Planck

  • 1.11.1994

    Die Spekulation verlagert die Arbeit in die Objekte: Nicht die produktive Arbeit, sondern das Vermögen in der Gestalt des Besitzes ist die Quelle des Einkommens und des Reichtums.
    Die animalisierende Wirkung der Wut (das Tier und der Weltbegriff; Wut und Anpassung).
    Die Geschichte der Sexualmoral ist ein Teil der Geschichte der Verinnerlichung der Scham.
    In diesem Lande kommt alles darauf an, nicht zu den Verlierern zu gehören.
    Die pädagogische Funktion der Verachtung der Armen: So schreckt man die Kinder von der Armut ab und weckt die Motivation, erfolgreich zu sein und „reich zu werden“.
    Das Inertialsystem, der verdrängte Blick des andern und die Gardine.
    Die Entzauberung der Welt war bereits das Werk des Mythos, nicht erst das der Aufklärung (Ursprung und Funktion des Tempels).
    Urteilsform und Klassenkampf.
    Ursprung des Fernhandels: Waren die Wikinger die Vorläufer der Hanse (und die Nomaden die der Kanaanäer)?
    Gibt es eine Beziehung der sieben Sakramente zu den sieben Planeten? Sind die Sakramente gleichsam verinnerlichte Planeten, und haben sie eine vergleichbare Funktion bei der Konstituierung des Weltbegriffs?
    Der Wille der Gattung unterscheidet sich vom Willen aller einzelnen wie der Raum vom Geld. Werden nicht seit Rousseau das Allgemeine und die Gattung verwechselt (Zweideutigkeit des Naturbegriffs)? Hieraus wäre Hegels Bemerkung, daß die Natur den Begriff nicht halten kann, abzuleiten. Die Identität von Gattung und Allgemeinem ist die Geschäftsgrundlage der Hegelschen Logik und des Begriffs des Absoluten (der nicht zufällig zuerst in Newtons Begriff des absoluten Raumes und im politischen Begriff des Absolutismus auftaucht). Der Begriff des Absoluten ist ohne das Stück Dezisionismus, das in Hegels „List der Vernunft“ steckt, nicht zu halten. Die Lücke zwischen der Gattung und dem Allgemeinen ist nur mit Hilfe der List (mit Gewalt und Gemeinheit) zu überbrücken: im Kontext der Vergesellschaftung von Gemeinheit und Gewalt: Die Schlange war das klügste der Tiere. Seit der Vergesellschaftung von Herrschaft gibt es keine Theologie mehr, die ungestraft die Idee der Barmherzigkeit vernachlässigen darf. Vor diesem Hintergrund ist Christina von Brauns „Nicht-Ich“ ein theologisches Buch.
    Die Logik des Raumes entspringt der gleichen Verwandschafts-Logik, die wirksam wird, wenn einer die Schwägerin seines Vaters heiratet (die dann ihre eigene Tante wird, mit eingebautem progressus in infinitum). Ist nicht der Raum der Inbegriff der Unzucht (und beziehen sich die einschlägigen Gebote der Tora auf diesen Raumbegriff)? Und verweist nicht das Rousseausche Inzucht-Motiv (und seine Beziehung zum modernen Naturbegriff) auf diesen Sachverhalt?
    Mit der Abstraktion vom Gegenblick (vom Angesicht) abstrahiert das Inertialsystem (dessen Kern die mathematische Raumvorstellung: die subjektive Form der äußeren Anschauung, ist) von der Scham. Ausdruck dessen ist der Begriff der Materie. – Hat nicht der hieros gamos etwas mit dem Ursprung der Raumvorstellung zu tun? Ist der Raum eine Konstruktion, zu dessen Elementen die Logiken der Schrift und des Geldes gehören? Die Logik des Geldes repräsentiert den technisch-praktischen Anteil (den dynamischen Anteil), der der Mechanik (den linearen Prozessen) zugrundeliegt, die Logik der Schrift das Vorgegebene, Schicksalshafte (den mathematischen Anteil): das Moment der Fläche, der „Ausbreitung“ im Raum. Die Geometrie verdankt sich der Logik der Schrift, die Mechanik der des Geldes.
    Zur Vorgeschichte der Mechanik gehört nicht die Philosophie, sondern die der Theologie und des Mythos (die Geschichte des Tempels: die Geschichte der Architektur endet im Inertialsystem).
    Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Plancksche Strahlungsformel sind die letzten Folgen des Dingbegriffs.
    Gehören nicht die Gott-, Welt- und Menschenbilder zu den Produkten der Logik der Reproduzierbarkeit, deren Grund das Inertialsystem ist (die Physik ist das Produkt der Spiegelung der Welt am Inertialsystem)?
    Deus fortior me: Sind die Gedanken wirklich frei? Die Idee des freien Denkens verdankt sich dem Schein, daß das Denken von der Sprache sich trennen läßt. Die Probleme gleichen denen, die entstehen, wenn man die Sprache von den Dingen trennt. Die Idee des freien Denkens gründet in der List der Vernunft, in der Abstraktion vom Schuldzusammenhang; sie ist selber der Grund der Idee des Absoluten, in der der gesellschaftliche Schuldzusammenhang sich reflektiert.
    Die rätselhafte Ursprungsgeschichte der Grammatik.
    Verschärft sich das Historismus-Problem heute nicht in der Einführung des Generationen-Konflikts?
    Ist nicht das Inertialsystem eine negative Utopie, deren Gründe und Folgen einmal unter dem Begriff des horror vacui reflektiert worden sind?
    Daß Boden, Arbeit und Geld zur Ware geworden sind, heißt auch, daß sie tauschbar geworden sind, daß sie den Besitzer wechseln können: daß sie als herrenloses Gut vorgestellt werden können, und daß es Menschen geben kann, die von allen dreien entblößt sind. Schlägt nicht Hegels Dialektik von Herr und Knecht heute auf das System der Bedürfnisse durch: Die gleichen Bedürfnisse, die dieses System hervorgetrieben haben, werden heute vom System wieder ausgeschieden: sie werden zum Abfall des Systems (vgl. Hegels Bemerkung in seiner Rechtsphilosophie). Auch das berührt sich mit dem Problem der technischen Reproduzierbarkeit: Das System der Bedürfnisse reproduziert sich im System und hat sich selbst überflüssig gemacht.
    Wird nicht heute – im wörtlichen Sinne – den Menschen das Fell über die Ohren gezogen?
    Heute wäre es erstmals möglich, die materiellen Grundlagen zu Ulrich Sonnemanns „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ zu analysieren (unter dem Titel: Der Positivismus als Rechtfertigungsmaschine).
    Steckt in dem Satz, daß man Ochs und Esel nicht gemeinsam pflügen lassen darf, nicht der Ansatz einer Kritik der Astronomie (der Hinweis auf die Differenz von Mechanik und Gravitation: von Joch und Last)? Haben Ochs und Esel etwas mit dem Binden und Lösen zu tun?
    Ist die Feste des zweiten Tages, wie auch die Schicksalsidee, die darin enthalten ist, eine Vergegenständlichung, Verkörperung des Selbsterhaltungsprinzips? Und bezieht sich darauf das Wort: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein? (Ist der biblische Staub ein Symbol der Subjektivität?)
    Die Schrift induziert das Prinzip der Selbsterhaltung ins Wort.
    Die neue Unübersichtlichkeit: Diese, und nicht mehr nur die alte Unmündigkeit, ist nach einem kantischen Diktum „selbstverschuldet“.
    Drewermann leidet u.a. an einem Nestbeschmutzersyndrom: Er hätte gern eine heile Welt, eine Welt, in der alle Ängste nur psychologisch (und damit therapierbar) sind. Ein solche Welt wäre nicht mehr kritisierbar; aber sie wäre auch das Produkt der Unterwerfung unter die Gewalt. Er verschiebt das Problem aus der Welt ins Subjekt. Darin gründet sein Begriff der Religion (und seine Kritik- und Konfliktunfähigkeit, sein katholische Erbteil).

  • 28.9.1994

    Gegen Aristoteles: Nicht die erste Bewegung ist das Problem, sondern die Trägheit. In der Trägheit ist die Zukunft von der Vergangenheit (die Geburt vom Tod: Ursprung des Naturbegriffs) verschlungen. Ist die Trägheit (das Inertialsystem) der Inbegriff des Lahmen und Blinden (Raum und Materie)? – Vgl. hierzu nochmal die Antwort Jesu auf die Anfrage des Täufers und die Rolle der Lahmen und Blinden bei der Eroberung Jerusalems durch David.
    Ziel der Kritik des Inertialsystems wäre es, daß die Blinden wieder sehen und die Lahmen wieder gehen.
    Was bedeutet eigentlich die Wortgruppe „Völker, Stämme, Sprachen und Nationen“ (waren es in der hebräischen Bibel nur drei Namen, und welcher fehlte)?
    Das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ bezeichnet das genaue Gegenbild zu einem Zustand, in dem alle wissen, was sie tun: in dem alle Gott erkennen und zu Propheten geworden sind.
    War nicht schon in dem Marx-Wort von der resurrectio naturae die Katastrophe vorbeschrieben: quia resurrectio est finis naturae? Die Auferstehung wäre das Ende des Verblendungszusammenhangs, den der Naturbegriff bezeichnet und besiegelt.
    Wichtig die Unterscheidung zwischen Theorie und Lehre: Die „Trinitätslehre“ ist keine Lehre, sondern Produkt und Opfer der Logik der Theorie, und ihr Kern, die homousia, der Katalysator der Selbstzerstörung der Lehre.
    Ist nicht die Mikrophysik insgesamt das Ensemble, aus dem die Theorie des Feuers (der apokalyptische Aspekt der Naturwissenschaft) zu gewinnen wäre. Der Schlüssel dazu liegt im Planckschen Strahlungsgesetz und im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (die in ähnlicher Weise aufeinander bezogen sind wie Radius und Umfang eines Kreises).
    Werden wir Kohl solange wählen müssen, wie wir die als Adler verkleidete fette Henne an der Stirnwand des Bundestages haben werden?
    Die Taubenhändler und die Geldwechsler: sind das nicht die Opfertheologen (die an die Bekenntnislogik gefesselten Kirchen) und die Banken?
    Das Lamm und der Drache, mit denen das Tier vom Lande verglichen wird, werden hierbei nur als Gattungen zitiert (ohne bestimmten Artikel).
    Die Heiligung des Gottesnamens ist seine Befreiung aus den Verstrickungen des Begriffs: der Anfang einer Theologie im Angesicht Gottes. Die Befreiung ist eine Befreiung wie durch Feuer.

  • 30.8.1994

    Kann Kohl sich noch darauf herausreden, daß auch er nicht weiß, was er tut? Wüßte er es wirklich nicht, weshalb begleitet er dann jede Gemeinheit der Tat mit einem Dementi des Worts? Er weiß, daß die Rede von Ossis und Wessis diskriminierend ist, zum politischen Sprengstoff zu werden droht; aber er redet so wie nur ein Wessi redet. Die Reflexion bleibt abstrakt, sie erreicht nicht mehr das praktische Gewissen (der Grund hierfür wurde gelegt, als der Logos zum Logos wurde). Liegt hier nicht der Grund der allgemeinen Überzeugung, daß Reden nichts hilft? Grund ist die Unfähigkeit zur Reflexion der Urteilsform (des Weltbegriffs).
    Rom hat den Logos gekreuzigt.
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte der Selbstzerstörung der Sprache.
    Ist nicht Luthers sola scriptura eine Konsequenz aus dem augustinischen ad litteram, wird es nicht durch dieses Schriftverständnis verhext?
    Kranken nicht unsere Diskurs- und Kommunikationstheorien an der Unfähigkeit, die Urteilsform, die Urteilslogik, zu reflektieren? Sie haben den erkenntniskritischen Teil der kantischen Philosophie ad acta gelegt, verdrängt, damit aber die gesellschaftskritischen Konsequenzen aus der kantischen Erkenntniskritik entschärft. Liefert nicht der Jakobus-Brief den entscheidenden Hinweis auf den Schuldzusammenhang von Sprache und Welt, auf den gleichen Schuldzusammenhang, den die Philosophie und ihrer Folge die Wissenschaft seit je zu neutralisieren versucht, um sich zugleich umso tiefer in den Schuldzusammenhang zu verstricken? Adorno hat recht, wenn er darauf hinweist, daß es keine Position außerhalb der Welt gibt: die Vergegenständlichung der Welt steht selber unter dem Gesetz der Logik der Welt.
    Nur wer die Last (die Sünde der Welt) auf sich nimmt, anstatt sie durch Vergegenständlichung zu verdrängen, befreit sich von ihr.
    Wissenschaft heute: das in Angst vor der Schlange erstarrte Kaninchen.
    Hat das Christentum mit dem Begriff des Zeugens nicht die aufgedeckte Blöße ins Zentrum ihrer Theologie: in die Trinitätslehre mit hereingenommen? Die Barmherzigkeit des Vaters kommt im Dogma nicht vor. Ist das nicht ebenso eine Konsequenz der Bekenntnislogik wie die Opfertheologie?
    Liefert Heinsohns Geldtheorie nicht auch einen Beitrag zum Verständnis des Ursprungs des Bußsakraments (und des katholischen Mythos insgesamt)?
    Stimmt es daß das mit „klug“ übersetzte hebräische Wort in Gen 31 auch mit „nackt“ übersetzt werden kann, daß die Schlange nicht nur „klüger“, sondern auch „nackter“ war als die Tiere des Feldes? Aber stimmt dann der Komparativ? Ist diese Klugheit die Klugheit der Schamlosigkeit?
    Steckt nicht die Geschichte der Zeit in der Geschichte von der Sonnenuhr zur Quarzuhr? Und haben nicht Einstein und Planck den Schlüssel des Abgrunds verfügbar gemacht? Was hat der Schlüssel des Abgrunds mit der Pforte der Hölle zu tun?
    Die subjektiven Formen der Anschauung als Produkt der Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) sind das Instrument des Aufdeckens der Blöße und der Abstraktion vom Angesicht Gottes. Entspringt die Nacktheit erst mit der Logik der Schrift?
    Die Logik der Schrift ist der Quellpunkt der Wolfswelt, der Gemeinheit, die sich selbst nicht begreift.
    Die indogermanische Sprache als Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
    Sind die Winde nicht ein gemildertes Feuer, das dann in Gewittern als Blitz hervorbricht? Haben die vier apokalyptischen Reiter etwas mit den vier am Euphrat gebundenen Winden zu tun?

  • 26.7.1994

    Hat Gerschom Scholem das Verhältnis von Sprache und Schrift nicht unter dem Titel „Offenbarung und Tradition“ abgehandelt (Judaica 4)? Die Hegelsche Logik ist die vollendete Selbstreflexion der Urteilsform: der Taumelbecher. Hegel hat in seiner Logik die Antinomien der reinen Vernunft durch Instrumentalisierung neutralisiert (und deshalb nur verworfen, nicht aufgelöst). Steht nicht schon die aristotelische Logik unter dem Gesetz der Urteilsform, und gehört nicht auch zu ihren Leistungen die Trennung der Sprache von der Realität: die Konstituierung der noesis noeseos? Ist nicht im Inertialsystem die Materie das Produkt der Verwechslung von hinten und vorn, der Raum das der Verwechslung von links und rechts und die Zeit das der Verwechslung von unten und oben? Das Inertialsystem ist atheistisch, weil es die Idee des Angesichts im Grunde zerstört (das anästhesierte „Grauen um und um“). Es trennt (als „Anschauung“) das Sehen vom Gesehenwerden. Die Mechanik und ihr Paradigma, der Stoßprozeß, gründet in der Logik der Konkurrenz; sie vollendet sich in der kinetischen Gastheorie (Kern der physikalischen Wärmetheorie), wurde hier aber (auf eine noch aufzuklärende Weise) über die Plancksche Strahlungstheorie in eine Beziehung zu elektromagnetische Prozessen gerückt, die ihren Schlüssel einmal im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit finden wird. Ist nicht schon die Opfertheologie eine Konsequenz aus der Logik des deutschen Sprichworts: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? (Aber Jesus hat das Feuer vom Himmel geholt, und er wollte, es brennte schon: Barmherzigkeit, nicht Opfer.) Die Opfertheologie ist die Verhinderung des Feuers. Durch die Opfertheologie wurde Barmherzigkeit in Liebe, Praxis in bloße Gesinnung verwandelt. Kann es sein, daß im Buch Jesira ein Hinweis sich findet, der die These stützt, daß es das karolingische Zeitalter (mit dem „Makkabäer“ Karl Martell) nicht gegeben hat? Sind nicht die Erfindungen dunkler Perioden in der Zivilisationsgeschichte ein Teil der Erfindung der Tiefenzeit, und begleiten diese „Erfindungen“ nicht die Geschichte der Aufklärung, die Geschichte des Rückfalls der Aufklärung in den Mythos, als projektive Vergegenständlichung des Dunklen im eigenen Innern der Aufklärung, als Absicherung ihrer Vorstellungen von der Welt? Steckt nicht in der Subjektivierung des „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ der Grund und das Prinzip der christlichen Rechtfertigungslehren? Diesen Satz kann nur das Opfer über die Täter sagen, während die Täter ihn nicht auf sich selbst anwenden können („Herr vergib mir, denn ich weiß nicht, was ich tu“). Das Bewußtsein, daß die wichtigsten Sätze nicht verallgemeinerungsfähig sind (aufgrund der Asymmetrie zwischen mir und den Andern), enthält den entscheidenden Einwand gegen theoretisierendes Denken, gegen die Logik des Begriffs. Zu Hegels Konzept der Ausbildung und Entfaltung der Philosophie als Wissenschaft gehört in letzter Konsequenz der wahrhaft ungeheuerliche Satz, daß das Wahre der bacchantische Taumel ist, in dem kein Glied nicht trunken ist (davon muß Habermas abstrahieren, wenn er eine Diskurs-Ethik begründen will, und dagegen richtet sich die Idee des Heiligen Geistes, des parakletischen Denkens, das in kirchlicher Anwendung zum Quellpunkt des Selbstmitleids geworden ist, dem theologischen Pendant des Inertialssystems). Die Theorie (das monologische Denken) leugnet die Asymmetrie zwischen mir und dem Andern (sie macht den Andern zum Objekt). Diese Leugnung endet, terminiert in der Prävalenz des Andersseins: sie hat ihr Korrelat im Weltbegriff. Die Philosophie hat die Logik der Schrift als Grundlage; die Prophetie ist der Versuch, die Logik der Sprache gegen die Logik der Schrift zu retten (der Blitz aus den Wolken der Logik der Schrift).

  • 5.6.1994

    Die Lichtgeschwindigkeit ist als Grenze zugleich ein Moment der Beziehungen zwischen thermischen und optischen Erscheinungen. Und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist der Grund der Existenz des Planckschen Wirkungsquantums (und der elektrischen Elementarladung).
    Hängt der Rock aus Fellen mit dem Bogen in den Wolken zusammen (und das Feigenblatt mit der Sintflut)? Ist die Farbe ein Schamprodukt (aufgrund ihrer Beziehung zum Licht)?
    Die Bewußtlosigkeit unserer Theologie ist der Grund ihrer Selbstzerstörung.
    Das Über-Ich ist der Schatten, den das Ich auf das Gewissen wirft. Dagegen richtet sich das vierte Gebot.
    Bezieht sich die Frage der Frauen, als sie zum Grabe gingen: „Wer wird uns den Stein wegräumen?“, auf Petrus?
    Stecken nicht in dem „leer, gereinigt und geschmückt“ die drei Leugnungen? Und kann man nicht die drei Adjektive ersetzen durch Universum, mundus und kosmos?
    In den modernen europäischen Sprachen haben sich die Suffixe, die Grundlage der Konjugationen, zu selbständigen Personalpronomina und Hilfsverben gegen die Verben verselbständigt; zugleich hat sich die sprachliche Gestaltung der Verben verändert, während die Nomen zu Substantiven geworden sind: So hat sich das Ding von der Sache getrennt.
    Im griechischen „einai“ wurde das Infinitiv-Suffix zum Sein verselbständigt. Definieren nicht die Infinitivbildungen des Hilfsverbs Sein (der Kopula des Urteils) des Status der Verben in den Sprachen? Das gilt fürs deutsche Sein ebenso wie fürs englische to be (verbale Hypostasierung eines für die Organisation der Sprache zentralen Präfixes: des be-; Zusammenhang mit der den Empirismus fundierenden Logik der englischen Sprache).
    Nichts gefährlicher, als wenn einer, der in der christlichen Tradition aufgewachsen ist, die Bibel aus dem Gedächtnis zitiert (sh. Theodor Haecker und Johann Baptist Metz).
    Hat Theodor Heuß, ohne es zu wissen, mit dem Begriff der Kollektivscham nicht den parvus error in principio getroffen? Ist diese Kollektivscham nicht der Kern eines Weltbegriffs, der den Anblick aller durch alle fixiert und dem keiner mehr entrinnt; ist sie nicht eine Konsequenz aus der falschen Übersetzung von Joh 129? Seitdem sind die Deutschen auf den Blick und das Urteil „des Auslands“ fixiert, und seitdem verweisen sie zur Selbstentlastung immer wieder darauf, daß sie (die andern Länder) ja auch nicht besser sind.
    Ist nicht die Geschichte mit den sieben unreinen Geistern ein Hinweis darauf, daß wer nach der absoluten Untat sich (wie die andern) endlich einmal auch unschuldig fühlen möchte (wie unter anderem auch in der Ökologie-, der Friedensbewegung u.ä.), Gefahr läuft, Opfer noch ärgerer Dinge zu werden? Die Frage ist nicht mehr, wie bleibe ich unschuldig, sondern: wie kann ich produktiv und ohne Selbsttäuschung mit dieser Schuld umgehen? Der Unschuldstrieb endet im Geschwätz und in der projektiven Verarbeitung der Wirklichkeit.
    Analyse der politischen Farben: Es gibt die Schwarzen, die Roten, die Gelb-Blauen und die Grünen.
    Die Hegelsche Logik ist die konsequenteste Selbstexplikation des durchschlagenen Knotens (des gordischen Knotens, nachdem der Aristotelesschüler Alexander ihn durchschlagen hat). Das Schwert, mit dem dieser Knoten durchschlagen wurde, war das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Eingang des Paradieses.
    Zur Sintflut und zur Arche gehört die doppelte Version der Rettung der Tiere: einmal (so Elohim) sollte von allen Tieren je ein Paar mit in die Arche genommen werden (Gen 619), dann aber (so JHWH) von allen reinen Tieren je sieben, Männchen und Weibchen, von den unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen, auch von den Vögeln des Himmels je sieben, Männchen und Weibchen (72f). Vgl. hierzu die Bindung Isaaks (Aufforderung zum Sohnesopfer durch Elohim, der Engel JHWHs hält Abraham dann zurück).
    Antisemitismus, Xenophobie und Frauenfeindschaft sind die Fundamente der Bekenntnislogik. Was für die Griechen die Barbaren waren, das waren für die Christen die Heiden und die Ketzer (wobei der Islam beides in sich vereinigte, auch wenn der Aquinate sie unter den gentes, den Heiden, subsumierte: Folge der Rezeption des häretischen Elements in der Islamisierung des Christentums, die dann die Ursache für das Ende der häresienbildenden Kräfte im Christentum war).
    Gibt es nicht ein Systemprinzip, aus dem
    – die Häresien (ihre Abfolge seit der Gnosis) sich ableiten lassen, oder auch
    – die Momente des antisemitischen Vorurteils (vom Ritualmord, über den Hostienfrevel und die Brunnenvergiftung, bis hin zur zionistischen Weltverschwörung).
    Im Zentrum müßte das projektive Moment und das Schuldverschubsystem (im Kontext der Rezeption der Philosophie, des Ursprungs des Weltbegriffs) stehen.
    Das Systemprinzip der Frauenfeindschaft scheint dagegen auf einer anderen Ebene zu liegen: Während Antisemitismus und Fremdenfeindschaft in der Logik des Weltbegriffs liegen, liegt die Frauenfeindschaft dieser Logik zugrunde. Zusammenhang mit dem Kelchsymbol (und seinen Konnotationen)?
    Merkwürdige Affinität der Worte Welt und Kelch: Ersetzung der gutturalen Konsonanten durch labial-dentale.
    Neben den Etymologien gibt es auch Etymogeleinen. Dazu gehören die „Ableitungen“ von: Sein, Würde, Wasser, Sinn, to be. Und wie ist das eigentlich mit der Heiterkeit und dem Ungetüm? Haben diese Etymogeleien etwas mit dem zweischneidigen Schwert zu tun?
    Die Hegelsche Logik wird zur dialektischen Logik durch die Entfaltung der Differenz von Ding und Sache. (Welches griechische Äquivalent gibt es zur lateinischen res? Hat das pragma die gleiche Bedeutung wie die lateinische res?) Der Dingbegriff ist in sich selber theologisch vermittelt; er hat sich aus der Rezeption der Philosophie (der Logik des Weltbegriffs) in der Theologie (bzw. der Weiterbildung und Umgestaltung der Philosophie durch die Theologie, durch Opfertheologie und Bekenntnislogik) ergeben. Insbesondere verdankt sich die Rezeption der Philosophie im Römischen Reich, die Übersetzung der griechischen Kategorien der Metaphysik ins Lateinische durch Tertullian, dem Bedürfnis der Übersetzung der Trinitätslehre.
    Voraussetzung für die Entfaltung der Dialektik von Ding uns Sache war die kantische transzendentale Logik, die Hereinnahme des Objekts in die Urteilsform im Kontext der Lehre von den subjektiven Formen der Anschauung.
    Frage: An welchem Ort ist das Vergangene:
    – In der Unterwelt,
    – in Himmel, Hölle und Fegfeuer,
    – in den Bibliotheken oder
    – in unserm Kopf?
    Aber tun wir nicht alles, das Vergangene zum endgültig Vergangen zu machen (um dem Schuldzusammenhang und der Last der Erinnerung zu entrinnen, zur Absicherung des Inertialsystems und der Naturbeherrschung, zur Konstituierung einer Welt, die nur noch als Reflex des Prinzips der Selbsterhaltung sich manifestiert): Wir halten uns unsere Vergangenheit wie exotische Tiere im Zoo, wie Kunstwerke im Museum, als Mittel der Unterhaltung im abendlichen Fernsehprogramm. Domestiziert im historischen Objektivationsprozeß, zugerichtet zum Objekt des bloßen Zuschauens, der folgenlosen Neugier, neutralisiert zum Panoptikum, fremd und banal wie die Sternenwelt (zu den Folgen der Logik der Schrift gehörte einmal die gemeinsame Entdeckung der Astronomie und der Geschichte).
    Berichtigung: Das Absolute ist der Schatten, den das Subjekt auf den Namen Gottes wirft (nicht auf Gott, der jenseits aller Schatten ist).

  • 20.5.1994

    Die Systemkonstrukte der Philosophie (Neuscholastik: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik; Kant/Cohen: Logik, Ästhetik, Ethik; Hegel: Logik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes) lassen aus den Varianten der Urteilsform, aus einem logischen Grundmodell, sich herleiten. Die Neuscholastik geht aus von einer verdinglichten, dem Urteil äußerlichen Dingwelt; Kant verwandelt sich die Welt in eine durch die apriorische, verdinglichte Urteilsform vermittelte Welt der Erscheinungen; Hegels Philosophie ist das Resultat der Selbstreflexion des Dingbegriffs und der Urteilsform.
    Das Problem liegt in der kantischen „transzendentalen Ästhetik“; deren Reflexion wird gehemmt, wenn nicht verhindert, durch ihre exkulpatorische Funktion: Sie schirmt das Subjekt ab gegen den Abgrund des Mythos.
    Das Rosenzweigsche „und“ schließt die Idee des Absoluten aus (widerlegt die Idee des Absoluten).
    Zu den drei Grundstückskäufen:
    – Abraham kauft das Grundstück/die Höhle Makpela von dem Hethiter Ephron (Gen 23),
    – Jakob kauft ein Grundstück bei Sichem von den von den Söhnen Hamors (Gen 3319),
    – David kauft die Tenne des Jebusiters Arauna (2 Sam 2418).
    Der Kauf erfolgte
    – als Erbgrundstück für das Begräbnis Saras,
    – für die Errichtung eines „Malsteins“ und den Bau eines Altars („El, Gott Israels“),
    – für den Bau eines Altars, um der Seuche im Volke Einhalt zu gebieten (an der gleichen Stelle, an der auch die „Bindung Isaaks stattgefunden hatte, erbaute dann Salomon dem Herrn einen Tempel – Gen 222, 2 Chr 31).
    Ist nicht die Philosophie, die sich in der Prophetie wiedererkennt, die Erfüllung sowohl der Philosophie wie auch der Prophetie?
    Nach Auschwitz sind gesellschaftliche Naturkatastrophen nicht mehr undenkbar, aber auch die Vorstellung, daß Rechtfertigungszwänge und Legitimationsbedürfnisse die Fälschung der Erinnerung (auch der historischen Erinnerung) begründen können (Problem der Chronologie, der Fälschungen im Mittelalter, aber auch des logisch überdeterminierten Versuchs, synchrone Ereignisse in diachrone umzuformen: entspricht nicht die Logik der Evolution und der Tiefenzeit der Logik der Selbstbegründung des Inertialsystems)? Ist der Verdacht so unbegründet, daß die heute herrschenden wissenschaftliche Anschauungen zur Astronomie und zur Vorgeschichte (Orientalistik, Evolutionstheorie, Geologie) eines Tages als projektive Konstrukte eines universalen Exkulpationstriebs sich erweisen werden (gleichsam als Parodie auf die Umformung einer symbolischen in eine zeitliche Folge in der Bibel: Abraham, Moses, David)? Vgl. hierzu Rosenzweigs Konstrukt einer prophetischen Beziehung der „Vorwelt“ (des Mythos, der Philosophie) zu ihrer Erfüllung in der „allzeit erneuerten Welt“ der Theologie, der Schöpfung/ Offenbarung/ Erlösung (die Philosophie als Prophetie der Prophetie).
    Die Offenbarung ist die Kontraposition zur Verdrängungsgeschichte, während die Philosophie zu ihren Stabilisatoren gehört (Begriff der Barbaren, der Natur und der Materie).
    Das Feuer, die Scham, die Gattung und der Tod. Aber: „Stark wie der Tod ist die Liebe“.
    Empfindung und Selbstmitleid: Produkte der verinnerlichten Scham (der Trennung von Ding und Sache). Die Empfindung ist der Tod der Sensibilität.
    Die Kritik der Naturwissenschaften müßte in einer Theorie des Feuers sich erfüllen, und das in einem sehr physikalischen Sinne: Sie müßte einschließen die Lösung des Rätsels der Planckschen Strahlungsformel (die diese Theorie des Feuers bereits enthält), und in der Folge daraus der Mikrophysik und ihrer Konstanten insgesamt. Sie müßte auch mit einschließen die Auflösung des „Himmels“-Problems (im hebräischen Namen des Himmels ist der des Feuers enthalten), das auf die Logik der Scham (der Erkenntnis der Nackheit, der Selbsterfahrung im Blick der Andern, der Konstituierung der farbigen Außenseite der Dinge, der Beziehung des Begriffs der Barbaren zum Namen der Hebräer, des brennenden Dornbuschs als „brennende Innenerfahrung“ des Profanen) zurückweist. Auf die gleiche Logik der Scham, die die subjektive Form der äußeren Anschauung, die Selbstbegründung der Raumvorstellung, als Verdrängungs- und Exkulpationslogik determiniert (der Raum tabuisiert die Scham durch Abstraktion vom Gesehenwerden). Die im naturwissenschaftlichen Objektbegriff (dem Grund und Modell des wissenschaftlichen Objektbegriffs überhaupt) institutionalisierte aufgedeckte Blöße tabuisiert die Scham: zurück bleibt nur das Brennen. Das Feuer der Hölle ist der mythische Ausdruck der brennenden Scham; der Anblick dieses Leidens, der nach theologischer Tradition zur seligen Anschauung Gottes dazugehört, ist in der Tat durch den Begriff der Anschauung Gottes determiniert (der die Abstraktion vom Gesehenwerden mit einschließt: und die Scham, die Gottesfurcht, als ein unlöschbares Feuer in die Hölle projiziert; mit der Gottesfurcht wurden die Juden in die Hölle projiziert; so wurde in den Juden die Gottesfurcht, in den Hexen die göttliche Barmherzigkeit verbrannt). Wie hängt das Lukacs’sche „Grand Hotel Abgrund“ (Theorie des Romans, S. 17) mit der augustinisch-thomistischen Tradition der kirchlichen Seligkeitslehre (vgl. Thomas von Aquin, S.Th., Suppl. q. 94) zusammen?
    Sind Kafkas Tiergeschichten Produkte der Schamreflexion (der säkularisierten Gottesfurcht: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns)?
    Ist die Astrologie eine Verkörperung und erste Entfaltung der Logik der Scham: der verschlossene und vom Cherub bewachte Eingang zum Paradies, auf den sich per Umkehrung dann das Wort bezieht, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden?

  • 19.4.1994

    Die Schrift, das Geld und das Bekenntnis: ihr Zusammenhang mit dem Relativitätsprinzip. Sie alle haben Teil an der Genesis des Abstraktionsprozesses, dessen Kern im Relativitätsprinzip sich kontrahiert (Abstraktion von der Aktualität, die das einzige Objekt der Prophetie ist). Die Physik ist die endgültig aufgedeckte Blöße; der Wein und die Trunkenheit: das Relativitätsprinzip; das Kleid, das die Blöße zudeckt: die Sprache. War der Rock aus Fellen die Sprache, die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung; und die Trinitätslehre die Ursprungsgestalt der aufgedeckten Blöße im Christentum: der Greuel am heiligen Ort?
    Durch die Opfertheologie hat sich die Kirche auf die Seite der Täter gestellt und ist selber zum sacred executioner geworden; so verstrickte sie sich in die Bekenntnislogik. Wenn der Säkularisationsprozeß der Prozeß der Verinnerlichung des Opfers ist, so ist er zugleich Teil der Geschichte der Selbstzerstörung der benennenden Kraft der Sprache. Das war die Grundlage der Ausbildung der Raumvorstellung und des Inertialsystems. Die Geschichte des Opfers ist ein Teil der Geschichte der Sprache: Die Sprache gewinnt ihre benennende Kraft zurück, wenn der Satz „Barmherzigkeit, nicht Opfer“ wahr wird.
    Die Konstanten der Mikrophysik: insbesondere das Plancksche Wirkungsquantum und die elektrische Elementarladung, stehen in einer ähnlichen Beziehung zur Struktur des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigierten Inertialsystems wie die Kreiszahl Pi und die Basis des natürlichen Logarithmus e zur Form des Raumes.
    Interessant wäre es, den Schatten, der die drei Patriarchen der Endzeit der europäischen Aufklärung begleitet: Engels (der Schatten von Marx), Jung (der Schatten von Freud) und die Kopenhagener Schule (der Schatten Einsteins), genauer zu betrachten.
    Von vier Katastrophen wurde Hiob getroffen:
    – die pflügenden Rinder und die daneben weidenden Eselinnen wurden von den Sabäern fortgetrieben und die Knechte mit der Schärfe des Schwertes geschlagen,
    – Feuer Gottes ist vom Himmel gefallen und hat zündend in die Schafe und Knechte geschlagen und sie verzehrt,
    – die Chaldäer haben drei Heerhaufen gemacht, haben die Kamele überfallen und sie weggetrieben und haben die Knechte mit der Schärfe des Schwertes erschlagen,
    – die Söhne und Töchter wurden im Hause des Erstgeborenen von einem starken Sturmwind aus der Wüste, der das Haus an den vier Ecken gepackt und auf die jungen Leute gestürzt hat, erschlagen.
    Wer sind die Sabäer: Haben sie etwas mit der Königin von Saba und dem (JHWH) Sabaoth zu tun: den Himmelsheeren?
    Nach der Dialektik der Aufklärung ist die Distanz zum Objekt, die den Aufklärungsprozeß begründet, vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt. Wird diese Distanz nicht kontrahiert und verinnerlicht (und zugleich unkenntlich gemacht) durch die Raumvorstellung? Die Entfaltung der Form der äußeren Anschauung (der subjektiven Formen der Anschauung überhaupt) ist vermittelt durch die Herrschaftsgeschichte.
    Das Opfer des Sohnes war das Opfer der Sprache (des Logos): Realsymbol der Verinnerlichung des Opfers. Der Leib Christi ist der Sprachleib, auf ihn beziehen sich die Passionsgeschichte und Ez 37. Das Kreuz, an das dieser Leib geschlagen wurde. ist die Mathematik (und den Rock ohne Naht haben die Soldaten unter sich verlost).
    Ist nicht das Verhältnis der Philosophie zur Prophetie das Verhältnis von Angesicht zu Angesicht (das kein Sterblicher überlebt)? Erst wenn beide sich im andern erkennen, erkennen sie sich wirklich.
    Gegen Gemeinheit hilft keine Empörung, sondern nur Selbstbewußtsein und geistesgegenwärtige und geduldige Reflexion.
    Das „Grauen um und um“ beim Jeremias hängt mit dem Satz des Thales: „Alles ist Wasser“ zu zusammen. Das Grauen des babylonischen Krieges und das des Mythos haben einen gemeinsamen Ursprung.
    Hängt die Raumvorstellung nicht auch insoweit mit der Sexualmoral zusammen, als sie das Herrendenken durch Ausblendung der Folgen exkulpiert?
    Weist der Text im biblischen Schöpfungsbericht über die Erschaffung des Menschen (nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes) nicht auf einen grammatischen Unterschied zurück:
    – der adjektivische Gebrauch des Possessivpronomens (nach seinem Bilde) entspricht dem Imperfekt (einer nicht abgeschlossenen, noch fortdauernden Handlung), während
    – die Genitiv-Konstruktion (nach dem Bilde Gottes) aufs Perfekt verweist (die Handlung ist abgeschlossen, ihr Produkt liegt vor)?
    Ist der nächste Satz: „Als Mann und Weib schuf er sie“ ein Erläuterung dazu, oder bezeichnet er einen zusätzliche Sachverhalt?
    Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wurde, steht nur bei
    – Mk 169: „… erschien er zuerst Maria Magdalena, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte“ (evtl. späterer Nachtrag zum Evangelium) und
    – Lk 82: „… und die zwölf begleiteten ihn und einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt die aus Magdala, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, …“.
    Vgl. hierzu Mt 1243ff und Lk 1124ff. – Kann es sein, daß die Mk-Stelle wichtig ist deshalb, weil sie die Befreiung von den sieben Dämonen in Beziehung setzt zur Auferstehungsgeschichte, und daß der Schein des Bruchs zum vorhergehenden „Abschluß“ des Evangeliums zu den Indikatoren der Bedeutung dieser Stelle gehört?

  • 31.3.1994

    Die intentio recta, das Inertialsystem und die sieben unreinen Geister. Das Inertialsystem ist die real existierende Verwischung der Differenz zwischen Rechts und Links (und der drei Dimensionen des Raumes), und die Geschichte der Mathematik ist die Geschichte des Ursprungs der Definition des Begriffs der Dimension (Entdeckung des Winkels, der Null und der negativen Zahlen). Fortbildungen der intentio recta (der Abstraktion von der Reflexion): das Schaufenster und das Fernsehen; die Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) oder die Hereinnahme der Naturgrenze ins Sehen. Im Schaufenster und im Fernsehen erfüllt sich die intentio recta: als Hilfsmittel der Reklame und der Propaganda (als „Vater der Lüge“). Zur Beziehung der mikrophysikalischen Naturkonstanten zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Wenn das Plancksche Wirkungsquantum, die elektrische Elementarladung und die übrigen Konstanten mathematisch aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich nicht sollten herleiten lassen (wie die Kreiszahl pi oder die Basis des natürlichen Logarithmus e), so müßte die Unmöglichkeit der Ableitung streng sich darstellen lassen. Gegenstand einer Chaostheorie im traditionellen Sinne wäre eigentlich die Physik insgesamt, deren Erkenntnisse sich der Subsumtion der Dinge unter die chaotisierende Gewalt des Vakuums verdanken. Das Chaos im Schöpfungsprozeß, das tohu wa bohu, ist kein Attribut der Schöpfung insgesamt, sondern nur der Erde (Gen 12). Wenn der Himmel Sein Thron ist, ist dann nicht das Besitzen insgesamt blasphemisch (ein Akt der Empörung)? Wie heißt der Dominus Deus Sabaoth auf hebräisch (in den Geschichtbüchern, Psalmen und Propheten)? Die (die Naturerkenntnis begründende) Frage „If the future will be like the past“ hat ihr Gegenstück in der anderen (die historische Erkenntnis begründenden) Frage „If the past has been like the present“. Gibt es nicht auch Vergangenheiten im Plural, und ist die Singularisierung der Vergangenheit (wie die des Himmels) nicht eine Vergewaltigung des Objekts? An welcher Stelle bei der Lösung der sieben Siegel erscheinen der Drachen und die Tiere? Und haben die Planeten nicht doch etwas mit den Kasus und mit der Deklination der Nomina zu tun (z.B.: Nominativ = Sonne, Akkusativ = Mond; Genitiv = Merkur; Dativ = Venus; Instrumentalis = Mars; Vokativ = Jupiter; Ablativ = Saturn)? Ist die grammatische Durchbildung der Sprache (der indogermanischen und der semitischen) astrologischen Ursprungs (chaldäischen Ursprungs: Turmbau von Babel), und hat sie etwas mit dem „kreisenden Flammenschwert“ des Cherubs am Eingang des Paradieses (das dann im „zweischneidigen Schwert“ Ps 1466, Spr 54, Hebr 412 und in der Apk 116 und 212 wiederkehrt) zu tun? Hat die Gedankenschwere etwas mit dem Inertialsystem der Grammatik (wie die Materie mit dem Erlöschen der benennenden Kraft der Sprache) zu tun? Wenn die Sonne (die den Tag erhellt) den Nominativ und der Mond (der die Nacht erleuchtet) den Akkusativ repräsentiert, dann ist es in der Tat nicht unwesentlich, welchem Geschlecht sie zugeordnet werden.

  • 10.02.94

    Christologie und Trinitätslehre:
    – der Vater oder die Theorie des Namens: die benennende Kraft der Sprache (der logos) bildet sich nur im Angesicht Gottes (im Kontext der Gottesfurcht),
    – der Sohn oder die Theorie des Angesichts: er hat Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und wurde gekreuzigt,
    – der Geist oder die Theorie des Feuers (abgestiegen zur Hölle): Erinnerung seiner Beziehung zum Totenreich, zur Natur.
    Die benennende Kraft der Sprache ist ohne Schuldreflexion, ohne das metaphorische Element und ohne den Begriff des Realsymbolischen nicht zu rekonstruieren. – Gehört das Realsymbolische zur Theorie des Angesichts, das Metaphorische zur Theorie des Namens und die Schuldreflexion zur Theorie des Feuers?
    – Theorie des Angesichts: Kritik der Seele und der Person,
    – Theorie des Namens: Kritik des Begriffs und des Objekts (der Urteilsform),
    – Theorie des Feuers: Kritik des Tauschprinzip und des Trägheitsgesetzes (der Mathematik, der Formen der Anschauung und des Inertialsystems).
    Die Frauenfeindschaft gehört zur Bekenntnislogik als Folge ihrer Beziehung zum Ursprung der Begriffe Natur und Materie: als ein Teil ihrer Beziehung zur Herrschaftslogik, zum Weltbegriff.
    Juden, Heiden und Ketzer sind die Nachfahren der Barbaren im Christentum: durch das Urschisma sind die Christen selber zu Juden, Heiden und Ketzern geworden, der Projektionszwang war eine Folge des Rechtfertigungszwangs.
    Zur Theorie des Feuers:
    – schamajim;
    – „Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon“;
    – Fegefeuer, die Feuer der Hölle; Pfingsten;
    – das Plancksche Strahlungsgesetz und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht, oder die Grenze zwischen Sprache und Mathematik.
    Ist nicht die Trunkenheit die innersprachliche Entsprechung des Feuers?
    Hängen der Weinbau und das noachidische Nahrungsgebot, die Erlaubnis, Fleisch zu essen, mit der Entdeckung der Astronomie (Tierkreis und Planetensystem) und dem Ursprung der Mathematik zusammen; sind der planetarische Teil der Astronomie und die in ihm wurzelnde Mathematik der Kelch und die Trunkenheit?
    – Könnt Ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?
    – Vater, wenn es möglich ist, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen.
    Zum Tierkreis vgl. die Benennung der Tiere durch Adam, die Herrschaft über die Tiere und den „Schrecken der Tiere“ und den prophetischen Tierfrieden.
    Erschaffen wurde nur das Licht (und dann von der Finsternis geschieden), der Tag und die Nacht. Dagegen entspringen die Farben erst mit dem Bogen in den Wolken nach der Sintflut, als Zeichen, daß es eine zweite Sintflut nicht mehr geben wird (fire next time). Gehört das nicht zusammen mit:
    – der Arche für die Tiere (und dem Opfer der reinen Tiere),
    – dem neuen Nahrungsgebot (und der Erlaubnis, Fleisch zu essen, nach dem vegetarischen Nahrungsgebot des sechsten Tages),
    – dem Schrecken über die Tiere (nach der Benennung der Tiere durch Adam, den jetzt die Sünde der Welt als Subjekt ersetzt, aus der am Ende der Schrecken des Tieres folgt),
    – dem Beginn des Weinbaus (und der ersten Trunkenheit),
    – dem Aufdecken der Blöße (der Instrumentalisierung der nach der Vertreibung aus dem Paradies entsprungenenen Scham) und dem Ursprung der Knechtschaft (der Delegation der Arbeit, der Herrschaft von Menschen über Menschen: durch Instrumentalisierung der Schuld).
    Nach der Sintflut der Turmbau zu Babel und die Verwirrung der Sprachen. – Was hat es dann mit Eber auf sich, nach dem die Menschheit sich teilte (seine Söhne erscheinen in verschiedenen Genealogien: Joktan in Gen 1025ff und Peleg in 1116ff)?

  • 31.12.93

    Ist Schönheit (auch in ihrer vulgären Gestalt, als Kitsch) inverse Scham, Teil der Geschichte der Vergegenständlichung (der Neutralisierung der Umkehr)? Und liegt darin der Grund des Mythos wie der Kunst? Das Naturschöne wäre dann ein Schlüsselphänomen. Die beiden Begriffe der Ästhetik (als Kunstphilosophie und als Grund der traszendentalen Logik) hängen über diese strukturelle Beziehung zur Scham miteinander zusammen.
    Die Transformation der Naturwissenschaften in Technik ist erst über die Lösung des Problems der technischen Nutzung der Energie, der Erzeugung und des Transports der Energie, erfolgt (Dampfmaschine und dann Elektrizität). Gleicht nicht die Logik dieses Energietechnikproblems der des Kapitals (und die Logik der Dampfmaschine der der Banken: beide abstrahieren von der Lohnarbeit, in der sie gründen)? War nicht der Kampf gegen die Atomkraftwerke, so wichtig und notwendig er in der Sache war (und immer noch ist), zugleich auch ein Alibi für die unmögliche Korrektur des Kapitalismus: für die nicht gelungene Revolution (der Linken ist es nie gelungen, eine ernsthafte, ihrem Gegenstand angemessene Theorie der Banken zu entwickeln: sie hätte begreifen müssen, was es mit dem „Greuel am heiligen Ort“ auf sich hat)?
    Zu den Konstituentien des Inertialsystems gehören die Erhaltungssätze: der Masse und der Energie. Die logische Analyse beider steht noch aus. Zu ihrer Voraussetzung gehört die Einsicht, daß die Dimensionen des Raumes nicht an sich, sondern nur aufgrund der abstraktiven Gewalt der Mathematik ununterscheidbar sind. Zu den Konsequenzen aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gehört die Einsicht, daß die Beziehungen der Dimensionen des Raumes zur Zeit nicht äquivalent sind: Nicht der Raum, sondern die in sich dynamische Struktur der Raum-Zeit (die u.a. in den mikrophysikalischen Strukturen und in den dazugehörigen „Naturkonstanten“, wie z.B. dem Planckschen Wirkungsquantum, der elektischen Elementarladung u.ä. sich vergegenständlicht) gehorcht dem Gesetz der Gleichzeitigkeit.
    Liegen die Anfänge der Schrift in der Buchhaltung? Und wie hängt die Geschichte der Buchhaltung mit der der Astronomie (und die Sklaven mit dem Namen der Barbaren und der Apotheose der Heroen) zusammen?
    Nur durch den stringenten Aktualitätsbezug vermag die Erkenntnis der verwirrenden Gewalt des Nominalismus sich zu entziehen: wird sie zur Prophetie.
    Wenn man an den hessischen Löwen im Startbahnkonflikt und an die fette Henne im deutschen Bundestag, die sich für einen Adler hält, denkt: gehört dann nicht die Verunglimpfung staatlicher Symbole, als Erbe der Blasphemie, zu den Grundlagen und Voraussetzungen der Theologie?

  • 09.12.93

    Buße (Umkehr), Gebet und Fasten gehören zu den Grundlagen der Weltkritik: zur Kritik
    – des Inertialsystems (Buße, Umkehr, „Gehorsam“),
    – der Geldwirtschaft (Fasten, „Armut“) und
    – der Bekenntnisreligion (Gebet, „Keuschheit“).
    Das Inertialsystem und seine Entsprechungen (Geldwirtschaft und Bekenntnisreligion) sind Verkörperungen des Anklägers (des „Widersachers“): des anklagenden Prinzips, in Deutschland durch den Titel des Staatsanwalts (durch die darin sich manifestierende Staatsmetaphysik) mit der Institution des Staates und dem Gewaltmonopol des Staates verschmolzen. (Hängt Habermas‘ Einwand gegen die Frankfurter, seine Wendung gegen jeden Gedanken an eine Naturutopie, mit seinem „Verfassungspatriotismus“ zusammen?)
    Daß im Namen des Menschensohns der Bann der Welt gebrochen ist, manifestiert sich in dem Wort, daß er auf den Wolken des Himmels kommen wird. Im Apokalyptik-Band, S. 301, findet sich der entscheidende Hinweis auf den Gegensatz (und die Beziehung) des messianischen Titels Menschensohn zu den Tiersymbolen und auf den apokalyptischen Grund des Namens.
    Wie lautet der aramäische Name des Menschensohns: barnascha, baränasch oder baränascha?
    Als Sohn Adams ist der Menschensohn der Sohn dessen, der die Tiere benannt hat (so hat er teil an der „Schöpfung“ der Welt).
    Schließt die historisch-zeitgeschichtliche Interpretation der Apokalypse (z.B. die Beziehung der Johannes-Apokalypse zu Nero und Domitian) die Möglichkeit eigentlich aus, die anhand der Vergangenheit gewonnenen Symbole im gegenwärtigen zeitgeschichtlichen Kontext wiederzuerkennen (als Erfüllung des Worts)? Ist das Zeitgeschichtliche der Apokalypse nicht eine Variation und Steigerung des Aktualitätsbezugs der Prophetie? Wird nicht dieser Aktualitätsbezug im philosophischen tode ti, und in jeder Gestalt der „Naturerkenntnis“ seitdem verdrängt, und so die Apokalypse neutralisiert: Ist der Naturbegriff zu diesem Zweck ersonnen worden (und die Philosophie demnach insgesamt ein Mittel zur Verdrängung der Apokalypse, und ihr theologischer Gebrauch seit den Kirchenvätern nicht nur ein Produkt der enttäuschten Parusieerwartung)?
    Die Beziehung der Apokalypse zum Traum wird deutlicher, wenn man daran erinnert, daß Nebukadnezar den Daniel auffordert, ihm den Traum selber, und nicht nur seine Deutung, zu liefern (vgl. dagegen die Träume beim Joseph: die eigenen, die des Mundschenk und des Bäckers, und dann die des Pharao: der Pharao kennt seinen Traum, Nebukadnezar nicht). In der Apokalypse bezeichnet der Traum (wie heute, im Kontext der Kritik der Naturwissenschaften, der Begriff der Verdrängung) etwas Objektives, nicht etwas nur Subjektives, Psychologisches. Bezeichnet nicht der Weltbegriff (und der Ursprung des Staats) die Grenzscheide zwischen Prophetie und Apokalypse (mit fließenden Übergängen in der Prophetie und der Benennung der Grenze im Christentum)? Sind die mathematischen Naturwissenschaften nicht auch ein böser Traum von einer Welt, die „an sich“ ganz anders ist, aber einer cum fundamento in re?
    Die kopernikanische Theorie und die Geschichte der Naturwissenschaften seitdem war ein Instrument der Vergesellschaftung und Verinnerlichung von Herrschaft. Sie hat den Himmel dadurch aus dem Gesichtskreis der Menschen entfernt, daß sie ihn in den Innenraum ihrer (mathematischen Zwangs-) Vorstellung transportiert hat.
    Intersubjektivität ist die Gemeinschaft fensterloser Monaden: am Ende die gemeinsame Isolationshaft aller: ein böser Traum.
    Richten, Strafe, Buße, Sühne (oder über die reinigende Wirkung des Mords): In einer Gesellschaft, in der es nur noch Richter, aber keine Verteidiger, keine Gnade, keine Barmherzigkeit mehr gibt, gibt es keine Sühne mehr, die die Ehre des Täters restituiert (nur noch den faschistischen Mord: das perfekte Verbrechen verträgt keine Zeugen). Das Schlimmste ist, wenn einer (wie von Weizsäcker) sich entschuldigt. Die Deutschen sind es leid, „ewig im Büßerhemd herumzulaufen“. Die anderen waren „auch nicht besser“: Dafür müssen heute die Ausländer, die Linken, die Behinderten „büßen“ (aber diese Buße ist ebenso grundlos wie irrational: Sie hat ihren Grund nicht in Handlungen derer, denen die Buße auferlegt wird, sie ist stellvertretende Sühne, die die Untat ungeschehen machen soll, die die Richtenden an ihnen verüben, indem sie prophylaktisch die Erscheinung des Schuldvorwurfs – das Opfer als den zukünftige Zeugen der an ihm begangenen Tat – beseitigt: deshalb haben die Nazis als erstes die Bettler und die Kommunisten ins KZ gebracht). Das perfekte Verbrechen als Vollendung des Rechtsstaats: Letzte Konsequenz aus dem Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist? Die Gnadenlosigkeit bedarf der Strafe nur noch als Verdrängungshilfe; der Schritt zum faschistischen Mord ist dann nur ein kleiner Schritt.
    Die Todesstrafe wurde abgeschafft, als der Staat sie zur eigenen Begründung nicht mehr brauchte: nach endgültiger Durchsetzung des Gewaltmonopols. Aber hat sich damit nicht auch die Gemeinheit (nach Franz von Baader die „Niedertracht“) endgültig durchgesetzt? Ist die Menschheit nicht zum erstenmal wehrlos gegen das perfekte Verbrechen, dessen Alibi die Abschaffung der Todesstrafe ist?
    Die Taube ist das einzige nicht gehörnte Opfertier der Juden: Sie ist das Opfer der Armen, der Machtlosen, die Aufhebung des in ihnen erscheinenden Schuldvorwurfs an die Reichen und Herrschenden: so ist sie das Symbol des Parakleten, des Heiligen Geistes.
    Hat die physikalische Statistik (zusammen mit der „Gegenständlichkeit“ der Materie, der unlöschbaren Spur des Objektivationsprozesses) ihren Grund im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: in der Selbstreferenz, die seit der Hereinnahme eines empirischen Moments ins Inertialsystem aus der mathematischen Naturerkenntnis nicht mehr sich herausbringen läßt. Erst hierdurch entsteht jene quasiorthogonale Beziehung zur Materie, die der Grund der Atomistik und der Quantenstrukturen (des Planckschen Wirkungsquantums) ist. Im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit enthüllt sich das projektive Moment in der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, das den Begriffen der Natur und der Materie zugrundeliegt.
    Das „sub specie aeternitati“ meint nicht die Abstraktion von der Zeit, das Überzeitliche, sondern sprengt das Zeitkontinuum: Wiederherstellung der realen Gegenwart: Im Angesicht Gottes.

  • 24.08.93

    Zu Erich Zenger, Gottes Bogen in den Wolken: Paßt nicht der Kriegsbogen zum kreisenden Flammenschwert?
    Ein prophetischer Begriff der Erkenntnis kann die Trennung von Natur und Welt nicht akzeptieren, er schließt die Kritik der Geschichte im Sinne einer praeparatio resurrectionis mit ein. Gründet nicht die Trennung von Prophetie und Schöpfungsgeschichte in der durch die Philosophie (und den Staat) vermittelten Trennung von Welt und Natur? Diese Trennung von Welt und Natur oder die Herrschaft des Begriffs und des Rechts ist nur zu kritisieren im Kontext einer Theorie des Namens, des Angesichts und des Feuers. Nicht nur die Prophetie, auch die Schöpfungslehre hat einen Aktualitätskern, der nur durch die Kritik der Trennung von Welt und Geschichte und der zugrundeliegenden Trennung von Natur und Welt wiederzugewinnen ist (Geschichte konstituiert sich durch den Naturbegriff: durch die Leugnung der Auferstehung hindurch); und das Medium dieser Wiedergewinnung ist Erinnerungsarbeit.
    In der Geschichte der drei Leugnungen ist die Magd des Hohepriesters (bei Johannes 1815ff u. 25ff) zugleich die Türhüterin, an der Petrus nur mit Hilfe des „anderen Jüngers“, der „mit dem Hohepriester bekannt war“ vorbei in den Hof hereingekommen ist. Bei Johannes fehlt der Satz von der Selbstverfluchung des Petrus und dem bitterlichen Weinen.
    Zenger, S. 109: Die Flutgeschichte erzählt gerade nicht, „daß und wie der Schöpfergott diesen „Gewaltbazillus“, der die Erde vergiftet hat, durch die Flut aus der Erde herausspült“, sondern dieser „Gewaltbazillus“ ist ein Systemteil der Flut, und seitdem ist die Erde damit vergiftet (hier ist alles Fleisch erst zu Fleisch geworden, auch im paulinischen Sinne: erst hier ändern sich auch die Tiere).
    Daß „die Wassertiere … in 721 verständlicherweise (fehlen)“ (S. 110), hat nicht nur den empirischen Grund, daß sie halt im Wasser leben, sondern verweist auch auf die „großen Meerestiere“ des fünften Tages, die, wie Himmel und Erde und wie der Mensch, unmittelbar von Gott erschaffen sind, und nicht nur die Sinflut überleben, sondern diese Katastrophe gleichsam antizipieren (vgl. die merkwürdige Beziehung der großen Meerestiere zur Philosophie und zum Staat: als Weltsymbole?).
    S. 111: „am Neujahrstag sind die Wasser von der Erde verschwunden“. Hat das (und die Sintflut insgesamt) etwas mit dem Wechsel vom Mond- zum Sonnenjahr zu tun? – Vgl. hierzu die Anm. 27.
    S. 117: Bezieht sich der Schrecken auf den Tieren in Gen 92 außer auf den Gottesschrecken bei der Landnahme (Josue) nicht auch auf den Schrecken Isaaks, und gehört nicht auch der „Schrecken um und um“ in diese Reihe? Und steht das Ganze nicht im Zusammenhang mit der Geschichte des Opfers als Vorgeschichte des Weltbegriffs? Ist nicht die Welt das subjektlose Subjekt dieses Schreckens (das subjektlose Subjekt einer Erkenntnis, deren Subjekt-Objekt der tiefste Grund dieses Schreckens, nämlich das Anderssein ist)?
    Verführung und Weltbegriff (et ne nos inducas in tantationem, sed libera nos a malo): Subjekt des Weltbegriffs sind die Menschen, aber davon werden sie durch den Weltbegriff zugleich entlastet: das ist die Sünde der Welt.
    Verstellt nicht auch in der Sintflutgeschichte das Chronologie-Problem den Blick auf ihre reale (und aktuelle) Bedeutung?
    Verweist nicht die Vorgeschichte (mit den Göttersöhnen und den Menschentöchtern und den Riesen der Vorzeit) aufs deutlichste auf die Zeus- und Heroen-Geschichten des griechischen Mythos?
    Ist nicht die Taufe (durch ihre Beziehung zur Sintflut) ein Symbol der Erinnerungsarbeit?
    Ist nicht „die Seite“ in der Schrift immer die linke Seite (von der Erschaffung Evas bis zum Lanzenstich am Kreuz)?
    Wie hängen die beiden – nach meinem Eindruck sehr katholischen -Wendungen im Verhältnis insbesondere zum Alten Testament zusammen:
    – das „Heute wissen wir, daß …“, mit dem störende Konnotationen beiseite geschafft, verdrängt werden, aber auch wenn eine Stelle dem Stand der naturwissenschaftlichen oder der historisch-kritischen Erkenntnis nicht mehr entspricht, und
    – die projektiv dem biblischen Autor unterstellte Absicht, die Behauptung zu wissen, was der biblische Autor an einer Stelle gemeint hat (insbesondere, wenn diese „Meinung des Autors“ mit dem Wortlaut des Textes nicht übereinstimmt)? Wäre hier nicht zu prüfen, ob die Vorstellung von der biblischen Autorschaft nicht in der Tat sehr projektive Züge trägt, und bestimmt ist vom eigenen Verfahren: vom Abschreiben aus Büchern in Zettelkästen und aus Zettelkästen in neue Bücher. Verkennt diese Vorstellung nicht doch zentral den realen Prozeß der literarischen Produktion in einer Welt, in der es noch keine Sekundärliteratur (die alle Quellentheorien gerne in die Texte hineinschmuggeln möchten) gibt?
    War nicht in der alten Welt das Verhältnis zur Sprache (bis hin zum Logos-Begriff des Johannes-Evangeliums) ein wesentlich anderes als unser heutiges, durch Rechtfertigungszwänge sowie durch Mathematik und Ökonomie zerstörtes und verwirrtes Verhältnis? Und ist nicht ein zentrales Moment der „Schrift“ Sprachreflexion?
    So wie zwischen dem „Stern der Erlösung“ und uns Auschwitz steht, so steht zwischen der Schrift und uns die zweitausendjährige Geschichte des Christentums, die in Auschwitz endet. Hier gründet die erschreckende und beklemmende Aktualität der Schrift.
    Nochmal zur Stelle: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde, die Jesus dann selbst, so als sei es nur eine rhetorische Frage gewesen, beantwortet: Ihr werdet den Kelch trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten oder Linken habe nicht ich zu vergeben, sondern der Vater. – Nirgend kommt die Mittler-Rolle dramatischer zum Ausdruck als hier.
    Ist nicht die Geschichte der Dogmatisierung eine Geschichte der Subjektivierung (als welche sie zur Vorgeschichte der subjektiven Formen der Anschauung, ihrer Trennung vom Licht, gehört)? Und ist sie nicht (wie die subjektiven Formen der Anschauung) über den Weltbegriff herrschaftsgeschichtlich strukturiert (Verdrängung und Verachtung der Armen und der Fremden)? Bezeichnen nicht Gott, die Armen und die Fremden die andere Seite der Geschichte der Subjektivierung?
    Ist nicht das Feuer die Vermittlung zwischen dem Inertialsystem und dem Licht, und das Plancksche Strahlungsgesetz (zusammen mit der speziellen Relativitätstheorie Einsteins) der innerphysikalische Ausdruck dieser Vermittlung?

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