschiene der Schuldverschiebung, die Rutschbahn der Erkenntnis.
Die Grenze zwischen dem Hebräischen und den indoeuropäischen Sprachen läßt sich am Schicksal des Perfekt demonstrieren: Während es im Hebräischen auf eine vollendete Handlung (in letzter Instanz auf die zukünftige Welt, in der Gerechtigkeit und Friede sich küssen) sich bezieht, wird es im Indoeuropäischen zur abgeschlossenen Vergangenheit: Das Perfekt bezeichnet eine Handlung, ein Geschehen, in die (wie in die Vergangenheit und in die Natur, deren Begriff in dieser Konstellation gründet) nicht mehr eingegriffen werden kann. Damit hängt es zusammen, wenn beim indoeuropäischen Perfekt die Trennung von Sein und Haben (der Ursprung der Hilfsverben) einsetzt, eine Folge der Verschiebung des Perfekts ins Vergangene (auch das auf der Gleitschiene des Indikativs). Diese Verschiebung ins Vergangene (die Beziehung des Perfekts aufs Zeitkontinuum anstatt aufs Handeln) ist die Voraussetzung des Objektbegriffs, dessen grammatischer Repräsentant das Neutrum ist. Nur im Kontext dieser Sprachlogik konnten die Totalitätsbegriffe Wissen, Natur und Welt sich bilden.
Die Unterscheidung von Perfekt und Imperfekt war einmal der Grund der Unterscheidung dieser (imperfekten) Welt von der zukünftigen (vollendeten) Welt, der Katastrophe von der Rettung. Mit der Subsumtion des Perfekt unter die Vergangenheitsform (der apokalyptischen Sprach-Katastrophe) hat sich auch die Beziehung dieser (gegenwärtigen, imperfekten) zur zukünftigen Welt, die aufs Handeln der Menschen zurückweist, verändert. Der Weltbegriff ist ein Ausdruck dieser Veränderung: ein Ausdruck der Neutralisierung dieser Beziehung. Die zukünftige Welt wurde als Himmel und Hölle zu einem Teil des Kosmos, der Welt, die von Gott geschaffen, dem Menschen wie die Natur nur vorgegeben, seinem Eingriff entzogen ist. Aufgelöst wurde die Handlungsgemeinschaft mit der zukünftigen Welt, der Grund des göttlichen Gebots: War das nicht die „Sünde wider den Heiligen Geist“, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben werden kann (oder der durchschlagene Knoten, der, wenn er auf Erden gelöst wird, auch im Himmel geslöst sein wird)?
Die Justiz gehört (wie die Philosophie und die Wissenschaften) zu den Indikativ-Erzeugungsmaschinen. Die entscheidende Erfindung war die des Urteils.
Das Präfix Ge- (gestorben, Gehölz) bezeichnet sowohl das Perfekt als auch das Kollektiv-Abstraktum, die Ursprungsform des Neutrum.
Eine Kirche, die ihre vergangenen Handlungen nicht gegen sich gelten läßt, wendet die exkulpierende Kraft des Perfekts auf sich selber an.
Die Apokalypse bezieht sich auf die Endzeit, aber diese Endzeit liegt nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit. Auch die Apokalypse ist eine ätiologische Literaturgattung, Versuch der Rekonstruktion eines Geschehens post festum: die Ursachen einer Katastrophe werden „aufgedeckt“, nicht drohend auf die Folgen eines Handelns hingewiesen. Die Apokalypse ist ein Mittel der Angstbearbeitung, nicht der Angsterzeugung.
Der Ursprung des Weltbegriffs, die Sprachkatastrophe, die er bezeichnet, ist die Vergangenheit des Weltuntergangs.
Der Verführbarkeit der Philosophie zum Nationalismus ist in der Idee des Guten begründet, in der Hypostasierung dieses Begriffs. Der Ursprungsort des modernen Nationalismus lag in dem scholastischen Satz „Unum, verum et bonum convertuntur“. Wer die Einheit und das Gute in den Begriff des Wahren mit hereinnimmt, macht das Wahre zum „bacchantischen Taumel, in dem kein Glied nicht trunken ist“ (Hegel). Beide, die Einheit wie das Gute, sind in dieser Konstellation Repräsentanten und Statthalter der Subjektivität, der Hybris, sie begründen die Einheit der Welt und des Subjekts, ihr Korrelat ist das Absolute, nicht Gott. Nicht die Wahrheit, sondern allein Gott ist Einer, und nur Gott ist gut. Die Einheit und das Gute waren Konstituentien der noesis noeseos, des Gottes der Philosophen, der Selbstreflexion der Identität des Subjekts im Unendlichen, sie waren tendentiell antisemitisch.
„Ihr laßt die Armen schuldig werden“: Der Kapitalismus hat das Schuldverschubsystem zu einem Sündenverschubsystem gemacht. Diese Welt verstrickt nicht mehr nur in Schuld, sie zwingt zur Sünde, zur tätigen Komplizenschaft.
In der christlichen Geschichte gibt es zwei monarchische Traditionen, deren eine (die Kaiser-Tradition) auf das Römische Imperium, auf die Caesaren-Tradition zurückweist, während die andere, (die Königs-Tradition) an die messianische Tradition des israelischen Königtums, an die David-Tradition anknüpft. Die caesarische Tradition hat ihre Spuren im Dogma hinterlassen (insbesondere im Begriff der homousia, der den imperativen Kern der Theologie in den Indikativ zurückübersetzt), sie hat zweifellos auch das Verständnis der Theologie, insbesondere der Trinitätslehre, im Innern geprägt. Kann es sein, daß das Dogma in der Königs-Tradition (in England, in Frankreich, auch in Ungarn) im Kontext anderer Symbole und Begriffe verstanden worden ist, eine andere Tradition begründet hat? Unterscheiden sich die caesarische und die davidische Tradition nicht vor allem durch ihre Beziehung zum Opfer: Während der Kaiser Herr des Opfers war, war der König seine Verkörperung? Gründet der Unterschied zwischen der deutschen und den anderen modernen Sprachen in diesem Sachverhalt?
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