Ist der Personbegriff nicht ein Reflexionsbegriff der neutralisierten Welt (er bezeichnet den Schauspieler im Drama und das rechtlich schuldfähige Subjekt).
Die sieben Siegel: Taufe, Firmung, Buße, Eucharistie, Priesterweihe, Ehe und Salbung.
Wer den Faschismus nur unter dem Aspekt der Schuldfrage reflektiert, verfehlt ihn. Zu Auschwitz gibt es kein objektives Verhältnis mehr; das Besondere an Auschwitz ist die nicht mehr abweisbare Einsicht, daß man auch durch Nichthandeln (auch durch die Distanz des „historischen Betrachters“) schuldig wird. Mit Auschwitz enthüllt sich Objektivität insgesamt als Schuldzusammenhang.
Grund des Weltbegriffs: Der Raum ist ein sich-selbst-tragendes Konstrukt (das reine Sich-Fortzeugen); er scheint nur hingenommen werden zu können und jeder Begründung und Reflexion sich zu entziehen. Die Konsequenzen allerdings sind unabsehbar.
Die scheinbar so einfache und klare Struktur des Raumes ist in Wahrheit ein Produkt der Zerwirbelung der raummetaphorischen Elemente der Sprache:
– im Angesicht und hinter dem Rücken,
– rechts und links (Gerechtigkeit und Barmherzigkeit),
– oben und unten (Herr und Knecht).
Dies ist der Knoten, den Alexander als Erbe der Philosophie und Begründer des Cäsarismus, nur durchschlagen hat, während es darauf ankäme, ihn zu lösen.
Hat nicht die Entdeckung des Winkels, der Orthogonalität, jene Seitenansicht der Dinge erst eröffnet und begründet, die dann die Begründung der Philosophie und die Konstituierung des Weltbegriffs (die Trennung des Natur- und Weltbegriffs) ermöglichte? Die ganze nachfolgende Geschichte, einschließlich des Ursprungs und der Ausbildung des Dogmas im Christentum, steht unter diesem Vorzeichen und war so die Voraussetzung für den europäischen Objektivations- und Säkularisationsprozeß. In diesem Prozeß ist die Seitenansicht dann zur Totalen geworden: zum Inertialsystem (der Verkörperung des Jeremias-Wortes vom „Grauen um und um“).
Vgl. die schöne Stelle in Büchners „Lenz“: Sehen Sie, Herr Pfarrer, wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten.
Die Verführung des Feminismus: Wenn der Faschismus eine aus der Logik des Patriarchats erwachsene Erscheinung ist, dann ist der Feminismus gleichsam apriori exkulpiert. – Die große Bedeutung des Feminismus liegt darin, daß sie die politische Dimension des Sexismus wiederentdeckt hat.
Gibt es eigentlich zum Schuldzusammenhang (und zum Rechtfertigungs- und Exkulpierungszwang) keine Alternative mehr?
Die Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die einhergeht mit der Unfähigkeit zur Sprachreflexion, reproduziert den Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang, in dem sie gründet.
Die technische Adaption der kritischen Theorie subsumiert sie unter Rechtfertigungs- und Alibizwänge.
Die Kritik der Postmoderne, die Kritik Drewermanns und auch die Kritik Edith Steins trifft zwar den Sachverhalt, verdrängt aber zugleich das Problem und verfällt deshalb der Bekenntnislogik, der Vorstellung, das Bekenntnis zur richtigen Anschauung würde schon etwas ändern.
Man muß sich klarmachen, daß das Inertialsystem das Referenzsystem aller physikalischen Erscheinungen, Begriffe und Gesetze ist, mit zwei Grenzfällen:
– der speziellen Relativitätstheorie und
– den Statistik-Gesetzen, insbesondere dem Planckschen Strahlungsgesetz.
In beiden wird die Selbstreferenz und das Problem der Vermittlung im System als Gesetzeszusammenhang zu einem Teil des Systems. Die „empirischen“ Konstanten (der Wert der Lichtgeschwindigkeit und das Plancksche Wirkungsquantum) sind selber auch Knotenpunkte des Systems. Hier liegt der objektive, in der Physik selber verankerte Grund einer Theorie des Feuers.
(Sind nicht die Banken die black boxes der Ökonomie?)
Sind die drei großen und die zwölf kleinen Propheten Reflexgestalten der Patriarchen und der zwölf Söhne Israels?
Planck
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22.08.93
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07.07.93
Zu Mt 532 und 199: Hängt diese rigorose Eheauffassung nicht mit der Stellung der Gesamtlehre Jesu zum Weltbegriff (mit dem Prinzip der „Übernahme der Sünden der Welt“) zusammen? Wenn die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt: wenn die Frau gleichsam diese ganze Schöpfung vertritt, dann ist in der Tat eine Scheidung nicht mehr möglich. (Daß Paulus ein Christ und ein Theologe war, beweist seine Kosmo-Theologie: die Lehre von den Archonten und der Satz, daß die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt. Hängt das nicht zusammen mit der Geschichte von der Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern?)
Hat Jesus etwas mit den „Sünden der Mutter“ und der „Schuld der Väter“ zu tun? Bezieht sich die Übernahme der Sünden der Welt auf die Sünden der Mutter (vgl. die problematischen Beziehungen Jesu zu seiner Mutter, die jedoch selber „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“), und ist das Verschwinden Josefs und seine Hypostasierung des Vaters darin begründet?
Hängt das Trinken des Kelchs mit der „Schuld des Vaters“ zusammen?
Zu Joh 129 vergleiche Jes 537.12.
Die Zweideutigkeit des konziliaren Aggiornamento ist vor allem in Deutschland wahrzunehmen: Anstatt für die prophetische Aktualität hat die deutsche Theologie sich für die Anpassung an die Welt entschieden. Ist nicht die entsetzliche Verwirrung insbesondere in der katholischen Theologie ein Produkt der Übermacht der Welt, vor dem sie jetzt kapituliert hat?
Weshalb unsere Justiz auf dem rechten Auge blind ist: Der Exkulpationsdruck, der sich des Staats bedient, um die Schuld verdrängen zu können, mit der niemand mehr glaubt leben zu können, ist das Energiepotential, das das Strafbedürfnis erzeugt und sein Maß bestimmt, das heute zugleich in Haß gegen die Linke und gegen die Fremden explodiert. Die Justiz gehört zu den Abfuhrinstanzen dieses Exkulpationsdrucks, sie löst ihn nicht auf.
Hat dieser Exkulpationsdruck nicht etwas zu tun mit der Schuld der Väter und den Sünden der Mutter? Zu den Mechanismen seiner Erzeugung und Verwertung gehört das sprachliche Element und die Sprachgeschichte der Bildung des Neutrums (des ne-utrum als Entlastung von der Schuld der Väter und den Sünden der Mutter). Diese Geschichte hängt zusammen mit der des Ursprungs des Weltbegriffs, der Philosophie und des Rechts, sie wurde mit einer Theologie abgesichert, zu der essentiell die Christologie, die Opfertheologie, das Konzept der Schöpfung (und Entsühnung) der Welt gehört.
Der Sündenfall, das Substantiv und die Geschlechter der Nomen: Ist im Begriff des Substantivs nicht das Bewußtsein erreicht, daß die Substanz (das substare) ein Produkt der projektiven Gewalt (Struktur) des Denkens ist, ist der Staub (aus dem Adam gemacht ist und zu dem er wieder werden wird, und den die Schlange frißt) das Substrat der Neutrumsbildung? Damit hängt es zusammen, wenn der Objektbegriff die benennende Kraft der Sprache zerstört, den Namen zum Begriff neutralisiert.
Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang zwischen bereschit und berith, bara, Abraham und den Hebräern, und den Barbaren?
„Möget ihr, in der Liebe festgewurzelt und gegründet, fähig werden, mit allen Geheiligten zu begreifen, was es ist um die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi, um sie zu erkennen, die erhaben ist über alle Erkenntnis, damit ihr die ganze Gottesfülle mit ihrem Reichtum in euch erfahret.“ (Eph 317ff) Ist in dieser Raummetaphorik nicht die vollständige Umkehr angesprochen? Aber ist die Metapher der Höhe und Tiefe nicht obsolet geworden durch ihr restloses Aufgehen in die Herrschaftsmetaphorik (zu der es nach der kantischen Lehre von der Form der äußeren Anschauung fast keine Alternative mehr gibt)? Sie wäre aufzulösen nur noch im Kontext einer herrschaftskritischen Theologie: der Kritik des Weltbegriffs und des Begriffs. Vergleiche hierzu den Baaderschen Hinweis auf den Zusammenhang von Hochmut und Niedertracht, sowie den Begriff der Empörung im Zusammenhang der Konstituierung des moralischen Urteils (was entspricht dieser „Empörung“ im Bereich der theoretischen Vernunft? Gibt es ein Bekenntnis ohne Empörung? Und war es nicht die Selbstverblendung durch Empörung, die das „Bekenntnis des Namens“ zum „Glaubensbekenntnis“ verhext hat: zum Ersatz für die Umkehr? – Wer ist der Fürst dieser Welt?).
Was hat es der Erkenntnis der „Tiefen Satans“ (Off 224, Schreiben an die Gemeinde Thyatira) auf sich?
Begriff und Name sind durch die Idee der Umkehr, objektiv durch die Idee der Auferstehung aufeinander bezogen: durch die Rücknahme des projektiven Elements, durch die Ergänzung der Klugheit der Schlange durch die Arglosigkeit der Tauben, durchs Gebot der Feindesliebe und das Verbot zu richten.
„… und schließlich ist das Ziel erreicht: wenn er Gott, dem Vater, das Reich übergibt, nachdem er jede Herrschaft, jede Gewalt und jede Macht entmachtet hat. Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt (Ps 1091) hat. Als letzter Feind aber wird der Tod entmachtet (Jes 258): denn alles hat Er ihm zu Füßen gelegt (Ps 87). Wenn es heißt, alles sei ihm zu Füßen gelegt, dann offenbar alles außer Dem selbst, der ihm alles zu Füßen legte. Wenn ihm aber einmal alles unterworfen ist, dann wird auch der Sohn sich Ihm unterstellen, der ihm alles unterworfen hat. damit Gott alles in allem sei.“ (1 Kor 1524ff) Ist das nicht die genaue Beschreibung dessen, worauf sich das Wort vom Lösen bezieht?
„Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 2540): In den Geringsten seiner Brüder leidet Er; was wir denen tun, das tun wir ihm, damit machen wir uns zu den Tätern der Kreuzigung. Da hilft keine projektive Abfuhr mehr, wie im kirchlichen Antijudaismus (die „Gottesmörder“ sind wir). Von hier her läßt sich präzise begründen, daß das Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ in erster Linie sich auf uns, auf die Kirche bezieht. (Vgl. hierzu den letzten Satz aus dem Buch Jonas: die Antwort auf die Bitte Jesu?)
Zur Logik des Inertialsystems, zur Konstituierung seiner metrischen Struktur, gehören die sogenannten Erhaltungssätze (der Erhaltung der Materie und der Energie). In dieser Logik gründet auch die Einsteinsche Äquivalenzgleichung E = m.c2. Aber dazu gehören auch das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (ein den Maxwellschen Gleichungen korrespondierender Erhaltungssatz) und die daraus abzuleitenden Konstanten der Mikrophysik: das Plancksche Wirkungsquantum, die elektrische Elementarladung sowie die damit wiederum zusammenhängenden Erhaltungssätze (Parität, Spin etc.). Was hier gleichsam von Natur (unabhängig von der Willkür der Menschen) vorgegeben ist, bedarf im Bereich der Geldwirtschaft des aktiven politischen Handelns, insbesondere die Aufgaben der Geldpolitik: Hier sind die die Gesamtprozesse regulierenden (berechenbar machenden) Erhaltungssätze (Regulierung der Geldmenge, Erhaltung der Geldwertstabilität) nicht naturgegeben, sondern durch geld- (und wirtschafts-) politische Maßnahmen sicherzustellen (die Zentralbanken als Garanten des gesamtwirtschaftlichen Inertialsystems). Die Sicherung dieser „Erhaltungssätze“ ist nur über Wachstumsraten möglich und unterliegen damit den konjunkturzyklischen Prozessen und den tendentiellen gesellschaftlichen Naturkatastrophen der Modernisierungsschübe.
Die Kostenseite des wirtschaftlichen Gesamtprozesses (das projektive Sparen: das „Sparen“ aus den Taschen der anderen) verknüpft die Entstehung des Reichtums zwangslogisch mit der Erzeugung der Armut, und zwar
– über den Druck auf die Welthandelspreise für Rohstoffe (Export der Armut nach draußen) und
– über den Druck auf die Lohnkosten (Rationalisierung, Arbeitslosigkeit, „industrielle Reservearmee“, Kürzung der Sozialausgaben: Reimport der Armut nach innen).
Der Reimport der Armut ist (wie die „politische Stabilität“ in den Ländern, in die die Armut exportiert wird) nur über das Vorurteil abzufangen: durch die Erzeugung des Faschismus (Fremdenhaß und Antisemitismus). -
06.04.93
Zu den Gleichungen der Lorentz-Transformation: Entspricht der Längenkontraktion und der Zeitdilatation in der Bewegungsrichtung nicht eine Längendilatation und Zeitkontraktion in der Gegenrichtung? Und sind nicht alle dynamischen Verhältnisse auch in dem Sinne apriori, daß sie die Paritätsverhältnisse, die Gleichgewichtsverhältnisse, voraussetzen? Die Gleichungen der Lorentz-Transformation lassen sich als Drehungen in einem metrischen Kontinuum auffassen: Ist das dynamische Maß dieser Drehungen das Plancksche Wirkungsquantum (aus der Planckschen Strahlungsformel abzuleiten)?
Sind nicht die Tiere, die den aufrechten Gang verlernt haben, Opfer der Deklination, der Beugung (Zusammenhang von Deklination und Konjugation mit der Struktur des Raumes: mit Linearität und Orthogonalität)? Und ist nicht der Kreis das mathematische Modell des logischen Schlusses (Identitätsprinzip des Begriffs)? Insoweit ist das kopernikanische Weltbild die Grundlage der Hegelschen Idee des Absoluten, und die Vorstellung des unendlichen Raumes ein Reflex des Gewaltmonopols des Staates.
Zur Theorie des Geschwätzes: Geschwätz, Urteil und Öffentlichkeit; im Geschwätz entfaltet sich die Gemeinheit, die vom Prinzip der Öffentlichkeit nicht zu trennen ist (das Eine ist das Andere des Anderen). Die Hegelsche Logik reflektiert die Gesetze des Geschwätzes, dem sie in der Idee des Absoluten zugleich auch verfällt. Der unendliche Raum ist die verinnerlichte Gestalt des ägyptischen Sklavenhauses.
Sodom und Gomorrha (sowie Jericho und Gibea) als Konflikt zwischen Stadt und Haus (Babel und Mizrajim): Babel (Stadt und Turm), Ninive (die große Stadt, von Nimrod gegründet, der der erste Held war auf der Erde und ein großer Jäger vor dem Herrn), Pharao (das große Haus). Notwendigkeit der Kritik der politischen Ökonomie.
Melchisedek hat Brot und Wein geopfert; in der Josefs-Geschichte sitzen der Mundschenk und der Bäcker des Pharao im Gefängnis, und nur der Mundschenk kommt frei, während der Bäcker hingerichtet wird (ein Teil der Geschichte des Zusammenhangs von Trunkenheit und Herrschaft, die das Brot nur im Sklavenhaus sichern kann).
Sind nicht Stadt und Haus: das Offene und das Geschlossene (Reflexion und Begriff, Deklination und Konjugation), die beiden Aspekte des Raumes? Heideggers Haus des Seins ist anti-urban (wie Heidegger überhaupt das Urbane in den Gestalten des Man, der Uneigentlichkeit, der Neugier, perhorresziert).
Gefährlich ist die falsche Klarheit, die im Rahmen der Bekenntnislogik nur auf der Grundlage des Feindbilds sich herstellt. -
21.09.92
Sind die Reflexionen des Johannes Scottus Eriugena über den Raum, seine Beziehungen zum Begriff und zum Denken (vgl. Über die Einteilung der Natur, S. 60ff, insbes. S. 63) je eingeholt worden?
Wer sind die Hebräer, wer ist Pharao, wer ist Kephas/Petrus?
Der Tag ist das am ersten Tag geschaffene Licht, die Nacht die Finsternis über dem Abgrund.
Der Staat ist der Schöpfer der Welt, aber das einzelne Menschenantlitz rührt (als das Ebenbild ihres Schöpfers) an das Geheimnis der Erschaffung von Himmel und Erde. Nur: dieses Antlitz ist es nur als Antlitz des Anderen.
Die humanisierende Wirkung der Dichtung (allgemein der Kunst) beruhrt darauf, daß ihr Gott es gab, zu sagen, was sie leidet; aber alle Kunsttheorie verhält sich zu diesem Leiden wie die Opfertheologie zum Kreuz. Sie macht daraus einen Kunstschatz, der uns zum folgenlosen Genuß zur Verfügung steht.
666 ist die Summe aller Zahlen von eins bis zur Summe aller Zahlen von eins bis acht.
Verhält sich das Plancksche Strahlungsgesetz zur Minkowskischen Raumzeit (zu dem durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit berichtigten Inertialsystem) wie das Energie-Erhaltungsgesetz zum Inertialsystem? Und ist das Strahlungsgesetz und in ihm das Plancksche Wirkungsquantum gleichsam eine Orthogonalitätsbedingung des durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit berichtigten Inertialsystems? Ist das Tor, das Einstein geöffnet hat, dem Planck aufs Haupt gefallen?
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bezeichnet die Spur jenes Zerstörungsprozesses, als welcher sich das Inertialsystem im Anblick des Werks des ersten Tages (und schließlich des biblischen Schöpfungsberichts überhaupt) erweist. Mit dem Licht (dem Werk des ersten Tages) aber wurde auch die benennende Kraft der Sprache zerstört.
Statistische Erhebungen im Bereich der Meinungsforschung gehen von der Prämisse aus, daß die Welt sich auf die Köpfe der Menschen wie das Inertialsystem auf die Objekte der thermischen Bewegung auswirkt.
Die Verwechslung, der der Name des Logos im Begriff des Logozentrismus unterliegt, ist leicht kenntlich zu machen, wenn man den Namen des Logos in Beziehung setzt zum Begriff der Übernahme der Sünde der Welt. Der Logozentrismus konstituiert sich in der Leugnung des Logos, der sich in der Reflexion der Schuld konstituiert und nicht in ihrer Nutzung und Verwertung (wie der Logozentrismus).
Wenn die Welt der Inbegriff aller Prädikate, Natur der Inbegriff aller Objekte ist, die Beziehung von Prädikat (Begriff) und Objekt die des Schicksals zu seinen Objekten nachbildet (weil sie aus der Verinnerlichung des Schicksals hervorgeht), dann verhalten sich Welt und Natur wie das Schicksal zu seinen Objekten, oder wie der Mythos zur mythischen Welt. Kritik des Weltbegriffs ist ohne Kritik des Schicksalsbegriffs, und beide sind ohne den Begriff der Offenbarung nicht möglich. So hängt die Übernahme der Sünde der Welt mit dem neutestamentlichen Offenbarungsbegriff, der insoweit in der Traditionslinie des jüdischen liegt, zusammen.
Der Rankesche Satz, jede Epoche sei unmittelbar zu Gott, ist nur zu halten im Kontext der Idee der Auferstehung der Toten; das aber schließt mit ein, daß das Rankesche Erkenntnisprinzip, zu erkennen, wie es denn eigentlich gewesen sei, durch Karl Thiemes Hinweis, nicht auf das Wie, sondern auf das Was komme es an, zu korrigieren ist. Das Wie geht auf die Funktions- und Herrschaftszusammenhänge, das Was (das Wesen) geht auf das Korrelat der benennenden Kraft der Sprache. In der Geschichte der Philosophie wurde dieses Was im Namen der essentia, des Wesens, erinnert; aber dieses Wesen verschwindet spätestens mit Kant, Hegel kann es nur noch unter Zuhilfenahme seiner List der Vernunft über den Begriff des Scheins retten (ein blinder Fleck, den alle Hegelianer, geschluckt haben; nur Adorno hat ihn mit seiner Ästhetik abzuarbeiten versucht). Notwendig wäre eine Kritik des Scheins, die insbesondere seine Beziehung zum Wesen neu bestimmt. Das Wesen aus lauter Schein: in Heideggers Eigentlichkeit, das mit der Uneigentlichkeit bloß noch identisch ist, manifestiert es sich auf deutlichste. In dieser Eigentlichkeit wendet sich die Rücksichtslosigkeit des Scheins (das Vorlaufen in den Tod und die Entschlossenheit) gegen sich selbst, „ereignet“ sich die Selbstdestruktion des Scheins (und seines Leibnizschen Vorläufers, der fensterlosen Monade). Der Schein war Inbegriff jener Unfähigkeit zur Reflexion, deren Grund in der Prophetie mit dem Votum für die Armen und die Fremden einmal gelegt worden ist. -
19.09.92
Im Gottesknecht-Kapitel bei Deuterojesaias heißt es, daß der Gottesknecht unsere Schuld trägt, nicht daß er sie hinwegnimmt (wir damit entschuldigt sind): Die eigene Schuldbefreiung ist nur möglich durch die Übernahme der Schuld aller; das hängt zusammen damit, daß es Hoffnung für uns nur durch die Hoffnung für andere hindurch gibt (Gethsemane und die Idee der Auferstehung der Toten). Aber was bedeuten dann die Sündenvergebungs-Geschichten im Neuen Testament? Ist es ein Vorgriff auf das „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, oder ist es ein Echo auf die 120 000, die Rechts und Links nicht unterscheiden können?
Kritik des Scheins: Markiert nicht die transzendentale Ästhetik Kants sowohl das Ende der Naturwissenschaften als auch das Ende der Kunst? Muß man nicht seitdem den Pakt mit dem Teufel schließen, um noch „Kunst machen“ zu können?
Gegen Lukacs: Das Hotel Abgrund ist kein Hotel, sondern eine Lokomitive; und Adorno hatte sich nicht komfortabel eingerichtet, sondern im Bewußtsein, daß es nichts hilft, nur das Personal auszuwechseln, dazu beigetragen, daß die Scheiben nicht vollständig verklebt und die Schubkraft und die Bewegungsmechanismen zumindest im Ansatz erstmals begriffen wurden.
– Die Rechten möchten alle erschlagen, die nicht in den Zug hineingehören (die Juden und die Ausländer), wobei sie – wie die Friedhofs- und Grabschändungen beweisen – sehr genau wissen, daß auch die Toten den Mitfahrenden noch gefährlich werden können.
– Und der Abgrund, in den der Zug rast, ist nicht einfach vorhanden, sondern die Lokomotive produziert ihn selber.
– Vgl. das Motto zu Adornos Kierkegaard-Arbeit (das Bild vom Maelstrom von Edgar Allen Poe).
Waren der Holocaust und sind die Grabschändungen der Rechten heute, nicht doch Hinweise auf das Nahen des Reiches, das von Dämonen zuerst wahrgenommen wird?
Die drei Namen des Bösen: der Ankläger, der Verwirrer und der Vater der Lüge.
So wie Heidegger, nachdem er den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt gemacht hat, diesen Geburtsfehler kenntlich und analysierbar gemacht hat, so hat die Kirche durch Umkehrung des Nachfolge-Gebots alle Schuld in sich aufgesaugt und damit auf ähnliche Weise kenntlich und analysierbar gemacht. Das „nulla salus extra ecclesiam“: hier ist die Schuld im Begriff präsent, deren Übernahme aus ihrem Bann herausführt. Das wahre Archäologiestudium ist heute das der Kirche.
Nochmal die drei ersten Schöpfungstage: Gibt es hier einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Trägheit, Schwerkraft und Licht? Und gibt es korrespondierend hierzu einen Zusammenhang zwischen dem Planckschen Strahlungsgesetz, dem Urknall und dem Schwarzen Loch?
Die merkwürdige Erfahrung, daß ein Zentrum, ein Anfang nicht mehr sich bestimmen läßt, hat das Ganze zu einem Labyrinth gemacht. Aber war nicht im Zentrum des Labyrinths der Minotaurus?
Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist wahr unter der Prämisse des Vorrangs der Vergangenheit und, was darin mit einbeschlossen ist, im Kontext der Vorstellung einer homogenen Zeit. Die Vorstellung einer homogenen Zeit schließt den Vorrang der Vergangenheit (the future will be like the past) mit ein, ist davon nicht zu trennen; oder sie schließt die Vorstellung einer wirklichen Zukunft, die anders wäre als die Vergangenheit, von sich aus. Aber dieser Vorrang der Vergangenheit (die Form des Inertialsystems als Todesgrenze, Grundlage des Herrendenkens) wirkt auch in die Vergangenheit zurück, vernichtet die vergangenen Gestalten der bis heute uneingelösten Hoffnung, macht diese Hoffnung zur Lüge. Dieser Vorrang der Vergangenheit verrät die Toten. Und die Vorstellung des unendlichen Raumes ist der Sargdeckel über einer Vergangenheit, die auch die Zukunft unter sich begreift: sie ist der Inbegriff des Weltgerichts und das Korrelat der absoluten Verzweiflung. Denkmal dessen ist der Begriff der Materie. -
18.09.92
Der Infinitiv Sein und die dritte Person singularis masculinum: Lassen sich nicht alle indikativischen Sätze auf Eigentumsverhältnisse beziehen? Und ist die „Eigentlichkeit“ Heideggers nicht die verzweifelte, unmittelbar in ihr Gegenteil überspringende Bemühung, sich selbst zum Eigentum seiner selbst zu machen, die „Seinsvergessenheit“ aufzuheben. Das jedoch ist nur möglich über das „Vorlaufen in den Tod“. Ist Eigentlichkeit Selbstbeherrschung ohne Selbst?
Boethius: de consolatione philosophiae. Wird hier der Heilige Geist durch die Philosophie (die Schöpfung durch die Welt) ersetzt, und deshalb der Paraklet vom Verteidiger getrennt und auf den Trost reduziert?
Heideggers Frage: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ ist die Antizipation des atomaren Holocaust. Eigentlich sollten alle, die den Satz lesen, es sich verbitten, wenn Heidegger sie – und sei es auch nur in Gedanken – hinwegdenkt, ins Nichts auflöst. Dieser Satz ist eine Endlösungsformel. Wie sehr mich auch diese Welt in die Verzweiflung treiben kann, das gibt mir nicht das Recht, die anderen in diesen Abgrund mit hineinzureißen. Hinter dem Heideggerschen Satz stecken Götterdämmerungs- und Weltuntergangs-Phantasien, mit dem Hintergedanken: Wenn das Ganze schon in einem Kladderadatsch untegeht, dann will ich wenigstens noch das Privileg der Kassandra genießen, es gewußt zu haben. Diese Wissenslust, die ihren Grund in der Vorstellung des leeren Raumes hat, ist der Transporteur der Erbschuld.
Ein Bewußtsein über die Bedeutung der Astronomie für das Selbstbewußtsein der Menschen deutet sich darin an, daß der intellectus agens nach traditioneller Auffassung in (oder jenseits?) der Mondsphäre beheimatet war.
Hat das Plancksche Strahlungsgesetz etwas mit dem Zustand der deutschen Nation seit dem Beginn dieses Jahrhunderts zu tun, ähnlich wie die anderen physikalischen Denkmäler: der Urknall und das Schwarze Loch?
Durch den Stoßprozeß und die dazu gehörigen Orthogonalitätsbedingungen (Relativitätsprinzip und Erhaltungssätze) werden die den physikalischen Begriffen zugrundeliegenden Äquivalenzbeziehungen definiert. Hier hat man genau das Verhältnis von Kopf und Wand (den Urstoßprozeß) vor Augen, dessen Auflösung der Philosophie heute aufgegeben, ohne die Theologie allerdings nicht mehr möglich ist. Hier liegt der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, dessen Lösung der Kirche verheißen ist.
Das Lächeln auf den Gesichtern der Seligenfiguren in Bamberg ist ein Augurenlächeln, ein wissendes Lächeln: ein Lächeln, das das Wissen als Kern hat (Prototyp des double-bind-Syndroms; das zivilisierte Lächeln derer, die wissen, daß die Welt, mit der sie sich identifizieren, für die anderen die Hölle ist, und sie entronnen sind; es steht an der Stelle, an der eigentlich die Gottesfurcht ihren Ausdruck finden müßte; Zusammenhang mit der augustinischen Vorstellung, daß zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle dazugehört). -
01.09.92
Im Futur II verletzt die Sprache das Bilderverbot (oder sie transzendiert es, wie im Christentum).
Haben Natur und Welt etwas mit dem Ja und Nein bei Rosenzweig, in der Konstruktion des „Stern der Erlösung“, zu tun? Dann wäre das Nein die Welt?
Der Naturbegriff ist nach dem Verfahren der Rosenzweigschen Konstruktion nur durch die Umkehr hindurch auf die Theologie zu beziehen. Und die Rezeption des Naturbegriffs in der dogmatischen Theologie war der Sündenfall, oder zumindest ein Indiz des Sündenfalls der Theologie.
Rousseau, der dem modernen Naturbegriff die Bahn freigemacht hat, hat zugleich seine Funktion kenntlich gemacht: Die Parole „Zurück zur Natur“ war motiviert und begründet im Zusammenhang der Flucht vor den Zwängen und Pflichten der Welt, dem Versinken in den Schuldzusammenhang. Genau darin lag die Verführungskraft der Rousseauschen Parole (und des Naturbegriffs seitdem).
Merkwürdige Parallele zwischen den drei Verleugnungen und den drei Stufen der correctio fraternae, der „brüderlichen Zurechtweisung“. Relativiert oder widerlegt nicht gar die Geschichte der drei Verleugnungen die Regel der correctio fraternae?
Die drei Verleugnungen (ihre objektive Strukturfolge) in der Geschichte der Schrift nachweisen (Kanon, Reflexion, „Sekundärliteratur“ als Ersatz der Kritik). Die Sekundärliteratur zerstört die Literatur (die Schrift) von innen; und diese Selbstzerstörung hat auch noch ihr Referenzfeld (in der Geschichte der Naturwissenschaften) und ihre Geschichte (und diese hat – im deutschen Idealismus – die kanonische Gestalt ihrer Selbstreflexion).
Die zweite Stufe der Verleugnungen, das ist die des Zuschauers, der die Dinge von der Seite (oder von hinten) betrachtet (die Stufe der moralischen Neutralisierung des Subjekts durch die „Theorie“). Die dritte Stufe ist die des barbarischen Umschlags des Zuschauens von außen nach innen, Ursprung des barbarischen Innen. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Hier lernten sie es, sich in den Augen der Anderen (der Zuschauer) zu sehen, und das ist wohl immer noch der schwierigste Punkt im „Sozialisationsprozeß“ (Ursprung des Weltbegriffs und der Scham, deren Geschichte in die des Weltbegriffs verflochten ist). Hegels Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“ ist ein spätes Echo des biblischen Satzes „Und sie erkannten, daß sie nackt waren“.
Die Konstituierung des Bewußtseins einer (quasiräumlichen) homogenen Zeit, die grundsätzlich mit dem Erwachen des historischen Bewußtseins, endgültig aber erst mit der Konstituierung des Inertialsystems sich durchsetzt, verdankt sich dieser „Seitenansicht“ der Dinge; historisch fällt sie zusammen mit den kosmologischen (astronomischen) Konzepten der Antike und der Moderne.
Der Begriff der trägen Masse konstituiert sich in der gleichen Bewegung, in der auch die Fallgesetze und die endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts entdeckt werden.
Der Begriff der Materie konstituiert sich im Kontext der „Seitenansicht“ der Zeit.
Die Ableitung der Mikrostruktur der Materie aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit müßte bis zu dem Punkt möglich sein, an dem der Nachweis sich führen läßt, ob die mathematische Ableitung der mikrophysikalischen Naturkonstanten (Plancksches Wirkungsquantum, Elementarladung, Masse des Protons und Elektrons) möglich ist.
Der Weltbegriff verdankt sich der Verinnerlichung des Opfers (oder auch: der Verinnerlichung des Schicksals). Und genau hier ist der Punkt, an dem sich die Beziehung zum Wort von Übernahme der Sünde der Welt durchsichtig machen läßt. Die Differenz zwischen der Hinwegnahme und der Übernahme der Sünde der Welt ist der Unterschied ums Ganze (Ursprung und Funktion der Opfertheologie, Zusammenhang der Opfertheologie mit der Konstituierung des Weltbegriffs; Naturbegriff als Inbegriff der nichtübernommenen Schuld). Die „Hinwegnahme“ ist der Grund der Ideologie, die das Christentum bis heute daran gehindert hat, sich selbst zu begreifen. Und die Geschichte dieser (bewußt- und hilflosen) Selbstbehinderung ist die Geschichte des Kampfes zwischen Orthodoxie und Häresie, die es ohne die Opfertheologie so nicht gegeben hätte.
Mit dem Bischofsamt, im Amt des „Aufsehers“, wurde die Seitenansicht der Dinge in die Struktur der Kirche, in ihre hierarchische Struktur, mit installiert. Zusammenhang der Ämter in der frühen Kirche: Apostel, Diakon, Priester (Älteste) und Bischöfe (Aufseher).
Ist die Hiob-Stelle, die in der Kabbala auf die dreifache Seelenwanderung bezogen wird, vielleicht auf die dreifache Leugnung zu beziehen?
Die Konstruktion des Dualis im Hebräischen (mizraim, überhaupt die Endung im, z.B. in majim, schamajim, elohim u.ä.)? -
09.08.92
Schließt die Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken (Grund der Beziehung von Sprache und Mathematik) nicht die Lehre von der Auferstehung der Toten mit ein? – Das Vergangene ist dann nicht nur vergangen.
Benjamins Definition des Kapitalismus als Kult ohne Dogma ist zu berichtigen: Die Stelle des Dogmas nehmen die Naturwissenschaften und die dazu gehörenden Begriffe der Welt und der Natur ein. Was in diesem Kontext „Bekenntnis“ heißt, ist nur das Deckbild (das Feigenblatt oder das Tierfell) über dem realen Bekenntnis, dem der Gottes- und Selbstverleugnung. In den Naturwissenschaften ist gleichsam der Schock als Dauerzustand präsent: ein Schock, dem niemand mehr glaubt sich aussetzen zu können, weshalb alle sich verstecken; zugleich glauben alle, davon verschont zu sein, da er ja nur die Natur trifft; die Stelle, an der sie selber sich als getroffen erfahren würden, ist narkotisiert: Ursprung des Personbegriffs.
Einstein und das Ende der empirischen Physik: seit dem Ende der Entwicklung der Quantenphysik, die in eine Sackgasse führte, weil sie das Erkenntnisgesetz von Objektivation und Instrumentalisierung nicht durchbrochen hat, gibt es keinen theoretischen Fortschritt mehr. Ausgeblieben ist insbesondere die Aufschlüsselung des Planckschen Strahlungsgesetzes (als Zustandsbestimmung des durch Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit berichtigten Inertialsystems), die rückwirkend die Naturwissenschaften insgesamt in ein anderes Licht gerückt hätte.
Benjamin: „Die Grundkonzeption des Mythos ist die Welt als Strafe (…). Die ewige Wiederkehr ist die ins Kosmische projizierte Strafe des Nachsitzens: Die Menschheit hat ihren Text in unzähligen Wiederholungen nachzuschreiben.“ (I/3, S. 1234, zit. nach Burkhardt Lindner: Engel und Zwerg, in Lorenz Jäger/Thomas Regehly (Hgg.) „Was nie geschrieben wurde, lesen“, Bielefeld 1992, S. 236) Auch die katholische Transsubstantiationslehre und das katholische Verständnis der Eucharistie hängen mit der Lehre von der ewigen Wiederkehr zusammen; sie sind Ausdruck der gleichen Verzweiflung: Der Kreuzestod Christi muß täglich wiederholt werden, weil niemand mehr an die Wirksamkeit des ersten, realen Kreuzestodes glaubt. -
03.08.92
Wann war Jesus „erschüttert“? – Beim Tod des Lazarus (Joh 1133) und bei der Ankündigung des Verrats (Joh 1321). Und im Garten Gethsemane?
Zum evangelischen Rat der Armut: Mit dem Eigentum verlängere ich meine Sinnlichkeit (über die Abtötung der eigenen Sinnlichkeit: Ursprung der christlichen Sexualmoral), mache ich mich über meine Physis hinaus (in die Dinge hinein) empfindlich und verletzbar. Dazu muß ich sie vorher töten: Das historische Mittel dazu ist der Begriff, dann die Universalisierung des Begriffs in der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung (die Verweltlichung der Welt: ein verkehrt magischer Vorgang oder die Umkehrung der Magie). Der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ am Frankfurter Gerichtsgebäude meint eigentlich: Das Eigentum – denn darin verkörpert sich fürs Recht die Würde des Menschen – ist unantastbar („Faß mein Auto nicht an“).
Ist das nicht der Grund, aus dem die Geschichte der Medizin erwächst (vgl. die gesellschaftlichen Bedingungen für den Ursprung der Anatomie)? Mit der medizinischen Wissenschaft melden die Ärzte ihre Eigentumsansprüche an die Körper der Menschen an. – Welche gesellschaftlichen Veränderungen drücken sich heute in den Fortschritten der Medizin und in den Veränderungen der Einrichtungen des Gesundheitswesens aus? Fallen nicht mittlerweile die Zähne unter den Eigentumsanspruch der Zahnärzte, die operierbaren Teile des Körpers unter den der Chirurgen? Sind nicht Vorsorgeuntersuchungen vorsorglich geltend gemachte Eigentumsansprüche? (Sind Ärzte nicht in einem sehr tiefen Sinne Verbündete des Todes, Erben, die ihre Ansprüche schon vor dem Ableben geltend machen?)
Eigentum ist kein einfacher Sachverhalt mehr; Mein und Dein lassen sich nicht mehr säuberlich trennen. Es gibt nicht mehr nur sich wechselseitig berührende, sondern auch wechselseitig sich durchdringende und überlagernde Eigentumsansprüche.
Der Systemfehler des Rechts liegt darin, daß es die Grundsätze des (zukünftigen) Handelns zu Kriterien des Urteils über vergangenes Handeln macht: in der Zeitumkehr, die es (als weltbegründendes Institut) mit den nachfolgenden Naturwissenschaften gemeinsam hat. Hierin liegt das vom Recht nicht abzulösende Herrschaftsmoment. Über die Logik der Rechtfertigung führt das dazu, daß das Richten über die Objekte, das Gericht nach draußen (die subjektive Form der äußeren Anschauung), von der Selbstexkulpierung, der Barmherzigkeit nach innen, nicht abzulösen ist (Projektion).
Die materiale Wertethik führt nicht heraus aus dem Formalismus in der Ethik, sondern schürzt den Knoten der Verstrickung zur Unlösbarkeit.
Der transzendentale Idealismus ist der Beweis für den idealistischen Ursprung des Materialismus.
Wissen ist Macht, und Begriffe sind Eigentumsansprüche; das Mein in Begriff des Allgemeinen und in dem der Meinung (auch in dem des Gemeinen, der mit dem des Allgemeinen ähnlich zusammenhängt, wie die Allbarmherzigkeit Allahs mit der Barmherzigkeit) erinnert daran. So ist die Philosophie sowohl das Modell der modernen Aktiengesellschaft als auch des demokratischen Staates, der das Eigentum aller ist, und dessen Gewalt und dessen Handeln der gemeinsamen Verantwortung aller unterliegen. Und der Widerspruch zwischen Aktiengesellschaft und Staat ist als Widerspruch in der Philosophie nicht zu heilen, auch nicht durch (rechte oder linke) Parteinahme aufzulösen, nur zu reflektieren.
Die christliche Sexualmoral, wenn sie aus dem Kontext der Urteilsform herausgenommen wird, gewinnt prophetische Bedeutung.
Gibt es einen Zusammenhang der „sieben unreinen Geister“ mit den mosaischen Reinheitsgeboten, die auf der einen Seite mit dem Gebot der Beschneidung verbunden waren, auf der anderen Seite in den Essens-, Sakral- und Sexualbereich hineinwirken, und die insgesamt dann aufgehoben worden sind durch die petrinische Vision? – Der Kreuzestod ist in der Tat die Abgeltung des Opfers, aber in einem Kontext, der mit dem Ursprung und der Bedeutung des Weltbegriffs zusammenhängt. Eben darin ist die ungeheure Ambivalenz begründet, die vom Christentum seit seinem Ursprung nicht abzulösen ist (Unkraut und Weizen).
Das Wasser als realmythisches Symbol: Es gibt eine Festkörperphysik und eine kinetische Gastheorie, und es gibt (im Planckschen Strahlungsgesetz) eine „Theorie des Feuers“. Aber es gibt keine Physik des Flüssigen (keine Wasserphysik). Es gibt allerdings die metaphorischen Begriffe des Verflüssigens und der Liquidation (Tötung des Verräters und Aufforderung zur Begleichung einer Schuld). -
16.05.92
Dem Antisemitismus sind die Trauben zu hoch, deshalb zu sauer.
Hat der gordische Knoten etwas mit der Ökonomie, mit der Geldwirtschaft zu tun und/oder mit dem Planetensystem? Und ist die Transzendentalphilosophie ein Produkt des bloß durchschlagenen, nicht gelösten Knotens?
Hat das Wunder von Kana, die Verwandlung von Wasser in Wein, etwas mit der Noe-Geschichte zu tun (Sintflut, erster Weinanbau, Trunkenheit Noes und Aufdeckung seiner Blöße durch Ham)?
In jedem apodiktischen Urteil steckt die Negation mit drin: A ist nicht A, sondern B.
Die Vögel, die Fische und die Reptilien legen Eier und sind mit Ausnahme der Delphine und Wale keine Säugetiere.
Lippenbekenntnis und Zungenreden. Zunge: welch merkwürdiges Wort und welch gefährliches Ding.
Gibt es nicht, vom Indifferenzpunkt der Längenkontraktion und Zeitdilatation aus gesehen, zwei Wege des Falles, zwei Wege, das Inertialsystem zu konstruieren: die Identität von Trägheit und Schwere und das Plancksche Strahlungsgesetz?
Die Idee Gottes ist von der des Ewigen, die des Menschen von deren zeitlichem Abbild, nicht zu trennen.
Der Fall ist der Fall in die reine Äußerlichkeit, die Trennung von Raum, Zeit und Materie (Trennung von Leib und Seele).
Es gibt keine Begriffe ohne projektiven Anteil. Ist nicht der Grund des begrifflichen Denkens das erlösungssüchtige Selbstmitleid?
Ist der Weltbegriff die Wasserscheide zwischen Hebräern und Juden; und gehört nicht die Geschichte von den verlorenen Stämmen Israels in diesen Kontext? Die Hebräer sind mit dem Haus Israel untergegangen, an deren Stelle ist das Haus Juda getreten? -
10.05.92
Jeder Punkt im Raum ist ein Gravitationszentrum: der Vergangenheitspunkt des Körpers. Insofern ist die Bewegung des Lichts im Raum sowohl eine korpuskulare als auch eine Wellenbewegung (die zwei Gestalten des Nichtseins des Lichts).
Ist das Angesicht das Werk des ersten Tages: „Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht“? Und hängt die Benenneung von Licht und Finsternis als Tag und Nacht mit der Unterscheidung von Im Angesicht und Hinter dem Rücken zusammen?
Was hat es zu bedeuten, wenn Petrus in seinem zweiten Brief („aus Babylon“) den Satz zitiert: Und die letzten Dinge werden ärger sein als die ersten?
Die Auseinandersetzung mit den Häresien ist nicht als Lernprozeß, sondern als Machtkampf geführt worden. Das drückt sich in der Form des Dogmas und des Bekenntnisses aus.
Die Stellen mit Feuer in der Schrift suchen und zusammenstellen!
Wenn das Wasser eine realmythische Substanz ist, dann ist das Feuer ein realapokalyptisches Agens und das Plancksche Strahlungsgesetz Quellpunkt einer apokalyptischen Naturphilosophie (Wo steht dieses Jesus-Wort „… nicht Frieden, sondern Feuer, und ich wollte, es brennte schon“ und wie heißt es genau?).
Das Problem des Zuschauers:
– Kein Zufall, daß das Bekenntnissyndrom z.Z. in der Hooligan-Szene eskaliert.
– Vgl. Edgar Morins Essay über den Film! (Fixierung des Zuschauers in die Ohnmacht, ins Selbstmitleid, in die moralische Empörung, ins Richten.)
Es gibt kein reales Selbstbewußtsein außerhalb der Theologie, ohne die Gottesfurcht.
Ist der Begriff des Allgemeinen nicht auch insoweit wörtlich zu verstehen, daß es das All als Ort der Gemeinheit vor Augen stellt?
Zum Begriff der Verkörperung: Ist nicht der Körper der rätselhafteste Gegenstand der Physik, die an sich eine Punktphysik ist (daher ihre Bindung an die Vergangenheit), aber den ausgedehnten Körper nicht rekonstruieren kann, außer als ein Ganzes von Atomen? Und ist nicht die Existenz von Körpern ein Indiz für die Endlichkeit des Raumes (und das Ideal der Physik der leere Raum, die Vernichtung der Körperwelt)? Der leere Raum ist ein Erzeugnis unseres Kopfes, eine Ausgeburt des Todestriebs, das erste Instrument der Unterwerfung der Welt. Seine Erhaltung ist nicht ohne die explosive Ausbreitung der destruktiven Kräfte zu sichern.
Die Konfliktunfähigkeit der Kirche hängt mit dem zusammen, was in der Schrift die Sünde wider den Heiligen Geist heißt. Sie ergibt sich aus dem Rechtfertigungszwang, aus der Unfähigkeit zur Reflexion von Schuld.
Beschreibt nicht die Geschichte der drei Verleugnungen
– die innerkirchliche Geschichte der Anpassung an die Welt (im Kontext der dadurch determinierten Auseinandersetzung mit den „Häresien“ und der Geschichte des Dogmas),
– die Genesis der Raumvorstellung und
– ist sie nicht das Gegenbild der „Befreiung von den sieben unreinen Geistern“? -
19.02.92
Heute sind alle Schuldknechte des Systems, dessen Herren sie zu sein glauben.
Sind nicht die Begriffe „Ganzheit“ und „holistisch“ entfremdete Erinnerungsspuren des Angesichts, und verhalten sie sich nicht dazu wie das Grinsen zur Katze, das im Raum stehenbleibt, nachdem die Katze verschwindet? Dieses Ganze ist in der Tat das Unwahre, die „Leiche des Königs“.
Es ist eigentlich ein ganz einfacher logischer Schluß: Wenn die träge Masse das genaue Korrelat der Vorstellung der homogenen Zeit ist, dann muß eine innere Differenzierung des Zeitbegriffs (durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) sich als innere Differenzierung in der Struktur der Materie manifestieren.
Die jüdische und die christliche Form der Todesstrafe (die Steinigung und die Verbrennung) scheinen den Anfang und das Ende der naturwissenschaftlichen Aufklärung zu symbolisieren: die Mechanik und den Realgrund der Mikrophysik (das Feuer: die Plancksche Strahlungsformel).
Die Geschichte des Weltgeistes ist die Geschichte des Sündenfalles: das Versinken in den Zwangsproduktionen unseres Denkens.
Die Droge Kirche ist die Droge der kollektiven Einsamkeit (gefangen im Bekenntnis, Verinnerlichung der Gesellschaft), die nur noch getröstet, nicht mehr befreit sein will. Das ist eine Folge der Wirksamkeit der kirchlichen Bindungskräfte; aber käme es nicht heute endlich darauf an zu lösen?
Dieses ungeheure Wort, das die Kirche zum Bußsakrament instrumentalisiert hat.
Ist die Kirche die Sphinx? Und wie hängt die Sphinx mit den Kerubim (mit dem Sündenfall und der ezechielischen Vision) zusammen?
Steckt im bereschit das berith und das resch? Und hängt das bara mit dem Hebräern, mit Abraham und mit den Barbaren zusammen? Und wird nicht das bereschit im Anfang der Johannes-Evangeliums zitiert, in dem gleichen arche-Begriff, in dem auch die Philsophie zitiert wird? Das würde heißen, daß mit der Diskriminierung der Barbaren der Schöpfungsgedanke tabuisiert (und in der Selbstbezeichnung als Hebräer auch der Schöpfungsgedanke festgehalten) wird. Diese Tabuisierung drückt sich im Zusammenhang von kosmos, nous und theoria aus.
hoi barbaroi: die Bärtigen, die Stammelnden. Wie hängen der Bart und das Stammeln mit dem Antlitz und der Sprache derer zusammen, die dem Herrendenken entsagen und sich solidarisch wissen mit der unerlösten Schöpfung. (Was hat der Bärtige zu verbergen, wenn nicht die Weigerung, mit den Wölfen zu heulen?)
Die Schöpfungsidee bezeichnet einen auch sprachlogisch (für die Differenz zwischen der griechischen und der hebräischen Sprache, vor allem aber für das Verhältnis der mathematischen Vorstellung des Raumes zur Sprache) relevanten Sachverhalt.
Die Griechen haben über die geometrische Reflexion von Thales bis Euklid, insbesondere über die Reflexion des Winkelbegriffs, die Logik des Raumes entfaltet, die Moderne über die Infinitesimalrechnung und den Bewegungsbegriff die Logik des Inertialsystems, damit aber auch die Logik des Bekenntnisses.
Franz Rosenzweig hat einmal darauf hingewiesen, daß das antike Äquivalent der Technik die Rhetorik gewesen sei: Hier rührt er an einen wesentlichen Punkt für eine Theorie des Ursprungs und der Bedeutung der Schrift und der Entwicklung der Sprachen.
Adornos Philosophie als die bis heute genaueste Verkörperung der Gottesfurcht: Diese Gottesfurcht reicht soweit, daß A. gegen die Gemeinheit der Öffentlichkeit, die heute auch die Religion ergreift und insbesondere den Namen Gottes mit dem Geheul der Wölfe vermischt, sich als Atheist bekennt.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie