Das spezielle und das allgemeine Relativitätsprinzip verhalten sich wie Tauschverhältnis und Schuldabhängigkeit, wie Handel und Konsum. Auch der Konsum ist eine reine Geldbewegung: das Abbild des „freien Falls“.
Wenn die Welt das „mathematische Ganze der Erscheinungen“ bezeichnet, ist es dann nicht der Staat, der – schon in seinem Namen – das statische Moment in dieser mathematischen Totalität (die verdinglichende, das Objekt zum Objekt machende Gewalt des Begriffs, der Grund der versteinerten Verhältnisse) repräsentiert? Das Gewaltmonopol des Staats gehört zu den Fundamenten des Weltbegriffs. Der Staat ist das Schwert, mit dem Alexander den Knoten, den es zu lösen galt, durchschlagen hat.
In der Beziehung der Begriffe Natur und Welt (des „dynamischen“ zum „mathematischen Ganzen der Erscheinungen“) drückt aufs genaueste die Beziehung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis zu ihrem Objekt sich aus. Natur und Welt, das mathematische und das dynamische Ganze der Erscheinungen, sind wie die Form der inneren Anschauung auf ihren Inhalt, wie das Anschauen auf die Zeit, die an sich niemals Gegenstand der Anschauung ist, die selber nicht angeschaut, nur durch den Seitenblick auf die Zeit, durch die historisierende Projektion in den Raum, zum Gegenstand der Anschauung gemacht werden kann, auf einander bezogen (kopernikanische Wende).
Sind nicht die beiden Relativitätstheorien Einsteins auch Geldtheorien?
Frei fallender Fahrstuhl: Der Neoliberalismus ist nur ein Ausdruck jener ungeheuren Bewegung, in die der Staat heute hereingezogen worden ist (vgl. das Motto, das Adorno vor seine Kierkegaard-Arbeit gesetzt hat – aus Edgar Allen Poe: Der Maelstrom).
Drückt nicht im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit das Moment der Willkür im Weltbegriff: im „mathematischen Ganzen der Erscheinungen“, sich aus?
Haben nicht Zeugung und Geburt (die beiden Gründe des Naturbegriffs) etwas mit dem Fall zu tun? Welche Bedeutung hat in dieser Konstellation die Gebärmutter, das Symbol der Barmherzigkeit? Und wie verhält sich der Naturbegriff zum apokalyptischen Symbol der messianischen Wehen?
Was hat das tollere peccatum mundi mit der Schwangerschaft und den Wehen zu tun?
Wer die Unheilsprophetie von der Heilsprophetie trennt (und jene den Juden, diese den „erlösten“ Christen zuweist), leugnet die messianischen Wehen.
Gleicht nicht die Beziehung der apokryphen zu den kanonischen Apokalypsen der des Korans zur Schrift? Ist Allah (der selber die Texte des Koran verfaßt hat) ein pseudepigraphischer Autor? Nicht das Christentum, sondern der Koran ist der Endpunkt der apokalyptischen Bewegung.
Das Wort, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, hat utopische Qualität: Was ist, wenn dort, wo Gott hinblickt, nichts ist, und bildet sich nicht das Herz der Menschen erst mit der Barmherzigkeit?
Poe
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25.2.1997
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11.2.1995
Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung, der Naturbegriff die Auferstehung. Das vermittelnde Glied ist die Leugnung des Todes durch den Weltbegriff.
Die exkulpatorische Absicht des Satzes „Wir sind allzumal Sünder“ wird daran deutlich, daß man glaubt, die Last von Auschwitz loszuwerden, wenn man die andern an Dresden erinnert?
Der destruktive Charakter des Schuldverschubsystems wird nur zum Schein aufgelöst durch kollektive Verdrängungsmechanismen: Das „Seid nett zu einander“ löst die Konflikte nicht auf, sondern verdrängt sie nur; das aber gelingt nur bei gleichzeitiger Abfuhr der unaufgelösten Aggressionen, durch projektive Verarbeitung des verdrängten. Tratsch macht süchtig.
Die Philosophie hat diese Form der projektiven Problemverarbeitung zu einem systematischen Teil ihres Erkenntnisbegriffs gemacht; jede Gestalt der Philosophie war Produkt einer relativen Stabilisierung des Schuldverschubsystems (durch Anpassung an die jeweiligen Herrschaftsstrukturen). Der Fortschritt der Philosophie, wie ihn die Hegelsche Philosophie dokumentiert hat, war eine Bewegung innerhalb dieses Schuldverschubsystems, das selber bis heute nicht Thema der Philosophie gewesen ist. Ausdruck dieses Schuldverschubsystems ist die Hegelsche Logik, der Hegelsche Begriff der Dialektik. Diese Dialektik ist die Dialektik von Verdrängung und Wiederkehr des Verdrängten in einer durch die Verdrängungsgeschichte veränderten Gestalt.
Ist nicht die Poesche Erzählung vom Maelstrom eine Variation, eine Paraphrase zur Geschichte vom Schiffsbruch Pauli vor Malta unter veränderten historischen Bedingungen? Der Fischer rettet sich durch den Sprung in den Abgrund, wobei er das Schiff opfert.
Die Kirche: Ist das nicht Jonas, der in der Flucht vor dem prophetischen Auftrag im Bauch des großen Fisches landet? Nur, daß sie es bis heute noch nicht begriffen hat.
Sind nicht das Geld und die Bekenntnislogik die Korrelate der Formen der äußeren und der inneren Anschauung? Sind sie nicht wechselseitig wie diese aufeinander bezogen? Die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache setzt die Kritik beider (die Aufhebung ihrer Trennung) voraus. Hierdurch würde sich die pathologische „Kultur der Empfindlichkeit“ in die befreiende Kultur der Sensibilität verwandeln. Hier beginnt die Freiheit der Kinder Gottes, auf die alle Kreatur sehnsüchtig wartet.
Unterscheiden Paulus und die Evangelien zwischen Hebräern und Israeliten?
Nach Otto Karrer ist der Autor des Judas-Briefes der Herrenbruder Judas und zugleich der „Thaddäus“, einer von den Zwölfen. Und der Jakobus-Brief ist der älteste Brief (was stimmt, wenn sein Verfasser der Herrenbruder ist, der schon früh das Martyrium erlitten hat). Was bedeuten die Namen Alphäus und Thaddäus (haben diese Namen etwas mit dem „A und O“ des hebräischen Alphabets zu tun, mit Aleph und Taw? Enthält Flavius Josephus hierzu einen Hinweis? Und wie hängt das Problem der Herrenbrüder mit der Frage der davidischen Abstammung Jesu zusammen?
Kommen die Namen Alphäus und Thaddäus sonst noch vor?
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist die Finsternis über dem Abgrund. Haben das A und O etwas mit dieser Form der Beziehung von Vergangenheit und Zukunft zu tun (und die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit mit den Pforten der Hölle)?
Die göttlichen Verheißungen sind nicht der Lohn für die Befolgung der göttlichen Gebote, sondern deren Inhalt selber. Ist nicht der Heilige Geist der Garant der Einheit von Verheißung, Gebot und Erfüllung des Gebots (des Worts)? -
28.3.1994
„Gott, wie zuträglich muß es erst sein, wenn Nachdenkender vom Betrunkenen lernt.“ (Kafka: Erzählungen, S. 223)
„Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, Herr.“ Ist diese Tiefe der Abgrund, der die Andern von mir trennt? Und ist die Intersubjektivtät nicht bloß der Poesche Maelstrom?
Wenn die Trunkenheit ein sprachlicher Sachverhalt ist, was ist dann der Wein (Noe, Hochzeit von Kana)? Und was ist die aufgedeckte Blöße, und hat die Decke, mit der Sem und Japhet die Blöße Noes bedecken, etwas mit dem Fell von Tieren und mit den Zelten Sems zu tun?
Die Philosophie ist die erzwungene Selbstreflexion jener Verstrickung, in die das Bewußtsein durch den Weltbegriff gerät.
DAs Absolute rührt an die Wahrheit ähnlich, wie die beiden Seites eines Blattes sich berühren.
Die Zauberei, die an den Hexen verfolgt wird, ist die Zauberei des Absolutismus, der in den Hexen die eigene Beziehung zum Totenreich wiedererkennt.
Schon beim Pharao wittert das Herrendenken im Befreiungstrieb einen konkurrierenden Machtanspruch.
Hat nicht der deutsche Michel das Quis ut Deus immer schon auf seinen Wilhelm bezogen, der am Ende Adolf hieß? Bindeglied war der säkularisierte Heroismus: der durch Verdrängung irrational gewordene Freiheits- und Revolutionstrieb.
Wie hängen die Infinitivbildungen (die Verbalsubstantive) mit dem Sein zusammen:
– paideuein/ einai
– facere/ esse.
Sind die Infinitivsuffixe aus den Infinitiven von Sein hervorgegangen? (Ist das Sein, oder das Seiende Gegenstand der griechischen Ursprünge der Philosophie von Parmenides bis Aristoteles?)
Der obszöne Kern der Naturwissenschaften: Das Inertialsystem als die Einheit von Vergewaltigung, Masturbation und Exhibitionismus. Der Weltbegriff bezeichnet die durch Trunkenheit aufgedeckte Blöße (vgl. auch das Aufdecken der Blöße bei den Propheten).
Der projektive Charakter des Vorwurfs einer metabasis eis allo genos: Die Befolgung dieser Warnung endet in der Rassentheorie und im Antisemitismus. Gehört nicht die Fähigkeit, auch in eine andere Gattung und in ein anderes Geschlecht sich hineinzuversetzen, zu den Vorzügen und zur Würde der Menschen? Darauf, auf die Aufhebung der Gattungsgrenze, die eine Todesgrenze ist, bezieht sich die Idee der Auferstehung der Toten.
Zum Pazifismus: Darf der Tierschutz auch für den Behemot und den Leviatan gelten (für den totalitären Staat oder den Kapitalismus)?
Der Begriff und die Polizei machen ihre Objekte dingfest, während die Ausbilder und Aufseher sie fertigmachen.
Zum Begriff des Bekenntnisses: Die virgo (das weibliche Pendant des confessor) verkörpert die Keuschheit, nicht die Unschuld; darin liegt (im Gegensatz zur sexualmoralischen) ihre politisch-theologische Bedeutung. Die Verknüpfung von Keuschheit und Unschuld (Grund der zentralen Funktion der Sexualmoral in der verdinglichten Theologie und Folge der Rezeption des Weltbegriffs, der Opfertheologie und der damit verknüpften Bekenntnislogik) hat eine der gefährlichsten und verhängnisvollsten Entwicklungen in der religiösen Tradition eingeleitet. Diese gegen ihre politischen Bedeutung immunisierte Keuschheit ist im Zölibat instrumentalisiert (zu einem Herrschaftsmittel gemacht) worden. Nicht die Sexualität, sondern das Herrendenken (zu dessen Implikationen der Sexismus gehört) ist das, was in der Prophetie mit Unzucht und Hurerei (wie auch mit der Trunkenheit und dem Kelch des göttlichen Zorns) gemeint war. -
03.02.93
Wozu benötigt die Sprache das Futur II? Hat das Futur II (als sprachlicher Kern des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs) etwas mit dem babylonischen Turm, der bis zum Himmel reichen sollte, zu tun? Ist sie der Ursprung des Falls (die Antizipation des Selbstmords)? Das „Es wird gewesen sein“, die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, begründet mit dem Selbsterhaltungsprinzip die wechselseitige Äußerlichkeit der Dinge im Raum, sie konstituiert damit die Raumvorstellung selber: die die Orthogonalität und die Reversibilität der Richtungen im Raum begründenden Logik. Sie begründet das abschlußhafte, die Dinge wie die Vergangenheit abschließende Wissen, seine vergegenständlichende Kraft, die in der Trennung und wechselseitigen Konstituierung von Natur und Welt sich manifestiert.
Das Futur II neutralisiert den Wunsch und das Gebot; es ist der Grund des Gesetzes, ein Graecum, kein Hebraicum. Es hat mit dem Orakel und mit den Auguren zu tun, nichts hingegen mit der Prophetie. Es ist der sprachliche Grund und Reflex der Subjektivierung des Schicksals (der Philosophie und des Weltbegriffs) und insoweit das reale Korrelat der Geschichte des Turmbaus zu Babel.
Zielt nicht der katholische Gebrauch des Begriff des Fundamentalismus heute auf die Wahrheit selbst: sich selbst erfüllende Projektion?
taz, 03.02.93 („Unterm Strich“): Die Redensart „Aus Saulus wird
Paulus“, aus einem schlechten Mensch wird ein guter Mensch, fußt nach neuesten Bibelforschungen auf falschen Voraussetzungen. Der Apostel habe seinen ursprünglichen Namen niemals abgelegt, sei zeitlebens Jude geblieben und gelte fälschlicherweise als Mitbegründer des Christentums, erklärte der jüdische Neutestamentler Pinchas Lapide in einem AP-Gespräch. Saulus, der später als zweiten, römischen Namen Paulus angenommen habe, habe sich nie zum Christentum bekehrt. „Das Wort Bekehrung kommt in der sogenannten Damaskus-Vision überhaupt nicht vor, sondern es heiße dort Berufung zum Apostolat“, erläutert der in Frankfurt am Main lebende Religionswissenschaftler. Nach der Überlieferung hatte Paulus auf dem Weg von Arabien nach Damaskus die Vision, daß Jesus ihn zum Apostel berufen wolle. Mit dem Menschen Jesus ist Paulus jedoch nie zusammengetroffen. Zu Petrus und Jakobus soll Paulus einmal gesagt haben: „Meine Vision der Auferstehung war wichtiger als eure Begegnung mit dem irdischen Zimmermannssohn.“ Als ein wesentliches Forschungsergebnis bezeichnet es Lapide, daß sich Paulus entgegen der Überlieferung im Galater-Brief niemals in Arabien aufgehalten habe. Vielmehr sei er von Arawah (hebräisch Steppe) nach Qumran gegangen, die beide am Toten Meer liegen. Den Weg habe Paulus zu Fuß oder auf dem Esel in etwa einer halben Stunde bewältigt. Qumran, wo im Jahre 1947 die berühmten Schriftrollen gefunden wurden, habe früher den Beinamen „Damaskus in der Wüste“ getragen, erläutert Lapide. So sei fälschlicherweise überliefert worden, Paulus sei von Arabien nach Damaskus in Syrien gegangen. Gegen die klassische Überlieferung spreche auch, daß es damals etwa von Riad nach Damaskus eine Achttagereise gewesen wäre, erklärte der Neutestamentler. Die berühmten Qumran-Rollen, Handschriften vor allem aus Büchern des Alten Testaments, wurden 1947 in einer Höhle von Beduinen entdeckt, die auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege waren. „Die meisten Rollen sind aus Leder, wenige aus Papyrus und nur zwei aus Kupfer“, erläutert der Neutestamentler. Da Wissenschaftler noch heute dabei seien, die Rollen auszuwerten, werde spekuliert, daß mit einer Gesamtveröffentlichung „die Einzigartigkeit von Jesus und seiner Botschaft geschmälert“ werden könnte. (Zusatz taz: Oh weh, oh weh.)
Die „Beschreibung des Holocaust“ von James E. Young rührt an einen zentralen Punkt: an das Problem des Schreibens heute überhaupt und an das Verständnis der Schrift. Nähe zur „Grammatologie“ von Derrida und zum „Widerstreit“ von Lyotard. Erinnerung an die Selbstmorde von Jean Amery, Primo Levi und Paul Celan (unsere Mitschuld daran, weil wir nicht bereit waren, den Schrei aufzunehmen). Lyotards Reflexionen über das vollkomene Verbrechen rühren an ein Problem der Sprache, für das Auschwitz auch steht: an die Unfähigkeit, den Bann der Gemeinheit zu sprengen und zugleich die rechtlichen Kriterien der Zeugenschaft zu erfüllen. Dazu ist an den Kontext des Logos-Begriffs und das „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, …“ zu erinnern, die das Problem in einen realen theologischen Zusammenhang rückt. Läßt sich über Auschwitz erst im Kontext der Idee der Auferstehung (oder erst nach der Auferstehung der Toten) schreiben? Rückt das die deutsche Abwehr der Postmoderne nicht doch in ein anderes Licht? Und hat es nicht doch verhängnisvolle Folgen, wenn dieser Diskurs in Deutschland fast nur abgewehrt und die Postmoderne wie eine Häresie verfolgt wird?
In Auschwitz ist der Weltbegriff mit untergegangen, er ist seitdem für die Theologie nicht mehr brauchbar. Auschwitz ist der Maelstrom, dessen Poe’sche Beschreibung Adorno als Motto vor seine Kierkegaard-Arbeit gesetzt hatte: der Wirbel, der die Sprache ihrer benennenden Kraft beraubt. Wir leben in diesem Wirbel und halten ihn immer noch – unter dem Bann der subjektiven Form der äußeren Anschauung, des Raumes – für eine ruhende Welt. Auschwitz ist der Beweis dafür, daß der Logos die Last, die wir ihm aufbürden, indem wir die Nachfolge verweigern (und die Erscheinungen für die Dinge an sich halten), nicht zu tragen vermag. Die Last ist endgültig auf uns übergegangen.
Erinnerungsarbeit und Vergangenheitskolonialismus: Solange wir glauben, die Richter der Toten sein zu können, richten sie uns.
Zeugenschaft und Eingedenken: Dieses „Das darf nicht vergessen werden“ ist das zentrale Motiv, nicht die Widerlegung der Leugner.
Zu Otto F. Best (FR von heute): Die Deutschen haben keinen Witz, weil sie Witze machen. Dadurch unterscheiden sie sich u.a. von den Franzosen. Witz ist die Fähigkeit zur Sprachreflexion, die das Witze-Machen durch seine verdinglichende, vergegenständlichende Gewalt (durch Gelächter) zerstört. Der deutsche Witz ist eine xenophobe und paranoide Notwehraktion (Indiz der verfolgenden Unschuld). Karl Kraus hat einmal darauf hingewiesen, daß die Deutschgesinnten in der Regel des Deutschen nicht mächtig sind. (Vgl. Adenauers Wort: „Je einfacher Denken ist eine guten Gabe Gottes“. Einschlägig scheinen auch die Satzeinschübe Kohls zu sein, wie z.B.: „das werde ich an dieser Stelle sagen dürfen“, mit denen Kohl seine Rede unterbricht, um sein Erstaunen darüber auszudrücken, was er hier wieder einmal sagt, und mit denen er zugleich sich selbst ermächtigt, es zu sagen. Das liegt auf der gleichen Ebene wie seine eigene Unfähigkeit und die anderer Mitglieder seines Kabinetts, zu den xenophoben und antisemitischen Ausschreitungen der letzten Zeit überhaupt auch nur einen vernünftigen Satz zu sagen. Zugrunde liegt die allgemeine Erleichterung darüber, daß wir nach der wiedergewonnenen Einheit uns keine Zurückhaltung mehr auferzulegen brauchen und endlich wieder sagen dürfen, was wir denken; die Irritation durch die ausländerfeindlichen Ausschreitungen wird real verdrängt und verschoben auf das bedauernswerte Unverständnis des Auslands für diese deutsche Eigenart, auf die wir leider noch Rücksicht nehmen müssen.)
Die verandernde Kraft des Seins ist der Grund des Weltbegriffs, sie wird durch durch die Gewalt des Weltbegriffs unumkehrbar. Der Weltbegriff ist die verandernde Kraft des Seins als Totalität.
Ist nicht der augustinische Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle gehört, eine direkte Konsequenz aus dem Kernkonstrukt der dogmatischen Theologie: der Opfertheologie. Hier liegt der Grund, daß in der kirchlichen Tradition die Buße nur noch als Leiden verstanden wird, und nicht als Tun: die Umkehr ist gegenstandslos geworden. War nicht das Bild der Hölle ohnehin das Produkt einer projektiven Verarbeitung des Bewußtseins, daß die Gläubigen selber für sich und für die anderen die Hölle sind (mit der Exkulpierung von Herrschaft, der Legitimierung des staatlichen Gewaltmonopols, und einem Begriff der Sexualität, in dem die politische Ohnmacht bewußtlos sich reflektierte, als dem Herd des ewigen Feuers)?
Das Wort von den Pforten der Hölle (Mt 1618): ou katischysousin autäs, sie werden sie nicht überwältigen.
Die Rehabilitierung Galileis durch Johannes Paul II scheint mir auf den Versuch hinauszulaufen, den Kloß im Hals der Theologie, zu dem die Naturwissenschaften geworden sind, jetzt endlich zu schlucken: aber wird die Kirche nicht daran ersticken?
Das Dogma war der Preis, den der Staat und die Philosophie für die Rettung des Welt- und des Objektbegriffs zahlen mußten.
Hegels Satz, daß die Idee die Natur frei aus sich entläßt, müßte eigentlich unters kirchliche Abtreibungsverbot fallen (durch den affirmativen Weltbegriff hat die Theologie sich selbst abgetrieben).
Zur deutschen Staatsmetaphysik gehören neben dem Gewaltmonopol des Staates und dem Staatsanwalt auch das deutsche Staatsexamen. -
19.09.92
Im Gottesknecht-Kapitel bei Deuterojesaias heißt es, daß der Gottesknecht unsere Schuld trägt, nicht daß er sie hinwegnimmt (wir damit entschuldigt sind): Die eigene Schuldbefreiung ist nur möglich durch die Übernahme der Schuld aller; das hängt zusammen damit, daß es Hoffnung für uns nur durch die Hoffnung für andere hindurch gibt (Gethsemane und die Idee der Auferstehung der Toten). Aber was bedeuten dann die Sündenvergebungs-Geschichten im Neuen Testament? Ist es ein Vorgriff auf das „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, oder ist es ein Echo auf die 120 000, die Rechts und Links nicht unterscheiden können?
Kritik des Scheins: Markiert nicht die transzendentale Ästhetik Kants sowohl das Ende der Naturwissenschaften als auch das Ende der Kunst? Muß man nicht seitdem den Pakt mit dem Teufel schließen, um noch „Kunst machen“ zu können?
Gegen Lukacs: Das Hotel Abgrund ist kein Hotel, sondern eine Lokomitive; und Adorno hatte sich nicht komfortabel eingerichtet, sondern im Bewußtsein, daß es nichts hilft, nur das Personal auszuwechseln, dazu beigetragen, daß die Scheiben nicht vollständig verklebt und die Schubkraft und die Bewegungsmechanismen zumindest im Ansatz erstmals begriffen wurden.
– Die Rechten möchten alle erschlagen, die nicht in den Zug hineingehören (die Juden und die Ausländer), wobei sie – wie die Friedhofs- und Grabschändungen beweisen – sehr genau wissen, daß auch die Toten den Mitfahrenden noch gefährlich werden können.
– Und der Abgrund, in den der Zug rast, ist nicht einfach vorhanden, sondern die Lokomotive produziert ihn selber.
– Vgl. das Motto zu Adornos Kierkegaard-Arbeit (das Bild vom Maelstrom von Edgar Allen Poe).
Waren der Holocaust und sind die Grabschändungen der Rechten heute, nicht doch Hinweise auf das Nahen des Reiches, das von Dämonen zuerst wahrgenommen wird?
Die drei Namen des Bösen: der Ankläger, der Verwirrer und der Vater der Lüge.
So wie Heidegger, nachdem er den Geburtsfehler der Philosophie zu ihrem einzigen Inhalt gemacht hat, diesen Geburtsfehler kenntlich und analysierbar gemacht hat, so hat die Kirche durch Umkehrung des Nachfolge-Gebots alle Schuld in sich aufgesaugt und damit auf ähnliche Weise kenntlich und analysierbar gemacht. Das „nulla salus extra ecclesiam“: hier ist die Schuld im Begriff präsent, deren Übernahme aus ihrem Bann herausführt. Das wahre Archäologiestudium ist heute das der Kirche.
Nochmal die drei ersten Schöpfungstage: Gibt es hier einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Trägheit, Schwerkraft und Licht? Und gibt es korrespondierend hierzu einen Zusammenhang zwischen dem Planckschen Strahlungsgesetz, dem Urknall und dem Schwarzen Loch?
Die merkwürdige Erfahrung, daß ein Zentrum, ein Anfang nicht mehr sich bestimmen läßt, hat das Ganze zu einem Labyrinth gemacht. Aber war nicht im Zentrum des Labyrinths der Minotaurus?
Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist wahr unter der Prämisse des Vorrangs der Vergangenheit und, was darin mit einbeschlossen ist, im Kontext der Vorstellung einer homogenen Zeit. Die Vorstellung einer homogenen Zeit schließt den Vorrang der Vergangenheit (the future will be like the past) mit ein, ist davon nicht zu trennen; oder sie schließt die Vorstellung einer wirklichen Zukunft, die anders wäre als die Vergangenheit, von sich aus. Aber dieser Vorrang der Vergangenheit (die Form des Inertialsystems als Todesgrenze, Grundlage des Herrendenkens) wirkt auch in die Vergangenheit zurück, vernichtet die vergangenen Gestalten der bis heute uneingelösten Hoffnung, macht diese Hoffnung zur Lüge. Dieser Vorrang der Vergangenheit verrät die Toten. Und die Vorstellung des unendlichen Raumes ist der Sargdeckel über einer Vergangenheit, die auch die Zukunft unter sich begreift: sie ist der Inbegriff des Weltgerichts und das Korrelat der absoluten Verzweiflung. Denkmal dessen ist der Begriff der Materie. -
03.04.92
Es hat Zeiten gegeben, in denen Eltern ihre Kinder und Könige ihre Untertanen in der dritten Person Singular anredeten. Umgekehrt durften die Untertanen den König nur in der dritten Person Plural ansprechen (ähnlich die Kinder ihre Eltern). Diese Anrede in der dritten Person Plural ist im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft mit vergesellschaftet worden. Steckt in dieser Kollektiv-Anrede nicht die (durch die Institution des Königs vermittelte, dann im Christentum institutionalisierte) Anerkennung der Welt (als Kollektivsubjekt aller objektiven Urteile).
Im Englischen ist es das wechselseitige „you“, die zweite Person, die sowohl im Singular wie im Plural verwandt wird. Hängt das Kollektiv-Du mit dem englischen Empirismus zusammen?
Was ist der Unterschied zwischen Kollege, Kamerad und Genosse?
Das katholische pokerface, diese harten, verschlagenen Gesichter, Produkt eines Religionsverständnisses, das nicht mehr die Schuld auflöst, sondern nur noch das Schuldbewußtsein wegnimmt und deshalb der Reue, der Umkehr nicht mehr bedarf, sie – mehr noch – diskriminiert. Wer büßt, der muß es schlimm getrieben haben. Und Umkehr wird nur noch als Eingeständnis der Schuld verstanden (anders hätte es der Umkehr nicht bedurft), das aber darf um keinen Preis laut werden (Ursprung der Apologetik, mit deren Hilfe immer schon die schlimmsten Untaten gerechtfertigt, und d.h. im Nachhinein begründet wurden).
Die subjektive Form der Anschauung ist
– der Angelpunkt, um den sich die Welt dreht,
– das firmamentum, das die Wasser über und unter dem Firmament scheidet,
– der Balken, durch dessen Optik hindurch die Splitterforschung betrieben wird.
Das Poe’sche Bild vom Maelstrom, das Adorno in seinem Kierkegaard-Buch zitiert, realisiert sich im Hegelschen Absoluten (Inbegriff und Modell der Isolationshaft des Denkens).
Philosophie in Erfahrung übersetzen bedeutet heute insbesondere: endlich den Geburtsfehler der Philosophie begreifen. Die Philosophie ist der Balken im eigenen Auge.
Vom Splitter und vom Balken: Der Balken, ist das der Baum der Erkenntnis?
Die Person ist als Objekt, was die Persönlichkeit als Subjekt ist.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit rührt von der anderen Seite her an den Begriff der Materie. Es bezeichnet gleichsam dessen Innenseite und macht damit die Naturwissenschaft zur Schale, die zu knacken ist, wenn man an den Kern herankommen will.
Ist der (christologisch bestimmte) Naturbegriff der (gordische) Knoten, den Alexander bloß durchschlagen hat, und den es jetzt endlich zu lösen gilt?
Ist der Hahn in der Geschichte der drei Leugnungen eine Metamorphose des über den Wassern brütenden Geistes, der auch vor der Morgendämmerung des ersten Tages erscheint?
Haben die Wasser oberhalb und unterhalb des Firmaments etwas mit der Gravitation zu tun? Und hat die Feste, die die Wasser scheidet, etwas mit den kantischen subjektiven Formen der Anschauung oder mit dem Inertialsystem zu tun? Steckt nicht in dem kantischen Wort von dem erhabenen Sternenhimmel über mir und dem moralischen Gesetz in mir ein Hinweis auf diese Feste?
Haben die Wolken des Himmels etwas mit den Wassern oberhalb des Firmaments zu tun?
Der Balken im eigenen Auge wächst mit der Anpassung an die Welt: Die Welt ist alles, was der Fall ist; d.h. die Welt ist der Abgrund, der die Menschen voneinander trennt, und dem sie in dem Maße verfallen, in dem sie selber der Welt sich anpassen.
Der descensus ad inferos hat mit der Lösung des Drachens am Ende des Millenariums zu tun (Signatur dieser Epoche).
Der Unterschied zwischen Genitiv und Dativ ist bei „trotz“ und „wegen“ der Unterschied ums Ganze. (Nach der Duden-Grammatik, Nr. 641, ist der Dativ in der Regel veraltet, regional oder umgangsprachlich: Es wäre nun doch wohl an der Zeit, endlich einmal den Geist der Duden-Grammatik zu bestimmen.)
Babylon, genauer Ur in Chaldäa (die Schuldknechtschaft), ist der Ursprung der Hebräer, Ägypten (das Sklavenhaus) ihr natürliches (unerlöstes) Telos.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie