Das liberum arbitrium hängt mit den Freiheitsgraden des Raumes so zusammen wie die Reflexion mit der Abstraktion. Es setzt an die Stelle die Freiheit, die der Reflexion sich verdankt, die Freiheit, die die Abstraktion verspricht; die Beziehung beider ist durchs Opfer vermittelt, auf dessen Geschichte sie zurückweist. Der Preis der Abstraktion ist das Opfer der Vernunft. Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist das Produkt des vollendeten Opfers. Der Begriff ist das Opfer des Worts an die Idee des Absoluten. Deshalb hängt die Entdeckung des Begriffs mit der Entdeckung der Orthogonalität, der Winkelgeometrie, zusammen.
Die Vergegenständlichung der Zeit, die die Sprachlogik der indoeuropäischen Sprachen einmal begründete, ist das Prinzip der Abstraktion. Ihr praktischer Grund war die Konstituierung des Eigentums. Hat die Zeitvorstellung zusammen mit dem Zins sich gebildet? Der Atheismus heute gründet in der Unfähigkeit, den Bann der Logik des Eigentums durch Reflexion zu brechen.
Die Vorstellung einer unendlichen Zeit, Produkt ihrer Vergegenständlichung und Reflex der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, ist das subjektive Apriori der gegenständlichen Erkenntnis. Im Bann dieser Erkenntnis gilt, daß ER kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Ist die so rapide sich ausbreitende Furcht vor Einbrechern nicht ein apokalyptisches Zeichen?
Menschenfischer: Das Feindbild ist der Köder, mit dem der Kapitalismus seine Gegner fängt. Über das Feindbild und über die Mechanismen der Empörung (des schnellen Zorns) gerät man in eine subjektive Verfassung, in der man, ohne es zu wissen und auch, wenn man es nicht will, das Geschäft der anderen Seite betreibt. Logischer (und objektiver) Ausdruck dieser „subjektiven Verfassung“ ist der Weltbegriff.
Mit der Beziehung zur Zeit hängt es zusammen, wenn das Weltgericht nicht mit dem Jüngsten Gericht verwechselt werden darf. Wenn es ein Jüngstes Gericht gibt, wird es das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht sein. Gnadenlos ist das Weltgericht durch die Objektivierung der Zeit.
Der Faschismus hatte Recht, wenn er sich auf die indogermanische Tradition berief: Im Faschismus ist das barbarische Potential des Abstraktionsschrittes, dem die Logik der indoeuropäischen Sprachen sich verdankt, explodiert. Das erste Opfer dieser Explosion waren nicht zufällig die Juden, die die andere, verdrängte Tradition verkörperten: der Antisemitismus war der Zündsatz des Faschismus.
Nach dem Holocaust kann man zwar kein Jude mehr werden, notwendig und überfällig aber ist die Rückbesinnung auf ihre Tradition, die die eigene Tradition des Christentums ist, allerdings eines Christentums, das den Hahnenschrei vernommen hat und endlich aus dem Schlaf, in den es seit Getsemane versunken ist, erwacht. Erinnert nicht Reinhold Schneiders Satz „Allein den Betern kann es noch gelingenen …“ an die Aufforderung, die Jesus in Getsemane an die Jünger richtete, als er sie schlafend fand: „Wacht und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallt“?
Zu Getsemane: Wenn die Todesangst Jesu messianische Qualität hat, dann kann sie sich nicht (oder jedenfalls nicht nur) auf den eigenen Tod, sondern muß sich zugleich auf die Herrschaft des Todes in der Welt beziehen. Da aber stellt sich eine wahrhaft ungeheuerliche Beziehung zum Symbol des Kelches her, der genau diese Herrschaft des Todes repräsentiert.
Hat das Christentum nicht seit je die Fleischwerdung des Wortes mit seiner Wiederkunft verwechselt, hat es nicht so getan, als hätten Kreuz und Aufertehung schon das geleistet, was erst die Wiederkunft leisten wird? Eben damit aber ist das Christentum selber der Versuchung der Welt zum Opfer gefallen. – Oder war auch diese Opferfalle noch providentiell, ein Teil des Opfers, das eben nicht schon alles geleistet hat?
Erst wenn die Gestalt der Unsterblichkeits- und Auferstehungshoffnung, die sich aus dem Selbsterhaltungsprinzip herleitet, verbrannt ist, wird die Wahrheit hervortreten. – „Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.“
Der Begriff der trägen Masse, der Materie, ist der Reflex des Eigentumsbegriffs in der Natur, mehr noch: Der Eigentumsbegriff konstituiert den Begriff der Natur (Naturschutz ist Eigentumsschutz). Das Dogma reflektiert den logischen Schritt, mit dem die physis in die natura und der kosmos in den mundus transformiert wurde.
Wenn Kant Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung begriffen hat, so wäre das heute zu ergänzen: Die Subjektivität der subjektiven Formen der Anschauung ist in sich selber gesellschaftlich vermittelt, sie ist eine gesellschaftliche Subjektivität, die Reflexion des Andern im Subjekt. Insoweit, nämlich als gesellschaftliche, sind die subjektiven Formen der Anschauung zugleich auch objektiv.
Der Vergesellschaftungsprozeß ist in der Struktur der Raumvorstellung selber nachvollziehbar. Den drei Abstraktionsschritten, in denen der Raum als subjektive Form der Anschauung sich konstituiert, korrespondieren die drei ökonomischen Abstraktionsschritte, denen Polanyi zufolge die Konstituierung der Eigentumsgesellschaft sich verdankt: die Verwandlung von Grund und Boden, der Arbeit und des Geldes in Waren, in Objekte des Tauschprinzips. Es ist der Begriff des Eigentums, der in diesem Prozeß sich entfaltet, der zugleich die Außenwelt konstituiert, die Äußerlichkeit der Dinge außer uns, deren Formgesetz dann in der Form des Raumes sich entfaltet. Insofern ist die kopernikanische Wende, die die Vorstellung des unendlichen Raumes, der nichts mehr außer sich hat, begründet, das kosmologische Korrelat einer restlos vom Tauschprinzip durchdrungenen Welt.
Es müßte eigentlich nachweisbar sein, daß das Steigen der Grundstückspreise im Nachkriegsdeutschland zusammenhängt mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken (vgl. den Hinweis auf die ostasiatischen Länder <S. 109f> und insbesondere auf Japan <S. 234> bei Heinsohn/Steiger). Haben sich hier nicht die Banken selber die Grundlage für die Ausweitung ihres Kreditvolumens geschaffen?
Ist der Fall Schneider, wenn er denn wirklich ein Opfer seiner Banken sein sollte, ein Beleg dafür, daß es heute möglich ist, das Erwischtwerden durch die Tat selber auszuschließen (vgl. Lyotards Reflexionen zum „absoluten Verbrechen“)?
Gibt es eigentlich eine spezielle Affinität
– der Banken zum Grundstücksgeschäft,
– der Produktion zum Spekulationsgeschäft und
– des Staates zum Arbeitsmarkt, dem ersten Objekt seiner „Spar“-Maßnahmen?
Sind nicht die Banken, die Wirtschaft und der Staat die „natürlichen“ Repräsentanten dieser spekulativen Formen der Eigentumsbearbeitung? (Zum Zusammenhang mit den drei Abstraktionsschritten, die den Kapitalismus begründen: die Überführung des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes in veräußerbare, tauschbare Handelsware, vgl. Polyani.)
„Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“: Ist der Rosenzweigsche Satz, daß Gott die Welt, nicht die Religion erschaffen hat, eine Folge seiner Staatsphilosophie?
Die Verteidigung des Eigentums, als dessen institutionelle Verkörperung der Staat sich begreift, ist die zentrale Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die mit dem Eigentum eigentlich die universelle Geltung des Tauschprinzips, die „gesellschaftliche Ordnung“, nach innen (wie das Militär das Eigentum selber nach außen) verteidigt und schützt. Ist nicht die Institution des Eigentums der logische Kern des anklagenden („satanischen“) wie auch des verwirrenden („teuflischen“) Prinzips, das seit Babylon in den großen Imperien sich verkörpert, mit deren Ursprung auch die Gestalt und der Name des Anklägers (sh. Hiob) sich gebildet hat? Ist nicht der Teufel wie auch der Satan in den Evangelien der Repräsentant des weltlichen Reiches?
Das Recht stellt bei der Schuldzuweisung (beim „Urteil“) auf das Wissen und die Absicht der Person (des Angeklagten) ab. Vor diesem Hintergrund ist der Links-Terrorismus das absolute Verbrechen, während Auschwitz eine Naturkatastrophe war. Fürs Recht ist die Unterscheidung einfach: Die Linke weiß, was sie tut, die Rechte weiß nicht, was sie tut.
Der Fehler des „realexistierenden Sozialismus“, der heute bei den Umweltschutzgruppen sich zu wiederholen scheint, lag darin, daß er glaubte, die Kritik der Ökonomie von der Kritik der Verwaltung (von der Kritik der Macht, deren technische Organisation der Verwaltung obliegt) trennen zu können, die Verwaltung als eine „neutrales“ Instrument anzusehen. Die Kritik der Verwaltung hätte von dem Satz auszugehen: Alle tun ihre Pflicht, aber keiner weiß, was er tut. Die Verwaltung ist das Schuldverschubsystem des Staatsapparats; und das scheint eine ihre Hauptaufgaben zu sein: sie deckt in der Tat eine Menge Sünden zu und wartet auf einen gnädigen Gott.
Wie hängt die Aufblähung der Verwaltung mit der Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Banken zusammen; erinnert die Beziehung beider nicht an die Beziehung von Blähungen und Verdauung, und rührt daher die heute verbreitete Neigung zur analen Metaphorik (vgl. Freuds Bemerkung über die Beziehung des Geldes zur analen Metaphorik: „der Teufel scheißt auf den größten Haufen“)?
Ist nicht die Logik selber das Rattennest der Widersprüche, und die alternative wie insbesondere die Punk-Szene der ebenso hilflose wie selbstzerstörerische Versuch, metaphorisch die Wahrheit der Welt zu verkörpern, sie sichtbar zu machen, die Ratte zu domestizieren, ein unüberhörbarer Aufschrei, in dieser Realsymbolik das Wesen dieser Welt endlich zu begreifen? Anders kommen sie nicht davon los, die Logik dieser Welt symbolisch auszuagieren. Auch die deutsche Wirklichkeit hat ihre Slums, mitten in den Familien, sichtbar auf den Straßen unserer Städte.
Die Geschichte der Verdrängung, die im Weltbegriff sich gründet, hat einen Punkt erreicht, an dem es auch um die Lösung des Problems der Symbollogik geht, an dem es nicht mehr nur um das Verhältnis von Marx und Freud, sondern zugleich um die Beziehung beider zu Einstein geht.
Das Mathematische bei Einstein ist nur ein Hilfsmittel der Kritik des Logischen. Das logische Problem wird kenntlich, wenn man das Inertialsystem als ein Referenzsystem begreift, das in der speziellen Relativitätstheorie als ein selbstreferentielles System sich erweist: Mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wird eine empirische, meßbare Größe zu einem Strukturelement des gleichen Systems, durch das diese Größe selber überhaupt erst sich definiert.
Ist die Welt die „babylonische Gefangenschaft“?
Besteht nicht die Sünde wider den Heiligen Geist in der Umkehrung der Beziehung von Anklage und Verteidigung, in dem Versuch, diese Beziehung, die ein asymmetrische ist, reversibel zu machen, die dann unweigerlich auf die Verteidung der Herrschaft hinausläuft, und ist das nicht die Verführung des Staates (die, im Falle des absehbaren Erfolgs, die Pforten der Hölle schließen würde)? Hier ist der Knoten, den Alexander nur durchschlagen hat, auf den jedoch auch der Satz sich bezieht: Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein (nur wer Himmel und Erde durch den Weltbegriff ersetzt, kann aus diesem Satz die Ohrenbeichte deduzieren).
Polanyi
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9.7.96
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5.7.96
Der Eigentumskonkretismus, dem Heinsohn verfallen ist, ist ein Trick, mit dem Heinsohn den Begründungszusammenhang, der das Eigentum mit dem Staat verbindet, ausblendet. Wenn er Eigentümer von Nichteigentümern unterscheidet, macht er den Staat zu einem Appendix der Eigentümer (und den Eigentumsbegriff zu einem Teil der Hausbesitzerideologie). Das Geld ist durch eine Eigenschaft definiert, die es von den „Gütern“ ähnlich unterscheidet wie den Raum von den Dingen in ihm (oder wie das Instrument von der Materie, die es bearbeitet): durch die logische (nicht empirische) Eigenschaft der Unvergänglichkeit, die als Folie der Vergänglichkeit die Dinge wie die Waren dem Untergang (der Verarbeitung, dem Verbrauch, dem Verzehr) zueignet. Wenn der Schuldknecht ein Eigentümer ist (S. 180), dann ist der Proletarier ein Schuldknecht seiner selbst. Gezeugt, nicht geschaffen: Güter werden produziert, Geld ist die Voraussetzung einer Produktion, in der es eigentlich nur sich selbst reproduziert (wie auch der Raum, der durch die subjektive Form der äußeren Anschauung hindurch sich konstituiert). Der philosophische Substanzbegriff ist ein Reflex des Eigentumsbegriffs: auf den Substanzbegriff und seine immanente Logik bezieht sich der trinitarische Begriff der homousia. War nicht die mittelalterliche Eucharistielehre eine sakrale Geldtheorie? Heinsohn abstrahiert von der Tatsache, daß Eigentum überhaupt erst im Prozeß des Ursprungs des Staates, mit dem Staat zusammen, sich konstituiert. Im Eigentumsbegriff steckt das, was heute Staatsgewalt heißt (und jeder Eigentümer hat Anteil an dieser Staatsgewalt; darin gründet der Nationalismus). Eigentumsbildung erfolgt nicht allein durch Revolution (der Schuldknechte gegen die Feudalherrn), sondern auch durch Eroberung, die das Eigentum der Eroberer an der unterworfenen Bevölkerung wie an ihrem Besitz begründet (vgl. die archaischen, regressiven Züge des Jugoslawien-Konflikts). Zur Logik jeder Revolution gehört es, daß sie nicht einfach nur den Staat, sondern ihn zugleich als Eroberungsstaat begründet. Gründet nicht der Missionsauftrag der Kirche in der gleichen Logik (ist nicht das Zeugen in der Trinitätslehre das Movens des Missionsauftrags der Kirche: Gehet hin in alle Welt …)? Hegels Satz, daß eine Grenze bestimmen sie überschreiten heißt, gründet in dieser Eigentumslogik. Es ist die gleiche Logik, die das Anschauen mit der Nacktheit verbindet (und den Ursprung des Staats mit dem Ursprung der Sexualmoral). Die Trinitätslehre hat das Problem, das der Philosophie im Römischen Staat sich stellte, gelöst, aber nur das logische, nicht das herrschaftsgeschichtliche Problem, das in dem logischen sich verbirgt. So ist diese Lösung zur neuen Grundlage einer imperialistische Ideologie geworden. Der Preis für die Hellenisierung war das proton pseudos der Theologie: die Opfertheologie. Steckt nicht in dem polemischen Teil der Heinsohnschen Theorie, in seiner Lust an der Entdeckung der Dummheit der Anderen, genau das tabuisierende Element, ein religiöses Erbe? Tempelwirtschaft: War nicht die „Religion“ ein Instrument der Legitimierung des Kontrakts und damit des „Eigentums“ und der mit ihm sich entfaltenden Logik? Die Tempel-, Priester- und Opferreligion wäre selber zu begreifen als gleichsam embryonale Frühform der Eigentumslogik. Am Astralkult und an der daraus hervorgegangenen Astrologie läßt der Zusammenhang mit der Eigentumslogik, mit der altorientalischen Gestalt der politischen Ökonomie, mit Händen sich greifen. Darin gründet die Vermutung, daß die „Venus-Katastrophe“ weniger auf eine astronomische, als vielmehr auf eine politisch-ökonomische Katastrophe sich bezieht. Sind Jupiter, Mars, Merkur und Venus, aber auch Sonne, Mond und Saturn, Verkörperungen einer an den Himmel projizierten Gesellschaftstheorie? Die „Wege des Irrtums“ (Jakobusbrief) oder die sieben unreinen Geister: Es gibt nicht mehr nur eine Dummheit, sondern eine (abzählbare) Vielheit an Gestalten der Dummheit, die alle durch Unbelehrbarkeit (und jede für sich durch Unwiderlegbarkeit) sich auszeichnen (vgl. die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos). „Was ist Wahrheit“ (Pilatus): Heute ist der Wahrheit gegenüber jeder im Vorteil, der sich dumm stellt. Kehren nicht die „theologischen Mucken der Waren“ heute in den wirren Phantasien über die Beziehungen der modernen Naturwissenschaften zur Religion wieder? „Ihr laßt die Armen schuldig werden“ (Goethe): Heinsohn/Steiger weisen „die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht … der Zinspolitik, sondern … der Einkommenspolitik in Gestalt der Nominallohnpolitik“ zu (S. 273). In einer Wirtschaft, in der die Unternehmensleitung nicht mehr Sache der „Eigentümer“, sondern die eines selber „lohnabhängigen“ (besitzverwaltenden) Managements ist, das nach „objektiven“ Grundsätzen einer „betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ handelt, erweist sich die Einkommenspolitik als die letzte weiche Stelle in einem ansonsten von lauter „harten Fakten“ bestimmten Kostengerüst. Die letzten „Eigentümer“, die mit ihrem Eigentum (mit ihrer nackten Existenz) für die Schuld, ohne belastbares, pfändbares, jedenfalls in Geld ausdrückbares Eigentum geboren zu sein, haften, sind die Arbeiter und Angestellten. Die Eigentümer haben sich aus der Verantwortung gestohlen, an der sie einmal ihre Würde hatten; die, die die Verantwortung haben, tun nur ihre Pflicht, wissen aber nicht mehr was sie tun (und die Wissenschaft, die ihnen dabei behilflich ist, verkörpert genau dieses Nichtwissen); nur die, die als Eigentumsledige jeder Einwirkungsmöglichkeit beraubt und aller Verantwortung enthoben sind, tragen die ganze Last des Risikos.
Gibt es eigentlich eine Abhängigkeit des außer jeder Relation zur Gesamtentwicklung des Preisniveaus sich vollziehenden Steigens der Grundstückpreise zur Entwicklung des die Logik der Geldwirtschaft beherrschenden Eigentums insgesamt? Ich vermute, die These ist nicht nur begründbar, sondern auch beweisbar, daß die Preissteigerungen am Grundstückmarkt (die als Folge der durch keine Leistung fundierten, sondern allein die Eigentumsmacht reflektierenden Mieterhöhungen sich begreifen lassen) als Index und als Spiegelbild der Gesteinsverschiebung in der gesamtwirtschaftlichen Eigentumsverteilung sich erweisen. Ist die jeder äußeren Einwirkung sich entziehende (gegen jeden moralischen Appell immun gewordene) Eigentumsmacht nicht die Perfektionierung der gleichen Strukturen und Mechanismen, die in anderen Zeiten im Phänomen der Majestätsbeleidigung sich manifestierte: Ist das Eigentum die unverletzbar gemachte (gegen das Ansinnen der Moral immunisierte) Verletzlichkeit der Herrschaft (die Stelle des Lindenblatts beim Siegfried)? Polanyi hat darauf hingewiesen, daß die Subsumtion des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes unters Tauschprinzip dem Kapitalismus den Weg freigemacht hat. Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Konstellation angesichts der gegenwärtigen Globalisierung der Ökonomie für die Objekte dieser Subsumtion im einzelnen (für Grund und Boden, für die Lohnarbeit, für die Geldentwicklung) ableiten; rücken diese Konsequenzen nicht auch die Beziehungen dieser Elemente in ein neues Licht (ähnlich wie die Beziehungen der drei Richtungen im Raum)? Die Eigentums- und Geldtheorie Heinsohns und Steigers ist das Produkt einer genauesten Entfaltung der Logik der Ökonomie; aber ist diese Logik nicht eine Harakiri-Logik, ein Instrument der Selbstzerstörung der ökonomischen Theorie: das Opfer der Ökonomie an den Absolutheitskern ihrer eigenen Idee (das Gegenstück des newtonschen „absoluten Raums“)? -
11.8.1995
Zur Kritik der platonischen Idee des Guten: Ist diese Idee nicht durch ihre Beziehung zur Subjektivität (das Gute ist immer ein Gutes für jemanden) zu unterscheiden von der prophetischen Utopie: Wenn Friede und Gerechtigkeit sich küssen. Der Baum der Erkenntnis ist der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Mit der Idee des Guten ist nur der Nationalismus zu begründen, der Staat.
Das Gute ist schon in der Genesis aufs Sehen bezogen (und Gott sah, daß es gut war): Dazu gehört dann das spätere „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“.
Worauf bezieht sich der Name im „Geheiligt werde Dein Name“? Es ist der im Vaterunser (wie im gesamten Neuen Testament) nicht genannte Name des Vaters, nicht der Vatername.
Der „Weltuntergang“ der Apokalypse bezeichnet die Welt als Untergang, das katastrophische Moment in der Ursprungs- und Entfaltungsgeschichte des Weltbegriffs, nicht den „Untergang“ einer bestehenden Welt. Das ist schon die (angsterzeugende statt -verarbeitende) Fehlinterpretation der Apokalypse durch die Herrschaftsreligion, Produkt der projektiven Verarbeitung der Apokalypse. Die Konstituierung des Weltbegriffs ist der Weltuntergang. Und die Welt, die alles ist, was der Fall ist, ist das Bild des vollendeten Weltuntergangs.
Der Weltbegriff und die Feigenblattsprache der Theologie.
Die Botschaft der Welt oder der Ursprung der Bekenntnislogik: Man darf kein Verlierer sein, und: Mit Verlierern darf man kein Mitleid haben. Das aber heißt: Auch mit sich selbst darf ein Verlierer (und das sind eigentlich alle) kein Mitleid haben. Wer schon kein Gewinner ist, sollte sich wenigstens in den Gewinner einfühlen, mit ihm sich identifizieren. Damit aber sind das Feindbild (der Antijudaismus), das Verrätersyndrom (die Ketzerverfolgung) und die Frauenverachtung (die Hexenverfolgung) vorprogrammiert. Wer die Katastrophe, selbst ein Verlierer zu sein, verdrängt, macht sie damit erst zur Katastrophe. Und der Barmherzige, der in die Verlierer sich einfühlt, wird stellvertretend selber als Verlierer verfolgt. Als „heile Welt“ gilt eine Welt, in der nichts mehr an das Verdrängte erinnert.
Politische Ökonomie: Der Exodus aus dem Sklavenhaus Ägypten gehört zur Vorgeschichte des Königtums, des Hauses Israel und Juda, die babylonische Gefangenschaft, die Etablierung der Weltreiche, zur Ursprungsgeschichte der „jüdischen Religion“: der Prophetie, des Weltbegriffs, der Geldwirtschaft und des Staates.
Nach Polanyi liegt der Ursprung des Handels im Außenhandel, im Naturverhältnis der Völker untereinander. Durch den Handel dringt eine Konstellation, die ihre Wurzeln in den Außenbeziehungen der Völker, in der „Außenpolitik“, hat, ins Innere der Staaten ein: die Konstellation von Sklaventum, Schuldknechtschaft, Tempelwirtschaft und Geldwirtschaft (Anfänge der Subsumtion des Geldes, von Grund und Boden und der Menschen unters Tauschprinzip). Wird heute – mit in der globalen Schuldenkrise – nicht die Armut in die gleiche Bewegung (in den gleichen Strudel) hereingezogen? Und ist diese politisch-ökonomische Geschichte nicht zugleich der Grund der Bewußtseinsgeschichte, und sind beide nicht durch die Sprache und durch deren Beziehung zum Gottesnamen mit einander verbunden?
Die Unendlichkeit ist das Resultat der Division durch Null. Die Division durch Null, die Null als Nenner, ist das logische Prinzip des Raumes, der Beziehung der Dimensionen des Raumes (der Orthogonalität). Haben die Nichtse im Stern der Erlösung etwas mit diesen Nullen zu tun?
Ist das N-ich-ts, das isolierte, aus der dialogischen Beziehung der Sprache und des Sehens herausgelöste Ich (worauf beziehen sich das Präfix N und das Suffix ts, das pluralisierte deiktische t)?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie