Der Protestantismus hat die Erlösung als „Rechtfertigung“ an das Bekenntnis des Trinitätsdogmas gebunden: Produkt der Feigenblatt-Logik.
Ist die Berufung (die zur Logik der Verwaltungstheologie gehört, zur priesterlichen Verwaltung der Tradition) nicht das Gegenstück zur Bekehrung (zu der sie sich ähnlich verhält wie der Ruf zur Umkehr, das Hören zum Tun)?
Ist nicht Heidegger ein Produkt der Trinitätslehre (Rückverwandlung des Priestertums ins Schamanentum)?
Das Substantiv ist der Staub, zu dem das Männliche wird (und den die auf dem Bauche kriechende Schlange frißt).
Erst im Deutschen ist der Gehorsam endgültig vom Hören getrennt worden.
Die subjektiven Formen der Anschauung abstrahieren vom Gegenblick, vom Angeblicktwerden. Ist dieser Gegenblick nicht die Sprache, deren Wurzel der Gottesname ist, und ist die Abstraktion, die die Formen der Anschauung verkörpern, nicht diese Abstraktion von der Sprache? Das Leuchten Seines Angesichts ist ein sprachlicher Sachverhalt: die in der Sensibilisierung der Wahrnehmung und Erfahrung sich selbst ganz durchsichtig gewordene Sprache. Daß Gott den Menschen „nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes“ erschaffen hat, verweist auf zwei unterschiedene Aspekte der menschlichen Sprache.
Indem Kopernikus den Raum ins Unendliche öffnet, verschließt er ihn gegen die Sprache.
Perfekt: Kontrafaktische Urteile gibt es nicht nur in der Geschichte, sondern ebenso in der Theologie; sie sind in beiden Fällen der Schatten des Indikativs: Liegt hier nicht der Ursprung des Problems der kontrafaktischen Urteile, ist nicht die Vergegenständlichung Gottes die Voraussetzung der Geschichtsschreibung (und die Geschichte, Inbegriff der vollendeten Vergangenheit, das genaue Korrelat sowohl der vergegenständlichten Natur, die wie die Vergangenheit dem Eingriff des Menschen entzogen ist, als auch der Theologie hinter dem Rücken Gottes)?
Der Folie, vor der kontrafaktische Urteile als solche sich erweisen, sind in der Geschichte die erwiesenen Tatsachen, während es in der Theologie die dieser Wissenschaft eigentümliche Logik ist. Diese Logik hat eine dem Begriff der Tatsache (an dem kontrafaktische Urteile sich müssen messen lassen) vergleichbare Struktur und Gegenständlichkeit.
Haben nicht die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie, hat nicht eigentlich das Dogma insgesamt die gleiche Funktion innerhalb des Christentums, die der Historismus für das Weltbewußtsein hat (wodurch unterscheidet die moderne Geschichtsschreibung von der antiken)?
Die Trinitätslehre ist ein erstes Produkt der Säkularisation, sie folgt aus dem logischen Gebrauch des Satzes, aus dem die ganze Hegelsche Philosophie sich herleiten läßt: Das Eine ist das Andere des Anderen. Hegels Philosophie läßt sich als die Auflösung der Logik dieses Satzes zugunsten des Anderen begreifen. Deren Anfang liegt im spekulativen Trinitätsbegriff der patristischen Theologie (in der „asymmetrischen Spiegelung“ der Eigenschaften und Tätigkeiten der „göttlichen Personen“). Was bei Plato noch eine isolierte Bemerkung war, gewinnt mit der Trinitätslehre die systembildende Kraft, die dann bei Hegel sich vollendet. Die Trinitätslehre ist ein Produkt dessen, was Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ des Denkens genannt hat.
Die Trinitätslehre steht (wie die Tiere) unterm Bann des Weltbegriffs, dessen Apriori in dem System der sich wechselseitig bedingenden und reflektierenden Instrumentalisierungen sich manifestiert). Sie macht das Christentum zur Religion für andere (und damit im strengen Sinne zur Religion): So ist sie zur Grundlage der Priesterreligion geworden (die Luther durchs allgemeine Priestertum zur allgemeinen Religion: zur alles durchdringenden Logik des Bewußtseins gemacht hat).
Die Trinitätslehre steht in einer gleichsam magnetischen Beziehung zum Nationalismus: Beide sind wie die ungleichnamigen Pole eines Magenten durch wechselseitige Anziehungskräfte verbunden. Das Magnetfeld wird durch die Bekenntnislogik erzeugt. In ihm ist sie zugleich ein Nationalismus-Generator.
Die Trinitätslehre ist der Kälteschock, der es der christlichen Tradition ermöglichte, im Gefrierhaus Welt zu überwintern (die Trinitätslehre heult mit den Wölfen). Nur so hat die Tradition zweitausend Jahre Christentum überleben können.
Platon
-
16.8.1995
-
24.6.1995
Auch Micha Brumlik verwechselt das Ewige mit dem Überzeitlichen (und damit den Staat mit Gott), wenn er mit Plato die „Ewigkeit“ von Schrift und Bild gegen das flüchtige Wort ausspielt und die Unterscheidung von Philosophie und Prophetie anhand der Unterscheidung von Sehen und Hören als Klischee bezeichnet.
Was Adorno Verdinglichung nannte, ist durch die Logik der Schrift vermittelt (wie die Kritik der Verdinglichung durch die Fähigkeit, mit den Ohren zu denken).
Es ist kein Zufall, daß die Universitäten, die die Logik der Schrift nicht nur zur Grundlage der Wissenschaften, sondern über Recht und Theologie auch des Staates und der Kirche gemacht haben, in der Auseinandersetzung mit dem Islam entstanden sind.
Auch ein Beitrag zur Apokalypse: Ein Jogger mit einem T-Shirt, das hinten den Aufdruck trägt: Neue Welle, neues Erlebnis, neues Gefühl.
Definitionen des Jogging: Sie laufen nicht, sondern sie werden gelaufen, sie sind in der Regel passionierte Werbeträger. Jogging: Produkt der Vergesellschaftung des Sports (verinnerlichte Einheit von Verein, Sportler und Schiedsrichter); individualisiertes Gemeinschaftserlebnis mit eingebauter Bekenntnislogik.
Die Idee der Sündenvergebung schließt als Intention die der Änderung des Vergangenen mit ein.
Gründet die „Autorität der Leidenden“ nicht in der Geschichte und im Symbol des brennenden Dornbuschs?
Der Satz: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun, enthält einen prophetischen Bezug zum Ursprung, zur Geschichte und zur Realität der Verwaltung.
War nicht das scholastische supranaturalis die Übersetzung der Metaphysik ins Adjektivische?
Der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ stehen, verweist auf eine reflektierte Form des Begriffs des Absoluten, er reflektiert das Moment der Asymmetrie in der Idee des Absoluten; der Begriff des Absoluten ist kein universaler Begriff: Das Absolute für mich ist nicht zugleich auch ein Absolutes für andere. Die Unterscheidung von Rind und Esel gilt auch für die Idee des Absoluten. Auschwitz ist die Konsequenz einer Logik, die Last abwirft und sie zum Joch für andere macht. Lassen sich aus dieser Konstellation nicht die Regeln der israelitischen Opfertradition (das Opfer als Auslösung der Erstgeburt), die symbolische Bedeutung von Lamm und Taube, sowie die Differenz zwischen Stier-Opfer und Stier-Kult ableiten?
Die Bekenntnislogik ist eine Konsequenz aus der Logik der Verdinglichung und Instrumentalisierung. Die Differenz zwischen dem, was etwas an sich, und dem, was es für andere ist: die Differenz zwischen Esel und Rind, Last und Joch, ist unaufhebbar. Totalitätsbegriffe entspringen dort, wo das Produkt der Instrumentalisierung zum An-sich geworden ist, wenn man den Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“ zugunsten des Andersseins auflöst, die Erinnerung an das Eine verdrängt (bei gleichzeitiger Übertretung des Deuteronomium-Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen). Hegel ist diese Auflösung nur unter Zuhilfenahme der List der Vernunft und um den Preis der Aufnahme des Scheins in die Idee der Wahrheit gelungen.
Am Islam lassen die Wurzeln des Fundamentalismus sich erkennen, am Christentum die Früchte. -
31.3.1995
Schaffen nicht die Law- and Order-Leute die Voraussetzungen dafür, daß alle Widerstände gegen den Ausbruch jugoslawischer Verhältnisse abgebaut werden?
Welche logischen Widerstände mußten abgebaut werden, um das heliozentrische System zu installieren?
Das Christentum ist bis heute eine Bekehrungsreligion (die Voraussetzungen dafür hat Paulus geschaffen), aber keine Religion der Umkehr.
Die Mathematik (und der Begriff des Wissens), Bekenntnislogik (und Naturbegriff), der Staat (und Weltbegriff): In welcher Beziehung stehen diese drei Dinge zu einander? Ist nicht die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) ein Bild der Form des Raumes, seiner Dreidimensionalität, Grund der Unterscheidung von Gesetz, Begriff und Erscheinung in den mathematischen Naturwissenschaften?
Der Staat hat den Nominalismus begründet, indem er die Stummheit des Helden (Prototyp des platonischen und gnostischen Demiurgen) in die Objektivität hineingetrieben hat.
Der theologische Ursprung des Rassismus liegt in der Vater-Sohn-Beziehung und in dem „gezeugt, nicht geschaffen“.
Modell des Relativitätsprinzips war die Äquivalenz und Reversibilität von Geldbewegung und Warenbewegung, begründet im Kreislauf des Geldes nach Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (zusammen mit der Eröffnung des unendlichen Raumes und der Konstituierung der Gravitationszentren im Banken- und Kreditwesen). Erst mit der Möglichkeit der wechselseitigen Substitution (der wechselseitigen Vertretung) und der Reversibilität beider konstituiert sich das Tauschprinzip und das Trägheitsgesetz zugleich.
Ist nicht die Abtreibungsdebatte ein nachgerade apokalyptisches Beispiel des Schuldverschubsystems?
Bekenntnislogik: An ihren Feinden kannst du sie erkennen (jedes Bekenntnis hat eine Leiche im Keller).
Exkulpationslogik: Sich über jemanden empören, mit dem man um keinen Preis identifiziert werden möchte (weil man in ihm nicht erkannt werden möchte).
Apologetik, sakramentale Gnadenverwaltung und Konfessionalismus: die Erbsünden der Theologie. Gegen die Apologetik steht das verteidigende Denken, gegen die sakramentale Gnadenverwaltung das Wort: „Barmherzigkeit, nicht Opfer“, und gegen den Konfessionalismus die Kritik der Bekenntnislogik und das Bekenntnis des Namens.
Die verhängnisvolle Rolle insbesondere der schelerschen Wertphilosophie lag darin, daß sie die Selbstreflexion der Objektivität abgeschnitten und durch die Mechanismen der Empörung ersetzt hat. Die Empörung liefert der Unmoral den Komfort des moralischen Bewußtseins, auf den keiner mehr verzichten möchte. Hier liegt die Wurzel eines jeden Fundamentalismus.
Wodurch unterscheidet sich die Entomologie Ernst Jüngers von den Insektenforschungen Reinhold Schneiders (Winter in Wien)?
Zwei Hinweise auf den Zusammenhang von Sprache und Theologie:
– Ist nicht die Schlange in der Geschichte vom Sündenfall ein Symbol für die sprachlogische und sprachhistorische Funktion des Neutrum (im Ursprung der indoeuropäischen Sprachen); und
– hat nicht der Satz Wittgensteins: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ etwas mit dem Sündenfall zu tun?
Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben mehr fähig ist: Dieser Satz trifft die Rechtfertigungszwänge, denen alle nach Auschwitz unterliegen, im Kern. -
29.11.1994
Die göttliche Macht gründet in der Sprache, weltliche Herrschaft in der Logik der Schrift.
Die Form des Raumes homogenisiert die Zeit und materialisiert die Dinge.
War nicht der Tempel die Geburtsstätte des Geldes?
Der parvus error des Islam liegt darin, daß er die Unterscheidung von Schrift und Sprache nicht kennt (oder sie verdrängt).
Die Logik der Schrift abstrahiert vom Zeitkern der Wahrheit und ersetzt ihn durch das Objekt. Sie verfängt sich in den Netzen des Inertialsystems, aus denen sie dann nicht mehr sich lösen kann.
Ist die Höhle Platos nicht eine dreifache Höhle, und sind es nicht (mindestens) drei Umkehrungen, die aus dieser Höhle herausführen? Oder führt nicht heute jede Umkehrung wieder in die Höhle zurück?
„Alles ist Wasser“, und der Versuch des Thales, in dieser Lage wieder festen Grund unter die Füße zu bekommen, führte über die Astronomie und die Geometrie zur Philosophie. Für das Verständnis des Ursprungs der Philosophie ist es nicht unerheblich, wenn man sich daran erinnert, daß Thales den ersten Lehrsatz der Geometrie entdeckt und formuliert und er als erster eine Sonnenfinsternis vorausgesagt hat. Er hat als erster begriffen, daß die Astronomie nicht im Kontext der kosmologischen Spekulationen des Mythos zu begründen ist, sondern allein mit Hilfe der exakten mathematischen Phantasie. Es ist überhaupt wichtig zu begreifen, daß die Geschichte der Mathematik ein Teil der Geschichte der Naturwissenschaften (und wie diese ein Teil der Geschichte der Ökonomie) ist. Die Entdeckung der Null (durch die Inder, die dann über die Araber nach Europa gelangt ist) gehört in den Kontext der Konstituierung des Inertialsystems. Die Null war die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit positiver und negativer Zahlen; sie war sowohl eine der Voraussetzungen der doppelten Buchführung (der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip) als auch der mathematischen Darstellung und Analyse der Reversibilität aller Richtungen im Raum (der Konstituierung der Form des Raumes). In der Antike war die Beziehung der positiven und negativen Zahlen durch ihre Beziehung zum Besitz (Reichtum und Schuldknechtschaft) qualitativ bestimmt und noch nicht durch das Gesetz ihrer rein mathematischen Beziehung vergegenständlicht (einer der Gründe, aus denen die antiken Erlösungsreligionen sich herleiten). Der Abstraktionsschnitt, der die moderne von der alten Welt trennt, ist theologisch vermittelt.
Opfertheologie und Vergöttlichung Jesu waren zwangsläufige Folgen der theologischen Rezeption des Weltbegriffs, die diesen Abstraktionsschnitt vorbereitet hat. Mit dem Weltbegriff hat die Philosophie sich gegen den Mythos durchgesetzt, ist sie aber zugleich erneut in seinen Bann hineingeraten.
War nicht die Übersetzung von adonai/JHWH mit „Herr“ eine Rückübersetzung in den baal? Wodurch unterscheiden sich adonai und baal?
Wird der Schöpfungsbericht in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern widerrufen, oder wird er korrigiert? Dieser Widerruf wäre allerdings von dem durch Astronomie und Deszendenztheorie zu unterscheiden.
Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich eingeht: Kann das nicht auch heißen, daß der Durchgang eines Kamels durchs Nadelöhr die Bedingung des Himmelreichs ist, das dann das Erbe der Reichen antreten wird? Ist das Bild vom Kamel und vom Nadelöhr – ähnlich wie das Wort von der Übernahme der Sünde der Welt – zu früh verworfen worden? -
12.02.92
Kann es sein, daß der Materiebegriff der Physik (träge und schwere Masse) aufgrund der Systemkonstruktion mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit konvergiert, daß beide – nur unter divergierendem Aspekt – die gleiche Sache bezeichnen? Genauer: daß sie die Grenze des Systems zum „Objekt“, das selber projektive Züge trägt, bezeichnen? Dingbegriff Folge einer selbstreferentiellen Spiegelung am Inertialsystem: wie hängt der Begriff des Dings mit dem der Sache zusammen – lateinisch = res; Trennung erst im Deutschen, mit der zusätzlichen Konstituierung des „Sachverhalts“, der „Tatsache“? Dingbegriff und Sexualmoral.
Das Christentum verrät den Logos und wird selbst böse und gemein, wenn es die Übernahme der Sünde der Welt durch Exkulpierungsmechanismen (durch Unterwerfung unter Verweltlichungszwänge, durch Verschiebung des moralischen Schuldprinzips von der empörungsbereiten Urteilslust auf die Sexuallust: Grund der Personalisierung und der Verdinglichung, Ursprung der Naturwissenschaften) ersetzt.
Physik und Vergewaltigung.
Der Begriff des Allgemeinen ist ebenso wörtlich zu nehmen wie der des Universalen: Die Gemeinheit des All gründet in der Herrschaft des Identitätsprinzips, der Einheit, dem logischen Kern des Universums. Schon das Verhältnis der Totalitätsbegriffe Welt und Natur, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind, widerspricht dem Prinzip der Universalität, untergräbt seine theoretische Kompetenz.
Nicht die neutralisierte räumliche Beziehung von Innen und Außen, sondern die fundamental-ethische Beziehung von „Im Angesicht“ und „Hinter dem Rücken“ ist das theologische Grund-Paradigma. Die Ebenbildlichkeit Gottes ist an das menschliche Antlitz, nicht an den Personbegriff oder an den der Seele gebunden. Das menschliche Antlitz (in der Präsenz des Feindes und des Opfers) ist der Platzhalter und Widerschein einer Wahrheit, die nicht an der Angemessenheit des Begriffs an die Sache und am kommunikationstheoretischen Konsens sich mißt, sondern an der Idee der Errettung und Versöhnung, das messianische Objekt im Reich der Erscheinungen.
Das Relativitätsprinzip (das Einstein nicht entdeckt, sondern seines quasi-absoluten Charakters entkleidet hat) ist das Paradigma des mathematisch-naturwissenschaftlichen Abstraktionsgesetzes. Mit dem Relativitätsprinzip konstituiert sich nicht nur das „Inertialsystem“, sondern mit ihm das gesamte Reich der naturwissenschaftlichen „Erscheinungen“. Grund sind jene mathematischen Eigenschaften des Raumes, seine Homogenität und Isotropie, die ihm die Eigenschaft der Selbstreferenz verleihen, ihn zu einem reinen Bilde seiner selbst machen. Die Bewegung des Raumes in sich selbst, die seine Struktur, seine Qualität, nicht ändert (nicht affiziert), ist, als reale, zeitliche Bewegung gefaßt, das Äquivalent einer materiellen Bewegung im Raum.
Die „kantische Konstruktion eines Ding an sich“ (Habermas, TuK, S. 18) resultiert nicht aus einer Spiegelung, die „hinter den Erscheinungen“ noch etwas zu suchen hätte, sondern verweist darauf, daß die Erscheinungen selber die Dinge hinter ihrem Rücken betrachtet präsentiert. Trotzdem ist das platonische Höhlengleichnis falsch: das An sich ist im Antlitz präsent. Und das Suchen „hinter den Erscheinungen“ ist Opfer des Vorrangs des „Außen“ vor dem „Innen“: zieht das „hinter den Erscheinungen“ in das Graviationsfeld der Erscheinungen mit herein (Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: exzentrischer Charakter des Inertialsystems, Kritik der Kopenhagener Schule).
In der inversen Beziehung von Barbaren und Hebräern drückt sich eine Beziehung zur Schrift aus: die Barbaren sind von der Schrift (und vom Subjektsein) ausgeschlossen (sie stammeln, können nicht artikuliert reden), die hebräische Schrift schließt das Subjekt von sich aus (sie ermangelt der Artikulation und erzwingt die theophoren Namen in Israel: jeder hebräische Satz ist – ohne jeden Artikel – „Spruch des Herrn“). Die Israeliten leben im Angesicht der Sprache, nutzen sie nicht instrumental. Der Gebrauch und das Fehlen der Vokale sowie die gegensätzlichen Schreibrichtungen verweisen auf die sinnliche Grundlage dieser Differenz. Das Christentum ist in der anbivalenten Situation, sowohl Israel als auch die Griechen zu beerben, ohne bis heute begriffen zu haben, daß das nur über die simultane Errettung des hebräischen und des barbarischen Elements möglich ist. Aber das Dogma wollte dem mosaischen Stammeln sich entziehen; der Preis: die Instrumentalisierung der Wahrheit, ist jedoch zu hoch.
Jede Schrift ist eine fremde, gleichsam eine hebräische Schrift; deshalb verlernen heute die Menschen die Sprache. Die grammatische Logik der Schrift ist von der der Sprache zu unterscheiden: das „Sein“, die Zeitformen des Futur I und II, die Hypostasierung der Substantive, der Akkusativ bezeichnen sprachlogische Strukturen, die mit der Logik der Schrift konvergieren, sie vorbereiten, zum Ursprung der Schrift dazugehören. Die Vorstufe dieser Schrift ist der Mythos, ihre sich entfaltende Logik die Bekenntnislogik (oder die Urteilslogik, und deren Grund das Verhältnis der reinen Äußerlichkeit). Dagegen enthält die hebräische Schrift die verbleibende Fremdheit, das Anderssein, als ein konstitutives, ihre Ausdruckskraft und ihren Wahrheitsbezug determinierendes Element in sich. Die hebräische Schrift sträubt sich gegen die Formen der sprachlichen Vergesellschaftung, die der griechischen Schrift – und den folgenden europäischen Schriften, die das Ergebnis der griechischen Revolution sich aneignen, deren Opfer aber verdrängen – wesentlich sind.
Sind die Satzzeichen Punkt, Komma, Semikolon, Doppelpunkt, Ausrufe- und Fragezeichen so bedeutungsneutral und willkürlich, wie es uns heute scheint? Steckt darin nicht der geometrische Punkt (als dimensiosloses Zentrum des Raumes), der bewegte Punkt, die Verknüpfungen beider (das Doppelkomma als Anführungszeichen), die (durch Orthogonalität definierte, „gerichtete“) imperative Gerade (der erhobene Zeigefinger), im Fragezeichen die Schlange?
Wie wirkt sich das Schriftprinzip auf Struktur und Verbindlichkeit der Grammatik (und damit der Logik) aus? Ist eine differenzierte Grammatik (Bestimmung des Verhältnisses zur Zeit: Konjugation; der Objekt- und Herrschaftsbestimmungen: Deklination, Gebrauch von Artikeln, Präpositionen u.ä.) nicht doch nur in einer phonographischen (alphabetischen) Schrift möglich, die das auch ausdrücken kann? Ist nicht die (mathematisierte) formale Logik ein Rückfall hinter die Alphabetisierung? Und basiert die Alphabetisierung nicht auf einer (im Verhältnis zur Astronomie) bestimmbaren Beziehung zur Mathematik? Hängt der Ursprung der Schrift mit der Ausbildung der Ausbildung der Geometrie der Ebene zusammen (Entdeckung der Winkelfunktionen und Erfindung des Begriffs durch die Griechen, Satz des Thales, des Pythagoras, Euklid)? Wer hat die flächenhafte Grundlage des Schreibens (die Tafeln des Moses) entdeckt; Beziehung dieser „Fläche“ zum Antlitz (Maske), zum Begriff des hypokeimenon (des Grundes), zur Substanz und zur Person? Sind die Masken Vorstufen der Schrift (bis hin zur Maske in der Tragödie)? Und ist die Person das durch die Schrift vermittelte Produkt der Abstraktion vom Angesicht (der Verinnerlichung des Opfers)? Beziehung dieser Abstraktion zur Kosmologie? Entfaltet sich das „von Angesicht zu Angesicht“ im Lesen?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie